Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 19. Okt. 2016 - RN 12 K 16.345
Gericht
Tenor
I.
Der Bescheid des Landratsamts ...
II.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen im Rahmen der Bauüberwachung ergangenen Mängelbescheid.
Der Kläger ist Geschäftsführer der ... GmbH, welche Eigentümerin des Grundstücks Flurstück Nr. ...24/1... der Gemarkung ... (Anwesen ... 1) ist. Dieses Grundstück ist mit dem „2...“ bebaut.
Mit Bescheid vom
Ziff. 2, fünfter Absatz:
„Die Ausgänge ins Freie bzw. zu den Fluchtwegen müssen jederzeit ohne Behinderung begehbar sein. Ferner sind Vorkehrungen zu treffen, dass im Gefahrenfall die Balkone ohne nennenswerte Behinderung bzw. Gefährdung als Fluchtweg benützt werden können. Die Trennwände zwischen den einzelnen Zimmern auf den Balkonen müssen entsprechend gestaltet sein.“
Ziff. 2, siebter Absatz:
„In den Treppenräumen und den dazugehörigen unmittelbaren Ausgängen ins Freie dürfen keine brennbaren Verkleidungen verwendet werden. Im Übrigen müssen brennbare Verkleidungen in Fluren mindestens schwer entflammbar sein. Das Gleiche gilt auch für Bodenbeläge.“
Ziff. 15:
„Das Haupttreppenhaus in Gebäudemitte vom 1. ins 2. OG sowie das weitere Treppenhaus im östlichen Trakt muss in ganzer Höhe feuerbeständige Wände in Brandwandstärke und eine F-90-Decke erhalten. Zu den Fluren hin sind die Treppenhäuser mind. mit rauchdichten, selbstschließenden Metalltüren mit Drahtglasfüllung abzutrennen.
Alle Treppenhäuser erhalten direkten Ausgang ins Freie.“
Ziff. 24:
„Glastüren und Glasflächen, die bis zum Fußboden allgemein zugänglicher Verkehrsflächen herabreichen, sind so zu kennzeichnen, dass sie leicht erkannt werden können. Für sie ist ausreichend dickes und bruchsicheres Glas zu verwenden.“
Ziff. 25:
„Wand- und Deckenverkleidungen im Treppenhaus müssen aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen; in allgemein zugänglichen Fluren, die als Rettungswege dienen, müssen Wandoberflächen und Verkleidungen, Einbauten und Dämmschichten aus mindestens schwer entflammbaren Baustoffen bestehen.“
Mit notariellem Vertrag vom
Mit Schreiben vom
Nachdem der damalige Pächter, W2..., am 12.1.2013 eine Mängelliste an den Eigentümer und an das Landratsamt versandt hatte, welche auch Mängel hinsichtlich des Brandschutzes enthielt, fand am
„4. Die Türen in Rettungswegen sind so auszustatten, dass sie während des Aufenthalts von Personen jederzeit in Fluchtrichtung mittels eines Handgriffs in voller Breite geöffnet werden können (§ 9 Abs. 3 VStättV und § 11 Abs. 1 BStättV). Empfohlen werden Paniktürverschlüsse.
...
7. Die Haupteingangshalle mit Treppe zum ersten Obergeschoss ist mit rauchdichten und selbst schließenden Türen - in den Bauzeichnungen zu Bauantrag Nr. 07... werden mit Rotrevidierung Stahlrahmentüren mit Brandschutzverglasung gefordert - von den angrenzenden Fluren zu trennen.
Alternativ sind in der Eingangshalle mit Rezeption die Wand- und Deckenverkleidungen sowie die Möblierung nicht brennbar auszubilden.
10. Glastüren und andere Glasflächen bei allgemein zugänglichen Flächen sind ausreichend dick und bruchsicher auszubilden (Art. 35 BayBO).
Als brandschutzrechtliche Anforderungen an diese Türen gestellt werden - s. Ziffer 7 - müssen diese Verglasungen die Mindestanforderung G 30 erfüllen.“
Mit Schreiben vom
Mit Schreiben vom
Mit Schreiben vom
Mit an den Kläger persönlich gerichtetem Bescheid vom
U. a. wurde gefordert:
„d. Die Türen in Rettungswegen sind so auszustatten, dass sie während des Aufenthalts von Personen jederzeit in Fluchtrichtung mittels eines Handgriffs in voller Breite geöffnet werden können (§ 9 Abs. 3 VStättV und § 11 Abs. 1 BStättV). Empfohlen werden Paniktürverschlüsse.
g. Die Haupteingangshalle mit Treppe zum ersten Obergeschoss ist mit rauchdichten und selbst schließenden Türen - in den Bauzeichnungen zu Bauantrag 07... werden mit Rotrevidierung Stahlrahmentüren mit Brandschutzverglasung gefordert - von den angrenzenden Fluren zu trennen.
h. In den Treppenräumen und den dazugehörigen unmittelbaren Ausgängen ins Freie dürfen keine brennbaren Verkleidungen verwendet werden. Die vorhandenen Wand- und Deckenverkleidungen aus brennbaren Baustoffen im Haupttreppenhaus bis ins Freie müssen durch nicht brennbare Verkleidungen ersetzt werden.
i. Glastüren und andere Glasflächen bei allgemein zugänglichen Flächen sind ausreichend dick und bruchsicher auszubilden (Art. 35 BayBO).
Als brandschutzrechtliche Anforderungen an diese Türen gestellt werden - s. Ziffer 7 - müssen diese Verglasungen die Mindestanforderung G 30 erfüllen.“
Zur Begründung stützte sich das Landratsamt ... auf Art. 54 Abs. 2, 78, 75 und 76 BayBO, wonach die Bauaufsichtsbehörde darüber zu wachen habe, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten würden und die zur Wahrnehmung dieser Aufgaben erforderlichen Maßnahmen treffen könne.
Mit Schreiben vom
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten hat der Kläger am 4.3.2016 Klage gegen den Bescheid des Landratsamts ... vom 4.2.2016 beim Verwaltungsgericht Regensburg erhoben.
Der Kläger macht geltend, dass er den Mängelbescheid des Landratsamtes ...
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Landratsamtes ...
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landratsamt ... beruft sich auf die Baugenehmigung vom
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einnahme eines Augenscheins durch den Berichterstatter am
Für den Sachverhalt und das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze, die Behördenakten sowie den Inhalt der Niederschriften über die Beweisaufnahme vom 23.6.2016 und die mündliche Verhandlung vom 19.10.2016.
Gründe
I.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Landratsamt ... den Mängelbescheid auf die im Rahmen von Art. 54 Abs. 2 BayBO erfolgende allgemeine Bauüberwachung oder auf Art. 54 Abs. 4 BayBO stützen kann. In beiden Fällen wäre nämlich die ... GmbH richtiger Adressat einer behördlichen Anordnung.
Erlässt die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen des Art. 54 BayBO Anordnungen, so hat sie die sicherheitsrechtlichen Grundsätze der Störerauswahl zu berücksichtigen, wonach grundsätzlich zunächst der „Doppelstörer“, also die Person, die Handlungs- und Zustandsstörer zugleich ist, und im Übrigen der Handlungsstörer vor dem Zustandsstörer heranzuziehen ist (Vgl. Dirnberger in: Simon/Busse, BayBO, Art. 54, Rn. 110).
Vorliegend knüpft die vom Beklagten getroffene Anordnung an die Nichterfüllung der im Bescheid vom
Zustandsstörer ist dabei der Inhaber der tatsächlichen Gewalt oder der Eigentümer einer Sache, deren Verhalten oder Zustand Grund für die Gefahr oder die Störung ist (Decker in: Simon/Busse, BayBO, Art. 76, Rn. 166). Nach diesen Grundsätzen konnte vorliegend entweder die ... GmbH als im Grundbuch eingetragene Eigentümerin oder der jeweilige Pächter als Inhaber der tatsächlichen Gewalt als Zustandsstörer herangezogen werden. Im zweiten Fall hätte es allerdings zusätzlich einer Duldungsanordnung gegenüber der ... GmbH als Eigentümerin bedurft. Im Übrigen ist auch weder von der Beklagtenseite vorgetragen noch sonst anzunehmen, dass der Kläger persönlich Pächter des streitgegenständlichen Grundstücks gewesen wäre.
Nichts anderes ergibt sich, wenn man auf die Rechtsgrundlage aus Art. 54 Abs. 4 BayBO abstellt, wonach bei bestandsgeschützten Anlagen nachträgliche Anforderungen gestellt werden können, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben oder Gesundheit notwendig ist. Zum einen kommt ein Rückgriff auf Art. 54 Abs. 4 BayBO nur in Betracht, soweit nicht die jeweilige Verpflichtung bereits bestandskräftig im Bescheid vom 23.8.1982 verfügt wurde, was für die meisten Anordnungen der Fall sein dürfte. Zum anderen wäre auch insoweit wieder der Eigentümer, also die ... GmbH, als Eigentümerin und damit Zustandsstörerin in Anspruch zu nehmen gewesen.
Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht damit begründen, dass der Kläger persönlich gegenüber der Bauaufsichtsbehörde als Bauherr bzw. als der maßgeblich Verantwortliche aufgetreten wäre und ein Hinweis auf die Verantwortlichkeit anderer Personen für den baurechtswidrigen Zustand unterblieben wäre. Zwar ist in diesen Fällen anerkannt, dass es nicht ermessenfehlerhaft ist, wenn die Behörde eine Anordnung gegen denjenigen richtet, der sich immer wieder als der maßgeblich Verfügungsberechtigte oder wirtschaftlich Verantwortliche geriert hat. Das hat der Kläger im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht getan. Vielmehr ist sowohl 1993 und 1995 als auch 2013 gegenüber dem Landratsamt stets die ... GmbH in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin aufgetreten, während der Kläger - soweit er selbst tätig wurde - Schreiben jeweils mit dem Zusatz „Geschäftsführer“ unterzeichnete. Umgekehrt richtete ausweislich der Behördenakten auch das Landratsamt ... seinerseits in den Jahren 1993 und 1995 Schreiben nicht an den Kläger, sondern an die ... GmbH. Da auf die in den Jahren 2013 an den Landrat bzw. das Landratsamt ... gerichteten Schreiben der ... GmbH keine Antwort mehr erfolgte, enthielt - soweit aus den vorgelegten Akten ersichtlich - der mit dieser Klage angefochtene Bescheid erstmals eine Adressierung an den Kläger persönlich.
Anders als die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist in diesem Zusammenhang ohne jeden Belang, dass nach Erlass des Mängelbescheids vom
Schließlich geht auch die Argumentation der Beklagtenseite fehl, eigentlicher Adressat des Bescheids sei letztlich die ... GmbH gewesen. Eine derartige Auslegung wäre allenfalls dann möglich, wenn ein entsprechender Wille des Landratsamts im Bescheid vom 4.2.2016 seinen Niederschlag gefunden hätte. Vorliegend enthalten jedoch weder Tenor noch Begründung des Bescheids auch nur den geringsten Hinweis auf die GmbH oder die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer, sondern richten sich ausschließlich an den Kläger persönlich.
Selbst wenn man davon ausginge, der Kläger sei aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer der GmbH persönlich zum Handeln verpflichtet, wozu seitens des Beklagten keinerlei Überlegungen vorgetragen wurden, wäre in der hier beschriebenen Konstellation die Störerauswahl, den Kläger persönlich heranzuziehen, als ermessenfehlerhaft anzusehen.
II.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
III.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
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Annotations
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.