Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 05. Feb. 2016 - 2 A 10/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Zweitwohnungssteuer für die Jahre 2009 bis 2013.
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Sie lebt mit Hauptwohnsitz in A-Stadt, A. und ist mit ihrem Ehemann seit 1990 Eigentümerin der Wohnung A. in A. Der Ehemann der Klägerin ist seit 1991 in der streitbefangenen Wohnung in A. mit Hauptwohnsitz, A. in A-Stadt mit Nebenwohnsitz gemeldet. Die Klägerin hat seit 1996 ihren Nebenwohnsitz in A. angemeldet.
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Mit Bescheid vom 06.11.2013 zog die Beklagte die Klägerin zu Zweitwohnungssteuer für die Wohnung in A-Stadt für die Jahre 2009 bis 2013 in Höhe von jährlich 349,27 € heran. Sie legte der Berechnung dabei die vom Finanzamt festgestellte Jahresrohmiete von 788,41 €, den seit 1999 festgeschriebenen Hochrechnungsfaktor von 4,43, eine Verfügbarkeit von 100 % sowie einen Steuersatz von 10 % zugrunde.
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Die Klägerin schrieb am 12.11.2013, sie verstehe die Berechnung nicht. Sie sei zu 50 % Miteigentümerin der Wohnung und werde deshalb 50 % der geforderten Zweitwohnungssteuer überweisen. Auf die Erläuterung der Beklagten wies die Klägerin darauf hin, dass eine gesamtschuldnerische Haftung mit ihrem Ehemann für die Zweitwohnungssteuer nicht bestehe, da die Wohnung 1. Wohnsitz ihres Ehemannes sei. Dieser sei deshalb nicht zweitwohnungssteuerpflichtig.
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Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2013 als unbegründet zurück. Auf die Begründung wird Bezug genommen.
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Am 13.01.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie wiederholt ihr Widerspruchsvorbringen.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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1. den Zweitwohnungssteuerbescheid der Beklagten vom 06.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2013 insoweit aufzuheben, als mehr als 873,18 € festgesetzt wurden.
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2. die Beklagte zu verpflichten, ihr den überzahlten Betrag incl. Mahngebühr iHv 16,- € zzgl. Zinsen seit dem 03.01.2014 zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 der Zweitwohnungssteuersatzung, da sie neben ihrer Hauptwohnung in A-Stadt eine Zweitwohnung im Gemeindegebiet zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs unterhalte. Dadurch, dass ihr Ehemann in der besteuerten Wohnung lebe, sei davon auszugehen, dass sich auch die Klägerin in der Wohnung aufhalte. Die Klägerin sei auch in voller Höhe zur Zweitwohnungssteuer heranzuziehen. Eine anteilige Veranlagung komme nicht in Betracht. Die Klägerin sei Mitinhaberin der Wohnung und behalte auch weiter neben ihrem dort lebenden Mann die Verfügungsgewalt der Wohnung in vollem Umfang.
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Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Mit Beschluss vom 05.02.2015 hat die Kammer den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Steuerbescheid vom 13.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2013 begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Heranziehung der Klägerin zur vollen Zweitwohnungssteuer erfolgte zu Recht.
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Rechtsgrundlage der Festsetzung der Zweitwohnungssteuer ist § 3 KAG in Verbindung mit den Bestimmungen der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde G. (ZWStS), in der für die maßgeblichen Zeiträume geltenden Fassungen der 1., 2. und 3. Änderungssatzung. Steuergegenstand ist gemäß § 2 ZWStS das Innehaben einer Zweitwohnung im Gemeindegebiet, über die jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken der persönlichen Lebensführung verfügen kann.
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Die Klägerin ist und war (Mit-) Eigentümerin und Inhaberin der Wohnung in A-Stadt, A. Wohnungsinhaber ist derjenige, der die alleinige oder gemeinschaftliche Verfügungsmacht und rechtliche Verfügungsbefugnis an der Wohnung für einen bestimmten Zeitraum besitzt. Dies kann nur der Eigentümer, Mieter oder sonst Nutzungsberechtigte sein (BVerwG, Urt. v. 13.05.2009 - 9 C 8/09 -, NVwZ 2009, 1172). Der Inhaberschaft steht die unentgeltliche Überlassung der Wohnung zur Nutzung Dritter nicht entgegen, soweit der Verfügungsberechtigte sich der Verfügungsmacht nicht begibt (BVerfG, Beschl. vom 06.12.1983 - 2 BvR 175, 79 -, BVerfGE 65, 325). So liegt der Fall auch hier. Die Klägerin hat sich offenbar entschieden, die Wohnung in A-Stadt ihrem Ehemann und Miteigentümer zur dauerhaften Nutzung zu überlassen. Dadurch hat die Klägerin aber ihre rechtliche Verfügungsbefugnis und Verfügungsmacht als (Mit-) Eigentümerin nicht verloren.
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Der Tatbestand des Innehabens ist hier damit bereits dadurch verwirklicht, dass die Klägerin ihrem Ehemann die Wohnung zum persönlichen Gebrauch überlassen hat. Dabei spielt es nach der neueren Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen OVG keine Rolle, dass der Ehemann der Klägerin in A-Stadt in dieser Wohnung mit Hauptwohnsitz gemeldet ist. Hierzu hat das OVG in der o.g. Entscheidung folgendes ausgeführt:
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„Der Aufwand für eine Erstwohnung ist kein besonderer über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehender Aufwand gemäß Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG (BVerwG, Urt. v. 29.11.1991 - 8 C 107.89 -, NVwZ 1992, 1098). Vorliegend steht jedoch nicht die Besteuerung des Aufwandes der Eltern des Klägers, sondern der des Klägers in Rede. Der erkennende Senat teilt nicht die vom früheren für das Zweitwohnungssteuerrecht zuständigen 2. Senat in einer älteren Entscheidung (Urt. v. 14.02.1992 - 2 L 17/92 -, juris) vertretene Auffassung, dass eine Wohnung nicht zugleich Erst- und Zweitwohnung sein könne. Die Begründung der Entscheidung, die Zweitwohnungssteuer erfasse den am Mietwert orientierten Gesamtaufwand für das Halten einer Wohnung (hier § 4 ZwStS) und für den Fall, dass mehrere Personen eine Wohnung gemeinschaftlich innehaben, der Gesamtaufwand als unteilbare Einheit anzusehen sei, sodass die Wohnungsinhaber lediglich als Gesamtschuldner herangezogen werden könnten (hier § 3 Abs. 2 ZwStS) und der für das Vorhalten eine Wohnung erforderliche Aufwand nicht einerseits der Aufwandsbesteuerung rechtlich entzogen, andererseits aber der Zweitwohnungsbesteuerung zugänglich sein könne, überzeugt nicht.
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Die gesamtschuldnerische Haftung hat lediglich zur Folge, dass von jedem Zweitwohnungsinhaber die Zweitwohnungssteuer in voller Höhe verlangt werde kann, aber nicht mehrfach. Eine Unteilbarkeit des Aufwandes folgt daraus nicht. Allenfalls könnte sich daher die Frage stellen, ob für die Fälle, in denen eine Mehrzahl von Wohnungsinhabern die Wohnung einerseits als Erstwohnung und andererseits als Zweitwohnung nutzen, der Besteuerung nur ein den Zweitwohnungsinhabern zurechenbarer Teilaufwand zu Grunde gelegt werden kann (siehe hierzu - abgesehen von eklatanten Missverhältnissen - ablehnend BayVGH, Urt. v. 14.07.2011 - 4 BV 10.1511 -, KSZ 2011, 2010), weil nur der Aufwand des oder der Zweitwohnungsinhaber besteuert werden darf. Dies ist aber allein eine Frage des Steuermaßstabes und nicht der Steuerpflichtigkeit.“
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Darüber hinaus hat die Klägerin nicht nur die Verfügungsmacht über die Wohnung behalten, sondern sie nutzt die Wohnung nach eigenem Vorbringen auch und ist melderechtlich dort mit Zweitwohnsitz gemeldet. Da die Zweitwohnungssteuer auch dann anfällt, wenn die Wohnung überhaupt nicht genutzt, sondern lediglich für den persönlichen Lebensbedarf vorgehalten wird, reichen gelegentliche Besuchsaufenthalte der Klägerin in der Wohnung in A-Stadt für die Erfüllung des Tatbestandes des § 2 Abs. 2 ZWStS völlig aus.
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Die Klägerin selbst trägt nicht vor, dass ihr Ehemann und sie getrennt leben. Wenn dem so ist, müssen sie auch dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft aus § 1353 Abs. 1 BGB folgen. Leben die Klägerin und ihr Ehemann nicht getrennt, so unterhalten sie offensichtlich zwei Ehewohnungen. Aus § 1353 Abs. 1 BGB folgt aber die Pflicht der Ehegatten, sich gegenseitig die Benutzung der ehelichen Wohnung zu gestatten. Regelmäßig sind daher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beide Ehegatten gleichberechtigte Mitbesitzer der ehelichen Wohnung. Es würde der Stellung des jeweils anderen Ehepartners nicht entsprechen, ihm jede selbständige Nutzungsbefugnis der Wohnung zu versagen und ihn im Sinne einer Besitzdienerschaft von den Weisungen des Ehepartners abhängig sein zu lassen (vgl. BGH, Beschl. v. 25.06.2004 - IX a ZB 29/04 -, zit. nach juris).
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Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend mache, sie hafte als hälftige Miteigentümerin nur zu 50 % für die Zweitwohnungssteuer. Die Zweitwohnungssteuerpflicht knüpft nicht an das (Mit-) Eigentum, sondern nach § 2 ZWStS an die Inhaberschaft an der Wohnung an. Angesichts ihrer gegenüber ihrem Ehemann und Miteigentümer gleichberechtigten Nutzungsbefugnis ist sie uneingeschränkte Inhaberin der streitbefangenen Wohnung und kann deshalb zu 100 % der Zweitwohnungssteuer herangezogen werden. Auf den Umstand, dass der Ehemann der Klägerin nicht zweitwohnungssteuerpflichtig und dementsprechend auch nicht Gesamtschuldner der Steuer ist, kommt es nicht an.
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Danach ist die Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf den §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung.
(2) Ein Ehegatte ist nicht verpflichtet, dem Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten, wenn sich das Verlangen als Missbrauch seines Rechts darstellt oder wenn die Ehe gescheitert ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.