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Mit dem Einverständnis der Beteiligten macht das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die Anfechtungsklage ist zulässig. Insbesondere bedarf es keines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 11 LHGebG). Sie ist jedoch nicht begründet.
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Der Studiengebührenbescheid der beklagten Universität vom 24.11.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Bestimmungen des Landeshochschulgebührengesetzes (vom 01.01.2005, GBl. Seite 1, geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 19.12.2005, GBl. Seite 794, 2006, Seite 15), nach denen die Hochschulen und Berufsakademien von den Studierenden eine Studiengebühr für jedes Semester von derzeit 500,00 EUR verlangen, verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.
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Das Gericht schließt sich den Begründungen der Entscheidungen des VG Freiburg (Urteil vom 20.06.2007 - 1 K 2274/06 -, , nicht rechtskräftig) und des VG Karlsruhe (Urteil vom 11.07.2007 - 7 K 444/07 -, , nicht rechtskräftig) an und nimmt zu den in diesem Verfahren aufgeworfenen einzelnen Fragestellungen darüber hinaus folgendermaßen Stellung:
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Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Erhebung von Studiengebühren nicht gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG. Danach haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Diese Gewährleistung umfasst für sich genommen nicht den Anspruch auf ein kostenloses Studium, der durch die Regelungen des Landeshochschulgebührengesetzes verkürzt sein könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2001 - 6 C 8-11/00, BVerwGE 115, 32, 36, NVwZ 2002, 206). Die gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung einer allgemeinen Studiengebühr nach § 3 Satz 1 LHGebG verletzt Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG auch nicht in der Funktion dieses Grundrechts als Teilhaberecht. Dieses Teilhaberecht und damit auch die Freiheit der Wahl der Ausbildungsstätte steht, wie das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die Schaffung von Studienplätzen ausgeführt hat, unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft verlangen kann. Dies hat in erster Linie der Gesetzgeber in eigener Verantwortung zu beurteilen, der bei seiner Haushaltswirtschaft auch andere Gemeinschaftsbelange zu berücksichtigen hat (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 18.07.1972 - 1 BvL 32/70 und 25/71 -, BVerfGE 33, 303, 333). Zwar stellt die Studiengebührenpflicht einen Eingriff in die über Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Wahlfreiheit für ein Hochschulstudium dar, der als subjektive Zulassungsschranke zu sehen ist. Dieser Eingriff ist aber gerechtfertigt, weil die Zweckrichtung der Studiengebührenpflicht dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter wie der Sicherung der Leistungsfähigkeit und der Effizienz der Lehre an staatlichen Hochschulen dient. Nach der Gesetzesbegründung (vgl. Landtagsdrucksache 13/4858 vom 22.11.2005, Seiten 1 und 16) soll Ziel des Landeshochschulgebührengesetzes sein, zusätzliche Einnahmen für die Lehre und die Verbesserung der Studienbedingungen zu erzielen und dadurch den Stellenwert und die Qualität der Lehre zu steigern. Die Lehre erhalte mit dem Zufluss durch die Studiengebühren einen anderen Stellenwert, da sich die Mittel aus den Studiengebühren unmittelbar auf die Finanzausstattung der Hochschule auswirkten. Zugleich werde das Studierverhalten beeinflusst und ein zielgerichteteres Studium mit kürzeren Studienzeiten angestrebt. Die Erhebung von Studiengebühren erscheint zu dieser beschriebenen Zweckerreichung geeignet. Unter dem Aspekt, dass die Nutzer einer öffentlichen Einrichtung grundsätzlich auch an deren Kosten zu beteiligen sind, ist die Erhebung der Studiengebühren auch verhältnismäßig. Die damit den Studierenden erwachsenden - insbesondere finanziellen - Nachteile stehen gegenüber der mit der Erhebung verfolgten Zwecken nicht außer Verhältnis. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Gebühr von 500,00 EUR je Semester erheblich unter den realen Kosten liegt, die das kostengünstigste Studium an einer staatlichen Hochschule während eines Semesters verursacht (vgl. hinsichtlich der Langzeitstudiengebühren: BVerwG, Urteil vom 25.07.2001 - 6 C 8.00 -, BVerwGE 115, 32, VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.04.2000 - 2 S 1860/99 -, VBlBW 2000, 432; zur allgemeinen Studiengebühr: VG Freiburg, Urteil vom 20.06.2007 - 1 K 2274/06 - < juris, Rdnr. 82 ff., 92>).
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Die Erhebung von Studiengebühren verstößt auch nicht gegen das aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG sowie dem Sozialstaatsprinzip abzuleitende verfassungsrechtliche Gebot, allen Studierwilligen im Rahmen ihrer Befähigungen und der vorhandenen Kapazitäten ohne Differenzierung nach Vermögens- und Einkommensverhältnissen ein Studium zu ermöglichen. Nach dem Landeshochschulgebührengesetz besteht die Möglichkeit, die Studiengebühren über ein Darlehen der L-Bank zu finanzieren. Unter bestimmten Voraussetzungen haben Studienbewerber und Studierende nach § 7 LHGebG einen Darlehensanspruch. Diese flankierende Maßnahme zur Sozialverträglichkeit der Studiengebühren eröffnet grundsätzlich einen diskriminierungsfreien Zugang zum Hochschulstudium. Die Darlehensgewährung erfolgt nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 3 LHGebG ohne Bonitätsprüfung und ohne das Erfordernis einer Sicherheit des Darlehensnehmers für einen Kredit. Damit wird grundsätzlich jeder Studienbewerber oder Studierende in die Lage versetzt, ohne Rücksicht auf seine aktuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder sein Vermögen ein Hochschulstudium zu absolvieren. Zur weiteren Abfederung sozialer Härten sind für Sondersituationen im Landeshochschulgebührengesetz Befreiungstatbestände verankert (§ 6 Abs. 1 und 2 LHGebG). Darüber hinaus gibt es in § 6 Abs. 3 und 4 LHGebG die Möglichkeit, die Studiengebühr zu stunden oder zu erlassen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass es für den diskriminierungsfreien Hochschulzugang als solchen nicht entscheidend darauf ankommt, dass bei der Finanzierung der Studiengebühr über ein Darlehen später dann auch eine Rückzahlungsverpflichtung entsteht. Denn diese entsteht nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 6 LHGebG erst zwei Jahre nach Ablauf der Darlehensberechtigung und somit zu einem Zeitpunkt, zu dem der Gesetzgeber grundsätzlich davon ausgehen konnte, dass der Darlehensnehmer ein Hochschulstudium abgeschlossen hat oder jedenfalls in zumutbarer Weise abschließen konnte (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 20.06.2006 - 1 K 2274/06 -,< juris, Rdnr. 60>).
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Im Hinblick auf die Sozialverträglichkeit der Studiengebühr stellt sich im Zusammenhang mit dem Darlehensmodell allerdings die Frage des Bestehens oder Fehlens eines Abschreckungseffekts.
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Für den durchschnittlichen Studienbewerber oder Studierenden ohne eigene finanzielle Mittel ist prognostisch zu erwarten, dass dieser sich von der Finanzierungsnotwendigkeit der Studiengebühr über ein Studiendarlehen nicht vom Hochschulstudium abhalten lässt. Denn diese Personen können sich bereits bei Beginn ihres Studiums darüber Kenntnis verschaffen, wie groß die Darlehenslast einschließlich der angefallenen Zinsen nach Studienabschluss sein wird. Sie können auch die Rückzahlungslast und deren Dauer unter Zugrundelegung der Darlehensbedingungen (vgl. § 9 Abs. 2 LHGebG, insbesondere dort Nr. 5) konkret einschätzen. Diese Belastung kann in der Regel in der nach dem Studium beginnenden beruflichen Tätigkeit in angemessener Zeit abgetragen werden und erscheint auch gegenüber dem mit einem Studium zu erzielenden akademischen Berufsabschluss nicht außer Verhältnis zu stehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der durchschnittliche Studienbewerber oder Studierende kein überaus ängstliches oder übervorsichtiges Naturell besitzt sowie willens und in der Lage ist, sich über die Darlehensbedingungen zur Finanzierung der Studiengebühr zu informieren und auch etwaige Finanzierungsalternativen ins Kalkül einzubeziehen. Auch ist von einer abschreckenden Wirkung im Zeitpunkt der Studienaufnahme im Hinblick auf die bei Beendigung des Studiums drohende Darlehenslast deshalb nicht auszugehen, weil die Kappungsregelung des § 9 Abs. 4 und 6 LHGebG zusammen mit einem unverzinslichen Staatsdarlehen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG die Höchstgrenze der Zahlungspflicht von 15.000,00 EUR nicht übersteigt und entsprechend einer Erklärung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst diese Regelung so anzuwenden ist, dass die nach § 9 Abs. 4 LHGebG zu berechnende Gesamtschuld diesen Höchstbetrag auch nicht insoweit übersteigt, als während der Tilgungszeit weiterhin Zinsen auflaufen. Für den Empfänger einer Vollförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz wirkt sich damit seine eigentliche Schuld aus der Erhebung von Studiengebühren mit einem Maximalbetrag, der auf 5.000,00 EUR begrenzt ist, aus. Dies bedeutet, dass ein Darlehen für ein 10-semestriges Studium neben einer Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz faktisch zinslos zu erhalten ist (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 20.06.2007 - 1 K 2274/06 - ).
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Derzeit nicht abschätzbar erscheinen aber mögliche Abschreckungseffekte, ein Hochschulstudium trotz Erhebung einer Studiengebühr zu beginnen, wenn der Betreffende zur Vorfinanzierung der Studiengebühr nicht in der Lage wäre und sich deshalb etwa beim Vorliegen einer durchschnittlichen oder auch unterdurchschnittlichen Abitursnote eine alternative Berufsausbildung außerhalb der Hochschule verstärkt aufdrängt. Denn bei einer Wirtschaftlichkeitsrechnung, in welche vernünftigerweise auch die Möglichkeit eines Scheitern des Studiums einzubeziehen wäre, erhöhen sich die finanziellen Risiken einer Studienaufnahme signifikant. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich dann der eine oder andere finanzschwache Studierwillige von der Aufnahme eines Studiums abhalten lässt. Dieser Lenkungseffekt ist jedoch mit den Zwecken des Landeshochschulgebührengesetzes, zu einem zielstrebigen, straffen und leistungsorientierten Studium anzureizen, um eine effizientere Nutzung der Hochschulen zu erreichen, vereinbar. Im Allgemeinen ist, abgesehen etwa von einer ganz einseitigen Hochbegabung, davon auszugehen, dass die Gefahr des Scheiterns bei einem Hochschulstudium um so größer ist, je schlechter die Abiturnote ausfällt. Unter diesem Aspekt obliegt es jedem einzelnen, für sich zu prüfen, ob die Aufnahme eines Hochschulstudiums für ihn sinnvoll erscheint und er die mehr oder wenig vorhandene Gefahr eines Scheiterns auf sich nimmt. Der Frage der Finanzierung des Studiums und damit zugleich der Finanzierung der Studiengebühr kommt an dieser Stelle eher untergeordnete Bedeutung zu. Allerdings erscheint es wegen der derzeit unzureichenden Prognosegrundlagen angebracht, dass der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund die soziale Herkunft der Studierenden im Auge behält, die gesetzlichen Regelungen zeitnah überprüft und notfalls revidiert, wenn trotz der im Hinblick auf die Sozialverträglichkeit der Studiengebühr angebotenen Finanzierungserleichterungen (Darlehen mit Kappungsgrenze, Stundung, Erlass, Niederschlagung) ein Abschreckungseffekt durch die Erhebung der Studiengebühr von signifikanter Bedeutung zu verzeichnen ist. Zur Beobachtung der Entwicklung hat das Wissenschaftsministerium einen unabhängigen Monitoring-Beirat eingerichtet, der unter anderem feststellen soll, ob sich die Zahl der Studierenden, Studienbewerber oder Studienanfänger wegen der Studiengebühren verändert, ob sich das Studierverhalten wandelt, ob es einen Trend zu bestimmten Hochschularten gibt oder eine Veränderung in der sozialen Zusammensetzung der Studierenden oder eine Veränderung der Ströme der Studierenden hin zu gebührenfreien Bundesländern (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 11.07.2007 - 7 K 444/07 - ).
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Ohne Erfolg wendet die Klägerin gegen das Landeshochschulgebührengesetz ein, es verstoße gegen Art. 6 Abs. 4 GG, wonach jede Mutter einen Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft hat. Mit diesem Schutzgebot soll der Mutter mit den belastenden Auswirkungen der biologischen Mutterschaft besondere Fürsorge zukommen. Dies gilt grundsätzlich auch schon mit Beginn der Schwangerschaft (Jarass/Pieroth, GG, 8. Auflage 2006, Art. 6 Rdnr. 45; Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Auflage, Art. 6 Abs. 4 Rdnr. 292). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 LHGebG sind von der Gebührenpflicht solche Studierende befreit, die ein Kind pflegen und erziehen, das zu Beginn des jeweiligen Semesters das 8. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Eine Schwangerschaft ist in dieser Befreiungsregelung nicht berücksichtigt worden. Abgesehen davon, dass die Klägerin selbst für sich nicht geltend macht, schwanger und daher in eigenen Rechten betroffen zu sein, ist - worauf auch die Beklagte hinweist - von ihr nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, dass und inwiefern eine Schwangerschaft ein Hochschulstudium wesentlich belastet, so dass zum Schutz von schwangeren Studierenden eine Sonderregelung im Hinblick auf die Studiengebühren erforderlich würde. Für Sonderfälle bietet sich die Möglichkeit der Beurlaubung nach § 61 Abs. 1 LHG auf Antrag aus wichtigem Grund. Dabei ist auch die Schutzfrist des § 3 Abs. 2 Mutterschutzgesetz von Belang, wonach werdende Mütter in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung ohne ihre ausdrückliche Zustimmung nicht beschäftigt werden dürfen. Die fehlende Berücksichtigung von schwangeren Studierenden im Landeshochschulgebührengesetz ist daher nicht geeignet, dieses zu Fall zu bringen.
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Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auch darauf, dass die Regelungen in § 6 Abs. 1 Satz 3 LHGebG über Hochbegabte bzw. herausragende Studienleistungen nicht konkret genug gefasst seien. Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 LHGebG können Studierende, die eine weit überdurchschnittliche Begabung aufweisen oder im Studium herausragende Leistungen erbringen, von der Studiengebühr befreit werden. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf (Landtagsdrucksache 13/4858 vom 22.11.2005, Seite 23) ermöglicht diese Vorschrift den Hochschulen und Berufsakademien, sowohl weit überdurchschnittlich begabte Studierende als auch Studierende, die während ihres Studiums herausragende Leistungen erbringen, von der Studiengebühr zu befreien. Die erste Alternative zielt nach der Gesetzesbegründung vor allem auf die Förderung von Studienanfängern, die an den Hochschulen oder Berufsakademien noch keine Prüfungen abgelegt und ihre hohe Begabung durch herausragende schulische Leistungen oder ein hervorragendes Abschneiden in einem Auswahl- oder Eignungsfeststellungsverfahren oder einer Hochschuleingangsprüfung unter Beweis gestellt haben. Auch zu diesem Punkt hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt, dass sie selbst in den Kreis der Begünstigten gehören würde und daher in ihren Rechten betroffen wäre. Die Regelung eröffnet darüber hinaus den Hochschulen und den Berufsakademien ein Regelungsermessen mit ausreichenden Parametern. Der Gesetzgeber hat damit vor dem Hintergrund der „Wesentlichkeitstheorie“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 14.07.1998 - 1 BvR 1640/97 -, BVerfGE 98, 218, 251, NJW 1998, 2515, 2520) die Befreiungsmöglichkeit für Hochbegabte oder besonders leistungsfähige Studierende grundsätzlich und in ausreichendem Umfang durch auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe wie „weit überdurchschnittliche Begabung“ oder „im Studium herausragende Leistungen“ geregelt. Es erscheint unbedenklich, wenn die nähere Konkretisierung durch die Hochschulverwaltung im Gesetzesvollzug erfolgt.
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Ohne Erfolg rügt die Klägerin auch eine unverhältnismäßige Altersdiskriminierung für die Darlehensgewährung in § 7 Abs. 3 LHGebG durch die Altersgrenze von 40 Jahren bei Aufnahme des Erststudiums. Auch von dieser Regelung ist die 1983 geborene Klägerin selbst nicht betroffen. Diese Altersgrenze ist ihrer Wirkung nach mit einer Stichtagsregelung vergleichbar. Eine solche Regelung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig, obwohl jede Stichtagsregelung unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist dabei, dass die Einführung einer derartigen Stichtagsregelung überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts sachlich vertretbar sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.02.2007 - 1 BvL 10/00 -, NJW 2007, 1577, bei juris: Rdnr. 73 f.). Diese Voraussetzungen sind aber im vorliegenden Fall erfüllt. Insbesondere hat der Gesetzgeber mit dieser Altersgrenze seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Nach der Begründung des Gesetzentwurfes (Landtagsdrucksache 13/4858 vom 22.11.2005, Seiten 25 und 63) wird das durch den Studienfonds gesicherte Darlehen Studienbewerbern, die bei Beginn ihres ersten Studiums das 40. Lebensjahr vollendet haben, nicht gewährt. Es sei davon auszugehen, dass diese Studienbewerber bereits eine Berufsausbildung durchlaufen haben und finanziell in der Lage sind, die Studiengebühren ohne Inanspruchnahme eines Darlehens aufzubringen. Darüber hinaus sei das Interesse an einem Studium bei einer umfangreichen Ausbildungsbiografie in der Regel weniger schützenswert. Die Folgen der Altersgrenze für Studierende auf dem Zweiten Bildungsweg wurden vom Gesetzgeber ausreichend berücksichtigt. Auf die Kritik mehrerer Verbände und verschiedener Universitäten wurde die Altersgrenze von zunächst vorgesehenen 35 Jahren auf 40 Jahre angehoben. Der Gesetzgeber ist bei der Festlegung der Altergrenze von sachgerechten Erwägungen ausgegangen. Bei Studienbewerbern, die bei Beginn des Erststudiums ihr 40. Lebensjahr bereits vollendet haben, ist in aller Regel von einer höheren finanziellen Leistungsfähigkeit auszugehen. Denn ein 40-jähriger Studienanfänger hat typischerweise eine Berufsausbildung abgeschlossen und mehrere Jahre in dem gewählten Beruf gearbeitet. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber das Interesse an einem Studium bei einer umfangreichen Ausbildungsbiografie für weniger schützenswert hält. Der Gesetzgeber war nicht genötigt, auf mögliche einzelne Härtefälle, die diesem Bild nicht entsprechen, durch Sonderregelungen einzugehen. Denn diese können etwa durch die Stundung der Studiengebühr nach § 6 Abs. 3 LHGebG i.V.m. § 21 LGebG abgefedert werden.
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Auch die Einwendungen der Klägerin gegen die Einrichtung eines Studienfonds tragen im Ergebnis nicht. Der Studienfonds hat die Aufgabe, den Ausfall bei der Rückzahlung von Darlehen für Studiengebühren zu decken und die dafür an ihn abgetretenen Rückzahlungsansprüche zu verwalten und beizutreiben (§ 9 Abs. 1 Satz 2 LHGebG). Zur Erfüllung seiner Aufgaben erhebt der Studienfonds Umlagen bei den staatlichen Hochschulen und Berufsakademien (§ 9 Abs. 8 Satz 1 LHGebG). Damit soll auch der Ausfall der Rückzahlung von Darlehen finanziert werden. Mit ihren Studiengebühren haften die Studierenden aber auch nicht mittelbar für das umlagefinanzierte Ausfallrisiko. Die Zuführung an den Studienfonds haben die einzelnen Hochschulen und Berufsakademien aus den ihnen aus dem Staatshaushalt (Einzelplan 14) zugewiesenen Einnahmen so durchzuführen, dass Einnahmen aus Studiengebühren nicht hierfür verwendet werden (vgl. die jeweilige Erläuterung bei der Titelgruppe, etwa im Kap. 1415 für die Universität Tübingen, Titel 91601 im Staatshaushaltsplan für 2007/2008). Die Höhe der Zuführungsrate richtet sich nach den Beschlüssen des Verwaltungsrats des Studienfonds (vgl. § 9 Abs. 6 LHGebG). Es obliegt der Haushaltsgesetzgebung, ob die Umlagefinanzierung durch zusätzliche Haushaltsmittel für die Hochschulen oder durch eine Kürzung anderer Haushaltsmittel für die Hochschulen ermöglicht wird. Diese Entscheidung obliegt dem Landesgesetzgeber im Rahmen seiner ihm zustehenden Budgethoheit. Die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung und auch die Rechtmäßigkeit der Verwendung des Gebührenaufkommens wird daher durch die Einrichtung des Studienfonds nicht tangiert.
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Die Regelungen des Landeshochschulgebührengesetzes führen für Studierende, die sich beim Inkrafttreten des Landeshochschulgebührengesetzes bereits im Studium befanden, auch nicht zu einer unzulässigen unechten Rückwirkung. Eine unechte Rückwirkung liegt - wie hier - vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet. Eine unechte Rückwirkung ist jedoch verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder nicht erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG, Urteil vom 23.11.1999 - 1 BvF 1/94 -, BVerfGE 101, 239, 236). Der hier in Rede stehende Vertrauensschutz hat vor dem Hintergrund, dass es - wie bereits oben erwähnt - keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf ein kostenfreies Studium gibt, gegenüber dem berechtigten Interesse einer besseren Hochschulfinanzierung und der Verhaltenslenkung der Studierenden kein entscheidendes Gewicht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landeshochschulgebührengesetzes bereits immatrikulierten Studierenden nicht von der Hochschulgebührenpflicht „überrumpelt“ wurden. Vom Landtagsbeschluss am 15.12.2005 und der nachfolgenden Verkündung des Gesetzes bis zum Beginn der Studiengebührenpflicht im Sommersemester 2007 liegt, wie die Beklagte zu Recht ausführt, eine Zeit von etwa 1 1/4 Jahren, in der sich die Studierenden in ausreichendem Maße auf die neue Situation einstellen konnten. Damit besteht kein Übergewicht der Bestandsinteressen der Betroffenen gegenüber den Veränderungsgründen des Gesetzgebers.
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Schließlich verstößt die Erhebung einer Studiengebühr auch nicht gegen Art. 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2c des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.1966 (Sozialpakt), der am 17.12.1973 ratifiziert wurde (BGBl. II 1973, S. 1569). Danach erkennen die Vertragsstaaten das Recht eines jeden auf Bildung an. Sie erkennen weiter an, dass im Hinblick auf die volle Verwirklichung dieses Rechts der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss. Diese Verpflichtungen stellen nach überwiegender Auffassung keinen unverbindlichen Programmsatz dar, sondern sind als subjektive Rechte anzuerkennen und als wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte justiziabel (vgl. das dem Gericht und den Beteiligten bekannte Gutachten von Prof. Riedel „Zur Völkerrechtswidrigkeit von Studiengebühren“ vom 28.06.2005, dort Seite 32 f. sowie BVerfG, Urteil vom 26.01.2005 - 2 BvF 1/03 -, BVerfGE 112, 226, 245 und BVerwG, Urteil vom 25.07.2001 - 6 C 8.00 -, NVwZ 2002, 206, 210). Das Gericht kommt zum Ergebnis, dass die in Art. 13 Abs. 2 c) Sozialpakt enthaltene Verpflichtung, den „Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich“ zu machen, nicht auf die zwingende Unentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts abzielt, sondern allein die Sicherung des diskriminierungsfreien gleichen Zugangs zur Hochschulbildung für jedermann ohne Rücksicht auf seine finanziellen Möglichkeiten bezweckt (ebenso VG Freiburg, Urteil vom 20.06.2007 - 1 K 2274/06 -, ). Die Einführung oder Aufrechterhaltung der Unentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts ist danach nicht zwingend gefordert. Allerdings ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 Sozialpakt die Verpflichtung der Vertragsstaaten, nach und nach mit allen geeigneten Mitteln die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen. Es spricht jedoch viel dafür, dass die Auslegung des Wortes „insbesondere“ in Art. 13 Abs. 2 c) Sozialpakt nicht die Bedeutung von „vor allem“ oder auch „besonders“ im Sinne von „unabdingbar“ hat, sondern lediglich einen möglichen Weg neben möglichen anderen Wegen anführt im dem Sinne von „zum Beispiel“ (vgl. differenzierend das erwähnte Gutachten von Prof. Riedel, Seite 15 f.). Auch die systematische Auslegung spricht gegen die zwingende Einführung der Unentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts. Denn während Art. 13 Abs. 2 a) Sozialpakt die Unentgeltlichkeit für den Grundschulunterricht zwingend und ohne jeden Zusatz fordert, bezeichnet Art. 13 Abs. 2 c) Sozialpakt die Einführung der Unentgeltlichkeit nur als ein besonders geeignetes Mittel, den diskriminierungsfreien und gleichen Zugang für jedermann zum Hochschulunterricht zu ermöglichen. Über das von der L-Bank angebotene Darlehensmodell wird der diskriminierungsfreie Hochschulzugang in (noch) ausreichender Weise gewährleistet. Ein Studienbewerber oder Studierender kann nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 3 LHGebG ohne jede Bonitätsprüfung und ohne dass Sicherheiten verlangt werden dürfen einen Studienkredit zur Finanzierung der Studiengebühren erhalten. Die Rückzahlungsverpflichtung entsteht erst zwei Jahre nach Ablauf der Darlehensberechtigung mit monatlichen Raten zwischen 50,00 EUR und 150,00 EUR (§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 5 und 6 LHGebG). Das Darlehensmodell, für das gegenwärtig bei der L-Bank eine Zinsobergrenze von 5,5 % p.a. gilt (vgl. den Internetauftritt der L-Bank: www.L-Bank.de/Studienfinanzierung), erscheint aber vor allem im Hinblick auf die Kappungsgrenze in § 9 Abs. 4 LHGebG beim Zusammentreffen eines unverzinslichen Staatsdarlehen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG und eines Darlehens für Studiengebühren mit einer Höchstgrenze der Zahlungspflicht von 15.000,00 EUR grenzwertig ausgereizt. Zwar ist in der Regel davon auszugehen, dass jemand nach einem Hochschulexamen eine größere Chance auf ein höheres Einkommen hat als zuvor. Jedoch ist es nicht so, dass alle angebotenen Studiengänge prognostisch zu einem höheren Einkommen als ohne dieses Studium führen. Es besteht daher seitens des Gerichts die Besorgnis, dass die mit Einführung der Studiengebühr entfallene Unentgeltlichkeit eines Hochschulstudiums die Wahl des Studienganges wesentlich beeinflusst und aus gesellschaftlicher Sicht eher abseitige und kein höheres Einkommen versprechende Studiengänge auszutrocknen drohen. Für derartige Studiengänge, zu denen wohl auch diejenigen der Klägerin, die Politikwissenschaft und Rhetorik studiert, zu zählen sein wird, erscheint die Kappungsgrenze relativ hoch.
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Beim Sozialpakt handelt es sich um gültiges Bundesrecht. Der Sozialpakt ist für die Bundesrepublik Deutschland durch Bundesgesetz vom 23.11.1973 mit Wirkung zum 03.01.1976 als Bundesrecht in Kraft getreten. Durch die Zustimmung des Bundesgesetzgebers nach Art. 59 Abs. 2 GG wurde der Sozialpakt im Rahmen von einfachem Gesetzesrecht Bestandteil der deutschen Rechtsordnung. Die Rechtsfolge bei einem Verstoß gegen den Sozialpakt ergibt sich aus Art. 31 GG, wonach Bundesrecht Landesrecht bricht (vgl. Gutachten von Prof. Riedel, Seite 32). Das Gericht geht jedoch nach den obigen Ausführungen trotz weiterhin bestehender und von Beklagtenseite nicht ausgeräumter Zweifel im Hinblick auf die Sozialverträglichkeit letztlich davon aus, dass der Sozialpakt als Bundesrecht die Einführung von Studiengebühren nicht kategorisch verbietet und daher kein Widerspruch zum Landeshochschulgebührengesetz besteht, aufgrund dessen Studiengebühren erhoben werden. Vor diesem Hintergrund sieht das Gericht im Hinblick auf die Vereinbarkeit des Landeshochschulgebührengesetzes mit Art. 31 GG eine Vorlagepflicht an das Bundesverfassungsgericht nicht gegeben.
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Die Klage hat daher insgesamt keinen Erfolg. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es besteht kein Anlass, die Entscheidung hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Klärung der Rechtsfrage, ob die Erhebung von allgemeinen Studiengebühren gegen höherrangiges Recht, darunter auch Art. 31 GG, verstößt, ist von grundsätzlicher Bedeutung.
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