Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 20. Nov. 2018 - 5 K 1199/17.NW
Gericht
Tenor
Der Bescheid vom 01. Dezember 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 22. September 2017 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beteiligten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen einen Kostenbescheid, mit dem sie zur Zahlung der Kosten eines Feuerwehreinsatzes in Ludwigshafen herangezogen worden ist. Dem liegt folgendes Ereignis zugrunde:
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Die Klägerin ist eine GmbH und seit 1960 Betreiberin der Hafenbetriebe Ludwigshafen am Rhein. Der Hafen, der im Staatsanzeiger Rheinland-Pfalz als Hafengebiet ausgewiesen ist, besteht aus mehreren Hafenteilen: Nordhafen, oberer und unterer Stromhafen, Mundenheimer Altrheinhafen (Ölhafen), Luitpoldhafen und Kaiserwörthhafen.
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Auf der zum Luitpoldhafen gehörenden Parkinsel hat die Klägerin das 246.159 m² große Grundstück in der Hafenstraße, Flurstück-Nr. ..., vom Land Rheinland-Pfalz gepachtet. Dieses Grundstück befindet sich am Rheinufer westlich der Hafenstraße. Auf dem genannten Grundstück befand sich eine ca. 9.500 m² große Lagerhalle, die die Klägerin an die Firma P GmbH vermietet hatte. Letztere hatte in der Halle ca. 4.800 Tonnen Polystyrol der B eingelagert. Auf dem Dach der Lagerhalle war im Jahr 2011 auf ca. 5.500 m² durch die Firma A GmbH eine Photovoltaikanlage montiert worden, die größte ihrer Art in Ludwigshafen.
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Am 22. Juni 2013 geriet die Lagerhalle in Brand und brannte bis auf wenige Stellen vollständig ab. Brandursache war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein technischer Defekt an der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Nahezu alle tragenden Teile des Gebäudes verloren infolge der Temperatureinwirkungen ihre Tragfähigkeit und Stabilität und stürzten größtenteils ein.
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Die erste Meldung über das Brandereignis ging am 22. Juni 2013 um 12.57 Uhr bei der Berufsfeuerwehr Ludwigshafen ein, woraufhin sofort Alarm ausgelöst wurde. Aufgrund der Brandentwicklung wurde um 13.15 Uhr Großalarm für die gesamte Feuerwehr Ludwigshafen ausgelöst. Aus Mannheim sowie anderen benachbarten Städten und Landkreisen sowie von der Werkfeuerwehr der BASF wurden Unterstützungskräfte angefordert. Im weiteren Brandverlauf zog eine 600 m hohe Rauchwolke über den Rhein in Richtung Mannheim. Die Einwohner in Ludwigshafen wurden per Sirene und in Mannheim per Lautsprecherdurchsagen gewarnt. Das Festival des deutschen Films, zu dem auf der Parkinsel am Abend 5.000 Besucher erwartet wurden, wurde abgesagt.
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Um 15.00 Uhr begann die Polizei mit der Evakuierung von 2.300 Einwohnern der Parkinsel, die vom Gefahrenabwehrstab unter Leitung der Ludwigshafener Oberbürgermeisterin angeordnet worden war. In einer Schule wurden durch Sanitätsorganisationen 800 Übernachtungsmöglichkeiten eingerichtet. Um 20.26 Uhr war das Feuer unter Kontrolle; am 23. Juni 2013 um 05.25 Uhr war es gelöscht. Die Brandwache zog am 24. Juni 2013 um 06.55 Uhr ab.
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Nach den Angaben des im „Feuerwehr-Magazin“, Ausgabe 1/2014, S. 38-44 (s. Blatt 12-18 der Verwaltungsakte) erschienenen Einsatzberichts wurden während des Brandereignisses 413 Kräfte sowie Gerät von 22 Feuerwehren, 55 Kräfte sowie Gerät des THW, 90 Kräfte und Gerät der Rettungsdienste sowie 70 Kräfte der Polizei eingesetzt.
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Das von der Staatsanwaltschaft Frankenthal eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Brandstiftung (Az. ... UJs .../...) wurde am 10. Dezember 2013 eingestellt, weil eine Straftat nicht nachgewiesen werden konnte.
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Mit Bescheid vom 01. Dezember 2014 zog die Beklagte die Klägerin wegen des Einsatzes der Feuerwehr am 22. Juni 2013 zum Kostenersatz in Höhe von insgesamt 515.808,58 € € heran. Die Kostenforderung setzte sich aus folgenden Einzelpositionen zusammen:
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1. Berufsfeuerwehr Ludwigshafen und Freiwillige Feuerwehr Ludwigshafen
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1.1. Personal: 136.492,25 €
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1.2. Material: 61.196,22 €
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1.3. Bekleidung: 14.005,90 €
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1.4. Verpflegung: 2.533,46 €
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1.5. Fahrzeuge: 101.861,33 € abzgl. 70.853,63 € an Versicherungsleistungen = 31.007,70 €
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2. Einsatzkosten anderer Feuerwehren und Organisationen: 270.573,04 €
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Die Klägerin legte dagegen am 10. Dezember 2014 mit der Begründung Widerspruch ein, sie sei nicht erstattungspflichtig.
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Mit am 26. September 2017 der Klägerin zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 22. September 2017 hob der Stadtrechtsausschuss der Beklagten den Bescheid vom 01. Dezember 2014 insoweit auf, als er den Betrag von 488.881,30 € überstieg. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Stadtrechtsausschuss aus, maßgeblicher Zeltpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei hier derjenige der Entstehung des Anspruchs auf Kostenersatz. Daran änderten auch die seitdem erfolgten Änderungen des Brand- und Katastrophenschutzgesetzes nichts. Insbesondere sei § 36 Brand- und Katastrophenschutzgesetz – LBKG – in seiner bis 31. Dezember 2015 geltenden Fassung und nicht in der seit 19. März 2016 geltenden Fassung anzuwenden. Der Anspruch auf Kostenersatz nach § 36 LBKG sei mit dem Abschluss der erbrachten Hilfe- und Dienstleistung entstanden. Die im Zusammenhang mit dem Feuerwehreinsatz am 22. Juni 2013 erbrachten Hilfe- und Dienstleistungen, die Gegenstand des mit dem Widerspruch angegriffenen Bescheides seien, seien jedoch allesamt vor dem 19. März 2016 abgeschlossen gewesen.
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Der Kostenbescheid könne auf § 36 Abs. 1 Nr. 3 LBKG gestützt werden. Die Feuerwehr der Beklagten sei vorliegend zur Abwehr einer Brandgefahr gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 LBKG tätig geworden. Aufgrund eines technischen Defekts der Photovoltaikanlage sei die unter ihr befindliche Lagerhalle sowie das in der Lagerhalle lagernde Polystyrol in Brand geraten. Bei der Klägerin handele es sich um ein „Unternehmen“ i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 3 LBKG, denn sie gehe in der Rechtsform einer GmbH einer gewinnorientierten Tätigkeit nach. Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit sei die Gefahr entstanden. Diese Gefahr sei auch eine „besondere Gefahr“ i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 3 LBKG gewesen.
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Auch sei die Inanspruchnahme der Klägerin unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Zwar stehe es den Gemeinden seit der Änderung von § 36 LBKG frei, ob sie von dem Ersatz der Kosten oder der Erhebung von Gebühren oder Entgelten ganz oder teilweise absehen, soweit dies nach Lage des Einzelfalles eine unbillige Härte wäre oder aufgrund öffentlichen Interesses gerechtfertigt sei. Dabei gelte § 94 Abs. 2 Gemeindeordnung – GemO –, der die Gemeinde zur Ausschöpfung aller Einnahmemöglichkeiten verpflichte, falls ihre Einnahmen nicht ausreichten, gemäß § 36 Abs. 1 LBKG n.F. für den Kostenersatz ausdrücklich nicht. § 36 LBKG a.F. schließe die Anwendung von § 94 Abs. 2 GemO dagegen nicht aus. Nach dieser Vorschrift hätten die Gemeinden die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen soweit vertretbar und geboten aus Entgelten für ihre Leistungen, im Übrigen aus Steuern zu beschaffen, soweit die sonstigen Einnahmen nicht ausreichten. Diese Normierung der gesetzlichen Rangfolge der Mittelbeschaffung im Sinne eines Vorrangs spezieller Entgelte vor Steuern überlagere das Abgabenrecht dergestalt, dass eine grundsätzliche Verpflichtung zur Erhebung der gesetzlich zulässigen Entgelte bestehe. Dies gelte auch für den Kostenerstattungsanspruch nach § § 36 Abs. 1 LBKG. Ausdrücklich Ermessen auszuüben habe der Aufgabenträger lediglich in atypischen Ausnahmefällen. Dazu komme, dass die Beklagte durch Erlass ihrer Satzung das nach § 36 Abs. 1 LBKG bestehende Ermessen gebunden habe.
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Auch die Auswahl der Klägerin als Schuldnerin des Kostenersatzes begegne keinen Bedenken.
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Die Höhe des geforderten Kostenersatzes sei überwiegend nicht zu beanstanden. Dem Widerspruch sei in Höhe eines Betrages von 26.927,27 € stattzugeben, der sich aus den nicht erstattungsfähigen Kosten für Kraftstoff, Reinigung und Instandhaltung in Höhe von 20.563,31 € sowie aus dem Förderbetrag aus Mitteln der Feuerschutzsteuer in Höhe von 6.363,96 € zusammensetze.
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Die Klägerin hat am 24. Oktober 2017 Klage erhoben. Sie führt aus, der Bescheid sei rechtswidrig. Weder von der Halle noch von der Photovoltaikanlage sei eine „besondere Gefahr“ ausgegangen. Die durch den Brand verursachten Kosten seien von der Allgemeinheit zu tragen. Sie sei für das eingelagerte Polystyrol nicht verantwortlich. Jedenfalls sei es rechtswidrig, sie allein zum Kostenersatz für den Feuerwehreinsatz vom 22. Juni 2013 heranzuziehen. Neben ihr seien die Firma P GmbH, die B und die Firma A GmbH in den Brand involviert gewesen. Die Brandgefahr habe sich dadurch realisiert, dass eine mangelhafte Montage durch Firma A GmbH erfolgt sei. Der Kostenbescheid sei auch der Höhe nach zu beanstanden.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid vom 01. Dezember 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 22. September 2017 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie führt aus, der Brand sei im Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin entstanden. Um eine solche handele es sich bei der Vermietung der im Eigentum der Klägerin stehenden und durch den Brand zerstörten Lagerhalle. Von dem Betrieb der Lagerhalle sei durch die auf deren Dach errichtete Photovoltaikanlage eine besondere Gefahr für Menschen und Sachen in der Umgebung ausgegangen.
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Die Klägerin sei auch ermessensfehlerfrei als Schuldnerin des Kostenersatzes herangezogen worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungs- und Widerspruchsakte. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2018.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Anfechtungsklage hat auch in der Sache Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid vom 01. Dezember 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 22. September 2017 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).
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Als Rechtsgrundlage der Kostenersatzforderung der Beklagten kommt allein § 36 Abs. 1 Nr. 3 LBKG vom 02. November 1981 (GVBl. 1981, 247) in der bezogen auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 13. Juni 2017 (GVBl. 2017, 103, im Folgenden: LBKG n.F.) i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 5 der inzwischen außer Kraft getretenen Satzung der Beklagten über den Kostenersatz und die Gebührenerhebung für Hilfe- und Dienstleistungen der Feuerwehr (Feuerwehrsatzung) i.d.F. vom 23. April 2010 in Betracht. Dessen Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht gegeben.
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Gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 LBKG n.F. können die Aufgabenträger von Unternehmen durch Leistungsbescheid Kostenersatz für die ihnen durch die Einsatzmaßnahmen entstandenen Kosten geltend machen, wobei § 94 Abs. 2 der Gemeindeordnung keine Anwendung findet, wenn die Kosten der Abwehr von Gefahren nach § 1 Abs. 1 dienten, soweit es sich dabei um besondere Gefahren insbesondere bei kerntechnischen Anlagen oder Betrieben im Sinne des § 5a Abs. 1 Satz 1 handelt, die bei Betriebsstörungen und Unglücksfällen für Menschen oder Sachen in der Umgebung entstehen können, insbesondere großräumige Warnmaßnahmen außerhalb des Betriebs oder Evakuierungsmaßnahmen erforderlich machen. Die Vorschrift des § 36 LBKG in der heute gültigen Fassung wurde mit dem Dritten Landesgesetz zur Änderung des Brand- und Katastrophenschutzgesetzes vom 08. März 2016 (GVBl. 2016, 173) mit Wirkung vom 19. März 2016 umfassend geändert. In der bis zum 18. März 2016 gültigen Fassung lautete der § 36 Abs. 1 Nr. 3 LBKG (im Folgenden LBKG a.F.) wie folgt: „Die Aufgabenträger können Ersatz der ihnen durch die Einsatzmaßnahmen entstandenen Kosten verlangen von Unternehmen, wenn die Kosten der Abwehr von Gefahren nach § 1 Abs. 1 dienten, soweit es sich dabei um besondere Gefahren handelt, die bei Betriebsstörungen und Unglücksfällen für Menschen oder Sachen in der Umgebung entstehen können.“ Neu geregelt wurde u.a. auch, dass die Vorhaltekosten der Feuerwehren bei der Festsetzung von Pauschalsätzen für kostenpflichtige Einsätze weitergehend als bisher einbezogen werden dürfen und von den Kostenpflichtigen nicht nur die Kosten des konkreten Einsatzes zu tragen sind (s. dazu die Gesetzesbegründung in der LT-Drucksache 16/5720 S. 25 ff.). Auslöser für die Neuregelung waren verschiedene Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (s. insbesondere den Beschluss vom 19. November 2013 – 7 A 10758/13.OVG –), wonach nach der bisherigen Rechtslage eine Einbeziehung der Vorhaltekosten nur sehr stark eingeschränkt war.
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§ 36 LBKG n.F. sieht nunmehr die Kostenerhebung explizit durch Leistungsbescheid vor und schließt die Anwendung des § 94 Abs. 2 GemO ausdrücklich aus. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, dass der Brand am 22. Juni 2013 und damit vor In-Kraft-Treten des LBKG n.F. stattfand, während der Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses am 22. September 2017 und damit nach In-Kraft-Treten des LBKG n.F. erging. Gemäß den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts findet in einer solchen Konstellation neues Verfahrensrecht vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an auch auf noch nicht abgeschlossene Verfahren Anwendung, sofern der Gesetzgeber nicht Anderweitiges explizit erklärt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1992 – 9 C 59/91 –, NVwZ 1992, 892; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. August 2014 – 9 S 1722/13 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Februar 2014 – OVG 2 B 14.11 –, juris; Bay. VGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 – 8 ZB 12.966 –, juris; VG Koblenz, Beschluss vom 10. Oktober 2014 – 4 L 938/14.KO –, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 195 Rn. 1; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Auflage 2018, § 96 Rn. 3). Da eine solche Erklärung des Gesetzgebers über den Umgang mit laufenden Verfahren mit Blick auf die Neufassung des § 36 LBKG nicht gegeben ist, findet hier das in § 36 LBKG in der seit dem 19. März 2016 geltenden Fassung normierte neue Verfahrensrecht vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens Anwendung. In materiell-rechtlicher Hinsicht kann der Kostenerstattungsanspruch der Beklagten aber nur Erfolg haben, wenn zum für die Primärebene maßgeblichen Zeitpunkt der Löschung des Brandes am 22. Juni 2013 das feuerwehrrechtliche Einschreiten nach dem damals geltenden § 36 LBKG a.F. rechtmäßig war und die Klägerin ferner auf der Sekundärebene zum Zeitpunkt der Entscheidung des Stadtrechtsausschusses Kostenschuldnerin war (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 – I C 31/72 –, BVerwGE 45, 51, 60 und Urteil vom 6. September 1974 – I C 17/73 –, BVerwGE 47, 31, 40; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 1. Oktober 1996 – 7 A 11677/95.OVG –, ESOVG; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. Juli 2006 – 19 E 371/05 –, juris; Sächsisches OVG, Urteil vom 23. März 2009 – 3 B 891/06 –, juris; VG Greifswald, Urteil vom 13. Januar 1998 – 4 A 2031/96 –, juris; Emmenegger in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2016, § 113 Rn. 17 f.).
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Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ist der Kostenbescheid der Beklagten rechtswidrig.
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Die Kammer kann zunächst offenlassen, ob zum für die Primärebene maßgeblichen Zeitpunkt der Löschung des Brandes am 22. Juni 2013 die Tatbestandsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 LBKG a.F. gegeben waren. Jedenfalls ist die Ermessensentscheidung der Beklagten rechtlich zu beanstanden, was zur Aufhebung des Kostenbescheids führt. Wie oben ausgeführt, findet hier gemäß den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts das neue Verfahrensrecht des § 36 LBKG n.F. Anwendung. Zum Verfahrensrecht gehört auch die Begründung von Ermessensentscheidungen. Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – soll die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Voraussetzung für eine korrekte Ausübung des Ermessens ist stets die vollständige und zutreffende Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 39 Rn. 56). Die Begründung muss deutlich machen, dass die Behörde das ihr zukommende Ermessen betätigt hat und nicht etwa von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 05. September 2006 – 1 C 20/05 –, NVwZ 2007, 470). Ferner muss die Begründung, um den Anforderungen des § 40 VwVfG gerecht zu werden, erkennen lassen, dass die Behörde sich von dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Erwägungen hat leiten lassen und die Grenzen ihres Handlungsspielraums erkannt und eingehalten hat. Bei belastenden Verwaltungsakten ist auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzugehen, denn es ist die für den Bescheidempfänger mildeste Form des Einschreitens zu finden. Ist mit der Tatbestandserfüllung typischerweise die Ermessensausübung vorgezeichnet (intendiertes Ermessen), kann auf Ermessenserwägungen verzichtet werden, solange kein atypischer Sachverhalt vorliegt (s. z.B. BVerwG, Urteil vom 22. März 2017 – 5 C 4/16 –, LKV 2017, 367).
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Vorliegend hat der Gesetzgeber mit In-Kraft-Treten des LBKG n.F. ausdrücklich bestimmt, dass § 94 Abs. 2 GemO keine Anwendung finden soll. Nach § 94 Abs. 2 Satz 1 GemO hat die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen soweit vertretbar und geboten aus Entgelten für ihre Leistungen, im Übrigen aus Steuern zu beschaffen, soweit die sonstigen Erträge und Einzahlungen nicht ausreichen. In der Vergangenheit gingen rheinland-pfälzische Verwaltungsgerichte trotz des Wortlauts des § 36 Abs.1 a.F. („können“) davon aus, dass § 36 Abs. 1 LBKG a.F. durch §§ 64 Abs. 2, 94 Abs. 2 GemO in der Weise relativiert wurde, dass die Aufgabenträger grundsätzlich verpflichtet waren, den Kostenanspruch geltend zu machen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Februar 1992 – 6 A 11382/91 –, NJW 1992, 2653; VG Trier, Urteil vom 17. März 2014 – 6 K 828/13.TR –; VG Neustadt/Wstr., Urteil vom 27. September 2011 – 5 K 221/11.NW –). Ermessenserwägungen der Aufgabenträger waren aufgrund dieser Rechtsprechung daher in der Regel entbehrlich.
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Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung (s. LT-Drucksache 16/5720 S. 25) zu der Änderung des § 36 LBKG Folgendes ausgeführt:
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„Die Erhebung von Kosten liegt im Ermessen des Aufgabenträgers, d. h. er kann Kostenersatz verlangen, muss es aber nicht in jedem Fall. Will der Aufgabenträger Kostenersatz erheben, muss der Kostenbescheid erkennen lassen, dass der Aufgabenträger das ihm zustehende Ermessen ausgeübt hat. In der Begründung des Bescheids müssen die Erwägungen angegeben werden, die für den Aufgabenträger maßgeblich dafür waren, in dem konkreten Fall Kostenersatz zu verlangen. Die für die Entscheidung maßgeblichen Gründe müssen zwar nicht in allen Einzelheiten, zumindest aber in Grundzügen in der Begründung des Bescheids enthalten sein. Ausdrücklich klargestellt wird, dass die Bestimmung des § 94 Abs. 2 der Gemeindeordnung über die Pflicht zur Erhebung von Entgelten keine Anwendung findet, die Erhebung von Kostenersatz also im Ermessen des Aufgabenträgers steht. Dies ist aus Gründen der Rechtssicherheit geboten und erhöht die Handlungsspielräume der kommunalen Aufgabenträger, denen hierdurch keine schwerwiegenden finanziellen Nachteile entstehen, da sie durch die Neuregelung des Kostenersatzes insgesamt mit erheblichen Mehreinnahmen rechnen können.“
- 40
Der Stadtrechtsausschuss der Beklagten hat in seinem Widerspruchsbescheid vom 22. September 2017 zwar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach § 36 Abs. 1 LBKG n.F. der § 94 Abs. 2 GemO keine Anwendung finden soll. Jedoch ist er davon ausgegangen, dass im zu entscheidenden Fall nicht § 36 Abs. 1 LBKG n.F. sondern noch § 36 LBKG a.F. einschlägig sei. Aus diesem Grund hat der Stadtrechtsausschuss der Beklagten in seinem Widerspruchsbescheid vom 22. September 2017 keinerlei Erwägungen zum Entschließungsermessen angestellt. Da zum Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts jedoch eine Ermessensentscheidung nach § 36 Abs. 1 LBKG n.F. zu treffen war und es sich bei der Begründung von Ermessensentscheidungen um Verfahrensrecht handelt, der Stadtrechtsausschuss der Beklagten jedoch gerade keine Ausführungen zum Entschließungsermessen getätigt hat, entspricht der Bescheid vom 01. Dezember 2014 nicht den Anforderungen des § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG. Dies führt zur formellen Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 39 Rn. 28).
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Eine Heilung dieses Verfahrensfehlers nach § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG ist hier nicht erfolgt. Ungeachtet dessen schied vorliegend auch ein „Nachschieben von Ermessenserwägungen“ im gerichtlichen Verfahren aus (s. dazu näher BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2011 – 1 C 14/10 –, NVwZ 2012, 698 und Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 46/12 –, NVwZ 2014, 151). Zwar können Ermessenserwägungen – in entsprechender Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO – im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden. Unzulässig, weil keine bloße Ergänzung, ist jedoch die vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe (s. z.B. BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2017 – 1 WB 41/16 –, NVwZ-RR 2018, 236; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 12. September 2018 – 5 ME 104/18 –, juris).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO.
Beschluss
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Annotations
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.
(2) Einer Begründung bedarf es nicht,
- 1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift; - 2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist; - 3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist; - 4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt; - 5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.