Die Klägerin, die beihilfeberechtigt mit einem Bemessungssatz von 50% ist, beantragte mit Formblatt vom ... März 2015 die Gewährung von Beihilfe unter anderem für eine Rechnung der Firma … vom … Januar 2015 über „orthopädische Einlagen – Sonderanfertigung“ in Höhe von 248,28 €. Mit Bescheid vom 16. März 2015 lehnte der Beklagte insoweit die Beihilfefähigkeit ab. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass eine wissenschaftlich anerkannte medizinische Notwendigkeit für die Verordnung von sog. sensomotorischen Einlagen – M. – derzeit für kein Krankheitsbild bestehe, so dass die Aufwendungen hierfür nicht beihilfefähig seien.
Mit Schreiben vom ... April 2015, eingegangen am 9. April 2015, erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch, wobei sie sich auf eine Stellungnahme von Herrn Dr. R. vom … März 2015 bezog. In dieser wurde darauf hingewiesen, dass sich die Frage, inwieweit eine medizinische Notwendigkeit vorliege, ausschließlich nach objektiven und ärztlichen Erkenntnissen beurteile. Vor Ausstellung der Diagnose der medizinischen Notwendigkeit einer sensomotorischen Einlagenversorgung habe er die Klägerin eingehend befragt, untersucht und behandelt und erst anschließend die M.-Einlagen verschrieben. Diese seien erst nach Ausschöpfung konventioneller und alternativer Behandlungsmethoden erfolgt, so dass auch vor diesem Hintergrund die Geeignetheit und Vertretbarkeit der durchgeführten Therapie und Einlagenverschreibung unstrittig sein sollte. Die verschriebenen M.-Einlagen deckten das Wirkungsspektrum konventioneller Einlagen ab. Der Unterschied liege allerdings darin, dass der Wirkmechanismus von M.-Einlagen das Wirkungsspektrum der konventionellen Einlagen, insbesondere auch Einlagen auf der Basis eines Gips- oder Trittschaumabdrucks, beträchtlich erweitere. Die mechanischen Effekte konventioneller Einlagen würden durch eine individuell angepasste Stimulation der Fußmuskulatur ergänzt. Es stütze sich die Wirkung der M.-Einlagen auf neurowissenschaftliche Grundlagen, die seit langem schulmedizinisch be- und anerkannt seien. Über die Verwendung der verschriebenen Einlagen würden die Fußmuskeln gezielt angesteuert und angesprochen und sorgten für eine aktive Beeinflussung der Gesamtstatik. Bei den vorgenannten Zusammenhängen handele es sich um anatomische und neuromuskuläre, d.h. rein schulmedizinische Grundlagen, die das sensomotorische System beträfen und auf denen die Wirkung sensomotorischer Einlagen und anderer anerkannter Therapieformen beruhten. Die verschriebenen Einlagen böten demzufolge eine entscheidende therapeutische Ergänzung und Verbesserung gegenüber der herkömmlichen Einlagenversorgung, ohne die grundsätzliche Wirkung der konventionellen Einlagen einzuschränken. Auf die europäische Herstellervereinigung für Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel (Eurocom), die verschiedene juristische Gutachten in diesem Zusammenhang eingeholt habe und dabei insbesondere auf die bestehenden Hilfsmittelrichtlinien verweise, die der gemeinsame Bundesausschuss am … Oktober 2008 beschlossen habe, werde verwiesen. Demnach beurteile der Arzt in jedem Einzelfall, ob eine Produktart oder ein Einzelprodukt verordnet werde. Entscheide er sich für eine Einzelproduktversorgung, so handele es sich nach seinen Feststellungen um das alleinige Hilfsmittel, welches für die Versorgung des Patienten medizinisch notwendig und erforderlich sei. So habe er im Fall der Klägerin nach eingehender Untersuchung festgestellt, dass auch vor dem Hintergrund der Grundsätze von Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit die verschriebenen sensomotorischen Einlagen das notwendige, zweckmäßige und nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse richtige Mittel darstelle.
Mit Bescheid vom 29. April 2015, der Klägerin zugestellt am 5. Mai 2015, wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Voraussetzung und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmten sich nach Anlage 4 zu § 21 Abs. 1 BayBhV. Diese enthalte eine Aufzählung derjenigen Hilfsmittel sowie Geräte für Selbstbehandlung und Selbstkontrolle sowie Körperersatzstücke, deren notwendige und angemessene Anschaffungskosten – gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge – beihilfefähig seien (Positivkatalog). In diesem Positivkatalog seien orthopädische Einlagen – Sonderanfertigung M. nicht aufgeführt. Im Beihilferecht stehe der Grundsatz der Nachrangigkeit der Beihilfe im Vordergrund, denn die Beihilfe ergänze lediglich die zumutbare Eigenversorge, welche aus den Dienstbezügen zu bestreiten sei. Der Dienstherr sei nicht verpflichtet, für eine vollständige Absicherung des Beamten Sorge zu tragen, denn die Beihilfe sei lediglich eine ergänzende Hilfe, die den Beamten von nicht durch die Besoldung oder Versorgung gedeckten Aufwendungen in angemessenem und notwendigem Umfang freistellen solle. Dieser Charakter der Beihilfe beinhalte auch die Grundlage und den Rahmen der Fürsorgeverpflichtung auf die dem Grunde nach notwendigen und der Höhe nach angemessenen Aufwendungen im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn sei konkretisiert durch die erlassenen Beihilfevorschriften. Wenn die Beihilfevorschriften für bestimmte Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe ausschlössen oder begrenzten, könne daher grundsätzlich ein Beihilfeanspruch nicht unmittelbar aus der Fürsorgepflicht abgeleitet werden. Nur in besonderen Ausnahmefällen sei unter Hinnahme gewisser, aus den generalisierenden Regelungen folgender Härten ein Zurückgreifen auf die allgemeine Fürsorgepflicht dann zulässig und geboten, wenn diese sonst in ihrem Wesensgehalt als verletzt gelten müsse. Anhaltspunkte seien im Fall der Klägerin weder vorgetragen noch ersichtlich.
Mit Schreiben vom … Mai 2015, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am 22. Mai 2015, erhob die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 16. März 2015 und beantragte,
die Kosten für die M.-Einlagen in Höhe von 50% des Rechnungsbetrags (248,28 €) zu erstatten.
Die Begründung des Beklagten, es fehlten Nachweise einer Wirksamkeit und einer wissenschaftlichen Anerkennung, sei nicht richtig. Denn laut § 21 BayBhV und Ziffer E der Anlage 4 zur BayBhV seien sowohl die Behandlung als auch die Versorgung mit orthopädischen Fußeinlagen beihilfefähig. Dementsprechend bestehe bereits vom Wortlaut her keinerlei Zweifel, dass auch die streitgegenständlichen Einlagen als orthopädische Spezialeinlagesohlen hiervon erfasst seien. Die streitgegenständlichen Einlagen erfüllten auch sämtliche Bestimmungen der BayBhV, zumal sie fachärztlich verschrieben worden seien und auch vorab auf der Basis einer ärztlichen Untersuchung als objektiv geeignete, notwendige und angemessene ärztliche Hilfsmittel zur Behandlung der gesundheitlichen Beschwerde angesehen worden seien. Es handele sich auch keineswegs um lediglich körperhaltungsverbessernde Einlagen. Welche Art der Therapie für den Arzt objektiv geeignet oder vertretbar erscheine, sei nach einschlägiger Rechtsprechung die Entscheidung des behandelnden Arztes. Im Übrigen sei noch festzuhalten, dass eine entsprechende medizinische Wirksamkeit der Einlagen insgesamt nicht wissenschaftlich nachgewiesen sein müsse. Es sei vielmehr bereits ausreichend, wenn eine Behandlungsmethode bzw. ein medizinisches Hilfsmittel von der herrschenden überwiegenden Meinung der medizinischen Wissenschaftler als wirksam und geeignet angesehen werden könne. Die hier zugrundeliegende Behandlungsmethode werde bereits von über 300 Orthopäden in Deutschland angewandt. Insbesondere sei es nach ständiger Rechtsprechung auch bereits ausreichend, dass nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch Aussicht auf eine Anerkennung des medizinischen Hilfsmittels bestehe, was vorliegend eindeutig zu bejahen sei. Auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 15.3.1984 – 2 C 2/83) wurde Bezug genommen. Entscheidendes Indiz sei bereits, dass der behandelnde Arzt die streitgegenständlichen orthopädischen Spezialeinlagesohlen als das objektiv geeignete, notwendige und angemessene ärztliche Hilfsmittel zur Behandlung der gesundheitlichen Beschwerden angesehen habe. Hinzu komme, dass diese Sohlen aufgrund der dort verwendeten Materialien deutlich langlebiger als die meisten konventionellen Einlagen seien und eine durchschnittliche Tragezeit von mindestens drei Jahren erreichen könnten, während herkömmliche Einlagen grundsätzlich nur eine Lebensdauer von ca. sechs bis zwölf Monaten aufwiesen. Darüber hinaus sei zu betonen, dass auch für die seit Jahren schulmedizinisch anerkannten konventionellen Einlagen nicht eine einzige wissenschaftliche Studie existiere, die die entsprechende medizinische Wirksamkeit entsprechender konventioneller Einlagen nachweise. Nicht zu Unrecht werde daher auch im Rahmen der Anlage zur Beihilfeverordnung nicht unterschieden zwischen konventionellen und aktivierenden, abstützenden und orthopädischen Spezialeinlagen. Dies umso mehr, als es sich auch bei den verschriebenen Spezialeinlagesohlen selbstverständlich um medizinisch indizierte orthopädische Einlagen handele. Sie sei von der Wirksamkeit der Einlagen nach einer bisherigen Tragezeit von vier Monaten absolut überzeugt, zumal sie aus eigener Erfahrung einen Vergleich ziehen könne zu konventionellen Einlagen, die ihr von anderen Orthopäden verordnet worden seien. Auf das Schreiben von Dr. R* … vom … März 2015 wurde Bezug genommen.
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wurde auf die im Verwaltungsverfahren genannten Gründe Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass es hinsichtlich der streitgegenständlichen M.-Einlagen an einer medizinischen Notwendigkeit fehle. Bei diesen handele es sich um sensomotorische Einlagen, für die der Nachweis der medizinischen Notwendigkeit bisher nicht erbracht sei. Daher seien Aufwendungen für sensomotorische Einlagen nicht als beihilfefähig anzuerkennen, wie auch die Verwaltungsgerichte Regensburg und Wiesbaden entschieden hätten. Bei dem von der Klägerin aufgeführten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts handele es sich um einen Beschluss zu Heilmitteln, nicht jedoch – wie hier – um orthopädische Einlagen, die den Hilfsmitteln nach § 21 BayBhV zuzuordnen seien.
Unter der Beachtung des Erstattungsgrundsatzes, dass Aufwendungen für Hilfsmittel in der Höhe angemessen sein müssten, könnten nur Aufwendungen für Hilfsmittel mittlerer Art und Güte berücksichtigt werden. Mehraufwendungen für Sonderanfertigungen, deren medizinische Wirkung nicht nachgewiesen sei, könnten daher nicht als beihilfefähig anerkannt werden. Dabei sei auch nicht auf die Nutzungsdauer eines Hilfsmittels abzustellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten mit Schreiben vom 15. Juni 2015 bzw. 1. Juli 2015 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist dahingehend auszulegen (vgl. § 88 VwGO), dass unter – teilweiser – Aufhebung nicht nur des Beihilfebescheids vom 16. März 2015, sondern auch des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2015 die Gewährung weiterer Beihilfe für die sensomotorischen Einlagen begehrt wird.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, da die streitgegenständlichen Bescheide rechtmäßig sind; die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung weitere Beihilfe (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
1. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 BayBhV (in der Fassung der Verordnung vom 29.7.2015, GVBl. S. 352) sind unter anderem Aufwendungen für die Anschaffung der in der Anlage 4 zur BayBhV genannten Hilfsmittel beihilfefähig, wenn sie ärztlich in Schriftform verordnet sind; dies gilt nicht für Gegenstände von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis oder Gegenstände, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen.
2. Auch wenn die Klägerin dem Gericht eine ärztliche Verordnung der Einlagen nicht vorgelegt hat, ist aufgrund des Schreibens von Dr. R. vom … März 2015 davon auszugehen, dass die hier streitgegenständlichen sensomotorischen Einlagen der Klägerin vom behandelnden Arzt schriftlich verordnet wurden. Dies wird vom Beklagten auch nicht bestritten.
3. In Anlage 4 zur BayBhV sind „Einlagen (orthopädische)“ als beihilfefähige ärztlich verordnete Hilfsmittel ausdrücklich aufgeführt (vgl. a. § 21 Abs. 5 BayBhV), so dass Aufwendungen für Einlagen auch grundsätzlich beihilfefähig sind.
Es ist allerdings fraglich, ob als Sonderanfertigung bezeichnete sensomotorische Einlagen überhaupt unter diesen Begriff fallen oder ob damit nicht lediglich herkömmliche Standard-Einlagen gemeint sind.
Letztendlich kann dies aber dahingestellt bleiben, da auch für die Frage der Beihilfefähigkeit von Hilfsmitteln im Sinne von § 21 BayBhV die allgemeine Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV heranzuziehen ist, wonach Aufwendungen nur dann beihilfefähig sind, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig (Nr. 1) und der Höhe nach angemessen (Nr. 2) sind sowie die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (Nr. 3).
3.1 Zwar ist die Beihilfefähigkeit von sensomotorischen Einlagen nicht explizit ausgeschlossen, da diese in Nrn. 1 und 2 der Anlage 2 zur BayBhV nicht aufgeführt sind (vgl. § 7 Abs. 5 BayBhV).
3.2 Der Beihilfefähigkeit steht hier aber entgegen, dass die Aufwendungen nicht im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV dem Grunde nach medizinisch notwendig sind bzw. die sensomotorischen Einlagen im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBhV von umstrittenem therapeutischen Nutzen sind:
a) Bei der Prüfung der medizinischen Notwendigkeit ist zwar regelmäßig der Beurteilung des behandelnden Arztes zu folgen, dies gilt jedoch nicht für wissenschaftlich nicht anerkannte Methoden (BVerwG, U.v. 29.6.1995 – 2 C 15/94 – NJW 1996, 801, 802 m.w.N.; BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 53f.). Die Gewährung von Beihilfen, die aus allgemeinen Steuergeldern finanziert werden, gründet auf der Erwartung, dass die Heilbehandlung zweckmäßig ist und hinreichende Gewähr für eine möglichst rasche und sichere Therapie bietet. Aus Sicht des Dienstherrn ist es deshalb nicht ohne Belang, ob die von ihm (mit-)finanzierte Behandlung Erfolg verspricht oder nicht. Die Rechtsprechung hat bereits früh anerkannt, dass das öffentliche Interesse an einer effektiven und sparsamen Verwendung von Steuergeldern eine Begrenzung der Beihilfe auf Erfolg versprechende Heilbehandlungen zulässt (BVerwG, U.v. 29.6.1995 – 2 C 15/94 – NJW 1996, 801, 802 mit Verweis auf: BAG, U.v. 24.11.1960 – 5 AZR 438, 59; BVerwG, U.v. 28.11.1963 – 8 C 72.63). Insbesondere kann aus dem Umstand, dass eine nicht anerkannte Heilmethode bzw. ein nicht anerkanntes Hilfsmittel nicht explizit in der Anlage zu § 7 Abs. 5 BayBhV aufgeführt ist (s.o. 3.1), nicht geschlossen werden, dass diese sozusagen automatisch medizinisch notwendig ist (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 57f.; U.v. 30.1.2007 – 14 B 03.125 – juris Rn. 20; VGH B-W, B.v. 14.1.1999 – 4 S 1086/96 – juris Rn. 7, U.v. 26.7.2010 – 10 S 3384/08 – juris Rn. 29ff. zu § 6 BhV).
Eine Behandlungsmethode ist dann wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode von dritter Seite – also von anderen als dem oder den Urhebern – attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, muss die Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Daher ist eine Behandlungsmethode dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 55 m.w.N.).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze kommt das erkennende Gericht zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Behandlung mit sensomotorischen Einlagen von M* … derzeit um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Therapie handelt, für die die medizinische Notwendigkeit grundsätzlich nicht gegeben ist. Auch wenn verschiedene Fachleute von der Wirksamkeit sensomotorischer Einlagen überzeugt sind, handelt es sich insoweit nicht um die herrschende oder überwiegende Meinung in der medizinischen Wissenschaft. Der Leiter der klinischen Prüfstelle in Münster für orthopädische Hilfsmittel und Inhaber des deutschlandweit einzigen Lehrstuhls für Technische Orthopädie hat bereits mehrere Studien zu sensomotorischen Einlagen in Auftrag gegeben, das Ergebnis war jedoch enttäuschend. Er berichtet, dass keine signifikanten Veränderungen festgestellt worden seien (vgl. http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/sendungen/gesundheit/the-menuebersicht/gesund-im-alltag/sensomo-torische-einlagen-schuhe-wirbelsaeule100.htm). Auch eine in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden vorgelegte Stellungnahme des ärztlichen Dienstes in Gießen vom … April 2013 zur Überprüfung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für sensomotorische Einlagen des Herstellers M* … kommt zu dem Ergebnis, dass Nachweise einer Wirksamkeit ebenso fehlen wie die wissenschaftliche Anerkennung (vgl. VG Wiesbaden, B.v. 26.2.2015 – 3 K 949/14.WI – juris Rn. 24). Das Verwaltungsgericht Wiesbaden nimmt in dieser Entscheidung weiter auf eine Studie des Sportwissenschaftlichen Instituts der Universität des Saarlandes zu sensomotorischen Einlagen (Ludwig, Quadflieg, Koch: Einfluss einer sensomotorischen Einlage auf die Aktivität des M. peroneus longus in der Standphase, Dtsch Z Sportmed 64 (2013) 77-82) Bezug, in der ausdrücklich festgestellt wird, dass „bislang keine Wirkungsnachweise dazu vorliegen, ob sensomotorische Einlagenkonzepte über integrierte Druckpunkte auf die Sehnen der Fuß- und Wadenmuskulatur Änderungen der Muskelaktivitäten bewirken können“.
Das Gericht kommt nach alledem – ebenso wie das Verwaltungsgericht Wiesbaden (B.v. 26.2.2015 – 3 K 949/14.WI – juris Rn. 23ff.) und das Verwaltungsgericht Regensburg (U.v. 36.5.2015 – RO 8 K 15.614) – zu der Überzeugung, dass die Behandlung mit den streitgegenständlichen Einlagen nicht allgemein wissenschaftlich anerkannt und damit nicht beihilfefähig ist. Auch von Klägerseite wurden hierzu keine substantiierten Angaben gemacht.
3.3 Unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Beklagten als Dienstherrn ergibt sich ebenfalls keine Verpflichtung zur Anerkennung der streitgegenständlichen Aufwendungen als beihilfefähig.
a) Aus dem Fürsorgeprinzip kann sich in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV ausnahmsweise eine Verpflichtung des Dienstherrn ergeben, Beihilfe zu „dem Grunde nach“ notwendigen Aufwendungen für eine Behandlung zu leisten, deren Wirksamkeit nicht allgemein wissenschaftlich anerkannt ist (BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 56).
Voraussetzung für die ausnahmsweise Anerkennung der Beihilfefähigkeit ist jedoch, dass sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, dass im Einzelfall (z. B. wegen einer Gegenindikation) das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder dass ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist, der Betroffene sozusagen schulmedizinisch (erfolglos) austherapiert ist. Weiter ist jedoch notwendig, dass die wissenschaftlich allgemein noch nicht anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann. Hierfür ist zumindest erforderlich, dass bereits wissenschaftliche, nicht auf Einzelfälle beschränkte Erkenntnisse vorliegen, die attestieren, dass die Behandlungsmethode zur Heilung der Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet ist und wirksam eingesetzt werden kann. Unter den genannten Voraussetzungen wird ein verantwortungsbewusster Arzt auch solche Behandlungsmethoden in Erwägung ziehen, die nicht dem allgemeinen Standard der medizinischen Wissenschaft entsprechen, aber nach ernst zu nehmender Auffassung noch Aussicht auf Erfolg bieten (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 57 m.w.N.; B.v. 17.2.2011 – 14 ZB 10.1403 – juris Rn. 8; OVG Hamburg, U.v. 24.9.2004 – 1 Bf 47/01 – juris Rn. 41; OVG Lüneburg, U.v. 14.9.2004 – 5 LB 141/04 Rn. 31; BVerwG, U.v. 18.6.1998 – 2 C 24/97 – NJW 1998, 3436 Leitsatz).
b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber nicht erfüllt. Insbesondere wurde von der Klägerin weder behauptet noch belegt, dass sensomotorischen Einlagen nach einer medizinischen Erprobungsphase noch im obigen Sinn anerkannt werden können. Hierfür genügt es insbesondere nicht, dass die Methode wissenschaftlich nicht endgültig verworfen worden ist und eine Anerkennung in Zukunft theoretisch noch in Betracht kommen könnte. Auch die von der Klägerin aufgestellte Behauptung, dass in Deutschland 300 Orthopäden sensomotorische Einlagen verschreiben, reicht hierfür nicht aus, zumal es in Deutschland über 13.000 Orthopäden und Unfallchirurgen gibt (vgl. www.bundesaerztekammer.de).
Voraussetzung für eine künftige allgemeine Anerkennung wäre vielmehr, dass nach dem Stand der Wissenschaft die Aussicht, d.h. die begründete Erwartung, auf wissenschaftliche Anerkennung besteht (vgl. BVerwG, U. v. 18.6.1998 – 2 C 24/97 – juris Rn. 13). Es liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass nach dem Stand der Wissenschaft zurzeit von einer derartigen begründeten Erwartung auf eine zukünftige Anerkennung der Behandlungsmethode ausgegangen werden könnte (vgl. oben b) und VG Wiesbaden, B.v. 26.2.2015 – 3 K 949/14.WI – juris Rn. 29).
c) Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. März 1984 (2 C 2/83 – juris), auf den die Klägerin Bezug nimmt. Abgesehen davon, dass diese Entscheidung keine Hilfsmittel, sondern Heilmittel betraf, verlangt auch das Bundesverwaltungsgericht, dass nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch Aussicht auf eine Anerkennung des Mittels besteht.
3.4 Schließlich ergibt sich auch aus Art. 2 Abs. 2 GG vorliegend kein Anspruch auf Beihilfe. Denn es liegt keine lebensbedrohliche bzw. regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung im Sinne der hierzu für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, B.v. 6.12.2005, NJW 2006, 891) vor.
3.5 Da somit die medizinische Notwendigkeit der streitgegenständlichen Einlagen zu verneinen ist, kommt es auch nicht darauf an, ob diese im Vergleich zu herkömmlichen Einlagen länger haltbar und damit langfristig unter Umständen günstiger wären.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).