Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 18. Mai 2015 - 11 K 2152/15

bei uns veröffentlicht am18.05.2015

Tenor

Der Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 19. März 2015 (11 S 334/15) wird gemäß § 80 Abs. 7 VwGO von Amts wegen geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 07.11.2014 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 31.10.2014 wird wieder angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Änderungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt.

Gründe

Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache - derzeit also das erstinstanzliche Gericht, bei dem das Klageverfahren 11 K 5751/14 noch anhängig ist - Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Das gilt auch, wenn im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zuvor bereits das Rechtsmittelgericht entschieden hatte. Das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO dient dabei nicht in der Art eines Rechtsmittelverfahrens der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung formell und materiell richtig ist. Es eröffnet vielmehr die Möglichkeit, einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage Rechnung zu tragen. Prüfungsmaßstab ist daher allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nunmehr doch geboten ist oder eben nicht (vgl. BVerwG; Beschluss vom 10.03.2011 - 8 VR 2.11 - juris Rn. 8; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.11.1995 - 13 S 494/95 - VBlBW 1996, 98; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.12.2013 - 9 S 53.13 - juris; Funke-Kaiser, in: Bader, VwGO, 6. Aufl. 2014, § 80 Rn. 143a).
In diesem Sinne war der Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 19. März 2015 (11 S 334/15) abzuändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 07.11.2014 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 31.10.2014 (wieder) anzuordnen. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren steht nunmehr fest, dass der Antragsteller Anspruch auf den begehrten Aufenthaltstitel hat und die anderslautende Entscheidung der Beklagten nebst der Abschiebungsandrohung aufzuheben ist. Der Berichterstatter verweist insoweit auf die den Beteiligten bekannt gegebenen Ausführungen im Urteil des Hauptsacheverfahrens 11 K 5751/14.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Berichterstatter weist darauf hin, dass aufgrund der Bestimmung des § 16 Nr. 5 RVG das von Amts wegen eingeleitete Änderungsverfahren im Verhältnis zum ersten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung „dieselbe Angelegenheit“ i. S. des § 15 Abs. 2 RVG ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.11.2011 - 8 S 1247/11 - JZ 2012, 421).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Es bedarf einer Streitwertfestsetzung, weil diese Grundlage für zu erhebende Gebühren ist. Denn mehrere Verfahren nach § 80 Abs. 5 und 7 VwGO gelten - systematisch insoweit vom Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abweichend - nur innerhalb eines Rechtszugs als ein Verfahren (Vorbemerkung 5.2 Abs. 2 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG), was zur Folge hat, dass die Abänderung eines zweitinstanzlichen Beschlusses durch das Ausgangsgericht - wie hier - eine Gebühr auslöst (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 13.10.1989 - 1 S 3032/89 - juris). Denn Absatz 2 der Vorbemerkung 5.2 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG nimmt sowohl Satz 1 als auch Satz 2 des § 80 Abs. 7 VwGO in Bezug (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. März 2015 – 8 S 492/15 –, juris).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 18. Mai 2015 - 11 K 2152/15

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 18. Mai 2015 - 11 K 2152/15

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 3 Höhe der Kosten


(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.
Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 18. Mai 2015 - 11 K 2152/15 zitiert 7 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 3 Höhe der Kosten


(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 15 Abgeltungsbereich der Gebühren


(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. (2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 16 Dieselbe Angelegenheit


Dieselbe Angelegenheit sind 1. das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung sowie über einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte Dritter und jedes Verwaltungsverfahren auf Abänderung oder Aufhebung in den ge

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Tenor Der Bescheid der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31. Oktober 2014 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Dezember 2014 werden aufgehoben.Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach

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Tenor Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2015 - 11 K 5376/14 - geändert.Der Antrag wird abgelehnt.Der Antragsteller trägt die Kosten des V

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Tenor Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 30. März 2011 - 5 K 3036/10 - teilweise geändert. Auf die Erinnerung des Antragsgegners wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der

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Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2015 - 11 K 5376/14 - geändert.

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hätte den nach § 81 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und § 80 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 VwGO statthaften Antrag ablehnen müssen.
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand sprechen nicht nur keine Gesichtspunkte von ausreichendem Gewicht dafür, dass das Rechtsbehelfsverfahren des Antragstellers Erfolg haben könnte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dieses ohne Erfolg bleiben wird, weshalb es schon deshalb bei der gesetzlich angeordneten Rechtsfolge des § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu verbleiben hat.
1. Unterstellt man, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts zutrifft, wonach es als offen angesehen werden müsse, ob die vom Regierungspräsidium Stuttgart im Widerspruchsbescheid vom 10.12.2014 getroffene Ermessensentscheidung nach § 30 Abs. 2 Satz 2 (i.V.m. Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 lit. e) AufenthG rechtmäßig sei (vgl. hierzu unter Ziffer 2), so wird der Antragsteller entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts jedenfalls zu Recht auf die Einholung des Visums von seinem Heimatland aus verwiesen. In diesem Zusammenhang stellt nicht einmal der Antragsteller infrage, dass er ohne das erforderliche Visum im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG eingereist und nicht befugt war, den Aufenthaltstitel nach der Einreise einzuholen.
Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Einholung des erforderlichen Visums nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG liegen nämlich schon nicht vor, sodass es auf etwaige Ermessensfehler nicht ankommen kann. Die Einholung des Visums ist dem Antragsteller nicht unzumutbar. Um die Effektivität des Visumsverfahrens und seine Steuerungs- und präventive Kontrollfunktion nicht zu gefährden, ist die Vorschrift - auch vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Schutzpflichten des Art. 6 Abs. 1 GG - eng auszulegen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.12.2014 - 1 C 15.14 - juris und vom 11.01.2011 - 1 C 23.09 - NVwZ 2011, 871; GK-AufenthG § 5 Rn. 121).
Dem Antragsteller ist die - voraussetzungsgemäß an sich zunächst nur vorübergehende - Rückkehr nicht deshalb unzumutbar, weil er als junger Mann noch der Wehrpflicht unterliegt und deshalb möglicherweise in Betracht kommen kann, dass er im Fall der Rückkehr in sein Heimatland angesichts des Konflikts in der Ostukraine für einen nicht feststehenden Zeitraum zum Militärdienst eingezogen werden kann. Es würde sich dabei um ein nicht zu beanstandendes Vorgehen seines Heimatstaates handeln, wenn der Kläger zur Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflichten herangezogen würde (siehe auch BVerwG, Urteil vom 10.12.2014, a.a.O.), denen sich zu entziehen der Kläger ebenso wenig berechtigt ist, wie seine im Heimatland verbliebenen Landsleute. Demgemäß wäre sein Heimatstaat zweifellos - auch völker- und menschenrechtlich unbedenklich - berechtigt, ihm die Ausreise und damit die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland zunächst faktisch zu verweigern. Der Senat erlaubt sich in diesem Zusammenhang den lediglich ergänzenden Hinweis auf § 7 Abs. 1 Nr. 7 und 8 PassG (ggf. i.V.m. § 8 PassG). Zwar hätte der Antragsteller rein faktisch die Chance, einer Einziehung zum Militärdienst zunächst zu entgehen, wenn ihm ein Aufenthaltstitel vom Inland aus erteilt würde; als unzumutbar kann die Rückkehr vor dem Hintergrund dieser zulässigen und unbedenklichen Wertung aber nicht qualifiziert werden. Der Antragsteller hat auch keine Gesichtspunkte vorgebracht, die es gerade ihm unzumutbar machen würden, seinen staatsbürgerlichen Pflichten nachzukommen. Der Hinweis auf sein Gewissen ist offensichtlich in seiner Pauschalität defizitär - so es sich überhaupt um einen im Rahmen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG relevanten Aspekt handeln würde.
2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts wird nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand die im Widerspruchsbescheid getroffene Ermessensentscheidung nach § 30 Abs. 2 Satz 2 AufenthG aber auch nicht zu beanstanden sein. Der Hinweis auf Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.09.2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. Nr. L 251 vom 03.10.2003, S. 12) vermag nur auf den ersten Blick ein Fragezeichen aufzuwerfen. Nach dieser Regelung dürfen die Mitgliedstaaten verlangen, dass sich der Zusammenführende während eines Zeitraums, der zwei Jahre nicht überschreiten darf, rechtmäßig auf ihrem Hoheitsgebiet aufgehalten hat, bevor seine Familienangehörigen ihm nachreisen. Nimmt man nämlich zusätzlich den den Anwendungsbereich der Richtlinie näher umschreibenden Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie in den Blick, so wird deutlich, dass in der vorliegenden Fallkonstellation nicht tragend mit der Opt-Out-Regelung des Art. 8 Abs. 1 argumentiert werden kann. Nach Art. 3 Abs. 1 RL 2003/86/EG findet die Richtlinie nämlich überhaupt nur Anwendung, wenn nach seinem mindestens einjährigen rechtmäßigen Aufenthalt der Stammberechtigte die „begründete Aussicht darauf hat, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erlangen“. Dies ist jedoch im vorliegenden Falle, in dem die Ehefrau des Antragstellers einen Aufenthaltstitel nach § 16 Abs. 1 AufenthG besitzt, mit Rücksicht auf die Ausschlussregelung des Absatzes 2 Satz 2 nicht der Fall (vgl. hierzu sogleich). Eine andere Frage ist, ob ggf. nach einem (noch) längeren Zeitraum des Studienaufenthalts der Ehefrau des Antragstellers - ungeachtet irgendwelcher unionsrechtlicher Vorgaben - vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 GG und einer (erst) am 27.12.2013 erfolgten Eheschließung eine andere Interessenbewertung im Rahmen der Ermessensbetätigung nach § 30 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorzunehmen sein wird.
Nicht gefolgt werden kann auch der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Anwendbarkeit des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. d) AufenthG fraglich sei, weshalb daher auch nicht in Betracht zu ziehen ist, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG vorliegen könnten. Die Norm des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. d) AufenthG nimmt nach ihrem Sinn und Zweck eine Verknüpfung des vom Stammberechtigten besessenen konkreten Aufenthaltstitels und dessen mögliche Überführung in eine Niederlassungserlaubnis vor. Vor dem Hintergrund der Normierungsstruktur des § 16 Abs. 2 Satz 2 bzw. Absatz 4 Satz 3 oder des Absatzes 5b Satz 3 bzw. des Absatzes 6 Satz 3 AufenthG (vgl. auch § 17 Abs. 1 Satz 3 bzw. Absatz 3 Satz 3 AufenthG) ist eine unmittelbare Überführung einer Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken in eine Niederlassungserlaubnis ausgeschlossen. Jede andere Betrachtungsweise würde den Zweck der Vorschrift, eine Aufenthaltsverfestigung aus dem konkreten Titel zu verhindern, solange nicht in zulässiger Weise in einen „verfestigungsfähigen“ übergewechselt wurde, verfehlen und sich in beliebigen Wertungen verlieren. Dieser strikte Normierungszweck wird zudem darin deutlich, dass auch im Falle einer Verlängerung nach § 16 Absatz 4 Satz 1 AufenthG, wenn sich die Betroffenen gewissermaßen einem „verfestigungsfähigen“ Titel schon wesentlich stärker angenähert haben, nach Absatz 4 Satz 3 eine Verfestigung ausgeschlossen ist, solange sie nicht tatsächlich einen solchen erhalten haben. Eine Aufenthaltserlaubnis des stammberechtigten Ehegatten nach § 16 AufenthG begründet daher nicht die Voraussetzung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. d) AufenthG.
3. Die Abschiebungsandrohung findet ihre zutreffende Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Die dem Antragsteller bei einer Zustellung am 06.11.2014 eingeräumte Ausreisefrist von etwa 3 ½ Wochen ist angesichts der Kürze seines Aufenthalts im Bundesgebiet und des rechtlich vorgegebenen Rahmens 7 bis 30 Tagen in jeder Hinsicht angemessen.
10 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
11 
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.
12 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Der Bescheid der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31. Oktober 2014 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Dezember 2014 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG zu erteilen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs, was ihm von der Beklagten maßgeblich wegen eines Visumverstoßes bei der Einreise versagt wird.
Der Kläger, ein am xx.xx.xxx geborener ukrainischer Staatsangehöriger, gehört zu einer technik- und deutschland-affinen Familie aus der Ukraine.
Der Schwiegervater des Klägers verließ bereits im letzten Jahrzehnt mit seiner damaligen zweiten Ehefrau sein Herkunftsland und übersiedelte nach Deutschland. Er ist inzwischen deutscher Staatsangehöriger. Er arbeitet seit längerem für ein Inge-nieur-Büro für Elektrotechnik als Projekt-Manager und erzielt aktuell ein monatliches Brutto-Einkommen i. H. v. ca. EUR 4.000,-.
Der Schwager des Klägers, Bruder der Ehefrau und Sohn des Vorgenannten, übersiedelte ebenfalls nach Deutschland. Er ist noch in Besitz der ukrainischen Staatsangehörigkeit und arbeitet beim selben Ingenieur-Büro wie sein Vater.
Die Ehefrau des Klägers, Tochter bzw. Schwester der beiden Vorgenannten, war nach der Auswanderung ihres Vaters zunächst in der Ukraine verblieben und erlangte dort ihren Schulabschluss. Seit dem Jahr 2005 lebt sie mit dem Kläger zusammen, beide bewohnten im Heimatland eine gemeinsame Wohnung. Im Jahr 2012 folgte die Ehefrau des Klägers ihrem Vater nach Deutschland und erhielt hier von der Beklagten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 16 Abs. 5 AufenthG und im Anschluss eine solche nach § 16 Abs. 1 AufenthG zum Zwecke des Studiums. Derzeit studiert sie Wirtschaftsinformatik an der Universität xxx und arbeitet seit Oktober 2014 bei der xxx AG als Werkstudentin in der IT-Abteilung, wodurch sie auch ihren Lebensunterhalt sichert. Sie beabsichtigt, nach Abschluss der Universität ihre Karriere als Ingenieurin in Deutschland fortzusetzen und hat nach ihren Angaben von ihrem Arbeitgeber bereits ein Angebot, nach dem Studienabschluss ihren Arbeitsvertrag bei der xxx AG zu verlängern.
Der Kläger selbst verblieb zunächst in der Ukraine und das Paar besuchte sich wechselseitig. Nach Abschluss von Schulausbildung und Militärdienstzeit erlangte der Kläger an der nationalen Bergbau-Universität einen Hochschulabschluss in der Fachrichtung „Informations- und Steuerungssysteme und -technologien“ sowie die Qualifikation „Fachkraft im Bereich der Computersysteme“.
Am 27.12.2013, noch während des Studiums seiner Lebensgefährtin in Deutschland, schlossen der Kläger und seine Frau in der Ukraine die Ehe.
Im Februar 2014 erhielt der Kläger vom polnischen Konsulat in Charkow/Ukraine ein Schengen-Visum „Typ C“ zur zweimaligen Einreise in den Schengen-Raum ab dem 24.02.2014.
Am 05. März 2014 gelangte der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland und nahm bei seiner Ehefrau Wohnung. Unter dem 20.03.2014 beantragte er bei der Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 30 AufenthG zum Ehegattennachzug. Hierzu trug er u. a. vor, er sei derzeit dabei, die deutsche Sprache intensiv zu lernen und könne sich bereits einigermaßen verständigen. Ab dem 31.03.2014 werde er an einem Deutsch-Intensiv-Sprachkurs teilnehmen. Der Lebensunterhalt sei - auch über die Ehefrau und den Schwiegervater - gesichert. Auf einem persönlichen Konto des Klägers bei der Deutschen Bank liege ein Guthaben in Höhe von mehr als EUR 8.000,-. Aufgrund der Qualifikationen bestünden auch gute Aussichten, in Deutschland, etwa in der IT-Branche, eine Arbeit zu finden. In der Wohnung des Schwiegervaters gebe es ausreichenden Wohnraum. Auch eine Krankenversicherung liege vor. Zwar sei der Kläger lediglich mit einem Schengen-Visum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Es sei ihm aber nicht zuzumuten, zur Durchführung eines Visa-Erteilungsverfahrens in die Ukraine zurückzukehren. Der Kläger sei Unteroffizier der Reserve der ukrainischen Streitkräfte. Dort sei zwischenzeitlich eine Mobilisierung angeordnet. Im Falle der Rückkehr müsse der Kläger mit der sofortigen Einziehung rechnen und dass er in den Konflikt mit Russland involviert werde. Der Kläger legte zu seinem Vortrag umfangreiche Urkunden und Bescheinigungen vor.
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Unter dem 15.04.2014 ergänzte der Kläger sein bisheriges Vorbringen im Antragsverfahren und teilte u. a. mit, sein Schengen-Visum habe er Anfang 2014 auf Einladung eines polnischen Geschäftspartners erhalten. Da die Verhandlungen mit dem Geschäftspartner schneller abgeschlossen waren als der Gültigkeitszeitraum des Visums lautete, habe sich die Gelegenheit geboten, die Ehefrau in Deutschland für die restliche Zeit zu besuchen. Nach der Zuspitzung der militärischen Situation in der Ukraine habe seine Ehefrau darauf bestanden, dass er nicht dorthin zurückkehre. So sei die Entscheidung getroffen worden, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug im Bundesgebiet zu stellen.
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Am 24.04.2014 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ablehnung des Antrages auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an. Im Rahmen dessen teilte der Kläger unter dem 11.08.2014 u. a. mit, der Kläger habe zwischenzeitlich die erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache erworben. Entsprechende Bescheinigungen waren beigefügt.
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Mit Bescheid vom 31.10.2014 lehnte die Beklagte schließlich den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab und drohte dem Kläger - unter Fristsetzung - die Abschiebung in die Ukraine an. Zur Begründung ist u. a. ausgeführt, keine der alternativ zu erbringenden Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. a) bis g) AufenthG werde vom Kläger erfüllt. Hinsichtlich der Ehefrau des Klägers, die eine Aufenthaltserlaubnis zum Studium besitze, sei gemäß § 16 Abs. 2 AufenthG die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ausgeschlossen. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. d) AufenthG sei daher nicht einschlägig. Aber auch lit. e) der Norm komme nicht in Betracht. Die Ehe sei erst am 27.12.2013 geschlossen worden und die Ehefrau habe zu diesem Zeitpunkt bereits mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland gelebt. Gemäß § 30 Abs. 2 Satz 2 AufenthG könne daher lediglich nach Ermessen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Gründe, die im Rahmen des Ermessens zugunsten des Klägers ausgelegt werden könnten, seien nicht erkennbar und seien auch nicht vorgetragen worden. Zudem seien auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG nicht erfüllt. Der Kläger sei nicht mit dem notwendigen Visum zum Familiennachzug, vielmehr mit einem polnischen Schengen-Visum in das Bundesgebiet eingereist. Ein Anspruch nach den §§ 39 ff Aufenthaltsverordnung, um den Aufenthaltstitel nach der Einreise einholen zu dürfen, bestehe hier nicht. Das Absehenermessen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sei nicht eröffnet. Zum einen habe der Kläger keinen Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG. Aber selbst wenn die Ausnahmevorschrift einschlägig wäre, liege es im öffentlichen Interesse, das Visumverfahren als wichtigstes Steuerungsinstrument der Einreise beizubehalten. Bereits aus generalpräventiven Gründen sei es erforderlich, dem Eindruck entgegenzuwirken, dass durch die gezielte Umgehung der Einreisevorschriften vollendete Tatsachen geschaffen werden könnten. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Einreisevorschriften, um den Zweck des Aufenthaltsgesetzes, die Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern nicht zu gefährden, überwiege das private Interesse am Absehen von der Visumerteilung. Es sei verhältnismäßig und zumutbar, dass der Kläger das Visumverfahren in seinem Heimatland nachhole. Auch seien keine besonderen Umstände erkennbar, die gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. AufenthG eine Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens darstellen könnten. Außergewöhnliche schutzwürdige Belange des Klägers und seiner Ehefrau, die die Nachholung des Visumverfahrens hier unzumutbar oder unverhältnismäßig erscheinen ließen, seien nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen. Daran ändere auch der Vortrag, in der Ukraine sei nunmehr die Teilmobilmachung der Streitkräfte angeordnet worden, nichts. Der Kläger wolle sich durch einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet seiner staatsbürgerlichen Pflicht entziehen. Die deutschen Behörden könnten auf jeden Fall ein rechtswidriges Verhalten gegenüber dem Heimatstaat durch das Absehen von der Nachholung des Visumverfahrens nicht unterstützten.
13 
Der Kläger legte gegen diese Entscheidung der Beklagten fristgerecht Widerspruch ein. Zusätzlich beantragte er beim Verwaltungsgericht Stuttgart im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, die aufschiebende Wirkung dieses Widerspruchs anzuordnen. Zur Begründung ist u.a. angegeben, die Ausführungen im angegriffenen Bescheid, „Gründe, die im Rahmen des Ermessens zu Ihren Gunsten ausgelegt werden könnten, sind nicht erkennbar und wurden auch nicht vorgetragen“, kämen einem Unterlassen einer Ermessensbetätigung gleich. Er habe - mehrfach - auf seinen Rang als Unteroffizier der ukrainischen Streitkräfte und auf die drohende Gefahr seiner sofortigen Mobilisierung hingewiesen. Entsprechendes müsse gelten mit Blick auf die Möglichkeit, gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vom Visa-Erfordernis abzusehen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2014 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung ist u.a. auf die angegriffene Verfügung der Beklagten verwiesen. Ergänzend ist ausgeführt, bei einer Ermessensentscheidung nach § 30 Abs. 2 Satz 2 AufenthG könne abhängig von der Fallgestaltung u. a. maßgeblich sein, dass an dem Aufenthalt einer Person, die sich vorübergehend im Bundesgebiet aufhält, ein öffentliches Interesse besteht. Das sei beim Kläger nicht der Fall. Die Beklagte habe das ihr erteilte Ermessen rechtmäßig ausgeübt. Die vorgetragene Einberufung als Reservist zur Armee mit der Gefahr, in den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland involviert zu werden, könne ebenfalls nicht zu einem Aufenthaltsrecht führen. Es könne dem Kläger zugemutet werden, sein Heimatland zu unterstützen. Auch Art. 6 GG führe nicht dazu, vom Visumerfordernis hier abzusehen. Zum Zeitpunkt der Heirat habe sich die Ehefrau bereits zum Zwecke des Studiums in Deutschland befunden, so dass eine eheliche Lebensgemeinschaft bislang nicht begründet worden sei. Das öffentliche Interesse an der ordnungsgemäßen Durchführung des Visumverfahrens wiege daher höher als das persönliche Interesse des Klägers.
15 
Der Kläger hat am 16.12.2014 das Verwaltungsgericht angerufen.
16 
Mit Beschluss vom 19.01.2015 (11 K 5376/14) ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs des Klägers an. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, der Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache müsse - zumindest - als im Ergebnis offen angesehen werden. Die Annahme einer Unzumutbarkeit hinsichtlich der Pflicht, das Visumverfahren nachzuholen, liege außerordentlich nahe. Mit Blick auf Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Buchst. d) der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.09.2003 (FamiliennachzugsRL) sei auch das Ermessen der Behörde reduziert.
17 
Mit Beschluss vom 19.03.2015 (11 S 334/15) änderte der VGH Baden-Württemberg diese Entscheidung und wies den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Zur Begründung heißt es dort, es sei davon auszugehen, dass das Rechtsbehelfsverfahren ohne Erfolg bleiben werde. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Einholung des erforderlichen Visums nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG lägen nämlich nicht vor. Die Einholung des Visums sei dem Kläger nicht unzumutbar. Eine mögliche Einziehung als Reservist für einen nicht feststehenden Zeitraum zum Militärdienst wäre ein nicht zu beanstandendes Vorgehen des Heimatstaates, wenn der Kläger zur Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflichten herangezogen würde, denen sich zu entziehen der Kläger ebenso wenig berechtigt sei, wie seine im Heimatland verbliebenen Landsleute. Denn auch der Heimatstaat wäre zweifellos berechtigt, dem Kläger die Ausreise und damit die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland zunächst faktisch zu verweigern. Der Kläger habe keine Gesichtspunkte vorgebracht, die es gerade ihm unzumutbar machen würden, seinen staatsbürgerlichen Pflichten nachzukommen. Der Hinweis auf Art. 8 der Familienzusammenführungsrichtlinie vermöge nur auf den ersten Blick ein Fragezeichen aufzuwerfen. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie finde diese nämlich überhaupt nur Anwendung, wenn der Stammberechtigte, hier also die Ehefrau des Klägers, die „begründete Aussicht darauf hat, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erlangen“. Das sei im Falle der Ehefrau des Klägers nicht der Fall.
18 
Im Hauptsacheverfahren hat der Kläger ergänzend weiter ausgeführt, die Lage im Heimatland habe sich inzwischen noch weiter verschlechtert. Es finde ein Bürgerkrieg statt, sehr wahrscheinlich unter Beteiligung eines anderen Staates. Der Kläger stamme aus Dnjpropetrovsk. Donezk sei nur 200 km entfernt und die militärische Front befinde sich noch näher. Es gebe dort inzwischen mehr als 4000 Tote. Es liege auf der Hand, dass es sich hier um besondere Umstände handele, die im Rahmen des Absehen-Ermessens zu berücksichtigen seien. Das gelte auch für den Umstand, dass der Kläger und seine Ehefrau bereits seit zehn Jahren zusammen lebten. Die schutzwürdigen Interessen des Ehepaares seien übersehen worden.
19 
Der Kläger hat zwischenzeitlich von der Universität xxx die Zulassung zum Studium der Elektrotechnik und Informationstechnik ab dem Sommersemester 2015 erhalten. Der Schwiegervater des Klägers hat eine förmliche Verpflichtungserklärung gemäß § 68 AufenthG für den Kläger abgegeben.
20 
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung trug der Kläger und seine ihn als Beistand begleitende Ehefrau ergänzend vor, aus der Einheit, in der der Kläger seine Militärausbildung absolviert habe, habe es im Rahmen des Konfliktes inzwischen bereits 40 Gefallene gegeben. Darunter sei sein damaliger Kommandeur und etliche bekannte junge Männer aus seiner Nachbarschaft. In der Ukraine herrsche Korruption. Zum Militärdienst als Reservisten würden im Rahmen der jetzigen Mobilisierungen vor allem „einfache Leute“, wie er, eingezogen. Die Söhne der Oberschicht müssten nicht mit ihrer Mobilisierung rechnen. Er wolle in diesem Konflikt nicht kämpfen. Seine Mutter sei russische Volkszugehörige gewesen. Sie sei verstorben. In Russland habe er aber noch zahlreiche Verwandte mütterlicherseits. Er könne in diesem Konflikt nicht kämpfen. Er habe die militärische Qualifikation eines Mechaniker-Fahrers des Gefechtsfahrzeuges (Granatwerfer) der Luftsturmtruppen. Als solcher müsse er im Falle der Rückkehr in die Ukraine mit seiner sofortigen Mobilisierung rechnen, mit allen Konsequenzen. Nach den vorliegenden Nachrichten aus der Ukraine sei aktuell die fünfte Mobilisierungswelle angeordnet. Davon werde auch im ukrainischen Fernsehen gesprochen.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
den Bescheid der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31. Oktober 2014 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Dezember 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG zu erteilen.
23 
Die Beklagte beantragt,
24 
die Klage abzuweisen.
25 
Sie bezieht sich auf die angegriffenen Verfügungen und die Ausführungen im Beschluss des VGH Baden-Württemberg im vorangegangenen Eilverfahren.
26 
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Berichterstatter die Klägerseite nach einer eventuellen Bereitschaft gefragt, ein Visumverfahren in der Ukraine nachzuholen. Während sich der Kläger nachdenklich zeigte, ohne sich direkt zu äußern, lehnte die den Kläger als Beistand begleitende Ehefrau dies kategorisch ab. Sie können ihren Mann, mit dem sie seit zehn Jahren zusammenlebe, nicht der Gefahr aussetzen, in der militärischen Auseinandersetzung in der Ukraine zu Tode zu kommen. Das komme überhaupt nicht in Frage.
27 
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat das Verwaltungsgericht, als Gericht der Hauptsache, gemäß § 80 Abs. 7 VwGO von Amts wegen den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 19.03.2015 geändert und - erneut - die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs des Klägers angeordnet (11 K 2152/15).
28 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die Gerichtsakten, die Gerichtsakten im vorangegangenen Eilverfahren sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
29 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Diese mussten daher unter Ausspruch einer entsprechenden Verpflichtung durch das Gericht aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
30 
Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG.
31 
1. Auf Grund der Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens erlaubt sich der Berichterstatter vorab einige grundsätzliche Bemerkungen. Der Kläger - wie auch seine hier lebenden Familienangehörigen - zählt auf Grund von Ausbildung, Vorkenntnissen und Berufstätigkeit zu den Angehörigen der sog. „MINT“-Berufe. Zu diesem Stichwort ist in der internet-gestützten Enzyklopädie wikipedia u.a. ausgeführt:
32 
„Der Ausdruck „MINT“ ist ein Initialwort, das aus den betreffenden Fachbereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik gebildet wurde. Der Sektor MINT beschreibt den zentralen wirtschaftlichen Innovationssektor. In Deutschland sind im weiten Sinne rund 2,3 Millionen MINT-Akademiker erwerbstätig. Die branchenübergreifende Wertschöpfung wird auf 250 Milliarden Euro geschätzt. Der Frühjahrsbericht 2013 des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft betont die Bedeutung der Verfügbarkeit von innovationsrelevanten Arbeitskräften mit einem MINT-Schwerpunkt für die Innovationskraft von Unternehmen, und zwar insbesondere für die Metall- und Elektroindustrie. Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der MINT-Fächer haben sich angesichts von Prognosen, die für die Zukunft einen Fachkräftemangel im Bereich dieser Fächer vorhersagen, zahlreiche Projekte und Initiativen gebildet, die teils von der öffentlichen Hand oder öffentlich gefördert seitens der Wirtschaft durchgeführt werden, um das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften in diesem Bereich zu erhöhen. Insbesondere ausländische Studenten und Absolventen der MINT-Fächer sollen stärker an Deutschland gebunden und schneller integriert werden.“
33 
Die Bearbeitung des vorliegenden Verfahrens durch die Behörden lässt eine Berücksichtigung dessen nicht erkennen. Soweit es im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart heißt, es bestehe kein öffentliches Interesse am Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet, scheint eine nunmehr schon seit 15 Jahren geführte gesellschaftliche Debatte über die Notwendigkeit, den Fachkräftemangel durch qualifizierten Zuzug von Ausländern auszugleichen, keinerlei Spuren hinterlassen zu haben. Das öffentliche Interesse an einer solchen Ausländerzuwanderung von Fachkräften hat der Gesetzgeber inzwischen in einer Vielzahl von Normen des Aufenthaltsgesetzes nachdrücklich zum Ausdruck gebracht (vgl. das Gesetz zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 01.06.2012, BGBl. S. 1224). Sowohl die Zuwanderung und Integration des Schwiegervaters des Klägers, als auch diejenige seines Schwagers, seiner Ehefrau und seine eigene, entsprechen daher dem wohl verstandenen öffentlichen Interesse der Bundesrepublik Deutschland.
34 
Soweit im angegriffenen Bescheid der Beklagten als Zweck des Aufenthaltsgesetzes - allein - auf § 1 Abs. 1 S.1 AufenthG verwiesen wird, wonach das Gesetz der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern dient, bleibt Satz 2 der Norm unverständlicherweise unerwähnt. Dort heißt es, das Gesetz ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland.
35 
2. Der Kläger erfüllt zunächst alle Voraussetzungen für einen Familiennachzug gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 lit. e) i.V.m. Abs. 2 S. 2 AufenthG. Das insoweit eingeräumte Ermessen ist mit Blick auf Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Buchstabe d) der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.09.2003 (FamiliennachzugsRL) „auf Null“ reduziert. Auf den Beschluss des Berichterstatters im vorangegangenen Eilverfahren (dort S. 4) wird verwiesen. Soweit hiergegen im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19.03.2015 ausgeführt ist, nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie finde diese überhaupt nur Anwendung, wenn der Stammberechtigte - hier also die Ehefrau des Klägers - die „begründete Aussicht darauf hat, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erlangen“, was im Falle der Ehefrau des Klägers nicht der Fall sei, trifft dies nicht zu. Das Gegenteil ist richtig. Die „Aussicht“ der Ehefrau des Klägers auf ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland ist mehr als nur begründet. Sie steht zur Überzeugung des Berichterstatters fest. Die Ehefrau des Klägers ist Tochter eines deutschen Staatsangehörigen. Zwar besitzt sie aktuell nur eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG. Ihre „begründete Aussicht auf Daueraufenthalt“ ergibt sich aber nicht nur aus dieser Vorschrift. In Blick zu nehmen sind im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie („begründete Aussicht“) die gesamten Lebensumstände und die insgesamt insoweit vorhandenen rechtlichen Regelungen. Die Vorstellung, die Tochter eines deutschen Staatsangehörigen, die im Bundesgebiet eine akademische Ausbildung durchlaufen hat, während dieser Ausbildung bereits als sog. „Werkstudentin“ bei einem deutschen Konzern ihren Lebensunterhalt sichert, werde nach dieser Ausbildung Deutschland womöglich wieder verlassen, „verliert sich in beliebigen Wertungen“. Aber auch auf der normativen Seite hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich eine solche Vielzahl an Regelungen geschaffen (vgl. oben), dass die Ehefrau des Klägers mehr als nur eine „begründete Aussicht“ auf Daueraufenthalt hat und damit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie ohne Weiteres erfüllt. Nach erfolgreichem Abschluss ihre Hochschulstudiums, woran zur Überzeugung des Berichterstatters derzeit ebenfalls nicht zu zweifeln ist, besteht für sie die Möglichkeit eines Aufenthaltstitels nach § 19 a AufenthG. Als Akademikerin erfüllt sie Abs. 1 Nr. 1 lit. a) der Norm. Da eine ihrem Studium entsprechende Tätigkeit als Wirtschafts-Ingenieurin in der Liste der nach § 2 Abs. 2 BeschäftigungsV maßgeblichen Internationalen Standardklassifikation der Berufe, herausgegeben von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) i.d.F. von 2008 (Amtsblatt der EU vom 10.11.2009), aufgeführt ist (dort unter Nr. 2141), würde als Einstiegsgehalt, das einen Anspruch auf eine Blaue Karte EU nach § 19 a AufenthG auslöst, ein Bruttogehalt i.H.v. 52 % der Beitragsbemessungsgrenze ausreichen. Eine Vorrangprüfung durch die Bundesagentur findet insoweit nicht statt. Des Weiteren steht der Ehefrau des Klägers mit erfolgreichem Hochschulabschluss im Inland aber auch die Möglichkeit offen, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 2 und 4 AufenthG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 BeschäftigungsV ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zu erhalten. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich die Erwerbszuwanderung von Bildungs-Inländern ausgesprochen großzügig im öffentlichen Interesse der Bundesrepublik Deutschland geregelt. Darüber hinaus zeigt die Vorschrift des § 18b AufenthG, wonach Ausländern, die ein Studium an einer staatlichen Hochschule im Bundesgebiet erfolgreich abgeschlossen haben, bereits nach zwei Jahren eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18, 18a, 19a AufenthG eine Niederlassungserlaubnis erteilt wird, welch hohen Stellenwert der Gesetzgeber der Akademiker-Zuwanderung einräumt. Der Ausschlussgrund des Art. 3 Abs. 1 der FamiliennachzugsRL („keine begründete Aussicht auf Daueraufenthalt“) kann der Ehefrau des Klägers als Stammberechtigte daher nicht entgegengehalten werden und der Kläger erfüllt im Sinne einer richtlinien-konformen Ermessensreduzierung „auf Null“ (Zeitler, HTK-AuslR / § 30 AufenthG / zu Abs. 2 12/2008 Nr. 3) die Erteilungsvoraussetzung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 lit. e) i.V.m. Abs. 2 S. 2 AufenthG.
36 
3. Damit, wie von den Beteiligten grundsätzlich zutreffend erkannt, entscheidet sich der Anspruch des Klägers auf eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug in Anwendung der Vorschrift des § 5 Abs. 2 AufenthG. Dass der Kläger nicht mit dem erforderlichen (nationalen) Visum zum Ehegattennachzug nach Deutschland eingereist ist und er auch in Anwendung von § 39 AufenthV hiervon nicht befreit war, ist unstreitig. Insoweit wird auf die angegriffenen Bescheide verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
37 
Der Kläger hat aber zur Überzeugung des Berichterstatters einen „auf Null“ reduzierten Anspruch, dass die Beklagte insoweit das Absehen-Ermessen gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG zu seinen Gunsten ausübt. Die Nachholung des Visumverfahrens im vorliegenden Fall jedenfalls ist unzumutbar, wodurch das Ermessen eröffnet ist.
38 
a) Zur Überzeugung des Berichterstatters (§ 108 VwGO) steht fest, dass auf Grund der nunmehr in der Ukraine angeordneten sog. fünften Mobilisierungswelle und angesichts seiner Qualifikationen in militärischer Hinsicht der Kläger in der erheblichen Gefahr steht, im Falle der Rückkehr in die Ukraine zum Zwecke des Nachholens eines Visum-Verfahrens zunächst einberufen und in der militärischen Auseinandersetzung im Osten des Landes auch tatsächlich eingesetzt zu werden. Als Angehöriger einer Granatwerfer-Einheit der Luftsturmtruppen liegt seine Mobilisierung ausgesprochen nahe. Die militärische Situation im Osten der Ukraine ist durch nahezu tägliche Meldungen in den Medien, auch über die Zahl gefallener ukrainischer Soldaten, allgemeinkundig. Der Vortrag des Klägers zur Zahl der zwischenzeitlich Gefallenen aus seiner ehemaligen Ausbildungs-Einheit (40 Tote einschließlich des damaligen Kommandeurs) war nach Art des Vorbringens und der inhaltlichen Darstellung in der mündlichen Verhandlung glaubhaft.
39 
Ein solcher Umstand ist nicht vergleichbar mit dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.12.2014 (- 1 C 15/14 -, ) zugrunde lag. Ging es im dort zu entscheidenden Fall allein um die Frage, ob die Ableistung einer gesetzlich angeordneten Wehrpflicht im Heimatland mit einer zeitlich begrenzten Trennung der Eheleute zu einer Unzumutbarkeit im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG führen kann (dort für einen türkischen Staatsangehörigen, der trotz bestehender Ausweisung ohne überhaupt ein Visum zu besitzen, illegal nach Deutschland zurückgekehrt war und nunmehr eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug beanspruchte), geht es vorliegend nicht allein um eine mögliche begrenzte Trennung der Eheleute. Prüfungsmaßstab ist hier vielmehr die Gefahr, dass der Kläger im Rahmen des Konfliktes in der Ost-Ukraine zu Tode kommen könnte. Angesichts der täglichen Meldungen in den Medien über gefallene ukrainische Armeeangehörige (trotz der auf dem Papier bestehenden Waffenruhe) ist nicht abstrakt eine den Kläger vorübergehend treffende Wehrpflicht entscheidend, sondern die mögliche Gefahr, dabei ums Leben zu kommen.
40 
b) Ein weiteres kommt hinzu. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG zwar grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen (Beschluss vom 04.12.2007 - 2 BvR 2341/06 -, m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat aber ausdrücklich mit Blick auf die Zumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens im dort entschiedenen Fall ausgeführt, „insbesondere spricht nichts für eine unverhältnismäßig lange, die übliche… Dauer eines Visumverfahrens übersteigende Trennung der Eheleute“. Damit hat das Bundesverfassungsgericht klar zu erkennen gegeben, dass primärer Maßstab der Unzumutbarkeitsprüfung mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG die Zeitdauer der Trennung der Ehegatten ist und nicht, wie im vorliegendem Fall von den Behörden angenommen, die Frage, welcher einzelne Umstand im Falle des Nachholens des Visum-Verfahrens hier zu einer längerfristigen Trennung der Ehegatten führen würde. Im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG stellt sich die Frage nicht, ob ein ukrainischer Staatsangehöriger grundsätzlich verpflichtet ist, einer angeordneten Mobilisierung Folge zu leisten. Es stellt sich vielmehr nur die Frage, ob es überhaupt zu einer unverhältnismäßig langen, die übliche Dauer eines Visumverfahrens übersteigenden Trennung der Eheleute kommen wird (BVerfG, a.a.O.). Dies muss nach Lage der Dinge, insbesondere der militärischen Qualifikation des Klägers, als hoch wahrscheinlich angesehen werden, weshalb dann i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von einer Unzumutbarkeit der Nachholung des Visum-Verfahrens hier ausgegangen werden muss.
41 
c) Schließlich ist ein weiterer Umstand mit Blick auf die Frage der Unzumutbarkeit des Nachholens des Visum-Verfahrens im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG von Bedeutung. Zur Überzeugung des Berichterstatters hängt die Beantwortung der Frage der Unzumutbarkeit nämlich stark davon ab, welches Verhalten der Betreffende im Übrigen an den Tag gelegt hat und auf Grund welcher Umstände sich überhaupt die Frage des Nachholens eines Visum-Verfahrens stellt. Der Gedanke einer Unzumutbarkeit liegt näher, wenn sich der betreffende Ausländer „im Großen und Ganzen“ rechtstreu verhalten hat, bzw. entschuldbar in die Lage geraten ist, nicht mit dem „erforderlichen“ Visum i.S.v. § 5 Abs. 2 S. 1 AufenthG nach Deutschland eingereist zu sein. Umgekehrt kann einem Ausländer umso mehr „zugemutet“ werden, je mehr die Nichteinhaltung des an sich gegebenen Visum-Erfordernisses im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 1 AufenthG geeignet ist, einen Vorwurf gegen ihn zu erheben. In diesem Sinne beinhaltet die Frage der Zumutbarkeit in § 5 Abs. 2 S. 2 2. Alt. AufenthG auch einen subjektiven Gesichtspunkt. Gerade deshalb mag die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.12.2014 (a.a.O.) zutreffen. Der dortige türkische Staatsangehörige, gegen den eine bestandskräftige Ausweisung vorlag, war entgegen § 11 Abs. 1 AufenthG ohne irgendeine Art Visum unerlaubt (§ 95 Abs. 1 AufenthG) nach Deutschland gelangt. In einem solchen Fall wird es tatsächlich näher liegen, von der Zumutbarkeit der Nachholung eines Visum-Verfahrens mit Blick auf vorangegangenes individuelles Verschulden auszugehen. Der vorliegende Fall liegt indes völlig anders. Der Kläger besaß zwar nicht das erforderliche Visum zum Ehegattennachzug. Er kam aber, ausgestattet mit einem Schengen-Visum, rechtmäßig nach Deutschland. Angesichts der aktuellen militärischen Auseinandersetzung im Heimatland, der drohenden Mobilisierung und des Umstandes, dass er als Sohn einer russischen Mutter und eines ukrainischen Vaters innerhalb des Konfliktes in der Ost-Ukraine auch in einen Zwiespalt gedrängt worden wäre, erscheint sein Verhalten letztlich weniger vorwerfbar. Dieser Gesichtspunkt muss dann aber im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG gewichtet werden.
42 
d) Zuletzt spricht ein weiterer - rechtlicher - Gesichtspunkt dafür, in Anwendung von § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG hier von der Unzumutbarkeit der Nachholung des Visum-Verfahrens auszugehen.
43 
Als Voraussetzung der behördlichen Ausübung des sog. Absehen-Ermessens benennt § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG - scheinbar - („…oder …“) zwei Tatbestandsvoraussetzungen. Zum einen kann von der Nachholung des Visum-Verfahrens abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (im Übrigen) erfüllt sind. Daneben soll diese Möglichkeit des Absehens bestehen, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles es nicht zumutbar ist, das Visum-Verfahren nachzuholen. Entspricht die erste Variante des § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG schon der nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG 1990 möglichen Ausnahmen von der Visumpflicht (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 70 „..wie bisher..“; so auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.03.2009 - 11 S 2990/08 -, ), so hat der Gesetzgeber des Zuwanderungsgesetzes in § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG zusätzlich das Kriterium der Zumutbarkeit aufgenommen. Indes stehen diese beiden Tatbestandsvoraussetzungen nicht im eigentlichen Sinne in einem Alternativverhältnis. Vielmehr ist mit der zusätzlichen Benennung der Unzumutbarkeit ein Oberbegriff in § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG aufgenommen worden. Die schon bisher vorhandene Regelung in § 9 AufenthG 1990 („Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung“) stellt sich nämlich als Unterfall der Unzumutbarkeit dar. Sind sämtliche Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt, wäre das Beharren auf Nachholen eines Visum-Verfahrens reine „Förmelei“ und deshalb wäre ein solches Ansinnen unzumutbar im Sinne von unverhältnismäßig. Die Unzumutbarkeit auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls kann sich also im Anwendungsfall von § 5 Abs. 2 S. 2 1. Alt. AufenthG daraus ergeben, dass im Übrigen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung als erfüllt anzusehen sind.
44 
Dieses Verständnis des § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG muss dann aber der Zumutbarkeitsprüfung insgesamt zugrunde gelegt werden. Zwar trifft es zu, dass die Formulierung in der ersten Variante der Norm („Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung“) nur einen gesetzlich gebundenen Anspruch meint, bei dem alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind (BVerwG, Urteil vom 10.12.2014, a.a.O.). Damit ist aber nicht gesagt, dass mit Blick auf die weitere Prüfung der Unzumutbarkeit des Nachholens des Visum-Verfahrens gemäß der zweiten Variante des § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG die „Stärke“ des Aufenthaltserlaubnis-Anspruchs des Betreffenden ohne jede Bedeutung wäre. Richtig ist daran nur, dass bei Vorliegen eines strikten Rechtsanspruchs im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 AufenthG das Absehen vom Nachholen des Visum-Verfahrens ohne Weiteres in Betracht kommt, weil ansonsten das Bestehen auf das erforderliche Visum nach dem Willen des Gesetzes als reine „Förmelei“ und damit als unzumutbar angesehen werden müsste. Und umgekehrt ergibt sich hieraus, je zweifelhafter ein Aufenthaltserlaubnis-Anspruch des Betreffenden ist, um so naheliegender und zumutbarer ist es, ihn auf die Einhaltung der Visum-Vorschriften zu verweisen, um die ausländerbehördliche Prüfung seines Begehrens - vom Ausland her - zu ermöglichen. Dieses Verständnis liegt ganz offensichtlich auch der (bisherigen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschluss vom 10.03.2009, a.a.O.) zugrunde. Im Rahmen der Erörterung der Zumutbarkeit des Nachholens des Visum-Verfahrens weist der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg dort darauf hin, wie „fragwürdig“ letztlich der Aufenthaltserlaubnis-Anspruch des dortigen Klägers war (Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft; Vorliegen von Ausweisungsgründen; fehlende Deutschkenntnisse), und kommt gerade auch deshalb zur Zumutbarkeit, das Visum-Verfahren nachzuholen.
45 
Aus alldem kann nur der Schluss gezogen werden, unabhängig vom Vorliegen eines strikten Rechtsanspruchs (vgl. oben) im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 21. Alt. AufenthG ist die Stärke und Qualität des Aufenthaltserlaubnis-Anspruchs letztlich auch im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung nach § 5 Abs. 2 S. 22. Alt. AufenthG von zentraler Bedeutung. Je mehr sich ergibt, dass der Aufenthaltserlaubnis-Anspruch des Betreffenden letztlich bestehen wird - mit Ausnahme des erforderlichen Visums - umso eher ist daran zu denken, dass sich die Nachholung des Visum-Verfahrens als „Förmelei“ darstellt und daher als unzumutbar einzustufen ist.
46 
e) Die Gesamtschau der vorstehenden Überlegungen kann im vorliegenden Fall nur dazu führen, das Absehen-Ermessen der Beklagten im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG als eröffnet anzusehen. Auch unterhalb eines strikten Rechtsanspruchs hat der Kläger jedenfalls einen außerordentlich starken Aufenthaltserlaubnis-Anspruch gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 lit. e) i.V.m. Abs. 2 S. 2 AufenthG im Wege einer Ermessensreduzierung „auf Null“ (vgl. oben). Sämtliche sonstigen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen sind unstreitig in vollem Umfang erfüllt. Angesichts der Gefahren, die hier mit der Nachholung des Visum-Verfahrens verbunden wären - in zeitlicher Hinsicht für eine bedeutend länger als übliche Trennung der Eheleute und mit Blick auf einen zu gewärtigenden Schadenseintritt - und angesichts des Umstandes, dass die Einreise mit einem Schengen-Visum zur Ehefrau (mit der der Kläger seit zehn Jahren zusammenlebt) eher entschuldbar erscheint, als eine illegale Einreise unter Umgehung von Grenzkontrollen o.ä., muss die Nachholung des Visum-Verfahrens hier als unzumutbar angesehen werden. Die so eröffnete Ermessensausübung der Behörde kann aus den nämlichen Gesichtspunkten dann hier nur zu einem Verzicht auf die Nachholung des Visum-Verfahrens führen. Dem Kläger ist daher die Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu erteilen.
47 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

 
29 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Diese mussten daher unter Ausspruch einer entsprechenden Verpflichtung durch das Gericht aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
30 
Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG.
31 
1. Auf Grund der Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens erlaubt sich der Berichterstatter vorab einige grundsätzliche Bemerkungen. Der Kläger - wie auch seine hier lebenden Familienangehörigen - zählt auf Grund von Ausbildung, Vorkenntnissen und Berufstätigkeit zu den Angehörigen der sog. „MINT“-Berufe. Zu diesem Stichwort ist in der internet-gestützten Enzyklopädie wikipedia u.a. ausgeführt:
32 
„Der Ausdruck „MINT“ ist ein Initialwort, das aus den betreffenden Fachbereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik gebildet wurde. Der Sektor MINT beschreibt den zentralen wirtschaftlichen Innovationssektor. In Deutschland sind im weiten Sinne rund 2,3 Millionen MINT-Akademiker erwerbstätig. Die branchenübergreifende Wertschöpfung wird auf 250 Milliarden Euro geschätzt. Der Frühjahrsbericht 2013 des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft betont die Bedeutung der Verfügbarkeit von innovationsrelevanten Arbeitskräften mit einem MINT-Schwerpunkt für die Innovationskraft von Unternehmen, und zwar insbesondere für die Metall- und Elektroindustrie. Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der MINT-Fächer haben sich angesichts von Prognosen, die für die Zukunft einen Fachkräftemangel im Bereich dieser Fächer vorhersagen, zahlreiche Projekte und Initiativen gebildet, die teils von der öffentlichen Hand oder öffentlich gefördert seitens der Wirtschaft durchgeführt werden, um das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften in diesem Bereich zu erhöhen. Insbesondere ausländische Studenten und Absolventen der MINT-Fächer sollen stärker an Deutschland gebunden und schneller integriert werden.“
33 
Die Bearbeitung des vorliegenden Verfahrens durch die Behörden lässt eine Berücksichtigung dessen nicht erkennen. Soweit es im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart heißt, es bestehe kein öffentliches Interesse am Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet, scheint eine nunmehr schon seit 15 Jahren geführte gesellschaftliche Debatte über die Notwendigkeit, den Fachkräftemangel durch qualifizierten Zuzug von Ausländern auszugleichen, keinerlei Spuren hinterlassen zu haben. Das öffentliche Interesse an einer solchen Ausländerzuwanderung von Fachkräften hat der Gesetzgeber inzwischen in einer Vielzahl von Normen des Aufenthaltsgesetzes nachdrücklich zum Ausdruck gebracht (vgl. das Gesetz zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 01.06.2012, BGBl. S. 1224). Sowohl die Zuwanderung und Integration des Schwiegervaters des Klägers, als auch diejenige seines Schwagers, seiner Ehefrau und seine eigene, entsprechen daher dem wohl verstandenen öffentlichen Interesse der Bundesrepublik Deutschland.
34 
Soweit im angegriffenen Bescheid der Beklagten als Zweck des Aufenthaltsgesetzes - allein - auf § 1 Abs. 1 S.1 AufenthG verwiesen wird, wonach das Gesetz der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern dient, bleibt Satz 2 der Norm unverständlicherweise unerwähnt. Dort heißt es, das Gesetz ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland.
35 
2. Der Kläger erfüllt zunächst alle Voraussetzungen für einen Familiennachzug gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 lit. e) i.V.m. Abs. 2 S. 2 AufenthG. Das insoweit eingeräumte Ermessen ist mit Blick auf Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Buchstabe d) der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.09.2003 (FamiliennachzugsRL) „auf Null“ reduziert. Auf den Beschluss des Berichterstatters im vorangegangenen Eilverfahren (dort S. 4) wird verwiesen. Soweit hiergegen im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19.03.2015 ausgeführt ist, nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie finde diese überhaupt nur Anwendung, wenn der Stammberechtigte - hier also die Ehefrau des Klägers - die „begründete Aussicht darauf hat, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erlangen“, was im Falle der Ehefrau des Klägers nicht der Fall sei, trifft dies nicht zu. Das Gegenteil ist richtig. Die „Aussicht“ der Ehefrau des Klägers auf ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland ist mehr als nur begründet. Sie steht zur Überzeugung des Berichterstatters fest. Die Ehefrau des Klägers ist Tochter eines deutschen Staatsangehörigen. Zwar besitzt sie aktuell nur eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG. Ihre „begründete Aussicht auf Daueraufenthalt“ ergibt sich aber nicht nur aus dieser Vorschrift. In Blick zu nehmen sind im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie („begründete Aussicht“) die gesamten Lebensumstände und die insgesamt insoweit vorhandenen rechtlichen Regelungen. Die Vorstellung, die Tochter eines deutschen Staatsangehörigen, die im Bundesgebiet eine akademische Ausbildung durchlaufen hat, während dieser Ausbildung bereits als sog. „Werkstudentin“ bei einem deutschen Konzern ihren Lebensunterhalt sichert, werde nach dieser Ausbildung Deutschland womöglich wieder verlassen, „verliert sich in beliebigen Wertungen“. Aber auch auf der normativen Seite hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich eine solche Vielzahl an Regelungen geschaffen (vgl. oben), dass die Ehefrau des Klägers mehr als nur eine „begründete Aussicht“ auf Daueraufenthalt hat und damit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie ohne Weiteres erfüllt. Nach erfolgreichem Abschluss ihre Hochschulstudiums, woran zur Überzeugung des Berichterstatters derzeit ebenfalls nicht zu zweifeln ist, besteht für sie die Möglichkeit eines Aufenthaltstitels nach § 19 a AufenthG. Als Akademikerin erfüllt sie Abs. 1 Nr. 1 lit. a) der Norm. Da eine ihrem Studium entsprechende Tätigkeit als Wirtschafts-Ingenieurin in der Liste der nach § 2 Abs. 2 BeschäftigungsV maßgeblichen Internationalen Standardklassifikation der Berufe, herausgegeben von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) i.d.F. von 2008 (Amtsblatt der EU vom 10.11.2009), aufgeführt ist (dort unter Nr. 2141), würde als Einstiegsgehalt, das einen Anspruch auf eine Blaue Karte EU nach § 19 a AufenthG auslöst, ein Bruttogehalt i.H.v. 52 % der Beitragsbemessungsgrenze ausreichen. Eine Vorrangprüfung durch die Bundesagentur findet insoweit nicht statt. Des Weiteren steht der Ehefrau des Klägers mit erfolgreichem Hochschulabschluss im Inland aber auch die Möglichkeit offen, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 2 und 4 AufenthG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 BeschäftigungsV ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zu erhalten. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich die Erwerbszuwanderung von Bildungs-Inländern ausgesprochen großzügig im öffentlichen Interesse der Bundesrepublik Deutschland geregelt. Darüber hinaus zeigt die Vorschrift des § 18b AufenthG, wonach Ausländern, die ein Studium an einer staatlichen Hochschule im Bundesgebiet erfolgreich abgeschlossen haben, bereits nach zwei Jahren eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18, 18a, 19a AufenthG eine Niederlassungserlaubnis erteilt wird, welch hohen Stellenwert der Gesetzgeber der Akademiker-Zuwanderung einräumt. Der Ausschlussgrund des Art. 3 Abs. 1 der FamiliennachzugsRL („keine begründete Aussicht auf Daueraufenthalt“) kann der Ehefrau des Klägers als Stammberechtigte daher nicht entgegengehalten werden und der Kläger erfüllt im Sinne einer richtlinien-konformen Ermessensreduzierung „auf Null“ (Zeitler, HTK-AuslR / § 30 AufenthG / zu Abs. 2 12/2008 Nr. 3) die Erteilungsvoraussetzung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 lit. e) i.V.m. Abs. 2 S. 2 AufenthG.
36 
3. Damit, wie von den Beteiligten grundsätzlich zutreffend erkannt, entscheidet sich der Anspruch des Klägers auf eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug in Anwendung der Vorschrift des § 5 Abs. 2 AufenthG. Dass der Kläger nicht mit dem erforderlichen (nationalen) Visum zum Ehegattennachzug nach Deutschland eingereist ist und er auch in Anwendung von § 39 AufenthV hiervon nicht befreit war, ist unstreitig. Insoweit wird auf die angegriffenen Bescheide verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
37 
Der Kläger hat aber zur Überzeugung des Berichterstatters einen „auf Null“ reduzierten Anspruch, dass die Beklagte insoweit das Absehen-Ermessen gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG zu seinen Gunsten ausübt. Die Nachholung des Visumverfahrens im vorliegenden Fall jedenfalls ist unzumutbar, wodurch das Ermessen eröffnet ist.
38 
a) Zur Überzeugung des Berichterstatters (§ 108 VwGO) steht fest, dass auf Grund der nunmehr in der Ukraine angeordneten sog. fünften Mobilisierungswelle und angesichts seiner Qualifikationen in militärischer Hinsicht der Kläger in der erheblichen Gefahr steht, im Falle der Rückkehr in die Ukraine zum Zwecke des Nachholens eines Visum-Verfahrens zunächst einberufen und in der militärischen Auseinandersetzung im Osten des Landes auch tatsächlich eingesetzt zu werden. Als Angehöriger einer Granatwerfer-Einheit der Luftsturmtruppen liegt seine Mobilisierung ausgesprochen nahe. Die militärische Situation im Osten der Ukraine ist durch nahezu tägliche Meldungen in den Medien, auch über die Zahl gefallener ukrainischer Soldaten, allgemeinkundig. Der Vortrag des Klägers zur Zahl der zwischenzeitlich Gefallenen aus seiner ehemaligen Ausbildungs-Einheit (40 Tote einschließlich des damaligen Kommandeurs) war nach Art des Vorbringens und der inhaltlichen Darstellung in der mündlichen Verhandlung glaubhaft.
39 
Ein solcher Umstand ist nicht vergleichbar mit dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.12.2014 (- 1 C 15/14 -, ) zugrunde lag. Ging es im dort zu entscheidenden Fall allein um die Frage, ob die Ableistung einer gesetzlich angeordneten Wehrpflicht im Heimatland mit einer zeitlich begrenzten Trennung der Eheleute zu einer Unzumutbarkeit im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG führen kann (dort für einen türkischen Staatsangehörigen, der trotz bestehender Ausweisung ohne überhaupt ein Visum zu besitzen, illegal nach Deutschland zurückgekehrt war und nunmehr eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug beanspruchte), geht es vorliegend nicht allein um eine mögliche begrenzte Trennung der Eheleute. Prüfungsmaßstab ist hier vielmehr die Gefahr, dass der Kläger im Rahmen des Konfliktes in der Ost-Ukraine zu Tode kommen könnte. Angesichts der täglichen Meldungen in den Medien über gefallene ukrainische Armeeangehörige (trotz der auf dem Papier bestehenden Waffenruhe) ist nicht abstrakt eine den Kläger vorübergehend treffende Wehrpflicht entscheidend, sondern die mögliche Gefahr, dabei ums Leben zu kommen.
40 
b) Ein weiteres kommt hinzu. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG zwar grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen (Beschluss vom 04.12.2007 - 2 BvR 2341/06 -, m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat aber ausdrücklich mit Blick auf die Zumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens im dort entschiedenen Fall ausgeführt, „insbesondere spricht nichts für eine unverhältnismäßig lange, die übliche… Dauer eines Visumverfahrens übersteigende Trennung der Eheleute“. Damit hat das Bundesverfassungsgericht klar zu erkennen gegeben, dass primärer Maßstab der Unzumutbarkeitsprüfung mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG die Zeitdauer der Trennung der Ehegatten ist und nicht, wie im vorliegendem Fall von den Behörden angenommen, die Frage, welcher einzelne Umstand im Falle des Nachholens des Visum-Verfahrens hier zu einer längerfristigen Trennung der Ehegatten führen würde. Im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG stellt sich die Frage nicht, ob ein ukrainischer Staatsangehöriger grundsätzlich verpflichtet ist, einer angeordneten Mobilisierung Folge zu leisten. Es stellt sich vielmehr nur die Frage, ob es überhaupt zu einer unverhältnismäßig langen, die übliche Dauer eines Visumverfahrens übersteigenden Trennung der Eheleute kommen wird (BVerfG, a.a.O.). Dies muss nach Lage der Dinge, insbesondere der militärischen Qualifikation des Klägers, als hoch wahrscheinlich angesehen werden, weshalb dann i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von einer Unzumutbarkeit der Nachholung des Visum-Verfahrens hier ausgegangen werden muss.
41 
c) Schließlich ist ein weiterer Umstand mit Blick auf die Frage der Unzumutbarkeit des Nachholens des Visum-Verfahrens im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG von Bedeutung. Zur Überzeugung des Berichterstatters hängt die Beantwortung der Frage der Unzumutbarkeit nämlich stark davon ab, welches Verhalten der Betreffende im Übrigen an den Tag gelegt hat und auf Grund welcher Umstände sich überhaupt die Frage des Nachholens eines Visum-Verfahrens stellt. Der Gedanke einer Unzumutbarkeit liegt näher, wenn sich der betreffende Ausländer „im Großen und Ganzen“ rechtstreu verhalten hat, bzw. entschuldbar in die Lage geraten ist, nicht mit dem „erforderlichen“ Visum i.S.v. § 5 Abs. 2 S. 1 AufenthG nach Deutschland eingereist zu sein. Umgekehrt kann einem Ausländer umso mehr „zugemutet“ werden, je mehr die Nichteinhaltung des an sich gegebenen Visum-Erfordernisses im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 1 AufenthG geeignet ist, einen Vorwurf gegen ihn zu erheben. In diesem Sinne beinhaltet die Frage der Zumutbarkeit in § 5 Abs. 2 S. 2 2. Alt. AufenthG auch einen subjektiven Gesichtspunkt. Gerade deshalb mag die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.12.2014 (a.a.O.) zutreffen. Der dortige türkische Staatsangehörige, gegen den eine bestandskräftige Ausweisung vorlag, war entgegen § 11 Abs. 1 AufenthG ohne irgendeine Art Visum unerlaubt (§ 95 Abs. 1 AufenthG) nach Deutschland gelangt. In einem solchen Fall wird es tatsächlich näher liegen, von der Zumutbarkeit der Nachholung eines Visum-Verfahrens mit Blick auf vorangegangenes individuelles Verschulden auszugehen. Der vorliegende Fall liegt indes völlig anders. Der Kläger besaß zwar nicht das erforderliche Visum zum Ehegattennachzug. Er kam aber, ausgestattet mit einem Schengen-Visum, rechtmäßig nach Deutschland. Angesichts der aktuellen militärischen Auseinandersetzung im Heimatland, der drohenden Mobilisierung und des Umstandes, dass er als Sohn einer russischen Mutter und eines ukrainischen Vaters innerhalb des Konfliktes in der Ost-Ukraine auch in einen Zwiespalt gedrängt worden wäre, erscheint sein Verhalten letztlich weniger vorwerfbar. Dieser Gesichtspunkt muss dann aber im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG gewichtet werden.
42 
d) Zuletzt spricht ein weiterer - rechtlicher - Gesichtspunkt dafür, in Anwendung von § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG hier von der Unzumutbarkeit der Nachholung des Visum-Verfahrens auszugehen.
43 
Als Voraussetzung der behördlichen Ausübung des sog. Absehen-Ermessens benennt § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG - scheinbar - („…oder …“) zwei Tatbestandsvoraussetzungen. Zum einen kann von der Nachholung des Visum-Verfahrens abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (im Übrigen) erfüllt sind. Daneben soll diese Möglichkeit des Absehens bestehen, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles es nicht zumutbar ist, das Visum-Verfahren nachzuholen. Entspricht die erste Variante des § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG schon der nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AuslG 1990 möglichen Ausnahmen von der Visumpflicht (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 70 „..wie bisher..“; so auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.03.2009 - 11 S 2990/08 -, ), so hat der Gesetzgeber des Zuwanderungsgesetzes in § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG zusätzlich das Kriterium der Zumutbarkeit aufgenommen. Indes stehen diese beiden Tatbestandsvoraussetzungen nicht im eigentlichen Sinne in einem Alternativverhältnis. Vielmehr ist mit der zusätzlichen Benennung der Unzumutbarkeit ein Oberbegriff in § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG aufgenommen worden. Die schon bisher vorhandene Regelung in § 9 AufenthG 1990 („Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung“) stellt sich nämlich als Unterfall der Unzumutbarkeit dar. Sind sämtliche Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt, wäre das Beharren auf Nachholen eines Visum-Verfahrens reine „Förmelei“ und deshalb wäre ein solches Ansinnen unzumutbar im Sinne von unverhältnismäßig. Die Unzumutbarkeit auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls kann sich also im Anwendungsfall von § 5 Abs. 2 S. 2 1. Alt. AufenthG daraus ergeben, dass im Übrigen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung als erfüllt anzusehen sind.
44 
Dieses Verständnis des § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG muss dann aber der Zumutbarkeitsprüfung insgesamt zugrunde gelegt werden. Zwar trifft es zu, dass die Formulierung in der ersten Variante der Norm („Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung“) nur einen gesetzlich gebundenen Anspruch meint, bei dem alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind (BVerwG, Urteil vom 10.12.2014, a.a.O.). Damit ist aber nicht gesagt, dass mit Blick auf die weitere Prüfung der Unzumutbarkeit des Nachholens des Visum-Verfahrens gemäß der zweiten Variante des § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG die „Stärke“ des Aufenthaltserlaubnis-Anspruchs des Betreffenden ohne jede Bedeutung wäre. Richtig ist daran nur, dass bei Vorliegen eines strikten Rechtsanspruchs im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 AufenthG das Absehen vom Nachholen des Visum-Verfahrens ohne Weiteres in Betracht kommt, weil ansonsten das Bestehen auf das erforderliche Visum nach dem Willen des Gesetzes als reine „Förmelei“ und damit als unzumutbar angesehen werden müsste. Und umgekehrt ergibt sich hieraus, je zweifelhafter ein Aufenthaltserlaubnis-Anspruch des Betreffenden ist, um so naheliegender und zumutbarer ist es, ihn auf die Einhaltung der Visum-Vorschriften zu verweisen, um die ausländerbehördliche Prüfung seines Begehrens - vom Ausland her - zu ermöglichen. Dieses Verständnis liegt ganz offensichtlich auch der (bisherigen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschluss vom 10.03.2009, a.a.O.) zugrunde. Im Rahmen der Erörterung der Zumutbarkeit des Nachholens des Visum-Verfahrens weist der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg dort darauf hin, wie „fragwürdig“ letztlich der Aufenthaltserlaubnis-Anspruch des dortigen Klägers war (Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft; Vorliegen von Ausweisungsgründen; fehlende Deutschkenntnisse), und kommt gerade auch deshalb zur Zumutbarkeit, das Visum-Verfahren nachzuholen.
45 
Aus alldem kann nur der Schluss gezogen werden, unabhängig vom Vorliegen eines strikten Rechtsanspruchs (vgl. oben) im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 21. Alt. AufenthG ist die Stärke und Qualität des Aufenthaltserlaubnis-Anspruchs letztlich auch im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung nach § 5 Abs. 2 S. 22. Alt. AufenthG von zentraler Bedeutung. Je mehr sich ergibt, dass der Aufenthaltserlaubnis-Anspruch des Betreffenden letztlich bestehen wird - mit Ausnahme des erforderlichen Visums - umso eher ist daran zu denken, dass sich die Nachholung des Visum-Verfahrens als „Förmelei“ darstellt und daher als unzumutbar einzustufen ist.
46 
e) Die Gesamtschau der vorstehenden Überlegungen kann im vorliegenden Fall nur dazu führen, das Absehen-Ermessen der Beklagten im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 2 AufenthG als eröffnet anzusehen. Auch unterhalb eines strikten Rechtsanspruchs hat der Kläger jedenfalls einen außerordentlich starken Aufenthaltserlaubnis-Anspruch gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 lit. e) i.V.m. Abs. 2 S. 2 AufenthG im Wege einer Ermessensreduzierung „auf Null“ (vgl. oben). Sämtliche sonstigen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen sind unstreitig in vollem Umfang erfüllt. Angesichts der Gefahren, die hier mit der Nachholung des Visum-Verfahrens verbunden wären - in zeitlicher Hinsicht für eine bedeutend länger als übliche Trennung der Eheleute und mit Blick auf einen zu gewärtigenden Schadenseintritt - und angesichts des Umstandes, dass die Einreise mit einem Schengen-Visum zur Ehefrau (mit der der Kläger seit zehn Jahren zusammenlebt) eher entschuldbar erscheint, als eine illegale Einreise unter Umgehung von Grenzkontrollen o.ä., muss die Nachholung des Visum-Verfahrens hier als unzumutbar angesehen werden. Die so eröffnete Ermessensausübung der Behörde kann aus den nämlichen Gesichtspunkten dann hier nur zu einem Verzicht auf die Nachholung des Visum-Verfahrens führen. Dem Kläger ist daher die Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu erteilen.
47 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2015 - 11 K 5376/14 - geändert.

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hätte den nach § 81 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und § 80 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 VwGO statthaften Antrag ablehnen müssen.
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand sprechen nicht nur keine Gesichtspunkte von ausreichendem Gewicht dafür, dass das Rechtsbehelfsverfahren des Antragstellers Erfolg haben könnte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dieses ohne Erfolg bleiben wird, weshalb es schon deshalb bei der gesetzlich angeordneten Rechtsfolge des § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu verbleiben hat.
1. Unterstellt man, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts zutrifft, wonach es als offen angesehen werden müsse, ob die vom Regierungspräsidium Stuttgart im Widerspruchsbescheid vom 10.12.2014 getroffene Ermessensentscheidung nach § 30 Abs. 2 Satz 2 (i.V.m. Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 lit. e) AufenthG rechtmäßig sei (vgl. hierzu unter Ziffer 2), so wird der Antragsteller entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts jedenfalls zu Recht auf die Einholung des Visums von seinem Heimatland aus verwiesen. In diesem Zusammenhang stellt nicht einmal der Antragsteller infrage, dass er ohne das erforderliche Visum im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG eingereist und nicht befugt war, den Aufenthaltstitel nach der Einreise einzuholen.
Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Einholung des erforderlichen Visums nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG liegen nämlich schon nicht vor, sodass es auf etwaige Ermessensfehler nicht ankommen kann. Die Einholung des Visums ist dem Antragsteller nicht unzumutbar. Um die Effektivität des Visumsverfahrens und seine Steuerungs- und präventive Kontrollfunktion nicht zu gefährden, ist die Vorschrift - auch vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Schutzpflichten des Art. 6 Abs. 1 GG - eng auszulegen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.12.2014 - 1 C 15.14 - juris und vom 11.01.2011 - 1 C 23.09 - NVwZ 2011, 871; GK-AufenthG § 5 Rn. 121).
Dem Antragsteller ist die - voraussetzungsgemäß an sich zunächst nur vorübergehende - Rückkehr nicht deshalb unzumutbar, weil er als junger Mann noch der Wehrpflicht unterliegt und deshalb möglicherweise in Betracht kommen kann, dass er im Fall der Rückkehr in sein Heimatland angesichts des Konflikts in der Ostukraine für einen nicht feststehenden Zeitraum zum Militärdienst eingezogen werden kann. Es würde sich dabei um ein nicht zu beanstandendes Vorgehen seines Heimatstaates handeln, wenn der Kläger zur Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflichten herangezogen würde (siehe auch BVerwG, Urteil vom 10.12.2014, a.a.O.), denen sich zu entziehen der Kläger ebenso wenig berechtigt ist, wie seine im Heimatland verbliebenen Landsleute. Demgemäß wäre sein Heimatstaat zweifellos - auch völker- und menschenrechtlich unbedenklich - berechtigt, ihm die Ausreise und damit die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland zunächst faktisch zu verweigern. Der Senat erlaubt sich in diesem Zusammenhang den lediglich ergänzenden Hinweis auf § 7 Abs. 1 Nr. 7 und 8 PassG (ggf. i.V.m. § 8 PassG). Zwar hätte der Antragsteller rein faktisch die Chance, einer Einziehung zum Militärdienst zunächst zu entgehen, wenn ihm ein Aufenthaltstitel vom Inland aus erteilt würde; als unzumutbar kann die Rückkehr vor dem Hintergrund dieser zulässigen und unbedenklichen Wertung aber nicht qualifiziert werden. Der Antragsteller hat auch keine Gesichtspunkte vorgebracht, die es gerade ihm unzumutbar machen würden, seinen staatsbürgerlichen Pflichten nachzukommen. Der Hinweis auf sein Gewissen ist offensichtlich in seiner Pauschalität defizitär - so es sich überhaupt um einen im Rahmen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG relevanten Aspekt handeln würde.
2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts wird nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand die im Widerspruchsbescheid getroffene Ermessensentscheidung nach § 30 Abs. 2 Satz 2 AufenthG aber auch nicht zu beanstanden sein. Der Hinweis auf Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.09.2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. Nr. L 251 vom 03.10.2003, S. 12) vermag nur auf den ersten Blick ein Fragezeichen aufzuwerfen. Nach dieser Regelung dürfen die Mitgliedstaaten verlangen, dass sich der Zusammenführende während eines Zeitraums, der zwei Jahre nicht überschreiten darf, rechtmäßig auf ihrem Hoheitsgebiet aufgehalten hat, bevor seine Familienangehörigen ihm nachreisen. Nimmt man nämlich zusätzlich den den Anwendungsbereich der Richtlinie näher umschreibenden Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie in den Blick, so wird deutlich, dass in der vorliegenden Fallkonstellation nicht tragend mit der Opt-Out-Regelung des Art. 8 Abs. 1 argumentiert werden kann. Nach Art. 3 Abs. 1 RL 2003/86/EG findet die Richtlinie nämlich überhaupt nur Anwendung, wenn nach seinem mindestens einjährigen rechtmäßigen Aufenthalt der Stammberechtigte die „begründete Aussicht darauf hat, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erlangen“. Dies ist jedoch im vorliegenden Falle, in dem die Ehefrau des Antragstellers einen Aufenthaltstitel nach § 16 Abs. 1 AufenthG besitzt, mit Rücksicht auf die Ausschlussregelung des Absatzes 2 Satz 2 nicht der Fall (vgl. hierzu sogleich). Eine andere Frage ist, ob ggf. nach einem (noch) längeren Zeitraum des Studienaufenthalts der Ehefrau des Antragstellers - ungeachtet irgendwelcher unionsrechtlicher Vorgaben - vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 GG und einer (erst) am 27.12.2013 erfolgten Eheschließung eine andere Interessenbewertung im Rahmen der Ermessensbetätigung nach § 30 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorzunehmen sein wird.
Nicht gefolgt werden kann auch der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Anwendbarkeit des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. d) AufenthG fraglich sei, weshalb daher auch nicht in Betracht zu ziehen ist, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG vorliegen könnten. Die Norm des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. d) AufenthG nimmt nach ihrem Sinn und Zweck eine Verknüpfung des vom Stammberechtigten besessenen konkreten Aufenthaltstitels und dessen mögliche Überführung in eine Niederlassungserlaubnis vor. Vor dem Hintergrund der Normierungsstruktur des § 16 Abs. 2 Satz 2 bzw. Absatz 4 Satz 3 oder des Absatzes 5b Satz 3 bzw. des Absatzes 6 Satz 3 AufenthG (vgl. auch § 17 Abs. 1 Satz 3 bzw. Absatz 3 Satz 3 AufenthG) ist eine unmittelbare Überführung einer Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken in eine Niederlassungserlaubnis ausgeschlossen. Jede andere Betrachtungsweise würde den Zweck der Vorschrift, eine Aufenthaltsverfestigung aus dem konkreten Titel zu verhindern, solange nicht in zulässiger Weise in einen „verfestigungsfähigen“ übergewechselt wurde, verfehlen und sich in beliebigen Wertungen verlieren. Dieser strikte Normierungszweck wird zudem darin deutlich, dass auch im Falle einer Verlängerung nach § 16 Absatz 4 Satz 1 AufenthG, wenn sich die Betroffenen gewissermaßen einem „verfestigungsfähigen“ Titel schon wesentlich stärker angenähert haben, nach Absatz 4 Satz 3 eine Verfestigung ausgeschlossen ist, solange sie nicht tatsächlich einen solchen erhalten haben. Eine Aufenthaltserlaubnis des stammberechtigten Ehegatten nach § 16 AufenthG begründet daher nicht die Voraussetzung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. d) AufenthG.
3. Die Abschiebungsandrohung findet ihre zutreffende Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Die dem Antragsteller bei einer Zustellung am 06.11.2014 eingeräumte Ausreisefrist von etwa 3 ½ Wochen ist angesichts der Kürze seines Aufenthalts im Bundesgebiet und des rechtlich vorgegebenen Rahmens 7 bis 30 Tagen in jeder Hinsicht angemessen.
10 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
11 
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.
12 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Dieselbe Angelegenheit sind

1.
das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung sowie über einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte Dritter und jedes Verwaltungsverfahren auf Abänderung oder Aufhebung in den genannten Fällen;
2.
das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden ist;
3.
mehrere Verfahren über die Prozesskostenhilfe in demselben Rechtszug;
3a.
das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts und das Verfahren, für das der Gerichtsstand bestimmt werden soll; dies gilt auch dann, wenn das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor Klageerhebung oder Antragstellung endet, ohne dass das zuständige Gericht bestimmt worden ist;
4.
eine Scheidungssache oder ein Verfahren über die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft und die Folgesachen;
5.
das Verfahren über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, über den Erlass einer einstweiligen Verfügung oder einstweiligen Anordnung, über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, über die Aufhebung der Vollziehung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts und jedes Verfahren über deren Abänderung, Aufhebung oder Widerruf;
6.
das Verfahren nach § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 6. Juni 1959 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 319-12, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 23 des Gesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) geändert worden ist, und das Verfahren nach § 3 Absatz 2 des genannten Gesetzes;
7.
das Verfahren über die Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme und das Verfahren über einen Antrag auf Aufhebung oder Änderung einer Entscheidung über die Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung);
8.
das schiedsrichterliche Verfahren und das gerichtliche Verfahren bei der Bestellung eines Schiedsrichters oder Ersatzschiedsrichters, über die Ablehnung eines Schiedsrichters oder über die Beendigung des Schiedsrichteramts, zur Unterstützung bei der Beweisaufnahme oder bei der Vornahme sonstiger richterlicher Handlungen;
9.
das Verfahren vor dem Schiedsgericht und die gerichtlichen Verfahren über die Bestimmung einer Frist (§ 102 Absatz 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes), die Ablehnung eines Schiedsrichters(§ 103Absatz 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes) oder die Vornahme einer Beweisaufnahme oder einer Vereidigung (§ 106 Absatz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes);
10.
im Kostenfestsetzungsverfahren und im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen einen Kostenfestsetzungsbescheid (§ 108 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) einerseits und im Kostenansatzverfahren sowie im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Ansatz der Gebühren und Auslagen (§ 108 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) andererseits jeweils mehrere Verfahren über
a)
die Erinnerung,
b)
den Antrag auf gerichtliche Entscheidung,
c)
die Beschwerde in demselben Beschwerderechtszug;
11.
das Rechtsmittelverfahren und das Verfahren über die Zulassung des Rechtsmittels; dies gilt nicht für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung eines Rechtsmittels;
12.
das Verfahren über die Privatklage und die Widerklage und zwar auch im Fall des § 388 Absatz 2 der Strafprozessordnung und
13.
das erstinstanzliche Prozessverfahren und der erste Rechtszug des Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz.

(1) Die Gebühren entgelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit.

(2) Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

(3) Sind für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden, entstehen für die Teile gesondert berechnete Gebühren, jedoch nicht mehr als die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr.

(4) Auf bereits entstandene Gebühren ist es, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist.

(5) Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen. Satz 2 gilt entsprechend, wenn ein Vergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten wird oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre nach Zustellung eines Beschlusses nach § 23 Absatz 3 Satz 1 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes der Kläger einen Antrag nach § 23 Absatz 4 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes auf Wiedereröffnung des Verfahrens stellt.

(6) Ist der Rechtsanwalt nur mit einzelnen Handlungen oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören, beauftragt, erhält er nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.

Tenor

Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 30. März 2011 - 5 K 3036/10 - teilweise geändert. Auf die Erinnerung des Antragsgegners wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 23. April 2010 nur insoweit geändert, als er den Betrag der vom Antragsgegner an die Beigeladene zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Abänderungsverfahrens auf mehr als 402,82 Euro festsetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung des Antragsgegners zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Beigeladenen zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt drei Viertel und die Beigeladene trägt ein Viertel der Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens.

Gründe

 
I.
Der Antragsgegner und die Beigeladene streiten über die Erstattungsfähigkeit einer Rechtsanwaltsvergütung in einem Abänderungsverfahren nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 7 VwGO.
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen setzte in einem Verfahren nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO (Ausgangsverfahren) mit Beschluss vom 25.08.2008 - 5 K 1481/08 - auf Antrag des Antragsgegners (damals Antragsteller) die Vollziehung einer den Antragstellern (damals Beigeladene) von der Beigeladenen (damals Antragsgegnerin) erteilten Baugenehmigung aus und entschied, dass die Beigeladene und die Antragsteller jeweils die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen hätten. Gegen den Beschluss legten die Antragsteller und die Beigeladene Beschwerden ein. Mit Beschluss vom 17.11.2008 - 8 S 2517/08 - stellte der Senat das Beschwerdeverfahren nach Rücknahme der Beschwerde der Beigeladenen insoweit ein, wies die Beschwerden der Antragsteller zurück und entschied, dass die Beigeladene und die Antragsteller jeweils die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren zu tragen hätten und eine Kostenerstattung im Übrigen im Beschwerdeverfahren nicht stattfinde.
Auf einen Abänderungsantrag der Antragsteller änderte das Verwaltungsgericht Sigmaringen mit Beschluss vom 19.06.2009 - 5 K 1133/09 - seinen Beschluss vom 25.08.2008 mit Ausnahme von Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung, lehnte den Antrag des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung ab und legte dem Antragsgegner die Kosten des Abänderungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auf. Der Senat wies die dagegen eingelegte Beschwerde des Antragsgegners mit Beschluss vom 20.08.2009 - 8 S 1573/09 - zurück und legte dem Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auf.
Die Beigeladene war im Ausgangsverfahren nur im zweiten Rechtszug und im Abänderungsverfahren in beiden Rechtszügen jeweils durch denselben Rechtsanwalt vertreten. Der Streitwert wurde im Abänderungsverfahren für beide Rechtszüge auf 3.500 Euro festgesetzt.
Mit Beschluss vom 23.04.2010 hat der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichts die vom Antragsgegner an die Beigeladene im Abänderungsverfahren zu erstattenden außergerichtlichen Kosten entsprechend dem Kostenfestsetzungsantrag der Beigeladenen unter Ansatz einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG (318,50 Euro), einer Beschwerdegebühr nach Nr. 3500 VV-RVG (122,50 Euro) und je einer Postgebührenpauschale/Rechtszug nach Nr. 7002 VV-RVG (20 Euro) nebst 19% Umsatzsteuer/Rechtszug auf insgesamt 572,40 EUR festgesetzt.
Auf die Erinnerung des Antragsgegners hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30.03.2011 - 5 K 3036/10 - den Kostenfestsetzungsbeschluss geändert und den Kostenfestsetzungsantrag abgelehnt. Die Erinnerung sei zulässig und begründet. Die Rechtsanwaltsvergütung sei bereits im Ausgangsverfahren entstanden. Denn das Verfahren über einen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und jedes Verfahren auf deren Abänderung oder Aufhebung seien nach § 16 Nr. 5 RVG dieselbe Angelegenheit. In derselben Angelegenheit dürfe der Rechtsanwalt Gebühren aber gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG nur einmal fordern. Ein Rechtsanwalt, der bereits im Ausgangsverfahren tätig geworden sei, könne für ein nachfolgendes Abänderungsverfahren nicht erneut Gebühren verlangen. Das Abänderungsverfahren sei selbständig und lasse die Kostengrundentscheidung des Beschlusses im Ausgangsverfahren unberührt.
Mit ihrer am 19.04.2011 eingelegten Beschwerde gegen den ihr am 06.04.2011 zugestellten Beschluss rügt die Beigeladene, das Verwaltungsgericht vermenge das vergütungsrechtliche Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant mit der Kostenerstattungspflicht des Prozessgegners im Außenverhältnis. § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG regele nicht, wann eine im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandene Gebühr gegenüber dem Prozessgegner geltend gemacht werden könne. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts führe zu ungerechten Ergebnissen, weil der im Ausgangsverfahren obsiegende Beteiligte seine Anwaltskosten erstattet bekomme, der im Abänderungsverfahren obsiegende Beteiligte hingegen nur, wenn er im Ausgangsverfahren noch nicht anwaltlich vertreten gewesen sei.
Die Beigeladene beantragt - sachdienlich gefasst -,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 30.03.2011 - 5 K 3036/10 zu ändern und die Erinnerung des Antragsgegners gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 23.04.2010 zurückzuweisen.
10 
Der nicht durch einen postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller beantragt,
11 
die Beschwerde zurückzuweisen.
12 
Er legt eingehend dar, warum nach seiner Auffassung der Vertretungszwang gemäß § 67 Abs. 4 VwGO für das vorliegende Beschwerdeverfahren nicht gelte, und verteidigt den angegriffenen Beschluss.
13 
Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und Schreiben sowie die beigezogenen Gerichtsakten des Ausgangs- und Abänderungsverfahrens in beiden Rechtszügen und der vorliegenden Kostensache verwiesen.
II.
14 
1. Die Beschwerde der Beigeladenen ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht (§ 147 Abs. 1 VwGO) eingelegt worden, und der Wert ihres Beschwerdegegenstands übersteigt zweihundert Euro (§ 146 Abs. 3 VwGO). Die Beschwerde ist auch teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat der statthaften (§ 165 i.V.m. § 151 Satz 1 VwGO) und auch sonst zulässigen (§ 151 Satz 2 i.V.m. §§ 147 bis 149 VwGO) Erinnerung zu Unrecht in vollem Umfang stattgegeben. Die im Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 23.04.2010 nach § 164 VwGO festgesetzten Kosten sind jedenfalls in Höhe von 402,82 Euro vom Antragsgegner an die Beigeladene zu erstatten.
15 
Nach § 164 setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts (Rechtsanwaltsvergütung) sind zwar stets erstattungsfähig (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Das setzt jedoch voraus, dass sie auch gerade in dem Verfahren entstanden ist, für das die Kostenfestsetzung begehrt wird. Das trifft für die von der Beigeladenen im Abänderungsverfahren geltend gemachte Rechtsanwaltsvergütung nur teilweise zu.
16 
a) Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkeiten eines Rechtsanwalts bemisst sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG), wobei sich die Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) bestimmt (§ 2 Abs. 2 RVG). Die nach dem Gegenstandswert berechneten (§ 2 Abs. 1 RVG) Gebühren entgelten, soweit das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nichts anderes bestimmt, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der “Angelegenheit“ (§ 15 Abs. 1 Satz 1 RVG). In “derselben Angelegenheit“ kann der Rechtsanwalt die Gebühren aber nur einmal fordern, in gerichtlichen Verfahren allerdings in jedem Rechtszug (§ 15 Abs. 2 RVG). Dieser Regelung liegt ein pauschalierender vergütungsrechtlicher Ansatz zugrunde. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts wird in einzelne “Angelegenheiten“ unterteilt, die den jeweiligen Gebührentatbeständen zugeordnet und dann pauschal vergütet werden. §§ 16 bis 18 RVG bestimmen ergänzend, welche Verfahren oder Verfahrensabschnitte noch als “dieselbe Angelegenheit“ (§ 16 RVG), “verschiedene Angelegenheiten“ (§ 17 RVG) oder “besondere Angelegenheiten“ (§ 18 RVG) gelten. Danach sind zwar das Verfahren in der Hauptsache auf der einen Seite sowie ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO und ein Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO auf der anderen Seite “verschiedene Angelegenheiten“ (§ 17 Nr. 4 c) und d) RVG). Das gilt aber nicht für das Ausgangsverfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO im Verhältnis zum Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO. Denn die Tätigkeit eines sowohl im Ausgangsverfahren als auch im nachfolgenden Abänderungsverfahren beauftragten Rechtsanwalts betrifft nach § 16 Nr. 6 RVG “dieselbe Angelegenheit“ i. S. des § 15 Abs. 2 RVG. Ist der Rechtsanwalt in beiden Verfahren tätig, entstehen seine Gebühren für den jeweiligen Rechtszug daher bereits im Ausgangsverfahren und sind im Abänderungsverfahren nicht - nochmals - erstattungsfähig (vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 23.07.2003 - 7 KSt 6.03, 7 VR 1.02 - juris; BayVGH, Beschluss vom 22.04.2007 - 22 M 07.40006 - NJW 2007, 2715 m.w.N). Anders liegt es jedoch, soweit der Rechtsanwalt im Ausgangsverfahren noch nicht tätig war. In diesem Fall entstehen seine Gebühren für den jeweiligen Rechtszug (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG) erst im Abänderungsverfahren.
17 
Aus § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG, wonach der Rechtsanwalt in gerichtlichen Verfahren die Gebühren in jedem Rechtszug fordern kann, folgt nichts Abweichendes. Denn das Abänderungsverfahren ist im Verhältnis zum Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO kein gesonderter Rechtszug im Sinne dieser Vorschrift. Das Gericht entscheidet im Abänderungsverfahren nicht als Rechtsmittelgericht über den früheren Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern als Gericht des ersten Rechtszugs (vgl. Senatsbeschluss vom 06.02.1997 - 8 S 29/97 - NVwZ-RR 1998, 611 m.w.N.). § 16 Nr. 5 RVG stellt dies als speziellere Regelung nunmehr auch vergütungsrechtlich klar (vgl. BayVGH, Beschluss vom 22.04.2007, a.a.O.).
18 
Wirtschaftlicher Hintergrund dieser pauschalierenden Regelung ist der Umstand, dass der Rechtsanwalt in Abänderungs- und Aufhebungsangelegenheiten, soweit er zuvor auch im Ausgangsverfahren tätig war, in der Regel keine besondere Einarbeitungszeit benötigt und ohne weiteres auf seine frühere Arbeit zurückgreifen kann (vgl. Römermann in Hartung/Römermann/Schons, RVG, Praxiskommentar, 2. Auflage, § 16 Rn. 20 m.w.N.). Die zusätzliche anwaltliche Tätigkeit im Abänderungsverfahren wird daher vergütungsrechtlich nicht gesondert honoriert. Das führt entgegen der Beschwerdebegründung nicht deshalb zu einem „völlig ungerechten“ Ergebnis, weil ein im Ausgangsverfahren obsiegender Beteiligter die Vergütung seines Rechtsanwalts erstattet bekommt, während dies für einen im Abänderungsverfahren obsiegenden Beteiligten nur gilt, soweit er im Ausgangsverfahren anwaltlich noch nicht vertreten war. Eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung liegt darin nicht. Die unterschiedliche Behandlung findet ihren sachlichen Grund in dem § 162 VwGO zugrunde liegenden Prinzip des Kostenrechts, dass erstattungsfähige Kosten durch das jeweilige gerichtliche Verfahren verursacht sein müssen, sowie im pauschalierenden - und insoweit auch verfassungsrechtlich unbedenklichen - Ansatz des § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 16 Nr. 5 RVG.
19 
b) Gemessen daran ist die streitige Rechtsanwaltsvergütung nur erstattungsfähig, soweit die Beigeladene Gebühren für den ersten Rechtszug in Höhe von insgesamt 402,80 Euro geltend macht. Denn ihr Rechtsanwalt ist im ersten Rechtszug des Ausgangsverfahrens noch nicht tätig gewesen. Die Einwendungen des Antragsgegners im Kostenfestsetzungs-, Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren geben insoweit - auch aus den unter a) dargelegten Gründen - keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
20 
Dagegen sind die Beschwerdegebühr und die Postgebührenpauschale für den zweiten Rechtszug nebst Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 169,58 Euro bereits im Ausgangsverfahren entstanden, da der Rechtsanwalt dort im zweiten Rechtszug für die Beigeladene tätig war. Diese Kosten sind daher im Abänderungsverfahren nicht erstattungsfähig.
21 
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 sowie § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da für die Zurückweisung der Beschwerde nach Nr. 5502 der Anlage 1 zum GKG nur eine streitwertunabhängige Festgebühr erhoben wird.
22 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. November 2012 - 11 K 3405/12 - in der Fassung des Senatsbeschlusses vom 14. März 2013 - 8 S 2504/12 - wird geändert, soweit er die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller zu 1 und 2 gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 21. September 2012 anordnet.

Der Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 21. September 2012 wird mit Wirkung ab Zustellung dieses Beschlusses abgelehnt.

Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Abänderungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert für das Abänderungsverfahren wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer dem Beigeladenen am 21.09.2012 erteilten Baugenehmigung zur Änderung der Nutzung eines Wohnheims mit Werkstatt und Schulungsräumen in Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber sowie Büros mit Lagerräumen.
1. Die Antragsgegnerin erteilte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 21.09.2012 die streitbefangene Baugenehmigung zur oben beschriebenen (Nutzungs-)Änderung entsprechend seinem Antrag vom 11.06.2012 in Anwendung von § 31 Abs. 1 BauGB, § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1968. Der Bauantrag war ausdrücklich auf „Gemeinschaftsunterkünfte zur Unterbringung von Personen nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (Asylbewerber)“ gerichtet.
Das Baugrundstück befindet sich ebenso wie das im Miteigentum der Antragsteller zu 1 und zu 2 befindliche Nachbargrundstück im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Handwerkergebiet“ der Gemeinde Oeffingen vom 29.10.1973, in dem nach Nr. 1.2 seines Textteils für das gesamte Plangebiet ein „beschränktes Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 4 BauNVO“ festgesetzt wird, in dem „nur nicht wesentlich störende Betriebe im Sinne von § 6 BauNVO zulässig [sind]“.
2. Die Antragsteller erhoben gegen die Baugenehmigung Widerspruch. Ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 21.11.2012 abgelehnt. Die Beschwerde der Antragsteller gegen diese Entscheidung hatte Erfolg. Mit Senatsbeschluss vom 14. März 2013 wurde der Beschluss des Verwaltungsgerichts geändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller angeordnet. Zur Begründung führte der Senat im Wesentlichen aus, die angegriffene Baugenehmigung werde sich in der Hauptsache wohl als rechtswidrig erweisen und die Antragsteller dadurch in eigenen Rechten verletzen. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem Vorhaben um eine Anlage für soziale Zwecke handele, sei sie voraussichtlich bauplanungsrechtlich unzulässig, weil die genehmigte Nutzung mit ihrem wohnähnlichen Charakter in einem Gewerbegebiet gebietsunverträglich sei.
3. Das Regierungspräsidium Stuttgart wies den Widerspruch der Antragsteller mit Bescheid vom 07.08.2013 unter Erteilung einer Befreiung von der Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung des Bebauungsplans „Handwerkergebiet“ zurück. Die Voraussetzungen für die Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB lägen vor, denn Gründe des Wohls der Allgemeinheit erforderten die Befreiung und die Abweichung sei auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar.
Ein auf die Erteilung der Befreiung gestützter Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg (Beschluss vom 14.10.2013 - 11 K 2941/13). Dieser Beschluss wurde auf die Beschwerde der Antragsteller mit Senatsbeschluss vom 17.12.2013 geändert und der Antrag auf Abänderung abgelehnt (8 S 2350/13).
4. Auf die Klage der Antragsteller hat das Verwaltungsgericht die Baugenehmigung vom 21.09.2012 und den Widerspruchsbescheid vom 07.08.2013 mit Urteil vom 22.07.2014 aufgehoben (11 K 3170/13). Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ist vom Beklagten, dem Beigeladenen und dem - im Klageverfahren ebenfalls beigeladenen - Landkreis Rems-Murr-Kreis, eingelegt worden. Über die Berufungen ist noch nicht entschieden worden.
II.
Der Senat macht von der ihm in § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO eingeräumten Kompetenz Gebrauch, ändert den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21.11.2012 - in der Fassung, die er durch den Senatsbeschluss vom 14.03.2013 gefunden hat - mit Wirkung für die Zukunft ab und lehnt den Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage ab. Die Erfolgsaussichten dieser Klage erweisen sich aufgrund der Einführung von § 246 Abs. 10 BauGB durch Art. 1 des Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20.11.2014 (BGBl I S. 1748) mit Wirkung vom 26.11.2014 (vgl. dessen Art. 2) derzeit als offen. Das Vollzugsinteresse - sowohl das öffentliche als auch das private des Beigeladenen - überwiegt daher nunmehr das Suspensivinteresse der Antragsteller.
1. Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO dient dabei nicht in der Art eines Rechtsmittelverfahrens der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung formell und materiell richtig ist. Es eröffnet vielmehr die Möglichkeit, einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage Rechnung zu tragen. Prüfungsmaßstab ist daher allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist (BVerwG; Beschluss vom 10.03.2011 - 8 VR 2.11 - juris Rn. 8; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.11.1995 - 13 S 494/95 - VBlBW 1996, 98; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.12.2013 - 9 S 53.13 - juris; Funke-Kaiser, in: Bader, VwGO, 6. Aufl. 2014, § 80 Rn. 143a).
10 
2. Die vom Senat zu treffende umfassende Interessenabwägung (§§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage fällt zu Lasten der Antragsteller aus. Aufgrund der Einfügung des neuen Absatzes 10 in § 246 BauGB erweisen sich die Erfolgsaussichten der Klage derzeit als offen (a)). Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung des §212a Abs. 1 BauGB, wonach der Bauherr von der Baugenehmigung sofort Gebrauch machen darf, kommt dem Vollzugsinteresse aufgrund des erheblichen Platzbedarfs für die Unterbringung von Asylantragstellern der Vorrang vor dem Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs zu (b)).
11 
a) Die dem Beigeladenen mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2013 erteilte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „Handwerkergebiet“ wird tatbestandlich voraussichtlich von § 246 Abs. 10 Satz 1 BauGB - dessen Einfügung in das Baugesetzbuch mit Wirkung vom 26.11.2014 vom Senat hier zu berücksichtigen ist (aa)) - gedeckt (bb)). Das grundsätzlich eröffnete Ermessen der Baurechtsbehörde ist hier wohl zugunsten des Beigeladenen auf Null reduziert (cc)). Es ist allerdings eine offene Rechtsfrage, ob auf der Grundlage des § 246 Abs. 10 Satz 1 BauGB eine unbefristete Baugenehmigung bzw. Befreiung erteilt werden darf (dd)).
12 
aa) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei einer Drittanfechtung einer Baugenehmigung der Zeitpunkt der Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung. Allerdings ist es zu berücksichtigen, wenn sich die Rechtslage nachträglich zu Gunsten des Bauherrn verändert (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.04.2011 - 5 S 194/10 - VBlBW 2011, 395 m.w.N.). Eine solche Änderung stellt § 246 Abs. 10 BauGB dar.
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bb) (1) Nach § 246 Abs. 10 Satz 1 BauGB kann bis zum 31.12.2019 in Gewerbegebieten (§ 8 der Baunutzungsverordnung, auch in Verbindung mit § 34 Abs. 2 BauGB) für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist.
14 
Diese spezielle Befreiungsvorschrift, die ergänzend neben die allgemeine Vorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB tritt (BT-Drs. 18/2752 S. 11 f.), ist auf Festsetzungen von Gewerbegebieten als Baugebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung anzuwenden und bezieht sich auf alle Fassungen der Baunutzungsverordnung seit derem ersten Erlass vom 26.06.1962 (BGBl I. S. 429). Die Voraussetzung, dass an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können, zielt darauf ab, dass die Gemeinde mit dem Bebauungsplan nicht von Möglichkeiten zur Feinsteuerung Gebrauch gemacht haben darf und also die nach der Anordnung - der jeweils anzuwenden Fassung - des § 8 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Anlagen für soziale Zwecke nicht durch den Bebauungsplan von der (ausnahmsweisen) Zulässigkeit ausgeschlossen hat (Battis/Mitschang/Reidt, NVwZ 2014, 1609<1612>). Abweichend von § 31 Abs. 2 BauGB ist hingegen nicht gefordert, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden.
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Für die Prüfung der Vereinbarkeit der Abweichung mit öffentlichen Belangen, wie sie von § 246 Abs. 10 Satz 1 BauGB ebenso gefordert wird wie von § 31 Abs. 2 BauGB, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur allgemeinen Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB keine generellen Maßstäbe zu bilden. Denn es ist nicht generell zu beantworten, welche Umstände als öffentliche Belange einer Befreiung entgegenstehen. Der Schluss, eine Befreiung sei mit den öffentlichen (bodenrechtlichen) Belangen nicht vereinbar, liegt umso näher, je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht einer Planung eingreift. Eine Befreiung ist ausgeschlossen, wenn das Vorhaben in seine Umgebung nur durch Planung zu bewältigende Spannungen hineinträgt oder erhöht, so dass es bei unterstellter Anwendbarkeit des § 34 Abs. 1 BauGB nicht zugelassen werden dürfte (BVerwG, Urteile vom 09.06.1978 - 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <78 f.> und vom 19.09.2002 - 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50 <53 f.>). Es kommt also - auch für die hypothetische Prüfung am Maßstab des § 34 Abs. 1 BauGB - darauf an, ob durch das Bauvorhaben städtebauliche Spannungen hervorgerufen werden, die vorhandene bauliche Situation verschlechtert wird, das Bauvorhaben mithin „Unruhe stiftet“. Bei der Anwendung des § 246 Abs. 10 Satz 1 BauGB ist - insoweit abweichend - zu berücksichtigen, dass die mögliche Unruhe, die durch die Genehmigung der wohnähnlichen Nutzung eines Gebäudes als Aufnahmeeinrichtung oder Gemeinschaftsunterkunft für Asylbegehrende (dazu Senatsbeschluss vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12 - VBlBW 2013, 384 juris Rn. 15 f. und Bayerischer VGH, Urteil vom 06.02.2015 - 15 B 14.1832 - juris, jeweils m.w.N.), in ein Gewerbegebiet getragen wird, das aufgrund seines durch die Bestimmungen der Baunutzungsverordnung geprägten Gebietstypus wohnähnliche Nutzungsformen nicht verträgt (auch hierzu Senatsbeschluss vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12 - VBlBW 2013, 384 juris Rn. 18 m.w.N.), nicht relevant für die Frage der Vereinbarkeit der Befreiung mit den öffentlichen Belangen sein kann. Denn insoweit hat der Gesetzgeber für den Tatbestand des § 246 Abs. 10 Satz 1 BauGB eine abschließende Regelung zugunsten der Möglichkeit, Befreiungen für solche Nutzungsformen zu erteilen, getroffen. Als öffentlicher Belang ist hingegen die Wahrung gesunder Wohnverhältnisse zu berücksichtigen. Eine Zulassung der in der Norm benannten Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende ist daher tatbestandlich u.a. dann mangels Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen ausgeschlossen, wenn die Bewohner voraussichtlich gesundheitsgefährdenden Immissionen ausgesetzt wären.
16 
Die Würdigung nachbarlicher Interessen schließlich fordert, dass festgestellt wird, ob nachbarliche Interessen der Erteilung einer Befreiung entgegenstehen. Dazu sind die Interessen des Bauherrn an der Befreiung und die Interessen des Nachbarn an der Einhaltung der Festsetzung nach den Maßstäben des Rücksichtnahmegebots gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zwar davon auszugehen, dass nachbarschützende Festsetzungen - insbesondere solche über die Art der baulichen Nutzung - im Interessengeflecht eines Bebauungsplans in der Regel eine derart zentrale Bedeutung haben, dass ihre Durchbrechung das Bedürfnis nach einer Änderung des Bebauungsplans hervorruft. Etwas anders gilt jedoch dann, wenn die Nachbarn weder von dem Vorhaben selbst noch von dessen zu erwartenden Folgewirkungen nennenswert beeinträchtigt werden können (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.02.2014 - 3 S 1992/13 - NVwZ-RR 2014, 548 <549 f.>).
17 
(2) Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind hier voraussichtlich alle erfüllt.
18 
(a) Im Plangebiet sind allein die das Wohnen wesentlich störenden Betriebe von der Zulässigkeit, wie sie von dem mit der Festsetzung unter Nr. 1.2 des Bebauungsplans in Bezug genommenen § 8 BauNVO 1968 bestimmt werden, ausgenommen. Anlagen für soziale Zwecke sind nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 3. Var. BauNVO 1968 hingegen ausnahmsweise zulässig.
19 
(b) Die Befreiung ist voraussichtlich auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Die Antragsteller haben bislang nicht substantiiert geltend gemacht, dass bisher ausgeübte Nutzungen - wie etwa der auf ihrem Grundstück ausgeübte Handel mit Natursteinen - aufgrund der Befreiung nicht mehr im gleichen Umfang wie bisher ausgeübt werden könnte und also Nutzungen auf Nachbargrundstücken von dem Vorhaben selbst noch von dessen zu erwartenden Folgewirkungen nennenswert tatsächlich konkret beeinträchtigt werden könnten. Eine solche Beeinträchtigung liegt im Übrigen auch schon deswegen fern, weil die in dem festgesetzten beschränkten Gewerbegebiet zulässigen Gewerbebetriebe das Wohnen ohnehin nicht wesentlich stören dürfen und auch im Mischgebiet zulässig sein müssen, so dass der Senat keine Anhaltspunkte dafür erkennen kann, dass gesunde Wohnverhältnisse auf dem Baugrundstück nicht gewahrt sein könnten.
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bb) Das Ermessen der Baugenehmigungsbehörde - aus § 246 Abs. 10 Satz 1 BauGB - dürfte hinsichtlich der Erteilung der Befreiung auf Null reduziert sein. Bereits regelmäßig und allgemein verbleibt für die Ausübung des Befreiungsermessens wenig Spielraum, wenn die engen Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erfüllt sind (Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 31 Rn. 43). Dies gilt auch für das der Baurechtsbehörde in § 246 Abs. 10 Satz 1 BauGB eröffnete Ermessen, auch wenn der Tatbestand mit dem Verzicht auf die Prüfung der Berührung der Planungsgrundzüge hier nicht genauso eng wie in § 31 Abs. 2 BauGB gefasst ist. Denn die neu geschaffene, zeitlich befristete Ermächtigungsgrundlage des § 246 Abs. 10 Satz 1 BauGB zielt gerade auf die weitgehende Erteilung von Befreiungen. Da derzeit nicht ersichtlich ist, dass nachbarliche Interessen konkret beeinträchtigt sein könnten, städtebauliche Belange - etwa Planungsabsichten der Gemeinde - nicht berührt sind und also damit einerseits relevante öffentliche Belange oder nachbarliche Interessen in keiner Weise negativ betroffen sind, andererseits ein hohes öffentliches Interesse an der Schaffung zusätzlicher Unterbringungsmöglichkeiten für Asylbegehrende besteht, ist wohl von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen (vgl auch Senatsurteil vom 14.03.2007 - 8 S 1921/06 - NVwZ-RR 2008, 225 <226 f.>).
21 
cc) Offen hingegen erscheint, ob die Befreiung und damit die Baugenehmigung für die begehrte Nutzungsänderung auf der Grundlage des § 246 Abs. 10 Satz 1 BauGB - wie bislang geschehen - unbefristet erteilt werden darf.
22 
Die Gesetzesmaterialien äußern sich nicht zu der Frage, ob mit der Befristung der Ermächtigungsgrundlage auf den 31.12.2019 auch beabsichtigt gewesen ist, nur befristet Befreiungen zu ermöglichen. In der Literatur wird vertreten, dass § 246 Abs. 10 BauGB die Erteilung unbefristeter Befreiungen und auf ihrer Grundlage Baugenehmigungen ermögliche (Krautzberger/Stüer, DVBl 2015, 73<78>) und dass eine Rechtfertigung, Baugenehmigungen für beantragte Vorhaben behördlicherseits mit einer zeitlichen Beschränkung auf den 31.12.2019 zu versehen, nicht bestehe (Battis/Mitschang/Reidt, NVwZ 2014, 1609 <1611>). Dagegen könnte jedoch sprechen, dass der mit der zeitlichen Befristung der Ermächtigungsgrundlage erkennbar verfolgte doppelte Zweck, nur eine befristete Regelung aufgrund der aktuell stark ansteigenden Asylantragszahlen zu schaffen (vgl. BT-Drs. 18/2752 S. 7) und den Eingriff in die kommunale Planungshoheit durch Zulassung einer Befreiungsmöglichkeit ohne Rücksicht auf Planungsgrundzüge möglichst gering zu halten, letztlich nur dann effektiv erreicht werden kann, wenn auch die Auswirkungen der Anwendung des § 246 Abs. 10 Satz 1 BauGB zeitlich begrenzt werden und damit der „Ausnahmecharakter“ der Norm (Kment/Bauer, BauR 2015, 211<214>) hinreichend Berücksichtigung findet. Allerdings teilt der Senat nicht die Rechtsauffassung der Antragsteller, wonach die Frage der Befristung für die Verhältnismäßigkeit des § 246 Abs. 10 Satz 1 BauGB als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG relevant sei. Denn Art. 14 GG gewährleistet keinen Anspruch auf Beibehaltung der bauplanungsrechtlichen Situation (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.08.2000 - 4 CN 6.99 - BVerwGE 112, 41).
23 
b) Angesichts der aufgrund der fehlenden Befristung der erteilten Befreiung derzeit offenen Frage ihrer Rechtmäßigkeit kommt nunmehr - abweichend von der vom Senat im Beschluss vom 14.03.2013 vorgenommenen Interessenabwägung - dem privaten Interesse des Beigeladenen und den öffentlichen Interessen am weiteren Vollzug der Baugenehmigung höheres Gewicht als dem Suspensivinteresse der Antragsteller zu. Bei dieser Interessenabwägung ist zugunsten des Vollzugsinteresses die gesetzliche Wertung des § 212a Abs. 1 BauGB, der dringende Bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten für Asylbegehrende und die Möglichkeit der Nachholung der Befristung der angefochtenen Baugenehmigung auch im laufenden Klageverfahren - sollte sie denn rechtlich erforderlich sein - einzustellen. Da die Antragsteller bislang keine konkreten Nachteile für den Fall des erneuten Vollzugs der Baugenehmigung substantiiert geltend gemacht haben und solche auch nicht ersichtlich sind, muss ihr Suspensivinteresse nunmehr zurückstehen.
24 
3. a) Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat weist darauf hin, dass aufgrund der Bestimmung des § 16 Nr. 5 RVG das von Amts wegen eingeleitete Änderungsverfahren im Verhältnis zum ersten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung „dieselbe Angelegenheit“ i. S. des § 15 Abs. 2 RVG ist (vgl. Senatsbeschluss vom 08.11.2011 - 8 S 1247/11 - JZ 2012, 421).
25 
b) Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1,53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG in Anwendung von Nrn. II.1.5 und II.9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327). Es bedarf einer Streitwertfestsetzung, weil diese Grundlage für zu erhebende Gebühren ist. Denn mehrere Verfahren nach § 80 Abs. 5 und 7, § 80a Abs. 3 VwGO gelten - systematisch insoweit vom Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abweichend - nur innerhalb eines Rechtszugs als ein Verfahren, Vorbemerkung 5.2 Abs. 2 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, was zur Folge hat, dass die Abänderung eines erstinstanzlichen Beschlusses durch das Berufungsgericht eine Gebühr auslöst (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 13.10.1989 - 1 S 3032/89 - juris). Die Abänderung eines Beschlusses nach §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 VwGO von Amts wegen führt zum Entstehen einer Gebühr. Denn Absatz 2 der Vorbemerkung 5.2 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG nimmt sowohl Satz 1 als auch Satz 2 des § 80 Abs. 7 VwGO in Bezug.
26 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.