Verwaltungsgericht München Urteil, 11. Juni 2015 - M 12 K 15.995

bei uns veröffentlicht am11.06.2015

Gericht

Verwaltungsgericht München

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

Aktenzeichen: M 12 K 15.995

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 11.6.2015

12. Kammer

Sachgebiets-Nr. 1334

Hauptpunkte:

Lehrerin;

Bandscheibenvorfall;

Degenerative Vorschäden;

Regelgerechte Bewegung;

Gelegenheitsursache;

Gutachten eines Amtsarztes;

Bedingter Beweisantrag auf weiteres Sachverständigengutachten.

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

Landeshauptstadt München Personal- und Organisationsreferat, Personalleistungen, Versorgung ... Dienstunfallfürsorge vertreten durch den Oberbürgermeister Rosenheimer Str. 118, 81669 München

- Beklagte -

wegen Anerkennung als Dienstunfall

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 12. Kammer,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2015 am 11. Juni 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die am ... geborene Klägerin ist Oberstudienrätin am ...-Gymnasium in ... Am ... März 2014 zeigte sie einen Dienstunfall vom 18. Februar 2014, ca. 15.00 Uhr, in der Turnhalle des oben genannten Gymnasiums an. Sie trug vor, sie habe eine Verletzung an der LWS (Lendenwirbelsäule) beim Geräteabbau/beim Anheben eines großen Kastens während des Unterrichts der Klasse ... zwischen 14.00 und 15.30 Uhr erlitten (Bl. 1 der Behördenakte).

Aus dem Attest der Radiologischen Gemeinschaftspraxis in ... vom 21. Februar 2014 ergibt sich, dass sich zwischen dem LWK (Lendenwirbelkörper) 2 und LWK 5 eine Bandscheibendegeneration gefunden habe, bei LWK 4/LWK 5 auch mit Darstellung eines flachen medio lateral linksseitigen Bandscheibenvorfalls, der zu einer linksseitigen Recessus- und Neuroforamenstenose führe. Teilweise fortgestrittene, aktuell auch entzündlich aktivierte (LWK 4/5) Facettengelenkarthrosen der mittleren und unteren LWS. Leichter entzündlicher Reizzustand in den ISG (Iliosakralgelenke) beidseits (Bl. 6 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 6. März 2014 bat die Beklagte den die Klägerin behandelnden Arzt Dr. ..., ..., um Beantwortung verschiedener Fragen in einem Fragebogen (Bl. 7 ff. der Behördenakte).

Aus dem Fragebogen ist ersichtlich, dass Dr. ... von der Klägerin am 19. Februar 2014 in Anspruch genommen wurde. Sie habe zum Unfallhergang gesagt, nach dem Heben einer schweren Last habe sie einen stichartigen Schmerz in der Lendenwirbelsäule verspürt. Als klinischer Befund sei eine massive Bewegungseinschränkung mit Lumboischialgie links, Casegne links bei 10° positiv, FBA (Finger-Boden-Abstand) 20 gefunden worden. Es sei ein MRT (Magnetresonanztomographie) gemacht worden. Als Diagnose sei dabei eine akute Lumboischialgie und ein Bandscheibenvorfall L 4/5 festgestellt worden. Die wesentliche Ursache für den Körperschaden sei zu 100% der Unfall. Als Behandlungsmaßnahme sei eine Physiotherapie eingeleitet worden. Die Behandlung werde am 7. März 2014 abgeschlossen sein. Die Ausheilung der Verletzung werde ca. vier Wochen dauern (Bl. 7b und 8 der Behördenakte).

Die Beklagte bat das Referat für Gesundheit und Umwelt um erneute Begutachtung der Klägerin (Bl. 9 der Behördenakte). Am 7. August 2014 sollte eine amtsärztliche Untersuchung der Klägerin stattfinden (Bl. 11 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 22. August 2014 hat die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, der Amtsarzt habe sie verständigt, dass sie den Termin für die amtsärztliche Untersuchung am 7. August 2014 unentschuldigt nicht wahrgenommen habe, obwohl sie mit Schreiben vom 16. Mai 2014 auf die Mitwirkungspflicht hingewiesen worden sei. Der Amtsarzt habe nunmehr einen neuen Termin am 24. September 2014 reserviert (Bl. 13 der Behördenakte).

Mit E-Mail vom ... August 2014 teilte die Klägerin mit, sie sei dem Termin der amtsärztlichen Untersuchung nicht unentschuldigt ferngeblieben. Nachdem sie mit Schreiben vom 16. Juni 2014 über den betreffenden Termin in Kenntnis gesetzt worden sei, habe sie am 26. Juni 2014 ein Telefongespräch unter der im Schreiben angegebenen Durchwahl geführt. Sie habe mitgeteilt, dass sie zu dem Termin nicht kommen könne, da sie in Urlaub sei. Gleichzeitig habe sie um einen Ersatztermin gebeten (Bl. 15 der Behördenakte).

Mit E-Mail vom ... September 2014 teilte die Klägerin mit, den erneuten Untersuchungstermin am 24. September 2014 habe sie aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen können. Der neue Termin sei am 10. Oktober 2014 (Bl. 16 der Behördenakte).

Nach Untersuchung der Klägerin teilte der Amtsarzt der Beklagten mit, das Geschehen vom 18. Februar 2014 stelle kein Unfallgeschehen im eigentlichen Sinne dar. Die hervorgerufenen Beschwerden seien aus einer geführten Bewegung heraus entstanden ohne äußere Gewalteinwirkung. Ein unfallbedingter Körperschaden sei daher nicht entstanden. Die noch bestehenden Beschwerden seien auf die bestehenden Vorschädigungen ursächlich zurückzuführen. Das Attest ist von Dr. ..., Facharzt für Chirurgie unterschrieben.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2014 teilte die Beklagte der Klägerin das vorgenannte Ergebnis mit.

Mit Schreiben vom ... November 2014 bestellten sich die Prozessbevollmächtigten für die Klägerin (Bl. 20 der Behördenakte).

Dr. ... führte mit Schreiben vom 21. November 2014 gegenüber der Beklagten aus, er widerspreche den Feststellungen des Amtsarztes. Das von der Klägerin geschilderte Unfallereignis vom 18. Februar 2014 sei geeignet, den erlittenen Bandscheibenvorfall an der LWS herbeizuführen (Bl. 23 der Behördenakte).

Die Prozessbevollmächtigten führten mit Schreiben vom ... Dezember 2014 im Wesentlichen aus, es sei nicht richtig, dass durch Eigenbewegungen hervorgerufene Beschwerden grundsätzlich nicht unter den Unfallbegriff der äußeren Einwirkung fielen. Im konkreten Fall sei die Kraftanwendung - längeres Heben des schweren Turnkastens - eindeutig berufs- und anlassbezogen; hätte das Räderwerk nicht geklemmt, wäre es nicht zur Verletzung gekommen. Folglich sei der Bandscheibenvorfall auf ein von außen kommendes Ereignis zurückzuführen.

Mit Schreiben vom 9. Januar 2015 übersandte das Personal- und Organisationsreferat dem Gesundheitsamt die Stellungnahme der Rechtsanwaltskanzlei und bat um Einschätzung, ob sich aufgrund der mitgeteilten erweiterten Geschehensabläufe und der medizinischen Einwendungen des Dr. ... eine andere Beurteilung ergibt (Bl. 27 der Behördenakte).

Mit Schreiben vom 22. Januar 2015 führte das Gesundheitsreferat der Beklagten im Wesentlichen aus, die Klägerin sei explizit danach gefragt worden, ob der Bewegungsablauf beim Heben des Kastens unerwartet beeinträchtigt worden sei, ob sie z. B. ein Verrutschen des Kastens unerwartet abfangen hätte müssen. Dies sei von der Klägerin verneint worden, was auch der Unfallschilderung der Rechtsanwaltskanzlei entspreche. Es handele sich somit um einen geführten und geplanten Bewegungsablauf. Der Äußerung des Dr. ... im Attest vom 21. November 2014, dass ein Anheben eines Turnkastens sehr wohl geeignet sei, einen Bandscheibenvorfall an der LWS herbeizuführen, könne nicht widersprochen werden. Um hierdurch einen Bandscheibenvorfall zu verursachen, sei jedoch eine Vorschädigung der Bandscheibe Voraussetzung. Unverständlich sei die Äußerung des Dr. ... im Attest vom 21. November 2014, dass keine Vorschädigungen bekannt seien, da er bereits in einer ärztlichen Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber vom 3. Juli 2014 neben anderen degenerativen Wirbelsäulenveränderungen im LWS-Bereich Bandscheibendegenerationen zwischen LWK 2 und LWK 5 beschreibe, wegen derer die Klägerin sich bei ihm in regelmäßiger ambulanter orthopädischer Behandlung befunden habe (die Klägerin bestätige auch eine seit vielen Jahren stattfindende Behandlung bei Dr. ... in einer E-Mail an die Amtsärztin vom ... Oktober 2014). Objektiviert sei die Bandscheibendegeneration auch bereits in dem vorliegenden MRT-Befund der LWS vom 21. Februar 2014 (Radiologie ...), in welchem neben dem Bandscheibenvorfall Höhe LWK 4/5 auch degenerativ bedingte Dehydratationen in den Segmenten LWK 2 bis LWK 5 beschrieben seien. Darüber hinaus würden in diesem MRT der LWS durch den Radiologen fortgeschrittene Arthrosen in den Facettengelenken der mittleren unteren LWS im Sinne weiterer degenerativer Veränderungen beschrieben, die die angegebenen Beschwerden erklären könnten. Auch nach erneuter Prüfung des Sachverhalts ergebe sich keine Änderung der Feststellungen im Gesundheitszeugnis vom 13. Oktober 2014.

Mit Bescheid vom 10. Februar 2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 18. Februar 2014 als Dienstunfall im Sinne des Art. 46 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes ab. Bezüglich der Begründung wurde auf die amtsärztlichen Stellungnahmen vom 13. Oktober 2014 und 22. Januar 2015 sowie auf das Anhörschreiben vom 28. Oktober 2014 verwiesen. Die beiliegende Rechtsbehelfsbelehrung und die erneute Stellungnahme des Amtsarztes vom 22. Januar 2015 seien Bestandteile des Bescheides (Bl. 31a der Behördenakte).

Der Bescheid wurde den Prozessbevollmächtigten am 12. Februar 2015 zugestellt.

Am ... März 2015 haben die Prozessbevollmächtigten gegen den Bescheid beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erhoben mit dem zuletzt gestellten Antrag,

den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 10. Februar 2015 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, den am 18. Februar 2014 erlittenen Unfall der Klägerin als Dienstunfall an- zuerkennen und den Bandscheibenvorfall am LWK 4/5 als Körperschaden festzustellen.

Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, es sei falsch, dass durch Eigenbewegungen hervorgerufene Beschwerden grundsätzlich nicht unter den Unfallbegriff der äußeren Einwirkung fielen. Eine äußere Einwirkung könne auch bei körpereigenen unkoordinierten, unkontrollierten Bewegungen sowie bei Kraftaufwendungen vorliegen. Im konkreten Fall sei die Kraftaufwendung - längeres Heben des schweren Turnkastens - eindeutig berufs- und anlassbezogen. Hätte das Räderwerk nicht geklemmt, wäre es nicht zu der Verletzung gekommen, weil bei einem ordnungsgemäßen Funktionieren des automatischen Klappmechanismus nur ein folgenloses kurzes Anheben erforderlich gewesen wäre. Folglich sei der Bandscheibenvorfall auf ein von außen kommendes Ereignis zurückzuführen. Zum anderen treffe es nicht zu, dass bestehende Vorschädigungen die wesentliche Ursache für den eigetretenen Körperschaden seien. Die diesbezügliche - pauschale und durch nichts belegte - Behauptung des Amtsarztes werde ausdrücklich bestritten. Es werde auf das beigefügte fachärztliche orthopädische Attest des Dr. ... vom 21. November 2014 verwiesen, wonach keine Vorschädigungen bekannt seien und das geschilderte Unfallereignis sehr wohl geeignet sei, den erlittenen Bandscheibenvorfall herbeizuführen. Nur untergeordnete Bedeutung komme der äußeren Einwirkung als sogenannte Gelegenheitsursache zu, wenn auch ein anderes, bei den Verrichtungen des täglichen Lebens vorgefallenes Ereignis denselben Erfolg herbeigeführt hätte, insbesondere die äußere Einwirkung lediglich der letzte Tropfen gewesen sei, der das Maß zum Überlaufen gebracht habe bei einer Krankheit, die ohnehin ausgebrochen wäre, wenn ihre Zeit gekommen sei (BVerwGE 26, 332). Eine solche Konstellation sei bei der Klägerin nicht gegeben.

Die Beklagte beantragt mit Schreiben vom 7. April 2015,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, nach Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG sei ein Dienstunfall ein auf äußeren Einwirkungen beruhendes plötzliches örtlich und zeitlich bestimmbares einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder in Folge des Dienstes eingetreten sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien als Ursache im Rechtsinn auf dem Gebiet der beamtenrechtlichen Dienstunfallversorgung nur solche für die eingetretenen Schäden ursächlichen Bedingungen anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei natürlicher Betrachtungsweise bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Eine Gelegenheitsursache liege vor, wenn zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung bestehe, wenn also etwa die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar gewesen sei, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurft hätte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte. Beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen sei eine als alleinige Ursache im Rechtssinne anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend am Erfolg mitgewirkt habe. Bei einem Zusammentreffen einer äußeren Einwirkung mit einem inneren Vorgang oder auch einem anlagebedingten Leiden müsse abgewogen werden, welche der beiden Ursachen - unter Berücksichtigung der spezifischen Begebenheiten des Einzelfalles und der individuellen Persönlichkeit des Betroffenen - die Wesentliche ist. Es müsse bei einem Dienstunfall ein zweifacher Ursachenzusammenhang bestehen, das heißt einerseits müsse das Unfallereignis mit dem Dienst im ursächlichen Zusammenhang stehen (sog. haftungsbegründende Kausalität) und andererseits müsse das Unfallereignis bei dem Beamten einen Körperschaden verursacht haben (haftungsausfüllende Kausalität); vgl. Nr. 46.1.6 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Versorgungsrecht (BayVV-Versorgung).

Die Beklagte räume ein, dass nach Ziffer 46.1.3 der BayVV-Versorgung die äußere Einwirkung auch auf körpereigenen Bewegungen sowie außergewöhnlichen Kraftaufwendungen beruhen könne; vorliegende krankhafte Veranlagungen und Vorschäden seien aber auch unter diesem Gesichtspunkt der Mitursächlichkeit zu berücksichtigen.

Nach der Feststellung von Herrn Dr. ... sei kein unfallbedingter Körperschaden entstanden. Wegen der bereits vorhandenen Vorschäden sei vielmehr davon auszugehen, dass die bei der Klägerin zum Untersuchungspunkt noch bestehenden Beschwerden ursächlich auf diese Vorschäden zurückzuführen seien. Insgesamt fehle vorliegend ein Ursachenzusammenhang gemäß Art. 46 BayBeamtVG im Sinne einer wesentlichen Mitursächlichkeit, weil es zur Auslösung des akuten Bandscheibenvorfalls keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkung bedurft habe, weil auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis denselben Erfolg herbeigeführt hätte. Bei einem Bandscheibenvorfall handele es sich generell um ein degeneratives Leiden. Die Klägerin habe eingeräumt, sich seit Jahren bei Dr. ... wegen Bandscheibendegenerationen zwischen LWK 2 und LWK 5 in ambulanter orthopädischer Behandlung zu befinden (vgl. Bl. 29a der Behördenakte).

Das Anheben des Turnkastens sei das auslösende Moment, nicht aber die Ursache für den Bandscheibenvorfall, der nach Ansicht der Beklagten beispielsweise wenige Stunden später im privaten Bereich hätte erfolgen können. Insbesondere der Umstand, dass es sich nicht etwa um eine außer Kontrolle geratene Bewegung, wie beispielsweise beim Abfangen eines zum Umstürzen gerade kippenden Turnkastens, sondern eine geführte Eigenbewegung der Klägerin gehandelt habe, belege die zufällige Beziehung im Sinne einer Gelegenheitsursache.

Dr. ... habe eine medizinische Beurteilung auf zutreffender Tatsachengrundlage vorgenommen. Das Gutachten sei stimmig und nachvollziehbar. Es bestünden keine Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes, eines Facharztes für Chirurgie. Das fachärztliche Attest des Dr. ... vom 21. November 2014 widerspreche lediglich den Feststellungen des Amtsarztes, ohne allerdings die medizinischen Befunde näher zu erläutern oder eine Bewertung des unfallbedingten Körperschadens vorzunehmen. Soweit die Klägerin die amtsärztlichen Feststellungen bestreite, werde darauf hingewiesen, dass bei widerstreitenden Gutachten amtsärztliche Feststellungen gegenüber privatärztlichen Feststellungen grundsätzlich Vorrang haben (BayVGH, U. v. 27.02.2012 - 3 CS 11.2521). Dies sei zwar originär für die Frage der Dienstfähigkeit festgestellt worden. Allerdings sei der Grundsatz auch auf die Frage der Kausalität von Unfallfolgen übertragbar, da der Grund für den Vorrang nicht nur in der besonderen Erfahrung des Amtsarztes mit den dienstlichen Anforderungen liege, sondern auch in seiner Neutralität und Unabhängigkeit. Die Klägerin habe vorgetragen, dass es sich bei den degenerativen Wirbelsäulen- und Bandscheibenveränderungen um leichte und keine schweren degenerativen Veränderungen handeln würde, diese seien allenfalls eine „unbeachtliche“ Nebenursache. In der Stellungnahme vom 22. Januar 2015 habe sich Herr Dr. ... unter Einbeziehung des erweiterten Geschehensablaufs mit dem Fall der Klägerin auseinandergesetzt und sei zum Ergebnis gekommen, dass kein unfallbedingter Körperschaden vorliege.

Im Dienstunfallunrecht würden nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich die allgemeinen Beweisgrundsätze gelten. Für das Vorliegen des Dienstunfalls und der Kausalität sei grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen. Die Beweislast trage die Klägerin als Beamtin.

Die Klägerin habe den Nachweis dafür zu erbringen, dass die von ihr geklagten Beschwerden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich auf einem Ereignis beruhen, welches einem Unfallgeschehen geschuldet sei. Der Nachweis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit reiche nicht aus. Es bestehe auch keine Verpflichtung der Beklagten, nur wegen der nicht weiter begründeten Einwände gegen die amtsärztliche Feststellung ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.

Am ... Juni 2015 führten die Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Gericht aus: Der Gutachter gehe davon aus, dass kein Unfallgeschehen im eigentlichen Sinn vorliegt. Schon deshalb werde an der Neutralität des Amtsarztes gezweifelt. Die Klägerin weise darauf hin, dass ihr das klemmende Räderwerk des Turnkastens nicht bekannt gewesen sei. Sie habe nicht damit gerechnet, den Kasten länger anheben und halten zu müssen. Dies stelle ein plötzliches und unerwartetes Ereignis dar. Erst gegen Ende des ca. 60 sec. lang andauernden Anhebevorgangs sei es zu dem akuten Bandscheibenvorfall gekommen. Nicht richtig sei, dass Ursache des Bandscheibenvorfalls eine degenerative Vorschädigung der Klägerin sei. Die Klägerin habe am 31. März 2015 eine erneute kernspintomographische Untersuchung der Lendenwirbelsäule vornehmen lassen. Aus dieser folge, dass vor dem Unfall keine wesentlichen den Bandscheibenvorfall auslösenden degenerativen Schäden vorgelegen hätten. Auch insoweit werde die Neutralität des Amtsarztes in Zweifel gezogen. Die Klägerin sei vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen. Orthopädische Behandlungen hätten zuvor nur im Bereich des Halswirbelsäule aufgrund eines Fahrradsturzes stattgefunden.

Die Beklagte erwiderte darauf am 9. Juni 2015 im Wesentlichen wie folgt: Das Hochheben des Turnkastens am 18. Februar 2015 stelle nur eine Gelegenheitsursache dar. Wesentliche und damit allein maßgebliche Ursache für den erlittenen Bandscheibenvorfall sei die Vorschädigung der Klägerin im Bereich der Lendenwirbelsäule. Die Behauptung der Klägerin, dass vor dem Unfall keine wesentlichen, den Bandscheibenvorfall auslösenden degenerativen Vorschäden im Bereich der Lendenwirbelsäule vorgelegen hätten, sei durch den MRT-Befund vom 21. Februar 2014 und das ärztliche Attest des Dr. ... vom 3. Juli 2014 widerlegt. Dies könne weder durch den neuen radiologischen Arztbericht vom 1. April 2015 noch durch weitere aktuelle Begutachtungen widerlegt werden. Es sei zu beachten, dass Herrn Dr. ... (...praxis für Kernspintomographie ...) bei der Erstellung des Arztberichts vom 12. April 2015 die Voraufnahmen und Vorbefunde nicht vorgelegen hätten. Dr. ... habe sich mit diesen dagegen ausführlich auseinandergesetzt. An der Sachkunde und Neutralität des Dr. ... bestünden keine Zweifel. Es treffe insbesondere nicht zu, dass die Klägerin vor dem Hochheben des Turnkastens beschwerdefrei gewesen sei und nur wegen Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule behandelt worden sei. Dr. ... habe mit Schreiben vom 3. Juli 2014 ausdrücklich bestätigt, dass sich die Klägerin bei ihm wegen einer Bandscheibendegeneration und Facettengelenksarthrose in regelmäßiger orthopädischer Behandlung gewesen sei. Unzutreffend sei auch die Behauptung der Klägerin, dass das Hochheben des Turnkastens deshalb ein plötzliches und unerwartetes Ereignis gewesen sei, weil ihr das klemmende Räderwerk nicht bekannt gewesen sei und sie nicht damit gerechnet habe, den Kasten länger anheben und heben zu müssen. Die Klägerin habe gegenüber Herrn Dr. ... bei der Untersuchung am 10. Oktober 2014 angegeben, dass sie den Kasten deshalb hochgehoben habe, weil sie dies den Kindern nicht habe zumuten wollen. Außerdem sei ein Bandscheibenvorfall immer mit schwerwiegenderen Verletzungen verbunden.

Vorgelegt wurde ein Schreiben des Dr. ... vom 11. Juni 2015, aus dem sich ergibt, dass er die Klägerin erst seit dem 19. Februar 2015 an der Lendenwirbelsäule behandelt habe, zuvor nur an der Halswirbelsäule.

In der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2015 wurde der Amtsarzt Dr. ... als sachverständige Zeuge gehört. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Verfahrensgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2015, mit dem diese es ablehnte, das Ereignis vom 18. Februar 2014 als Dienstunfall anzuerkennen (Nr.1) sowie die Verpflichtung der Beklagten, das Ereignis als Dienstunfall anzuerkennen und als Körperschaden einen Bandscheibenvorfall am LWK 4/5 festzustellen (vgl. Klageantrag und Antrag in der mündlichen Verhandlung).

Der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2015 ist rechtmäßig, da das Ereignis vom 18. Februar 2014 keinen Dienstunfall darstellt und die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung hat, dass der Körperschaden Bandscheibenvorfall am LWK 4/5 als Folge des Ereignisses vom 18. Februar 2014 im Sinne des Art. 46 Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG) anerkannt wird (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

1. Wird ein Beamter durch einen Dienstunfall verletzt, so wird ihm und seinen Hinterbliebenen gemäß Art. 45 Abs. 1 BayBeamtVG Unfallfürsorge gewährt. Ein Dienstunfall ist dabei nach Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.

Des Weiteren ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Ereignis und Schaden erforderlich. Nach ständiger Rechtsprechung (BVerwG v. 20.04.1967, II C 118.64 - grundlegend; v. 18.04.2002, 2 C 22/01 - juris; BayVGH v. 18.09.2009, 14 B 07.956; und v. 02.08.2011, 3 B 09.196 - juris), sind als Ursache im Rechtssinne auf dem Ge-biet der beamtenrechtlichen Dienstunfallversorgung nur solche für den eingetretenen Schaden ursächlichen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BVerwG, U. v. 29.1.2009 - 2 A 3.08 - BayVBl 2009,347). Als wesentliche Ursache kann auch ein Ereignis in Betracht kommen, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder beschleunigt, wenn ihm im Verhältnis zu den anderen denkbaren Ursachen nach natürlicher Betrachtungsweise eine überragende oder zumindest annähernd gleichwertige Bedeutung für den Eintritt des Schadens zukommt (BVerwG, B. v. 7.5.1999 - 2 B 117.98 - juris). Umgekehrt ist das Unfallereignis dann nicht wesentliche Ursache für den Körperschaden, wenn das Ereignis von untergeordneter Bedeutung gewissermaßen der „letzte Tropfen“ war, der „das Fass zum Überlaufen“ brachte. Das Unfallereignis tritt dann im Verhältnis zu der schon gegebenen Bedingung (dem vorhandenen Leiden oder der Vorschädigung) derart zurück, dass die bereits gegebene Bedingung als allein maßgeblich anzusehen ist (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BayVGH, B. v. 4.12.2014 - 14 ZB 12.2449 - juris; BayVGH, U. v. 5.5.2015 - 3 B 12.2148 - juris).

Nicht ursächlich im Sinn des Gesetzes sind demnach die sogenannten Gelegenheitsursachen, d. h. solche Bedingungen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht. Letzteres ist beispielsweise dann der Fall, wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte (vgl. BVerwG B. v. 8.3.2004 - 2 B 54.03 - juris). Z. B. wurde die Ruptur der Achillessehne einer Sportlehrerin während einer Squash-Übungsleiterausbildung nicht als Dienstunfall anerkannt. Es wurde davon ausgegangen, dass es sich um eine Gelegenheitsursache gehandelt hat, weil bei einer gewollten (physiologischen) Bewegung eine gesunde Achillessehne nicht reißen könne und die dortige Klägerin keine unphysiologische Bewegung geschildert hatte (VG München v. 7.6.2005, M 5 K 04.1702 - juris). Ebenso wurde der Abriss der Achillessehne eines Polizeibeamten beim Dienstsport als Gelegenheitsursache angesehen (VG Saarbrücken v. 7.5.2013, 2 K 1407/11 - juris).

Beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen ist eine als alleinige Ursache im Rechtssinne anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend zum Erfolg mitgewirkt hat, während jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache im Rechtssinne anzusehen ist, wenn sie nur annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolges hatte. Alle übrigen Bedingungen im natürlich-logischen Sinne scheiden als Ursachen im Rechtssinne aus. Erleidet nach dieser Rechtsprechung ein bereits Vorerkrankter durch ein äußeres Ereignis eine zusätzliche gesundheitliche Schädigung, so kommt dem äußeren Ereignis nur dann ursächliche Wirkung zu, wenn es bei natürlicher Betrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg (Körperschaden) hingewirkt hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Schadens hatte wie die anderen Umstände insgesamt (BVerwG v. 7.5.1999, 2 B 117/98 - juris).

Geht der Körperschaden sowohl auf eine äußere Einwirkung als auch auf eine be-sondere Veranlagung des Beamten zurück, so muss abgewogen werden, welche der beiden Ursachen - unter Berücksichtigung der spezifischen Gegebenheiten des Einzelfalles und der individuellen Persönlichkeit des Betroffenen - die „wesentliche“ ist. Hat einer der in Betracht zu ziehenden Kausalfaktoren überragend auf den Erfolg hingewirkt, dann kann nur dieser als rechtserheblich angesehen werden (Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 8. Auflage 2013, § 14 Rdnrn. 13ff, unter Bezugnahme auf zahlreiche Nachweise aus der Rechtsprechung).

Der Grundgedanke dieser aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Kriegsopferversorgung übernommenen Kausaltheorie liegt darin, dass der Dienstherr nicht für Folgen haften soll, die ihm eigentlich nicht zugerechnet werden dürfen. Die beamtenrechtliche Unfallfürsorge darf nicht dazu führen, dass dem Beamten jedes denkbare Risiko abgenommen wird, auch wenn es sich in gar keiner Weise aus dem Dienst ableitet; vielmehr kann nur eine solche Risikoverteilung sinnvoll sein, die dem Dienstherrn die eigentümlichen und spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit auferlegt, dagegen dem Beamten mindestens die Risiken belässt, die sich aus seinen persönlichen Anlagen und etwa bereits bestehenden Beeinträchtigungen seines Gesundheitszustandes ergeben. Ein durch ein Unfallereignis im Dienst ausgelöster Körperschaden stellt dann keine Dienstunfallfolge dar, wenn ein äußeres Ereignis ein anlagebedingtes Leiden beschleunigt oder verschlimmert, wenn dieses Ereignis im Verhältnis zu den anderen Bedingungen - zu denen auch die schon vorhandene krankhafte Veranlagung gehört - derart zurücktritt, dass diese anderen Bedingungen bei natürlicher Betrachtungsweise allein als maßgeblich anzusehen sind (HessVGH v. 26.09.1984, I OE 62/80, juris, m. w. N.).

In rechtlicher Hinsicht kommt es für die Veranlagung oder eine bestehende Vorschädigung weder darauf an, ob der entsprechende Körperteil in einem für das Alter des Beamten außergewöhnlichen Maß vorgeschädigt war, noch, auf welchen Ursachen die Vorschädigung beruht. Entscheidend ist allein, dass dem schadhaften Zustand des Körperteils die wesentliche Bedeutung zukommt (BVerwG v. 18.04.2002, a. a. O.).

Alle Tatbestandsvoraussetzungen für eine Dienstunfallanerkennung bzw. die geltend gemachten Unfallfolgen müssen zur Überzeugung der Behörde und des Gerichts vorliegen. Der Beamte trägt das Feststellungsrisiko bzw. die materielle Beweislast, dass die behauptete Schädigungsfolge wesentlich auf den Dienstunfall und nicht etwa auf eine anlagebedingte Konstitution zurückzuführen ist. Ein Anspruch ist nur dann anzuerkennen, wenn der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Körperschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwG, U. v. 25.2.2010 - 2 C 81.08 - NVwZ 2010, 708; BVerwG, B. v. 4.4.2011 - 2 B 7.10 - juris).

2. Gemessen an diesen Vorgaben konnte die Klägerin nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass der Bandscheibenvorfall am LWK 4/5 wesentlich durch das Ereignis vom 18. Februar 2014 verursacht wurde und deshalb als Dienstunfallfolge anzuerkennen ist. Für das Vorliegen eines Dienstunfalls und dessen Kausalität für den Körperschaden ist grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen. Die Klägerin trägt für den Nachweis dieses Kausalzusammenhangs die materielle Beweislast und muss beweisen, dass der Körperschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch das entsprechende Ereignis hervorgerufen wurde (BayVGH B. v. 18.9.2012, 3 ZB 10.503 - juris, m. w. N.; BayVGH, U. v. 5.5.2015, a. a. O.). Im Falle der Möglichkeit einer degenerativen Vorschädigung ist der Beweis regelmäßig nicht geführt (zu einer Achillessehnenruptur vgl. OVG Lüneburg v. 20.2.2009, 5 LA 155/07 - juris, vorgehend VG Braunschweig v. 1.2.2007, 7 A 33/06 -juris).

Die orthopädische Stellungnahme des Amtsarztes und Facharztes für Chirurgie Dr. ... vom 13. Oktober 2014 mit der Ergänzung vom 22. Januar 2015 und den in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen kommt nachvollziehbar und widerspruchsfrei zu dem Ergebnis, dass selbst bei Zugrundelegung des von der Klägerin vorgetragenen erweiterten Geschehensablaufs (Turnkasten hat geklemmt) degenerative Veränderungen die wesentliche Ursache für den Bandscheibenvorfall gewesen sind und nicht das Ereignis vom 18. Februar 2014.

Der Gutachter führt überzeugend aus, dass eine gesunde Bandscheibe bei einer regelgerecht ausgeführten Bewegung nicht verletzt werden kann, da der Körper insoweit über ausreichende Sicherungsmechanismen verfügt. Die Klägerin hat nach eigenen Angaben eine regelgerecht ausgeführte Bewegung durchgeführt, nämlich den Turnkasten angehoben und gehalten. Die Aussage des Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom ... Juni 2015, der Klägerin sei das klemmende Räderwerk des Turnkastens nicht bekannt gewesen und deshalb handele es sich beim „Anheben und Halten“ um ein plötzliches und unerwartetes Ereignis im Sinne des Art. 46 BayBeamtVG, ist nicht glaubhaft. Nach Darstellung des sachverständigen Zeugen in seiner Stellungnahme vom 22. Januar 2015 hat die Klägerin selbst bei der amtsärztlichen Untersuchung am 10. Oktober 2014 geschildert, dass ihr das klemmende Räderwerk des Turnkastens bekannt gewesen sei und sie gerade deshalb den Turnkasten selbst angehoben habe (Bl. 29a/b der Behördenakte). Eine Beeinträchtigung des Bewegungsablaufs habe es nach ihrer Aussage nicht gegeben. Es liegt daher schon kein „plötzliches, unerwartetes Ereignis“ im Sinne des Art. 46 BayBeamtVG vor.

Im Übrigen handelt es sich bei dem Bandscheibenvorfall lediglich um eine Gelegenheitsursache, die sich wegen der erheblichen Vorschädigung der Klägerin an der Lendenwirbelsäule - gerade in dem Segment, an dem der Bandscheibenvorfall stattfand - nur zufällig während einer Handlung im Dienst realisiert hat, jederzeit aber zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort und während einer anderen Handlung hätte auftreten können.

Das Gericht folgt den überzeugenden Ausführungen des sachverständigen Zeugen, dass bei der Klägerin im vorgenannten Bereich der Lendenwirbelsäule degenerative Schäden vorgelegen haben.

Seine Aussage, dass bei der Klägerin in der Lendenwirbelsäule degenerative Schäden vorliegen, begründet der sachverständige Zeuge insbesondere mit dem MRT-Bericht vom 21. Februar 2014 (Bl. 6 der Behördenakte). Darin sind Facettengelenke mit deutlichen arthrotischen Verformungen, Punctum maximum im Segment LWK 4/5 beschrieben, aktuell auch mit deutlich entzündlicher Aktivierung. Die Bandscheiben zwischen LWK 2 und LWK 5 sind im Vergleich zu den übrigen Segmenten signalgemindert im Sinne einer degenerativ bedingten Dehydratation. Teilweise bestehen fortgeschrittene aktuell auch entzündlich aktivierte (LWK 4/5) Facettengelenksarthrosen. Der sachverständige Zeuge führte überzeugend aus, dass es zu arthrotischen Verformungen kommt, wenn die Bandscheibe im Laufe der Jahre in ihrer Elastizität gemindert wird, der Druck auf die Facettengelenke (Wirbelgelenke) steigt und es zu Entzündungen und letztlich zur Arthrosebildung kommt. Der Begriff „fortgeschrittene Facettengelenksarthrose“ (MRT-Bericht vom 21. Februar 2014) bedeutet dabei nach Aussage des sachverständigen Zeugen, dass ein längerer degenerativer Prozess stattgefunden hat mit einer schweren degenerativen Veränderung. Die Arthrose wird dabei durch die Einlagerung von Calcium verursacht. Der sachverständige Zeuge führte nachvollziehbar aus, dass es sich bei der im MRT-Bericht genannten Entzündung um eine chronisch wiederkehrende Entzündung handelt. Es könne aber durchaus sein, dass durch das Ereignis vom 18. Februar 2014 „das Fass zum Überlaufen gekommen ist“ und dass dieses Ereignis letztlich zum Schmerz bei der Klägerin geführt hat. Auch die im MRT-Bericht festgestellte Signalminderung und degenerativ bedingte Dehydratation zwischen dem LWK 2 und LWK 5 spricht für degenerative Vorschäden im Segment LWK 2 bis LWK 5. Der sachverständige Zeuge führte nachvollziehbar aus, dass mit der Zeit der Wassergehalt im Faserring der Bandscheibe abnimmt und Einrisse entstehen. Diese Einrisse können dann zu einem Bandscheibenvorfall führen, wobei ein Teil des Gels der Bandscheibe austritt. Dadurch entsteht der Druck auf den Spinalnerv, was Beschwerden machen kann.

Der sachverständige Zeuge führte auch überzeugend aus, dass seine Einschätzung durch den Leitfaden für die Beurteilung und Entschädigung von Verletzungen und seelischen Störungen im Zivil- und Sozialrecht von Klaus-Dieter Thomann bestätigt wird. Danach ist nach einem Unfall nur dann ein Bandscheibenvorfall als durch den Unfall bedingt anzusehen, wenn zusätzlich weitere schwerwiegende Verletzungen hinzutreten wie Brüche, Zerreißungen oder Luxationen. Davon ist im Kernspintomographiebericht nicht die Rede. Auch die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie des Berufsverbandes der Ärzte für Orthopädie (BVO) aus dem Jahre 2002 gehen nach Schilderung des sachverständigen Zeugen davon aus, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall ohne eine degenerative Veränderung der Bandscheibe kaum denkbar ist. Aus einer weiteren Studie aus dem Jahr 2006 (E.J. Carragee und Mitarbeiter, medizinischer Direktor und Orthopädie-Professor in Stanford und Chef der Chirurgie der Universitätsklinik) ergibt sich nach Darstellung des sachverständigen Zeugen, dass zwischen einem neu diagnostizierten Bandscheibenvorfall und akuten Rückenschmerzen in der Regel keine Kausalität besteht, sondern dass Bandscheibenveränderungen und -vorfälle bereits lange Zeit vor dem ersten Auftreten des Rückenschmerzes vorhanden waren, ohne das Befinden zu beeinträchtigten. Des Weiteren beschreibt die Studie nach Darlegung des sachverständigen Zeugen, dass ein Kausalzusammenhang zwischen leichteren Unfallereignissen und der Entstehung eines Bandscheibenvorfalls ausgeschlossen werde.

Insgesamt hat der sachverständige Zeuge überzeugend und nachvollziehbar dargestellt, dass bei der Klägerin im Bereich der LWK 2 bis LWK 5 degenerative Vorschäden vorliegen, die Folge eines längeren Prozesses sind und nicht durch das Ereignis vom 18. Februar 2014 entstanden sind. Bei dem Ereignis vom 18. Februar 2014 handelt es sich um eine sog. Gelegenheitsursache, bei der sich - zufällig - die durch die erhebliche degenerative Vorschädigung der Lendenwirbelsäule der Klägerin - insbesondere zwischen den LWK 2 und LWK 5 - bestehende Gefahr realisiert hat. Nach überzeugender Darstellung des sachverständigen Zeugen war für die Realisierung dieser Gefahr keine große Kraftanstrengung notwendig, sondern es hätte auch eine mit leichter Kraft ausgeübte Bewegung ausgereicht. Der Körperschaden hat sich nicht durch die berufsspezifischen Anforderungen realisiert, sondern hätte auch bei jeder alltäglichen Bewegung im privaten Bereich eintreten können. Die durch die degenerativen Vorschäden entstandene besondere Veranlagung der Klägerin ist von so hoher Bedeutung für die Verursachung des geltend gemachten Körperschadens, dass die dienstbedingte Bewegung (Halten bzw. Anheben eines Turnkastens) völlig in den Hintergrund tritt.

Die Klägerin hat das Gutachten des Dr. ... nicht substantiiert in Frage gestellt. Soweit sie auf das orthopädische Attest des Dr. ... vom 21. November 2014 verweist (Bl. 23 der Behördenakte), kann dieses Attest die überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des sachverständigen Zeugen nicht erschüttern. Ausgeführt ist darin lediglich, dass das geschilderte Unfallereignis vom 18. Februar 2014 sehr wohl geeignet sei, den erlittenen Bandscheibenvorfall herbeizuführen. Eine Begründung dafür enthält das Attest nicht. Des Weiteren erklärt Dr. ... in dem Attest, Vorschädigungen seien nicht bekannt. Dies ist schon widersprüchlich, da er selbst in einer Bescheinigung für die Klägerin zur Vorlage beim Arbeitgeber vom ... Juli 2014 zahlreiche orthopädische Diagnosen beschreibt, u. a. auch Bandscheibendegeneration zwischen LWK 2 und LWK 5 sowie fortgeschrittene Facettengelenksarthrose der LWS (Bl. 45 der Gerichtsakte). Der Hinweis des Dr. ... in seinem Schreiben vom 11. Juni 2015, er habe die Klägerin erst seit dem 19. Februar 2014 an der Lendenwirbelsäule behandelt, zuvor nur an der Halswirbelsäule, ist unter diesen Umständen zumindest widersprüchlich. Im Übrigen können diese Schreiben des Dr. ... nicht nachweisen, dass bei der Klägerin keine Vorschädigung der Lendenwirbelsäule vorgelegen hat. Wie sich aus den Ausführungen des sachverständigen Zeugen ergibt und auch gerichtsbekannt ist, laufen Bandscheibenveränderungen über einen langen Zeitraum in der Regel „stumm“ ab in der Weise, dass sie das Befinden des Betreffenden nicht beeinträchtigten und er auch keine Schmerzen hat. Deshalb ist die Frage, ob die Klägerin bei Dr. ... wegen Beschwerden in der Lendenwirbelsäule behandelt wurde, für die Frage, ob Vorschäden vorliegen, nicht von entscheidender Bedeutung.

Auch der von der Klägerin vorgelegte MRT-Bericht der ...praxis für Kernspintomographie ... vom 1. April 2015 (Bl. 37 der Gerichtsakte) stellt die Ausführungen des sachverständigen Zeugen nicht in Frage. Der sachverständige Zeuge führt überzeugend aus, dass in diesem MRT-Bericht auf degenerative Schäden nicht eingegangen wird. Allerdings weist der Satz „diskrete Signalminderungen in den Segmenten L 3/4 und L 4/5 ohne Hinweise auf eine wesentliche Höhenminderung“ auf eine Bandscheibendegeneration hin.

Insgesamt konnte die Klägerin nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass das Ereignis vom 18. Februar 2014 ein Dienstunfall war und zu einem Bandscheibenvorfall geführt hat.

Der für den Fall der Klageabweisung gestellte Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens wird abgelehnt.

Dem von der Klägerin gestellten Beweisantrag musste nicht nachgegangen werden, da die Ausführungen des sachverständigen Zeugen überzeugend und nachvollziehbar sind und sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung nicht aufgedrängt hat. Eine weitere Beweiserhebung muss sich dem Gericht nur dann aufdrängen, wenn das Gutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder unzureichend ist, weil es grobe fachliche Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht, ungeeignet ist, weil ein anderer Sachverständige überbessere Forschungsmittel verfügt oder wenn Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters bestehen (Sächsisches OVG, B. v. 10.10.2013 -2 A 731/11 - juris) . Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässige Beweismittel sind, sofern sie inhaltlich und nach der Person des Sachverständigen den Anforderungen entsprechen, die an ein gerichtliches Gutachten zu stellen sind (BVerwG v. 20.2.1998, 2 B 81/97 - juris). Die von einer Verwaltungsbehörde bestellten Gutachter sind grundsätzlich als objektiv urteilende Gehilfen der das öffentliche Interesse wahrenden Verwaltungsbehörde und nicht als parteiische Sachverständige anzusehen (BVerwG v. 28.8.1964, VI C 45.61 - juris). Dies gilt insbesondere für das Gutachten eines Amtsarztes. Ein Amtsarzt ist unabhängig und an keine Weisungen und Empfehlungen gebunden (BVerwG, U. v. 11.4.2000 - BVerwG 1 D 1.99 - Buchholz 235 § 121 BDO Nr.12 - juris). Dabei kommt amtsärztlichen Gutachten regelmäßig ein höherer Beweiswert zu als privatärztlichen Zeugnissen. Die beim Gesundheitsamt tätigen Ärzte unterliegen zum einen einer besonderen Pflicht zur unparteiischen Aufgabenerfüllung, zum anderen verfügen sie regelmäßig über einen besonderen Sachverstand betreffend Belange der Verwaltung und Gerichtsbarkeit sowie über die besondere Erfahrung aufgrund ihrer Tätigkeit in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle. Sie sind daher grundsätzlich eher als ein privater Arzt in der Lage, die getroffene medizinische Diagnose angesichts der Besonderheiten der verwaltungsrechtlichen Problematik zu stellen. Daraus folgt, dass den Aussagen des in einem beamtenrechtlichen Verfahren eingeschalteten amtsärztlichen Gutachters ein besonderer Beweiswert zukommt, da dieser in der Regel über ein hohes Maß an Neutralität, Erfahrung und Fachkunde verfügt (Sächsisches OVG, B. v. 10.10.2013 - 2 A 731/11, a.a.O).

Für die Kammer bestehen keine Zweifel an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des sachverständigen Zeugen. Dieser hat die Klägerin persönlich untersucht und sich mit ihrer gesundheitlichen Situation ausführlich befasst. Es besteht kein Anlass, an der Unbefangenheit, Unvoreingenommenheit oder Unparteilichkeit des Gutachters zu zweifeln, so dass keine weitere Begutachtung durch das Gericht veranlasst war.

Die vom Prozessbevollmächtigten erwähnten Zweifel an der Unvoreingenommenheit des sachverständigen Zeugen sind nicht nachvollziehbar. Wie der Prozessbevollmächtigte selbst ausführt, handelt es sich bei der Frage, ob ein „plötzliches und unerwartetes“ Ereignis vorlag, um eine Rechtsfrage, die vom Gericht und nicht vom sachverständigen Zeugen zu beurteilen ist (Schriftsatz vom 8.6.2015). Zweifel an der Unparteilichkeit begründet aber eine (mögliche) Einlassung eines sachverständigen Zeugen zur Rechtsfrage nicht. Im Übrigen hat der sachverständige Zeuge lediglich berichtet, dass die Klägerin - wie sie ihm selbst geschildert hat - eine geführte Bewegung ohne äußere Gewalteinwirkung durchgeführt hat. Die erwähnten Zweifel des Prozessbevollmächtigten an der Neutralität des sachverständigen Zeugen betreffend die Vorbehandlung der Klägerin bei Dr. ... gründen sich in den widersprüchlichen Angaben und Attesten des Dr. ... und können keine Zweifel an der Unparteilichkeit des sachverständigen Zeugen begründen.

3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt

(§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 11. Juni 2015 - M 12 K 15.995

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht München Urteil, 11. Juni 2015 - M 12 K 15.995 zitiert 10 §§.

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(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen. (2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaate

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 29.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der ausschließlich geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt jedenfalls nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 64 m. w. N.). Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe hinreichend dargelegt werden (vgl. Happ a. a. O. Rn. 61).

Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage des Klägers auf Anerkennung verschiedener weiterer gesundheitlicher Beeinträchtigungen als Folge eines am 15. Juni 2009 während einer Dienstfahrt erlittenen und mit streitgegenständlichem Bescheid der Beklagten vom 15. April 2011 als Dienstunfall anerkannten Autounfalls des Klägers sowie auf Gewährung von weiterer Heilfürsorge und eines höheren Unfallausgleichs unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Begründung des - insoweit - ablehnenden streitgegenständlichen Bescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 11. Oktober 2011 abgewiesen. Ergänzend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, nach Auswertung der im Verwaltungsverfahren umfangreich eingeholten und für die gerichtliche Sachentscheidung ausreichenden ärztlichen Befunde und Stellungnahmen sei vorliegend nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einer Kausalität zwischen dem Dienstunfall und den vom Kläger geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen - zumindest nicht im Sinne einer wesentlich mitwirkenden Teilverursachung - auszugehen. Ausweislich der von der Beklagten eingeholten Gutachten seien die zusätzlich geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers nicht Folgen des Dienstunfalls, sondern auf seine Vorerkrankung bzw. Vorschädigung, insbesondere auf seine seit langem bestehende Multiple-Sklerose-Erkrankung, zurückzuführen. Daher sei die Klage auch hinsichtlich der anderen mit der begehrten Anerkennung weiterer Dienstunfallfolgen zusammenhängenden Streitgegenstände abzuweisen gewesen.

Durch das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren werden diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage gestellt und keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften. Der Kläger hat die Bewertung des Verwaltungsgerichts, er habe den ihm obliegenden Beweis nicht erbringen können, dass die von ihm reklamierten weiteren Körperschäden kausal durch den Dienstunfall verursacht worden seien, nicht erschüttert.

Nicht durchdringen kann der Kläger mit seinem Einwand, er sei ungeachtet seiner Grunderkrankung bis zu seinem Verkehrsunfall vollzeitbeschäftigt gewesen, habe seinen beruflichen Pflichten nachkommen können und sei allen körperlichen sowie geistigen Anforderungen gewachsen gewesen, als Folge des Dienstunfalls sei er nun dauerhaft erkrankt, zu 100% erwerbsunfähig und wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Zwar gilt bei typischen Geschehensabläufen grundsätzlich auch im Dienstunfallrecht der Anscheinsbeweis. Danach besteht auf erste Sicht ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem bestimmten Ereignis und einem Schaden, wie es bei typischen, in ähnlicher Weise immer wieder vorkommenden Geschehensabläufen nach allgemeiner Erfahrung des täglichen Lebens der Fall ist; sind keine Tatsachen erwiesen, welche die Möglichkeit eines von dem typischen Geschehensablauf abweichenden Geschehens dartun, so bedarf es für den Ursachenzusammenhang keines weiteren Nachweises (st. Rspr. des BVerwG, vgl. U. v. 23.5.1962 - VI C 39.60 - BVerwGE 14, 181 m. w. N.). Auch wenn es durchaus nachvollziehbar ist, dass der Kläger nach dem ersten Anschein davon ausgeht, der Dienstunfall sei kausal für seine Beeinträchtigungen, liegen hier im Hinblick auf seine Vorerkrankung und seine Vorschädigung Tatsachen vor, die ihm den Nachweis der Kausalität mittels Anscheinsbeweises verwehren.

Treffen Vorschädigungen, anlagebedingte Leiden, oder Vorerkrankungen - wie im Fall des Klägers seine Multiple-Sklerose-Erkrankung - mit einem Dienstunfall zusammen, sind geltend gemachte Körperschäden nur dann im Rechtssinn kausal durch den Dienstunfall verursacht, wenn der Dienstunfall im Verhältnis zu diesen Vorschädigungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine wesentlich mitwirkende Teilursache für diese Körperschäden ist. Wesentliche Ursache im Dienstunfallrecht kann zwar auch ein äußeres Ereignis sein, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder (nur) beschleunigt. Dies setzt aber voraus, dass diesem Ereignis im Verhältnis zu anderen Bedingungen - zu denen auch die bei Eintritt des äußeren Ereignisses schon vorhandene Veranlagung oder Vorschädigung gehört - keine derart untergeordnete Bedeutung für den Eintritt der Schadensfolge zukommt, dass diese anderen Bedingungen bei natürlicher Betrachtungsweise allein als maßgeblich für die Körperschäden anzusehen sind. Keine Ursachen im Rechtssinn sind demnach sogenannte Gelegenheitsursachen, d. h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht, wenn also die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte. Eine solch untergeordnete Bedeutung ist insbesondere auch dann anzunehmen, wenn das Ereignis gleichsam „der letzte Tropfen“ war, „der das Maß zum Überlaufen brachte bei einer Krankheit, die ohnehin ausgebrochen wäre, wenn ihre Zeit gekommen war“ (st. Rspr., BVerwG, U. v. 30.6.1988 - 2 C 77.86 - DÖD 1988, 295 m.w.N; BayVGH, B. v. 21.3.2014 - 14 ZB 12.1024 - juris Rn. 10 m. w. N.).

Nach den auch im Dienstunfallrecht geltenden Regeln über die materielle Beweislast (vgl. BayVGH, B. v. 13.1.2014 - 14 CS 13.1790 - juris Rn. 13 m. w. N.) hat der Kläger den vollen Beweis dafür zu erbringen, dass jede einzelne von ihm geltend gemachte körperliche Beeinträchtigung tatsächlich besteht und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - zumindest im Sinne einer wesentlich mitwirkenden Teilursache - auf dem als Dienstunfall anerkannten Verkehrsunfall beruht (vgl. BVerwG, B. v. 12.10.1972 - 6 B 22.72 - Buchholz 232 § 135 BBG Nr. 50). Nur dann kann der Kläger eine Anerkennung der geltend gemachten Körperschäden als Dienstunfallfolgen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG beanspruchen. Lassen sich wie hier die anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht klären, geht dies zulasten des Klägers.

Dies zugrunde gelegt hätte der Kläger in der Zulassungsbegründung darlegen müssen, durch welche der vorhandenen Gutachten er den notwendigen Beweis geführt sieht, zumal er in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausdrücklich auf die Stellung eines Beweisantrags verzichtet hat. Unabhängig davon, dass der Kläger insoweit seinen Darlegungspflichten nicht nachgekommen ist und ungeachtet der diesbezüglichen Einschätzungen des fachärztlichen Beraters der Beklagten, der die im Verwaltungsverfahren eingeholten unfallchirurgischen, neurologischen, psychiatrischen und psychologischen Zusammenhangs- bzw. Zusatzgutachten ausgewertet hat, lässt sich dem neurologischen Gutachten des Klinikums Nürnberg vom 4. Juni 2010 und dem Ergänzungsgutachten vom 17. Januar 2011 nicht entnehmen, dass die Verschlechterung der Multiplen Sklerose kausal durch den Dienstunfall verursacht wurde. Zwar wird im neurologischen Ergänzungsgutachten ausgeführt, es bleibe festzuhalten, dass sowohl eine Posttraumatische Belastungsstörung als auch eine depressive Symptomatik zu verminderten Kortisolspiegeln im Serum führen und aufgrund der bei Multipler Sklerose verminderten Lymphozytenaffinität für Kortisol Entzündungsprozesse im zentralen Nervensystem in Gang induziert oder perpetuiert werden könnten. Allerdings wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „im Rahmen des vorliegenden Gutachtens selbstverständlich kein genauer Mechanismus definiert werden“ könne, „der beim Kläger zur vorliegenden Verschlechterung - seiner Erkrankung - geführt“ habe, „da die genaue Pathophysiologie der Multiplen Sklerose trotz intensiver weltweiter Forschung bislang nur teilweise aufgeklärt“ sei. Mit einer derartigen gutachterlichen Aussage ist der Beweis für die Kausalität zwischen Dienstunfall und des geltend gemachten Körperschadens eines schubförmig remittierenden Verlaufs einer Multiplen-Sklerose-Erkrankung nicht geführt. Unsicherheiten, die auf den wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärten Krankheitsmechanismen der Multiplen Sklerose beruhen, gehen zulasten des Klägers. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht wiederholt entschieden, dass auch im Beamtenrecht entstehende Beweisschwierigkeiten keine von den allgemeinen Beweisgrundsätzen abweichende mildere Beurteilung der Beweisanforderungen rechtfertigen (vgl. BVerwG, U. v. 22.10.1981 - 2 C 17.81 - NJW 1982, 1893 m. w. N.).

Da es somit im Hinblick auf die Verschlechterung der Multiplen-Sklerose-Erkrankung auf die Bewertung des fachärztlichen Beraters der Beklagten nicht allein ankommt und sich das Verwaltungsgericht insoweit lediglich ergänzend geäußert hat, kann der Kläger diesbezüglich auch nicht mit seiner Rüge durchdringen, das Verwaltungsgericht folge fast ausschließlich dessen Auswertung, obwohl der fachliche Berater seine Begutachtung lediglich nach Aktenlage ausgeführt und ihn noch nicht einmal persönlich untersucht habe. Soweit der Kläger die Bewertungen des Fachberaters hinsichtlich der als Unfallfolge geltend gemachten Entwicklung einer schweren depressiven Symptomatik mit kognitiven Störungen in Zweifel ziehen möchte, ist er ebenfalls seinen Darlegungspflichten nicht nachgekommen. Denn die Auswertung eines ärztlichen Gutachtens ist nicht schon deshalb fehlerhaft und unbrauchbar, weil sie nach Aktenlage vorgenommen wurde. Der Kläger hätte insoweit substantiiert dartun müssen, in welchen Punkten die fachärztliche Auswertung fehlerhaft war und warum sich dies dem Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung hätte aufdrängen müssen.

Nach alledem war der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostentragungspflicht aus § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 und 3 GKG (wie Vorinstanz).

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 7. September 2010, der Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesamts für Finanzen vom 29. Januar 2007 und der Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 9. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2008 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Unfallausgleich auf der Grundlage einer dienstunfallbedingten Gesamt-MdE von 50 v. H. beginnend ab dem 1. Juli 2006 zu gewähren.

Der Beklagte wird verpflichtet, die Kosten für die am 17. Juni 2006 beantragte psychologisch-ambulante Behandlung zu übernehmen.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 19... geborene Kläger erlitt am 12. Oktober 1988 bei einer Fortbildungsveranstaltung für Justizwachtmeister einen Unfall, der mit Bescheid der damaligen Bezirksfinanzdirektion M. (BFD M.; heute: Landesamt für Finanzen) vom 23. November 1988 als Dienstunfall anerkannt wurde. Einschließlich eines Erweiterungsbescheides vom 14. November 1989 wurden eine Clavikularluxation rechts Grad II (Tossy) mit Ruptur des Ligamentum acromio clavikularae, eine ACG-Arthrose rechts bei ehemaliger AVG-Sprengung Tossy III rechts sowie eine Armplexusschädigung rechts festgestellt. Aufgrund des Dienstunfalls wurde mit Bescheid der BFD M. vom 6. November 1995 Unfallausgleich gemäß § 35 BeamtVG auf der Grundlage einer dienstunfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v. H. ab 1. Juli 1994 bewilligt. In dem damaligen Verfahren hatte die frühere Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 2. September 1994 ein Gutachten von Dr. R. vom 30. Juni 1994 vorgelegt, der ein somatisiert-depressives Syndrom im Rahmen einer neurotischen Fehlverarbeitung bei einer vermutlich hypochondrischen Grundhaltung festgestellt hat und mit ausreichender Wahrscheinlichkeit von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der auf psychischen Gebiet vorliegenden Störungen und dem Unfallereignis ausgegangen ist. Die BFD M. ist dieser gutachterlichen Feststellung indes beim der Festlegung des Unfallausgleichs nicht gefolgt.

Der Kläger beantragte am 17. Juni 2006 die Zusage der Kostenübernahme einer psychologischen Weiterbehandlung und legte einen Entlassungsbericht der Reha-Klinik B. ... vom 1. Juni 2006 vor. Aus dem Entlassungsbericht folgt, dass im Rahmen der psychologischen Mitbehandlung eine Stabilisierung erreicht werden konnte und dringend eine psychologische Weiterbehandlung zur Krankheitsverarbeitung empfohlen wird. Das Landesamt für Finanzen, Dienststelle R. (Landesamt) lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 10. Juli 2007 unter Hinweis auf ein amtsärztliches Gutachten vom 29. Juni 2006 ab. Nach dem amtsärztlichen Gutachten sei die vorgesehene Behandlung zwar notwendig, sie stehe jedoch nicht ursächlich in Zusammenhang mit den anerkannten Dienstunfallfolgen.

Der Kläger beantragte mit einem weiteren Schreiben vom 17. Juni 2006 die Erhöhung der MdE auf 50 v. H.; mit Telefax vom 11. Juni 2007 änderte er den ursprünglichen Antrag vom 17. Juni 2006 dahingehend, dass er nunmehr eine Gesamt-MdE von 80 v. H. begehrt. Das Landesamt lehnte die - nicht weiter begründeten Anträge - mit Bescheid vom 9. Oktober 2007 ab. Zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen sei von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. ein fachärztlich-chirurgisches Gutachten eingeholt worden. Danach betrage die unfallbedingte MdE unverändert 25 v. H.

Nach erfolgten Widerspruchsverfahren erhob der Kläger mit Schriftsätzen vom 2. März 2007 (Behandlungskosten) und vom 14. Februar 2008 (Unfallausgleich) Klage zum Verwaltungsgericht mit den zuletzt gestellten Anträgen,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2007 zu verpflichten, die Kosten für die psychologisch-ambulante Behandlung zu übernehmen,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 9. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2008 zu verpflichten, dem Kläger Unfallausgleich auf der Grundlage einer MdE von 70 v. H. zu gewähren.

Die Klagen wurden im Wesentlichen damit begründet, dass die eingeholten gutachterlichen Feststellungen nicht ausreichend seien.

Mit Urteil vom 7. September 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klagen abgewiesen. Die psychischen Beschwerden des Klägers seien nicht auf den Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 zurückzuführen. Dies ergebe sich aus dem im gerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten von Prof. Dr. D. vom 23. Juni 2009. Danach leide der Kläger an einer Anpassungsstörung bzw. somatoformen Schmerzstörung, die vor dem Hintergrund einer testpsychologischen wie klinisch festzustellenden paranoiden Persönlichkeitsstörung bzw. differentialdiagnostisch zu erwägenden wahnhaften Störungen ab 1991/1992 dadurch entstanden sei, dass der Kläger aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung die getroffenen Entscheidungen bezüglich der Einschätzung seines Grads der Behinderung und des daraus abzuleitenden Dienstunfallausgleichs nicht habe akzeptieren können oder wollen und darauf mit der Entwicklung psychischer Beschwerden reagiert habe. Die psychischen Störungen seien nicht unmittelbar auf den erlittenen Dienstunfall zurückzuführen.

Der auf Grundlage einer - nicht näher substantiierten - Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 70 v. H. geltend gemachte Unfallausgleich stehe dem Kläger nicht zu. Nach der Einschätzung des gerichtlichen Gutachters bedingten die festgestellten psychischen Beschwerden/Störungen des Klägers (Anpassungsstörung, somatoforme Schmerzstörung, paranoide Persönlichkeitsstörung) die Annahme einer Gesamt-MdE von 40 v. H. Da diese jedoch nicht unfallbedingt seien, blieben sie auf die Höhe der festgestellten unfallbedingten MdE ohne Einfluss.

Der Kläger hat gegen das Urteil die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung eingelegt und zuletzt beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 7. September 2010, des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2007 zu verpflichten, die Kosten für die psychologisch-ambulante Behandlung zu übernehmen,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 7. September 2010, des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 9. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2008 zu verpflichten, dem Kläger Unfallausgleich auf der Grundlage einer MdE von 50 v. H. beginnend ab dem 1. Juli 2006 zu gewähren.

Der Kläger verweist auf das psychiatrische Gutachten von Herrn MedDir. Dr. H. bei dem Landgericht M. ... vom 14. April 2011 (das dort zur Frage der Schuldfähigkeit des Klägers eingeholt worden war), das den Dienstunfall anders als das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten Prof. Dr. D. als kausal für die psychische Erkrankung des Klägers ansieht und damit im Widerspruch zum gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten steht.

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2012 hat der Senat Beweis erhoben über die Frage, ob die psychischen Beschwerden des Klägers durch den Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 verursacht sind, bejahendenfalls, ob die vom Kläger begehrte psychologische Behandlung zur Heilung oder Linderung dieser Beschwerden geeignet ist, sowie ferner wie hoch die insgesamt durch den Dienstunfall verursache Minderung der Erwerbsfähigkeit ist.

Unter dem 19. Februar 2014 legte der Sachverständige Prof. Dr. W. sein psychiatrisches und neurologisches Fachgutachten vor. Zusammenfassend könnten die Diagnosen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, differentialdiagnostisch einer Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom, auch nach neurologischer und orthopädischer Einordnung des Schmerzsyndroms gestellt werden. Der Kläger sei aufgrund seines Schmerzsyndroms und der Persönlichkeitsänderung in seinem Alltag deutlich eingeschränkt. Sein Aktivitätsradius habe sich reduziert und sein Sozialleben stark negativ verändert, so dass es weiterhin erforderlich erscheine, eine regelmäßige ambulante psychologische und psychotherapeutische Behandlung zu erhalten. Hinsichtlich der Kausalitätsfrage sei anzuführen, dass es sich bei somatoformen Schmerzstörungen und den dadurch bedingten Persönlichkeitswandel grundsätzlich um ein multifaktorielles Geschehen handele. Einerseits sei das Unfallgeschehen die notwendige Bedingung, ohne die das weitere Krankheitsgeschehen nicht aufgetreten wäre, andererseits spielten anlage- und aufrechterhaltende Faktoren eine wichtige Rolle, zumal seit dem Unfallereignis bereits viele Jahre vergangen seien. Daher könne das heutige Beschwerdebild nicht mehr allein dem Dienstunfallereignis zugeordnet werden. Es kämen sicherlich andere Faktoren hinzu, die das Schmerzleben beeinflussen und aufrechterhalten, wie die erst nach dem Unfallereignis aufgetretenen Ehe- und Arbeitsplatzprobleme. Die Persönlichkeitsänderung sei im Wesentlichen eine Folge der Schmerzen, ggf. verstärkt durch weitere ungünstige Faktoren.

Von chirurgischer Seite sei bereits durch die einschlägigen chirurgischen Zusatzgutachten eine Minderung der Erwerbstätigkeit von 25 v. H. erhoben worden. Da dem Dienstunfall die chronischen Schmerzen und in Folge auch psychiatrische Beschwerden gefolgt seien, sei der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die psychiatrischen Diagnosen und das Schmerzsyndrom zu ergänzen (30 - 40 v. H.). Aufgrund der Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom) sei zusammenfassend eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um insgesamt 50 v. H. gegeben. Allerdings könne die Minderung auf psychiatrischem Fachgebiet nicht insgesamt dem Unfallereignis zugeordnet werden, so dass die dienstunfallbedingte Gesamt-MdE 35 bis 40 v. H. betrage.

Der Beklagte erhebt Einwände gegen das Gutachten Prof. Dr. W.; es fehle eine Auseinandersetzung mit der im Dienstunfallrecht geltenden Theorie der wesentlich mitwirkenden Teilursache. Dem Anspruch des Klägers stehe die Ausschlussfrist des § 45 Abs. 2 BeamtVG bzw. des Art. 47 Abs. 2 BeamtVG entgegen. Hiernach werde Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen seien. Selbst der Antrag des Klägers vom 17. Juni 2006 liege außerhalb der 10-jährigen Ausschlussfrist. Das Gutachten Prof. Dr. W. gehe von einer Minderung der Erwerbstätigkeit des Klägers auf chirurgischem Gebiet in Höhe von 25 v. H. aus. Das orthopädische Gutachten des Facharztes für Orthopädie, Rheumatologie und Sozialmedizin Dr. W. vom 14. Januar 2014, das im Auftrag des Landesamts erstellt worden sei, gelange hingegen lediglich zu einer Minderung der Erwerbstätigkeit von 20 v. H.

In der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2015 erläuterte der Sachverständige sein Gutachten. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 18. März 2015 führte er aus, dass die Minderung der Erwerbstätigkeit des Klägers von 50 v. H. nach seiner Überzeugung im Wesentlichen seit Juli 2006 besteht und dem Gesamtverlauf im zeitlichen Durchschnitt angemessen ist.

Die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Zur Ergänzung wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 125 Abs. 1 i. V. m.. § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Dem Kläger ist ab dem 1. Juli 2006 Unfallausgleich für eine dienstunfallbedingte Gesamt-MdE von 50 v. H. zu gewähren (1.) und der Beklagte zu verpflichten, die Kosten für die am 17. Juni 2006 beantragte psychologisch-ambulante (Weiter-)Behandlung des Klägers zu übernehmen (2.).

1. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung von Unfallausgleich ab dem 1. Juli 2006 auf der Grundlage einer Gesamt-MdE von 50 v. H.

1.1. Für die Verpflichtungsklage auf einen Unfallausgleich ist der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt für die Anspruchsvoraussetzungen die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. OVG Bremen, U. v. 29.10.2008 - 2 A 38/05 - juris Rn. 55; OVG Lüneburg, B. v. 29.11.2000 - 2 L 3371/00 - juris Rn. 9; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Hauptband I, Stand: Okt. 2015, § 35 BeamtVG Rn. 107; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 2. Band, Stand: Feb. 2015, § 35 BeamtVG Rn. 87). Damit ist auf die Sach- und Rechtslage am 11. Januar 2008 - Erlass des Widerspruchsbescheids hinsichtlich des begehrten Unfallausgleichs - abzustellen und mithin auf das Beamtenversorgungsgesetz in der am 31. August 2006 (BeamtVG 2006) geltenden Fassung (vgl. § 108 Abs. 1 BeamtVG, Art. 117 BayBeamtVG), das gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes im maßgeblichen Zeitpunkt als Bundesrecht fortgalt.

1.2. Ein (Ruhestands-)Beamter, der in Folge eines Dienstunfalls in seiner Erwerbstätigkeit länger als sechs Monate wesentlich beschränkt ist, erhält neben den Dienstbezügen bzw. dem Ruhegehalt einen Unfallausgleich, solange dieser Zustand andauert. Eine wesentliche Beschränkung der Erwerbsfähigkeit liegt vor, wenn die dienstunfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mindestens 25 v. H. beträgt. Aufgrund dessen ist dem Kläger mit Bescheid vom 6. November 1995 Unfallausgleich basierend auf einer MdE von 25 v. H. ab 1. Juli 1994 gewährt worden (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der Fassung vom 1.10.1994). Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 (i. V. m. Abs. 1 Satz 1) BeamtVG 2006 wird der Unfallausgleich neu festgestellt, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. So liegt der Fall hier. Eine wesentliche Änderung ist eingetreten, weil die im Laufe der Jahre vom Kläger entwickelte „anhaltende somatoforme Schmerzstörung (Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom)“ zu einer Erhöhung der Gesamt-MdE führt, die nunmehr mit 50 v. H. zu bewerten ist (1.2.1.). Die Änderung ist zu berücksichtigen, weil sie zum einen kausal im Sinne der mitwirkenden Teilursache auf den Dienstunfall zurückzuführen ist (1.2.2.) und der Kläger die psychischen Beschwerden rechtzeitig als Dienstunfallfolge angezeigt hat (1.2.3.).

1.2.1. Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG 2006 ist gegeben, wenn sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit ununterbrochen für mehr als sechs Monate um mindestens 10 v. H. ändert oder wenn durch die Änderung die Mindestgrenze von 25 v. H. erreicht oder unterschritten wird (vgl. Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Hauptband I, Stand: Okt. 2015, § 35 Rn. 85; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 2. Band, Stand: Feb. 2015, § 35 BeamtVG Rn. 69; BVerwG, U. v. 15.9.1966 - II C 95.64 - BVerwGE 25,46 - juris Rn. 22; BayVGH, U. v. 18.10.2006 - 3 B 03.2950 - juris Rn. 31; Tz. 35.3.1 Satz 4 der Allgemeinen Vorschrift zum Beamtenversorgungsgesetz, GMBl 1980, 742). Dies setzt jedoch voraus, dass sich der durch den Dienstunfall eingetretene Gesundheitszustand tatsächlich auch geändert hat, nicht lediglich dessen ärztliche Beurteilung (BVerwG, B. v 16.9.1980 - 6 B 44.80 - juris; BayVGH, B. v. 7.1.2015 - 3 ZB 12.1391 - juris Rn. 6).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger hat Anspruch auf Unfallausgleich, der sich nunmehr auf der Grundlage einer Gesamt-MdE von 50 v. H. errechnet. Damit hat sich die Sachlage gegenüber dem Bescheid vom 6. November 1995 (Unfallausgleich basierend auf einer MdE von 25 v. H. ab 1. Juli 1994) wesentlich geändert. Der Unfallausgleich ist daher gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG 2006 vom Beklagten - unter Anerkennung einer anhaltenden somatoforme Schmerzstörung (Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom) - ab 1. Juli 2006 neu festzusetzen.

Der Senat legt seiner Entscheidung das von ihm eingeholte wissenschaftlich begründete psychiatrische und neurologische Fachgutachten von Prof. Dr. W. vom 19. Februar 2014 (Gutachten Prof. Dr. W.), erläutert in der mündlichen Verhandlung am 9. Februar 2015 und ergänzt mit Schreiben vom 18. März 2015, das er für schlüssig und nachvollziehbar erachtet, zugrunde.

Der Kläger leidet nach Prof. Dr. W. an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und (differentialdiagnostisch) Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom (schwere, andauernde Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom). Insoweit stimmt das Gutachten Prof. Dr. W. mit den weiteren hinsichtlich des Klägers erstellten psychiatrischen Gutachten überein. Dr. R. stellt in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 30. Juni 1994, das er gegenüber dem Sozialgericht M. zur Frage der Einschätzung hinsichtlich des Grades der Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz erstellte, ebenso wie Dr. B. in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 13. September 1995 ein „somatisiert-depressives Syndrom“ fest. Prof. Dr. D. konstatiert in seinem psychiatrischen Gutachten vom 23. Juni 2009 eine „Anpassungsstörung und somatoforme Störung“ und auch MedDir. H. diagnostiziert in seinem psychiatrischen Gutachten vom 14. April 2011 eine „schwere andauernde Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom“.

1.2.2. Die Sachverständigen beurteilen jedoch die Frage, ob die psychischen Störungen auf den im Jahre 1988 erlittenen Dienstunfall zurückzuführen sind, unterschiedlich.

Für die Frage der kausalen Verknüpfung zwischen Unfallereignis und Körperschaden ist die von der Rechtsprechung entwickelte Theorie der wesentlichen Verursachung bzw. der zumindest wesentlich mitwirkenden Teilursache maßgeblich. Hiernach sind (mit-)ursächlich für einen eingetretenen Körperschaden nur solche Bedingungen im natürlich-logischen Sinn, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. BVerwG, U. v. 29.1.2009 - 2 A 3.08 - BayVBl 2009, 347). Als wesentliche Ursache kann auch ein Ereignis in Betracht kommen, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder beschleunigt, wenn ihm im Verhältnis zu den anderen denkbaren Ursachen nach natürlicher Betrachtungsweise eine überragende oder zumindest annähernd gleichwertige Bedeutung für den Eintritt des Schadens zukommt (vgl. BVerwG, B. v. 7.5.1999 - 2 B 117.98 - juris Rn. 4). Umgekehrt ist das Unfallereignis dann nicht wesentliche Ursache für den Körperschaden, wenn das Ereignis von untergeordneter Bedeutung gewissermaßen der „letzte Tropfen“ war, der das „Fass zum Überlaufen“ brachte. Das Unfallereignis tritt dann im Verhältnis zu der schon gegebenen Bedingung (dem vorhandenen Leiden oder der Vorschädigung) derart zurück, dass die bereits gegebene Bedingung als allein maßgeblich anzusehen ist (ständige Rechtsprechung; vgl. bereits BVerwG, U. v. 20.4.1967 - II C 118.64 - BVerwGE 26, 332 <339 f.>; vgl. weiter BayVGH, B. v. 4.12.2014 - 14 ZB 12.2449 - juris Rn. 6 m. w. N.).

Nicht ursächlich im Sinn des Gesetzes sind demnach die sogenannten Gelegenheitsursachen, d. h. solche Bedingungen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht. Letzteres ist beispielsweise dann der Fall, wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte (vgl. BVerwG, B. v. 8.3.2004 - 2 B54.03 - juris Rn. 7). Der im Dienstunfallrecht maßgebliche Ursachenbegriff soll zu einer dem Schutzbereich der Dienstunfallfürsorge entsprechenden sachgerechten Risikoverteilung führen. Der Dienstherr soll nur die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit tragen und mit den auf sie zurückzuführenden Unfallursachen belastet werden. Dem Beamten sollen dagegen diejenigen Risiken verbleiben, die sich aus anderen als dienstlichen Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben (BVerwG, B. v. 23.10.2013 - 2 B 34.12 - juris Rn. 8).

Alle Tatbestandsvoraussetzungen für eine Dienstunfallanerkennung bzw. die geltend gemachten Unfallfolgen müssen zur Überzeugung der Behörde und des Gerichts vorliegen. Der Beamte trägt das Feststellungsrisiko bzw. die materielle Beweislast, dass die behauptete Schädigungsfolge wesentlich auf den Dienstunfall und nicht etwa auf eine anlagebedingte Konstitution zurückzuführen ist. Ein Anspruch ist nur dann anzuerkennen, wenn der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Körperschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerwG, U. v. 25.2.2010 - 2 C 81.08 - NVwZ 2010, 708; BVerwG, B. v. 4.4.2011 - 2 B 7.10 - juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 4.12.2014 - 14 ZB 12.2449 - juris Rn. 7).

Dies zugrunde gelegt steht für den Senat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 zumindest eine wesentlich mitwirkende Teilursache für die nunmehr manifeste, sich im Laufe der Jahre entwickelte, „schwere, andauernde Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom“ des Klägers ist. Der Senat schließt sich insoweit den Sachverständigen Dr. R., MedDir. Dr. H. und (insbesondere) Prof. Dr. W. an. Den Sachverständigen Dr. B. und Prof. Dr. D. folgt der Senat nicht. Hierfür sind die folgenden Überlegungen maßgeblich:

Dr. B. verneint eine Kausalität wegen einer vorbestehenden psychopathische Persönlichkeitsstruktur mit latent soziopathischen bzw. querulatorisch-rechthaberischen Tendenzen (vgl. Gutachten vom 13.9.1995, Bl. 30) ebenso wie Prof. Dr. D. in einem psychiatrischen Gutachten vom 23.6.2009. Dr. B. untersuchte den Kläger sieben Jahre nach dem Unfall und stellte eine psychische Entwicklung fest, die aus seiner Sicht ohne eine vorbestehende psychopathische Persönlichkeitsstruktur mit soziopathischen bzw. querulatorisch-rechthaberischen Tendenzen nicht zu erklären sei (vgl. Gutachten vom 13.9.1995, Bl. 30). Insoweit fußt das Gutachten auf einer nicht weiter begründeten Behauptung, wenngleich der Sachverständige darauf hinweist, dass eine egozentrische Blindheit des Klägers für seinen erheblichen eigenen Anteil am Zustandekommen des Unfalls auffiele, was wohl zum Beleg einer vorbestehenden psychopathischen Persönlichkeitsstruktur dienen soll. Auch Prof. Dr. D. stellte eine dienstunfallunabhängige paranoide Persönlichkeitsstörung fest und schlussfolgert, dass die psychischen Beschwerden (Anpassungsstörung, somatoforme Schmerzstörung) dadurch entstanden seien, dass der Kläger aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung die getroffenen Entscheidungen bezüglich der Einschätzung seines Grads der Behinderung und den daraus abzuleitenden Dienstunfallausgleich nicht habe akzeptieren können/wollen und deshalb Symptome einer Anpassungsstörung und somatoforme Störung entwickelt habe (vgl. Bl. 66/68 des Gutachtens). Prof. Dr. D. begründet seine Meinung damit, dass sich die Symptome bei dem Kläger nicht als unmittelbare Unfallfolge, sondern im Zusammenhang mit dem „Kampf“ des Klägers gegen die Ablehnung des von ihm geforderten Grades der Behinderung und entsprechend der Entschädigung durch den Dienstunfallausgleich entwickelt hätten. Die von ihm durchgeführten testpsychologischen und klinischen Untersuchungen ergäben eindeutige Hinweise auf das Vorliegen überdauernder, prämorbider Persönlichkeitsmerkmale, die die Kriterien einer (unfallunabhängigen) paranoiden Persönlichkeitsstörung erfüllten. Bei andauernden Persönlichkeitsänderungen handele es sich um Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, die sich bei Personen ohne vorbestehende Persönlichkeitsstörung nach extremer oder übermäßiger anhaltender Belastung oder nach schwerer psychiatrischer Krankheit entwickelt hätten. Eine derartige „andauernde Persönlichkeitsänderung“ werde meist als Folge „verheerender traumatischer Erfahrungen“ gesehen. Eine „andauernde Persönlichkeitsänderung“ sollte nur diagnostiziert werden, wenn diese als anhaltend und lebensverändernd anzusehen sei und ätiologisch auf eine „tiefgreifende, existenziell extreme Erfahrung“ zurückgeführt werden könne. Bei dem 1988 erlittenen Dienstunfall und seinen Folgen könne nicht von einer „tiefgreifenden, existentiell extremen Erfahrung“ bzw. einer „extremen oder übermäßigen anhaltenden Belastung“ gesprochen werden (immerhin könne der Kläger im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung seinen Dienst mittlerweile wieder für sechs Stunden, wenn auch unter Belastung, verrichten).

Anders wird die Frage der Kausalität von Dr. R. beurteilt, der in seinem Gutachten vom 30. Juni 1994 mit einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der auf psychiatrischem Gebiet vorliegenden Störungen und dem Unfallereignis ausgeht und das Vorliegen einer relevanten neurotischen Fehlhaltung vor dem Unfall verneint. Auch MedDir. Dr. H. verneint in seinem psychiatrischen Gutachten vom 14. April 2011 relevante psychiatrische Auffälligkeiten vor dem Unfallereignis im Oktober 1988 (vgl. Bl. 22 des Gutachtens). Der Kläger litt auch nach den Feststellungen von Prof. Dr. W. an keinen wesentlichen somatischen Vor- und Grunderkrankungen, keinen psychiatrischen Vorerkrankungen und auch keiner Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert vor dem Unfallereignis. Prof. Dr. W. stellte zwar psychiatrisch ausgeprägte negativistische sowie paranoide Persönlichkeitszüge fest, konnte jedoch keine eindeutigen Belege dafür finden, dass diese Auffälligkeiten bereits in der frühen Kindheit oder Jugend des Klägers bestanden hätten. Dieses Merkmal stelle - so Prof. Dr. W. - definitionsgemäß eine Voraussetzung für die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung dar. Beim Kläger habe keine paranoide Persönlichkeitsstörung bzw. differenzialdiagnostisch eine wahnhafte Störung entsprechend dem Gutachten Prof. Dr. D. festgestellt werden können. Vielmehr gehe er mit Dr. H. von einem chronischen Schmerzsyndrom aus, das nach dem Unfall und unter teilweise ungünstig geschilderten sozialen Interaktionen über die Jahre zu einer andauernden Veränderung der Wahrnehmung, des Denkens und des Verhaltens geführt habe. Aufgrund der deutlichen Ausprägung mit bisweilen unflexibel und eindeutig fehlangepasstem Verhalten sei es zu einem deutlichen subjektiven Leid sowie sozialen beruflichen Beeinträchtigungen im Sinne einer nachhaltigen Lebensänderung gekommen. Aus psychiatrischer Sicht sei es vorliegend entscheidend, ob beim Kläger bereits vor dem Dienstunfallereignis aus dem Jahr 1988 eine nachweisbare psychische Störung im Sinne einer Persönlichkeitsstörung vorgelegen habe oder nicht. Sollte eine solche Persönlichkeitsstörung nachweisbar vorgelegen haben, dann wäre es sehr wahrscheinlich, dass das fragliche Dienstunfallereignis als eine von mehreren Teilursachen in der Kausalitätsbeurteilung an Gewicht verliere. Eine solche psychologische Auffälligkeit vor dem Dienstunfallereignis sei jedoch nicht nachweisbar. Damit sei das Dienstunfallereignis zumindest eine wesentlich mitwirkende Teilursache. Um die Frage zu klären, sei der Kläger sowohl psychiatrisch als auch klinisch psychologisch untersucht worden. Hierbei hätten für den Zeitraum vor dem Dienstunfallereignis keine psychischen Veränderungen festgestellt werden können, auch keine sog. Disposition für die psychischen Auffälligkeiten. Da es zur wissenschaftlich anerkannten Definition einer Persönlichkeitsstörung gehöre, dass diese spätestens seit der Adoleszenz oder dem frühen Erwachsenenalter nachweisbar sein müsse, habe er sich der Einschätzung der Vorgutachter Prof. D. und Dr. B. nicht anschließen können. Er halte es für wesentlich plausibler, dass die beim Kläger zweifelslos vorhandenen auffälligen Wesenszüge in seiner Persönlichkeit im Zuge des Krankheitsverlaufs seit 1988 entstanden seien.

Der Senat folgt dem Gutachten von Prof. Dr. W., denn es hat überzeugend die Grundlagen herausgearbeitet, womit der Senat die Kausalitätsfrage beantworten konnte. Die Fragen des Beklagten zum Gutachten hat der Gutachter in der mündlichen Verhandlung klarstellend und unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung entwickelten Theorie der zumindest wesentlich mitwirkenden Teilursache klarstellend beantwortet. Die Schlussfolgerungen von Prof. Dr. W. sind in sich stimmig und in allen Punkten nachvollziehbar. Insbesondere hat Prof. Dr. W. überzeugend begründet, warum er sich den der Einschätzung der Vorgutachter Dr. B. und Prof. Dr. D. nicht anzuschließen vermag.

Der Senat folgt auch der Bewertung der Gesamt-MdE durch Prof. Dr. W., die er unter Einbeziehung der MdE auf orthopädischem Gebiet in einer Höhe von 20 bzw. 25 v. H. mit 50 v. H. angibt, weil der Kläger offensichtlich durch die psychische Komponente an einer erheblichen Alltagsbeeinträchtigung leidet. Abweichungen um 5% in den zugrundeliegenden orthopädischen Einschätzungen seien aus seiner Sicht unerheblich. Zwar hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 19. Februar 2014 ursprünglich ausgeführt, die Minderung auf psychiatrischem Fachgebiet könne nicht insgesamt dem Unfallereignis zugeordnet werden, so dass die dienstunfallbedingte Gesamt-MdE 35 bis 40 v. H. betrage. Daran hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung aber nicht festgehalten, nachdem ihm vom Senat die Rechtsprechung zur wesentlich mitwirkenden Teilursache erläutert worden war. Der Senat erachtet die Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit für schlüssig und überzeugend. Auch der Beklagte ist diesen nicht entgegen getreten.

1.2.3. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG in der zum Zeitpunkt der Anzeige - 2. September 1994 - geltenden Fassung (§ 45 BeamtVG 1994) wird nach Ablauf der zweijährigen Ausschlussfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1994 für die Meldung eines Dienstunfalls Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Folge des Unfalls erst später bemerkbar geworden ist. Die Meldung muss innerhalb von drei Monaten erfolgen (§ 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG 1994). Unschädlich ist, dass sich schon früher Unfallfolgen gezeigt haben. § 45 Abs. 2 BeamtVG 1994 verlangt nur, dass „eine“ anspruchsbegründende Unfallfolge erst später bemerkbar geworden ist. Ab diesem Zeitpunkt läuft die Dreimonatsfrist des § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG (vgl. BVerwG. U. v. 28.2.2002 - 2 C 5/01 - IÖD 2002, 200 - juris Rn. 9).

Bemerkbar geworden ist eine Unfallfolge, wenn der verletzte Beamte bei sorgfältiger Prüfung nach seinem Urteilsvermögen zu der Überzeugung gekommen ist oder kommen musste, dass sein Leiden durch den Unfall verursacht ist. Dass er nur mit einer solchen Möglichkeit rechnen musste, genügt nicht (vgl. BVerwG, U. v. 28.2.2002 - 2 C 5/01 - juris Rn. 10).

Die Dienstunfallfolgen des Klägers beschränkten sich zunächst im Wesentlichen auf den orthopädischen Bereich. In einem sozialgerichtlichen Verfahren wegen des Grades der Schwerbehinderung des Klägers stellte Dr. R. mit Gutachten vom 30. Juni 1994 im Rahmen einer psychiatrischen Beurteilung - soweit ersichtlich erstmals - ein somatisiert-depressives Syndrom im Rahmen einer neurotischen Fehlverarbeitung bei einer vermutlich hypochondrischen Grundhaltung fest und ging mit „ausreichender Wahrscheinlichkeit“ von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der auf psychiatrischen Gebiet vorliegenden Störungen und dem Unfallereignis aus. Der Kläger legte dieses Gutachten mit Schreiben seiner (früheren) Bevollmächtigten vom 2. September 1994 in einem Verfahren betreffend einen Antrag auf Gewährung von Unfallausgleich auf der Grundlage einer MdE von 35 v. H. mit der Bitte um Berücksichtigung vor, was die Bezirksfinanzdirektion zum Anlass nahm, ein Gutachten zur Frage, ob auf psychiatrischem Gebiet Körperschäden bzw. Beschwerden vorliegen, die allein oder wesentlich bzw. annährend gleichwertig durch den Unfall verursacht worden sind. Das Gutachten Dr. R. vom 30. Juni 1994 genügt den inhaltlichen Anforderung an die Meldung einer erst nach Ablauf der zweijährigen Ausschlussfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG bemerkbar gewordenen anspruchsbegründenden Unfallfolge. Die Unfallfolgenanzeige wahrte die Dreimonatsfrist des § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG 1994, wenn für den Kläger als medizinischer Laie erst durch das nervenärztliche Gutachten Dr. R. vom 30. Juni 1994 erkennbar wurde, dass seine psychischen Beschwerden unmittelbar auf den Dienstunfall beruhen könnten (vgl. BVerwG, U. v. 28.2.2002 - 2 C 5/01 - juris Rn. 11). Mit dem Gutachten Dr. R. und der dort geäußerten „ausreichenden Wahrscheinlichkeit“ eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Auftreten der auf psychiatrischen Gebiet vorliegenden Störungen und dem Unfallereignis war die Unfallfolge für den Kläger im Sinne der vorstehenden Ausführungen „bemerkbar“ geworden. Unschädlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger bereits 1991/1992 psychische Beschwerden bemerkte, „gegenüber seinen Mitmenschen immer aggressiver“ wurde, da mit dieser Feststellung kein Bezug zum Unfallgeschehen hergestellt worden ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Sachverständige Prof. Dr. W. in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof ausführte, dass der Kläger wohl erst im Jahr 2006 anlässlich einer Rehamaßnahme in B. ... bewusst erkannt habe, dass eine Kausalität zwischen Dienstunfall und psychischen Beschwerden besteht.

Gemäß § 45 Abs. 2 BeamtVG sind Leistungen der Unfallfürsorge ausgeschlossen, die mit Rücksicht auf einen Körperschaden verlangt werden, der auf einem mehr als zehn Jahren zurückliegenden Ereignis beruht. Das ist der Fall, wenn nach Ablauf der Ausschlussfrist von zehn Jahren das Dienstunfallgeschehen als solches oder auch ein - weiterer - Körperschaden aufgrund eines solchen Ergebnisses gemeldet wird. § 45 Abs. 2 BeamtVG hindert nicht die Leistung von Unfallfürsorge über mehr als zehn Jahre. Vielmehr sollen nach zehn Jahren nur Auseinandersetzungen über den Geschehensablauf und über den Kausalzusammenhang eines Körperschadens vermieden werden (vgl. BVerwG, U. v. 28.2.2002 - 2 C 5/01 - juris Rn. 18).

Die von ihm geltend gemachten psychischen Beschwerden sind erst nach etwa sechs Jahren nach dem Dienstunfall aufgetreten. In diesem Fall deckt die damalige Meldung des Dienstunfalls die später eingetretene weitere Unfallfolge nicht ab (vgl. BayVGH, U. v. 16.7.2008 - 14 B 05.2548 - juris Rn. 8; BVerwG, U. v. 21.9.2000 - 2 C 22/99 - NVwZ 2001, 328 - juris Rn. 13). Der selbstständige Fristenlauf für später auftretende Unfallfolgen rechtfertigt sich aus dem Sinn und Zweck des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG, wonach durch die rechtzeitige Unfallmeldung vermieden werden soll, dass notwendige Ermittlungen hinsichtlich des Unfallgeschehens und des Kausalzusammenhangs erst nach vielen Jahren und unter kaum zu bewältigenden Schwierigkeiten festgestellt werden müssen (vgl. BayVGH, U. v. 16.7.2008 - 14 B 05.2548 - juris Rn. 9).

Der Kläger hat nach Sachlage mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls - einer (andauernden) Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom - vor Ablauf der Ausschlussfrist von zwei Jahren nicht rechnen können, weil ein entsprechender Zusammenhang aufgrund der Krankheitsentwicklung erst Jahre später erkennbar war.

2. Ist aus den vorstehenden Gründen der Dienstunfall vom 12. Oktober 1988 ursächlich für die psychischen Beschwerden des Klägers, so ist die Ablehnung der Übernahme der hierfür erforderlichen Behandlungskosten gemäß Art. 33 BeamtVG 2006 rechtswidrig. Denn die für die Erstattung von Behandlungskosten hinsichtlich des beim Kläger vorliegenden Persönlichkeitsänderung erforderliche Voraussetzung eines Ursachenzusammenhangs zwischen dem Dienstunfall und der Heilbehandlung liegt - wie vorstehend dargestellt - aufgrund der unfallabhängigen Schädigung vor.

3. Der Berufung des Klägers war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, da dem Kläger nicht zugemutet werden konnte, das Vorverfahren allein, ohne rechtskundigen Rat, zu betreiben.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG nicht erfüllt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.