Verwaltungsgericht München Beschluss, 28. Dez. 2016 - M 5 E 16.5179
Gericht
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Mit rechtskräftigem
Der Antragsgegner entschied mit Vermerk vom
Mit Schriftsatz vom
dem Antragsgegner aufzugeben, die kommissarische Wahrnehmung der ausgeschriebenen Stelle als Seminarlehrkraft für das Gebiet Psychologie am …-Gymnasium I. ab sofort zu beenden.
Die kommissarische Stelleninhaberin könnte bei der angekündigten neuen Ausschreibung auf einen Bewährungsvorsprung verweisen. Die Beigeladene könne sich auf eine erneute Ausschreibung der von ihr kommissarisch wahrgenommenen Stelle bewerben. In dieser kommissarischen Stellenbesetzung liege ein Verstoß gegen den Leistungsgrundsatz. Es gebe andere Alternativen für die Ausbildung der Referendare anstelle der kommissarischen Besetzung, etwa eine Zusammenlegung mit anderen Referendargruppen. Auch die Besetzung der Stelle erst zum Schuljahresbeginn 2017/18 sei sachwidrig.
Das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst hat für den Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es sei erforderlich, dass die Aufgabe der Seminarlehrkraft für das Gebiet Psychologie am …-Gymnasium I. ohne Unterbrechung wahrgenommen werde. Es befänden sich dort stets zwei Jahrgänge parallel in Ausbildung. Die Beigeladene, die sich im Rahmen des abgerochenen Besetzungsverfahrens nicht beworben habe, sei für das Schuljahr 2016/17 kommissarisch mit der Wahrnehmung der Aufgabe des Seminarleiters betraut worden. Hiergegen sei rechtlich nichts zu erinnern. Die kommissarische Übertragung sei willkürfrei erfolgt. Um einen möglichen doppelten Wechsel des Seminarleiters (vom früheren Stelleninhaber zur Beigeladenen und zu einem/einer auszuwählenden Bewerber/in bei einem erneuten Auswahlverfahren) zu vermeiden, werde die Stelle erst zum Schuljahresbeginn 2017/18 besetzt. Die Beigeladene als Studienrätin stehe von vornherein nicht in einer Beförderungskonkurrenz zum Antragsteller als Oberstudienrat.
Mit Beschluss vom 2. Dezember 2016
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d. h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d. h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Der Antragsteller hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
2. Vorliegend fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch.
Durch die kommissarische Besetzung der Stelle des Seminarleiters mit der Beigeladenen wird der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers nicht verletzt.
a) Im Rahmen des Rechtsschutzes gegen die kommissarische Besetzung der Stelle ist ausschließlich zu prüfen, ob der aus Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) abzuleitende Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers beeinträchtigt wird. Denn durch die kommissarische Aufgabenwahrnehmung erhält der/die Stelleninhaber/in eine Bewährungschance, die andere Bewerber nicht haben. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Aufgaben eines zu besetzenden Dienstpostens zur Sicherstellung des öffentlichen Interesses an einer ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung mitunter einer ununterbrochenen Wahrnehmung bedürfen. Daher lässt die neuere Rechtsprechung die vorläufige Besetzung einer Stelle während eines laufenden Konkurrentenstreits ausdrücklich zu. Das ist auch im Fall der Besetzung durch einen/eine Mitbewerber/in zulässig, wenn die aus der Aufgabenwahrnehmung eines höherwertigen Dienstpostens folgenden Besonderheiten bei einer Beurteilung des/der Beamten/in unberücksichtigt bleiben. Es muss insoweit eine fiktive Ausblendung der aus der Höherwertigkeit des Dienstpostens folgenden Tätigkeiten vorgenommen werden (BVerwG, B. v. 1.5.2016 - 2 VR 2/15 - NVwZ 2016, 1650, juris Rn. 32 f.; dem ausdrücklich folgend: BayVGH, B. v. 12.10.2016 - 3 CE 16.1188 - juris Rn. 29).
b) Nach diesen Maßstäben ist die kommissarische Besetzung der umstrittenen Stelle mit der Beigeladenen im Schuljahr 2016/17 rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Antragsgegner hat in nicht zu beanstandender Weise ein öffentliches Interesse an der ununterbrochenen Aufgabenwahrnehmung der Funktion einer Seminarlehrkraft für das Gebiet Psychologie angenommen. Die kontinuierliche Ausbildung der Studienreferendare am …-Gymnasium ist ein sehr wesentlicher Umstand. Denn sie betrifft die Ausbildung einer Vielzahl von Referendaren, die sich in einer entscheidenden Phase ihrer Ausbildung befinden. Es ist allgemein bekannt, dass Studienreferendare dabei einer besonderen Belastung ausgesetzt sind, da sie zusätzlich neben der Ausbildung und Prüfungsvorbereitung noch reguläre Unterrichtsstunden zu erfüllen haben. Wenn das Staatsministerium daher diesem Umstand ein entsprechend hohes Gewicht beimisst und andere denkbare Lösungen einer Verteilung eines Seminarjahrgangs oder beider laufender Seminarjahrgänge auf andere Schulen verwirft, ist das willkürfrei und rechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt auch für den Umstand, im Interesse einer größtmöglichen Kontinuität für die Studienreferendare die Neubesetzung der Stelle zum Zeitpunkt des regulären Seminarbeginns zu Beginn des nächsten Schuljahres vorzusehen. Damit wird ein weiterer Wechsel des Seminarleiters während eines laufenden Schuljahres vermieden.
Wenn die neuere Rechtsprechung (BVerwG, B. v. 1.5.2016 - 2 VR 2/15 - NVwZ 2016, 1650, juris Rn. 32 f.; dem ausdrücklich folgend: BayVGH, B. v. 12.10.2016 - 3 CE 16.1188 - juris Rn. 29) die vorläufige Stellenbesetzung während des laufenden Konkurrentenstreits selbst mit einem/einer Mitbewerber/in zulässt, dann ist erst recht nichts dagegen einzuwenden, wenn die Stelle vorläufig einer Beamtin übertragen wird, die sich bislang noch nicht um den umstrittenen Dienstposten beworben hat. Sollte sich die Beigeladene auf die erneute Ausschreibung der Stelle bewerben, so ist dem Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers dadurch hinreichend Genüge getan, dass bei einer im Auswahlverfahren heranzuziehenden Beurteilung der Beigeladenen die aus der Aufgabenwahrnehmung des höherwertigen Dienstpostens folgenden Besonderheiten unberücksichtigt bleiben.
3. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob der Antragsteller auch einen Anordnungsgrund - das Bedürfnis für eine eilige Entscheidung des Gerichts - für den Fall der kommissarischen Übertragung eines Dienstpostens für ein Schuljahr glaubhaft machen kann (für den Fall der Entscheidung über eine dauerhafte Stellenbesetzung nur Untersagung einer Beförderung, nicht der Aufgabenwahrnehmung im Eilverfahren: BayVGH, B. v. 12.10.2016 - 3 CE 16.1188 - juris Rn. 29).
4. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene hat ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, da sie weder einen Antrag gestellt noch sonst das Verfahren in besonderer Weise gefördert hat. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Da es sich nicht um einen Besetzungsstreit im herkömmlichen Sinn handelt, da der Antragsteller nur die vorläufige Aufgabenwahrnehmung durch die Beigeladene angreift, ist der Streitwert nur auf die Hälfte des Auffangstreitwerts festzusetzen.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.