Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 01. Feb. 2016 - 9 B 37/15
Gericht
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Der Streitwert wird auf 1.059,53 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Der Antragsteller wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Ausbaubeitrag in Höhe von insgesamt 4.238,10 € für die Erneuerung der Straße Beim R... in der Stadt P....
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Der Antragsteller ist Alleineigentümer des Buchgrundstückes Flurstücke X und X, Flur X, Gemarkung A-Stadt (Grundbuchblatt X, lfd. Nr. X) mit einer Gesamtgröße von 421 m2 und des Buchgrundstückes Flurstück X, Flur X, Gemarkung A-Stadt (Grundbuchblatt X, lfd. Nr. X) mit einer Gesamtgröße von 695 m2. Die unbebauten Flurstücke X und X liegen unmittelbar an der Straße Beim R... an. Das dahinter liegende Flurstück X ist mit zwei Wohnhäusern bebaut mit den postalischen Anschriften A-Straße und O... X. Ersteres ist über eine Zufahrt über die Flurstücke X und X, letzteres über die Straße O... erreichbar. Diese Grundstücke - wie alle anderen nördlich an die Straße Beim R... angrenzenden Grundstücke - liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplangebiets Nr. 96 „O...-Nebenweg“. Das Gebiet ist als allgemeines Wohngebiet mit eingeschossiger Bebauung festgesetzt. Alle Grundstücke auf der Südseite der Straße Beim R... zählen zum unbeplanten Innenbereich.
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Die Antragsgegnerin bestimmte durch Ausweisung einer Haushaltsstelle im 1. Nachtragshaushaltsplan 2010 die Auszahlung aus Tiefbaumaßnahmen - Beim R... - in Höhe von 145.000,00 € und führte zur Begründung an: „Durch Witterungseinflüsse sind starke Schäden bis zum Unterbau der Fahrbahn festzustellen. Deshalb wurde die Erneuerung des Fahrbahnbelages seit dem Jahr 2002 angemeldet. Eine Erneuerung des Fahrbahnbelages ist inzwischen nicht mehr ausreichend. Inzwischen sind die Schäden so groß, dass ein Vollausbau der Straße erfolgen muss. (Einzahlungen durch die Veranlagung der Grundstückseigentümer zu Straßenausbaubeiträgen). Für die Maßnahme wurde eine Zuweisung aus dem KIF-Sonderprogramm zur Beseitigung witterungsbedingter Straßenschäden beantragt. Die Zuweisung wird je nach Zusage über den 2. Nachtrag 2010 oder erst 2011 veranschlagt.“
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Zudem fand eine Ausschreibung der Maßnahme statt. In der Baubeschreibung vom 22.09.2010 als Bestandteil des Leistungsverzeichnisses für die Ausschreibung heißt es, dass der Asphalt erhebliche Winterschäden aufweise. Die Straße sei ca. 300 m lang und werde von Grund auf erneuert. Im mittleren Bereich der Straße sei bereits im Jahr 2003/2004 die Fahrbahn auf einer Länge von ca. 50 m erneuert worden. Zur Bauausführung wurde angeführt, dass für den Straßenbau ein frostsicherer Aufbau gemäß Bauklasse IV mit einer Gesamtstärke von 65 cm vorgesehen sei. Die einzelnen Schichtendicken wurden näher dargestellt. Die Fahrbahnbreite bleibe wie vorhanden in einer Breite von ca. 6 m erhalten. Beidseitig sei zur Entwässerung ein einreihiger Wasserlauf zu setzen. Die Hochbordanlage werde nur partiell ausgebessert. Die Gehwege würden nicht erneuert. Der Einmündungsbereich zur E...er Straße erhalte eine Aufpflasterung.
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Es erfolgte am 17.11.2010 ein Nachtragsangebot der bauausführenden Firma mit abweichenden Schichtdicken, welches die Antragsgegnerin annahm. Ein förmlich beschlossenes Bauprogramm liegt nicht vor.
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Die Arbeiten fanden in der Zeit vom 23.11.2010 bis 20.04.2011 statt. Die Schlussabnahme erfolgte am 20.05.2011.
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Durch Widmungsverfügung vom 02.10.1968 wurde die Straße Beim R... mit öffentlichem Wohnweg nach Süden als Gemeindestraße eingestuft. Die Widmungsverfügung wurde am 30.11.1968 öffentlich bekannt gemacht.
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Während der Durchführung der Maßnahme informierte die Antragsgegnerin die anliegenden Grundstückseigentümer mit Schreiben vom 18.02.2011 über die Heranziehung zu Straßenbaubeiträgen, welche jedoch nicht vor 2012 erfolgen werde. Mit weiterem Schreiben vom 12.09.2014 informierte die Antragsgegnerin den Antragsteller über die voraussichtliche Höhe der auf seine Grundstücke entfallenen Beiträge sowie über den Zeitpunkt der Veranlagung.
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Die Antragsgegnerin erließ gegenüber dem Antragsteller am 26.11.2014 zwei Ausbaubeitragsbescheide für seine beiden Buchgrundstücke in Höhe von 1.598,78 € und 2.639,32 € für die Erneuerung der Fahrbahn in der Straße Beim R... zwischen E...er Straße und O.... Gestützt wurde die Erhebung auf § 8 KAG i.V.m. der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung, den Ausbau, die Erneuerung und den Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenbaubeitragssatzung) der Stadt P... vom 07.05.2009 in der Fassung der Nachtragssatzung I vom 04.04.2011 (SBS). Es handele sich nach dem Bauprogramm um eine beitragsfähige Erneuerungsmaßnahme, da die Straße entsprechend dem Bauprogramm von Grund auf erneuert worden sei. Die Fahrbahn sei insgesamt verschlissen gewesen, die ca. 3 cm starke Asphaltdeckschicht bereits seit Jahren abgängig. Die übliche Nutzungsdauer, welche gemeinhin 20-25 Jahre betrage, sei zum Zeitpunkt der Ausbaumaßnahme mit über 40 Jahren bereits deutlich überschritten gewesen. Es sei ein Aufwand in Höhe von 149.019,99 € entstanden. Nicht beitragsfähig seien die Kosten, die für den Ausbau des Einmündungsbereich zur Straße Beim R... (neu) im Jahre 2004 entstanden seien ebenso wenig wie die Kosten für die Vorhaltung der Verkehrssicherung im Winter 2010/2011. Der beitragsfähige Aufwand belaufe sich danach auf 136.836,42 €. Dieser sei nach Abzug des Gemeindeanteils von 25 % aufgrund der Einstufung der Straße als Anliegerstraße als umlagefähiger Aufwand in Höhe von 102.627,31 € auf die erschlossenen Grundstücke des Abrechnungsgebietes nach den Grundstücksflächen verteilt worden. Danach ergebe sich bei einer gewichteten Grundstücksfläche von insgesamt 27.034,38 m2 ein Straßenbaubeitrag pro m2 von 3,797582405 €/m2. Auf die Grundstücke des Antragstellers mit einer Größe von 421 m2 und 695 m2 würden unter Berücksichtigung eines Vollgeschosses (1,0) multipliziert mit dem Beitragssatz von 3,797582405 €/m2 Ausbaubeiträge in Höhe von 1.598,78 € und 2.639,32 € entfallen.
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Hiergegen hat der Antragsteller am 05.12.2014 Widerspruch eingelegt, den er damit begründete, dass ihm durch die Maßnahme keine Vorteile entstanden seien. Zudem sei im Vorfeld der durchgeführten Baumaßnahmen der Schwerlastverkehr für die Baugebiete „Sch…“ sowie „O...-Nebenweg“ über mehrere Monate bzw. Jahre überwiegend über die Straße Beim R... abgewickelt worden. Da der Schwerlastverkehr ca. 96 % der Straßenschäden verursache, könnten lediglich die verbleibenden 4 % der Kosten auf die Anwohner umgelegt werden. Letztlich handele es sich bei den drei Flurstücken um ein Gesamtgrundstück als Eckgrundstück Beim R.../O..., die nach seiner Kenntnis alle dem O... zuzuordnen seien. Das Grundstück sei niemals geteilt worden.
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Mit Schreiben vom 02.02.2015 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung. Diesem wurde mit Bescheid vom 24.11.2015 stattgegeben, soweit er sich auf die Vergangenheit bezieht. Mit Wirkung für die Zukunft wurde der Antrag abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 80 Abs. 4 VwGO nicht erfüllt seien, ausnahmsweise und nur für die Vergangenheit werde jedoch die Aussetzung wegen der langen Bearbeitungszeit seit Ende 2014 gewährt.
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Mit weiterem Schreiben vom 24.11.2015 informierte die Antragsgegnerin den Antragsteller darüber, dass sie beabsichtige, den Widerspruch als unbegründet zurückzuweisen und gab dem Antragsteller Gelegenheit, sich zu den hierzu näher dargelegten Gründen und Tatsachen bis zum 15.01.2016 zu äußern. Inhaltlich führte sie aus, dass der Schwerlastverkehr lediglich durch Baustellenverkehr aufgetreten sei. Dieser sei nicht ursächlich für den Verschleiß an der Straße gewesen. Allerdings sei es auch unerheblich, ob der Baustellenverkehr die Straße beschädigt habe. Schwerlast- und Baustellenverkehr gehörten zum Lebensschicksal einer Straße. Die Kostenlast sei unabhängig von diesen Situationen umzulegen. Weiterhin bestehe ein Vorteil für den Antragssteller darin, dass sich die Zugänglichkeit zu den Grundstücken erleichtere sowie die Attraktivität der Wohnlage verbessere. Die Bewertung des Vorteils habe anhand objektiver Kriterien zu erfolgen. Schließlich seien die gegenständlichen Flächen auch sämtlich mit einzubeziehen. Das Grundstück A-Straße (Flurstück X und X) liege an der ausgebauten Einrichtung Beim R... an. Es diene als Hausgarten bzw. als Zufahrt und sei daher als Anliegergrundstück mit einzubeziehen. Das Flurstück X sei demgegenüber mit zwei Einzelhäusern bebaut. Eines dieser Häuser nutze die Zufahrt über die Straße Beim R... und sei dadurch bevorteilt. Folglich sei es als Hinterliegergrundstück zu qualifizieren. Eine Einbeziehung des gesamten Grundstückes sei aufgrund des Vorranges des Buchgrundstücksbegriffes, der hier zugrunde zu legen sei, zwingend.
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Der Antragsteller äußerte sich daraufhin, dass es falsch und irreführend sei, die Flurstücke mit „A-Straße" zu beschreiben. Dies sei gemäß Grundbuch Blatt X nicht korrekt. Aufgrund der unverhältnismäßig langen Zeitspanne seit Einlegung des Widerspruchs (ein Jahr) seien zudem mögliche Ansprüche verwirkt. Neben dem Zeitmoment habe die Antragsgegnerin durch Untätigkeit einen Vertrauenstatbestand geschaffen, ein mögliches Recht nicht mehr geltend zu machen.
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Ein Widerspruchsbescheid ist bisher nicht ergangen.
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Der Antragsteller hat am 08.12.2015 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung bezieht er sich auf seinen Vortrag aus dem Vorverfahren. Darüber hinaus stelle die hohe geforderte Summe eine erhebliche Härte für ihn dar.
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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 05.12.2014 gegen die Beitragsbescheide vom 26.11.2014 anzuordnen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen
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und bezieht sich hierzu auf ihre Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid. Zudem ergänzt sie, dass das Grundstück Flurstück X mit zwei Gebäuden bebaut sei, deren eines die postalische Bezeichnung A-Straße besitze und deren anderes unter O... X firmiere. Die Bezeichnung der Grundstücke sei für die Heranziehung von Beiträgen jedoch irrelevant, da hierfür einzig von Bedeutung sei, ob ein Grundstück von einer Ausbaumaßnahme einen Vorteil erhalte. Das Grundstück selbst sei hinsichtlich seiner grundbuchlichen Bezeichnung in den streitgegenständlichen Bescheiden klar definiert, allein dies dürfe von Bedeutung sein.
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Verwirkung sei vorliegend nicht eingetreten. Beitragsschuldverhältnisse seien den gesetzlichen Regelungen der Verjährung zugeführt. Vor Eintritt der Festsetzungsverjährung sei daher das Rechtsinstitut der Verwirkung grundsätzlich nicht anwendbar. Zudem hätte die Nichtgeltendmachung eines Abgabenanspruchs bzw. die nicht Verbescheidung im Widerspruchsverfahren als solche keine vertrauensbildende Wirkung. Zudem bedürfe es eines positiven Verhaltens durch die abgabeberechtigte Person, was vorliegend nicht gegeben sei.
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Es sei nicht ersichtlich, dass die Begleichung der Beträge für den Antragsteller eine erhebliche Härte darstelle, zumal er sich mit den vergleichsweise geringen Beitragsforderungen nunmehr bereits seit dem Informationsschreiben der Antragsgegnerin vom 18.02.2011 konfrontiert gesehen habe und sich finanziell nach nunmehr 5 Jahren längst darauf hätte einstellen können und müssen. Gleiches gelte für die Beitragsankündigung vom 12.09.2014 und die Festsetzungsbescheide vom 26.11.2014. Auch für die Anordnung der sofortigen Vollziehung seien keine belastbaren Anhaltspunkte vom Antragsteller hierzu gemacht worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
II.
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Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 6 S. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet.
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Im Falle der Erhebung öffentlicher Abgaben und Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO - worunter die vorliegenden Ausbaubeiträge fallen - kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage regelmäßig nur in Betracht, wenn gemäß § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Abgaben- und Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
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Für Letzteres liegen bereits keine Anhaltspunkte vor. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge haben könnte. Eine unbillige Härte im Sinne des § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO ist anzunehmen, wenn die Zahlung dem Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügt, weil er auch durch eine etwaige spätere Rückzahlung nicht ausgeglichen werden kann, etwa wenn die Zahlung die Insolvenz herbeiführt oder sonst zur Existenzvernichtung führen kann. Die unbillige Härte muss dabei gerade Folge der Vollziehung sein. Maßgebend ist deshalb der Gesichtspunkt, ob gerade durch den Vollzug des Abgabenbescheides, also die Pflicht zur sofortigen Zahlung, eine Existenzgefährdung eintritt oder im Wesentlichen mit verursacht würde (vgl. OVG Schleswig, B. v. 25.01.2012 - 4 MB 2/12 -). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Der Antragsteller hat nicht näher dargelegt, weshalb es für ihn eine wirtschaftliche Existenzgefährdung darstellen würde, wenn er die geforderte Gesamtsumme von 4.238,10 € zahlen müsste. In Anbetracht der Höhe der Summe und des langen Zeitraums seit Ankündigung der Beitragserhebung im Februar 2011 und seiner ungefähren Höhe (Schreiben der Antragsgegnerin vom 12.09.2014) konnte sich der Antragsteller auf die Zahlung des Beitrages einstellen. Es wäre gegebenenfalls zu versuchen, mit der Antragsgegnerin eine Ratenzahlung zu vereinbaren. Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Grundstücke unbestritten im Alleineigentum des Antragstellers stehen. Nach seiner ladungsfähigen Anschrift scheint er selbst das Wohnhaus „A-Straße“ zu bewohnen. Es liegt daher nahe - ohne dass es darauf entscheidungserheblich ankommt -, dass er das Wohnhaus mit der postalischen Anschrift „O... X“ anderweitig vermietet hat und daraus Einnahmen erzielt.
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Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide. Ernstliche Zweifel liegen nach der ständigen Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts und der Kammer nur dann vor, wenn auf Grund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg (vgl. z.B. OVG Schleswig, B.
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v. 24.06.1998 - 2 M 7/98 -, Die Gemeinde 1998, 341). Dies ist hier nicht gegeben, da sich der Bescheid im Hauptsacheverfahren voraussichtlich überwiegend als rechtmäßig erweisen wird.
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Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Antragstellers ist § 8 Abs. 1 KAG i.V.m. der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung, den Ausbau, die Erneuerung und den Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenbaubeitragssatzung) der Stadt P... vom 07.05.2009 in der Fassung der Nachtragssatzung I vom 04.04.2011 (SBS).
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Danach können zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Ausbau, die Erneuerung und den Umbau für u. a. nach den §§ 127 ff. BauGB erstmalig hergestellten Straßen, Wegen und Plätzen als öffentliche Einrichtung Beiträge von u. a. den Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern, denen die Herstellung, der Ausbau, die Erneuerung und der Umbau Vorteile bringt, erhoben werden.
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Bedenken gegen die Vereinbarkeit der SBS mit höherrangigem Recht bestehen nicht.
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Die genannten Voraussetzungen für die Erhebung eines Ausbaubeitrages sind vorliegend erfüllt.
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An der Einordnung der Straße Beim R... zwischen E...er Straße und O... mit einer Länge von ca. 300 m als eine selbständige Einrichtung hat die Kammer nach dem vorliegenden Kartenmaterial keine Bedenken.
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Durch die am 30.11.1968 bekannt gemachte Widmungsverfügung, durch die die Straße als Gemeindestraße eingestuft wurde, handelt es sich auch um eine öffentliche Einrichtung.
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Die räumliche Ausdehnung und den Umfang der Maßnahme, d. h. was im Einzelfall für die Herstellung, den Ausbau oder Umbau sowie die Erneuerung der Straße erforderlich ist, bestimmt die Gemeinde nach ihrem Ermessen (Bauprogramm). Das Bauprogramm ist vom Gericht nicht wie ein Ermessensverwaltungsakt, sondern nur im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Maßnahme überprüfbar (vgl. OVG Schleswig, B. v. 25.1.2012 - 4 MB 1/12 -). Erst wenn das Bauprogramm verwirklicht, d. h. die Gesamtmaßnahme abgeschlossen ist, entsteht für den Regelfall die Beitragspflicht (vgl. OVG Schleswig, U. v. 28.10.1997, Die Gemeinde 1998, 98; U. v. 18.01.1995, Die Gemeinde 1995, 84; U. v. 17.08.2005, NordÖR 2006, 84). Das Bauprogramm bedarf keiner förmlichen Festlegung durch Satzung oder Beschluss der Gemeindevertretung (vgl. OVG Schleswig, U. v. 26.09.2007 - 2 LB 20/07 -, NVwZ-RR 2008, 348). Der Umfang des Bauprogramms kann sich auch aus Vergabebeschlüssen auf der Grundlage von Ausbauplänen ergeben. Erforderlich ist die detaillierte Beschreibung der im Einzelnen vorgesehenen Maßnahmen, damit ihre Fertigstellung eindeutig festgestellt werden kann (vgl. OVG Schleswig, U. v. 24.03.2010 - 2 LB 23/09 -, NordÖR 2011, 82). Das Bauprogramm kann bis zu seiner Verwirklichung geändert werden, ohne dass es insoweit einer Begründung bedarf (vgl. OVG Schleswig, B. v. 18.07.2014 - 4 LA 50/14 -). Die Änderung eines durch Satzung festgelegten Bauprogramms bedarf der Änderung in Satzungsform. Zur Änderung eines formlos festgelegten Bauprogramms ist die formlose Billigung der Gemeindevertretung ausreichend.
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Das vorliegend die konkrete Maßnahme beschreibende Bauprogramm erfüllt die vorstehenden Anforderungen. Es ergibt sich hier aus dem 1. Nachtragshaushalt 2010 und der Baubeschreibung als Bestandteil des Leitungsverzeichnisses vom 22.09.2010 der Vergabeunterlagen. Eine Veränderung des Bauprogramms ergab sich hinsichtlich der einzelnen Schichten (nicht hinsichtlich der Gesamtdicke von 65 cm) gemäß Nachtragsangebot der Baufirma vom 17.11.2010, welches von der Antragsgegnerin angenommen wurde. Auf der Grundlage dieses Bauprogrammes wurde die Fahrbahn von Grund auf erneuert und hat eine Deckschicht von 4 cm, eine bituminöse Tragschicht von 10 cm, eine Schottertragschicht von 30 cm und eine Frostschicht von 21 cm (= Gesamtstärke 65 cm) erhalten. Die Fahrbahnbreite wurde mit ca. 6 m beibehalten. Beidseitig wurde zur Entwässerung ein einreihiger Wasserlauf gesetzt. Die Hochbordanlage wurde partiell ausgebessert. Der Einmündungsbereich zur E...er Straße erhielt eine Aufpflasterung. Die so beschriebene Maßnahme wurde am 20.05.2012 abgenommen.
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Mit der Erneuerung wird die Straße oder der Weg in einen Zustand versetzt, der auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus wieder den voraussichtlichen Anforderungen des Verkehrs genügt und damit die Nutzungsdauer verlängert. Voraussetzung der Erneuerung ist nicht, dass die erneuerungsbedürftigen Teileinrichtungen im Wesentlichen in ihren ursprünglichen Zustand versetzt werden (Habermann in: Praxis Kommunalverwaltung, KAG, Stand:12.2012, § 8, Rn. 147a, 150 m.w.N.).
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Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass es sich vorliegend um eine notwendige Erneuerung und damit eine beitragsfähige Maßnahme handelt. § 8 Abs. 1 KAG spricht zwar nur von notwendigen Einrichtungen und nicht von notwendigen Maßnahmen, jedoch können Beiträge für Ausbaumaßnahmen an notwendigen Einrichtungen nur dann erhoben werden, wenn diese - einschließlich Art und Umfang - ihrerseits notwendig sind. Hinsichtlich der Frage, ob ein Erneuerungsbedarf gegeben ist, besteht ein gemeindliches Einschätzungsermessen; die Gemeinde muss nicht abwarten, bis die Einrichtung verkehrsunsicher geworden ist (vgl. OVG Schleswig, U. v. 30.04.2003 - 2 LB 105/02 - NordÖR 2003, 422; Habermann, a.a.O.,§ 8, Rn. 147a m.w.N.). Darf die Gemeinde die Notwendigkeit annehmen, kommt es auf die Frage, aus welchem Anlass sie sich für die Erneuerung entscheidet, nicht an.
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Notwendig ist die Erneuerung immer dann, wenn die jeweilige Teileinrichtung nicht mehr voll funktionsfähig, also abgängig ist und deshalb Erneuerungsbedarf besteht. Indiz dafür ist der Ablauf ihrer üblichen Nutzungsdauer (vgl. OVG Schleswig, U. v. 26.09.2007 - 2 LB 20/07 -, Die Gemeinde 2008, 47). Die übliche Nutzungsdauer der einzelnen Teileinrichtungen ist dabei unterschiedlich. Sie wird für Fahrbahnen und Gehwege im Allgemeinen mit ca. 25 Jahren angenommen (vgl. OVG Schleswig, B. v. 05.07.2011 - 2 MB 15/11). Nach den unbestrittenen Angaben der Antragsgegnerin war die Fahrbahn (Asphaltdeckschicht) der Einrichtung sowohl nach ihrer Beschreibung als auch nach den vorliegenden Lichtbildern vor Durchführung der Maßnahme abgängig und der Unterbau aufgrund der Witterungseinflüsse stark beschädigt. Zudem hatte sie mit einem Alter von mehr als 40 Jahren ihre übliche Nutzungsdauer deutlich überschritten.
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Der Einwand des Antragstellers, die Beschädigungen seien allein auf den Schwerlasttransport für die Herstellung anderer Straßen im Baugebiet herbeigeführt worden und daher seien 96% der Kosten in Abzug zu bringen, vermag die Kammer nicht zu folgen. Zur bestimmungsgemäßen Nutzung einer Straße gehört nicht nur Personen- und „normaler“ Lastverkehr, sondern auch Schwerlastverkehr und Verkehr von Baufahrzeugen. Die Nutzung einer Straße durch motorisierte Fahrzeuge gehört zum Zweck einer Straße und damit auch zum „Lebensrisiko“ derselben. Mit Ablauf der Nutzungsdauer - wie vorliegend - ist es unerheblich, ob die Erneuerungsbedürftigkeit maßgeblich durch Baustellen- oder Schwerlastverkehr verursacht wurde (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblatt, 52. EL. März 2015, § 8, Rn. 292a m.w.N.).
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Danach hat die Antragsgegnerin zutreffend in den beitragsfähigen Aufwand alle tatsächlich entstandenen Kosten einbezogen, die zur Erneuerung der e. g. öffentlichen Einrichtung Beim R... in seiner Gesamtheit notwendig waren. Bei der Ermittlung des nach Abzug von nicht beitragsfähigen Posten von der Antragsgegnerin berücksichtigten beitragsfähigen Aufwandes in Höhe von 136.836,42 € sind für die Kammer Fehler nicht erkennbar und er wird vom Antragsteller auch nicht substantiiert bestritten.
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Die Antragsgegnerin hat hiervon gem. § 8 Abs. 1 S. 3 KAG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1a) SBS zutreffend einen Eigenanteil der Stadt P... von 25 % abgezogen, so dass der umlagefähige Aufwand bei 102.627,31 € liegt. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass die Straße Beim R... als Tempo-30-Zone zwischen E...er Straße und O... im Wesentlichen dem Anliegerverkehr dient; dies hat der Antragsteller auch nicht substantiiert in Zweifel gezogen.
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Diesen Aufwand hat die Antragsgegnerin auf das Abrechnungsgebiet umgelegt, welches in seiner räumlichen Ausdehnung im Rahmen der summarischen Prüfung keinen rechtlichen Bedenken unterliegt. Dabei hat die Antragsgegnerin insbesondere zutreffend auch die Grundstücke des Antragstellers in das Abrechnungsgebiet einbezogen. Denn entgegen seiner Auffassung ist er mit beiden Grundstücken durch die Maßnahme bevorteilt i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 1 KAG und § 1 SBS.
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Beiträge können nach § 8 Abs. 1 S. 1 KAG nur von den Grundstückseigentümern erhoben werden, denen durch die Straßenbaumaßnahme Vorteile erwachsen. Ausgangspunkt ist der bürgerlich-rechtliche Grundstücksbegriff, der im Straßenausbaubeitragsrecht gilt. Grundstück ist danach der Teil der Erdoberfläche, der auf einem besonderen Grundbuchblatt unter einer besonderen Nr. im Verzeichnis der Grundstücke gebucht ist (vgl. Habermann, a.a.O., § 8, Rn. 178 m.w.N.). Ein Abweichen von diesem formellen Grundstücksbegriff ist nur gerechtfertigt, wenn mehrere aneinander angrenzende Buchgrundstücke desselben Eigentümers, jeweils für sich betrachtet, keiner wirtschaftlichen Nutzung zugänglich sind, zusammen aber eine wirtschaftliche Einheit bilden (vgl. Driehaus, a.a.O., § 8, Rn. 394) oder ein unmittelbar an der Straße gelegenes, wegen seiner Größe nur als Zufahrt dienendes Grundstück einem hinterliegenden, selbstständig nutzbaren Grundstück desselben Eigentümers die Zugänglichkeit vermittelt (vgl. OVG Schleswig, U. v. 22.02.1995 - 2 L 266/93 -). Eine Zerlegung sog. übergroßer* Grundstücke in mehrere wirtschaftliche Einheiten kommt dagegen auch bei unterschiedlicher Nutzung nicht in Betracht (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 24.08.1989, KStZ 1989, 77). Unter Berücksichtigung des Grundbuchgrundstücksbegriffs handelt es sich mithin vorliegend um zwei eigenständige Grundstücke, die im Grundbuchblatt X unter jeweils zwei verschiedenen Nummern (X und X) laufen. Gegenteiliges hat der Antragsteller nicht substantiiert dargelegt. Beide Grundstücke sind aufgrund ihrer Größe von 421 m2 und 695 m2 eigenständig nutzbar.
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Bevorteilt ist ein Grundstückseigentümer nur dann, wenn sich der Gebrauchswert seines Grundstücks infolge der Straßenbaumaßnahme erhöht hat, was dann der Fall ist, wenn es in irgendeiner Form wirtschaftlich nutzbar ist. Die Art der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeit und der tatsächlichen Nutzung ist dagegen für grundsätzliche Beitragspflichtigkeit regelmäßig ohne Bedeutung (vgl. Habermann, a.a.O., § 8, Rn. 179). Der Vorteil der Erneuerung besteht darin, dass die verschlissene und abgängige Einrichtung durch eine neue ersetzt wird (vgl. Habermann, a.a.O., § 8, Rn. 150). Der grundstücksbezogene Vorteil wird durch die bestehende räumliche Nähe zu der erneuerten Einrichtung begründet. Der Eigentümer eines unmittelbar an der Einrichtung liegenden Grundstücks hat - anders als andere Verkehrsteilnehmer - die Möglichkeit, die erneuerte Einrichtung von seinem Grundstück aus unmittelbar in Anspruch zu nehmen. Damit wird die Zugänglichkeit seines Grundstücks verbessert und die Maßnahme wirkt sich gebrauchswerterhöhend aus (vgl. Habermann a.a.O., § 8, Rn. 176, 180 m.w.N.). Zum Kreis der vorteilhabenden und damit beitragspflichtigen Grundstückseigentümer gehören daher diejenigen, deren Grundstücke unmittelbar an die ausgebaute Einrichtung angrenzen und von der Einrichtung aus zugänglich sind. Dies ist vorliegend unzweifelhaft bei dem (unbebaute) Grundstück Flurstücke X und X, Flur X, Gemarkung A-Stadt, Grundbuchblatt X lfd. Nr. X, gegeben.
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Daneben gehören zu den vorteilhabenden und damit beitragspflichtigen Grundstückseigentümern aber auch Eigentümer bestimmter Hinterliegergrundstücke, d.h. Grundstücke, die von der ausgebauten Einrichtung durch ein Anliegergrundstück getrennt werden, selbst dann, wenn sie an einer anderen öffentlichen Einrichtung unmittelbar anliegen und damit eine Mehrfacherschließung gegeben ist (wie vorliegend bei dem Grundstück Flurstück X). Dies ist der Fall, wenn vom Hinterliegergrundstück aus Zugang zur Straße über ein Anliegergrundstück in rechtlich zulässiger Weise und auf Dauer genommen werden kann. Sind der Eigentümer des Anlieger- und des Hinterliegergrundstückes identisch, stehen der Inanspruchnahme der Einrichtung vom Hinterliegergrundstück aus keine rechtlichen Hindernisse entgegen. Einer dinglichen Sicherung des Zugangsrechts bedarf es zur Beitragspflichtigkeit des Hinterliegergrundstückes daher nicht. Es reicht aus, dass entweder tatsächlich ein Zugang über das Anliegergrundstück besteht oder aber die Grundstücke einheitlich genutzt werden, insbesondere weil die Grundstücksgrenze überbaut ist oder die Grundstücke einheitlich gewerblich oder als Wohngrundstück mit Gartenland genutzt werden (vgl. Habermann, a.a.O., § 8, Rn. 184, 186 f. m.w.N.). So liegt der Fall hier. Der Antragsteller ist unstreitig Alleineigentümer der beiden Buchgrundstücke Flurstücke X und X (Anliegergrundstück) einerseits und Flurstück X (Hinterliegergrundstück) andererseits. Zu seinem Wohnhaus mit der postalischen Anschrift A-Straße auf dem Flurstück X hat er ausweislich des vorliegenden Luftbildes ausschließlich und tatsächlich Zugang über die Flurstücke X und X und sie dienen zugleich dem Flurstück X als Hausgarten. Dies hat der Antragsteller nicht in Abrede gestellt.
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Auch wenn sich auf dem Flurstück X ein weiteres Wohnhaus befindet (mit der postalischen Anschrift O... X), welches Zugang über die Straße O... nimmt, ist dennoch unter Berücksichtigung des o. g. formellen Grundstücksbegriffs das gesamte Buchgrundstück Flurstück X heranzuziehen und nicht nur der Teil, der durch das vom Antragsteller bewohnte Wohnhaus genutzt wird. Da sich der beitragsrechtliche Vorteil auf die objektiv gegebene Inanspruchnahmemöglichkeit beschränkt, kommt es insbesondere nicht auf die Nutzungsabsichten des Eigentümers und die Grundstücksgestaltung an, solange es allein von seinem Willen abhängt, eine solche Möglichkeit zu schaffen, indem er z.B. auch etwaige Hindernisse auf seinem Grundstück jederzeit beseitigen könnte (vgl. OVG Schleswig, U. v. 26.09.2007 - 2 LB 20/07 -, NVwZ-RR 2008, 348) und ihm dies auch wirtschaftlich zumutbar ist. Insbesondere Mauern, Zäune oder Bepflanzungen auf dem eigenen Grundstück stehen der Beitragsveranlagung deshalb nicht entgegen; anderenfalls hätte der Eigentümer es selbst in der Hand, sich die Zugänglichkeit zu nehmen (vgl. Habermann, a.a.O., § 8, Rn. 181, 182).
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Im Übrigen würde selbst dann, wenn es sich - wie der Antragsteller meint, ohne es näher belegt zu haben - nach dem Grundbuch um ein ungeteiltes Grundstück bestehend aus allen drei Flurstücken X, X und X handeln sollte, um ein als unmittelbar an die erneuerte öffentlichen Einrichtung Beim R... angrenzendes Anliegergrundstück handeln und zu keinem anderen Ergebnis führen.
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Bedenken hinsichtlich der Größe des Abrechnungsgebietes ergeben sich nach der summarischen Prüfung auch nicht im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin einbezogenen Grundstücke, die an unbefahrenen Wohnwegen belegen sind (bezeichnet als Wohnwege X - X, Blatt X-X des Verwaltungsvorgangs, Beiakte A).
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An unbefahrbaren Wohnwegen gelegene Baugrundstücke sind sowohl bevorteilt durch (beitragsfähige) Maßnahmen an dem angrenzenden Wohnweg als auch der zugehörigen Fahrstraße. Zwar besteht grundsätzlich nur eine Beitragspflicht für die nächstgelegene Straße; ohne die zugehörige Fahrstraße wäre das Wohnweggrundstück aber nicht als Baugrundstück nutzbar und ist deshalb auch von Ausbaumaßnahmen an der Fahrstraße bevorteilt, die ihm zurechenbar eine verbesserte Zugänglichkeit vermittelt (vgl. OVG Schleswig, U. v. 12.03.1992 - 2 L 194/91 -). Problematisch ist die Beitragspflichtigkeit von an durchlaufenden Wohnwegen gelegenen Grundstücken, die über den Wohnweg an zwei Anfahrstraßen angebunden sind. Hier muss der Grundsatz durchgreifen, dass Beiträge nur für den Ausbau der nächstgelegenen (Fahr-)Straße bzw. für die Fahrstraße erhoben werden können, der das Wohnweggrundstück bauplanungsrechtlich (etwa durch Ausweisung von Stellplätzen) zugeordnet ist. Eine Vergleichbarkeit mit Eckgrundstücken ist nicht gegeben, weil es bei Eckgrundstücken eine nächstgelegene* Erschließungsanlage nicht gibt. (vgl. Habermann, a.a.O., § 8, Rn. 188 m.w.N.).
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Bei den vorliegend zu betrachtenden Wohnwegen X - X handelt es sich um ca. 20 bis 55 Meter lange, südlich von der Einrichtung abgehende öffentliche Wege, welche nicht mit Kraftfahrzeugen befahrbar sind und keine andere Verbindung zum Straßennetz aufweisen. Dadurch erhalten die daran anliegenden Grundstücke allein durch die Fahrstraße Beim R... eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit und sind unzweifelhaft in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen.
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Die öffentlichen Wohnwege X - X sind hingegen sog. durchlaufende Wege, die in südlicher Richtung von Beim R... abgehen und in nördlicher Richtung bis zur O...-S-Straße (Weg X) bzw. Obstgarten (Weg X) laufen. Wohnweg X ist ein Verbindungsweg zwischen den Wohnweg X und X. Nach der ausführlichen Begründung der Antragsgegnerin in ihrem Vermerk vom 18.11.2014 (Bl. I-1 bis I-29 Beiakte A), der als Grundlage für die Beitragserhebung der streitigen Erneuerungsmaßnahme diente, ist im summarischen Verfahren nichts dagegen zu erinnern, die einbezogenen Grundstücke bis zu den postalischen Anschriften Beim R... X - X (Weg X), Beim R... X (Weg X), O... X - X (Weg X) aufgrund einer Einzelfallbetrachtung anhand der Lage der Hauseingänge, der nächstgelegenen Anbaustraße, der Historie zum Weg X (früher endend bei Haus Nr. X) und mit Blick auf dazugehörige, im selben Eigentum stehende Stellplätze auf den an der Straße Beim R... anliegenden Garagen- bzw. Stellplatzflächen in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen und die übrigen Grundstücke an den Wohnwe- gen dagegen auszunehmen.
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Danach ist die Antragsgegnerin zutreffend von einer Größe des Abrechnungsgebietes von 23.290 m2 ausgegangen. Diese hat sie entsprechend den Vorgaben des § 6 SBS mit 27.024,38 m2 gewichtet. Bedenken hiergegen sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
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Unter Berücksichtigung des oben genannten umlagefähige Aufwand von 102.627,31 € und der gewichteten Abrechnungsfläche von 27.024,38 m2 ergibt sich ein Straßenbaubeitrag in Höhe von 3,797582405 €/m2. Dass die Antragsgegnerin in den angefochtenen Bescheiden hierbei eine gewichtete Fläche von 27.034,38 m2 ausgewiesen hat, ist ein bloßer Schreibfehler; der Rechenvorgang wurde mit der zutreffenden Größe von 27.024,38 m2 durchgeführt. Dieser m2-Beitrag multipliziert mit den unstreitigen Grundstücksgrößen der Grundstücke des Antragstellers (421 m2 und 695 m2) ergibt rechnerisch die angefochtenen Beiträge in Höhe von 1.598,78 € und 2.629,32 €.
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Die sachliche Beitragspflicht ist mit der Fertigstellung und Abnahme der Bauarbeiten am 20.05.2011 entstanden. Nach § 8 Abs. 4 S. 3 KAG, § 7 SBS entsteht sie mit dem Abschluss der für den Ausbau erforderlichen Maßnahme. Abgeschlossen ist die Maßnahme, wenn das von dem zuständigen gemeindlichen Gremium beschlossene Bauprogramm verwirklicht und die Abnahme erfolgt ist (std. Rspr. des OVG Schleswig seit B.. v. 05.12.2007 - 2 MB 24/07 -). Dass die durchgeführten und abgenommenen Bauarbeiten dem Bauprogramm nicht entsprechen könnten, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
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Nach § 8 Abs. 5 S. 1 KAG sowie § 3 S. 1 SBS ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist. Danach ist der Antragsteller als Alleineigentümer der Grundstücke persönlich beitragspflichtig, seit ihm die von ihm angegriffenen Beitragsbescheide bekanntgegeben worden sind.
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Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf Verwirkung berufen. Ein Zeitablauf alleine genügt nicht, um eine Verwirkung des Anspruchs anzunehmen (anders bei der Verjährung). Es müssen vielmehr noch besondere Umstände hinzukommen, die die spätere Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Die Verwirkung eines Abgabenanspruchs kann nur in Betracht kommen, wenn zusätzlich zu einem unangemessenen Zeitablauf die Gemeinde durch ihr Verhalten dem Beitragspflichtigen gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, dass er den Beitrag nicht (mehr) schulde oder mit einer Heranziehung nicht mehr zu rechnen brauche, der Pflichtige sich darauf verlassen hat, sich nach den Umständen des Einzelfalls darauf verlassen durfte und sich demzufolge auf die Nichterhebung des Beitrags eingerichtet hat, so dass die Geltendmachung des Beitrags unter diesen Umständen gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Das zur Auslösung einer Verwirkung erforderliche Verhalten der Gemeinde muss ein aktives Verhalten sein (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 19 Rn. 49 ff. m.w.N.).
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Ein derartiges positives Verhalten der Antragsgegnerin ist hier nicht ersichtlich. Derartiges hat der Antragsteller konkret auch nicht vorgetragen; er verweist lediglich auf die „lange Zeit ohne Reaktion (ca. 1 Jahr!)". Vielmehr ist aus dem Verwaltungsvorgang ersichtlich, dass die Antragsgegnerin noch vor Entstehung der sachlichen Beitragspflicht im Februar 2011 die Erhebung der Kosten angekündigt hat und dies mit Schreiben aus September 2014 konkretisiert hat. Sodann ergingen am 26.11.2014 die streitgegenständlichen Beitragsbescheide, gegen die der Antragsteller am 05.12.2014 Widerspruch eingelegt hat. Den Eingang bestätigte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 09.12.2014 und mit Schreiben vom 26.01.2015 wies sie den Antragsteller auf die bestehende Zahlungsverpflichtung wegen der fehlenden aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs hin. Sodann stellte der Antragsteller im Februar 2015 einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, welchem mit Bescheid vom 24.11.2015 für die Vergangenheit stattgegeben wurde. Es ist vor dem Hintergrund dieses zeitlichen Ablaufs und des Verhaltens der Antragsgegnerin kein aktives Verhalten erkennbar, dass sie auf den Beitrag verzichten wird. Vielmehr wird das Gegenteil deutlich, nämlich dass sie sehr wohl an der Beitragserhebung weiter festhält. Der Antragsteller konnte sich demgemäß nicht darauf verlassen, dass der Beitrag nicht mehr geltend gemacht wird.
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Die allein wegen des vom Antragsteller gerügten Zeitablaufs in den Blick zu nehmende Festsetzungsverjährung war gem. § 11 Abs. 1 S. 2, § 15 KAG i.V.m. §§ 169 ff AO bei Erlass der streitigen Bescheide am 26.11.2014 ebenfalls nicht eingetreten. Diese wäre erst am 31.12.2015 eingetreten, nämlich vier Jahre ab Ablauf des Kalenderjahres, in dem die sachliche Beitragspflicht (hier am 20.05.2011) entstanden ist.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer in ständiger Rechtsprechung für den vorläufigen Rechtsschutz in Abgabensachen ein Viertel des Wertes der Hauptsache zugrundelegt.
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.