Verwaltungsgericht München Urteil, 01. März 2017 - M 18 K 16.68

bei uns veröffentlicht am01.03.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Bescheid vom 10. Dezember 2015 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Bescheides des Landratsamtes … vom 10. Dezember 2015, in dem die Klägerin verpflichtet wurde, die Kennzeichnung zweier Teeprodukte zu ändern und der Klägerin eine Auslobung mit den Begriffen „Fit Figur“ untersagt wurde.

Im Jahr 2003 wurde eines der beiden streitgegenständlichen Produkte, damals mit dem Namen „Schlank Diät Unterstützungstee“, vom Beklagten beanstandet. Nach einem Verwaltungsverfahren, in dem die Klägerin die Bezeichnung abänderte, wurde vom Beklagten die Auslobung als „Figur Fit Fastenunterstützungstee“ akzeptiert.

Im Gutachten des Bayerischen … vom 3. November 2014 wurde das Produkt „Mate-Tee Figur Fit“ von diesem beanstandet. Die Abbildung eines flachen Bauches sowie die Angabe „Figur Fit“ stellten gesundheitsbezogene Angaben dar, durch die mit schlankmachenden oder gewichtskontrollierenden Eigenschaften nach der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (im Folgenden: HCV) geworben werde. Mit Email der Klägerin an das Landratsamt vom 18. Dezember 2014 erklärte diese, in Zukunft auf die Abbildung des Bauches verzichteten zu wollen.

Im Gutachten des … [weiteres begutachtendes Institut] vom 28. Mai 2015 wurde das zweite streitgegenständliche Produkt „Kräutertee Figur Fit“ beanstandet, weil hier aufgrund der Auslobung mit „Figur Fit“ eine gesundheitsbezogene Angabe vorliege. Das Landratsamt … leitete dieses Gutachten am 24. Juni 2015 an die Klägerin weiter.

Die Klägerin gab per Email vom 3. Juni 2015 eine Stellungnahme zur Beanstandung des Produkts „Mate-Tee Figur Fit“ und per Email vom 25. Juni 2015 eine Stellungnahme zum Produkt „Kräutertee Figur Fit“ ab. Mit Schreiben vom 6. August 2015 erklärte das …[begutachtende Institut] trotz der Einwände der Klägerin an seiner Einschätzung festzuhalten.

Mit Schreiben vom 19. August 2015 beanstandete das Landratsamt … die Produkte „Kräutertee Figur Fit“ und „Mate-Tee Figur Fit“ gegenüber der Klägerin wegen Verstößen gegen Art. 10 Abs. 3 der HCV. Die Produkte seien daher in der jetzigen Form nicht verkehrsfähig. Die Klägerin werde aufgefordert, die Kennzeichnung entsprechend zu ändern und bis zum 11. September 2015 mitzuteilen, welche Maßnahmen zur Mängelbeseitigung geplant seien. Bei Ablehnung der Kennzeichnungsänderung müsse ein Anordnungsbescheid erlassen werden.

Am 29. September 2015 sandte die Klägerin per Email Änderungsvorschläge zur Aufmachung der Produkte.

Mit Schreiben vom 4. Dezember 2015 gab das … [begutachtende Institut] an das Landratsamt … eine abschließende Stellungnahme zum Sachverhalt ab. Nach wie vor vertritt das … [begutachtende Institut] darin die Auffassung, dass die alleinige Angabe „Figur Fit“ und der Verweis auf die Kalorienfreiheit des Produktes als gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der HCV zu werten seien und mangels Zulassungsverfahren unzulässig seien.

Am 10. Dezember 2015 erließ das Landratsamt … einen als Auflagenbescheid bezeichneten Verwaltungsakt, der an die Klägerin adressiert war. Dieser lautete auszugsweise wie folgt:

„1. Sie werden für verpflichtet erklärt, die Kennzeichnung der o. g. Produkte zu ändern. Die Auslobung „Figur Fit“ wird untersagt.“

Der Bescheid stützte sich auf § 39 Abs. 2 LFGB. In den Gründen wurde auf das Schreiben des … [begutachtenden Instituts] vom 4. Dezember 2015 verwiesen: Die Klägerin habe nach Ansicht des … [begutachtenden Instituts] zu Unrecht eine Produktkennzeichnung mit „Figur Fit“ und dem Hinweis auf die Kalorienfreiheit als nährwertbezogene Angabe im Sinne von „energiefrei“ eingestuft. Nach Art. 13 Abs. 1 Buchstabe c der HCV seien Angaben, die schlankmachende oder gewichtskontrollierende Eigenschaften des Lebensmittels beschreiben oder darauf verweisen würden, gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der HCV. Der Begriff „Figur Fit“ suggeriere dem Verbraucher, im Vergleich zu ähnlich zusammengesetzten, nicht so bezeichneten Erzeugnissen, eine besondere Eignung, eine fitte - schlanke - Körperform (Figur) als auch einen guten Gesundheitszustand (fit) zu ermöglichen. Der Verbraucher verstehe „Figur Fit“ nicht dahingehend, dass das Produkt keine Kalorien liefere und allein deshalb zu einer „fitten Figur“ beitrage. Dem Durchschnittsverbraucher sei nämlich bekannt, dass teeähnliche Erzeugnisse auch ohne die Angabe „Figur Fit“ in der Regel keine Kalorien liefern würden. Der Verbraucher werde daher durch die Auslobung der Produkte „Figur Fit“ vielmehr eine entsprechende Wirkung aufgrund der spezifischen Zusammensetzung der Produkte erwarten und nicht aufgrund deren Kalorienfreiheit. Die von der Klägerin vorgeschlagenen Änderungen der Verpackung seien nicht geeignet, die Annahme einer gewichtskontrollierenden Eigenschaft des Produktes aufgrund der Zusammensetzung zu verhindern. Das Landratsamt … schloss sich in der Bescheidsbegründung den Rechtsansichten und Feststellungen des … und des … [der begutachtenden Institute] an und erklärte, durch die Anordnung der Auflagen eine unzulässige Gefahr der Verbrauchertäuschung beseitigen zu wollen. Ein geringerer Eingriff als die Auflagenfestsetzung sei nicht ersichtlich.

Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2016 erhob der Klägerbevollmächtigte im Namen der Klägerin Klage gegen den Freistaat Bayern und beantragte,

den Auflagenbescheid vom 10. Dezember 2015 aufzuheben.

Die Regierung … erklärte mit Schriftsatz vom 26. Januar 2016, dass sie die Prozessvertretung übernommen habe.

Mit Schriftsätzen vom 26. April 2016, 13. Oktober 2016 und 24. Februar 2017 begründete der Klägerbevollmächtigte die Klage wie folgt: Ein Auswechseln der Rechtsgrundlage von § 39 LFGB auf Art. 54 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 sei nicht statthaft. Im Jahr 2003 habe der Beklagte die Änderung der Auslobung in „Figur Fit Fasten Unterstützungstee“ als zulässig akzeptiert. Die damals einschlägige Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nährwertkennzeichnungsverordnung (NKV) sei strenger gewesen als die heutige Rechtslage nach der HCV. Damals sei durch den Beklagten die Auslobung als „Figur Fit Fasten Unterstützungstee“ jedoch erlaubt worden, sodass nach HCV kein Verstoß mehr angenommen werde könne. Des Weiteren sei „Figur Fit“ keine gesundheitsbezogene Angabe nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV. Ein von dieser Vorschrift geforderter Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel einerseits und der Gesundheit andererseits sei durch die Auslobung „Figur Fit“ nicht kausal hergestellt. Das Begriffspaar „Fit“ und „Figur“ führe zu einer Einordnung der Produkte in die Kategorie „Wellness/Well-Being“. Nach dem Erwägungsgrund 16 Satz 3 der Verordnung sei auf den normalinformierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher als Maßstab für die Beurteilung, ob eine Aussage gesundheitsbezogen ist oder nicht, abzustellen. Der Verbraucher wisse jedoch, dass es auf dem Markt eine Vielzahl von Produkten gebe, die dem allgemeinen Wohlbefinden dienten, ohne dass gleichzeitig besondere Eigenschaften des Produktes in Anspruch genommen würden (Landgerichts Düsseldorf vom 27. November 2014, Az. 14 c U 156/14 - juris Randziffer 137). Sofern nicht zusätzlich im werblichen Kontext eine besondere Wirksamkeit des Produktes suggeriert werde, bestehe für den Durchschnittsverbraucher daher kein Anlass zu der Annahme, dass das Produkt anders als ein typisches Wellness-Produkt tatsächlich positive Wirkungen auf die Gesundheit des anderen Anwenders habe. „Figur Fit“ sei als eine zulässige nährwertbezogene Angabe zu werten. Fast jede nährwertbezogene Angabe weise auch einen Gesundheitsbezug auf. Daher seien zum Erhalt eines eigenständigen Anwendungsbereiches der nährwertbezogenen Angaben sämtliche zugelassenen nährwertbezogenen Angaben aus dem Anwendungsbereich der gesundheitsbezogenen Angaben auszuscheiden. (Zipfel/Rathke, Kommentar zur VO (EG) Nr. 1924/2006, Art. 8 Rn. 7 c). Aus Sicht des aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers habe die Bezeichnung „Figur Fit Tee - für eine kalorienbewusste Ernährung“ den identischen Sinngehalt wie die Aussage „energiefrei“ oder „energiearm“. Entgegen der Argumentation des … [begutachtenden Instituts] handle es sich bei dieser Auslobung mit einer nährwertbezogenen Angabe nicht um eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten gem. Art. 7 Abs. 1 c der Verordnung (EG) 1169/2011 (LMIV). Die Kalorienfreiheit werde im Vergleich zu anderen vergleichbaren Lebensmitteln nicht als besonderes Merkmal dargestellt, sodass es an einer Irreführung des Verbrauchers fehle. Jedenfalls verstoße der Bescheid mit seinem pauschalen Verbot, die Kennzeichnung „Figur Fit“ zu benutzen, in Ziffer 1 gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da die o. g. Angabe keinesfalls unter allen denkbaren Umständen eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe sein könne. Es sei immer eine ergänzende oder erläuternde Angabe denkbar, die in der Gesamtschau dann der Angabe „Figur Fit“ jedwedes Irreführungs- und Missverständnispotential nehmen könne. Der Beklagte und die Gutachten, auf die sich der Beklagte stütze, argumentierten jeweils mit dem Kontext bzw. der Darstellung der Produkte, so dass ein pauschales Verbot des Begriffspaares unverhältnismäßig sei.

Mit Schriftsatz vom 14. September 2016 beantragte die Prozessvertretung der Regierung …,

die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der Bescheid stütze sich zwar auf die falsche Rechtsgrundlage (§ 39 Abs. 2 LFGB), jedoch sei ein Austausch der Rechtsgrundlage wegen des Anwendungsvorranges des Unionsrechts möglich. Bei der Bezeichnung „Figur Fit“ handle es sich um eine nach Art. 10 Abs. 1 HCV verbotenen gesundheitsbezogenen Angabe. Gem. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV sei eine gesundheitsbezogene Angabe jede Angabe, mit der auch nur mittelbar ein Zusammenhang zur Gesundheit hergestellt werde. Zur Gesundheit zählten nach Art. 13 Abs. 1 c HCV auch Angaben über schlankmachende oder gewichtskontrollierende Eigenschaften eines Lebensmittels. Nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der HCV sei der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ weit auszulegen. Mit der Bezeichnung „Figur Fit“ werde zum Ausdruck gebracht, dass der Verzehr des Produktes dazu führe, die Figur fit zu halten. Die Bezeichnung „Figur Fit“ werde bei beiden Produkten plakativ hervorgehoben und weise daher den Verbraucher darauf hin, dass diese Produkte im Vergleich zu ähnlich zusammengesetzten, nicht so bezeichneten Erzeugnissen in besonderer Weise geeignet seien, zu einer fitten, d. h. schlanken Figur beizutragen. Aufgrund der Kenntnis des Durchschnittverbrauchers, dass vergleichbare Kräuterteeprodukte kalorienarm seien, erwarte der Verbraucher bei der Auslobung von Produkten mit der Bezeichnung „Figur Fit“ eine spezifische Zusammensetzung der Produkte, die eine schlankmachende Wirkung hervorrufe. Auch der Markenname der Klägerin trage zu diesem Eindruck bei. Wie das … [begutachtende Institut] in seinem Gutachten bereits erklärt habe, liege auch keine zulässige nährwertbezogene Angabe vor. Das plakative Hervorheben der Angabe „Figur Fit“ bedeute eine besondere Hervorhebung der Energiefreiheit des Teeerzeugnisses und somit entgegen Art. 7 Abs. 1 LMIV eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Da eine Einstufung als gesundheitsbezogene Angabe also erforderlich sei, jedoch die Anforderungen nach Art. 10 Abs. 1 HCV für die gesundheitsbezogenen Angaben nicht vorlägen, sei das Produkt mit der gesundheitsbezogene Angabe „Figur Fit“ nicht verkehrsfähig. Es sei kein milderes geeignetes Mittel für den Beklagten ersichtlich, um den Verstoß gegen das Lebensmittelrecht abzustellen. Ein Berufen der Klägerin auf eine frühere behördliche Entscheidung, die zu einer anderen Rechtslage ergangen sei, sei nicht möglich. Die HCV sei erst ab dem 1. Juli 2007 maßgeblich.

Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2017 vertiefte der Beklagte seine Ausführungen.

In der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2017 wurden die schriftsätzlich angekündigten Anträge von den Parteien gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Landratsamtes … vom 10. Dezember 2015 ist rechtswidrig, da zwar die Beklagte zu Recht von Verstößen der Klägerin ausging, die streitgegenständliche Anordnung jedoch unverhältnismäßig ist.

1. Richtige Rechtsgrundlage ist Art. 54 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) 882/2004. Der Wechsel der Ermächtigungsgrundlage ist zulässig (vgl. BVerwG v. 10.12.2015 - 3 C 7/14 - juri, Rn. 11ff.). Die Behörde stellte entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten einen Verstoß fest, sodass der Anwendungsbereich des Artikels 54 der Verordnung (EG) 882/2004 eröffnet war. Maßgeblich für die Feststellung eines Verstoßes durch die Behörde ist die Ansicht der Behörde, ob objektiv alle Tatbestandsvoraussetzungen einer Verbotsnorm des Lebensmittelrechts vorliegen.

2. Es liegen bei beiden Produkten Verstöße gegen die Artikel 3 Abs. 1 und Abs. 5; 10 Abs. 1 und 3; 13 Abs. 1 c) HCV durch die Angabe „Figur Fit“ auf den Verpackungen in Verbindung mit der Gesamtaufmachung („für eine kalorienbewusste Ernährung“, „ideal zur Fastenunterstützung - zur Unterstützung bei Fastenkuren“, und den Anwendungsvorgaben beim Figur Fit Tee (6 Tassen täglich je eine Stunde vor und zu den Mahlzeiten)) vor.

2.1 Der Anwendungsbereich der HCV nach Art. 1 Abs. 2 Unterabsatz 1 HCV ist eröffnet, da im Rahmen der Gesamtaufmachung der streitgegenständlichen Produkte gesundheitsbezogenen Angaben bei der Kennzeichnung gemacht werden.

„Figur Fit - für eine kalorienbewusste Ernährung“ stellt eine Angabe in kommerziellen Mitteilungen nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCV dar. Damit wird auch mittelbar zum Ausdruck gebracht bzw. suggeriert, dass die streitgegenständlichen Teeprodukte besondere Eigenschaften besitzen. Der durchschnittlich informierte Verbraucher wird durch die plakativ hervorgehobenen Aufmacher „Figur Fit“ im Vergleich zu einem danebenstehenden Kräutertee ohne derartige Aufmachung der Suggestion unterliegen, dass ein „Figur-Fit“-Tee besondere Eigenschaften habe. Der Verweis des Klägerbevollmächtigten auf die Kenntnis des durchschnittlichen Verbrauchers von Wellness-Produktpaletten überzeugt das Gericht nicht: Einen „Kräutertee Figur-Fit“ kauft der durchschnittlich informierte Verbraucher nicht, um sich „wohl zu fühlen“ oder wegen des Geschmackes, sondern wegen der auf der Verpackung suggerierten Wirkung bzw. hervorgehobenen besonderen Eigenschaft, zu helfen, die „Figur fit“ zu machen.

2.2 Eine gesundheitsbezogene Angabe nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV liegt nicht lediglich in der isolierten Bezeichnung „Figur Fit“. Jedoch ist aufgrund der konkreten Gesamtaufmachung der streitgegenständlichen Produkte sowohl in der ursprünglich beanstandeten Version, als auch in den Änderungsvorschlägen der Klägerin eine gesundheitsbezogene Angabe anzunehmen.

2.2.1 Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV ist eine gesundheitsbezogene Angabe jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff des Zusammenhanges ist dabei weit zu verstehen; er erfasst jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (BGH v. 10.12.2015 - I ZR 222/13 - juris, Rn. 21, m.w.N.). Aufgrund der Aufmachung der streitgegenständlichen Produkte, vor allem mit der Kennzeichnung „Figur Fit“ wird dem Verbraucher ein Zusammenhang zwischen den Teeprodukten und der Gesundheit suggeriert.

Gewichtskontrolle bzw. Gewichtsverlust stellen im Rahmen der HCV einen einstellbaren Gesundheitsaspekt dar. Gesundheitsbezogene Angaben sind nach Art. 13 Abs. 1 c) HCV auch solche, die schlankmachende oder gewichtskontrollierende Eigenschaften des Lebensmittel beschreiben. Somit ist bereits aus dem Wortlaut der HCV klar ersichtlich, dass ein Bezug zu Gewichtskontrolle einen Gesundheitsbezug darstellt.

2.2.2 Entgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters ist jedoch der abstrakte Begriff „Figur Fit“ auf einem Teeprodukt nicht in jedem Zusammenhang geeignet, um einen Bezug zu Gewichtskontrolle bzw. -verlust herzustellen. Zwar verweist der Begriff „Figur“ auf die Körperform, jedoch könnte eine fitte Figur nicht ohne weiteres mit einem Gewichtsverlust gleichgesetzt werden. Durch eine andere Gesamtaufmachung der Teepackungen könnte das Begriffspaar „Figur Fit“ durchaus zulässig sein. Eine fitte Figur könnte beispielhaft auch mit einer muskulösen Figur (Muskelaufbau) verbunden werden, womit der vom Beklagtenvertreter automatisch angenommene abstrakte Bezug des Begriffspaars „Figur Fit“ zum Gewichtsverlust verwischt wäre.

2.2.3 Nach Ansicht des Gerichtes ist jedoch durch die Gesamtaufmachung der streitgegenständlichen Produkte, in die der Begriff „Figur Fit“ plakativ eingebettet ist, ein Bezug zur Gesundheit des Verbrauchers durch Gewichtsreduktion/-kontrolle hergestellt. Konkret sind beide Tees auf der Vorderseite der Verpackung mit der Unterschrift „für eine kalorienbewusste Ernährung“ bedruckt. Allein dadurch ist nach Ansicht des Gerichtes ein Bezug zwischen dem Begriffspaar „Figur Fit“ und einer gewichtskontrollierenden Eigenschaft des Tees hergestellt. Der bereits von der Klägerin nicht mehr verwandte Hintergrund mit der Darstellung eines flachen weiblichen Bauches verstärkte diesen Eindruck. Jedoch ist auch durch die aktuelle Abbildung von verschiedenen Kräutern auf der Verpackung ein solcher Bezug nicht auszuschließen. Wie der Klägerbevollmächtigte zu Recht erklärte, ist beim aufmerksamen, verständigen Durchschnittsverbraucher bekannt, dass jede Kräuterteeart kalorienarm bzw. kalorienfrei ist. Daher liegt es nach Auffassung des Gerichts nahe, dass der aufmerksame, angemessen informierte Durchschnittsverbraucher durch die konkrete Aufmachung auf der Vorderseite beider Teeprodukte davon ausgeht, dass nicht allein die Kalorienfreiheit der streitgegenständlichen Produkte bei einer Gewichtsreduktion hilfreich ist, sondern eine bestimmte Kräuterzusammensetzung in dem Produkt beim Abnehmen behilflich sein wird.

Verstärkt wird dieser Eindruck beim Produkt „Figur-Fit-Tee“ zum einen durch die Aufmachung …, die sich nahtlos in die von der Klägerin vertriebenen Arzneimitteltees mit medizinischen nachgewiesenen Wirkstoffen einreiht. Des Weiteren ist auf der Seite der Verpackung empfohlen, bei der Durchführung einer Diät kurmäßig dreimal täglich jeweils eine Stunde vor und zu den Mahlzeiten eine Tasse zu trinken. Auch diese Empfehlung führt bei dem durchschnittlich aufmerksamen und verständlichen Verbraucher zur Einschätzung, dass vorliegend ein Wirkstoff im Tee enthalten sein wird, der beim Abnehmen behilflich ist, da sonst eine kurmäßige Anwendung nicht wie bei Arzneimitteltees vorgeschrieben werden würde. Die oben benannten Beschriftungen auf der Verpackungsoberseite („Figur Fit“ in Verbindung mit dem Untertext „für eine kalorienbewusste Ernährung“), dem kurmäßigen Anwendungshinweis und die Gesamtaufmachung, die sich nahtlos in die Medizinprodukte-Reihe einfügt, führt zur Annahme eines kausalen Gesundheitsbezuges. Dieser wird durch die im Änderungsvorschlag abgeänderte Formulierung im kleingedruckten Seitentext („Dieser von Natur aus kalorienarme Kräutertee ist ein idealer Begleiter einer kalorienbewussten Ernährung.“) nicht ausreichend entkräftet. Maßgeblich ist insoweit auch, dass der Produktbezeichnung „Tee“ die Bezeichnung „Figur-Fit“ vorangestellt ist. Solche vorangestellten Bezeichnungen bei Tees beziehen sich üblicherweise entweder auf die Sorte (z.B. Kamillentee, Malventee, o.ä.) oder auf den aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers (gesundheitsbezogenen) Anwendungsbereich (z.B. Bronchialtee, Blasentee, o.ä.). Da es sich bei der Bezeichnung „Figur-Fit-Tee“ erkennbar nicht um eine Sortenbezeichnung handelt, wird der Durchschnittsverbraucher aus dieser Bezeichnung einen gesundheitsbezogenen Anwendungsbereich herleiten.

Auch beim „Mate-Tee Figur Fit“ sieht das Gericht eine gesundheitsbezogene Angabe nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV vorliegen. Hier ist auf der Vorderseite der Verpackung der Begriff „Figur Fit“ durch eine … plakativ hervorgehoben und mit dem direkten Untertext „für eine kalorienbewusste Ernährung“ dargestellt. In Zusammenschau mit der Empfehlung im Seitentext über eine kurmäßige Anwendung über vier bis sechs Wochen ist für das Gericht eine ausreichende Suggestivwirkung im Hinblick auf das Vorhandensein eines Wirkstoffes, der beim Abnehmen behilflich ist, anzunehmen, da sich der Durchschnittsverbraucher auch hier fragen wird, warum gerade dieser Mate-Tee im Vergleich zu anderen nicht so beworbenen Mate-Tees besonders durch seine kurmäßige Anwendung zur Fastenunterstützung und für eine kalorienbewusste Ernährung (Diät) geeignet sei.

Im ursprünglich beanstandeten Layout im Seitentext des Mate-Teeproduktes, wurde die ideale Unterstützung einer Fastenkur mit diesem Teeprodukt damit begründet, dass dieser eine kalorienneutrale Flüssigkeitszufuhr und umfangreiche Vitaminversorgung gewährleiste. Dies stellt nach Ansicht des Gerichts im Zusammenhang mit einer abgeänderten Aufmachung auf der Vorderseite beim Mate-Tee-Produkt eine Möglichkeit dar, eine Verbrauchertäuschung durch die fälschliche Annahme des Vorliegens eines Wirkstoffes zu verhindern.

2.3 Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten liegt nicht lediglich eine nährwertbezogene Angabe nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCV vor. Laut der vom Klägerbevollmächtigten zitierten Kommentarstelle (Zipfel/Rathke, Kommentar zum Lebensmittelrecht, HCV, Art. 8 Rn. 7 c) scheiden die zugelassenen nährwertbezogenen Angaben aus der Anwendung sämtlicher Vorschriften für gesundheitsbezogene Angaben aus, allerdings nach dem Schutzzweck nur dann, wenn sich die Angabe an den Wortlaut der zugelassenen nährwertbezogenen Angaben oder streng an dieselbe Bedeutung hält. Im Anhang der HCV sind beispielsweise als zugelassene nährwertbezogene Angabe „energiearm“ oder „energiefrei“ aufgelistet. Die Bezeichnung „Figur Fit - für eine kalorienbewusste Ernährung“ hält sich offensichtlich nicht an den Wortlaut einer zugelassenen nährwertbezogenen Angabe. Auch ist nach Ansicht des Gerichts in der oben zitierte Bezeichnung nicht streng dieselbe Bedeutung wie „energiearm“ oder „energiefrei“ enthalten. Schon ob Energiearmut oder Energiefreiheit im Sinne der Liste im Anhang der HCV gemeint ist, ergibt sich für den Verbraucher nicht aus der Bezeichnung „Figur Fit-für eine kalorienbewusste Ernährung“.

2.4 Durch die festgestellten gesundheitsbezogenen Angaben liegt ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1, Abs. 5 und den Kapiteln 3 und 4 der HCV vor. Nach Art. 3 Abs. 3 Nr. a) Variante 1 HCV darf eine gesundheitsbezogene Angabe nicht falsch sein. Vorliegend geht der Verbraucher vor allem beim „Figur-Fit-Tee“ aufgrund der Gesamtaufmachung davon aus, dass ein bestimmter Wirkstoff im Produkt vorliegt, der das Abnehmen erleichtere. Dies ist falsch und wird von der Klägerin auch nicht in Anspruch genommen. Aufgrund der nach Überzeugung des Gerichts vorliegenden Suggestivwirkung eines Inhaltsstoffes liegt als Folgewirkung auch ein Verstoß gegen die Art. 5 Abs. 1 a), 1 e) i.V.m. Art. 10 Abs. 3, Art. 13 Abs. 1 Nr. c) i) und ii) HCV vor.

2.5 Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass ein Verstoß gegen das Lebensmittelrecht durch die Gesamtaufmachung beider Tees, vor allem in Verbindung der Bezeichnungen „Figur Fit - für eine kalorienbewusste Ernährung“ vorliegt.

3. Allerdings ist der streitgegenständliche Bescheid wegen eines Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzips rechtswidrig und daher aufzuheben.

3.1 Zwar ist es grundsätzlich zulässig, ein Kennzeichnungsverbot für bestimmte Wortteile eines Produktes auf Grundlage des Art. 54 VO (EG) 882/2004 auszusprechen. Ein solches Auslobungsverbots ist auch geeignet, um eine Täuschung des Verbrauchers mit hoher Wahrscheinlichkeit zu verhindern, da bei einem Hinwegdenken des Bestandteiles „Figur Fit“ bei den konkreten streitgegenständlichen Produkten ein Gesundheitsbezug zum Abnehmen jedenfalls auf der Vorderseite stark verwischt bzw. verhindert würde. Der weitere Bezug auf eine Gewichtskontrolle durch die Aussagen „für eine kalorienbewusste Ernährung“ würde dann vom durchschnittlich informierten und interessierten Verbraucher mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die generelle Kalorienarmut bzw. -freiheit von Kräutertees und Mate-Tees zurückgeführt werden und nicht mehr auf einen etwaigen Inhaltsstoff, der beim Abnehmen helfe. Dies gilt sowohl für die ursprünglich beanstandeten Produkte als auch für die Änderungsvorschläge durch die Klägerin, sodass die Erforderlichkeit der Maßnahme trotz der Änderungsvorschläge der Klägerin auch gegeben war. Die im Verwaltungsverfahren vorgeschlagenen Änderungen entkräften den Bezug auf einen etwaig enthaltenen Wirkstoff nicht ausreichend.

3.2 Jedoch ist das abstrakte Verbot der Auslobung mit den Worten „Figur Fit“ unverhältnismäßig und verletzt die Klägerin in ihrem Recht auf die Ausübung ihres eingerichteten Gewerbebetriebs. Da - wie bereits oben dargelegt -nicht allein aus dem abstrakten Begriffspaar „Figur Fit“ eine gesundheitsbezogene Angabe denklogisch hergestellt werden kann, ist das vollständige Verbot der Auslobung eines Produktes der Klägerin mit diesem Begriffspaar ein unzulässiger und nicht durch die HCV gerechtfertigter Eingriff in den ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin. Der Klägerin muss es möglich bleiben, soweit es ihrer Marketing-Strategie entspricht, dieses Begriffspaar im Rahmen der Gesetze weiter verwenden zu können. Die Klägerin gab hierzu an, dass ein nicht unerheblicher Teil ihres Umsatzes auf die streitgegenständlichen Produkte der Linie „Figur Fit“ entfällt. Auch die Wettbewerbssituation zwischen anderen Herstellern und der Klägerin, die allesamt Tees als Unterstützer einer Diät aufgrund der Geeignetheit als kalorienarmes Getränk anbieten und derart bewerben, macht es für die Klägerin notwendig, eine solche Marketing-Strategie zu verfolgen. Soweit die Klägerin durch eine Abänderung der Gesamtaufmachung der Produkte die Suggestion eindeutig ausschließt, dass ein bestimmter Wirkstoff im Kräutertee zu einer Gewichtsabnahme verhilft, muss ihr das Recht verbleiben, das Begriffspaar „Figur Fit“ verwenden zu dürfen.

Entgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters ist eine Irreführung der Verbraucher durch ein reines Bewerben der streitgegenständlichen Teeprodukte mit ihrer Kalorienfreiheit keine nach Art. 7 Abs. 1 c) LMIV verbotene Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Durch das Bewerben der Kalorienfreiheit von reinen Tees in Beutelform wird kein besonderes Merkmal im Sinne des Art. 7 Abs. 1 c) LMIV ausgezeichnet. Wie oben bereits erwähnt, ist beim durchschnittlich interessierten und informierten Verbraucher davon auszugehen, dass dieser bei nicht mit anderweitigen Zutaten gemischten, als Teebeutel abgepackten Kräuterteeerzeugnissen von einer Kalorienarmut bzw. -freiheit ausgeht und diese nicht als besonderes Merkmal wahrnimmt.

3.3 Der Behörde muss jedoch eine effektive Maßnahme verbleiben, um bei Feststellung eines (hier vorliegenden) Verstoßes gegen die HCV einen Bescheid erlassen zu können, der den Lebensmittelhändler zu einer Kennzeichnungsänderung bzw. einer gerichtlichen Überprüfung veranlasst. Daher ist nach Ansicht des Gerichtes vorliegend als geeignetes, erforderliches und auch verhältnismäßiges Mittel der Erlass eines Bescheides auf Grundlage des Art. 54 Abs. 1 und 2 b) der VO (EG) 882/2004 zu sehen, der das Inverkehrbringen des Produktes ab einer Frist nach Bestandskraft des Bescheides untersagt. Im Bescheid ist dann ausführlich darauf einzugehen, welche Elemente bzw. Kombinationen solcher in der Gesamtaufmachung einen Verstoß gegen die Kennzeichnungspflichten der HCV begründen. Dies ist entgegen des ersten Anscheins keine stärker einschneidende Maßnahme in das Recht auf Ausübung eines Gewerbebetriebes der Klägerin, da der Klägerin somit die Möglichkeit verbleibt, ihre auf dem Begriff „Figur Fit“ beruhende Marketing-Strategie für die streitgegenständlichen Produkte beizubehalten und ihr eine anderweitige Abänderung der Gesamtaufmachung zur Vermeidung von lebensmittelrechtlichen Verstößen ermöglicht wird.

4. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus dem § 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

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(1) Die für die Überwachung von Lebensmitteln, Futtermitteln und Bedarfsgegenständen im Sinne von § 2 Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 zuständigen Behörden treffen die Maßnahmen, die nach den Artikeln 137 und 138 der Verordnung (EU) 2017/625 erforderlich sind zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes.

(2) Unbeschadet des Artikels 137 Absatz 2 und 3 der Verordnung (EU) 2017/625 können die für die Überwachung von Lebensmitteln, Futtermitteln und Bedarfsgegenständen im Sinne von § 2 Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 zuständigen Behörden zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes

1.
anordnen, dass derjenige, der ein in Absatz 1 genanntes Erzeugnis hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht hat oder dies beabsichtigt,
a)
eine Prüfung durchführt oder durchführen lässt und das Ergebnis der Prüfung der zuständigen Behörde mitteilt und
b)
der zuständigen Behörde den Eingang eines solchen Erzeugnisses anzeigt,
wenn Grund zu der Annahme besteht, dass dieses Erzeugnis den Vorschriften nach Absatz 1 nicht entspricht, oder
2.
vorübergehend verbieten, dass ein in Absatz 1 genanntes Erzeugnis in den Verkehr gebracht wird, bis das Ergebnis einer entnommenen Probe oder einer nach Nummer 1 angeordneten Prüfung vorliegt.

(3) Maßnahmen im Sinne von Artikel 138 Absatz 2 Buchstabe d und g der Verordnung (EU) 2017/625 können entsprechend auch in Bezug auf das Verfüttern eines Futtermittels ergehen.

(4) Maßnahmen im Sinne von Artikel 138 Absatz 2 können entsprechend auch zur Verhütung eines künftigen Verstoßes sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung ergehen.

(5) Zum Zweck der Verringerung oder Beseitigung der Ursachen für einen gesundheitlich nicht erwünschten Stoff, der in oder auf einem Lebensmittel enthalten ist, führen die zuständigen Behörden, wenn eine Überschreitung von durch Rechtsverordnung nach § 13 Absatz 1 Nummer 7 oder § 13 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 festgesetzten Auslösewerten festgestellt wird, Untersuchungen mit dem Ziel durch, die Ursachen für das Vorhandensein des gesundheitlich nicht erwünschten Stoffs zu ermitteln. Soweit es erforderlich ist, kann die zuständige Behörde die zur Verringerung oder Beseitigung der Ursachen für das Vorhandensein des gesundheitlich nicht erwünschten Stoffs erforderlichen Maßnahmen anordnen. Dabei kann sie auch anordnen, dass der Wirtschaftsbeteiligte selbst eine Untersuchung durchführt oder durchführen lässt und das Ergebnis der Untersuchung mitteilt. Die zuständigen Behörden informieren das Bundesministerium, im Fall einer Rechtsverordnung nach § 13 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, oder im Fall einer Rechtsverordnung nach § 72 Satz 2 das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit unverzüglich über ermittelte Ursachen für das Vorhandensein des gesundheitlich nicht erwünschten Stoffs und die zur Verringerung oder Beseitigung dieser Ursachen angeordneten Maßnahmen zum Zweck der Information der Kommission und der anderen Mitgliedstaaten.

(6) Zum Zweck der Verringerung oder Beseitigung der Ursachen für unerwünschte Stoffe in Futtermitteln führen die zuständigen Behörden, wenn eine Überschreitung von festgesetzten Höchstgehalten an unerwünschten Stoffen oder Aktionsgrenzwerten festgestellt wird, Untersuchungen mit dem Ziel durch, die Ursachen für das Vorhandensein unerwünschter Stoffe zu ermitteln. Soweit es erforderlich ist, kann die zuständige Behörde die zur Verringerung oder Beseitigung der Ursachen für das Vorhandensein unerwünschter Stoffe erforderlichen Maßnahmen anordnen. Dabei kann sie auch anordnen, dass der Wirtschaftsbeteiligte selbst eine Untersuchung durchführt oder durchführen lässt und das Ergebnis der Untersuchung mitteilt. Die zuständigen Behörden informieren das Bundesministerium oder im Fall einer Rechtsverordnung nach § 72 Satz 2 das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit unverzüglich über ermittelte Ursachen für das Vorhandensein unerwünschter Stoffe und die zur Verringerung oder Beseitigung dieser Ursachen angeordneten Maßnahmen zum Zweck der Information der Kommission und der anderen Mitgliedstaaten.

(7) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Anordnungen, die der Durchführung von Verboten nach

1.
Artikel 14 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002,
2.
Artikel 15 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 erster Anstrich der Verordnung (EG) Nr. 178/2002,
3.
Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe b erster oder zweiter Spiegelstrich der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2090 oder
4.
§ 5 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 oder § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1
dienen, haben keine aufschiebende Wirkung.

(7a) Soweit im Einzelfall eine notwendige Anordnung oder eine sonstige notwendige Maßnahme nicht aufgrund der Absätze 1 bis 4 getroffen werden kann, bleiben weitergehende Regelungen der Länder, einschließlich der Regelungen auf dem Gebiet des Polizeirechts, aufgrund derer eine solche Anordnung oder Maßnahme getroffen werden kann, anwendbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein Fleischwaren herstellendes Unternehmen, wendet sich gegen eine lebensmittelrechtliche Untersagungsanordnung.

2

Sie ist Mitglied des Anbauverbandes Bioland e.V. und vermarktet ihre Produkte unter dem Siegel "Bioland". Als pflanzlichen Ersatz für das konventionell zum Pökeln verwendete Nitritpökelsalz setzt die Klägerin bei der Herstellung von Fleischwurst und Kochschinken eine trockene Gemüsemischung bzw. Gemüsesaftkonzentrate ein, die aus nitratreichen Gewürzen oder Gemüsen durch Entzug von Wasser gewonnen werden (im Folgenden: Gemüsekonzentrate). Zusätzlich wird eine Starterkultur aus Mikroorganismen zugegeben, die das Nitrat aus den Gemüsekonzentraten in Nitrit umwandeln. Durch diesen Vorgang erhalten die Fleischwaren ein Pökelaroma sowie eine stabile rosa-rote Farbe (so genannte Umrötung). Die unter der Bezeichnung "Bio Gemüsemischung" und "Bio-Gemüsesaftkonzentrat" vertriebenen Zusätze sind nach der Produktbeschreibung der Herstellerfirma "für Fleischwaren, die ohne Nitritpökelsalz hergestellt werden", bestimmt.

3

Im Juli und August 2010 nahm der beklagte Landkreis bei der Klägerin Proben des Kochschinken-Aufschnitts und der Fleischwurst sowie der beiden Gemüsekonzentrate und ließ sie durch das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) analysieren. Das LAVES teilte dem Beklagten im März 2011 als Untersuchungsergebnis mit, dass die Fleischwaren nicht verkehrsfähig seien, weil die bei ihrer Herstellung verwendeten Gemüsekonzentrate nicht als Lebensmittelzusatzstoffe zugelassen seien.

4

Nach Anhörung untersagte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 16. Mai 2011 das Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Erzeugnissen mit nicht zugelassenen Zusatzstoffen. Das gelte insbesondere für die Verwendung von "Bio Gemüsekonzentrat" und "Bio Gemüsemischung". Die Untersagungsanordnung war gestützt auf § 39 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB). Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass es sich bei der Zugabe von nitrathaltigen Gemüsemischungen zur Umrötung und Ausbildung des Pökelaromas bei Fleischwaren um eine Zusatzstoffanwendung handele, die den Vorschriften über Lebensmittelzusatzstoffe unterliege. Die von der Klägerin eingesetzten Gemüsekonzentrate verfügten nicht über die erforderliche Zulassung als Lebensmittelzusatzstoff. Es liege daher ein Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 LFGB sowie gegen Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 über Lebensmittelzusatzstoffe vor.

5

Die dagegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. In dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts vom 25. März 2014 heißt es im Wesentlichen: Rechtsgrundlage für die Untersagungsverfügung sei § 39 Abs. 1 und Abs. 2 LFGB i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 VO Nr. 1333/2008. Die Verwendung der Gemüsekonzentrate zur Herstellung der Fleischwaren sei unzulässig, da sie nicht nach Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 1333/2008 als Lebensmittelzusatzstoffe zugelassen seien. Die Gemüsekonzentrate erfüllten die Voraussetzungen des Zusatzstoffbegriffs im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1333/2008. Sie wirkten bei der Herstellung der Fleischerzeugnisse farbstabilisierend und als Antioxidationsmittel und würden damit aus technologischen Gründen zugesetzt. Ebenso beruhe das Pökelaroma auf einer technologischen Wirkung, da es Folge des chemischen Umwandlungsprozesses von Nitrat in Nitrit sei. Die Gemüsekonzentrate seien auch weder Stoffe, die in der Regel selbst als Lebensmittel verzehrt würden, noch handele es sich um Stoffe, die üblicherweise als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet würden. Schließlich seien sie auch nicht nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Ziffer ii VO Nr. 1333/2008 von dem Zusatzstoffbegriff ausgenommen. Sie würden den Fleischerzeugnissen weder aus ernährungsphysiologischen Gründen noch wegen ihrer geschmacklichen oder aromatisierenden Eigenschaften beigegeben. Das Pökelaroma entstehe nicht durch eine Aroma- oder Geschmackssubstanz der Gemüsekonzentrate, sondern sei Folge der Reduktion von Nitrat zu Nitrit. Zudem hätten die Gemüsekonzentrate auch keine färbende Nebenwirkung im Sinne des Ausnahmetatbestandes. Aus den Erwägungsgründen der Verordnung ergebe sich nichts Abweichendes. Es komme auch nicht darauf an, ob im Enderzeugnis ein geringerer Nitritgehalt vorhanden sei als in Fleischerzeugnissen, die unter Verwendung des als Zusatzstoff zugelassenen Nitritpökelsalzes (E 249 und E 250) hergestellt würden. Die Einstufung der Gemüsekonzentrate als Lebensmittelzusatzstoff entspreche auch der Auffassung des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit sowie der Kommissionsarbeitsgruppe "Lebensmittelzusatzstoffe".

6

Mit der von dem Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Vorbringen weiter, die von ihr verwendeten Gemüsekonzentrate seien keine Lebensmittelzusatzstoffe im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1333/2008. Fraglich sei bereits die Stoffeigenschaft. Die Gemüsekonzentrate seien ähnlich wie z.B. gepresster Apfelsaft in einem naturbelassenen Zustand. Solche Erzeugnisse habe der Verordnungsgeber nicht unter den Zusatzstoffbegriff fassen wollen. Es fehle zudem an der Voraussetzung des Zusatzes aus technologischen Gründen. Die Gemüsekonzentrate würden primär wegen des Pökelaromas zugegeben, das durch einen von Starterkulturen unterstützten natürlichen Fermentationsprozess entstehe. Die Umrötung der Fleischerzeugnisse sei ein der Aromatisierung nachgeordneter sekundärer Zweck und Nebeneffekt. Eine färbende Nebenwirkung sei aber, wie die Ausnahme des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Ziffer ii VO Nr. 1333/2008 zeige, unschädlich. Maßgeblich für die Zusatzstoffeigenschaft sei allein die jeweilige Hauptfunktion der Zutat. Die Gemüsekonzentrate stellten zwar eine Alternative zu der Verwendung der Zusatzstoffe E 250 (Natriumnitrit) und E 252 (Natriumnitrat) dar. Das bedeute jedoch nicht, dass auch die technologischen Wirkungen dieser Zusatzstoffe bezweckt seien. Im Gegenteil könne die durch die Zugabe von Nitritpökelsalz bezweckte Konservierung mit der Beigabe der Gemüsekonzentrate nicht erzielt werden, weil der Nitritgehalt zu niedrig sei. Der Einstufung als Lebensmittelzusatzstoffe stehe darüber hinaus entgegen, dass es sich bei den Gemüsekonzentraten um Erzeugnisse handele, die in der Regel selbst als Lebensmittel verzehrt oder als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet würden. Die Herstellerfirma vertreibe die Produkte in identischer Form als Getränk unter der Bezeichnung "Vitbeet". Gemüsesaftkonzentrate und Gemüsemischungen würden weltweit als ein natürliches Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel verwendet. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, es könne ausgeschlossen werden, dass die Gemüsekonzentrate in der Regel selbst als Lebensmittel verzehrt würden, sei deshalb nicht nachvollziehbar und begründe einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht. Die von ihr beigebrachte gutachterliche Stellungnahme sei übergangen worden. Da die Gemüsekonzentrate ihren Produkten den typischen Pökelgeschmack verliehen, seien sie auch ein charakteristischer Bestandteil des Lebensmittels. Eine einheitliche Verwendungspraxis in der gesamten "Bio-Branche" sei dafür nicht erforderlich. Es genüge, dass sie für die zahlreichen Bioland-Mitglieder und damit für einen wesentlichen Teil der Branche charakteristisch sei. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass Gemüsemischungen und -brühen zusammen mit nitratreduzierenden Bakterien seit Jahrhunderten als natürliche Nitrat- und Nitritquelle zum Pökeln eingesetzt würden. Die Stellungnahmen der Kommissionsarbeitsgruppe "Lebensmittelzusatzstoffe" und des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit beträfen einen anderen Sachverhalt. Der Untersagungsanordnung fehle außerdem die notwendige inhaltliche Bestimmtheit, weil unklar sei, welche Stoffe im Einzelnen verboten würden. Überdies sei der Bescheid fehlerhaft auf § 39 Abs. 2 LFGB und nicht auf Art. 54 VO Nr. 882/2004 gestützt worden.

7

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses weist in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft darauf hin, dass die Kommissionsarbeitsgruppe "Lebensmittelzusatzstoffe" bei der Einstufung nitrathaltiger Gemüseextrakte als Lebensmittelzusatzstoffe nicht danach unterscheide, ob Nitrite Fleischerzeugnissen unmittelbar zugesetzt oder erst durch eine mikrobiologische Fermentation aus Nitraten gebildet würden.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Untersagungsverfügung des Beklagten vom 16. Mai 2001 als rechtmäßig erweist und die Anfechtungsklage deshalb keinen Erfolg hat (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

10

1. Bei der angegriffenen Untersagungsanordnung handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2007 - 3 C 34.06 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 47 Rn. 19 und vom 18. Oktober 2012 - 3 C 25.11 - BVerwGE 144, 355 Rn. 10). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist daher auf die im Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Senats geltende Rechtslage abzustellen (BVerwG, Urteil vom 19. September 2013 - 3 C 15.12 - BVerwGE 148, 28 Rn. 9 m.w.N.).

11

Entgegen dem angefochtenen Urteil findet die Untersagungsanordnung ihre Rechtsgrundlage nicht in § 39 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB). Als Ermächtigungsgrundlage heranzuziehen ist vielmehr Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b und h der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (ABl. L 165 S. 1), im hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 652/2014 vom 15. Mai 2014 (ABl. L 189 S. 1; im Folgenden: VO Nr. 882/2004).

12

a) Gemäß Art. 54 Abs. 1 VO Nr. 882/2004 trifft die zuständige Behörde (vgl. Art. 2 Satz 2 Nr. 4 VO Nr. 882/2004) bei Feststellung eines Verstoßes gegen das Lebensmittelrecht die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Lebensmittelunternehmer Abhilfe schafft (Satz 1). Sie berücksichtigt dabei die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers mit Blick auf Verstöße (Satz 2). Nach Art. 54 Abs. 2 VO Nr. 882/2004 kann die Behörde unter anderem das Inverkehrbringen von Lebensmitteln einschränken oder untersagen (Buchst. b) sowie sonstige Maßnahmen ergreifen, die sie für angemessen erachtet (Buchst. h). Art. 2 Satz 2 Nr. 10 VO Nr. 882/2004 definiert als Verstoß gegen das Lebensmittelrecht jede Nichteinhaltung des Lebensmittelrechts. Unter dem Begriff des Lebensmittelrechts sind die unionsrechtlichen und nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Lebensmittel und Lebensmittelsicherheit zu verstehen, wobei alle Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln einbezogen sind (Art. 2 Satz 1 VO Nr. 882/2004 i.V.m. Art. 3 Nr. 1 der Verordnung Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit , zuletzt geändert durch Verordnung Nr. 652/2014 vom 15. Mai 2014 ). Die Vermarktung eines Lebensmittels unter dem Siegel "Bio" im Sinne der Verordnung Nr. 834/2007 lässt die Geltung sonstiger lebensmittelrechtlicher Vorschriften unberührt (vgl. Art. 1 Abs. 4 VO Nr. 834/2007).

13

Die Klägerin ist auch Unternehmer im Sinne von Art. 54 Abs. 1 VO Nr. 882/2004. Dazu gehören alle natürlichen oder juristischen Personen, die dafür verantwortlich sind, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden (Art. 2 Satz 1 VO Nr. 882/2004 i.V.m. Art. 3 Nr. 3 VO Nr. 178/2002). Lebensmittelunternehmen ist jedes Unternehmen, das eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführt. Das ist bei der Klägerin der Fall. Die von ihr hergestellten Fleischwaren sind Lebensmittel im Sinne der genannten Verordnungen (Art. 2 Satz 1 VO Nr. 882/2004 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 178/2002).

14

b) Nach Art. 288 Abs. 2 AEUV ist die Verordnung in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Art. 54 Abs. 1 und 2 VO Nr. 882/2004 stellt eine umfassende und abschließende Rechtsgrundlage für die streitige Untersagungsanordnung dar und geht den nationalen Vorschriften vor (§ 39 Abs. 2 Satz 3 LFGB; vgl. amtliche Begründung zu § 39 Abs. 2 Satz 3 LFGB, BT-Drs. 16/8100 S. 20; OVG Münster, Beschluss vom 26. November 2014 - 13 B 1250/14 - ZLR 2015, 219 <221>; VGH Mannheim, Urteil vom 16. Juni 2014 - 9 S 1273/13 - ZLR 2015, 95 Rn. 21 ff. m.w.N.; VGH München, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 20 CS 14.2521 - juris Rn. 3). Das gilt auch, soweit der Klägerin neben dem Inverkehrbringen das Herstellen und Behandeln von Fleischerzeugnissen mit den streitigen Gemüsekonzentraten untersagt worden ist. Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 1333/2008 regelt unter anderem die Verwendung von Zusatzstoffen in Lebensmitteln. Das schließt, wie die Definition der Lebensmittelzusatzstoffe in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1333/2008 deutlich macht, den Vorgang der Herstellung und Behandlung von Lebensmitteln ein. Nach Art. 54 Abs. 2 Buchst. h VO Nr. 882/2004 gehören zu den erforderlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gegebenenfalls auch Herstellungs- und Behandlungsverbote.

15

c) Dass die angegriffene Untersagungsverfügung auf § 39 Abs. 2 LFGB und - neben Art. 5 VO Nr. 1333/2008 - auf die Verbotstatbestände des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 LFGB gestützt ist, führt nicht zu ihrer Rechtswidrigkeit. Erweist sich die in einem Bescheid getroffene Regelung aus anderen als den angegebenen Rechtsvorschriften und Gründen als rechtmäßig, ohne dass sie durch den Austausch der Begründung in ihrem Wesen geändert wird, ist der Verwaltungsakt nicht im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtswidrig (BVerwG, Urteile vom 19. August 1988 - 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96 <98>, vom 21. November 1989 - 9 C 28.89 - Buchholz 402.25 § 10 AsylVfG Nr. 5 S. 11 und vom 31. März 2010 - 8 C 12.09 - Buchholz 451.20 § 33c GewO Nr. 8 Rn. 16). So liegt der Fall hier. Der Wechsel der Ermächtigungsgrundlage und der Normen, mit denen das Vorliegen eines Verstoßes begründet wird, lässt den Regelungsgehalt der Untersagungsanordnung unberührt. Insbesondere ergeben sich wegen der inhaltlichen und strukturellen Parallelen der Vorschriften auch in Bezug auf die Ermessensbetätigung keine wesentlichen Änderungen (OVG Münster, Beschluss vom 26. November 2014 - 13 B 1250/14 - ZLR 2015, 219 <221>; VGH Mannheim, Urteil vom 16. Juni 2014 - 9 S 1273/13 - ZLR 2015, 95 Rn. 25 ff.; VG Berlin, Urteil vom 24. März 2015 - 14 K 150.12 - GewArch 2015, 411 Rn. 16 f.). Ebenso wenig wirft der Austausch der Rechtsgrundlagen im Hinblick auf die Zuständigkeit des Beklagten nach § 2 der Verordnung über Zuständigkeiten auf verschiedenen Gebieten der Gefahrenabwehr - ZustVO-SOG - vom 18. Oktober 1994 (Nds. GVBl. 1994, 457; i.d.F. der Änderungsverordnung vom 23. Februar 2015 ) Bedenken auf. Die in § 2 Abs. 1 Nr. 5 ZustVO-SOG bestimmte Sachzuständigkeit für die Aufgabe nach § 39 Abs. 1 Satz 1 LFGB kann ohne Weiteres dahin verstanden werden, dass damit auch Maßnahmen nach Art. 54 VO Nr. 882/2004 erfasst sind (vgl. den Verweis auf das Unionsrecht in § 39 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 LFGB).

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2. Der Bescheid vom 16. Mai 2011 ist inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne von § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG. Er lässt nach seinem objektiven Erklärungsinhalt und unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts keinen Zweifel an seinem Regelungsgehalt. Die Klägerin kann dem Bescheidtenor und der Begründung unmissverständlich entnehmen, dass ihr untersagt wird, in ihrem Betrieb Lebensmittel unter Verwendung der beanstandeten nitrathaltigen Gemüsekonzentrate herzustellen, zu behandeln und in den Verkehr zu bringen. Die Formulierung "Dies gilt insbesondere für die Verwendung von 'Bio Gemüsekonzentrat' und 'Bio Gemüsemischung'." (Satz 2 des Bescheidtenors) steht dem nicht entgegen. Sie ist bei verständiger Würdigung nicht dahin (miss-)zu-verstehen, die Untersagungsanordnung bezöge sich auf eine nicht abschließend bestimmte Gruppe von Zusatzstoffen. Die Formulierung "insbesondere" ist der Regelungstechnik des Bescheidtenors geschuldet. Der Klägerin wird zunächst allgemein unter Wiederholung des wesentlichen Wortlauts des § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LFGB und der einschlägigen Verbotstatbestände untersagt, nicht zugelassene Zusatzstoffe zu verwenden (Satz 1). Im Anschluss (Satz 2) wird die Anordnung konkretisiert, indem die Stoffe namentlich benannt werden, die als nicht zugelassene Zusatzstoffe im Sinne des Satz 1 angesehen werden. Im Kontext mit den nachfolgenden Bescheidgründen wird hinreichend klar, dass die Untersagungsverfügung darauf zielt, der Klägerin die Verwendung der Gemüsekonzentrate zu verbieten, die auch Gegenstand der Untersuchung durch das Lebensmittelinstitut gewesen sind. Ausführungen dazu, dass auch andere Stoffe erfasst sein sollen, enthält der Bescheid nicht.

17

3. Ohne Rechtsfehler hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass die Verwendung der streitigen Gemüsekonzentrate zur Herstellung von Fleischwaren gegen Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 VO Nr. 1333/2008 verstößt, weil es sich um nicht zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe handelt.

18

a) Mit der Verordnung Nr. 1333/2008 wird im Interesse des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes und zur Gewährleistung eines hohen Gesundheits- und Verbraucherschutzes die Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen in der Europäischen Union harmonisiert (Art. 1 Unterabs. 1; Erwägungsgründe 1 bis 4). Zu diesem Zweck legt die Verordnung anhand von Gemeinschaftslisten die Zusatzstoffe fest, die bei Lebensmitteln zugelassen sind, und bestimmt die Bedingungen für ihre Verwendung (Art. 1 Unterabs. 2). Sie regelt außerdem die Kriterien für die Aufnahme von Lebensmittelzusatzstoffen in die Gemeinschaftsliste (Art. 6 ff.). Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass der Zusatzstoff in der vorgesehenen Dosis für den Verbraucher gesundheitlich unbedenklich ist, es eine technologische Notwendigkeit für seine Verwendung gibt und er dem Verbraucher einen Nutzen bringt, z.B. weil der Zusatzstoff der Erhaltung der ernährungsphysiologischen Qualität des Lebensmittels dient oder dessen gleichbleibende Qualität oder Stabilität fördert (Art. 6 Abs. 1 und 2; Erwägungsgrund 7). Die Aufnahme in die Gemeinschaftsliste vollzieht sich nach einem einheitlichen Bewertungs- und Zulassungsverfahren, das in der Verordnung (EG) Nr. 1331/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 (ABl. L 354 S. 1; im Folgenden: VO Nr. 1331/2008) geregelt ist. Das Verfahren kann auf Initiative der Europäischen Kommission oder auf Antrag eines Mitgliedstaates oder einer betroffenen Person eingeleitet werden. Zuständig für die Entscheidung über die Aufnahme eines Zusatzstoffes ist die Kommission (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 1331/2008), die dabei von dem Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit unterstützt wird (Art. 14 VO Nr. 1331/2008; Art. 28 Abs. 1 VO Nr. 1333/2008).

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Auf dieser Grundlage regeln Art. 4 und Art. 5 VO Nr. 1333/2008 die Voraussetzungen für die Verkehrsfähigkeit von Lebensmittelzusatzstoffen. Nach Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 1333/2008 dürfen in Lebensmitteln nur die in der Gemeinschaftsliste in Anhang II aufgeführten Lebensmittelzusatzstoffe und nur unter den darin festgelegten Bedingungen verwendet werden. Art. 5 VO Nr. 1333/2008 verbietet das Inverkehrbringen eines Lebensmittels, in dem ein Lebensmittelzusatzstoff vorhanden ist, wenn die Verwendung des Zusatzstoffs nicht mit dieser Verordnung in Einklang steht. Danach hat der Beklagte der Klägerin die Verwendung der beanstandeten Gemüsekonzentrate zu Recht untersagt. Sie sind Lebensmittelzusatzstoffe im Sinne der Begriffsbestimmung des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1333/2008 (dazu nachfolgend unter b)). Die erforderliche Zulassung als Zusatzstoff für die Herstellung von Fleischerzeugnissen fehlt (dazu nachfolgend unter c)).

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b) Ein Lebensmittelzusatzstoff ist nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1333/2008 ein Stoff mit oder ohne Nährwert, der in der Regel weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet wird und einem Lebensmittel aus technologischen Gründen bei der Herstellung, Verarbeitung, Zubereitung, Behandlung, Verpackung, Beförderung oder Lagerung zugesetzt wird, wodurch er selbst oder seine Nebenprodukte mittelbar oder unmittelbar zu einem Bestandteil des Lebensmittels werden oder werden können. Verlangt wird im Kern also zweierlei: Der Stoff muss dem Lebensmittel zu einem technologischen Zweck zugesetzt werden (positives Begriffsmerkmal) und er darf nicht üblicherweise selbst als Lebensmittel verzehrt oder als charakteristische Zutat zu einem Lebensmittel verwendet werden (negatives Begriffsmerkmal). Für die Beurteilung ist auf den fraglichen Stoff in der Zusammensetzung und Beschaffenheit abzustellen, die er im maßgeblichen Zeitpunkt des Zusatzes aufweist (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Bd. III, Stand: März 2015, C 121, Art. 3 Rn. 18a). Hiernach ist nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht die Gemüsekonzentrate als Lebensmittelzusatzstoffe eingestuft hat.

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aa) Der Stoffbegriff des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1333/2008 ist weit zu verstehen. Er erstreckt sich sowohl auf unverarbeitete als auch auf be- oder verarbeitete Stoffe, auf zusammengesetzte Stoffe und Stoffgemische genauso wie auf Einzelstoffe, auf feste Stoffe ebenso wie auf flüssige oder gasförmige Substanzen (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Bd. III, Stand: März 2015, C 121, Art. 3 Rn. 14 f.; Wehlau, LFGB, 2010, § 2 Rn. 130). Die Stoffeigenschaft der Gemüsekonzentrate ist daher nicht zweifelhaft. Soweit die Klägerin daran unter Verweis auf eine Kommentierung Bedenken hegt, unterliegt sie einem Missverständnis. Die von ihr zitierte Kommentarstelle (Zipfel/Rathke, a.a.O. Art. 3 Rn. 15) verneint die Stoffeigenschaft für "natürliche Bestandteile, die sich noch in dem natürlichen Verbund befinden". Damit ist gemeint, dass im Fall des Zusatzes eines Stoffes, der sich aus mehreren natürlichen Bestandteilen zusammensetzt (z.B. Rote Beete mit dem natürlichen Bestandteil Saft, Kieselerde mit dem natürlichen Bestandteil Siliziumdioxid oder Apfelsaft mit dem natürlichen Bestandteil Fruchtzucker), der Stoffverbund (Rote Beete, Kieselerde, Apfelsaft) der Beurteilung nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1333/2008 unterliegt und nicht ein einzelner Bestandteil (Rote-Beete-Saft, Siliziumdioxid, Zucker). Die Fundstelle gibt somit für die Auffassung der Klägerin nichts her, sondern bestätigt vielmehr die Einstufung der Gemüsekonzentrate als "Stoff" im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1333/2008.

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bb) Die Klägerin verwendet die Gemüsemischung und das Gemüsesaftkonzentrat bei der Herstellung ihrer Fleischwaren aus technologischen Gründen.

23

Ein Stoff wird einem Lebensmittel aus technologischen Gründen zugesetzt, wenn er einem oder mehreren der in Art. 6 Abs. 2, Art. 7 und Art. 8 VO Nr. 1333/2008 genannten Zwecke dient, die im Anhang I der Verordnung durch Auflistung so genannter Funktionsklassen konkretisiert werden. Bei diesen Funktionsklassen handelt es sich um nach der technologischen Funktion in Lebensmitteln geordnete Gruppen von Zusatzstoffen (Art. 3 Abs. 2 Buchst. c VO Nr. 1333/2008), wie beispielsweise Farbstoffe, Konservierungsstoffe, Emulgatoren oder Geschmacksverstärker.

24

Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts erfüllen die nitrathaltigen Gemüsekonzentrate mehrere der im Anhang I aufgeführten technologischen Funktionen. Durch die Zugabe des Konzentrats wird in dem behandelten Fleisch Nitrat eingelagert, das anschließend mit Hilfe der zugesetzten Bakterien (Starterkultur) in Nitrit umgewandelt wird. Dadurch erhält das Fleischerzeugnis eine stabile Färbung (Umrötung). Dieser Vorgang erfüllt die Merkmale der Funktionsklasse der Stabilisatoren nach Nr. 24 des Anhangs I VO Nr. 1333/2008. Zu den Stabilisatoren zählen nach der Definition in Anhang I auch Stoffe, durch die die vorhandene Farbe eines Lebensmittels stabilisiert, bewahrt oder intensiviert wird. Unschädlich ist, dass die technologische Wirkung der Umrötung nicht unmittelbar durch das zugesetzte Gemüsekonzentrat herbeigeführt wird, sondern erst durch ein Reaktionsprodukt (Nitrit). Es reicht aus, dass der zugesetzte Stoff Ausgangsstoff für die bezweckte technologische Wirkung ist. Das folgt aus der Definition des Lebensmittelzusatzstoffes, wonach es genügt, wenn der zugesetzte Stoff oder seine Nebenprodukte mittelbar zu einem Bestandteil des Lebensmittels werden.

25

Darüber hinaus liegen die Voraussetzungen der Funktionsklasse der Antioxidationsmittel vor. Dazu zählen Stoffe, die die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängern, indem sie sie vor den schädlichen Auswirkungen der Oxidation wie Ranzigwerden von Fett und Farbveränderungen schützen (Nr. 4 des Anhangs I VO Nr. 1333/2008). Die Gemüsekonzentrate haben diese Funktion; denn das aus dem Nitrat gebildete Nitrit wirkt dem Fettverderb entgegen.

26

Dahinstehen kann danach, ob auch die Ausbildung des Pökelaromas als technologische Wirkung anzusehen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat das mit der Erwägung bejaht, das Aroma werde ebenfalls durch den chemischen Umwandlungsprozess von Nitrat in Nitrit hervorgerufen. Dem Oberverwaltungsgericht ist darin zu folgen, dass mikrobielle Prozesse kein Ausschlusskriterium für eine technologische Funktion sind. Ob ein Stoff aus technologischen Gründen zugesetzt wird, beurteilt sich allein danach, ob er sich im Sinne der in Anhang I VO Nr. 1333/2008 nicht abschließend beschriebenen technischen Funktionen auf das Lebensmittel auswirkt. Beruht die Aromabildung wie hier auf einem technologischen Vorgang und nicht auf den aromatisierenden oder geschmacklichen Eigenschaften des zugesetzten Stoffes selbst, ist es daher vertretbar, von einer technologisch begründeten Wirkung zu sprechen. Die Zuordnung zu den technologischen Funktionen kann aber deshalb Zweifel aufwerfen, weil gleichzeitig eine aroma- und geschmacksgebende Wirkung im Enderzeugnis festzustellen ist. Der Verordnungsgeber hat berücksichtigt, dass es zu Überschneidungen kommen kann und nimmt die Abgrenzung danach vor, ob die aromatisierenden und geschmacklichen Eigenschaften im Vordergrund stehen und die technologische Wirkung nur Nebenzweck ist oder ob Letzterer eine Hauptfunktion zukommt (vgl. Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Ziffer ii sowie Art. 9 Abs. 1 VO Nr. 1333/2008). Dem muss hier aber nicht abschließend nachgegangen werden. Unabhängig von der Beurteilung des Pökelaromas als technologische oder nicht technologische Wirkung ist in Bezug auf die Gemüsekonzentrate das Merkmal "aus technologischen Gründen" bereits dadurch erfüllt, dass sie zum Zweck der Umrötung und Antioxidation zugesetzt werden. Auf diese technischen Funktionen kommt es der Klägerin neben der Erzielung des Pökelaromas auch wesentlich an, wie das Oberverwaltungsgericht ohne Verstoß gegen Denkgesetze und somit für das Revisionsverfahren verbindlich festgestellt hat (§ 137 Abs. 2 VwGO). Das rechtfertigt zugleich, (auch) in der Umrötung eine Haupt- und nicht nur eine Nebenwirkung der Gemüsekonzentrate zu sehen.

27

cc) Nach den in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind die Gemüsekonzentrate keine Stoffe, die in der Regel selbst als Lebensmittel verzehrt werden. Die Verfahrensrüge der Klägerin bleibt ohne Erfolg (§ 137 Abs. 2 VwGO).

28

Ein Stoff wird "in der Regel" als Lebensmittel verzehrt, wenn der Verzehr üblich, also gebräuchlich oder gängig ist (BVerwG, Urteil vom 1. März 2012 - 3 C 15.11 - Buchholz 418.710 LFGB Nr. 8 Rn. 20). Erforderlich ist eine Ernährungspraxis, die bereits über einen gewissen Zeitraum andauert (zeitliches Moment) und bei einer nennenswerten Zahl von Verbrauchern anzutreffen ist (quantitatives Moment). Gegenstand der Beurteilung ist auch in diesem Zusammenhang der zugesetzte Stoff in der Beschaffenheit, die er bei seiner Verwendung als Zusatz aufweist. Das legt bereits der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1333/2008 nahe und wird bestätigt durch die Erläuterung zum Anwendungsbereich der Verordnung in Art. 2 Abs. 2. Danach gilt die Verordnung für die dort aufgeführten Stoffe nur, wenn sie als Lebensmittelzusatzstoffe verwendet werden. Die Regelung hat multifunktionale Stoffe im Blick (vgl. zu dem Begriff Wehlau, LFGB, 2010, § 2 Rn. 137 und 178), die je nach Verwendungszusammenhang zu technologischen Zwecken oder aus sonstigen Gründen eingesetzt werden können. Art. 2 Abs. 2 VO Nr. 1333/2008 stellt klar, dass für die Einstufung des Stoffes die konkret in Rede stehende Verwendung maßgeblich ist (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Bd. III, Stand: März 2015, C 121, Art. 3 Rn. 18a, 28). Demzufolge ist hier weder auf die Ausgangsstoffe der Gemüsekonzentrate abzustellen, noch kommt es darauf an, ob andere Gemüsemischungen oder Gemüsesaftkonzentrate, die sich nach den Ausgangsstoffen und der Zusammensetzung von den streitigen Erzeugnissen unterscheiden, üblicherweise als Lebensmittel verzehrt werden. Eine abweichende Betrachtung ist nicht deshalb geboten, weil es sich um Lebensmittel (Gemüse) in getrockneter und konzentrierter Form handelt. Das lässt sich aus der Ausnahmeregelung des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Ziffer ii VO Nr. 1333/2008 ableiten, die sich ausdrücklich auf solche Lebensmittel bezieht. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass jenseits dieses Ausnahmetatbestandes die Zuordnung zu den Zusatzstoffen nicht schon deshalb ausgeschlossen sein soll, weil die Ausgangsstoffe als Lebensmittel verzehrt werden.

29

Gemessen daran handelt es sich bei den von der Klägerin verwendeten Gemüsekonzentraten nicht um Stoffe, die in der Regel als Lebensmittel verzehrt werden. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass und warum es für eine entsprechende Verzehrpraxis keine Anhaltspunkte gibt. Es hat insbesondere darauf abgestellt, dass weder geschmackliche noch ernährungsphysiologische Gründe für einen regelhaften Lebensmittelverzehr sprechen und dass die Produkte nicht als Lebensmittel für den Endverbraucher vermarktet werden. Es hat des Weiteren auf den stark erhöhten Nitratgehalt und gesundheitliche Erwägungen verwiesen, die es als ausgeschlossen erscheinen lassen, dass die Gemüsekonzentrate üblicherweise selbst als Lebensmittel verzehrt werden. Aussagekräftige Belege für das Gegenteil hat die Klägerin weder im erstinstanzlichen noch im berufungsgerichtlichen Verfahren beigebracht. Vielmehr weist der von der Klägerin herangezogene Gutachter in seiner Stellungnahme selbst darauf hin, dass ein Verzehr des Gemüsepulvers und des Saftkonzentrats in unverdünnter Form unüblich ist. Soweit die Klägerin darauf verwiesen hat, die Konzentrate ließen sich in aufbereiteter Form als Gemüsesaft verzehren, hat das Oberverwaltungsgericht ebenfalls mit schlüssiger Argumentation ausgeführt, dass sich eine entsprechende regelhafte Verzehrpraxis nicht feststellen lässt.

30

Die hiergegen erhobene Aufklärungsrüge der Klägerin greift nicht durch. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Pflicht, den Sachverhalt aufzuklären (§ 86 Abs. 1 VwGO), nicht verletzt. Einen förmlichen Beweisantrag hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausweislich der Niederschrift nicht gestellt. Entgegen ihrem Rügevorbringen musste sich dem Berufungsgericht auch nicht aufdrängen, ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, ob Gemüsemischungen und Gemüsesaft-Konzentrat in Deutschland und anderen Ländern im Allgemeinen als Lebensmittel verzehrt werden. Nach der für den gebotenen Umfang der Sachaufklärung maßgeblichen Sicht des Oberverwaltungsgerichts - die, wie gezeigt, nicht zu beanstanden ist - ist allein darauf abzustellen, ob üblicherweise nitratreiche Gemüsekonzentrate, wie sie die Klägerin nutzt, als Lebensmittel konsumiert werden. Das hat das Gericht nachvollziehbar verneint. Aus dem Berufungsvorbringen der Klägerin einschließlich der von ihr vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme ergeben sich keine greifbaren Anhaltspunkte, die diese Bewertung in Frage stellen und dem Oberverwaltungsgericht deshalb Anlass hätten sein müssen, Beweis zu erheben. Soweit sie im Revisionsverfahren ihren Vortrag um neue tatsächliche Gesichtspunkte ergänzt hat, ist dieses Vorbringen in der Revisionsinstanz unbeachtlich (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1984 - 9 C 981.81 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 19 S. 51 f.).

31

dd) Bei den Gemüsekonzentraten handelt es sich auch nicht um Stoffe, die in der Regel als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet werden.

32

Eine Zutat ist charakteristisch im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1333/2008, wenn sie prägender Bestandteil des Lebensmittels ist, also dem Lebensmittel besondere, typische Eigenschaften verleiht (BVerwG, Urteile vom 25. Juli 2007 - 3 C 21.06 - Buchholz 418.710 LFGB Nr. 4 Rn. 44 und vom 1. März 2012 - 3 C 15.11 - Buchholz 418.710 LFGB Nr. 8 Rn. 16; Wehlau, LFGB, 2010, § 2 Rn. 156). Zusätzlich bedarf es einer regelhaften Verwendung als charakteristische Zutat, was eine gefestigte, dauerhafte Herstellungs- und Verzehrpraxis voraussetzt (BVerwG, Urteil vom 1. März 2012 - 3 C 15.11 - a.a.O. Rn. 20 ff.). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen sind die Gemüsekonzentrate kein prägender Bestandteil der Fleischwaren. An den Zusätzen "Bio" und "Bioland" im Produktnamen der Waren lässt sich eine prägende Wirkung nicht festmachen, weil die alternative Verwendung von nitrathaltigen Gemüsekonzentraten anstelle der Lebensmittelzusatzstoffe E 250 und E 252 innerhalb der "Bio-Branche" unterschiedlich gehandhabt wird. Unter dem Siegel "Bio" werden auch Fleischwaren vertrieben, zu deren Herstellung konventionelles Nitritpökelsalz verwendet wird. Nach Art. 19 Abs. 2 Buchst. b und Art. 21 VO Nr. 834/2007 und Art. 27 i.V.m. Anhang VIII Abschnitt A der zugehörigen Durchführungsverordnung (EG) Nr. 889/2008 der Kommission vom 5. September 2008 (ABl. L 250 S. 1) sind Natriumnitrit (E 250) und Kaliumnitrat (E 252) zur Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zugelassen. Das Oberverwaltungsgericht hat deshalb die Verwendung der Gemüsekonzentrate als Ersatz für Nitritsalz lediglich als charakteristisch für Produkte des Anbauverbandes "Bioland" angesehen und dazu festgestellt, dass dies für die Annahme einer regelhaften, charakteristischen Zutat nicht ausreicht. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Da die Gemüsekonzentrate in ihren Wirkungen (Umrötung, Pökelaroma, Antioxidation) nicht von dem abweichen, was herkömmlich durch den Zusatz von Nitritpökelsalz erzielt wird, verleihen sie den Fleischwaren schließlich auch sonst keine besonderen, charakteristischen Eigenschaften.

33

Die Aufklärungsrüge der Klägerin hat aus denselben Gründen wie unter cc) keinen Erfolg. Nach der für den Umfang der Sachaufklärung maßgeblichen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts kommt es nicht darauf an, ob andere Gemüsemischungen oder Gemüsesaftkonzentrate bei anderen Gruppen von Lebensmitteln als charakteristische Zutat eingesetzt werden.

34

ee) Die Gemüsekonzentrate sind auch nicht nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Ziffer ii VO Nr. 1333/2008 von der Einstufung als Lebensmittelzusatzstoffe ausgenommen.

35

Nach dieser Bestimmung gelten "Lebensmittel, getrocknet oder in konzentrierter Form, einschließlich Aromen, die bei der Herstellung von zusammengesetzten Lebensmitteln wegen ihrer aromatisierenden, geschmacklichen oder ernährungsphysiologischen Eigenschaften beigegeben werden und eine färbende Nebenwirkung haben", nicht als Lebensmittelzusatzstoffe. Dadurch werden Stoffe aus dem Anwendungsbereich der Verordnung herausgenommen, die vorrangig zu nicht technologischen Zwecken zugesetzt werden und zugleich in dem Enderzeugnis als technologische Nebenfunktion eine färbende Wirkung entfalten. Ist die Färbung hingegen Hauptzweck, gilt der Stoff als Lebensmittelzusatzstoff, außer es handelt sich um einen Stoff, der in der Regel selbst als Lebensmittel verzehrt oder als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet wird (vgl. Erwägungsgrund 5 und Anhang I Nr. 2 VO Nr. 1333/2008; ebenso die Vorgängerregelung des Art. 1 Abs. 3 Spiegelstrich 1 der Richtlinie 94/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1994 über Farbstoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen , wo beispielhaft Paprika, Kurkuma und Safran angeführt werden). Danach fallen die streitigen Gemüsekonzentrate nicht unter die in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Ziffer ii VO Nr. 1333/2008 genannte Stoffgruppe. Dabei kann offen bleiben, ob die Gemüsekonzentrate im Sinne der Definition wegen ihrer aromatisierenden und geschmacklichen Eigenschaften beigegeben werden. Das unterliegt Zweifeln, da das Pökelaroma - wie bereits ausgeführt - auf einem technologischen Vorgang beruht und nicht durch eigene aromatisierende und/oder geschmackliche Eigenschaften der Konzentrate bewirkt wird. Unabhängig davon fehlt es an den Tatbestandsvoraussetzungen jedenfalls deshalb, weil die Gemüsekonzentrate nach den für den Senat bindenden berufungsgerichtlichen Feststellungen keine färbende Nebenwirkung haben. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass die bezweckte Umrötung nicht durch eine Farbgebung mittels Farbstoff im Sinne der Funktionsklasse 2 des Anhangs I VO Nr. 1333/2008 erzielt wird, sondern durch einen chemischen Farbstabilisierungsprozess im Sinne der Funktionsklasse 24, indem der in den Fleischerzeugnissen vorhandene hitzelabile rote Muskelfarbstoff Myoglobin durch Nitrit in das hitzestabile und nach Erhitzung rosafarbene Nitrosomyoglobin umgewandelt wird. Darüber hinaus ist der technologische Vorgang der Farbstabilisierung auch nicht nur Nebenwirkung, sondern eine Hauptwirkung des Zusatzes der Gemüsekonzentrate.

36

Aus dem Erwägungsgrund 5 der Verordnung Nr. 1333/2008 ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Aus dessen Satz 3 geht hervor, dass Stoffe, die zur Aromatisierung und/oder Geschmacksgebung oder zu ernährungsphysiologischen Zwecken zugesetzt werden - wie z.B. Salzersatzstoffe, Vitamine und Mineralstoffe - nicht als Lebensmittelzusatzstoffe gelten sollen. Diese Zielsetzung wird durch Art. 2 Abs. 2 Buchst. c und e sowie in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1333/2008 durch das Tatbestandsmerkmal der Zugabe "aus technologischen Gründen" umgesetzt. Nach Satz 4 des Erwägungsgrundes 5 VO Nr. 1333/2008 soll die Verordnung nicht auf Stoffe Anwendung finden, die als Lebensmittel gelten und für einen technologischen Zweck verwendet werden, wie z.B. Natriumchlorid oder Safran zum Färben. Dem tragen sowohl die Definition des Begriffs des Lebensmittelzusatzstoffs durch das Ausschlusskriterium "in der Regel weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet wird" Rechnung, als auch der Ausnahmetatbestand des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Ziffer ii VO Nr. 1333/2008. Schließlich stellt Satz 5 des Erwägungsgrundes 5 VO Nr. 1333/2008 in Abgrenzung zu den in Satz 3 und Satz 4 angesprochenen Fallgruppen klar, dass Zubereitungen aus Lebensmitteln und anderen natürlichen Ausgangsstoffen, die in dem Enderzeugnis eine technologische Funktion erfüllen und die durch selektive Extraktion von Bestandteilen (z.B. Pigmenten) im Vergleich zu ihren ernährungsphysiologischen oder aromatisierenden Bestandteilen gewonnen werden, als Zusatzstoffe im Sinne der Verordnung gelten. Die Erwägung findet sich in der Definition des Farbstoffbegriffs nach der Funktionsklasse Nr. 2 im Anhang I der Verordnung wieder. Die Erläuterungen in Erwägungsgrund 5 bestätigen damit die Auffassung, dass Konzentrate aus natürlichen Ausgangsstoffen wie Gewürzen oder Gemüsen, die in der Hauptfunktion aus technologischen Gründen in einem Lebensmittel verwendet werden, als Lebensmittelzusatzstoffe einzustufen sind.

37

Das entspricht auch der fachkundigen Einschätzung des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit vom 14. Dezember 2006 (SANCO - D1(06)D/413447, Bl. 42 d.GA), wonach der Zusatz eines stark nitrathaltigen Spinatextrakts zu Konservierungs- und/oder Farbstabilisierungszwecken bei Würsten als Verwendung eines Lebensmittelzusatzstoffes anzusehen ist. Zu derselben Beurteilung kommt die Kommissionsarbeitsgruppe "Lebensmittelzusatzstoffe" in Bezug auf Gemüsebrühen, bei denen das ursprünglich enthaltene Nitrat fermentativ zu Nitrit umgewandelt worden ist und die zu technologischen Zwecken bei der Herstellung von Fleischerzeugnissen eingesetzt werden (vgl. European Commission, Health & Consumer Directorate-General, Directorate E - Safety of the Food Chain, SANCO/E3/WD/km D (2010), Bl. 40 d. GA; Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 9. Juni 2010 an die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen obersten Landesbehörden, Bl. 38 d. GA). Es ist nicht ersichtlich, dass die Stellungnahmen dieser Gremien durch aktuellere Äußerungen überholt sind, die im Streitfall eine abweichende Beurteilung nahelegen. Soweit die Klägerin eine Aktennotiz über ein Gespräch der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (IFOAM) mit der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission (DG SANCO) vorgelegt hat, handelt es sich um den Vermerk eines Mitglieds der IFOAM und nicht um eine offizielle Verlautbarung der Generaldirektion. Zudem lässt sich daraus auch inhaltlich nicht entnehmen, dass die DG SANCO Gemüsekonzentrate, die wegen ihres hohen Nitratgehalts zu technologischen Zwecken bei der Fleischverarbeitung eingesetzt werden, generell aus dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1333/2008 ausnimmt.

38

Nach alledem bestehen keine vernünftigen Zweifel an der zutreffenden Auslegung und Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a einschließlich Ziffer ii VO Nr. 1333/2008, so dass es keiner Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV bedarf. Das gilt auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin angeregten Vorlagefragen. Ob es sich bei den in Rede stehenden Gemüsekonzentraten um Stoffe handelt, die üblicherweise selbst als Lebensmittel verzehrt oder als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet werden, ist eine Tatsachenfrage und von den nationalen Tatsachengerichten zu beantworten. Dasselbe gilt für die Frage, ob die Konzentrate aus technologischen Gründen zugesetzt werden und ob die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a Ziffer ii VO Nr. 1333/2008 in tatsächlicher Hinsicht erfüllt sind.

39

c) Die danach erforderliche zusatzstoffrechtliche Zulassung liegt nicht vor. In der Gemeinschaftsliste der für die Verwendung in Lebensmitteln zugelassenen Zusatzstoffe (Anhang II zu der Verordnung Nr. 1333/2008 i.d.F. der Verordnung Nr. 1129/2011 der Kommission vom 11. November 2011 ) sind die Gemüsekonzentrate nicht aufgeführt. In Anhang II Teil B ("Liste aller Zusatzstoffe") unter Nr. 3 ("Andere Zusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel") und Teil E ("Zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe und Verwendungsbedingungen nach Lebensmittelkategorie") unter Nr. 08 ("Fleisch") sind allein Kaliumnitrit (E 249), Natriumnitrit (E 250), Natriumnitrat (E 251) und Kaliumnitrat (E 252) als Zusatzstoffe benannt, die für die Verwendung in Fleisch zugelassen sind. Nach Anhang II Teil A Nr. 2.1 VO Nr. 1333/2008 i.d.F. der Verordnung (EU) Nr. 2015/647 der Kommission vom 24. April 2015 (ABI. L 107 S. 1) müssen sie zudem die Bedingungen einhalten, die sich aus der Verordnung (EU) Nr. 231/2012 der Kommission vom 9. März 2012 (ABl. L 83 S. 1) im Hinblick auf Herkunft, Reinheitsgehalt und sonstige Spezifikationen ergeben. Dass anstelle dessen auch Gemüsekonzentrate zugelassen sind, ergibt sich aus der Gemeinschaftsliste nicht.

40

Nichts anderes gilt mit Blick auf die Liste der Zusatzstoffe, die nach Art. 27 VO Nr. 889/2008 bei der Verarbeitung von ökologischen/biologischen Lebensmitteln verwendet werden dürfen. Anhang VIII dieser Verordnung führt die Stoffe Natriumnitrit (E 250) und Kaliumnitrat (E 252) auf, nicht aber Gemüsekonzentrate als Ersatzstoffe. Nach Art. 27 Abs. 3 VO Nr. 889/2008 war vor dem 31. Dezember 2010 zu überprüfen, ob Natriumnitrit und Kaliumnitrat aus der Liste der zugelassenen Stoffe gestrichen werden sollten. Bei der Überprüfung sollte den Bemühungen der Mitgliedstaaten um sichere Alternativen zu Nitriten/Nitraten Rechnung getragen werden. Zu einer Streichung der beiden Stoffe aus dem Anhang VIII ist es bislang nicht gekommen.

41

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, ihre Fleischprodukte wiesen einen geringeren Nitritgehalt auf als Erzeugnisse, die unter Verwendung von Nitritpökelsalz hergestellt worden seien. Das erlaubt nicht den Schluss, die Verwendung der Gemüsekonzentrate als Ersatz für die Zusatzstoffe E 249 - 252 sei auch ohne gesonderte Zulassung erlaubt. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts haben die Gemüsekonzentrate nicht die Funktion eines Konservierungsstoffs nach Anhang I Nr. 3 VO Nr. 1333/2008, da hierfür die erzielte Nitritkonzentration zu niedrig ist. Die Europäische Kommission hat jedoch bei der Zulassung von Nitriten (E 249 und E 250) gerade auf deren technologischen Nutzen als Konservierungsmittel in Fleischerzeugnissen abgestellt (vgl. Erwägungsgrund 6 VO Nr. 1129/2011). Entfällt dieser Nutzen bei der Verwendung der Gemüsekonzentrate, ist daher neu zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Gemeinschaftsliste nach Art. 6 VO Nr. 1333/2008 vorliegen (vgl. zur Verknüpfung der technischen Notwendigkeit mit dem Gesundheitsschutz auch EuGH, Urteile vom 20. März 2003 - C-3/00 [ECLI:EU:C:2003:167] - Rn. 82 und vom 10. September 2009 - C-366/08 [ECLI:EU:C:2009:546], Adolf Darbo - Rn. 60). Diese Prüfung ist nach Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 1333/2008 dem in der Verordnung Nr. 1331/2008 festgelegten Verfahren vorbehalten. Vergleichbares gilt für die Aufnahme in die Liste der bei der Verarbeitung von biologischen Lebensmitteln zugelassenen Zusatzstoffen (vgl. Art. 21 Abs. 1 und 2 VO Nr. 834/2007).

42

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

21
Der Begriff "Zusammenhang" ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union weit zu verstehen. Er erfasst jeden Zusammenhang , der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (EuGH, Urteil vom 6. September 2012 - C-544/10, GRUR 2012, 1161 Rn. 34 bis 36 = WRP 2012, 1368 - Deutsches Weintor; Urteil vom 18. Juli 2013 - C-299/12, GRUR 2013, 1061 Rn. 22 = WRP 2013, 1311 - Green-Swan Pharmaceuticals; BGH, GRUR 2015, 498 Rn. 33 - Combiotik; BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - I ZR 36/11, GRUR 2015, 403 Rn. 33 = WRP 2015, 444 - Monsterbacke II, mwN).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.