Verwaltungsgericht München Beschluss, 14. Sept. 2015 - M 7 S 15.3981

published on 14/09/2015 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 14. Sept. 2015 - M 7 S 15.3981
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Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage wird mit der Maßgabe angeordnet, dass die Versammlungsstrecke auf der zuletzt vom Antragsteller angezeigten und mit seiner Klage verfolgten Route Brienner Straße - Königsplatz - Karolinenplatz - Max-Joseph-Straße - Maximiliansplatz - Pacellistraße - Promenadeplatz - Maffeistraße - Perusastraße - Residenzstraße - Odeonsplatz verläuft.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Vorstand des Antragstellers, einer als Verein eingetragenen Bürgerrechtsbewegung, zeigte am 9. September 2015 bei der Antragsgegnerin für den 14. September 2015 eine Versammlung mit dem Thema „Die 10 PEGIDA-Forderungen, IS - Migration als asymmetrische Kriegsführung“ mit der Dresdner ... als Gastrednerin an. Es ist vorgesehen, dass sie sich nach einer 45-minütigen Auftaktkundgebung von der Brienner Straße/Ecke Augustenstraße zum Odeonsplatz vor der Feldherrnhalle fortbewegt, wo eine 45-minütige Abschlusskundgebung geplant ist. Die Versammlungsstrecke ist wie folgt angegeben: Brienner Straße - Königsplatz - Karolinenplatz - Brienner Straße - Maximiliansplatz - Pacellistraße - Promenadeplatz - Maffeistraße - Perusastraße - Residenzstraße - Odeonsplatz, alternativ Seidlstraße - Karlstraße - Augustenstraße - Brienner Straße und dann wie vor. Beginn der Veranstaltung ist 19:00 Uhr, Ende 21:30 Uhr. Für Auf- und Abbau sind jeweils 45 Minuten vorgesehen. Als Kundgebungsmittel wurden ein Megaphon sowie jeweils am Ort der Auftakt- und der Schlusskundgebung u. a. drei Infotische und ein Pavillon angegeben. Der Antragsteller erwartet 300 Teilnehmer.

Mit Bescheid vom ... September 2015 legte die Antragsgegnerin gestützt auf Art. 15 Abs. 1 und 2 Nr. 1 b BayVersG eine neue Versammlungsstrecke mit folgendem Verlauf fest: Brienner Straße - Augustenstraße - Karlstraße - Seidlstraße - Marsstraße - Elisenstraße - Lenbachplatz - Pacellistraße - Promenadeplatz - Maffeistraße - Perusastraße - Residenzstraße - Max-Joseph-Platz (Nummer 1). Hierzu wurde ausgeführt, dem Vorstand des Antragstellers sei wegen Festhaltens an geschichtsträchtigen Orten und zwei rechtsextremistischen Vorfällen ein geänderter Streckenverlauf vorgeschlagen worden. Daraufhin habe der Vorstand des Antragstellers persönlich mitgeteilt, dass er rechtlich keinen Einfluss auf die Versammlungsteilnehmer habe und diese nicht ausschließen könne, solange sie nicht störten. Die Antragsgegnerin sei der Meinung, dass durch die Verlegung die Gesamtsituation entschärft und Rechtsextremisten von der Teilnahme abgehalten werden könnten. Der Vorstand habe den Ort der Abschlusskundgebung aber für nicht austauschbar gehalten, weil eine Rede zu Max-Emanuel II. gehalten werden solle und in der Theatinerkirche die Ehefrau von Max-Emanuel II. begraben sei. Bereits bei der Versammlung am 7. September 2015 hätten Zwischenkundgebungen am Karolinen- und Promenadeplatz sowie am Denkmal Max Emanuel abgehalten werden sollen, was wegen der Besetzung der Plätze durch opponierende Teilnehmer nicht möglich gewesen sei. Durch die Wahl der Versammlungsorte und der Kundgebungsmittel entstünden Gefahren für die Rechtspositionen der Anlieger, der Gewerbetreibenden und unbeteiligter Dritter (z. B. Beeinträchtigungen von Rettungswegen, Zugänglichkeit der Wohn- und Geschäftsräume, Beeinträchtigungen durch Immissionen usw.). An der letzten Versammlung des Antragstellers am 7. September 2015 habe ein amtsbekannter Rechtsextremist teilgenommen. Außerdem sei es zu einer Straftat nach § 86 a StGB gekommen (Zeigen des Hitlergrußes). Aufgrund der zu erwartenden Teilnehmerstrukturen, des ähnlichen Versammlungsthemas und der Aussagen des Veranstalters im Rahmen des Kooperationsgesprächs müsse angenommen werden, dass erneut eine nicht unerhebliche Anzahl rechtsextremer Personen an der Versammlung teilnehmen werde. Insbesondere aufgrund des angekündigten Auftritts von ..., ehemals Mitglied der ..., müsse damit gerechnet werden, dass im Bereich der rechtsextremistischen Szene zur Versammlungsteilnahme am 14. September 2015 aufgerufen werde. Frau ... habe an zahlreichen Kundgebungen von „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) teilgenommen, was eine entsprechende Anziehungskraft ausübe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass rechtsextreme Teilnehmer gerade angespornt durch die Berichterstattung zur letzten Versammlung erneut Straftaten und eine Verherrlichung des NS-Regimes planten. Auf der Internetplattform von A.i.d. A. sei die Versammlung als „rechter Termin“ eingestellt. Sowohl der Königsplatz als auch der Odeonsplatz (Platz vor der Feldherrnhalle) seien geschichtsträchtige Orte, denen ein an die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft erinnernder Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukomme. Auch der Platz der Opfer des Nationalsozialismus und die Brienner Straße 34 (NS-Dokumentationszentrum) seien historische Orte. Es bestehe die unmittelbare Gefahr, dass an diesen Orten grundlegende soziale und ethische Anschauungen erheblich verletzt würden. Aufgrund der Ereignisse bei der letzten Kundgebung sei anzunehmen, dass sich erneut bekennende Rechtsextremisten der Versammlung anschließen würden. In der gesellschaftlichen Wahrnehmung sei jedoch ein Aufeinandertreffen von rechtsextremen Personen und den genannten historischen Orten nicht vereinbar. Weiter sei wieder mit der Begehung von Straftaten nach § 86 a StGB zu rechnen. Aufgrund der Erfahrungen mit der letzten Versammlung müsse losgelöst vom Versammlungsthema damit gerechnet werden, dass einzelne Teilnehmer die Gelegenheit zur Verherrlichung des NS-Regimes und zur Kundgabe nationalsozialistischer Überzeugungen an diesen Orten nutzen würden, was ihnen normalerweise verwehrt sei, weil die Versammlungsbehörde erkennbar rechtsradikale Versammlungen an diesen Orten nicht zulasse. Die Versammlung des Antragstellers biete solchen Personen die seltene Gelegenheit aus der Sicherheit der Masse heraus in beispielloser Weise zu provozieren. Sie diene der rechtsextremen Szene als Schutzmantel. Taten und Kundgaben dieser Art stünden in fundamentalem Widerspruch zu den wesentlichen und grundlegenden Anschauungen der deutschen Bevölkerung. Überdies bestehe bei der angezeigten Wegführung auch eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Ordnung. Es würden wesentliche soziale und ethische Anschauungen durch das Ablaufen einer solchen Massierung von nationalsozialistisch vorbelasteten Orten durch eine von der Bevölkerung als wenigstens rechtspopulistisch wahrgenommenen Versammlung verletzt. Obwohl der Veranstalter keine rechtsradikale Ausrichtung zeige, müsse die Streckenwahl gerade in der derzeitigen aufgrund der Flüchtlingsproblematik aufgeladenen gesellschaftlichen Stimmung der überwiegenden Bevölkerung als erhebliche Provokation erscheinen. Dies zeigten die Reaktionen nach der letzten Versammlung des Antragstellers. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne eine Verletzung der öffentlichen Ordnung zwar nicht aus einem Meinungsinhalt, aber doch aus der Art und Weise der Versammlungsdurchführung erwachsen. Es sei schon angesichts der dezidiert flüchtlingskritischen Meinung des Antragstellers mit einer Störung der öffentlichen Ordnung zu rechnen, versammlungsrechtlich erheblich jedoch erst mit der Streckenführung. Die Verlegung sei verhältnismäßig. Auch wenn die Mehrheit der Versammlungsteilnehmer keine rechtsextremen Überzeugungen hätten, komme eine Maßnahme gegen einzelne Teilnehmer nicht in Betracht, weil diese nicht alle polizeibekannt seien. Mit der Verlegung werde auch nicht unangemessen in die Versammlungsfreiheit des Veranstalters eingegriffen, weil weder das Thema noch die Ausführungen des Veranstalters im Rahmen des Kooperationsgesprächs einen inhaltlichen Bezug der Versammlung zur beantragten Wegführung aufzeigten. Der Ehefrau von Max Emanuel könne auch am Max-Joseph-Platz gedacht werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Klage (M 7 K 15.3980), mit dem Antrag, den Bescheid vom ... September 2015 aufzuheben und den Streckenverlauf so wie ursprünglich angezeigt festzulegen, mit der Ausnahme, dass die Versammlung vom Karolinenplatz nunmehr nicht über die Brienner Straße zum Maximiliansplatz führt, sondern auf direktem Weg über die Max-Joseph-Straße. Zugleich beantragte er,

die aufschiebende Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Streckenführung der geplanten Versammlung mit der am 7. September 2015 durchgeführten Versammlung identisch sei. Eine weitere Begehung dieser Strecke sei vorläufig nicht geplant. Seitens des Veranstalters sei es am 7. September 2015 zu keinen Störungen gekommen. Der Vorschlag zur Streckenänderung sei daher überraschend gekommen. Die Antragsgegnerin erwähne nicht, dass sich der Antragsteller mit einer Änderung insoweit einverstanden erklärt habe, als im Bereich Brienner Straße/Maximiliansplatz eine räumliche Nähe zum Platz der Opfer des Nationalsozialismus vermieden werde. Der Antragsteller habe dann mitgeteilt, als Ersatz vom Karolinenplatz über die Max-Joseph-Straße zum Maximiliansplatz und damit den gleichen Streckenverlauf wie am 7. September 2015 zu gehen. Die Versammlungsteilnehmer sollten sich in zeitlicher Nähe zum Jahrestag des Endes der „Schlacht um Wien“ am 12. September 1683 mit der reichhaltigen bayerischen Geschichte auseinandersetzen können. Der Name des Antragstellers stehe für Patriotische Europäer gegen die Islamisierung Europas. Der Königsplatz stehe als Zeichen für das enge Verhältnis Bayerns zu Griechenland im 19. Jahrhundert im Kontext zur Migration des IS als asymmetrische Kriegsführung gegen Europa. Am Karolinenplatz sei das Mahnmal für die gefallenen bayerischen Soldaten in der Schlacht um Wien als Schutz vor weiterer Islamisierung, am Promenadeplatz das Denkmal für Kurfürst Max Emanuel II., Verteidiger von Wien und damit der europäischen Werte, und am Odeonsplatz das Grabmal von dessen Ehefrau in der Theatinerkirche. Die damaligen Machtverhältnisse und die Möglichkeit einer Islamisierung Europas stünden im Kontext zum 21. Jahrhundert. Auf der abgeänderten Route fehlten diese markanten geschichtsträchtigen Denkmäler. Die vom Antragsteller gewünschte Route beeinträchtige den Verkehrsfluss weit weniger als die von der Antragsgegnerin festgelegte Route. Soweit die Teilnahme eines Rechtsextremisten angeführt worden sei, handle es sich um 0,5% der ca. 200 Kundgebungsteilnehmer am 7. September 2015. Der Antragsteller vertrete die Auffassung, dass die unverhandelbaren Grundrechte gleichermaßen für politisch Links, Mitte und Rechts gelten müssten. Soweit ein Teilnehmer den Hitlergruß gezeigt habe, sei es Sache der Polizei und der Justiz sich des Falles anzunehmen. Die Ausführungen der Antragsgegnerin in Bezug auf „Rechts“ schienen parteipolitischen Erwägungen geschuldet und nicht dem geltenden Recht. Am 7. September 2015 habe ein Vertreter des Club Voltaire, laut Wikipedia einer linksalternativen kulturellen Einrichtung, eine lange und von den Versammlungsteilnehmern sehr positiv aufgenommene Rede gehalten. Pegida-München sei ein europäischen Werten verpflichtetes Bürgerforum. Hier könne jeder nach Prüfung im Rahmen der Gesetze seine Meinung kundtun. Die Antragsgegnerin, die ihr Geschichtsbild ausschließlich auf die jüngere Vergangenheit einschränke, sei herzlich eingeladen, dieses auf die reichhaltige bayerische, deutsche und europäische Kultur zu erweitern.

Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 14. September 2015 unter Bezug auf die im angefochtenen Bescheid angeführten Gründe,

den Antrag abzulehnen.

Die aktuelle Flüchtlingsthematik in einem Kontext mit den Türkenkriegen des 16. und 17. Jahrhunderts zu stellen, sei zusätzlich geeignet, fremdenfeindliche Ressentiments zu schüren und die ethischen Anschauungen der bayerischen Bevölkerung zu verletzen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 117 Abs. 3 VwGO analog auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.

Entfaltet ein Rechtsbehelf - wie hier nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. Art. 25 BayVersG - keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Bei der vom Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu treffenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen, die eine wesentliches, wenn auch nicht das alleinige Indiz für bzw. gegen die Begründetheit des Begehrens im einstweiligen Rechtsschutz sind. Zum Schutz von Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, ist schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt (BVerfG, B. v. 12. Mai 2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 18 m. w. N.). Soweit möglich, ist als Grundlage der gebotenen Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit der Maßnahme daher in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht nur summarisch zu prüfen (BVerfG, a. a. O.). Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten, dass der Rechtsbehelf erfolgreich sein wird, überwiegt regelmäßig das Interesse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, findet - unter sorgfältiger Abwägung der Folgen für die Versammlungsfreiheit (BVerfG, a. a. O.) - eine reine Interessenabwägung statt.

Bei Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag Erfolg.

Mit seiner Klage verfolgt der Antragsteller nach zweckgerechter Auslegung gem. § 88 VwGO lediglich eine Teilaufhebung des versammlungsrechtlichen Bescheides der Antragsgegnerin, nämlich lediglich, soweit sie in Nummer 1. die Versammlungsstrecke abweichend von der zuletzt vom Antragsteller angebotenen Streckenführung, die über die Route Brienner Straße - Königsplatz - Karolinenplatz - Max-Joseph-Straße - Maximiliansplatz - Pacellistraße - Promenadeplatz - Maffeistraße - Perusastraße - Residenzstraße - Odeonsplatz führt, festgelegt hat. Die Streckenänderung erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 48 m. w. N.) als rechtswidrig und verletzt den Antragsteller somit in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die aufschiebende Wirkung der Klage war daher anzuordnen.

Bei der Streckenänderung in Nummer 1 des insoweit angefochtenen Bescheides handelt es sich um eine versammlungsrechtliche Beschränkung im Sinne von Art. 15 BayVersG. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift kann eine Versammlung unter freiem Himmel unter anderem dann beschränkt werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist - d. h. wenn bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter zu rechnen ist (BVerfG, B. v. 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 - juris Rn. 20 m. w. N.) - oder ein Fall des Art. 12 Abs. 1 BayVersG vorliegt. Nach Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 b BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung u. a. insbesondere dann beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die Versammlung an einem Tag oder Ort stattfinden soll, dem ein an die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft erinnernder Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt, und durch sie die unmittelbare Gefahr einer erheblichen Verletzung grundlegender sozialer oder ethischer Anschauungen besteht. Unter diesen Voraussetzungen kann auch der Versammlungsort verlegt werden.

Zu den anerkannten Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit zählt neben Leben, Gesundheit, Ehre, Freiheit und Vermögen auch im Versammlungsrecht nach traditionellem polizeirechtlichen Verständnis die Unversehrtheit der Rechtsordnung (einschließlich der Vorschriften über die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs) und der staatlichen Einrichtungen (vgl. BVerwG, U. v. 21. April 1989 - 7 C 50.88 - juris Rn. 15 m.w.N; BVerfG, B. v. 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - juris Rn. 77). Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit wird in der Regel angenommen, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht (BVerfG, B. v. 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - juris Rn. 77). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit dürfen beim Erlass von versammlungsrechtlichen Beschränkungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose gestellt werden. Sie ist auf konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte zu stützen, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben (BVerfG, B. v. 12. Mai 2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 17 m. w. N., B. v. 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 - juris Ls 2a und B. v. 6. Juni 2007 - 1 BvR 1423/07 - juris Rn. 17). Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen für sich allein nicht aus (BVerfG, B. v. 12. Mai 2010 - 1 BvR 2636/04 - Rn. 17).

Ferner gilt, dass, soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter, darunter Gegendemonstrationen, zu befürchten sind, die Durchführung der Versammlung zu schützen ist und behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten sind (vgl. BVerfG, B. v. 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 17 m. w. N.). Es ist Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung berufenen Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung des Versammlungsrechts hinzuwirken (BVerfG, B. v. 1. September 2000 - 1 BvQ 24/00 - juris Rn. 16). Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (BVerfG, a. a. O.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze rechtfertigen weder die historische Bedeutung einzelner Orte an der Versammlungsstrecke, das zeitliche Zusammentreffen der Versammlung mit der derzeitigen Flüchtlingsproblematik noch die von der Antragsgegnerin angeführten Vorfälle bei der Versammlung des Antragstellers am 7. September 2015 (Teilnahme eines amtsbekannten Rechtsextremisten, Zeigen des Hitlergrußes) deren Verlegung.

Nach dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 b BayVersG („durch sie“) genügt es nicht, wenn die Versammlung an einem Ort stattfinden soll, dem ein an die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft erinnernder Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt, oder die unmittelbare Gefahr einer erheblichen Verletzung grundlegender sozialer oder ethischer Anschauungen anlässlich der Versammlung besteht. Vielmehr fordert das Gesetz einen Kausal- bzw. Zurechnungszusammenhang zwischen der Versammlung, d. h. ihrem Thema, der Art und Weise ihrer Durchführung oder dem gewählten Zeitpunkt, und der Verletzung sozialer oder ethischer Anschauungen. Ein derartiger Zusammenhang ist vorliegend aber nicht ersichtlich.

Somit kann offen bleiben, ob jeder an der Versammlungsstrecke liegende Ort, dem die Antragsgegnerin gewichtige Symbolkraft zugeschrieben hat, tatsächlich als Ort im Sinne von Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 BayVersG anzusehen ist (bejahend für das NS-Dokumentationszentrum an der Brienner Straße 34: VG München, B. v. 28. April 2015 - M 7 S 15.1679 -; offen gelassen von BayVGH, B. v. 29. April 2015 - 10 CS 15.947 -, jeweils unveröffentlicht). Im Übrigen wird die Versammlung nach der vom Antragsteller zuletzt angezeigten Streckenführung, die Gegenstand der Klage ist, nicht am Platz der Opfer des Nationalsozialismus vorbeiführen.

Die Antragsgegnerin geht selbst nicht von einem thematischen Zusammenhang zwischen dem die (Ein-)Wanderung als Bedrohung formulierenden Versammlungsthema, das einen Bezug zwischen den aktuellen Ereignissen und der europäischen Geschichte des 17. Jahrhunderts herstellt, und dem Nationalsozialismus aus, der im allgemeinen für Angriffskriege und die Ausgrenzung und Ausrottung von Teilen der deutschen Bevölkerung bzw. ethnischen Minderheiten im 20. Jahrhundert steht. Ebenso wenig ist hinreichend wahrscheinlich davon auszugehen, dass Vertreter des Antragstellers die Versammlung nutzen, um rechtsextrem(istisch)e Meinungen zu verbreiten. Dargetan sind lediglich Anhaltspunkte dafür, dass es sehr vereinzelt von Seiten einzelner Versammlungsteilnehmer der Versammlung dazu kommen könnte. Dies gibt aber der Versammlung noch kein rechtsextremes Gepräge, das den erforderlichen Zusammenhang zu den in Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 BayVersG bezeichneten Orten herstellen könnte, und kann den Vertretern des Antragstellers, die eine Teilnahme von Rechtsextremisten nicht ersichtlich gefördert haben, nicht zugerechnet werden. Im Falle vereinzelter Straftaten kann die Polizei gegen Störer aufgrund des Polizeiaufgabengesetzes vorgehen, was sich gegenüber einer Beschränkung der Versammlung oder gar deren Auslösung als das mildere Mittel darstellt. Der Umstand, dass rechtsextrem eingestellte Personen Migration ebenfalls als Bedrohung empfinden und diese gesellschaftspolitische Anschauung mit Vertretern des Antragstellers teilen, führt nicht zu einer erheblichen Verletzung grundlegender sozialer oder ethischer Anschauungen. Für die Frage, ob grundlegende soziale oder ethische Anschauungen erheblich verletzt sind, kann nur der Meinungsinhalt als solcher entscheidend sein, nicht aber, welche Person eine bestimmte Meinung oder Anschauung innehat. Ebenso wenig führt der zeitliche Zusammengang der Versammlung mit der die Antragsgegnerin besonders treffenden Flüchtlingsproblematik zu einer Verwirklichung des Tatbestandes von Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 b BayVersG. Da die von Art. 8 Abs. 1 GG geschützte und für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierende Freiheit der kollektiven Meinungskundgabe auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten, ja selbst Gegnern der Freiheit, zugutekommt (vgl. BVerfG, B. v. 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 16), verbietet sich grundsätzlich eine Auslegung dieser Vorschrift, die darauf hinausläuft, die - eine Mehrheit störende - Meinung einer Minderheit als erhebliche Verletzung grundlegender sozialer oder ethischer Anschauungen anzusehen. Das Versammlungsthema, das über die Formulierung einer empfundenen Bedrohung bzw. eines als Missstand wahrgenommenen Problems nicht hinausgeht, gibt für diese Annahme selbst wenig her. Befürchtungen und Unbehagen hinsichtlich der Folgen der Flüchtlingsproblematik und die Frage, ob und wie diese bewältigt werden kann, nehmen in der öffentlichen Diskussion derzeit breiten Raum ein. Auch auf politischer Ebene werden die damit zusammenhängenden Fragen ausgiebig und kontrovers diskutiert. Allein aus dem Passieren mehrerer symbolkräftiger Orte kann eine Verletzung grundlegender sozialer oder ethischer Anschauungen nicht abgeleitet werden. Schließlich erfüllt wegen des fehlenden Zusammenhangs zwischen der Versammlung als solcher und dem symbolkräftigen Ort auch das bloße Mitlaufen einer rechtsextremen Person, die nicht durch rechtsextreme Meinungskundgaben auffällt, nicht den Tatbestand von Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 b BayVersG.

Im Übrigen reicht es für eine Versammlungsbeschränkung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, d. h. der Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethnischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen, nicht aus, dass die Durchführung einer Versammlung in irgendeinem, beliebigen Sinne als dem Symbolkraft eines Ortes zuwiderlaufend zu beurteilen ist (vgl. BVerwG, U. v. 26. Februar 2014 - 6 C 1/13 - juris Rn. 15 f.). Beschränkungen sind allerdings dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sie ein aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer verhindern sollen, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird, oder wenn eine Versammlung sich durch ihr Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert (vgl. BVerfG, B. v. 23. Juni 2004 - 1 BvQ 19/04 - juris Rn. 23 m. w. N.). Hierfür haben sich bei der vom Antragsteller geplanten Versammlung allerdings keinerlei Anhaltspunkte ergeben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 (BayVGH, B. v. 10. April 2014 - 10 C 14.587 - juris Rn. 8 m. w. N.).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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published on 29/04/2015 00:00

Tenor I. Unter Abänderung der Nr. I. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 28. April 2015 wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Nr. 1. des Bescheids der Antragsgegnerin vom 27.
published on 28/04/2015 00:00

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. III. Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt. Gründe I. Der Antragsteller wendet sich
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published on 26/02/2014 00:00

Tatbestand 1 Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die von der Beklagten angeordnete Verlegung einer für den 27. Januar 2012 - dem jährlichen Tag des Gedenkens an
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.