Verwaltungsgericht München Urteil, 15. Feb. 2017 - M 7 K 15.5775

published on 15/02/2017 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 15. Feb. 2017 - M 7 K 15.5775
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Gericht

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Löschung personenbezogener Daten aus dem Bayerischen Kriminalaktennachweis (KAN).

Die Klägerin war in Bayern noch nie amtlich gemeldet, arbeitete jedoch nach polizeilichen Erkenntnissen in den Jahren 2010 und 2013 in Bordellen in München bzw. Neu-Ulm. Bei einer Razzia eines Bordells in München am … November 2010 fand die Polizei bei ihr 11,5 Tabletten „Subutex“ ohne entsprechendes Rezept. Die Klägerin wurde vorläufig festgenommen und machte vor Ort und auf der Polizeiinspektion keine Angaben zur Sache. Auf der Fahrt dorthin gab sie an, die Tabletten würden ihr bzw. ihrem Freund in Prag gehören. Mit Schreiben vom 12. Januar 2011 reichte ihr Bevollmächtigter ein Attest eines tschechischen Arztes vom 1. Dezember 2010 nach, wonach sie an einem Programm der Opiatsubstituierung teilnehme und regelmäßig Subutex (Buprenorphin) erhalte („Subutex 8 mg orm tbl slg“). Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren (…) mit Verfügung vom 19. Januar 2011 (Behördenakte Bl. 7) gem. § 170 Abs. 2 StPO mit der Begründung ein, der Klägerin sei ein strafbares Verhalten nicht mit der für eine Anklageerhebung ausreichenden Sicherheit nachzuweisen. Sie habe ein Attest vorgelegt, wonach sie ärztlich substituiert werde und im Zuge der Therapie berechtigt sei „Subutex 8 mg“ anzuwenden. Auf ihre Äußerung vor Ort könne nicht abgestellt werden, da sie lediglich ein bisschen Deutsch verstehe und bei der Vernehmung kein Dolmetscher zugegen gewesen sei. Es könne also nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschuldigte zum Besitz von Tabletten berechtigt gewesen sei.

Am ... April 2013 wurde das Fahrzeug der Klägerin mit einem tschechischen Kennzeichen auf der BAB 8 in Richtung München einer verdachtsunabhängigen Kontrolle unterzogen und dabei 21 Einwegspritzen mit sichtbaren Pulveranhaftungen aufgefunden. Die Klägerin gab an, die Spritzen gehörten ihrem Ehemann, der sie für das „Putzen zuhause“ verwenden würde. In den Spritzen befinde sich ein „Waschmittel“. Ein Urintest auf Betäubungsmittel verlief negativ. Die Klägerin führte 4.000,- EUR mit, zu deren Herkunft sie sich nicht äußern wollte. Die Einwegspritzen wurden sichergestellt und formlos eingezogen. Eine toxikologische Begutachtung ergab, dass in zehn Spritzen und im gemeinsamen Extrakt von in einer Kunststofftüte verpackten elf Spritzen der Wirkstoff Buprenorphin, ein starkes Analgetikum, nachweisbar war, welches u.a. in den Substanzen Subutex und Temgesic enthalten ist und im Rahmen der Substitutionstherapie verwendet wird. Ferner wurden Tablettenbruchstücke als ausgenommene Zubereitung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 BtMG eingestuft. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren (…) mit Verfügung vom 10. Dezember 2013 gem. § 153 Abs. 1 StPO mit der Begründung ein, die Klägerin sei nicht vorbestraft und die Untersuchung habe keine erhebliche Menge an Betäubungsmitteln ergeben. Zum Teil handele es sich um eine ausgenommene Zubereitung.

Mit Schreiben vom 21. Februar 2014 teilte das Bayerische Landeskriminalamt dem Bevollmächtigten der Klägerin auf Antrag mit, dass im KAN folgende personenbezogene Daten zur Klägerin gespeichert seien: „a. Kriminalakte bei der Kriminalpolizeiinspektion Neu-Ulm …04.13 Anzeige wegen Betäubungsmittelgesetz (Besitz von Einwegspritzen mit Substanz nach Anlage III BtmG), b) Kriminalakte beim Polizeipräsidium München …11.10 Anzeige wegen allg. Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, c) Personenhinweis „Betäubungsmittelkonsument“.“

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2014 beantragte der Bevollmächtigte, diese Einträge gem. Art. 38 Abs. 2 PAG zu löschen.

Mit am 19. November 2015 zugestelltem Bescheid vom 16. November 2015 lehnte das Bayerische Landeskriminalamt den Antrag mit der Begründung ab, ein Löschungsanspruch aus Art. 38 Abs. 2, Art. 45 Abs. 2 PAG bestehe nicht. Bei der Bordellrazzia am … November 2010 seien 11,5 Subutex-Tabletten bei der Klägerin gefunden worden. Es handele sich um ein Betäubungsmittel, das in der Substitutionstherapie bei Opiatabhängigen eingesetzt werde und dem Betäubungsmittelgesetz unterliege. Patienten erhielten üblicherweise täglich eine Tablette zur sublingualen Anwendung verabreicht, die bereits beim Arzt verabreicht werde, um zu verhindern, dass die Tablette missbräuchlich an andere Abhängige gegen Bezahlung abgegeben werden könne. Aufgrund der Menge habe der Verdacht des illegalen Erwerbs bestanden und aufgrund des Vorhandenseins von Einwegspritzen der Verdacht, dass aus den Tabletten eine Zubereitung zur Injektion habe hergestellt werden sollen, was in Kreisen Betäubungsmittelabhängiger üblich sei. Die Klägerin, die im Ermittlungsverfahren erkennungsdienstlich behandelt worden sei, habe ein Attest eines tschechischen Arztes nachgereicht, aus dem hervorgehe, dass sie in einem Substitutionsprogramm mit Subutex behandelt werde. Das Verfahren sei eingestellt worden, weil ein sicherer Tatnachweis nicht zu führen gewesen sei, und nicht, weil der Tatverdacht gänzlich entfallen sei. Aufgrund des Vorhandenseins einer für eine Substitutionstherapie unüblichen Menge Subutex und der Einwegspritzen bestehe weiterhin ein Restverdacht einer missbräuchlichen Nutzung. Das weitere Ermittlungsverfahren sei eingeleitet worden, weil bei der Klägerin am *. April 2013 21 Einwegspritzen mit dem Betäubungsmittel Buprenorphin aufgefunden worden seien. Dieses Medikament unterliege dem Betäubungsmittelgesetz und sei auch in dem Medikament Subutex enthalten. Nach polizeilicher Erfahrung sei die missbräuchliche Herstellung einer Zubereitung zur Injektion des Medikaments bei abhängigen Personen gängig. Durch die Einstellung des Verfahrens gem. § 153 Abs. 1 StPO sei der polizeiliche Tatverdacht nicht beseitigt. Das Vorhandensein einer Injektionslösung und einer Menge von 21 Dosen spreche nach kriminalistisch-kriminologischer Erfahrung für eine missbräuchliche Verwendung und einen hohen Organisationsgrad bei der Beschaffung des Betäubungsmittels bzw. für eine Einfuhr aus dem Ausland. Bei Konsumenten sei von einer sehr starken Abhängigkeit auszugehen. Deshalb könne eine Wiederholungsgefahr nicht ausgeschlossen werden. Zur vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung sei eine weitere Speicherung geeignet, erforderlich und insgesamt verhältnismäßig. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit dem verfassungsmäßigen Recht auf informationelle Selbstbestimmung, in das hier nur geringfügig eingegriffen werde, sei der weiteren Aufbewahrung der Daten der Vorrang einzuräumen. Der personengebundene Hinweis werde vergeben, wenn Anhaltspunkte für einen missbräuchlichen Konsum von Betäubungsmitteln oder Ausweichpräparaten bestünden, was hier zweifelsfrei der Fall sei. Unter Berücksichtigung der dargestellten Erfahrungswerte bestehe Grund zu der Annahme, dass gegen die Klägerin auch künftig Ermittlungsverfahren wegen Betäubungsmitteln zu führen seien. In ihrem Fall seien Ermittlungen auch dadurch erschwert, dass sie keinen festen Wohnsitz im Inland habe. Dabei sei immer eine Wahrscheinlichkeit zur Identifizierung von Käufern und Verkäufern von Betäubungsmitteln anhand von Lichtbildern oder Personenbeschreibungen gegeben. Zudem könnten Fingerspuren, insbesondere an Verpackungen von Betäubungsmitteln, gesichert werden.

Am Montag, den 21. Dezember 2015 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zuletzt mit dem Antrag,

den Bescheid des Bayerischen Landeskriminalamts vom 16. November 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Daten im Bayerischen Kriminalaktennachweis sowie den personengebundenen Hinweis „Betäubungsmittelkonsument“ zu löschen.

Zur Begründung wurde vorgetragen, die Klägerin sei aufgrund einer Organerkrankung zur Einnahme und dem Besitz des opiathaltigen Schmerztherapiemedikaments „Subutex“ berechtigt gewesen. Das entsprechende Strafverfahren sei nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Aus denselben Gründen habe die Klägerin am *. April 2013 auch die Einwegspritzen mit sich geführt. Auch der Personenhinweis sei zu löschen. Die Klägerin werde aufgrund dessen von der Polizei in fragwürdiger Art und Weise wie ein Giftler bzw. Junkie behandelt. Der Eintrag verstoße gegen Art. 21 EU-Grundrechtecharta, nämlich das Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung in Form der körperlichen Beeinträchtigung bzw. Erkrankung, die gerade nicht auf einen Betäubungsmittelmissbrauch zurückzuführen sei. Soweit der Klägerin das Mitführen einer für eine Substitutionstherapie unüblichen Menge Subutex vorgeworfen werde (… vom … November 2010), sei zu entgegnen, dass sie einen erlaubten Vorrat aufgrund Aufenthalts dabei gehabt habe. Von daher bestehe kein Restverdacht einer missbräuchlichen Nutzung. Die weiteren Einwegspritzen seien für eine Hormontherapie bestimmt gewesen. Das gleiche gelte für den Vorwurf zum Aktenzeichen … vom ... April 2013. Die Klägerin könne nicht bei jedem Auslandsaufenthalt nach Hause zum Arzt fahren und sich dort die für sie notwendigen Medikamente geben lassen. Sie habe die Therapiedosis in der für sie erforderlichen Menge erlaubt bei sich. Der Personenhinweis sei schlicht falsch.

Mit Schreiben vom 1. Februar 2016 beantragte der Beklagte unter Bezug auf den angefochtenen Bescheid und den Akteninhalt,

die Klage abzuweisen, und erwiderte, dass das Ermittlungsverfahren im Jahr 2010 nicht wegen entfallenen Tatverdachts gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, sondern lediglich deshalb, weil nicht auszuschließen war, dass die Klägerin zum Besitz der Tabletten berechtigt sei. Soweit die Klägerin sich auf einen erlaubten Medikamentenvorrat aufgrund ihres Auslandsaufenthalts berufe, sprächen die Arbeitsaufenthalte in den Bordellen für einen regelmäßigen Aufenthalt in Deutschland. Aus dem nachträglich vorgelegten ärztlichen Rezept ergebe sich nicht, dass die Klägerin dazu berechtigt sei, über eine so hohe Menge an Tabletten zu verfügen. Auf die Regelungen von § 5 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung - BtMVV - werde hingewiesen. Für das Jahr 2013 sei weder ein ärztliches Rezept vorgelegt, das einen legalen Umgang mit dem Medikament begründen könne, noch zur Entlastung beitragende Angaben gemacht worden. Das Verfahren sei nicht mangels Tatverdacht, sondern wegen Geringfügigkeit eingestellt worden.

Der Bevollmächtigte trat dem mit Schreiben vom 18. Juli 2016 entgegen. Wie aus drei Jahre entfernt liegenden Arbeitsaufenthalten ein regelmäßiger Aufenthalt in Deutschland konstruiert werden solle, sei schleierhaft. § 5 BtMVV gelte nicht für einen tschechischen Arzt.

Am 15. Februar 2017 wurde streitig zur Sache verhandelt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die auf Löschung von im KAN gespeicherten, personenbezogenen Daten gerichtete Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Löschungsanspruch; der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt sie damit nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Grundlage für die Speicherung von personenbezogenen Daten, die die Polizei wie hier im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens oder von Personen gewonnen hat, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben, im Kriminalaktennachweis ist Art. 38 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 PAG i.V.m. § 484 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO. Nach Art. 38 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 PAG kann die Polizei solche Daten in Akten oder Dateien speichern, verändern und nutzen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu einer zeitlich befristeten Dokumentation oder zur Vorgangsverwaltung, insbesondere zur Gefahrenabwehr bzw. zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, erforderlich ist.

Ein Anspruch auf Löschung der im KAN suchfähig gespeicherten personenbezogenen Daten, zu denen nach der Begriffsbestimmung in Art. 4 Abs. 1 BayDSG auch ein personengebundener Hinweis wie „Betäubungsmittelkonsument“ gehört (vgl. BayVGH, B. v. 19. Januar 2015 - 10 CE 14.1798, 10 C10 C 14.1799 - juris Rn 18), besteht, wenn der der Speicherung zugrunde liegende Verdacht gegen den Betroffenen entfallen ist (Art. 38 Abs. 2 Satz 2 PAG). Daneben besteht ein alle Daten in polizeilichen Sammlungen betreffender allgemeiner Löschungsanspruch aus Art. 45 Abs. 2 PAG (vgl. Schmidbauer, PAG/POG, 2014 4. Aufl., Art. 38 Rn 14; Berner/Köhler/Käß, PAG, 20. Aufl. 2010, Vorbem. zu Art. 37 ff. Rn 11; Art. 38 Rn 10, Art. 45 Rn 8), wenn die Daten rechtswidrig gewonnen worden sind (Art. 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAG) oder wenn sie für die präventive Polizeiarbeit nicht mehr benötigt werden (Art. 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAG; vgl. § 481 Abs. 1, § 484 Abs. 4 StPO; BayVGH, B. v. 24. Juli 2007 - 10 C 08.1780 - juris Rn 18). Im zu entscheidenden Fall kommt ein Löschungsanspruch nur wegen Wegfalls des Tatverdachts (Art. 38 Abs. 2 Satz 2 PAG) und aus Gründen mangelnder Erforderlichkeit der weiteren Aufbewahrung (Art. 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 38 Abs. 1 PAG) in Betracht, da die streitgegenständlichen Daten in zulässiger Weise gewonnen und zunächst zu Zwecken des Strafverfahrens (§ 483 Abs. 1 StPO) bzw. zu präventiven Zwecken gespeichert bzw. aufbewahrt worden sind (Art. 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAG; § 484 Abs. 4 StPO). Ferner ist die regelmäßige Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren (Art. 45 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 38 Abs. 2 Satz 3 PAG) für die Daten noch nicht abgelaufen, da für alle Speicherungen eine gemeinsame Aufbewahrungsfrist gilt, nämlich die für die letzte Speicherung geltende Aufbewahrungsfrist, die mit dem Ende des Jahres, hier 2013, zu laufen beginnt, in dem das letzte Ereignis erfasst worden ist (Art. 38 Abs. 2 Satz 5, 6 PAG).

Der der Speicherung der streitgegenständlichen Daten aus den Jahren 2010 und 2013 jeweils zugrunde liegende Verdacht ist nicht entfallen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichthofs räumt die Beendigung eines Strafverfahrens durch Einstellung, sowohl nach §§ 153 ff. StPO als auch nach § 170 Abs. 2 StPO, den Straftatverdacht nicht notwendig aus und schließt deshalb auch die weitere Datenspeicherung zu Zwecken präventiver Gefahrenabwehr nicht aus (vgl. BayVGH, B. v. 24. Februar 2015 - 10 C 14.1180 - juris Rn 18 m.w.N.). Eine Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit (§ 153 Abs. 1 StPO) setzt die Verwirklichung des Tatbestandes vielmehr voraus. Im Falle eines Freispruchs oder einer Verfahrenseinstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO bedarf es der Überprüfung, ob noch Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen, die eine Fortdauer der Speicherung der im Verfahren gewonnenen Daten zur polizeilichen Verbrechensbekämpfung rechtfertigen (BayVGH, aaO, Rn 19 m.w.N.). Der für die Aufbewahrung personenbezogener Daten erforderliche polizeiliche Restverdacht entfällt erst dann, wenn der Verdacht einer Straftat oder der Tatbeteiligung des Betroffenen restlos ausgeräumt ist (BayVGH, B. v. 2. September 2008 - 10 C 08. 2087 - u. B. v. 31. Oktober 2007 - 24 C 07.1078 - jeweils juris Rn 5). Dabei wird nicht ein hinreichender Tatverdacht im Sinne des § 203 StPO vorausgesetzt; es genügt ein weiterhin bestehender Anfangsverdacht (BayVGH, B. v. 20. Februar 2013 - 10 ZB 12.2455 - juris Rn 5 m.w.N.; Berner/Köhler/Käß, aaO, Art. 38 Rn 10 a.E.). Bei einem fortbestehenden Restverdacht steht auch die im Rechtsstaatsprinzip verankerte Unschuldsvermutung des Angeklagten der weiteren Aufbewahrung polizeilicher Unterlagen nicht entgegen (BVerfG, B. v. 16. Mai 2002 - 1 BvR 257 /01 - juris Rn 11). Denn die Berücksichtigung von Verdachtsgründen stellt keine Schuldfeststellung oder -zuweisung dar, wenn und soweit sie bei Wiederholungsgefahr anderen Zwecken, insbesondere der vorbeugenden Straftatenbekämpfung, dient (BVerwG, U. v. 9. Juni 2010 - 6 C 5/09 - juris Rn 26).

Vorliegend hat die Staatsanwaltschaft in ihren Einstellungsverfügungen gerade nicht festgestellt, dass der Verdacht vollständig entfallen ist. In dem Ermittlungsverfahren (…) war der Klägerin ein strafbares Verhalten lediglich nicht mit der für eine Anklageerhebung ausreichenden Sicherheit nachzuweisen. Ein Restverdacht ergibt sich nicht nur aus der unüblich großen Menge mitgeführter Tabletten, sondern auch daraus, dass die Klägerin kein ihren aktuellen Angaben im Klageverfahren entsprechendes Rezept vorweisen konnte und gegenüber der Polizei nicht nachvollziehbare Angaben gemacht hat. So hat sie nicht, was nahe liegend und leicht zu belegen gewesen wäre, sofort erklärt, dass sie Subutex als Folge einer schweren Erkrankung als Medikament verschrieben erhält, sondern nur, die Tabletten würden ihr bzw. ihrem Freund in Prag gehören, wobei letzteres vor dem Hintergrund ihrer sonstigen Angaben nicht plausibel ist. Bei der Fahrzeugkontrolle am *. April 2013 hat sie ebenfalls gesagt, dass der Wirkstoff ihrem Ehemann gehöre. Es handele sich um ein „Waschmittel“, das er mittels der Einwegspritzen zum „Putzen zuhause“ verwende, was offensichtlich nur als Schutzbehauptung gewertet werden kann. Denn hierbei handelt es sich weder um eine mögliche bzw. übliche Verwendung des Wirkstoffs Buprenorphin oder der Einwegspritzen noch um eine Erklärung dafür, weshalb sie ein Waschmittel ihres Ehemannes mitführt. Dass ihr Buprenorphin als Medikament verschrieben worden ist, hat sie wiederum nicht gesagt. Ein Urintest verlief negativ, so dass auch davon auszugehen ist, dass sie den Wirkstoff in den letzten Tagen davor nicht eingenommen hatte. Wenn nun erstmals im Klageverfahren ohne jeden aussagekräftigen Beleg behauptet wird, die Klägerin habe an einer schweren Organerkrankung gelitten, die zur Morphiumabhängigkeit geführt habe, weshalb die Verabreichung von Buprenorphin erforderlich sei, ist dies nicht glaubhaft. In dem vorgelegten Attest aus dem Jahre 2010 ist lediglich von einer Substituierung wegen Opiatabhängigkeit die Rede, wobei die Tabletten sublingual einzunehmen („tbl slg“) waren. Es fragt sich daher, weshalb bei der Fahrzeugkontrolle im April 2013 eine größere Anzahl von Einwegspritzen vorhanden war, in denen Buprenorphin nachgewiesen werden konnte. Auch soweit erstmals im Klageverfahren behauptet worden ist, dass die „weiteren“ Einwegspritzen für eine Hormontherapie bestimmt gewesen seien, ist dies nicht ansatzweise glaubhaft gemacht, obwohl die Notwendigkeit der Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Rezepts bzw. Attests jedermann in der Situation der Klägerin eingeleuchtet hätte. Außerdem war an allen Asservaten Buprenorphin nachweisbar. Soweit die Klägerin die mangelnde Nachvollziehbarkeit ihrer Angaben auf Verständigungsschwierigkeiten in der deutschen Sprache zurückführt, ist dies nicht überzeugend, da sie zumindest zeitweise in deutschen Bordellen gearbeitet hat, sich auf Nachfrage des Gerichts mit ihrem Bevollmächtigten in einfacher deutscher Sprache verständigen kann und auch gegenüber der Polizei klare Angaben gemacht hat, soweit sie sich nicht geweigert hat, überhaupt Angaben zu machen. Am … November 2010 hatte der sachbearbeitende Polizeibeamte den Eindruck, dass die Klägerin der deutschen Sprache mächtig ist und sich in ihr verständigen kann (Bl. 12 der Behördenakte); am *. April 2013 haben sich mehrere Polizeibeamte mit der Klägerin unterhalten, wobei es offenbar keine Verständigungsschwierigkeiten gab (Bl. 21 der Behördenakte).

Ferner ist nach Abwägung des prinzipiellen Bedürfnisses der Polizei, möglichst lange einen umfassenden Überblick über die kriminellen Aktivitäten einer Person zu haben und diese Daten zur Aufgabenerfüllung verwenden zu dürfen, mit dem Interesse des Betroffenen an deren Löschung (vgl. Berner/Köhler/Käß, aaO, Art. 38 Rn 9) die Kenntnis der personenbezogenen Daten im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts für die polizeiliche Aufgabenerfüllung noch erforderlich (Art. 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAG). Denn es ist davon auszugehen, dass die zur Klägerin gespeicherten Erkenntnisse für die polizeiliche Tätigkeit auch in Zukunft von Bedeutung sein können, wenn sie erneut als Verdächtige in den Kreis potentieller Beteiligter ähnlicher oder gleicher noch aufzuklärender strafbarer Handlungen einbezogen wird. Nachdem die Klägerin bereits zweimal denselben Wirkstoff, einmal in nicht unerheblicher Menge, mit sich geführt hat, kann eine Wiederholungsgefahr nicht ausgeschlossen werden kann. Subutex, das den Wirkstoff Buprenorphin enthält, wird zur Substituierung bei Opiatabhängigkeit verwendet, also insbesondere der Abhängigkeit von Morphinen und Heroin, von harten Drogen mit allgemein bekannt hohem Suchtpotential. Aufgrund des von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Attests ist zum einen anzunehmen, dass sie von harten Drogen zumindest abhängig war, so dass in Anbetracht des hohen Suchtpotentials eine Rückfallgefahr gegeben ist. Zum andern ist in Anbetracht der konkreten Umstände bei der Fahrzeugkontrolle am *. April 2013, insbesondere des negativen Urintests, des hohen mitgeführten Bargeldbetrages ungeklärter Herkunft und der wenig plausiblen Angaben der Klägerin, nicht auszuschließen, dass sie den dem BtMG unterliegenden Wirkstoff auch an Dritte abgegeben hat. In die Abwägung fließt mit ein, dass wegen der von der Betäubungsmittelabhängigkeit ausgehenden Gesundheitsgefahren und gravierenden sozialen Folgen für die Abhängigen und für die von Beschaffungskriminalität betroffene Allgemeinheit einerseits und den besonderen Schwierigkeiten der polizeilichen Ermittlungen im Umfeld der organisierten Kriminalität, einer typischen Erscheinungsform der Betäubungsmittelkriminalität, ein gewichtiges öffentliches Interesse an deren Verfolgung besteht.

Damit ist die weitere Aufbewahrung der Daten auch verhältnismäßig (vgl. BayVGH, B. v. 19. Januar 2015 - 10 CE 14.1798, 10 C10 C 14.1799 - juris Rn 23 a.E.; Berner/Köhler/Käß, aaO, Art. 38 Rn 9, Art. 31 Rn 11).

Die Speicherung des personengebundenen Hinweises „Betäubungsmittelkonsument“ ist aus den genannten Gründen ebenfalls gerechtfertigt. Die Kenntnis ist nicht nur für die präventive Polizeiarbeit nach wie vor erforderlich, sondern auch aus Gründen des Selbstschutzes der eingesetzten Beamten.

Im Übrigen wird auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides des Landeskriminalamts Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

Aus dem Grundrecht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) folgt kein weitergehender Löschungsanspruch (vgl. BayVGH, B. v. 24. Februar 2015 - 10 C 14.1180 - juris Rn 22 m.w.N.). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das vor der unbegrenzten Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe persönlicher Daten schützt, ist nicht schrankenlos gewährleistet und findet in den Regelungen der jeweiligen Landespolizeigesetze für den Bereich der Polizeidaten und Kriminaldaten in Art. 38 Abs. 2 Satz 2 und Art. 45 Abs. 2 PAG eine verfassungsmäßige Grenze. Aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergäbe sich ein Anspruch auf Löschung der über den Betroffenen gespeicherten polizeilichen Daten daher nur, soweit deren Aufbewahrung und Speicherung nicht durch diese gesetzlichen Grundlagen gerechtfertigt wäre, was hier jedoch nicht der Fall ist.

Der gerügte Verstoß gegen Art. 21 EU-GRCh kommt wegen der mangelnden Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens zu einer behindernden Erkrankung nicht in Betracht. Außerdem ist der Anwendungsbereich dieser Vorschrift, die Teil des Primärrechts der Europäischen Union und gleichrangig mit den EU-Verträgen ist (Art. 9 Abs. 1 EUV), nicht eröffnet, da sie nach Art. 51 Abs. 1 EUGRCh nur für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Unionsrechts gilt, was nicht der Fall ist. Abgesehen davon dürften die gesetzlichen Vorschriften über die Speicherung und Löschung polizeilich erfasster Daten auch eine EU-rechtlich zulässige Grundrechtsschranke im Sinne von Art. 52 Abs. 1 GRCh darstellen (vgl. Lenz/Borchert, EU-Verträge, Online-Kommentar, Stand: 1.9.2012, Art. 52 GRCh, Rn 10 ff.).

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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published on 24/02/2015 00:00

Tenor I. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. Mai 2014 wird dem Kläger für seine Klage auf Löschung von fünf näher bezeichneten, im IGVP gespeicherten personenbezogenen Daten Prozesskoste
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Tenor I. Die Verfahren 10 CE 14.1798 und 10 C 14.1799 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. II. Die Beschwerden werden zurückgewiesen. III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Bevollmächti
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Annotations

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
Stoff:
a)
chemische Elemente und chemische Verbindungen sowie deren natürlich vorkommende Gemische und Lösungen,
b)
Pflanzen, Algen, Pilze und Flechten sowie deren Teile und Bestandteile in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand,
c)
Tierkörper, auch lebender Tiere, sowie Körperteile, -bestandteile und Stoffwechselprodukte von Mensch und Tier in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand,
d)
Mikroorganismen einschließlich Viren sowie deren Bestandteile oder Stoffwechselprodukte;
2.
Zubereitung:ohne Rücksicht auf ihren Aggregatzustand ein Stoffgemisch oder die Lösung eines oder mehrerer Stoffe außer den natürlich vorkommenden Gemischen und Lösungen;
3.
ausgenommene Zubereitung:eine in den Anlagen I bis III bezeichnete Zubereitung, die von den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften ganz oder teilweise ausgenommen ist;
4.
Herstellen:das Gewinnen, Anfertigen, Zubereiten, Be- oder Verarbeiten, Reinigen und Umwandeln.

(2) Der Einfuhr oder Ausfuhr eines Betäubungsmittels steht jedes sonstige Verbringen in den oder aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Substitution im Sinne dieser Verordnung ist die Anwendung eines Substitutionsmittels. Substitutionsmittel im Sinne dieser Verordnung sind ärztlich verschriebene Betäubungsmittel, die bei einem opioidabhängigen Patienten im Rahmen eines Therapiekonzeptes zur medizinischen Behandlung einer Abhängigkeit, die durch den Missbrauch von erlaubt erworbenen oder durch den Missbrauch von unerlaubt erworbenen oder erlangten Opioiden begründet ist, angewendet werden.

(2) Im Rahmen der ärztlichen Therapie soll eine Opioidabstinenz des Patienten angestrebt werden. Wesentliche Ziele der Substitution sind dabei insbesondere

1.
die Sicherstellung des Überlebens,
2.
die Besserung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes,
3.
die Abstinenz von unerlaubt erworbenen oder erlangten Opioiden,
4.
die Unterstützung der Behandlung von Begleiterkrankungen oder
5.
die Verringerung der durch die Opioidabhängigkeit bedingten Risiken während einer Schwangerschaft sowie während und nach der Geburt.

(3) Ein Arzt darf einem Patienten Substitutionsmittel unter den Voraussetzungen des § 13 Absatz 1 des Betäubungsmittelgesetzes verschreiben, wenn er die Mindestanforderungen an eine suchtmedizinische Qualifikation erfüllt, die von den Ärztekammern nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft festgelegt werden (suchtmedizinisch qualifizierter Arzt). Zudem muss er die Meldeverpflichtungen nach § 5b Absatz 2 erfüllen.

(4) Erfüllt der Arzt nicht die Mindestanforderungen an eine suchtmedizinische Qualifikation nach Absatz 3 Satz 1 (suchtmedizinisch nicht qualifizierter Arzt), muss er zusätzlich zu der Voraussetzung nach Absatz 3 Satz 2

1.
sich zu Beginn der Behandlung mit einem suchtmedizinisch qualifizierten Arzt abstimmen sowie
2.
sicherstellen, dass sich sein Patient zu Beginn der Behandlung und mindestens einmal in jedem Quartal dem suchtmedizinisch qualifizierten Arzt nach Nummer 1 im Rahmen einer Konsiliarbehandlung vorstellt.
Ein suchtmedizinisch nicht qualifizierter Arzt darf gleichzeitig höchstens zehn Patienten mit Substitutionsmitteln behandeln. Er darf keine Behandlung nach § 5a durchführen.

(5) Im Vertretungsfall soll der substituierende Arzt von einem suchtmedizinisch qualifizierten Arzt vertreten werden. Gelingt es dem substituierenden Arzt nicht, einen Vertreter nach Satz 1 zu bestellen, so kann er von einem suchtmedizinisch nicht qualifizierten Arzt vertreten werden. In diesem Fall darf die Vertretung einen zusammenhängenden Zeitraum von bis zu vier Wochen und höchstens insgesamt zwölf Wochen im Jahr umfassen. Der Vertreter hat sich mit dem zu vertretenden Arzt grundsätzlich vor Beginn des Vertretungsfalles abzustimmen. Notfallentscheidungen bleiben in allen Vertretungsfällen unberührt. Der Vertreter fügt den Schriftwechsel sowie die sonstigen Aufzeichnungen zwischen den an der Vertretung beteiligten Ärzten der Dokumentation nach Absatz 11 bei. Der Vertreter nach Satz 2 darf im Rahmen seiner Vertretung keine Behandlung nach § 5a durchführen.

(6) Als Substitutionsmittel im Sinne von Absatz 1 darf der substituierende Arzt nur Folgendes verschreiben:

1.
ein zur Substitution zugelassenes Arzneimittel, das nicht den Stoff Diamorphin enthält,
2.
eine Zubereitung von Levomethadon, von Methadon oder von Buprenorphin oder
3.
in begründeten Ausnahmefällen eine Zubereitung von Codein oder Dihydrocodein.
Die in Satz 1 genannten Substitutionsmittel dürfen nicht zur intravenösen Anwendung bestimmt sein. Die Verschreibung eines in Satz 1 genannten Substitutionsmittels ist mit dem Buchstaben „S“ zu kennzeichnen. Für die zur Substitution zugelassenen Arzneimittel mit dem Stoff Diamorphin gilt § 5a.

(7) Dem Patienten oder bei dem Patienten ist das vom Arzt verschriebene Substitutionsmittel von den in Absatz 9 Satz 1 und 2 bezeichneten Personen oder dem dort bezeichneten Personal in den in Absatz 9 Satz 1 und 2 genannten Einrichtungen zum unmittelbaren Verbrauch zu überlassen, zu verabreichen oder gemäß dem in der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorgesehenen Verfahren anzuwenden. Im Fall des Verschreibens von Codein oder Dihydrocodein kann dem Patienten nach der Überlassung jeweils einer Dosis zum unmittelbaren Verbrauch die für einen Tag zusätzlich benötigte Menge des Substitutionsmittels in abgeteilten Einzeldosen ausgehändigt und ihm die eigenverantwortliche Einnahme gestattet werden, sofern dem Arzt keine Anhaltspunkte für eine nicht bestimmungsgemäße Einnahme des Substitutionsmittels vorliegen.

(8) Abweichend von Absatz 7 Satz 1 darf der substituierende Arzt dem Patienten Substitutionsmittel zur eigenverantwortlichen Einnahme gemäß den Feststellungen der Bundesärztekammer nach Absatz 11 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b verschreiben,

1.
sobald und solange er zu dem Ergebnis kommt, dass eine Überlassung des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch nach Absatz 7 nicht mehr erforderlich ist, oder
2.
ausnahmsweise, wenn
a)
die Kontinuität der Substitutionsbehandlung des Patienten nicht anderweitig gewährleistet werden kann,
b)
der Verlauf der Behandlung dies zulässt,
c)
Risiken der Selbst- oder Fremdgefährdung soweit wie möglich ausgeschlossen sind und
d)
die Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs nicht beeinträchtigt werden.
Der substituierende Arzt darf dem Patienten Substitutionsmittel in der für bis zu sieben aufeinanderfolgende Tage benötigten Menge nach Satz 1 verschreiben. Im Fall von Satz 1 Nummer 1 darf er dem Patienten in begründeten Einzelfällen Substitutionsmittel in der für bis zu 30 aufeinanderfolgende Tage benötigten Menge nach Satz 1 verschreiben. Ein begründeter Einzelfall im Sinne des Satzes 3 kann nur durch einen medizinischen oder einen anderen Sachverhalt begründet sein. Ein durch einen anderen Sachverhalt begründeter Einzelfall liegt vor, wenn der Patient aus wichtigen Gründen, die seine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder seine Erwerbstätigkeit betreffen, darauf angewiesen ist, eine Verschreibung des Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme für bis zu 30 Tage zu erhalten. Der Patient hat dem Substitutionsarzt diese Sachverhalte glaubhaft zu machen. Medizinische Sachverhalte, die einen Einzelfall begründen, werden durch die Bundesärztekammer nach Absatz 11 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b festgestellt. Der substituierende Arzt darf die Verschreibung nach Satz 1 im Rahmen einer persönlichen Konsultation an den Patienten aushändigen oder infolge einer telemedizinischen Konsultation an ihn übermitteln; die nach § 365 Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vereinbarten Anforderungen an die technischen Verfahren zu Videosprechstunden sind einzuhalten. In einem Zeitraum von 30 Tagen hat mindestens eine persönliche Konsultation stattzufinden. Die Verschreibung ist nach dem Buchstaben „S“ zusätzlich mit dem Buchstaben „T“ zu kennzeichnen. Der substituierende Arzt kann patientenindividuelle Zeitpunkte festlegen, zu denen Teilmengen des verschriebenen Substitutionsmittels in der Apotheke an den Patienten oder an die Praxis des substituierenden Arztes abgegeben oder zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden sollen.

(9) Substitutionsmittel nach Absatz 6 Satz 1 dürfen nur von folgenden Personen dem Patienten zum unmittelbaren Verbrauch überlassen, ihm verabreicht oder bei ihm gemäß dem in der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorgesehenen Verfahren angewendet werden:

1.
dem substituierenden Arzt in der Einrichtung, in der er ärztlich tätig ist,
2.
dem vom substituierenden Arzt in der Einrichtung nach Nummer 1 eingesetzten medizinischen Personal oder
3.
dem medizinischen, pharmazeutischen, pflegerischen oder in begründeten Fällen, in denen die Abgabe nicht anderweitig gewährleistet werden kann, auch anderem geeigneten Personal, das vom substituierenden Arzt eingewiesen wurde, in
a)
einer stationären Einrichtung der medizinischen Rehabilitation,
b)
einem Gesundheitsamt,
c)
einem Alten- oder Pflegeheim,
d)
Anstalten und Einrichtungen des Justizvollzugs,
e)
einem Hospiz oder
f)
einer anderen geeigneten Einrichtung, die zu diesem Zweck von der zuständigen Landesbehörde anerkannt sein muss,
sofern der substituierende Arzt nicht selber in der jeweiligen Einrichtung tätig ist und er mit der jeweiligen Einrichtung eine Vereinbarung getroffen hat.
Außerdem darf ein Substitutionsmittel nach Absatz 6 Satz 1 dem Patienten zum unmittelbaren Verbrauch überlassen, ihm verabreicht oder bei ihm gemäß dem in der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorgesehenen Verfahren angewendet werden
1.
bei einem Hausbesuch
a)
vom substituierenden Arzt oder dem von ihm eingesetzten medizinischen Personal oder
b)
vom medizinischen oder pflegerischen Personal, das von einem ambulanten Pflegedienst oder von einer Einrichtung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung eingesetzt wird, sofern der substituierende Arzt für diesen Pflegedienst oder diese Einrichtung nicht selber tätig ist und er mit diesem Pflegedienst oder dieser Einrichtung eine Vereinbarung getroffen hat,
2.
in einer Apotheke von dem Apotheker oder von dem dort eingesetzten pharmazeutischen Personal, sofern der substituierende Arzt mit dem Apotheker eine Vereinbarung getroffen hat,
3.
in einem Krankenhaus von dem dort eingesetzten medizinischen oder pflegerischen Personal, sofern der substituierende Arzt für dieses Krankenhaus nicht selber tätig ist und er mit dem Krankenhaus eine Vereinbarung getroffen hat, oder
4.
in einer staatlich anerkannten Einrichtung der Suchtkrankenhilfe von dem dort eingesetzten und dafür ausgebildeten Personal, sofern der substituierende Arzt für diese Einrichtung nicht selber tätig ist und er mit der Einrichtung eine Vereinbarung getroffen hat.
Der substituierende Arzt hat sicherzustellen, dass das Personal nach den Sätzen 1 und 2 fachgerecht in das Überlassen des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch, in dessen Verabreichung oder dessen Anwendung gemäß dem in der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorgesehenen Verfahren eingewiesen wird; eine invasive Verabreichung darf nur durch das in der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorgesehene Personal erfolgen. Die Vereinbarung nach den Sätzen 1 und 2 hat schriftlich oder elektronisch zu erfolgen und muss bestimmen, wie das eingesetzte Personal einer Einrichtung nach den Sätzen 1 und 2 fachlich eingewiesen wird und muss daneben mindestens eine verantwortliche Person in der jeweiligen Einrichtung benennen sowie Regelungen über die Kontrollmöglichkeiten durch den substituierenden Arzt enthalten. Der substituierende Arzt darf die benötigten Substitutionsmittel in den in den Sätzen 1 und 2 genannten Einrichtungen unter seiner Verantwortung lagern. Die Einwilligung des über die jeweiligen Räumlichkeiten Verfügungsberechtigten bleibt unberührt.

(10) Der substituierende Arzt hat die Erfüllung seiner Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 9 sowie nach § 5a Absatz 1 bis 4 und § 5b Absatz 2 und 4 gemäß den von der Bundesärztekammer nach Absatz 11 Satz 3 bestimmten Anforderungen zu dokumentieren. Die Dokumentation ist auf Verlangen der zuständigen Landesbehörde zur Einsicht und Auswertung vorzulegen oder einzusenden.

(11) Die Bundesärztekammer stellt den allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft für die Substitution in einer Richtlinie fest, insbesondere für

1.
die Ziele der Substitution nach Absatz 2,
2.
die allgemeinen Voraussetzungen für die Einleitung und Fortführung einer Substitution nach Absatz 1 Satz 1,
3.
die Erstellung eines Therapiekonzeptes nach Absatz 1 Satz 2, insbesondere
a)
die Auswahl des Substitutionsmittels nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 6,
b)
die Voraussetzungen für das Verschreiben des Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme nach den Absatz 8,
c)
die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Einbeziehung psychosozialer Betreuungsmaßnahmen sowie
d)
die Bewertung und Kontrolle des Therapieverlaufs.
Daneben kann die Bundesärztekammer nach dem allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft weitere als die in Absatz 2 Satz 2 bezeichneten wesentliche Ziele der Substitution in dieser Richtlinie feststellen. Sie bestimmt auch die Anforderungen an die Dokumentation der Substitution nach Absatz 10 Satz 1 in dieser Richtlinie. Die Einhaltung des allgemein anerkannten Standes der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft wird vermutet, wenn und soweit die Feststellungen nach den Sätzen 1 und 2 beachtet worden sind.

(12) Vor der Entscheidung der Bundesärztekammer über die Richtlinie nach Absatz 11 Satz 1 bis 3 ist dem Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 91 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft für die Substitution zu geben. Die Stellungnahme ist von der Bundesärztekammer in ihre Entscheidung über die Richtlinie nach Absatz 11 Satz 1 bis 3 einzubeziehen.

(13) Die Bundesärztekammer hat dem Bundesministerium für Gesundheit die Richtlinie nach Absatz 11 Satz 1 bis 3 zur Genehmigung vorzulegen. Änderungen der vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigten Richtlinie sind dem Bundesministerium für Gesundheit von der Bundesärztekammer ebenfalls zur Genehmigung vorzulegen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann von der Bundesärztekammer im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern. Das Bundesministerium für Gesundheit macht die genehmigte Richtlinie und genehmigte Änderungen der Richtlinie im Bundesanzeiger bekannt.

(14) Die Absätze 3 bis 10 sind entsprechend anzuwenden, wenn das Substitutionsmittel aus dem Bestand des Praxis- oder Stationsbedarfs zum unmittelbaren Verbrauch überlassen oder nach Absatz 7 Satz 2 ausgehändigt wird.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Strafverfolgungsbehörden dürfen für Zwecke künftiger Strafverfahren

1.
die Personendaten des Beschuldigten und, soweit erforderlich, andere zur Identifizierung geeignete Merkmale,
2.
die zuständige Stelle und das Aktenzeichen,
3.
die nähere Bezeichnung der Straftaten, insbesondere die Tatzeiten, die Tatorte und die Höhe etwaiger Schäden,
4.
die Tatvorwürfe durch Angabe der gesetzlichen Vorschriften,
5.
die Einleitung des Verfahrens sowie die Verfahrenserledigungen bei der Staatsanwaltschaft und bei Gericht nebst Angabe der gesetzlichen Vorschriften
in Dateisystemen verarbeiten.

(2) Weitere personenbezogene Daten von Beschuldigten und Tatbeteiligten dürfen sie in Dateisystemen nur verarbeiten, soweit dies erforderlich ist, weil wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder Tatbeteiligten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass weitere Strafverfahren gegen den Beschuldigten zu führen sind. Wird der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt, so ist die Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, wenn sich aus den Gründen der Entscheidung ergibt, dass die betroffene Person die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat.

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und die Landesregierungen bestimmen für ihren jeweiligen Geschäftsbereich durch Rechtsverordnung das Nähere über die Art der Daten, die nach Absatz 2 für Zwecke künftiger Strafverfahren gespeichert werden dürfen. Dies gilt nicht für Daten in Dateisystemen, die nur vorübergehend vorgehalten und innerhalb von drei Monaten nach ihrer Erstellung gelöscht werden. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die zuständigen Landesministerien übertragen.

(4) Die Verarbeitung personenbezogener Daten, die für Zwecke künftiger Strafverfahren von der Polizei gespeichert sind oder werden, richtet sich, ausgenommen die Verarbeitung für Zwecke eines Strafverfahrens, nach den Polizeigesetzen.

(1) Gerichte, Strafverfolgungsbehörden einschließlich Vollstreckungsbehörden, Bewährungshelfer, Aufsichtsstellen bei Führungsaufsicht und die Gerichtshilfe dürfen personenbezogene Daten in Dateisystemen verarbeiten, soweit dies für Zwecke des Strafverfahrens erforderlich ist. Die Polizei darf unter der Voraussetzung des Satzes 1 personenbezogene Daten auch in einem Informationssystem verarbeiten, welches nach Maßgabe eines anderen Gesetzes errichtet ist. Für dieses Informationssystem wird mindestens festgelegt:

1.
die Kennzeichnung der personenbezogenen Daten durch die Bezeichnung
a)
des Verfahrens, in dem die Daten erhoben wurden,
b)
der Maßnahme, wegen der die Daten erhoben wurden, sowie der Rechtsgrundlage der Erhebung und
c)
der Straftat, zu deren Aufklärung die Daten erhoben wurden,
2.
die Zugriffsberechtigungen,
3.
die Fristen zur Prüfung, ob gespeicherte Daten zu löschen sind sowie die Speicherungsdauer der Daten.

(2) Die Daten dürfen auch für andere Strafverfahren, die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und Gnadensachen genutzt werden.

(3) Erfolgt in einem Dateisystem der Polizei die Speicherung zusammen mit Daten, deren Speicherung sich nach den Polizeigesetzen richtet, so ist für die Verarbeitung personenbezogener Daten und die Rechte der Betroffenen das für die speichernde Stelle geltende Recht maßgeblich.

(1) Strafverfolgungsbehörden dürfen für Zwecke künftiger Strafverfahren

1.
die Personendaten des Beschuldigten und, soweit erforderlich, andere zur Identifizierung geeignete Merkmale,
2.
die zuständige Stelle und das Aktenzeichen,
3.
die nähere Bezeichnung der Straftaten, insbesondere die Tatzeiten, die Tatorte und die Höhe etwaiger Schäden,
4.
die Tatvorwürfe durch Angabe der gesetzlichen Vorschriften,
5.
die Einleitung des Verfahrens sowie die Verfahrenserledigungen bei der Staatsanwaltschaft und bei Gericht nebst Angabe der gesetzlichen Vorschriften
in Dateisystemen verarbeiten.

(2) Weitere personenbezogene Daten von Beschuldigten und Tatbeteiligten dürfen sie in Dateisystemen nur verarbeiten, soweit dies erforderlich ist, weil wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder Tatbeteiligten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass weitere Strafverfahren gegen den Beschuldigten zu führen sind. Wird der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt, so ist die Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, wenn sich aus den Gründen der Entscheidung ergibt, dass die betroffene Person die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat.

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und die Landesregierungen bestimmen für ihren jeweiligen Geschäftsbereich durch Rechtsverordnung das Nähere über die Art der Daten, die nach Absatz 2 für Zwecke künftiger Strafverfahren gespeichert werden dürfen. Dies gilt nicht für Daten in Dateisystemen, die nur vorübergehend vorgehalten und innerhalb von drei Monaten nach ihrer Erstellung gelöscht werden. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die zuständigen Landesministerien übertragen.

(4) Die Verarbeitung personenbezogener Daten, die für Zwecke künftiger Strafverfahren von der Polizei gespeichert sind oder werden, richtet sich, ausgenommen die Verarbeitung für Zwecke eines Strafverfahrens, nach den Polizeigesetzen.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.