Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 25. Jan. 2018 - 12 B 42/17
Gericht
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 24.10.2017 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13.10.2017 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,-- € festgesetzt.
Gründe
- 1
Der Antrag des Antragstellers,
- 2
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesarbeitsgerichts vom 13.10.2017 wiederherzustellen,
- 3
hat Erfolg.
- 4
Der nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag ist begründet. Die nach dieser Vorschrift gebotene Interessenabwägung zwischen dem privaten Aufschubinteresse des Antragstellers einerseits und dem öffentlichen Vollziehungsinteresse des Antragsgegners andererseits geht zu Gunsten des Antragstellers aus. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist der streitgegenständliche Bescheid offensichtlich rechtswidrig. Bei dieser Sachlage überwiegt das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides.
- 5
Der in Streit stehende Bescheid vom 13.10.2017 erweist sich in mehrfacher Hinsicht als fehlerhaft. Zwar genügt die in dem Bescheid enthaltene Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, in dem die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde angeordnet wird, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Sinn und Zweck dieses Begründungszwanges ist es, die Behörde zu veranlassen, sich des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst zu werden und die Frage, ob das öffentliche Interesse die sofortige Vollziehung erfordert, sorgfältig zu prüfen. Außerdem soll die Begründung dem Betroffenen die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrages ermöglichen und dem Gericht die Erwägungen der Behörde, die zu der Anordnung der sofortigen Vollziehung geführt haben, nachvollziehbar überprüfbar machen.
- 6
Diesen Anforderungen genügt die hier gegebene Begründung. Sie lässt erkennen, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters des Sofortvollzuges bewusst gewesen ist und die sachlichen Gründe für die sofortige Vollziehung darin sieht, dass die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs dazu führe, dass der geordnete Geschäftsbetrieb in der Behörde des Antragsstellers lange Zeit nicht nachhaltig sichergestellt werden könne, dass der Antragsteller als Geschäftsleiter Vorbildfunktion habe und der Sofortvollzug zur Sicherstellung des notwendigen Gesundheitsschutzes des Antragstellers erfolgt sei. Diese Ausführungen gehen über die den Bescheid als solche begründenden Erwägungen des Antragsgegners hinaus und sind daher geeignet, das über das bloße sogenannte Erlassinteresse, also das jedem Verwaltungsakt innewohnende Interesse der Verwaltung, rechtmäßig zu handeln, hinausgehende besondere Vollzugsinteresse zu belegen. Ob diese Erwägungen letztlich tatsächlich tragen, ist keine Frage der Begründung des Sofortvollzuges, sondern eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit.
- 7
Der Bescheid ist aber insoweit in formeller Hinsicht rechtswidrig, als die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts für seinen Erlass nicht zuständig war. Nach § 5 Abs. 2 der Dienstvereinbarung über die Einführung der flexiblen Arbeitszeit für Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger als landesweites Arbeitszeitmodell an allen Gerichten und Staatsanwaltschaften (im Folgenden: DV) ist die Dienststellenleitung berechtigt, einzelne Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger aus wichtigem Grund ganz oder teilweise von der flexiblen Arbeitszeit auszunehmen, vor allem wenn die Erfüllung der Dienstpflichten gefährdet ist oder Gründe in der Person der oder des Einzelnen es erforderlich machen.
- 8
Dabei ist die Dienststelle klassifiziert als kleinste organisatorisch abgrenzbare Verwaltungseinheit (vgl. Beschluss der Kammer vom 03.07.2014 – 12 A 142/13 – unter Hinweis auf OVG Koblenz vom 09.10.1998 – 10 A 11390/98 -, Juris). Dies ist vorliegend das Arbeitsgericht …. Geleitet wird dieses von der Direktorin des Arbeitsgerichts. Sie ist folglich die Dienststellenleitung. Nach der genannten Vorschrift ist auch nur sie berechtigt, Maßnahmen, wie mit dem angesprochenen Bescheid ausgesprochen, zu ergreifen.
- 9
Die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts kann sich nicht darauf berufen, dass sie nach § 3 Abs. 3 der Landesverordnung zur Übertragung personalrechtlicher Befugnisse in der Arbeitsgerichtsbarkeit vom 25.10.2010 (im Folgenden: LVO) tätig gewesen ist. Nach dieser Vorschrift ist sie zuständig für Personalangelegenheiten der Beamtinnen und Beamten der Laufbahngruppe I, erstes und zweites Einstiegsamt, und der Laufbahngruppe II, erstes Einstiegsamt, sowie der vergleichbaren Tarifbeschäftigten des Landesarbeitsgerichts und der Arbeitsgerichte einschließlich der Abordnung und Versetzung dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Abgesehen davon, dass es sich bei der DV im Verhältnis zur LVO gerade im Hinblick auf die Gestaltung der Arbeitszeit um die speziellere Regelung handeln dürfte, spricht gegen ein Tätigwerden der Präsidentin des Landesarbeitsgerichts in einer Personalangelegenheit iSd § 3 Abs. 3 der LVO, dass sie im Bescheid vom 13.10.2017 sowohl im Tenor als auch in der Begründung ausdrücklich die Bestimmung des § 5 Abs. 2 DV als Rechtsgrundlage herangezogen hat und sich damit – unzulässiger Weise - als „Dienststellenleitung“ geriert hat. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Direktorin des Arbeitsgerichts … – als Dienstellenleitung - bereits im Vorfeld und vor Erlass des Bescheides mit der Angelegenheit befasst hat (vgl. ihre Email vom 29.08.2017 an den Antragsteller), hätte auch sie konsequenter Weise, und nicht die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts den hier in Rede stehenden Bescheid erlassen müssen.
- 10
Auch in materieller Hinsicht hält der Bescheid einer Überprüfung nicht stand. Dass der Antragsteller zur Erfüllung seiner Dienstpflichten iSd § 5 Abs. 2 DV nicht in der Lage gewesen ist bzw. eine solche Erfüllung tatsächlich gefährdet war, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Wenn es demgegenüber in dem angefochtenen Bescheid heißt, dass „Abwesenheiten … nicht zu einer höheren Belastung bei anderen führen“ (dürfen), wird dem Antragsteller damit – zumindest indirekt – vorgeworfen, dass sein in der Vergangenheit gezeigtes Verhalten zu einer Mehrbelastung anderer Mitarbeiter geführt hat. Das dies zutrifft, lässt sich indes nach dem Akteninhalt nicht feststellen. Vielmehr hat die Direktorin des Arbeitsgerichts in einer E-Mail vom 15.08.2017 an die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts ausgeführt, dass der Antragsteller seine Vertreterin umfangreich vertreten und zahlreiche Arbeiten erledigt habe. Sie könne nicht feststellen, dass der Antragsteller Akten unbearbeitet in das Fach seiner Vertreterin gelegt habe. Auch der Hinweis des Antragsgegners, der Antragsteller habe nicht zuletzt aus Gründen des Gesundheitsschutzes aus der Regelung der flexiblen Arbeitszeit herausgenommen werden müssen, verfängt nicht. Soweit dafür eine tatsächlich nicht vorhandene äußerst hohe Belastung in Verbindung mit geringen Anwesenheits- und Erreichbarkeitszeiten des Antragstellers bemüht werden, und daraus der Schluss gezogen wird, dass dies zu sehr belastend ist für den Antragsteller, widerspricht das der oben dargestellten Feststellung der Direktorin des Arbeitsgerichts über das Arbeitspensum des Antragstellers. Darüber hinaus erschließt sich der Kammer auch nicht, in wieweit die Wiederauflegung der Zeiterfassung der Gesundheit des Antragstellers förderlich sein soll.
- 11
Die Kammer hält es auch für nicht angängig, die Herausnahme des Antragstellers aus der flexiblen Arbeitszeitregelung damit zu begründen, er hätte die ihm obliegende Arbeitszeit/Anwesenheit im Gericht nicht eingehalten. Dabei kann zunächst dahingestellt bleiben, ob – wie der Antragsgegner unter Hinweis auf § 3 Abs. 2 der DV meint - von einer regelmäßigen Arbeitszeit von 41 Stunden wöchentlich auszugehen ist (vgl. § 2 Abs. 1 der Landesverordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten Arbeitszeitverordnung – SHAZVO -) oder – wie der Antragsteller unter Hinweis auf § 4 Abs. 1 der DV geltend macht – diese Regelung für ihn nicht zutreffe.
- 12
Selbst wenn man mit dem Antragsgegner und der von ihm zitierten Rechtsprechung (vgl. BAG, Urteil vom 29.08.2013 – 2 AZR 273/12 – juris) davon ausgeht, dass die flexible Arbeitszeitregelung nicht von der Ableistung der regelmäßigen Arbeitsverpflichtung, d. h., 41 Stunden wöchentlich, entbindet, vermag die Kammer nicht festzustellen, dass der Antragsteller dieser Verpflichtung regelmäßig nicht nachgekommen ist. Zwar behauptet der Antragsgegner in dem Bescheid vom 13.10.2017, dass der Antragsteller „nahezu täglich mehrere Stunden nicht im Dienst“ (gewesen sei). Die dazu von ihm getroffenen Feststellungen sind allerdings sehr ungenau und unvollständig. Zwar hat er in seinem Schriftsatz vom 11.12.2017 eine Aufstellung von Fehlzeiten des Antragstellers eingereicht. Allerdings ist eine durchgehende Protokollierung lediglich in der Woche vom 24.07. bis 28.07.2017 erfolgt. Danach sind nur noch „stichprobenartig“ die Arbeitszeiten des Antragstellers gelistet worden. Selbst bei der durchgehenden Protokollierung in der Woche vom 24.07. bis zum 28.07.2017 lässt sich nicht feststellen, wie lange der Antragsteller an den einzelnen Tagen tatsächlich im Gericht gewesen ist, insbesondere wann er seinen Dienst beendet hat. So heißt es für Montag, den 24.07.2017 lediglich, dass der Antragsteller um 08.30 Uhr eingetroffen und mittags zwei Stunden nicht auffindbar gewesen sei. Gleiches gilt für den Dienstag, den 25.07.2017 und Donnerstag, den 27.07.2017. Mit Ausnahme von Mittwoch, den 26.07.2017 und Dienstag, den 01.08.2017, in dem ausdrücklich der „Feierabend“ des Antragstellers festgestellt worden ist, finden sich keine Aussagen zum jeweiligen Arbeitszeitende des Antragstellers. Ob der Antragsteller auch „Heimarbeit“ leistet, ist unklar geblieben. Während der Antragsteller dies behauptet hat, hat der Antragsgegner dies verneint. Feststellungen dazu sind jedenfalls nicht getroffen worden. Demzufolge kann im Rahmen dieses nur auf summarische Überprüfung gerichteten Verfahrens nicht beurteilt werden, ob überhaupt und gegebenenfalls inwieweit der Antragsteller eine wöchentliche Arbeitszeit von 41 Stunden unterschritten hat. Die Aussage in dem angefochtenen Bescheid vom 13.10.2017, dass seine Anwesenheit im Arbeitsgericht „weit entfernt von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden ist“, werden von den tatsächlichen Feststellungen des Antragsgegners jedenfalls nicht getragen.
- 13
Schließlich ist der Bescheid vom 13.10.2017 auch insoweit zu beanstanden, als er gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt. Für den Antragsteller stellt sich seine Herausnahme aus der flexiblen Arbeitszeit als nicht unerheblicher Eingriff dar. Insoweit hätte es nach Auffassung der Kammer vor Erlass des Bescheides vom 13.10.2017 einer zunächst milderen Maßnahme bedurft, so dass der Antragsteller Gelegenheit gehabt hätte, sein Verhalten zu überdenken und gegebenenfalls zu ändern. Zwar gibt es im öffentlichen Dienstrecht keine mit der im Arbeitsrecht gebräuchlichen Abmahnung vergleichbare Maßnahme. Jedoch hätte es nach Auffassung der Kammer zumindest eines vorherigen deutlichen Hinweises, gegebenenfalls einer Weisung seitens der Direktorin des Arbeitsgerichts bedurft, bevor die streitgegenständliche Maßnahme verfügt wurde. Dies ist indes nicht geschehen. Der bereits oben erwähnte Hinweis der Direktorin des Arbeitsgerichts vom 29. August 2017 reicht dafür nicht aus. In dieser E-Mail hat die Direktorin lediglich darum gebeten, dass sich der Antragsteller beim Verlassen sowie beim Wiederkommen in einer der Service-Einheiten melden möge. Abgesehen davon, dass der Antragsteller in diesem Schreiben nicht mit der notwendigen Deutlichkeit und Verbindlichkeit auf das von ihm erwartete Verhalten und eventuelle Folgen hingewiesen wurde, steht der Inhalt auch in Widerspruch zu dem ihm nunmehr im Bescheid vom 13.10.2017 vorgeworfenen Verhalten, wonach er zu keinem Zeitpunkt mit der Direktorin des Arbeitsgerichts oder mit seiner Vertreterin seine Abwesenheitszeiten abgesprochen habe. Selbst wenn die Direktorin anlässlich des Anhörungsgespräches vom 04.09.2017 gegenüber dem Antragsteller ihre bisherige Auffassung insoweit relativiert haben sollte, als sie es nunmehr für notwendig ansieht, dass längere Abwesenheitszeiten des Antragstellers mit ihr oder seiner Vertreterin abgesprochen werden müssen, findet sich auch in dem Anhörungsprotokoll kein Hinweis darauf, dass der Antragsteller auf mögliche Folgen hingewiesen worden ist, wenn er an seinem bisherigen Verhalten festhält. Insoweit erscheint die im Bescheid vom 13.10.2017 verfügte Maßnahme als nicht verhältnismäßig.
- 14
Auch wenn es nach den obigen Ausführungen nicht darauf ankommt wird noch Folgendes angemerkt:
- 15
Zur Gewährleistung eines reibungslosen Geschäftsbetriebes dürfte es bei – längerer – Abwesenheit des Antragstellers als Geschäftsleiter nach Auffassung der Kammer (zwingend) geboten sein, dass er sich entweder bei seiner Vertretung oder bei der Dienststellenleitung ab- und wieder zurückmeldet; denn nur so ist gewährleistet, dass Aufgaben bei seiner Abwesenheit, insbesondere, wenn Sachen eilbedürftig sein sollten, ordnungsgemäß wahrgenommen werden. Jedenfalls ist eine Abmeldung bei unterschiedlichen Mitarbeitern der Serviceeinheiten, wie vorliegend vom Antragsteller praktiziert, nicht angängig. Es liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Vertiefung, dass solch eine Praxis durchaus geeignet ist, zu Störungen im Geschäftsablauf zu führen.
- 16
Darüber hinaus dürfte der Antragsteller auch nicht berechtigt sein, seine Mittagspause über einen bestimmten Zeitraum hinaus auszudehnen. Eine Mittagspause von mehr als zwei Stunden dürfte ihm nicht zur Seite stehen. Als Orientierung mag dabei Nr. 4 der Dienstvereinbarung über die variable Arbeitszeit beim Landesarbeitsgericht und den Arbeitsgerichten vom 01.09.2016 dienen, wonach für die Mittagspause höchstens zwei Stunden vorgesehen sind.
- 17
Unbeschadet der Frage, ob es dienstrechtlich zulässig wäre, hält es die Kammer schließlich auch zumindest für äußerst unglücklich, wenn der Antragsteller in der Vergangenheit seine Mittagspausen mit einem Training im Fitness-Studio ausgefüllt hat. Zwar ist gegen eine sportliche Betätigung generell nichts einzuwenden, diese kann bzw. sollte aber – worauf die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts in der Anhörung vom 04.09.2017 hingewiesen hat – in den Abend oder in die Freizeit gelegt werden. Anderenfalls könnte das Verhalten des Antragstellers geeignet, eine ungünstige Außenwirkung zu erzeugen. Zum einen ist es nicht fernliegend, dass Mitarbeiter und Besucher des Fitness-Studios den Antragsteller kennen, zum anderen wissen die Mitarbeiter des Arbeitsgerichts … von der Betätigung des Antragstellers, so dass es mehr als wahrscheinlich ist, dass eine unbestimmte Anzahl von außenstehenden Personen und damit die Öffentlichkeit von seiner Beschäftigung in der Mittagspause erfährt. Damit besteht zumindest die Gefahr, dass sich insoweit der Eindruck eines nicht ausgelasteten (leitenden) Beamten ergeben könnte.
- 18
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
- 19
Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 iVm 52 Abs. 2 GKG festgesetzt worden.
moreResultsText
Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.