Verwaltungsgericht München Urteil, 06. Juni 2018 - M 9 K 17.5750

published on 06/06/2018 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 06. Juni 2018 - M 9 K 17.5750
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Gericht

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine ihren Nachbarn erteilte Befreiung.

Die Befreiung bezieht sich auf die Grundstücke FlNr. 1454 und FlNr. 1454/4, jeweils Gemarkung H. (i.F.: Vorhabengrundstück). Die Klägerin ist Eigentümerin des nordwestlich angrenzenden Flurstücks 1452/1, Gemarkung H. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. 69 „Zwischen D.str. – G.str. – N.str. – G.-K.-Str.“ und im Geltungsbereich einer gemeindlichen Einfriedungssatzung und einer Baumschutzverordnung. Der Bebauungsplan Nr. 69 regelt in Ziff. B 7 Folgendes:

Einfriedungen. Art und Material: Einfriedungen zu öffentlichen Verkehrsflächen sind als Holzlattenzäune auszuführen; zwischen den einzelnen Grundstücken nur als hinterpflanzte Maschendrahtzäune. Die Höhe der Einfriedungen wird mit 1,2 m festgesetzt. Dies gilt nicht für Hecken.

Unter dem 1. Oktober 2017 richtete die beigeladene Anwohnergemeinschaft R. einen Antrag „auf Baugenehmigung eines Gartenzauns“ (Bl. 1ff. d. Behördenakts der Beklagten – i.F.: BA-Bekl. –) an die Beigeladene. Im Anschreiben (Bl. 8 d. BA-Bekl.) wurde Folgendes ausgeführt: „Wir stellen diesen Antrag gemeinsam als Anwohnergemeinschaft, da es bisher zu keiner Einigung zwischen dem Bauträger P. und C. & W. P. gekommen ist. […] Es ist uns bewusst, dass dieses Bauvorhaben eine ausdrückliche Genehmigung vonseiten des Gemeinderates bedarf.“

Mit Beschluss des Bau- und Umweltausschusses vom 9. November 2017, ausgefertigt am 14. November 2017 (Bl. 19f. d. BA-Bekl.), wurde dem als Antrag auf isolierte Befreiung behandelten Begehr zugestimmt. Zur Begründung wird ausgeführt: „Der Bau- und Umweltausschuss hat in seiner Sitzung vom 14. Juli 2016 eine Gabione auf dem gleichen Grundstück mit einer Höhe von 2,00 m abgelehnt. … [Zustimmung zum jetzigen Antrag mit 11:0…] …aufgrund eines besonderen und aktenkundigen Härtefalles des nördlich angrenzenden Nachbargrundstückes“

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14. November 2017, Az. 6022-BV-72/17 (i.F.: Befreiung) wurde eine Befreiung von der Festsetzung Ziffer B 7 des Bebauungsplans Nr. 69 für die Errichtung eines Sichtschutzzaunes in Form einer Gabionenwand auf dem Vorhabengrundstück mit einer maximalen Höhe von 1,80 m entlang der nördlichen Grundstücksgrenze zur FlNr. 1452/1 erteilt.

Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Beklagte sei für die Entscheidung zuständig, da es sich um ein verfahrensfreies Vorhaben nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 lit. a BayBO handele. Die Verfahrensfreiheit entbinde aber nicht von der Einhaltung der an die Anlage zu stellenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften, Art. 55 Abs. 2 BayBO. Ziff. B 7 des Bebauungsplans Nr. 69 der Beklagten, die eine Maximalhöhe von 1,20 m für Einfriedungen wie die streitgegenständliche vorschreibe, sei eine solche Vorschrift, weswegen es einer Befreiung bedürfe. Diese habe nach pflichtgemäßem Ermessen erteilt werden dürfen, da Grundzüge der Planung nicht berührt seien und die Abweichung städtebaulich vertretbar sei. Die Abweichung sei unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar, eine Verletzung öffentlich-rechtlich zu schützender Nachbarrechte nicht erkennbar.

Der Bevollmächtigte der Klägerin erhob unter dem 8. Dezember 2017 Klage gegen diesen Bescheid.

Er beantragt,

den Bescheid aufzuheben.

Die erteilte isolierte Befreiungsgenehmigung sei rechtswidrig. Im Tatsächlichen sei festzuhalten, dass die Gabionenwand vor Erteilung der Genehmigung komplett errichtet worden sei. Sie sei 60 m lang und unterschiedlich hoch, an der Einmündung zur Zufahrt bspw. 1,80 m, an der Stelle, an der das Haus der Klägerin stehe, dagegen ca. 2,30 m. Rechtlich sei bereits die Zuständigkeit der Beklagten zweifelhaft, da zwar eine Höhe von lediglich 1,80 m beantragt, die Mauer aber über 2 m hoch ausgeführt worden sei; es sei daher zweifelhaft, ob Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 lit. a BayBO überhaupt greife. Materiell lägen die Befreiungsvoraussetzungen nicht vor. Durch die Gabionenwand werde ein Grundzug der Planung berührt. Die Regelung zeige deutlich, dass die Beklagte besonderen Wert auf das Erscheinungsbild der Abgrenzungen zwischen den Grundstücken lege. Eine 60 m lange massive Mauer erinnere an eine Gefängnismauer, ein derart massives Bauwerk habe durch die Festsetzung gerade verhindert werden sollen. Die Abweichung sei auch städtebaulich nicht vertretbar; durch die massive Mauer werde ein vollkommen anderer Gebietseindruck vermittelt, sie habe in einem Wohngebiet nichts verloren. Auch seien die nachbarlichen Interessen nicht gewürdigt worden, dem Bescheid fehle jegliche Begründung dafür, warum die Befreiung überhaupt erteilt worden sei. Die Nachbarn vertrauten aber grundsätzlich darauf, dass die Festsetzungen eines Bebauungsplans eingehalten würden. Dieses Vertrauen dürfe nur im Falle eines unabweisbaren Bedürfnisses enttäuscht werden, das vorliegend nicht erkennbar sei. Die Mauer zeitigte auch bei Einhaltung der genehmigten Höhe von 1,80 m eine erhebliche Verschattungswirkung. Hinter der Mauer seien weder Anpflanzungen möglich noch könne der gestattete Betrieb von Solaranlagen weitergeführt werden. Zwar bestünden Abwehrrechte bei Befreiungen von nicht drittschützenden Vorschriften grundsätzlich nur bei Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme; dies gelte allerdings gerade nicht, wenn die Befreiung dafür sorge, dass sich der Gebietscharakter ändere, d.h. wenn Quantität in Qualität umschlage. Die Beklagte vergesse, dass die Wand 60 m lang sei, dies sei vollkommen gebietsfremd. Die Wand sei ein absoluter Solitär, der die Wohnbebauung verfremde und den Gebietscharakter zerstöre; insofern sei Nachbarschutz durchaus gegeben.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte sei für die Erteilung der Genehmigung zuständig. Maßgeblich sei nur das beantragte Vorhaben; nach Art. 63 Abs. 3, Abs. 2 Satz 1 BayBO i.V.m. Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 lit. a BayBO i.V.m. Art. 81 Abs. 2 Satz 2 BayBO sei die Beklagte bei verfahrensfreien Bauvorhaben für die Entscheidung zuständig. Der Bescheid verletze die Klägerin nicht in eigenen Rechten. Es könne dahinstehen, ob der Bescheid objektiv rechtswidrig sei, wobei Grundzüge der Planung bei Abweichungen von gestalterischen Festsetzungen regelmäßig nicht berührt würden. Hinsichtlich des Nachbarschutzes sei festzuhalten, dass von einer nicht nachbarschützenden Vorschrift befreit worden sei; ein damit allein möglicher Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht erkennbar. Dies folge daraus, dass die Klägerin mit einer Einfriedung in einer Höhe von 1,20 m schon nach Bebauungsplan habe rechnen müssen, weiter daraus, dass eine 1,80 m hohe Gabionenwand keine Abstandsflächen auslöse, vgl. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO. Halte ein Bauvorhaben die Abstandsflächen ein oder sei privilegiert, so sei darüber hinaus für das Gebot der Rücksichtnahme grundsätzlich kein Raum mehr. Besondere Umstände wie eine erdrückende Wirkung seien nicht erkennbar; die Gabionenwand verstoße im Wohngebiet schließlich auch nicht gegen den Gebietscharakter. Ein Begründungsdefizit bestehe angesichts von Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO, der auf Abweichungsentscheidungen entsprechend anzuwenden sei, nicht; der Bescheid führe aus, dass nachbarliche Interessen gewürdigt worden seien, mehr sei nicht veranlasst gewesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins am 6. Juni 2018. Auf die Augenscheinfeststellungen in der Niederschrift über den Augenschein wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie die beigezogenen Behördenakten in den Verfahren M 9 K 17.5750 und M 9 K 18.1526, insbesondere auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2018.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angegriffene Befreiung verletzt die Klägerin nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Befreiung kann nur dann Erfolg haben, wenn diese Vorschriften verletzt, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im vorliegenden gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Befreiung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln und die im Baugenehmigungsverfahren prüfungsgegenständlich sind, verletzt sind (vgl. VG München, B.v. 26.10.2017 – M 9 S 17.3585 – juris für die Anfechtung einer Baugenehmigung).

Vorab ist klarzustellen, dass eine etwaige Unzuständigkeit der Beklagten keine derartigen drittschützenden Positionen betrifft. Unabhängig davon ist die Beklagte für die Erteilung der Befreiung nach Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayBO, Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 lit. a BayBO zuständig: Es kommt nur auf die beantragten Inhalte an – Höhe von 1,80 m und damit unter 2 m –, die dann auch Grundlage der Prüfung und der Entscheidung sind; dementsprechend geht es im Rahmen einer Drittanfechtung auch „nur“ um eine etwaige Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids (vorliegend: Befreiung) und nicht um die Rechtswidrigkeit „des ausgeführten Bauvorhabens“.

Eine Verletzung in drittschützenden Vorschriften ist weiter auch weder unter den Aspekten des Gebietserhaltungs- oder des Gebietsprägungserhaltungsanspruchs bzw. einer etwaigen Gebietsunverträglichkeit gegeben (1.) noch im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme (2.).

1. Wenn der Klägerbevollmächtigte ausführt, dass sich der Nachbarschutz vorliegend deshalb nicht isoliert nach dem Gebot der Rücksichtnahme richte, weil die Befreiung dafür sorge, dass sich der Gebietscharakter ändere bzw. weil Quantität in Qualität umschlage, so ist dieser Vortrag nicht nachvollziehbar. Im Rahmen der Erteilung von Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB richtet sich die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Nachbarklage danach, ob von nachbarschützenden oder von nicht nachbarschützenden Vorschriften befreit wird. Die vorgebrachten Schlagworte – mit denen wohl eine Verletzung des Gebietserhaltungs- oder des Gebietsprägungserhaltungsanspruchs bzw. eine etwaige Gebietsunverträglichkeit geltend gemacht werden sollen – vermögen nicht, darzulegen, wieso vorliegend von einer nachbarschützenden Vorschrift befreit worden sein soll. Nur dann würde bspw. die städtebauliche Vertretbarkeit der Befreiungsentscheidung als Tatbestandsmerkmal eine Rolle spielen.

Ziff. B 7 des Bebauungsplans Nr. 69 als alleiniger Gegenstand der Befreiung – die gemeindliche Einfriedungssatzung spielt keine Rolle, vgl. § 1 Einfriedungssatzung: „Diese Satzungen gilt für Einfriedungen […], außer im Bebauungsplan sind eigene Festsetzungen über Einfriedungen enthalten“ – lautet:

Einfriedungen. Art und Material: Einfriedungen zu öffentlichen Verkehrsflächen sind als Holzlattenzäune auszuführen; zwischen den einzelnen Grundstücken nur als hinterpflanzte Maschendrahtzäune. Die Höhe der Einfriedungen wird mit 1,2 m festgesetzt. Dies gilt nicht für Hecken.

Diese Regelung ist weder eine Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung – regelmäßig drittschützend und relevant für einen etwaigen Gebietserhaltungsanspruch – noch ist eine Mauer in einer Höhe von 1,80 m generell gebietsunverträglich. Das festgesetzte Allgemeine Wohngebiet (WA) dient auch gegenwärtig, d.h. nach Ausführung des Vorhabens, noch vorwiegend dem Wohnen, weswegen § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 1 BauNVO als etwaig betroffene drittschützende Vorschrift nicht verletzt ist/sind. Schließlich schlägt auch nicht „Quantität in Qualität um“: Mit dieser Floskel soll vermutlich auf eine Verletzung von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO – Tatbestandsmerkmal „Umfang“ – und damit auf eine Verletzung des sog. Gebietsprägungserhaltungsanspruchs angespielt werden (dazu BVerwG, B.v. 13.5.2002 – 4 B 86/01 – juris; VG München, B.v. 26.10.2017 – M 9 S 17.3585 – juris). Dafür wäre erforderlich, dass die Größe/Höhe der baulichen Anlage die Zulässigkeit der Art der baulichen Nutzung – vgl. den Standort von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO im 1. Abschnitt der BauNVO – erfasst und beeinflusst, dass also aufgrund der Dimensionierung der Anlage eine neue Art der baulichen Nutzung in das Gebiet hineingetragen wird. Ein Wohnhaus mit einer 1,80 m-Mauer bleibt aber genauso ein Wohnhaus wie ein Wohnhaus mit einer Einfriedung in Höhe von nur 1,20 m.

Die Nennung von Schlagworten ist nach alledem nicht zielführend. Ziff. B 7 des Bebauungsplans Nr. 69 ist vielmehr schlicht als örtliche Bauvorschrift einzuordnen, die auch in einen Bebauungsplan aufgenommen werden kann, Art. 81 Abs. 2 Satz 1 BayBO i. V. m. § 9 Abs. 4 BauGB. Örtliche Bauvorschriften sind grundsätzlich nicht drittschützend (statt aller BayVGH, B.v. 22.2.2017 – 15 CS 16.1883 – juris; B.v. 29.8.2006 – 15 CS 06.1943 – juris; Simon/Busse, BayBO, Stand: 128. EL Dezember 2017, Art. 81 Rn. 314). Ihnen kommt nur dann drittschützende Wirkung zu, wenn die Gemeinde einer solchen Festsetzung eine entsprechende Wirkung geben wollte. Im Rahmen der Ermittlung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall ist maßgeblich, ob die Regelung nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus bauordnungsrechtlichen Gründen getroffen wurde oder ob sie (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich zu dienen bestimmt ist (Simon/Busse, a.a.O., Art. 81 Rn. 317).

Vorliegend steht die Festsetzung nach einer Zusammenschau der Bebauungsplanregelungen und nach den Inhalten der Bebauungsplanbegründung ausschließlich im Dienst des städtebaulich gewünschten Konzepts der Beklagten, den Gartenstadtcharakter des Gebiets zu erhalten. Sie hat nicht das Ziel, einen nachbarlichen Interessenausgleich herzustellen. Günstige Auswirkungen der Festsetzung auf die Nachbargrundstücke – die durchaus vorhanden sein können – reichen zur Annahme eines Nachbarschutzes nicht aus (vgl. zum Ganzen auch BayVGH, B.v. 25.9.2013 – 14 ZB 12.2033 – juris; VG Augsburg, U.v. 9.2.2017 – Au 5 K 16.1042 – juris; VG Bayreuth, U.v. 3.6.2015 – B 2 K 14.564 – juris).

Nach alledem ist Ziff. B 7 des Bebauungsplans als nicht drittschützende Vorschrift anzusehen. Der Nachbarschutz im Rahmen der Anfechtung einer Befreiung von dieser Vorschrift richtet sich somit ausschließlich nach dem Gebot der Rücksichtnahme.

2. Die Befreiung verletzt nicht das Gebot der Rücksichtnahme, vorliegend herzuleiten aus § 31 Abs. 2 BauGB, § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, insbesondere nicht unter dem Aspekt eines Abstandsflächenverstoßes.

Das Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten und vermittelt insofern Drittschutz, als die Genehmigungsbehörde in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Belange eines erkennbar abgrenzbaren Kreises Dritter zu achten hat. Die Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und was dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Begünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständiger und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist verletzt, wenn durch das geplante Vorhaben die Nutzung des Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird.

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass den Vorgaben des landesrechtlichen Abstandsflächenrechts diesbezüglich ohnehin nur insofern Bedeutung zukommt, als dass ein Vorhaben, das Art. 6 BayBO gerecht wird, im Regelfall bezüglich der Aspekte Belichtung, Belüftung und Besonnung nicht rücksichtslos ist (BVerwG, U.v. 28.10.1993 – 4 C 5/93 – juris) – sog. prima-facie-Wirkung. Einen der Klägerin günstigen Gegenschluss, wonach ein Vorhaben, das die Abstandsflächen verletzt, auch rücksichtslos wäre, gibt es dagegen nicht (statt aller VG München, B.v. 26.10.2017 – M 9 S 17.3585 – juris m.w.N.).

Das in der Befreiungsentscheidung festgelegte Vorhaben wahrt die Abstandsflächen. Eine Mauerhöhe von 1,80 m ist abstandsflächenrechtlich privilegiert (Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 BayBO); die Einschränkung des Art. 6 Abs. 9 Satz 2 BayBO gilt für Einfriedungen nicht. Die oben dargelegte Indizwirkung ist somit gegeben. Ein abweichender Sonderfall ist nicht auszumachen; v.a. kommt auch eine sog. abriegelnde Wirkung bei einer Höhe von 1,80 m nicht in Betracht.

Sonstige Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme sind nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen – die Anwohnergemeinschaft stellt eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts dar, §§ 705ff. BGB – den Klägern aufzuerlegen hätte nicht der Billigkeit entsprochen, da sich die Beigeladene nicht mittels Antragstellung in ein Kostenrisiko begeben hat. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708f. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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published on 26/10/2017 00:00

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert wird auf EUR 3.750,- festgesetzt. Gr
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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. D
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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kosten
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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kosten
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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. zu tragen. Die Beigeladene zu 1. trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
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Annotations

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:

1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße;
4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten;
5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen;
6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden;
7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen;
8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind;
9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen;
10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung;
11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden;
12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen;
14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen;
15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe;
16.
a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft,
b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses,
c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen,
d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen;
18.
a)
die Flächen für die Landwirtschaft und
b)
Wald;
19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen;
20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft;
21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen;
22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen;
23.
Gebiete, in denen
a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen,
c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben;
25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen
a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen,
b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.

(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.

(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur

1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder
2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden.

(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.

(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um

1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
zu verhindern.

(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.

(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:

1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen;
2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder
3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
Ergänzend können eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
1.
das Maß der baulichen Nutzung;
2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen;
3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen;
4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke;
5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 und 2 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans getroffen werden. Die Festsetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans oder für Geschosse, Ebenen oder sonstige Teile baulicher Anlagen unterschiedlich getroffen werden. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach diesem Absatz kann nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 förmlich eingeleitet werden. Der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 zu fassen.

(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.

(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.

(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:

1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind;
2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind;
3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.

(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.

(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.

(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.

(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.