Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 17. Nov. 2017 - 5 K 777/17.NW
Gericht
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt.
Gründe
I.
- 1
Die Kläger begehren die Feststellung, dass die Beklagte zur Vornahme einer Zwangsräumung am 23. August 1990 nicht berechtigt war.
- 2
Die Kläger wohnten bis zum 23. August 1990 in einer gemieteten Wohnung in der A-Straße ... in Neustadt/Wstr. Im Zusammenhang mit einer am 23. August 1990 durchgeführten Zwangsräumung aufgrund eines zivilrechtlichen Räumungstitels wies die Beklagte die Familie mit obdachlosenpolizeilicher Verfügung vom 22. August 1990 in eine Unterkunft in der B-Straße ... ein. Die Klägerin zu 1) legte alsbald nach Erhalt der Verfügung Widerspruch ein und erhob Klage, mit der sie die Aufhebung der Verfügung vom 22. August 1990 und Einweisung in eine andere menschenwürdigere Wohnung begehrte. Die Klage wies das Verwaltungsgericht Neustadt/Wstr. mit Urteil vom 26. Juni 1992 – 7 K 2546/91.NW – ab, die hiergegen eingelegte Berufung wies das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 27. November 1992 – 6 A 11597/92.OVG – zurück. Weitere Klagen der Klägerin zu 1) wegen der Verfügung vom 22. August 1990 wurden wegen der bereits ergangenen rechtskräftigen Entscheidung als unzulässig abgewiesen (z.B. in den Verfahren 7 K 3522/92.NW/12 A 12368/93.OVG und 7 K 68/05.NW).
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Die Kläger zu 2) und 3) erhoben mehrere Feststellungsklagen (z.B. 7 K 6095/93.NW, 7 K 6096/93.NW und 7 K 4083/94.NW (an diesem Verfahren war auch die Klägerin zu 1) beteiligt), die als unzulässig abgewiesen wurden, weil kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der „Nichtexistenz“ der Verfügung vom 22. August 1990 bestehe. Weitere von den Klägern angestrengte Gerichtsverfahren hatten ebenfalls Fragen der Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit der Verfügung vom 22. August 1990 – direkt oder indirekt – zum Gegenstand und blieben ohne Erfolg.
- 4
Mit Urteil vom 11. Januar 2008 – 5 K 198/07.NW – wies das beschließende Gericht die Klage der Kläger auf Feststellung, dass durch den scheinbaren Verwaltungsakt Einweisungsverfügung vom 22. August 1990 kein Rechtsverhältnis entstanden sei, unter Verweis auf die Rechtskraft der zuvor ergangenen Urteile als unzulässig ab.
- 5
Daraufhin erhoben die Kläger Klage auf Feststellung, dass das in dem Verfahren 5 K 198/07.NW ergangene Urteil vom 11. Januar 2008 nichtig sei. Diese Klage wies das beschließende Gericht mit Urteil vom 10. November 2008 – 5 K 551/08.NW – ab.
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Im Januar 2014 klagten die Kläger auf die Feststellung, dass die Beklagte zur Vornahme einer Zwangsräumung am 23. August 1990 nicht berechtigt war. Diese Klage wurde mit Urteil vom 4. November 2014 – 5 K 49/14.NW – mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, die Klage betreffe den Vorgang um die zivilrechtliche Räumung und anschließende obdachlosenrechtliche Einweisung der Familie, der die Kläger angehörten, am 22./23. August 1990. Hierüber seien in der Vergangenheit zahlreiche Rechtsstreitigkeiten geführt worden, die rechtskräftig geworden seien. Die Rechtskraft dieser Entscheidungen stehe einer erneuten gerichtlichen Sachentscheidung zu diesem Streitgegenstand entgegen.
- 7
Im Dezember 2014 erhoben die Kläger Klage gegen das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Präsidenten des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilichen Handelns im Zusammenhang mit der Räumung und anschließender Einweisung in die Obdachlosenunterkunft K-Straße .. in Neustadt im August 1990. Diese Klage wurde mit Urteil vom 25. November 2015 – 5 K 1086/14.NW – abgewiesen.
- 8
Im Dezember 2015 erhoben die Kläger erneut Klage gegen das Land Rheinland-Pfalz auf Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilichen Handelns im Zusammenhang mit der o.g. Räumung und anschließender Einweisung in die Obdachlosenunterkunft B-Straße ... in Neustadt im August 1990. Diese Klage wies das beschließende Gericht mit Urteil vom 18. November 2016 – 5 K 1095/15.NW – ab.
- 9
Im Dezember 2016 klagten die Kläger wiederum gegen das Land Rheinland-Pfalz mit dem Begehren, festzustellen, dass das polizeiliche Handeln im Zusammenhang mit der o.g. Räumung im August 1990 rechtswidrig war. Diese Klage wies das beschließende Gericht mit Urteil vom 6. Juni 2017 – 5 K 1155/16.NW – ab.
- 10
Daraufhin haben die Kläger am 3. Juli 2017 Klage gegen die Stadt Neustadt/Wstr. erhoben. Sie begehren in diesem Verfahren die Feststellung, dass die Beklagte zur Vornahme einer Zwangsräumung am 23. August 1990 nicht berechtigt war. Das Gericht hat die Streitsache mit dem Betreff „wegen Obdachlosenrechts“ eingetragen, wogegen sich die Kläger beschwert haben. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat die Beschwerde mit Beschluss vom 11. August 2017 – 7 E 11406/17.OVG – mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, die Eingangsbearbeitung durch das Verwaltungsgericht stelle eine prozessleitende Verfügung dar, die nicht mit der Beschwerde angefochten werden könne. Dagegen haben die Kläger Anhörungsrüge und Gegenvorstellung erhoben, die mit Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. August 2017 – 7 E 11471/17.OVG – als unzulässig verworfen worden ist.
- 11
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2017 hat das beschließende Gericht die Kläger darauf hingewiesen, dass erwogen werde, das Verfahren einzustellen, da im Hinblick auf die in der Vergangenheit zu dem Komplex „Zwangsräumung 1990“ ergangenen Entscheidungen kein weiteres sinnvolles Rechtsschutzbegehren in der erneuten Klage mehr gesehen werden könne. Hierauf haben die Kläger geantwortet, das gerichtliche System dürfe nicht abrutschen aus dem Feld des Rechts ins Willkürliche, indem es bei offensichtlich unrechtmäßigen Handlungen der Verwaltungsbehörde dieser den Rücken decke.
II.
- 12
Das Verfahren ist von Amts wegen einzustellen, da die Eingaben der Kläger nicht als wirksam erhobene und damit nach der Prozessordnung zu bearbeitende Klagen und Anträge zu werten sind.
- 13
Eine Ausprägung des für jeden Rechtsbehelf vor den Verwaltungsgerichten notwendigen Rechtsschutzbedürfnisses stellt es dar, dass der Rechtsschutzsuchende das Gericht nicht für unnütze oder unlautere Zwecke in Anspruch nehmen kann (Bay. VGH, Beschluss vom 14. März 1990 – 5 B 89.3542 –, NJW 1990, 2403). Es ist in der Rechtsprechung daher anerkannt, dass eine bloße Nichtbearbeitung und schlichtes Austragen in Betracht kommen kann, wenn es an einem sinnhaften und ernst zu nehmenden Rechtsschutzbegehren fehlt (s. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Juli 2016 – 1 S 294/16 –, NVwZ-RR 2017, 4; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. August 2015 – L 12 AS 2359/15 WA –, Justiz 2016, 40; Bay. VGH, Beschluss vom 14. März 1990 – 5 B 89.3542 –, NJW 1990, 2403). Ein sinnhaftes und ernst zu nehmendes Rechtsschutzbegehren kann beispielsweise bei völlig wirrem oder stereotyp wiederholtem Vorbringen fehlen, was insbesondere bei absurden Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz oder bei offensichtlich unschlüssigem Vorbringen anzunehmen ist, etwa wenn kein konkreter Streitgegenstand erkennbar ist, der Kläger nur allgemeine Ausführungen ohne irgendeinen Bezug zum materiellen Recht macht oder wenn sein Vorbringen bereits mehrmals Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Juli 2016 – 1 S 294/16 –, NVwZ-RR 2017, 4 m.w.N.). Entsprechendes gilt, wenn ein Rechtsschutzersuchen erkennbar nicht mehr der Wahrnehmung prozessualer Rechte, sondern ausschließlich verfahrensfremden Zwecken dient.
- 14
Nach diesen Grundsätzen ist die Eingabe der Kläger nicht als wirksam erhobene und damit nach der Prozessordnung zu bearbeitende Klage zu werten. Die erneute „Klage“ dient erkennbar nicht mehr der Wahrnehmung prozessualer Rechte, sondern ausschließlich verfahrensfremden Zwecken.
- 15
Wie den Gründen zu I. im Einzelnen entnommen werden kann, war der Vorfall vom 23. August 1990 seit dem Jahre 1991 immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Die Einweisung in eine neue Wohnung und die Zwangsräumung, die Hintergrund sämtlicher in der Vergangenheit erhobener diesbezüglicher Klagen der Kläger sind, liegen inzwischen über 27 Jahre zurück. Alle Klagen dazu blieben erfolglos, und zwar unabhängig davon, ob sich die Klage gegen die Beklagte oder gegen das Land Rheinland-Pfalz richtete. Zuletzt stellte das beschließende Gericht in den ergangenen Urteilen mehrfach fest, dass die Rechtskraft der Entscheidungen einer erneuten gerichtlichen Sachentscheidung zu diesem Streitgegenstand entgegenstehe. Im Übrigen fehle es wegen des Zeitablaufs von über 25 Jahren an einem berechtigten Feststellungsinteresse im Sinne von § 43 Abs. 1 2. Halbsatz Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – im Hinblick auf jegliches Handeln der Polizeivollzugsbeamten am 23. August 1990. Trotz der ergangenen Urteile haben die Kläger immer wieder neue weitgehend inhaltsgleiche Klagen erhoben, mit denen sie festgestellt haben wollen, dass die Zwangsräumung am 23. August 1990 unberechtigt war. Den Begründungen in den o.g. Urteilen sind die Kläger unzugänglich geblieben. Angesichts der zahlreichen ergangenen Gerichtsentscheidungen muss sich der Eindruck aufdrängen, dass es den Klägern nunmehr allein darauf ankommt, stets neue verwaltungsgerichtliche Verfahren zu kreieren, um die Gerichte zu beschäftigen. Dies zeigt eindrucksvoll das vorliegende Verfahren, in dem die Kläger reklamiert haben, die Streitsache dürfe nicht mit dem Betreff „wegen Obdachlosenrechts“ sondern müsse mit dem Betreff „wegen Polizeirechts“ eingetragen werden. Obwohl die genaue Angabe des Betreffs für den Ausgang des Verfahrens vollkommen irrelevant ist, da Obdachlosenrecht zum Sachgebiet des Polizeirechts gehört, haben die Kläger dagegen Beschwerde und nach Zurückweisung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 11. August 2017 – 7 E 11406/17.OVG – Anhörungsrüge und Gegenvorstellung erhoben. Ferner haben sie „Aufsichtsbeschwerde“ und „Erinnerung“ dagegen erhoben, dass die Geschäftsstelle der 5. Kammer auf ihre Eingabe hin kein zusätzliches „O-Aktenzeichen“ im Hinblick auf ihre Beschwerde gegen den angeblich falschen Betreff eingetragen hat. All diese Umstände unterstreichen, dass die Kläger nur aus sachwidrigen Erwägungen heraus die Gerichte für unnütze Zwecke in Anspruch nehmen.
- 16
In diesem Zusammenhang kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die in der Vergangenheit entstandenen und von den Klägern zu tragenden Gerichtskosten – diese betragen gerichtsübergreifend für alle drei Kläger inzwischen nahezu 30.000 € –, bisher uneinbringlich sind. Dieser Umstand ermöglicht den Klägern allem Anschein nach erst ihre sachwidrige Vorgehensweise.
- 17
Die Rechtsschutzmöglichkeiten der VwGO stehen für diesen Zweck jedoch nicht zur Verfügung. Der Zugang zu den Gerichten wird vom Grundgesetz nicht lediglich als formelles Recht, die Gerichte anzurufen, garantiert, sondern zielt auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes. Der damit garantierte Rechtsschutz erfolgt durch eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche richterliche Entscheidung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005 – 2 BvR 656/99 –, NJW 2005, 1999). Dies entspricht jedoch nicht der Absicht der betroffenen Kläger. Diese nutzen den vorliegenden Rechtsbehelf nicht um Rechtsschutz zu erlangen, sondern in zweckwidriger, rechtsmissbräuchlicher Weise (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 1 BvL 18.11 –, NJW 2013, 1418). Daher ist das Gericht auch unter Berücksichtigung der in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG – verankerten Garantie effektiven Rechtschutzes nicht gehalten, das vorgebrachte Begehren nach Maßgabe der Prozessordnung zu prüfen.
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Das Fehlen eines ernsthaft verfolgten Anspruchs führt hier nicht dazu, dass die „Klage“ noch förmlich durch Prozessurteil abzuweisen wäre. Es ist hier nicht etwa der Rechtsbehelf der Klage nur wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses ein ungeeignetes Mittel zur Erreichung eines sachlichen Begehrens. Vielmehr kann das von den Klägern angegebene Begehren bei verständiger Betrachtung nicht mehr ihrer vermeintlichen Rechtsverfolgung oder dem Schutz eines vermeintlich beeinträchtigenden Rechtes dienen; es kann nur noch scheinbar von einem Rechtsschutzbegehren im prozessrechtlichen Sinn ausgegangen werden. Ersuchen aber, die mit dem Rechtsschutzauftrag der Gerichte überhaupt nicht mehr im Zusammenhang stehen, sondern nur noch – wie hier – primär eine zusätzliche Arbeitsbelastung der Gerichte bezwecken, sind von vornherein nicht als förmliche Rechtsbehelfe zu behandeln (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Juli 2016 – 1 S 294/16 –, NVwZ-RR 2017, 4 m.w.N.).
- 19
Wird – wie vorliegend – im konkreten Fall über das „Verfahrenshindernis“ der Unbeachtlichkeit einer Klage erst nach ihrer anfänglichen förmlichen Behandlung befunden, so ist das Verfahren aus Gründen der Rechtsklarheit analog § 92 Abs. 3 VwGO durch gerichtlichen Beschluss einzustellen (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 14. März 1990 – 5 B 89.3542 –, NJW 1990, 2403). Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, weil der Grundsatz der Mündlichkeit des Verfahrens (in seiner Ausformung durch die Verwaltungsgerichtsordnung) sich nur auf förmliche Rechtsbehelfe im Sinne des Prozessrechts bezieht; ein solcher Rechtsbehelf liegt aber, wie ausgeführt, hier nicht vor. Rechtliches Gehör ist den Klägern gewährt worden.
- 20
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da kein gerichtliches Verfahren vorliegt, das eine Kostenfolge auslösen könnte (s. VG Freiburg, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 1 K 2993/15 –, juris).
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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.