Verwaltungsgericht München Beschluss, 28. Apr. 2015 - M 7 S 15.1679
Gericht
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die zeitliche Verlegung einer Versammlung auf einen anderen Tag.
Am 29. März 2015 zeigte der Antragsteller bei der Landeshauptstadt München für den 30. April 2015, ab 15.00 Uhr bis 19.00 Uhr, eine öffentliche Versammlung mit dem Thema „Gegen antideutschen Schuldkult - Weg mit dem NS-Dokumentationszentrum!“ an. Als Ort der Versammlung wurde Karolinenplatz 3 (vor dem Amerikahaus) in München angegeben. Als Kundgebungs- und Versammlungshilfsmittel wurden Transparente, Transparentrahmen, Fahnen, Fahnenstangen, Flugblätter, Aufkleber, Eselsmasken und Trageschilder genannt. Die erwartete Teilnehmerzahl wurde mit ca. zehn Personen beziffert.
Am 24. April 2015 wurde dem Antragsteller von der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass die Durchführung der Versammlung am 30. April 2015 zur angezeigten Zeit als problematisch angesehen werde. Es sei deswegen beabsichtigt, die Versammlung auf einen anderen Tag zu verlegen. Diesen Vorschlag lehnte der Antragsteller mit der Begründung, die Versammlung stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Festakt zur Eröffnung des NS-Dokumentationszentrums am 30. April 2015, ab.
Mit Bescheid vom 27. April 2015 verlegte die Antragsgegnerin die Durchführung der Versammlung am Karolinenplatz 3 am 30. April 2015 zeitlich auf den 2. Mai 2015 (Nr. 1) und erließ weitere Beschränkungen. Der Gedenk- und Eröffnungstag des NS-Dokumentationszentrums sei vorliegend bewusst auf den Tag der Befreiung der Landeshauptstadt München durch amerikanische Bodentruppen am 30. April 1945 sowie der damit einhergehenden Befreiung des KZ Dachau und seiner mit dem Tode bedrohten Insassen gelegt worden. An diesem Tag würden eine Vielzahl von überlebenden Zeitzeugen und deren Angehörige in die Stadt München kommen, um dort der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Es handle sich daher um einen Tag, dem eine besondere und gewichtige Symbolkraft im Sinne des Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BayVersG zukomme, da die historische Bedeutung des Tages mit einem in seiner Ausprägung und Gestaltung beispiellosen bewussten Akt des neuen Gedenkens zusammentreffe. Durch die Durchführung der Versammlung an diesem 30. April wäre auch eine Beeinträchtigung der Würde der Opfer des Nationalsozialismus zu besorgen. Diese ergebe sich aus der latenten und doch unverhohlenen Leugnung und Relativierung der Verbrechens- und Willkürherrschaft des Nationalsozialismus durch den Antragsteller, die in den dokumentierten Aussagen in der Versammlung vom 3. März 2015 und der Presseerklärung zur geplanten Versammlung für sich genommen und in summa klar zum Ausdruck kämen sowie im angezeigten Thema selbst mitschwängen. Darüber hinaus bestehe die Gefahr einer erheblichen Verletzung grundlegender sozialer oder ethischer Anschauungen im Sinne des Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BayVersG, da von der Versammlung an diesem Eröffnungstag mit dem Gedenk- und Festakt eine untragbare Provokationswirkung ausgehe, die dazu führe, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Versammlung als schlechthin unerträglich und selbst in einem demokratisch, pluralistischen Gemeinwesen als inakzeptabel empfinden werde. Des Weiteren sei eine zeitliche Verlegung auch über die Generalklausel des Art. 15 Abs. 1 BayVersG begründet. Die öffentliche Sicherheit sei gefährdet, da durch die Versammlung am 30. April 2015 die Gesundheit der Zeitzeugen, Angehörigen sowie der Opfer des NS-Systems, die an der Eröffnungsfeier teilnehmen würden, unmittelbar gefährdet sei. Wie in der Gefahrenprognose ausführlich dargestellt, sei zu erwarten, dass bei diesen zum Teil sehr alten und gebrechlichen Personen durch die Konfrontation mit der zeitgleich stattfindenden Versammlung alte Traumata wachgerufen würden und dadurch mit körperlichen Schäden von nicht unerheblicher Art gerechnet werden müsse. Außerdem seien aufgrund der im Vorfeld bekannten Tatsachen hinreichende Merkmale erfüllt, die geeignet seien, die öffentliche Ordnung zu gefährden. Der Zeitpunkt der Versammlung in Verbindung mit dem Thema, das sich inhaltlich generell gegen das NS-Dokumentationszentrum mit all seiner Bedeutungs- und Symbolkraft wende, sei geeignet, die Allgemeinheit durch die Verhöhnung der Opfer zu belästigen und als grob ungehörig wahrgenommen zu werden, da das Ansinnen des Veranstalters gegen die anerkannten Regeln von Sitte, Anstand und Ordnung verstoße. Insbesondere sei ein Eingriff in den Schutzbereich der Menschenwürde zu bejahen. Die Beeinträchtigungen der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 15 Abs. 1 BayVersG gingen über den bloßen Inhalt der Meinung hinaus und fänden ihre Ursache in der Gesamtprägung und im Kontext der Versammlung. Die mit der Versammlung einhergehende Provokationswirkung werde durch die zeitliche Verlegung deutlich und spürbar reduziert. Die zeitliche Verlegung sei zudem erforderlich, da ansonsten der Schadenseintritt für die Opfer und die Allgemeinheit sowie für die öffentliche Ordnung unabwendbar wäre. Die Versammlung werde in ihrer Außenwirkung und in der nach dem Versammlungsthema erkennbaren Zielrichtung durch die zeitliche Verlegung weit weniger beschränkt als durch eine örtliche Verlegung.
Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller am 28. April 2015 Klage erheben (M 7 K 15.1678) und zugleich beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 28. April 2015 gegen die durch Bescheid der Antragsgegnerin, Az.: KVR-I/253-1341.001, ausgesprochene Verlegung der Versammlung des Antragstellers (Nr. 1) vom 30. April 2015 auf den 2. Mai 2015 anzuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller habe zuletzt mehrere Versammlungen in München zu politischen Themen durchgeführt, ohne dass es hierbei zu größeren Störungen oder rechtskräftig festgestellten Straftaten gekommen sei. Der An- und Abtransport der geladenen Gäste zu dem Festakt könne aufgrund des weitläufigen Geländes am Karolinenplatz auch bei etwaigen Gegendemonstrationen durch die Polizei gewährleistet werden. Soweit tatsächlich Zeitzeugen der NS-Herrschaft an dem Festakt teilnehmen sollten, würden diese durch die Versammlung nicht beeinträchtigt. Die Besucher seien nicht gezwungen, direkt an der Versammlung vorbeizugehen, da die Örtlichkeit großzügig genug sei. Opfer der NS-Herrschaft gehörten ohnehin nicht zur Zielgruppe der Versammlung, sondern sie möchte die allgemeine Öffentlichkeit und Medienvertreter ansprechen. Die Voraussetzungen für besondere Beschränkungen gemäß Art. 15 Abs. 2 BayVersG lägen nicht vor. Insbesondere habe der Antragsteller Versammlungsort und -zeitpunkt wie geschehen auswählen müssen, da eben an diesem Tag an dieser Stelle der Festakt zur Eröffnung des NS-Dokumentationszentrums stattfinde und dieses Zentrum Thema der Versammlung sei. Nur an diesem Tag werde das Interesse der Öffentlichkeit und der Medien sehr groß sein. Ferner bestünde nur an diesem Tag die Möglichkeit, mit den politisch Verantwortlichen zu der Thematik in Kontakt zu treten. Die Ansicht der Antragsgegnerin, dass die Versammlung außerhalb der Sicht- und Hörweite der Besucher des NS-Dokumentationszentrums zu verlegen sei, sei mit der Versammlungsfreiheit nicht zu vereinbaren und fördere auch nicht den politischen Meinungsaustausch. Telefonisch äußerte sich der Prozessbevollmächtigte dem Gericht gegenüber dahingehend, dass eine örtliche Verlegung nur in räumlicher Nähe zum Veranstaltungsort des Festaktes am 30. April 2015 (ca. 150 m entfernt) in Frage komme. Weiter lässt der Antragsteller vortragen, er sei bereit, die Versammlung auch an anderer Stelle am Karolinenplatz abzuhalten. Durch eine angemessene räumliche Verlagerung könne gewährleistet werden, dass eine Konfrontation zwischen den geladenen Gästen und den Versammlungsteilnehmern vermieden werde. Dem Antragsteller sei ein Sichtkontakt zum Veranstaltungsort Amerikahaus wichtig. Sachliche Kritik am NS-Dokumentationszentrum müsse gestattet sein und stelle keine Verletzung der Würde etwaiger Besucher des Festaktes dar. Ehemalige Angehörige der US-Streitkräfte und persönlich betroffene Opfer der NS-Herrschaft spielten bei dem Festakt ohnehin lediglich eine untergeordnete Rolle, was sich u. a. aus der Rednerliste ergebe. Es liege eben keine Gedenkveranstaltung vor, sondern ein Festakt, bei dem es um Informationsvermittlung und politische Bildung gehe. Insofern sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Gäste vor Meinungsäußerungen von Mitbürgern besonders geschützt werden müssten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragsgegnerin sei der Auffassung, dass gerade am 2. Mai 2015 eine breitere Öffentlichkeit erreicht werden könne, da es sich dabei um das erste für den Publikumsverkehr geöffnete Wochenende handele. Seitens der Antragsgegnerin werde an der zeitlichen Verlegung festgehalten. Eine räumliche Verlegung sei vorliegend weniger geeignet und auch kein milderes Mittel. Auch bei der seitens des Gerichts angesprochenen Verlegung um 150 m zur angezeigten Aufstellungsörtlichkeit sei weiter von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auszugehen. Diesbezüglich werde auf die ausführliche Begründung im Ausgangsbescheid verwiesen. Aus Sicht der Antragsgegnerin stelle die zeitliche Verlegung auch kein faktisches Verbot dar. Vielmehr könne der Antragsteller seine Versammlung an der von ihm angezeigten Aufstellungsörtlichkeit mit den von ihm gewünschten Modalitäten durchführen. Der vom Antragsteller vorgebrachte zwingende Bezug zur Eröffnungsveranstaltung vom 30. April 2015 könne aus dem angezeigten Thema nicht plausibel erschlossen werden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 117 Abs. 3 VwGO analog auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Entfaltet ein Rechtsbehelf - wie hier nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. Art. 25 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) - keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Bei der vom Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu treffenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen, die eine wesentliches, wenn auch nicht das alleinige Indiz für bzw. gegen die Begründetheit des Begehrens im einstweiligen Rechtsschutz sind. Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten, dass der Rechtsbehelf erfolgreich sein wird, überwiegt regelmäßig das Interesse des Antragstellers.
Bei Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag keinen Erfolg. Die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Auflage 2010, § 113 Rn. 48 m. w. N.) ergibt, dass dem Antragsteller kein Anspruch auf Durchführung der Versammlung am 30. April 2015 am Karolinenplatz 3 zusteht und der Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. April 2015 ihn deshalb nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit überwiegt das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die zeitliche Verlegung der Versammlung nicht das öffentliche Interesse am Sofortvollzug.
Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen. Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe, die auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend und wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt. Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 16 m. w. N.).
Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG zu ihrer Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage. Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Gemäß Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung insbesondere dann beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die Versammlung an einem Tag oder Ort stattfinden soll, dem ein an die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft erinnernder Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt, und durch sie eine Beeinträchtigung der Würde der Opfer zu besorgen ist. Danach kann im Einzelfall geboten sein, dass die Versammlung an einem anderen Tag oder an einem anderen Ort als dem vom Veranstalter gewünschten stattzufinden hat.
Vorliegend hat die Antragsgegnerin die zeitliche Verlegung der Versammlung am Karolinenplatz 3 vom 30. April 2015 auf den 2. Mai 2015 unter Verweis auf den Gedenk- und Eröffnungstag des NS-Dokumentationszentrums angeordnet. Dieser sei bewusst auf den Tag der Befreiung der Landeshauptstadt München durch amerikanische Bodentruppen am 30. April 1945 sowie der damit einhergehenden Befreiung des KZ Dachau und seiner mit dem Tode bedrohten Insassen gelegt worden. Das Gericht stellt die gewichtige Symbolkraft dieses Tages im Sinne des Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BayVersG in Frage. Zum einen handelt es sich bei den aufgezählten Ereignissen nicht um solche, die an die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft, sondern an deren Ende erinnern. Dies gilt auch in Bezug auf den 30. April 1945 als den Todestag Hitlers. Zum anderen befreite die US-Armee das Hauptlager des KZ Dachau tatsächlich nicht am 30., sondern am 29. April 1945 (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Befreiung_des_Konzentrationslagers_Dachau). Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass sich die Symbolkraft eines Tages oder Ortes auch aus bewussten Akten des Gedenkens neuerer Zeit ergeben kann, die die Erinnerung an nationalsozialistisches Leid und Unrecht an diesem Tag oder Ort wach halten wollen, ist ihr grundsätzlich beizupflichten. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BayVersG in Anbetracht der Rechtsfolgen einer versammlungsrechtlichen Beschränkung oder gar eines Verbots zurückhaltend auszulegen ist (Merk/Wächtler in Wächtler/Heinhold/Merk, BayVersG, 1. Auflage 2011, Art. 15 Rn. 59; BayVGH, B.v. 28.11.2008 - 10 CS 08.3140 - juris Rn. 15 f.). Dies führt vorliegend dazu, dass das Gericht zwar dem neu geschaffenen NS-Dokumentationszentrum in der Brienner Str. 34 in München, das als Lern- und Erinnerungsort zur Geschichte des Nationalsozialismus konzipiert ist, eine solche Symbolkraft zuschreibt, nicht jedoch dem Tag seiner Eröffnung. Der damit zusammenhängende Festakt stellt ein einmalig stattfindendes Ereignis dar. Das Dokumentationszentrum hingegen, das ab dem 1. Mai 2015 der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, soll ein zentraler Lernort zur Auseinandersetzung mit den Ursachen, Auswirkungen und Folgen des Nationalsozialismus sein. Es entsteht an einem Standort, der für das NS-Terrorregime von besonderer Bedeutung war: auf dem Gelände des ehemaligen „Braunen Hauses“ - der Parteizentrale der NSDAP (http://www.ns-dokumentationszentrum-muenchen.de/zentrum). Die gewichtige Symbolkraft der Örtlichkeit ergibt sich also aus deren historischer Bedeutung in Verbindung mit dem Konzept der neu geschaffenen Einrichtung. Da die am 30. April 2015 stattfindenden Feierlichkeiten zur Eröffnung des NS-Dokumentationszentrums in unmittelbarem räumlichen und sachlichen Zusammenhang mit diesem stehen, erstreckt sich die Symbolwirkung der Örtlichkeit an diesem Tag auch auf das Gelände des am Karolinenplatz 3 befindlichen Amerikahauses. Von dort wird ein eigens für die Festgäste angelegter Weg direkt zum Dokumentationszentrum führen, das im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung besichtigt werden kann.
Zusätzlich zur gewichtigen Symbolkraft des Tages oder Ortes verlangt Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BayVersG die Besorgnis einer Beeinträchtigung der Würde der Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft. Hiervon ist vorliegend auszugehen, wobei die vom Bundesverfassungsgericht unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit aufgestellten Anforderungen an die Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.1012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 17 m. w. N.). Allerdings ist es ein allgemeiner Grundsatz des Sicherheitsrechts, an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der drohende Schaden ist; ein bloßer Verdacht oder bloße Vermutungen reichen aber auch für eine Beeinträchtigung der Würde der Opfer nicht aus (Merk/Wächtler in Wächtler/Heinhold/Merk, BayVersG, 1. Auflage 2011, Art. 15 Rn. 45). Mit dem Begriff der Würde ist der besondere Wert- und Achtungsanspruch verbunden, der dem Menschen wegen seines Menschseins zukommt und der es verbietet, ihn zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 20.10.1992 - 1 BvR 698/89 - BVerfGE 87, 209/228 f.). Eine Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruchs und damit der Würde der Opfer des Nationalsozialismus ist hier dann zu befürchten, wenn die Versammlung mit dem Thema „Gegen antideutschen Schuldkult - Weg mit dem NS-Dokumentationszentrum!“ in unmittelbarer Nähe zum Veranstaltungsort des Festakts zur Eröffnung des NS-Dokumentationszentrums, der auch dem Gedenken dieser Opfer dienen soll, stattfindet. Durch dieses mit Hilfe von Transparenten, Fahnen und Flugblättern nach außen kommuniziertes Motto werden die Millionen Opfer des Nationalsozialismus zum Gegenstand eines Kultes degradiert und die Notwendigkeit der Erinnerung sowie Auseinandersetzung mit den Gewalt- und Willkürmaßnahmen unter der nationalsozialistischen Herrschaft bestritten (zu einem rechtsextremistischen Aufzug unter dem Motto „60 Jahre Befreiungslüge - Schluss mit dem Schuldkult" vgl. BVerfG, B.v. 6.5.2005 - 1 BvR 961/05 - juris Rn. 21). Dies wiegt umso schwerer als sich auch Zeitzeugen, überlebende Opfer des NS-Regimes sowie Angehörige von Opfern und Vertreter der Länder, die im zweiten Weltkrieg von Deutschland angegriffen wurden, unter den zum Festakt geladenen Gästen befinden. Sie würden mit dem Thema in einer ihr Empfinden erheblich beeinträchtigenden und angesichts der plakativen Forderungen sogar provokativen Weise direkt konfrontiert, wenn die Versammlung am Tag des Festaktes am Karolinenplatz 3 stattfinden würde.
Da der Antragsteller dargelegt hat, dass der mit der Demonstration ausweislich des Versammlungsthemas verfolgte Zweck, gegen die Eröffnung des NS-Dokumentationszentrums zu protestieren, ausschließlich oder zumindest vorrangig am 30. April 2015 erreicht werden kann, hat er ein nachvollziehbares besonders schutzwürdiges Interesse an der Durchführung der Versammlung an diesem Tag, so dass eine zeitliche Verlegung der Versammlung als milderes Mittel ausscheidet (vgl. BVerfG, B.v. 26.1.2001 - 1 BvQ 9/01 - juris Rn. 10).
Eine solche kann entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch weder auf Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BayVersG noch auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG gestützt werden. Von einer erheblichen Verletzung grundlegender sozialer oder ethischer Anschauungen im Sinne des Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BayVersG ist auszugehen, wenn der Versammlung an diesem Tag eine Provokationswirkung zukommt, die dazu führt, dass die Mehrheit der Bevölkerung diese Versammlung nicht nur als belästigend oder empörend, sondern als schlechthin unerträglich und selbst in einem demokratischen, pluralistischen Gemeinwesen als inakzeptabel empfindet (Merk/Wächtler in Wächtler/Heinhold/Merk, BayVersG, 1. Auflage 2011, Art. 15 Rn. 46). Diese Schwelle wird hier angesichts der vergleichsweise geringen Anzahl der angezeigten Versammlungsteilnehmer sowie der Möglichkeit der Beschränkung der Versammlung im Übrigen, die von der Antragsgegnerin auch wahrgenommen worden ist, nicht erreicht. Ebenso kann weder eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit noch eine solche der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 15 Abs. 1 BayVersG angenommen werden. Unter öffentlicher Sicherheit versteht man den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht (BVerfG, B.v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81
Unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der grundgesetzlich verankerten Versammlungsfreiheit und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wäre es damit angezeigt gewesen, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides mit der Maßgabe einer örtlichen Verlegung der Versammlung an einen Ort, der sich nicht im unmittelbaren Umfeld des Veranstaltungsortes des Festaktes befindet, anzuordnen (zur Möglichkeit von Auflagen im Rahmen der Entscheidung des Gerichts über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vgl. Schmidt in Eyermann, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 88 f.). Dies hätte auch unter Beachtung der Tatsache, dass der Antragsteller ausweislich der Antragsbegründung mit der Versammlung die allgemeine Öffentlichkeit und Medienvertreter ansprechen möchte, zu einem angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen geführt. Schließlich hätte für die Versammlung ein Alternativort gewählt werden können, an dem reger Publikumsverkehr stattfindet. Allerdings hat sich der Antragsteller vorliegend lediglich mit einer örtlichen Verlegung an eine andere Stelle am Karolinenplatz einverstanden erklärt. Eine solche hält jedoch weder die Antragsgegnerin noch das Gericht für geeignet, um den oben genannten Beeinträchtigungen der Würde der Opfer in ausreichendem Maße entgegenzutreten. Da eine Verlegung der Versammlung an einen Ort außerhalb des Karolinenplatzes dem ausdrücklichen Willen des Antragstellers nicht entspricht, war der Antrag insgesamt abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 (BayVGH, B.v. 10.4.2014 - 10 C 14.587 - juris Rn. 8).
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(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.
(2) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
die Urteilsformel, - 4.
den Tatbestand, - 5.
die Entscheidungsgründe, - 6.
die Rechtsmittelbelehrung.
(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.
(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.