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Der im Jahre 1966 geborene Antragsteller nahm im Wege der Wiederholungsprüfung an der Ersten juristischen Staatsprüfung im Frühjahr 2005 in Tübingen teil. Er erzielte in der schriftlichen Prüfung folgende Einzelergebnisse:
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Aufsichtsarbeit Nr.1 (Zivilrecht): 1,0 Punkte
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Aufsichtsarbeit Nr.2 (Zivilrecht): 3,5 Punkte
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Aufsichtsarbeit Nr.3 (Zivilrecht): 2,0 Punkte
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Aufsichtsarbeit Nr.4 (Strafrecht): 2,0 Punkte
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Aufsichtsarbeit Nr.5 (Strafrecht): 7,0 Punkte
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Aufsichtsarbeit Nr.6 (Öffentliches Recht): 4,0 Punkte
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Aufsichtsarbeit Nr.7 (Öffentliches Recht): 6,5 Punkte
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Mit Bescheid 02.06.2005 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass er die Erste juristische Staatsprüfung aufgrund des Ergebnisses der schriftlichen Prüfung endgültig nicht bestanden habe, da er nicht in mindestens einer zivilrechtlichen Aufsichtsarbeit, 4,0 oder mehr Punkte erreicht habe und somit die Voraussetzungen des § 15 JAPrO nicht erfüllt seien.
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Hiergegen legte der Antragsteller am 22.06.2005 Widerspruch ein und wandte sich zunächst gegen die Bewertung der schriftlichen Aufsichtsarbeiten Nr.3 (Zivilrecht) und Nr.4 (Strafrecht). Des weiteren machte er hilfsweise geltend, dass ihm aufgrund mehrerer Verfahrensfehler eine Wiederholung der Aufsichtsarbeit Nr.3 (Zivilrecht) zu gestatten sei. Zum ersten sei unzulässiger Prüfungsstoff Gegenstand der Klausur gewesen, indem in Frage 1 a gefragt worden sei, ob das Landgericht Stuttgart nach dem EuGVO zuständig sei. Denn Internationales Zivilverfahrensrecht sei kein Prüfungsstoff im Sinne des § 8 Abs.1, 2 JAPrO. Zum zweiten sei die Gesetzesbezeichnung „EuGVO“ im Sachverhalt falsch wiedergegeben worden. Richtigerweise hätte es „EuGVVO“ heißen müssen. Insoweit werde ungeeigneter Prüfungsstoff gerügt. Zum dritten sei erst nach Ablauf von über einer halben Stunde der Bearbeitungszeit dem Antragsteller und den anderen Kandidaten durch die Aufsicht mitgeteilt worden, dass es sich um einen Fehler handele und „EuGVVO“ die richtige Bezeichnung sei. Als Ausgleich hätten die Kandidaten eine 15 Minuten längere Bearbeitungszeit und damit einen nicht hinreichenden Schreibausgleich erhalten. Schließlich sei es zum vierten aufgrund dessen, dass mehr als 10 Kandidaten ihre Europarechtstexte vergessen hatten, mitten in der Prüfung zu einer Frage- und Antwortzeit gekommen, in welcher die vergesslichen Kandidaten danach gefragt hätten, ob sie von Kommilitonen Bücher ausleihen könnten. Dies sei verneint worden, worauf der Vorschlag unterbreitet worden sei, Kopien der betreffenden Texte zu machen. Als auch dies von der Aufsicht abgelehnt worden sei, habe man sich darauf geeinigt, dass ein Kandidat die fehlenden Europarechtstexte bei der Buchhandlung O. in Tübingen kaufen sollte. Diese Debatte habe wiederum ca. 15 Minuten gedauert, wofür es keinen ausreichenden Schreibausgleich gegeben habe. Der Antragsteller habe hinsichtlich dieses Vorfalls auch seine Hand gestreckt, um ihn zu rügen, was von der Aufsicht durch ein Handzeichen abgewehrt worden sei. Seine nunmehr erhobene Rüge sei daher auch rechtzeitig.
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Im Widerspruchsverfahren holte das Landesjustizprüfungsamt hinsichtlich der Aufsichtsarbeit Nr.4 (Strafrecht) Stellungnahmen der betroffenen Prüfer ein, die an ihren Bewertungen festhielten und diese näher erläuterten. Hinsichtlich des genauen Inhalts der Stellungnahmen wird auf die Akten des Landesjustizprüfungsamtes verwiesen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2005 wies das Landesjustizprüfungsamt den Widerspruch des Antragstellers als unzulässig zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Prüfer hinsichtlich der Aufsichtsarbeit Nr.4 im Strafrecht in ihren Stellungnahmen zu dem Ergebnis gelangt seien, dass die Einwendungen des Antragstellers unbegründet seien und eine Änderung der erteilten Note nicht in Betracht komme. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass ein Prüfer von falschen Tatsachen ausgegangen sei oder allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verkannt habe oder dass eine Bewertung aus sonstigen Gründen fehlerhaft sei. Soweit der Antragsteller im Hinblick auf beide Aufsichtsarbeiten Begründungsdefizite, insbesondere Verstöße gegen das „Prinzip der Systemgerechtigkeit“, rüge, verhelfe auch dies dem Widerspruch nicht zum Erfolg. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gutachten der Aufsichtsarbeiten den von der ständigen Rechtsprechung verlangten Anforderung nicht entsprechen. Die Rüge, im Hinblick auf die Aufsichtsarbeit Nr.3 im Zivilrecht seien die Stoffgrenzen verletzt, sei ebenfalls nicht begründet. Der Stoff der Klausur habe sich in den Grenzen des § 5 Abs.6 JAPrO 1993 gehalten. Was die übrigen Rügen hinsichtlich der - durchaus gängigen - Gesetzesbezeichnung „EuGVO“ und des äußeren Ablaufs der Aufsichtsarbeit Nr.3 angehe, sei der Antragsteller damit jedenfalls gemäß § 24 Abs.2 Satz 4 JAPrO 1993 präkludiert.
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Soweit es die Aufsichtsarbeit Nr.3 im Zivilrecht betrifft, hat der Antragsteller hiergegen am 28.11.2005 Klage erhoben (8 K 2079/05), über die noch nicht entschieden ist.
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Am 23.12.2005 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung des Antrags wiederholt und vertieft der Antragsteller im Wesentlichen die im Widerspruchsverfahren angestellten Erwägungen. Ergänzend lässt er vortragen, dass er hinsichtlich der angesprochenen Verfahrensfehler entgegen der Begründung im Widerspruchsbescheid nicht präkludiert sei. Zum einen sei er vom Antragsgegner zu keiner Zeit auf die Rügepflicht hingewiesen und erst recht nicht über die Folgen einer nicht fristgerechten Rüge belehrt worden. Insbesondere habe er ein Merkblatt, woraus sich eine entsprechende Belehrung ergeben würde, zu keiner Zeit erhalten. Eine solche Belehrung sei aber entgegen der Auffassung des Antragsgegners notwendig. Zum anderen habe der Antragsteller vergeblich versucht, die genannten Vorfälle fristgerecht zu rügen. Er sei hieran in einer der Antragsgegner zurechenbaren Weise gehindert worden. Überdies dürfe nach einhelliger Ansicht in der prüfungsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur die Prüfungsbehörde bei erheblichen und offensichtlichen Mängeln der genannten Art nicht abwarten, ob der Prüflinge eine neue Prüfung beantragt, sondern sie habe, sobald sie die Mängel vollends erkenne, von Amts wegen entsprechend zu reagieren und die misslungene Prüfung durch eine sachgerechte Abhilfe, in der Regel durch eine Wiederholung der Prüfung, zu einem ordnungsgemäßen Abschluss zu bringen. Einer der Präklusionsfrist unterliegenden Rüge habe es daher gar nicht bedurft, da das Prüfungsamt ermessensfehlerhaft gehandelt habe. Es sei nicht beachtet worden, dass die von Amts wegen getroffene Handlung - Schreibverlängerung von 15 Minuten - nicht zur Heilung der Verfahrensfehler geeignet gewesen sei. Der Antragsteller habe insoweit nämlich inzwischen erfahren, dass es einige Prüflinge gegeben habe, die die in Rede stehende Aufsichtsarbeit Nr.3 im Zivilrecht genau wegen der formalen Einwendungen noch einmal haben schreiben dürfen. Es werde daher ausdrücklich ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit gerügt, der sich eindeutig daraus ergebe, dass das Prüfungsamt die zur Verfügung stehenden Alternativen, Wiederholung der Prüfung, Schreibzeitverlängerung oder eine andere Ausgleichsmaßnahme, unzulässig und willkürlich vermengt habe. Es hätte entweder eine Schreibzeitverlängerung oder eine Prüfungswiederholung erlauben dürfen. Hier habe es einer selektiven Gruppe von Studenten beides gewährt, was zeige, dass nicht einmal nach Ansicht des Prüfungsamtes die Schreibverlängerung von 15 Minuten zur Heilung der Verfahrensfehler geeignet gewesen sein könnte. Zur Glaubhaftmachung des Ablaufs der Aufsichtsarbeit Nr.3 im Zivilrecht legt der Antragsteller eine von ihm abgegebene eidesstattliche Versicherung vor, woraus erst der gänzliche Umfang der Störungen und die Irreversibilität und Irreparabilität der Prüfungssituation deutlich werde. Dem Antragsteller stehe auch ein Anordnungsgrund zur Seite, da ein Abwarten auf die Hauptsacheentscheidung für ihn unzumutbar sei. Dies sei in der Rechtsprechung anerkannt, wenn es sich - wie hier - um die letzte Prüfungschance handele. Schließlich stehe im Hinblick auf Art.19 Abs.4 GG auch das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache nicht entgegen, da anderenfalls der Rechtsschutz des Antragstellers gänzlich lehr zu laufen drohte. Ein Prüfling könne sein Prüfungswissen ohnehin nur schwer über einen längeren Zeitraum aktuell halten.
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Der Antragsteller beantragt zuletzt,
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den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs.1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig zu einer Wiederholung der Aufsichtsarbeit Nr.3 im Zivilrecht zu laden und den Antragsteller insgesamt über das Prüfungsergebnis vorläufig neu zu bescheiden.
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Der Antragsgegner beantragt,
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Zur Begründung führt das Landesjustizprüfungsamt zunächst aus, dass der Antrag gemäß §123 VwGO unzulässig sei, da durch den begehrten vorläufigen Rechtsschutz der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorgegriffen werde. Der Antragsteller sei zwar bereits 39 Jahre alt, bedürfe jedoch zunächst der Zulassung zum Vorbereitungsdienst und eines erfolgreichen Abschlusses der Zweiten juristischen Staatsprüfung, um in einem juristischen Beruf, insbesondere als Rechtsanwalt, tätig zu werden. Gerade die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst auf Grundlage einer vorläufigen Entscheidung sei aber für den Antragsteller mit ganz erheblichen Nachteilen verbunden. Insoweit sei auch auf erhebliche fiskalische Folgen einer stattgebenden Entscheidung hinzuweisen. Zudem sei ein Anordnungsgrund für den Antragsteller nicht ersichtlich. Daraus, dass es sich um seine letzte Prüfungschance handele, ergebe er sich ebenso wenig wie aus dem Gesichtspunkt der Wissenskonservierung. Für den Antragsteller ergebe sich des weiteren kein Anordnungsanspruch. Die Aufsichtsarbeit Nr.3 im Zivilrecht habe mit der geforderten Prüfung der internationalen Zuständigkeit nach der EuGVO die Stoffgrenzen der hier einschlägigen JAPrO 1993 eingehalten. Nach § 5 Abs.6 JAPrO 1993 dürften andere als die in § 5 Abs.3 und 4 genannten Rechtsgebiete zum Gegenstand der Prüfung gemacht werden, soweit lediglich Verständnis und Arbeitsmethode festgestellt werden sollen und Einzelwissen nicht vorausgesetzt wird. Mehr sei nicht gefordert worden, und dass die Erstprüferin mehr vorausgesetzt hätte, ergebe sich auch nicht aus ihrer Korrekturbemerkung, Art.5 EuGVO sei „nicht vertieft untersucht“ worden. Eine vertiefte Untersuchung sei selbstverständlich ohne Einzelwissen möglich, und es biete gerade die Einbeziehung nicht bekannter Normen in die Falllösung in besonderem Maße die Möglichkeit, die Beherrschung der nach § 5 Abs.6 JAPrO 1993 zulässigerweise abzuprüfenden Arbeitsmethode der Rechtswissenschaft festzustellen. Im Übrigen gehöre gemäß § 5 Abs.3 Nr.6 JAPrO 1993 aus dem Zivilprozessrecht das Verfahren des ersten Rechtszuges einschließlich der Prozessvoraussetzungen zu den Pflichtfächern. Die EuGVO sei unmittelbar geltendes Zivilprozessrecht zur Zuständigkeit der Gerichte und damit als Pflichtstoff von der Norm umfasst. Was die anderen gerügten Verfahrensfehler angehe, sei zum Ablauf der Prüfung klarstellend vorzutragen: Es hätten bei der fraglichen Aufsichtsarbeit zwei ganz unterschiedlich gelagerte und daher zu trennende Sachverhalte zu Problemen geführt. Zum einen seien Irritationen im Zusammenhang mit der Gesetzesbezeichnung „EuGVO“ im Sachverhalt entstanden. Abgesehen davon, dass zweifelhaft sei, ob hierin überhaupt ein relevanter Verfahrensmangel zu sehen ist, sei zum Ausgleich dieser - und nur dieser - Unklarheit allgemein und auch dem Antragsteller eine Schreibverlängerung von 15 Minuten gewährt worden, was eine mögliche Beeinträchtigung jedenfalls deutlich überkompensiert habe. Hiervon zu trennen sei, dass eine Reihe von Kandidaten die fraglichen Gesetzestexte entgegen der Hilfsmittelverordnung nicht mit sich geführt hätten, was zu erheblicher Unruhe in den Prüfungsräumen geführt habe. Wegen dieser Unruhe hätten einige Kandidaten - anders als der Antragsteller rechtzeitig und schriftlich - entsprechende Verfahrensrügen erhoben, worauf diesen zur Wahl gestellt worden sei, statt der aus ihrer Sicht unter Beeinträchtigungen zustande gekommenen Aufsichtsarbeit eine Ersatzklausur zu schreiben. Vier Kandidaten hätten diese Möglichkeit wahrgenommen und unter Annullierung der bereits geschrieben Klausur am 02.05.2005 die Ersatzklausur geschrieben. Insoweit habe es auch keine Vermengung der Abhilfemöglichkeiten gegeben. Denn eine Gruppe, die von beiden Maßnahmen profitiert hätte, habe es gerade nicht gegeben. Allein der Antragsteller wolle dies, wenn er wegen Unzufriedenheit mit dem Ergebnis der geschriebenen Klausur nun eine zweite Chance möchte. Gerade dies aber wolle § 24 Abs.2 JAPrO 1993 verhindern. Insoweit sei im Übrigen die Behauptung des Antragstellers, er sei auf das Erfordernis rechtzeitiger Rüge nie hingewiesen worden, unrichtig. Unabhängig davon, dass ein derartiger Hinweis auf eine Ausschlussfrist nicht erforderlich sei, sei er durch das mit der Prüfungszulassung übersandte Merkblatt erfolgt. Der Antragsteller habe auch nicht zum ersten Mal an der Prüfung teilgenommen und daher bereits früher die „Hinweise II“ erhalten. Abwegig sei schließlich der Vortrag, der Antragsteller sei an einer rechtzeitigen Rüge „gehindert“ worden. Selbst wenn er die Hand gehoben und die Aufsichtsperson daraufhin tatsächlich abgewunken haben sollte, hätte ihn nichts daran gehindert, dies entweder sofort gegenüber der Aufsichtsperson klarzustellen oder es unmittelbar nach der Prüfung, wenigstens innerhalb der einmonatigen Ausschlussfrist gegenüber dem Landesjustizprüfungsamt zu rügen.
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Auf Verfügung vom 18.01.2006 hat das Landesjustizprüfungsamt der Kammer die „Niederschrift über die Anfertigung der Aufsichtsarbeit Nr.3 am 11.März 2005 in Tübingen im Prüfungsraum Hörsaal 25“ in Kopie übersandt, worin es u. a. heißt:
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„Die Bearbeitungszeit wurde durch fernmündl. Erlass des Justizprüfungsamtes um 15 Minuten verlängert. Grund: Fehler im Aufgabentext.
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Um 12.30 Uhr wurden an diejenigen, die noch keine Europarechtstexte hatten, Kopien der EuGVVO ausgegeben (insgesamt 18 Stück). Dies erfolgte nach tel. Absprache mit dem Justizprüfungsamt. Die Kopien hatte eine Studentin (Freundin einer Prüfungsteilnehmerin) gefertigt.“
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Der Kammer liegen die Prüfungsakten (einschließlich der Klausur Nr.3) des Landesjustizprüfungsamtes vor. Hierauf sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
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Das Begehren des Antragstellers ist, sachdienlich verstanden (§§ 122 Abs.1, 88 VwGO), darauf gerichtet, ihn im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zur Wiederholung der Aufsichtsarbeit Nr.3 im Zivilrecht zuzulassen. Hingegen hat der Antragsteller auf schriftliche Anfrage der Kammer vom 15.02.2006 mit Schreiben vom 21.02.2006 ausdrücklich klargestellt, dass er nicht (mehr) - auch nicht hilfsweise - die vorläufige Neubewertung der am 11.03.2005 geschriebenen Aufsichtsarbeit Nr.3 im Zivilrecht begehrt.
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Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder wenn sie aus anderen Gründen im Interesse des Antragstellers erforderlich erscheint. Der Anordnungsgrund, der die gerichtliche Eilentscheidung notwendig macht und der Anordnungsanspruch, dessen vorläufiger Sicherung die begehrte Anordnung dienen soll, sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen. Gemäß § 294 Abs. 1, 2 ZPO kann sich der Antragsteller im Rahmen seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung aller präsenten Beweisführungsmittel bedienen, insbesondere auch eigene eidesstattliche Versicherungen oder solche Dritter vorlegen. Mit der einstweiligen Anordnung, die grundsätzlich nur der vorläufigen Sicherung, nicht aber der Befriedigung des geltend gemachten Anspruches dient, darf dem Antragsteller in aller Regel nicht schon das - wenn auch nur auf beschränkte Zeit - gewährt werden, was er in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte; die einstweilige Anordnung darf grundsätzlich die Hauptsache nicht vorwegnehmen. Die Entscheidung, ob angesichts von besonderen Umständen des Einzelfalles doch ausnahmsweise eine solche Vorwegnahme zur Gewährung wirksamen Rechtsschutzes und zur Vermeidung unzumutbarer Nachteile erfolgen darf, hängt u. a. von der Bedeutung und Dringlichkeit - auch der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens - des Anspruchs, der Größe und eventuellen Reparabilität des Schadens für den Antragsteller und andererseits für den Antragsgegner bzw. die Allgemeinheit ab. Eine Vorwegnahme darf erfolgen, wenn es zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 123 Rdnr.14 m. w. N.).
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Selbst wenn man danach eine einstweilige Anordnung ausnahmsweise unter dem Aspekt für zulässig hielte, dass anderenfalls bei einer längeren Dauer des Hauptsacheverfahrens der aktuelle Wissensstand gar nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Anstrengungen vom Antragsteller aufrecht erhalten werden und er zudem erhebliche zeitliche Nachteile im Hinblick auf die weiteren zu erbringenden Prüfungsleistungen erleiden könnte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.07.1996 - 1 BvR 638/96 -, NVwZ 1997, 479), wäre daneben erforderlich, dass ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit des Erfolges seines Begehrens in der Hauptsache vorläge (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 03.12.2002 - 8 TG 2413/02 -). Daran fehlt es hier. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf erneute Zulassung zur Abfassung einer neuen Aufsichtsarbeit Nr.3 im Zivilrecht nicht glaubhaft gemacht. Im Gegenteil spricht alles dafür, dass die Entscheidung des Antragsgegners, der Antragsteller habe die Erste juristische Staatsprüfung aufgrund des Ergebnisses der schriftlichen Prüfung endgültig nicht bestanden, rechtlich nicht zu beanstanden sein wird.
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Da der Antragsteller sein Studium der Rechtswissenschaften vor dem Wintersemester 2003/2004 aufgenommen hat, findet die angefochtene Prüfungsentscheidung ihre Rechtsgrundlage im Gesetz über die juristischen Prüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst i. d. F. vom 18.05.1971 (GBl. S.190), zuletzt geändert durch das Hochschulrechts-Änderungsgesetz vom 06.12.1999 (GBl. S. 517) sowie der auf § 7 dieses Gesetzes beruhenden Verordnung der Landesregierung über die Ausbildung und Prüfung der Juristen - JAPrO - i. d. F. vom 07.05.1993 (GBl. S. 314), zuletzt geändert durch Änderungsverordnung vom 25.09.2000 (GBl. S. 665). Nach § 15 Satz 1 JAPrO 1993 sind Voraussetzung für die Fortsetzung der Prüfung kumulativ eine Durchschnittspunktzahl von mindestens 3,60 Punkten, in mindestens drei Aufsichtsarbeiten 4,0 oder mehr Punkte und im Zivilrecht in mindestens einer Aufsichtsarbeit 4,0 oder mehr Punkte. Der Antragsteller hat im schriftlichen Teil der Prüfung in keiner der drei Aufsichtsarbeiten im Zivilrecht eine Punktzahl von 4,0 oder höher erreicht und damit eine der kumulativen Voraussetzungen für die Zulassung zur mündlichen Prüfung nicht erfüllt. Er hat daher gemäß § 15 Satz 2 JAPrO 1993 die Prüfung nicht bestanden.
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Die Einwände, die der Antragsteller gegen diese Prüfungsentscheidung mit Blick auf die Aufsichtsarbeit Nr.3 im Zivilrecht erhebt, greifen nicht durch.
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1. Der Antragsteller meint, bereits die gestellte Prüfungsaufgabe sei rechtswidrig gewesen, da mit ihr der zulässige Prüfungsstoff überschritten sei. Das ist nicht glaubhaft gemacht.
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Die Prüfungsaufgabe verlangte von den Kandidaten unter anderem, in einem Rechtsgutachten zu erörtern, ob für die Klage einer deutschen gegen eine französische Partei aus einer vertraglichen Regelung „das Landgericht Stuttgart nach der maßgebenden EuGVO zuständig ist“. Im Sachverhalt war insoweit vorgegeben, dass die Parteien vor dem angerufenen Landgericht Stuttgart „streitig zur Sache“ verhandelten. Hierzu mussten die Kandidaten in der als einschlägig vorgegebenen Verordnung (EG) Nr.44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - VO 44/2001 - (ABl. Nr. L 012 vom 16.01.2001, S.1) die Artt.5 und 24 auffinden und auf den Fall der Geltendmachung vertraglicher Ansprüche anwenden. Damit wurde der zulässige Prüfungsstoff nicht überschritten.
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Allerdings vermag die Kammer dem Antragsgegner nach summarischer Prüfung darin nicht zu folgen, dass die beanstandete Thematik bereits von § 5 Abs.3 Nr.6 JAPrO 1993 gedeckt wäre. Danach zählt zum Prüfungsstoff „aus dem Zivilprozessrecht im Überblick: Verfahren im ersten Rechtszug: Verfahrensgrundsätze, Prozessvoraussetzungen …“. Die Maßgabe „im Überblick“ wird in § 5 Abs.5 JAPrO 1993 dahin erläutert, dass (nur) die Kenntnis der Systematik der wichtigsten Rechtsfiguren ohne Einzelwissen verlangt wird. Davon ausgehend dürfte die VO 44/2001 von § 5 Abs.3 Nr.6 JAPrO 1993 - bezogen auf das Rechtsgebiet „Prozessvoraussetzungen“ - nicht als Prüfungsstoff erfasst sein. Dem Antragsgegner ist zwar zuzugeben, dass die VO 44/2001 seit ihrem Inkrafttreten am 01.03.2002 gemäß Art. 249 Abs.2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (konsolidierte Fassung) - EG - (ABl. Nr. C 325 vom 24.12.2002, S. 33) in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Zivilprozessrecht darstellt (vgl. Art.76 VO 44/2001). Indes ist damit noch keine Aussage über eine Zuordnung der VO 44/2001 zur „Systematik der wichtigsten Rechtsfiguren“ der Prozessvoraussetzungen getroffen, deren Kenntnis allein verlangt werden darf. Einer derartigen Zuordnung dürfte hier entgegenstehen, dass die VO 44/2001 die internationale Zuständigkeit eines angerufenen Zivilgerichts als Rechtsfigur - anders als das GVG die sachliche oder die §§ 12ff. ZPO die örtliche Zuständigkeit - nicht allgemein regelt, sondern mit Rechtsstreitigkeiten, die an das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaft anknüpfen (vgl. Begründungserwägung 8 der VO 44/2001), nur einen besonderen Ausschnitt dieser Rechtsfigur. Selbst wenn man die internationale Zuständigkeit als „wichtigste Rechtsfigur“ des Rechtsgebiets Prozessvoraussetzungen im Sinne des § 5 Abs.5 JAPrO 1993 ansehen wollte, ginge die Kenntnis hiervon über die Kenntnis der „Systematik“ dieser Rechtsfigur hinaus. Darüber hinaus würde eine Zuordnung der VO 44/2001 zu § 5 Abs.3 Nr.6 JAPrO 1993 zu systematischen Friktionen führen. Denn zum einen wäre nicht recht verständlich, warum das Internationale Verfahrensrecht im allgemeinen nur als Wahlfach (vgl. § 5 Abs.4 Nr.17 JAPrO 1993), die VO 44/2001 dagegen als besonderer Teil dieses Rechtsgebiets als Pflichtfach Prüfungsstoff sein sollte. Zum zweiten sind gemäß § 5 Abs.3 Nr.11 JAPrO 1993 aus dem Europarecht die Rechtsquellen des europäischen Gemeinschaftsrechts, wozu die Verordnung als sog. Sekundärrecht gehört, ebenfalls nur „im Überblick“ Pflichtstoff; Einzelwissen hinsichtlich bestimmter EG-Sekundärrechtsakte wie der VO 44/2001 kann danach nicht verlangt werden. Dass der Verordnungsgeber durch § 5 Abs.3 Nr.6 JAPrO 1993 über diese Grenzen hinaus Europarecht zum Pflichtfachstoff machen wollte, erscheint der Kammer nicht nachvollziehbar. Letztlich bedarf diese Rechtsfrage jedoch keiner abschließenden Entscheidung.
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Denn jedenfalls wird die Aufgabenstellung von § 5 Abs.6 JAPrO 1993 getragen. Danach dürfen andere als die in den Absätzen 3 und 4 genannten Rechtsgebiete im Zusammenhang mit den Pflicht- und Wahlfächern zum Gegenstand der Prüfung gemacht werden, soweit lediglich Verständnis und Arbeitsmethode festgestellt werden sollen und Einzelwissen nicht vorausgesetzt wird. Die Wertungsbegriffe „Verständnis“ und „Einzelwissen“ stehen in einer Wechselbeziehung. Sie bringen zum Ausdruck, dass es dem durchschnittlich befähigten Prüfungsteilnehmer möglich sein muss, ohne gezielte Examensvorbereitung aufgrund der anerkannten Methoden der Rechtsfindung infolge von Transferleistungen der Kenntnis benannter Prüfungsgebiete den durchschnittlichen Prüfungsanforderungen gerecht zu werden; verlässt eine schriftliche Aufgabe in der juristischen Staatsprüfung den Pflichtstoffbereich, so muss die Prüfungsbehörde durch Lösungshilfen die Gewährleistung fairer Prüfungschancen sicherstellen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.12.1985 - 9 S 2823/85 -; Urt. v. 08.03.1989 - 9 S 3264/88 -, NVwZ-RR 1989, 482). Die Prüfungsbehörde hat die hierdurch gezogenen Grenzen ihres Ermessens bei der Auswahl des schriftlichen Prüfungsstoffes nicht überschritten. Sie hat durch Hinweis auf die „maßgebende EuGVO“ eine Lösungshilfe eingebaut. Die Lösung der Fallfrage war durch schlichte Anwendung der aufzufindenden Artt.5 und 24 der VO 44/2001 auf den vorgegebenen Sachverhalt möglich und erforderte kein spezifisches Einzelwissen. Der Antragsteller kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Sachverhaltteil „I.“, auf welchen sich die Aufgabe 1 a) der Aufsichtsarbeit Nr.3 im Zivilrecht bezieht, ausschließlich Internationales Zivilverfahrensrecht und deshalb mehr als den „Zusammenhang“ mit den Pflicht- und Wahlfächern zum Prüfungsgegenstand gehabt hätte. Denn der weit überwiegende Teil des Ausgangssachverhaltes unter „I.“ enthält für die materielle Rechtslage maßgebliche Informationen, welche - zusammen mit dem daran anknüpfenden Sachverhaltteil „II.“ - insbesondere zur Lösung der Aufgabe 2 vorgegeben sind.
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Ob die Erstprüferin bei ihrer Bewertung individuell den durch § 5 Abs.6 JAPrO 1993 gezogenen Rahmen überschritten hat, kann dahinstehen. Denn ein derartiger Verfahrensfehler bei der Bewertung der fehlerfrei ermittelten Prüfungsleistung kann einen Anspruch des Antragstellers auf (vorläufige) Wiederholung der Prüfungsleistung nicht begründen, wenn - wie dies hier der Fall ist - eine Neubewertung ohne weiteres möglich wäre (vgl. VG Dresden, Urt. v. 10.11.2004 - 5 K 1034/02 -; VG Meiningen, Beschl. v. 29.05.1997 - 8 E 530/97.Me -, Juris). Eine (vorläufige) Neubewertung der geschriebenen Aufsichtsarbeit Nr.3 im Zivilrecht ist indes nicht (mehr) Gegenstand dieses Verfahrens, nachdem der Antragsteller eine solche nicht (mehr) begehrt.
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2. Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass im Aufgabentext der Klausur die Gesetzesbezeichnung „EuGVO“ falsch wiedergegeben worden sei und es richtigerweise „EuGVVO“ hätte heißen müssen.
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Dem Antragsteller ist insoweit zwar einzuräumen, dass die Bezeichnung „EuGVO“ tatsächlich geeignet gewesen ist, die Prüfungsteilnehmer zu irritieren. Denn in den nach I. A. 1. d) der Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums - HilfsmittelVwV - vom 14. Juni 2004 (Die Justiz, S. 281) im schriftlichen Teil der Ersten juristischen Staatsprüfung für die Aufgaben aus dem Zivilrecht als Hilfsmittel zugelassenen „dtv-Beck-Texte Nr.5014, Europarecht“ und „Sartorius Bd. II - Internationale Verträge - Europarecht“ wird die VO 44/2001 als „EuGVVO“ bzw. gar nicht bezeichnet. Der Antragsgegner kann insoweit auch nicht auf die ebenfalls gebräuchliche Abkürzung „EuGVO“ verweisen, wie sie im Ergänzungsband zur Textsammlung „Schönfelder Deutsche Gesetze“ verwandt wird. Denn dieser ist kein zugelassenes Hilfsmittel in der Ersten juristischen Staatsprüfung, worauf nochmals ausdrücklich unter III. 1. der „Hinweise zur Ersten juristischen Staatsprüfung Frühjahr 2005 (II)“ hingewiesen wird.
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Allerdings ist diese Unklarheit vom Landesprüfungsamt ausgeräumt worden, nachdem einige Prüfungskandidaten wegen der Gesetzesbezeichnung bei der Aufsichtsperson nachgefragt hatten. Darüber hinaus ist der Antragsgegner seiner Verpflichtung zum Ausgleich der hierdurch entstandenen Irritationen nachgekommen, indem er eine Verlängerung der Bearbeitungszeit für diese Aufsichtsarbeit von fünfzehn Minuten gewährte (vgl. § 24 Abs.1 Satz 2 JAPrO 1993). Ob diese Kompensationsmaßnahme - wie der Antragsteller meint - nicht hinreichend gewesen ist oder - wie der Antragsgegner meint - eine mögliche Beeinträchtigung deutlich überkompensiert hat, kann dahin stehen. Denn der Antragsteller hat einen weitergehenden Ausgleich der Beeinträchtigung durch die nach seiner Auffassung unzureichende Schreibzeitverlängerung jedenfalls nicht innerhalb der Monatsfrist des § 24 Abs. 2 S. 3 JAPrO 1993 schriftlich beim Landesjustizprüfungsamt beantragt bzw. gerügt.
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Eine von Amts wegen verfügte Ausgleichsmaßnahme führt entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu einem generellen Ausschluss der Anwendbarkeit der Präklusionsregelungen des § 24 Abs. 2 S. 3 und 4 JAPrO 1993 (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 18.10.2002 - 10 K 4484/01 -). Hält ein Prüfungskandidat eine Ausgleichsmaßnahme für nicht ausreichend, so obliegt es ihm selbst, seine Bedenken gegenüber dem Prüfungsamt zum Ausdruck zu bringen. Insoweit trifft den Kandidaten eine Rügepflicht, da das Prüfungsamt nicht gehalten ist, die von ihm gewählte Ausgleichsmaßnahme selbst in Frage zu stellen. Es kann vielmehr davon ausgehen, dass der aufgetretene Verfahrensfehler durch die gewählte Ausgleichsmaßnahme behoben ist. Vertritt ein Prüfungskandidat eine andere Auffassung hierzu, so hat er diesen Einwand geltend zu machen. Die damit für den Kandidaten entstandene Rügepflicht unterliegt auch der Präklusionsregelung des § 24 Abs. 2 Satz 3 und 4 JAPrO 1993, denn es wäre ansonsten dem Prüfungskandidaten anheim gestellt, das Ergebnis der Beurteilung der Prüfungsleistung abzuwarten und davon abhängig zu machen, ob er die Rüge eines mangelnden Ausgleichs erhebt oder es bei der bewerteten Prüfungsleistung belässt. Diese Fallkonstellation unterscheidet sich nicht von derjenigen, die bei einem ausschließlich vom Kandidaten gerügten Mangel vorliegt. Auch hier soll die Präklusionsregelung gerade dazu dienen, dem Prüfungskandidaten die Möglichkeit zu nehmen, die Entscheidung über die Erhebung einer Verfahrensrüge vom Ergebnis der Beurteilung der Prüfungsleistung abhängig zu machen. Im vorliegenden Fall war es für die Antragsteller ohne weiteres möglich, über die Frage, ob nach seiner Auffassung die vom Prüfungsamt gewährte Schreibverlängerung von fünfzehn Minuten angesichts der aufgetretenen Störungen ausreichend war, innerhalb der Monatsfrist des § 24 Abs. 2 Satz 3 JAPrO 1993 zu klären und die Entscheidung darüber zu treffen, ob er mit einer entsprechenden Rüge das Risiko, seine Leistungen in einer Wiederholungsklausur erneut unter Beweis zu stellen, auf sich nehmen will. Dass der Antragsteller diese Rüge aber erst nach dem Vorliegen des - negativen - Ergebnisses der Klausur Nr. 3 erheben kann, verwehrt ihm die Ausschlussnorm des § 24 Abs. 2 Satz 4 JAPrO 1993.
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Es bedurfte entgegen der Auffassung des Antragstellers auch keiner ausdrücklichen Belehrung über seine Rügepflichten und die zulässige Ausschlussfrist zur Geltendmachung von Verfahrensfehlern in § 24 Abs.2 S.3 und 4 JAPrO 1993. Denn die in dem Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnden Mitwirkungsobliegenheiten des Prüflings (vgl. Nachweise unter 3.) sehen auch vor, sich rechtzeitig über die für das Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Vorschriften zu informieren (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.06.1994 - 6 C 37/92 -, BVerwGE 96, 126). Darüber hinaus hatte der Antragsteller bereits zum dritten Mal an der Ersten juristischen Staatsprüfung teilgenommen und daher bereits mehrfach Gelegenheit, von den maßgebenden gesetzlichen Regeln zumutbar Kenntnis zu nehmen. Dass die Prüfung nach den Bestimmungen der JAPrO 1993 durchgeführt wird, ist dem Antragsteller im übrigen nach seinem eigenen Vortrag durch Nr.1 der ihm übersandten „Hinweise zur Ersten juristischen Staatsprüfung Frühjahr 2005 (I)“ mitgeteilt worden. Es kann daher dahinstehen, ob dem Antragsteller in der in Rede stehenden Prüfungskampagne auch die „Hinweise zur Ersten juristischen Staatsprüfung Frühjahr 2005 (II)“, welche unter V.7. einen ausdrücklichen Hinweis auf die fragliche Präklusionsvorschrift enthalten, übersandt worden sind oder nicht.
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3. Mit dem Einwand, dass Unruhe wegen der vergessenen Gesetzestexte aufgetreten sei, ist Antragsteller ebenfalls gemäß § 24 Abs.2 Satz 3 und 4 JAPrO 1993 ausgeschlossen. Er kann sich auch nicht darauf berufen, die Prüfungsbehörde hätte (erneut) von Amts wegen eine Ausgleichsmaßnahme nach § 24 Abs.1 JAPrO 1993 treffen müssen.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist es zwar zunächst Aufgabe der Prüfungsbehörde, für eine ordnungsgemäße Durchführung der Prüfung zu sorgen. Allerdings muss der Prüfling das Seine dazu beitragen, dass die (zumindest auch) in seinem eigenen Interesse liegende Prüfung einen rechtsfehlerfreien Verlauf nimmt. Ihn trifft die Obliegenheit, einen Verfahrensmangel unverzüglich zu rügen, was zum einen dazu dient, der Prüfungsbehörde eine eigene, möglichst zeitnahe Überprüfung des gerügten Mangels mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Aufklärung und u. U. sogar einer noch rechtzeitigen Korrektur oder zumindest Kompensation zu ermöglichen. Zum anderen soll verhindert werden, dass der betroffene Prüfling, indem er in Kenntnis des Verfahrensmangels zunächst die Prüfung fortsetzt und das Prüfungsergebnis abwartet, sich eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance verschafft, was im Verhältnis zu den anderen Prüflingen den Grundsatz der Chancengleichheit verletzen würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.06.1994 - 6 C 37.92 -, NVwZ 1995, 492). Entzieht sich der Prüfling seiner Mitwirkungslast, so handelt er widersprüchlich und gegen den auch im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatz von Treu und Glauben mit der Folge, dass ihm eine spätere Berufung auf den Verfahrensfehler verwehrt ist. Seine Mitwirkungsobliegenheit endet allerdings an der Grenze der Zumutbarkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 - 7 C 67.82 -, BVerwGE 69, 46). Bei eine mehrstündigen Prüfung kann es danach einem Prüfling zwar nicht zugemutet werden, aus einer Beeinträchtigung des Prüfungsablaufs durch Lärmeinwirkungen schon während der Prüfung rechtliche Konsequenzen zu ziehen, z. B. seinen Rücktritt von der Prüfung zu erklären oder eine Wiederholung der Aufsichtsarbeit zu verlangen. Zumutbar ist aber eine Rüge, also ein Hinweis an den Aufsichtsführenden auf die Beeinträchtigung, der weder einen nennenswerten Zeitaufwand erfordert noch arbeitsunterbrechende und konzentrationsstörende Überlegungen voraussetzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.08.1990 - 7 C 9/90 -, BVerwGE 85, 323 m. w. N.).
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Hiervon ausgehend war es dem Antragsteller ohne weiteres zumutbar, die aufgetretene Unruhe zu beanstanden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass zuvor wegen der unklaren Gesetzesbezeichnung eine fünfzehnminütige Schreibverlängerung gewährt worden war. Die Prüflinge mussten nämlich bemerken, dass auf die neuerliche Störung keine Reaktion der Prüfungsbehörde erfolgte. Ihre etwaige Erwartung, im Hinblick auf die früher gerügte und mit einer Schreibverlängerung beantwortete Störung werde die Prüfungsbehörde von Amts wegen eine weitere Schreibverlängerung oder eine andere Ausgleichsmaßnahme gewähren, erwies sich damit als erkennbar falsch. Nunmehr wäre von demjenigen, der die Störung als erheblich empfunden hatte, eine Rüge zu erwarten gewesen. Die fehlende Reaktion der Prüfungsbehörde ohne Gegenvorstellung hinzunehmen und nach der Prüfung deren Fehlerhaftigkeit geltend zu machen, wäre widersprüchlich und verstieße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, aus dem sich die Mitwirkungsobliegenheit der Prüflinge ableitet.
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Dem kann vom Antragsteller auch nicht entgegengehalten werden, er sei während der aufgetretenen Unruhe von der Aufsichtsperson „gehindert“ worden, seine Rüge anzubringen. Denn zum einen hätte es dem Antragsteller oblegen, wenn - wie er vorträgt - die Aufsichtsperson seine Wortmeldung mutmaßlich in der Annahme, er melde sich zum Bücherkauf, unterbunden habe, umgehend klarzustellen, dass er tatsächlich eine Störung habe rügen wollen. Zum anderen hätte er jedenfalls unverzüglich nach Beendigung der Aufsichtsarbeit seine Rüge der Prüfungsbehörde schriftlich zur Kenntnis bringen können und müssen, wie dies nach unwidersprochener Darstellung des Landesjustizprüfungsamtes eine Reihe von Kandidaten getan haben. Jedenfalls innerhalb der Monatsfrist des § 24 Abs. 2 Satz 3 JAPrO 1993 hätte er klären und die Entscheidung darüber treffen können und müssen, ob er rechtliche Konsequenzen aus der empfundenen Störung ziehen, also die Prüfung gelten lassen will oder nicht. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2. verwiesen.
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4. Der Antragsteller kann schließlich nicht geltend machen, das Prüfungsamt habe mögliche Ausgleichsmaßnahmen vermengt und deshalb gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstoßen.
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Eine derartige Vermengung hat vorliegend nicht stattgefunden und ist - anders als der Antragsteller meint - auch vom Landesjustizprüfungsamt niemals vorgetragen worden. Die gewährte fünfzehnminütige Schreibverlängerung diente, wie auch der Vermerk im Prüfungsprotokoll bestätigt, lediglich dem Ausgleich der unklaren Gesetzesbezeichnung im Aufgabentext und der daraus resultierenden Irritationen. Sofern unabhängig davon einigen Kandidaten angeboten worden ist, die Prüfung zu wiederholen, geschah dies zum einen auf deren ausdrückliche und schriftliche Rüge der Unruhe wegen der vergessenen Gesetzestexte. Zum anderen mussten diejenigen Kandidaten, die sich für eine Wiederholung der Aufsichtsarbeit entschieden haben, die geschriebene Arbeit in Unkenntnis von deren Ergebnis annullieren lassen, so dass sie von dem gewährten Schreibausgleich nicht mehr profitierten. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit ist hierin nicht zu erblicken. Im Gegenteil stellte es im Hinblick auf die genannte Rechtsprechung zur Mitwirkungsobliegenheit des Prüflings und die diese nachvollziehende Regelung des § 24 Abs.2 JAPrO 1993 einen solchen Verstoß dar, wenn dem Antragsteller nunmehr in Kenntnis des erzielten Prüfungsergebnisses eine weitere Prüfungschance gewährt werden würde, obgleich er - wie ausgeführt - seiner Mitwirkungslast nicht nachgekommen ist.
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Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs.1 GKG i.V.m. Nrn. 36.1 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 7./8. Juli 2004 in Leipzig beschlossenen Änderungen.
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