Die Klägerin ist Halterin eines Hundes der Rasse Beagle. Sie begehrt mit ihrer Klage die Aufhebung des Bescheides vom 27. Juni 2018, in welchem die Beklagte Anordnungen zur Hundehaltung (unter anderem Leinen- und Maulkorbzwang) verfügt hat.
Dem Bescheid zugrunde liegt ein - zwischen den Beteiligten strittiger - Vorfall vom 11. April 2018, bei dem der Hund der Klägerin eine andere Person (den Vermieter der Klägerin bzw. ihres Ehemannes) gebissen haben soll. Dieser Beißvorfall soll sich auf dem Grundstück C…-F…-Ring 35 im Stadtgebiet der Beklagten zugetragen haben, auf dem die Klägerin bzw. ihr Ehemann Gewerberäumlichkeiten angemietet hat. Der betroffene Vermieter der Klägerin gab gegenüber der Beklagten an, der Hunde habe ihn angegriffen und zugebissen. Er legte ein ärztliches Attest vom 12. April 2018 vor.
Mit Schreiben vom 18. April 2018 gab die Beklagte der Klägerin bis 26. April 2018 Gelegenheit, sich zu diesem Vorfall zu äußern. Im Rahmen ihrer daraufhin erfolgten Vorsprache bei der Beklagten am 26. April 2018 gab die Klägerin an, der Vorfall habe nicht stattgefunden. Ihr Hunde beiße nicht und es sei nicht erwiesen, dass die Verletzungen von ihrem Hund stammen würden.
Eine vom Diensthundeführer des zuständigen Polizeipräsidiums angeregte Inaugenscheinnahme des Hundes lehnte die Klägerin ab.
Mit streitgegenständlichem Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2018 (zugestellt am 4.7.2018) verfügte die Beklagte gegenüber der Klägerin in Bezug auf die Haltung ihres Hundes Folgendes:
1. Sie werden verpflichtet, folgende Maßnahmen zu treffen:
1.1 Ständiges Anleinen Ihres Beagles auf allen Grünflächen und Straßen außerhalb Ihres umzäunten Grundstückes. Sie haben Ihre Hunde so zu halten, dass diese nur von einer geeigneten erwachsenen Person, die jederzeit in der Lage ist, das Tier körperlich zu beherrschen, an einer reißfesten Leine (Länge maximal 1,50 m) sowie einem durchschlupfsicheren Halsband ausgeführt werden darf.
Des Weiteren wird festgelegt, dass ihr Beagle auf dem Grundstück C…-F…-Ring 35 in M… ständig einen Maulkorb tragen muss.
1.2 Es wird festgelegt, dass die Anleinpflicht an sog. Hundeschulen und dafür vorgesehenen Schulungsplätzen nicht angewandt werden muss, sofern diese zu Erziehungsmaßnahmen dienen und sichergestellt ist, dass keine Gefahr für Unbeteiligte ausgeht.
2. Für den Fall eines Verstoßes gegen die Anordnung aus der Ziffer 1 dieses Bescheides wird ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- Euro fällig.
3. Die sofortige Vollziehung der Ziffer 1.1 dieses Bescheides wird angeordnet.
4. Die Kosten des Verfahrens haben Sie zu tragen.
5. Für diesen Bescheid wird eine Gebühr in Höhe von 50,- Euro festgesetzt.
In den Bescheidsgründen wird unter anderem ausgeführt, nach Abwägung und Würdigung aller der Beklagten bekannten Tatsachen komme auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nur die in Ziffer 1 des Bescheidstenors getroffene Anordnung in Betracht. Andernfalls bestünde die konkrete Gefahr, dass durch die Hundehaltung die Unversehrtheit von Leib und Leben von Menschen und Tieren verletzt werde. Die Anordnung stelle das mildeste Mittel dar. Die Androhung des Zwangsgeldes sei die zur Durchsetzung erforderliche und geeignete Maßnahme.
Mit Schreiben vom 3. August 2018, bei Gericht am gleichen Tag via Telefax eingegangen, erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag,
den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2018 aufzuheben.
Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 14. September 2018 vorgebracht, der Ehemann der Klägerin habe an besagtem Tag den Hund aus seinem Auto aussteigen lassen, woraufhin dieser zunächst auf den Vermieter zugelaufen, jedoch nach dem Abruf durch den Ehemann der Klägerin zurückgekommen sei. Der Hund habe sich völlig ruhig verhalten, einen Biss oder Ähnliches habe es nicht gegeben. Durch das vorgelegte Attest werde ein Biss durch den Hund der Klägerin nicht bestätigt.
Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 20. August 2018 mit, die Anordnungen hätten getroffen werden müssen, da die Gefahr weiterer Beißvorfälle bestehe. Zudem habe eine Empfehlung des Diensthundeführers des Polizeipräsidiums vorgelegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Über die Klage konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2019 entschieden werden. Die Beklagte wurde zum Termin mit Ladung vom 28. Dezember 2018 ordnungsgemäß gegen Empfangsbekenntnis vom 2. Januar 2019 geladen und auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen.
1. Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2018 erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2. Der Bescheid der Beklagten ist bereits in formeller Hinsicht rechtswidrig, da er unzureichend begründet ist.
Nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. Satz 2 dieser Vorschrift bestimmt, dass in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Für Ermessensentscheidungen erweitert Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG die Begründungspflicht des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG und verlangt, dass die Begründung auch die Gesichtspunkte erkennen lässt, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Daraus ergibt sich, dass die ermessensspezifischen Begründungselemente vollständig vorhanden sein müssen. Formelhafte Ausführungen ohne konkreten Bezug zum Fall genügen nicht (vgl. etwa Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand: September 2015, Art. 18 Rn. 87d). Es muss zum Ausdruck gebracht werden, dass sich die Behörde bei ihrer Entscheidung darüber bewusst war, dass ihr ein Ermessensspielraum eingeräumt ist. Die Begründung muss die Gesichtspunkte erkennen lassen, die die Behörde in ihre Ermessenserwägungen eingestellt hat; sie muss substantiiert, schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. hierzu Tiedemann in BeckOK, VwVfG, 42. Edition, Stand: 1.10.2018, § 39 Rn. 41-48).
Dies zugrunde gelegt genügt die im streitgegenständlichen Bescheid vom 27. Juni 2018 gegebene Begründung diesen Anforderungen nicht. Zur Begründung der im Ermessen der Beklagten stehenden sicherheitsrechtlichen Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 LStVG wird lediglich ausgeführt: „Nach Abwägung und Würdigung aller der Stadt M… bekannten Tatsachen kommt auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nur die in Ziffer 1 des Bescheidstenors getroffene Anordnung in Betracht. Andernfalls besteht die konkrete Gefahr, dass durch Ihre Hundehaltung (…) die Unversehrtheit von Leib und Leben von Menschen und Tieren, sowie deren Eigentum verletzt wird. (…). Nur die oben genannte Anordnung kann als mildestes Mittel einen wirksamen Schutz der beschriebenen Rechtsgüter gewährleisten. Diese Anordnung entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und rechtmäßigem Ermessensgebrauch.“ Hiermit gibt die Beklagte zwar zu erkennen, dass sie das ihr zustehende Ermessen erkannt hat. Allerdings erschöpft sich die Begründung in formelhaften Darstellungen, die keine näheren Verbindungen zum hier gegebenen konkreten Einzelfall aufweisen. Diejenige Gesichtspunkte, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist, lassen sich nicht in einer mit Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG zu vereinbarenden Weise entnehmen (in diese Richtung auch BayVGH, U.v. 12.5.2014 - 10 B 12.2084 - juris Rn. 33). Vor allem hinsichtlich der Auswahl der von der Beklagten getroffenen Anordnungen fehlen jegliche Begründungsansätze. So bleibt es beispielsweise völlig unklar, welche konkreten Maßnahmen die Beklagte vorliegend erwogen und warum sie den von ihr im streitgegenständlichen Bescheid verfügten Anordnungen letztlich den Vorrang eingeräumt hat. Es fehlen dementsprechend die wesentlichen Aspekte, die die Beklagte ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat. Die fehlende Begründung wurde auch im Klageverfahren nicht nachgeholt, sodass eine Heilung dieses formellen Fehlers nicht in Betracht kommt (Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG). Der pauschale Hinweis auf eine entsprechende Empfehlung des Diensthundeführers der Polizei genügt hierfür nicht. Es ist schließlich auch nicht davon auszugehen, dass die fehlende Begründung nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich ist, da nicht offensichtlich ist, dass die Verletzung der Begründungspflicht die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
3. Darüber hinaus erweist sich der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2018 - unabhängig von der Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage, insbesondere eine konkrete Gefahr, tatsächlich vorliegen - auch in materieller Hinsicht als rechtswidrig, da er ermessensfehlerhaft ist und insbesondere auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt wurde (Art. 8 LStVG).
3.1 Dies ergibt sich hinsichtlich des in Nr. 1.1 Sätze 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides angeordneten Leinenzwangs bereits daraus, dass die Beklagte eine generelle Anleinpflicht für den Hund der Klägerin auf Grünflächen und Straßen angeordnet hat, ohne zugleich eine Regelung zum Freiauslauf aufzunehmen. Eine generelle Anleinpflicht im ganzen Gemeindegebiet bzw. vorliegend sogar im gesamten Gebiet des Freistaats Bayern (ausgenommen hiervon wurde nur das Grundstück der Klägerin) verletzt nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in der Regel den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und führt zu einer fehlerhaften Ausübung des der Beklagten zustehenden Ermessens (vgl. BayVGH, U.v. 26.11.2014 - 10 B 14.1235 - juris Rn. 33). Die Beklagte hat vorliegend nicht ansatzweise erwogen, hinsichtlich der Anleinpflicht zwischen den im Zusammenhang bebauten Ortsteilen und dem Außenbereich zu unterscheiden. Alternativen zum angeordneten Leinenzwang wurden ebenso nicht aufgezeigt. Es wird im Gegenteil überhaupt nicht erläutert, weshalb im vorliegenden Fall außerhalb bewohnter Gebiete ein Freiauslauf des Hundes der Klägerin (zumindest nach Anlegen eines Maulkorbs) nicht möglich sein soll. Eine fehlende Regelung zum Freiauslauf bedarf jedoch schon im Hinblick auf § 1 Satz 2 TierSchG gesteigerter Anforderungen, da dadurch der natürliche Bewegungsdrang des Tieres überwiegend eingeschränkt wird (vgl. Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand: September 2015, Art. 18 Rn. 68). Hierzu hat die Beklagte weder Erwägungen angestellt noch sind derartige Gründe ersichtlich, selbst wenn man davon ausginge, dass sich der streitgegenständliche Vorfall in der Weise, wie ihn die Beklagte zur Grundlage des Bescheides gemacht hat, zugetragen hat.
Darüber hinaus ist auch hinsichtlich der örtlichen Reichweite der Maßnahme ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anzunehmen. So hat die Beklagte eine generelle Leinenpflicht auf allen Grünflächen und Straßen außerhalb des umzäunten Grundstücks der Klägerin angeordnet. Die Regelung kann nur dahingehend verstanden werden, dass die Anleinpflicht sich sowohl auf öffentliche, als auch auf private Grundstücke (ausgenommen das Privatgrundstück der Klägerin) bezieht. Zwar können auf Grundlage des Art. 18 Abs. 2 LStVG auch Anordnungen erlassen werden, die Privatgrundstücke betreffen, der Anwendungsbereich der Vorschrift ist mithin nicht auf den öffentlichen Raum beschränkt (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2014 - 10 BV 13.1151 - juris Rn. 27 ff.), jedoch geht eine derart weite Regelung vorliegend über das für die Gefahrenabwehr erforderliche Maß hinaus. Es ist nicht erkennbar und von der Beklagten auch nicht dargelegt, dass es zur Gefahrenabwehr erforderlich wäre, den Hund der Klägerin ausnahmslos, also auch auf umzäunten und eingefriedeten Privatgrundstücken, ständig an der Leine zu führen, gerade auch in den von der Anordnung ebenfalls umfassten Fällen, in denen der jeweilige Grundstückseigentümer seine Einwilligung zum Freilaufenlassen gegeben hat.
3.2 Vor diesem Hintergrund kann auch die in Nr. 1.1 Satz 3 getroffene Regelung (Maulkorbpflicht auf dem Grundstück C…-F…-Ring 35 in M…) keinen Bestand haben, da sie sich gleichfalls als ermessensfehlerhaft bzw. unverhältnismäßig erweist. Diese Regelung kann im Zusammenhang mit dem unter Nr. 1.1 Sätze 1 und 2 verfügten generellen Leinenzwang nur in der Art verstanden werden, dass auf dem benannten Grundstück sowohl ein Leinen- als auch zusätzlich ein Maulkorbzwang gelten soll. Die Beklagte hat jedoch weder im Bescheid noch im Klageverfahren dargelegt, warum es auf dem Grundstück zur Gefahrenabwehr eines Maulkorbzwanges zusätzlich zum verfügten Leinenzwang bedarf. Eine Sachverhaltskonstellation, in der typischerweise ein kombinierter Leinen- und Maulkorbzwang ermessensgerecht erscheint (Zubeißen trotz Leine bzw. nach Losreißen von der Leine) ist zudem nicht ersichtlich und wird von der Beklagten auch nicht angenommen.
Schließlich würde sich der angeordnete Maulkorbzwang für das im Bescheid benannte Grundstück auch auf die von der Klägerin bzw. ihrem Ehemann gemieteten Räume bzw. Gebäude beziehen mit der Folge, dass wegen der erhöhten Eingriffstiefe gesteigerte Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu stellen sind. Es ist jedoch von der Beklagten nicht nachvollziehbar dargelegt, dass zur Abwehr der Hundegefahr auch Anordnungen erforderlich wären, die sich auf die angemieteten Privaträume beziehen.
3.3 Die unter Nr. 1.2 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids getroffenen Anordnungen stellen Annexentscheidungen zu den Anordnungen unter Nr. 1.1 dar und können daher gleichfalls keinen Bestand haben. Die unter Nr. 4 und 5 getroffene Kostenentscheidung ist im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit des Bescheides im Übrigen ebenfalls aufzuheben (Art. 16 Abs. 5 KG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.