Verwaltungsgericht München Beschluss, 29. Aug. 2016 - M 11 SN 16.2588

published on 29/08/2016 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 29. Aug. 2016 - M 11 SN 16.2588
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin zu 2) vom 13. Juni 2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10. Mai 2016 wird angeordnet.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

II.

Die Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin zu 2) zu ½, der Antragsgegner zu ¼ sowie die Beigeladenen zu ¼ zu tragen. Die Antragstellerin zu 2) hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1) zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerinnen begehren einstweiligen Rechtsschutz gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.

Die Beigeladenen betreiben - zusammen mit Familienangehörigen - auf dem Grundstück Fl. Nr. ... der Gemarkung ... ein Autohaus, das nach Aktenlage eine Kfz-Reparaturwerkstätte, einen Abschlepp- und Bergungsdienst sowie den Handel mit Fahrzeugen beinhaltet. Südlich an das Grundstück Fl. Nr. ... grenzt das im Eigentum der Beigeladenen stehende Grundstück Fl. Nr. ... an, das derzeit wohl unbebaut ist. Östlich grenzt an das Grundstück Fl. Nr. ... das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück Fl. Nr. ... an, das nach den vorliegenden Grundbuchauszügen einer aus einem Ehepaar und der Antragstellerin zu 2) bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft gehört. Die genannten Grundstücke liegen im Umgriff des Bebauungsplans „Nr. ... für das Gebiet zwischen ...weg, ...Straße und Bahnlinie“ des Marktes ..., und zwar sämtlich in einem als Mischgebiet festgesetzten Baugebiet. Auf der Südseite des Grundstücks Fl. Nr. ... befindet sich die Zufahrt zum Grundstück der Antragstellerinnen. Zu diesem Zweck besteht für das Grundstück der Antragstellerinnen ein dingliches Geh- und Fahrtrecht am Grundstück Fl. Nr. ....

Gegen die unter dem 28. November 2014 vom Beigeladenen zu 2) beantragte und diesem vom Antragsgegner am 14. April 2015 erteilte Baugenehmigung zum Neubau einer Kfz-Halle auf dem Grundstück Fl. Nr. ..., die insbesondere zur Unterbringung von Abschleppfahrzeugen vorgesehen war, erhob die Antragstellerin zu 2) am 13. Mai 2015 Klage (M 11 K 15.1920) und beantragte zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (M 11 SN 15.1921). Mit Beschluss vom 28. Juli 2015 ordnete das Bayerische Verwaltungsgericht München im Verfahren M 11 SN 15.1921 die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin zu 2) an. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beigeladenen zu 2) wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 10. September 2015 zurück (Az.: 1 CS 15.1754). In der dazugehörigen Hauptsache wurde durch Beschluss vom 15. März 2016 auf entsprechende Anträge der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Seine Pläne zur Errichtung einer Kfz-Halle auf dem Grundstück Fl. Nr. ... gab der Beigeladene zu 2) zwischenzeitlich auf und gab die Baugenehmigung an das Landratsamt ... (im Folgenden: Landratsamt) zurück.

Unter dem 22. Februar 2016 beantragten die Beigeladenen die Erteilung einer Baugenehmigung zum Anbau an die bestehende Kfz-Halle zu Zwecken des Einbaus einer optischen Vermessungsanlage auf dem Grundstück Fl. Nr. ....

Zugleich beantragten die Beigeladenen eine Befreiung von der im Bebauungsplan festgesetzten Grundflächenzahl.

Mit Schreiben vom 3. März 2016 erteilte der Markt ... nach vorheriger Beschlussfassung seines Bau- und Umweltausschusses zu dem Vorhaben das Einvernehmen.

In den Akten befinden sich eine undatierte Betriebsbeschreibung, eine „ergänzende Erläuterung zum Bauantrag“ vom 23. Februar 2016 sowie ein Bestätigungsschreiben des Beigeladenen zu 2) vom 24. März 2016. Die Firma der Beigeladenen betreibt den darin enthaltenen Angaben zufolge eine Kfz-Reparaturwerkstätte, einen Abschlepp- und Bergungsdienst sowie den Handel mit Fahrzeugen, insbesondere der Marke Volkswagen. Das Erdgeschoss des geplanten Anbaus sei für den Einbau einer optischen Vermessungsanlage gedacht, die nötig sei, um die Auflagen des Volkswagen-Konzerns bezüglich der Wartung von Fahrassistenzsystemen, Radar- und Überwachungskameras zu erfüllen. Das Untergeschoss solle als Lager für Werkzeug sowie das Aufnehmen der modernen Messbühne dienen. Als Betriebszeit wurde für Werktage die Zeit von 7.30 Uhr bis 12.00 Uhr und von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr angegeben. Nach 17.00 Uhr bzw. an Sonn- und Feiertagen gebe es nur einen Notdienst. Allerdings sei eine Nutzung des neuen Wartungsplatzes im geplanten Anbau ausschließlich innerhalb der üblichen Öffnungszeiten zwischen 7.30 Uhr und 17.00 Uhr vorgesehen und auch Notfallreparaturen zur Nachtzeit dort nicht beabsichtigt. Im Betrieb gebe es insgesamt 10 volljährige und 5 minderjährige Beschäftigte.

Mit Bescheid vom 10. Mai 2016 erteilte das Landratsamt dem Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung unter verschiedenen Auflagen und unter gleichzeitiger Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur einzuhaltenden Grundfläche.

Der Bescheid wurde der Antragstellerin zu 2) am 13. Mai 2016 zugestellt.

Die Antragstellerin zu 2) ließ in eigenem Namen sowie im Namen der Antragstellerin zu 1) mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 13. Juni 2016 Klage gegen den Bescheid vom 10. Mai 2016 erheben und außerdem sinngemäß beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, die Baugenehmigung sowie die Befreiung von der im Bebauungsplan maximal zulässigen Grundflächenzahl verstoße insbesondere gegen das Gebot der Rücksichtnahme, da der geplante Anbau zu einer unzumutbaren Verdichtung der in der Nähe befindlichen Wohnbebauungen führe. Zudem sei eine unzumutbare Lärmbelastung zu befürchten, da durch die Ausweitung des Gewerbebetriebs sowohl die Arbeitsintensität, als auch der An- und Abfahrtsverkehr deutlich zunehme. Ferner sei mit der Realisierung des Bauvorhabens und einer Vergrößerung des ohnehin mit mehr als 800 Quadratmeter bereits großen Gewerbebetriebs die Grenze zu einem das Wohnen wesentlich störenden und damit mischgebietsunverträglichen Gewerbetrieb überschritten. Schließlich würden das Geh- und Fahrtrecht sowie die sich ebenfalls südlich des Grundstücks Fl. Nr. ... befindlichen Versorgungs- und Wasserleitungen des Grundstücks der Antragstellerinnen beeinträchtigt bzw. beschädigt.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er hält an seinem Bescheid fest. Im Wesentlichen brachte er vor, dass eine Beeinträchtigung der Antragstellerinnen durch den flächenmäßig kleinen Anbau, der noch dazu auf der von deren Grundstück abgewandten Seite liege, nicht erkennbar sei. Eine Verdichtung der Wohnbebauung liege nicht vor, da der geplante Anbau vom Grundstück der Antragstellerinnen aus gesehen vollständig hinter dem Bestandsgebäude gelegen und lediglich das Dach 1,475 m höher sei. Eine unzumutbare Lärmbelastung stehe nicht zu befürchten, da in der Baugenehmigung zulässige Immissionsrichtwerte festgesetzt worden seien und der Anbau nur während der üblichen Betriebszeiten bis 17.00 Uhr und ausdrücklich nicht zur Nachtzeit genutzt werden dürfe. Auch lägen die Voraussetzungen einer Befreiung von der im Bebauungsplan festgesetzten Grundflächenzahl vor, da der Anbau für den bestandsgeschützten Betrieb erforderlich sei, die Grundflächenzahl nach Verwirklichung des Vorhabens immer noch unter der maximal zulässigen Höchstgrenze liege und demgegenüber keine erhebliche zusätzliche Belastung der Antragstellerinnen bestehe. Schließlich sei das Vorhaben mischgebietsverträglich bzw. falls dies nicht der Fall sei, sei eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB konkludent im Genehmigungsbescheid oder zumindest ausdrücklich hilfsweise im Schriftsatz vom 18. August 2016 erteilt worden.

Die Beigeladenen beantragen,

den Antrag abzulehnen.

Der Antrag der Antragstellerin zu 1) sei bereits unzulässig, da die Antragstellerin zu 2) insoweit keine Vertretungsmacht habe. Darüber hinaus berufen sie sich, neben den bereits vom Antragsgegner vorgebrachten Erwägungen, insbesondere darauf, dass bei der Planung dieses Vorhabens den seinerzeitigen Einwänden der Antragstellerin zu 2) in den Verfahren M 11 K 15.1920 und M 11 SN 15.1921 gerade Rechnung getragen worden sei, nämlich dass eine Verlegung eines etwaigen Neubaus auf die westliche Seite des Grundstücks Fl. Nr. ... mit erheblich weniger Belastungen für die Anwohner des Grundstücks Fl. Nr. ... verbunden und zudem aufgrund des direkten Anschlusses an die ...Straße zweckmäßiger sei. Zudem sei der Anbau zur Unterbringung der optischen Vermessungsanlage aus betriebswirtschaftlicher Sicht zwingend notwendig, da bei Nichtinstallation einer derartigen Messanlage, für die die Bestandsgebäude jedoch zu klein seien, bis spätestens Anfang 2017, eine Kündigung der Partnerschaft durch die Volkswagen AG drohe, von der der Betrieb der Beigeladenen wirtschaftlich abhängig sei.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, auch diejenigen des zugehörigen Klageverfahrens (M 11 K 16.2587) sowie der Verfahren M 11 K 15.1920 und M 11 SN 15.1921, und die vorgelegten Behördenakten, einschließlich Bauvorlagen und Bebauungsplan des Marktes ..., Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat teilweise Erfolg.

1. Der Antrag der Antragstellerin zu 1) ist bereits unzulässig, der Antrag der Antragstellerin zu 2) ist dagegen zulässig.

a) Da nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 212 a Abs. 1 BauGB die Anfechtungsklage eines Nachbarn gegen die bauaufsichtliche Genehmigung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung hat, ist der Antrag nach §§ 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2, 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO statthaft.

b) Der Antragstellerin zu 1) fehlt vorliegend die Prozessfähigkeit, da sie nicht ordnungsgemäß vertreten ist, § 62 Abs. 3 VwGO. Gemäß § 21 Abs. 1 WEG obliegt die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und somit auch die Befugnis zur Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten den Eigentümern gemeinschaftlich. Dass die Wohnungseigentümer allgemein eine anderweitige Regelung getroffen hätten, wurde nicht vorgebracht. Die Einlegung eines Rechtsbehelfs sowie die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts ist somit ein Geschäft, an dem alle Eigentümer mitwirken müssen. Vorliegend handelte allerdings die Antragstellerin zu 2) alleine für die Antragstellerin zu 1). Auch liegt kein Beschluss sämtlicher Eigentümer vor, der die Antragstellerin zu 2) zur Einlegung eines Rechtsbehelfs und zur Beauftragung eines Rechtsanwalts ermächtigt. Auch war die Antragstellerin zu 2) nicht im Rahmen der Notgeschäftsführung nach § 21 Abs. 2 WEG berechtigt, für die Antragstellerin zu 1) zu handeln. Zum einen begründet diese Vorschrift keine Vertretungsmacht, sondern ermöglicht lediglich einzelnen Eigentümern, unter Zugestehung eines Aufwendungsersatzanspruchs, Maßnahmen in eigenem Namen zu treffen, um dem gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar drohende Schäden abzuwehren. Zum anderen liegen die strengen Voraussetzungen der Anwendung dieser Norm nicht vor. Es wurde weder geltend gemacht noch ist ersichtlich, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft, nicht einmal unter Einberufung einer außerordentlichen Versammlung, nicht durch Fassung eines entsprechenden Beschlusses, gegen den Genehmigungsbescheid vorzugehen, hätte handeln können. Der Antrag der Antragstellerin zu 1) ist daher als unzulässig abzulehnen.

Soweit die Antragstellerin zu 2) allerdings in eigenem Namen handelt, ist ihre Prozessfähigkeit zu bejahen.

c) Die Antragstellerin zu 2) ist entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO auch antragsbefugt. Zwar ist sie als einzelne Wohnungseigentümerin wohl nicht berechtigt, aufgrund ihres ideellen Anteils am gemeinschaftlichen Eigentum am Grundstück Fl. Nr. ... wegen Beeinträchtigung dieses Eigentums Abwehrrechte gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück geltend zu machen (BayVGH, B. v. 12.09.2005 - 1 ZB 05.42 - juris; U. v. 12.07.2012 - 2 B 12.1211 - juris). Allerdings kann die Antragstellerin zu 2) geltend machen, als Inhaberin von auf dem Grundstück liegendem Sondereigentum - dieses erstreckt sich nach den vorliegenden Grundbuchauszügen auf eine der beiden Haushälften mit Garage - in ihren Rechten verletzt zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelten die zum baurechtlichen Nachbarschutz entwickelten Grundsätze auch für das Sondereigentum nach dem WEG, dessen Schutz den Behörden in gleicher Weise aufgetragen ist wie der Schutz etwa eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks (BVerwG, B. v. 20.08.1992 - 4 B 92/92 - juris Rn. 10). Die Antragsbefugnis ist daher zu bejahen, da es im vorliegenden Fall zumindest möglich erscheint, dass die Antragstellerin zu 2), deren Sondereigentum sich in unmittelbarer Nähe des geplanten Vorhabens befindet, durch die Baugenehmigung in ihren Nachbarrechten verletzt wird.

2. Der Antrag der Antragstellerin zu 2) ist auch begründet.

a) Im vorliegenden Fall ist offen, ob die erteilte Baugenehmigung Rechte der Antragstellerin zu 2) verletzt.

Das Grundstück Fl. Nr. ... des Autohauses, auf dem das streitgegenständliche Vorhaben verwirklicht werden soll und das Grundstück, auf dem sich das Sondereigentum der Antragstellerin zu 2) befindet (Fl. Nr. ...), liegen im selben Baugebiet, nämlich in einem durch den Bebauungsplan „Nr. ... für das Gebiet zwischen ...weg, ...Straße und Bahnlinie“ festgesetzten Mischgebiet. Nach der Rechtsprechung des BVerwG hat die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet in Form eines sog. Gebietserhaltungsanspruchs (z. B. Urt. v. 18.12.2007 - 4 B 55/07 - juris Rn. 5).

Im vorliegenden Fall ist zweifelhaft, ob das Vorhaben in einem Mischgebiet nach der Art der baulichen Nutzung zulässig ist. Zulässig sind dort nur solche Gewerbebetriebe, die das Wohnen nicht wesentlich stören (§ 6 Abs. 1 BauNVO). Insoweit spricht alles dafür, dass das Vorhaben nicht isoliert von dem bereits bestehenden, auf derselben Fl. Nr. ... ausgeübten Gewerbebetrieb betrachtet werden kann, da es sich bei dem Vorhaben um einen Anbau hieran handelt. Der Anbau der Halle mit optischer Vermessungsanlage ist nach der vorliegenden Betriebsbeschreibung nicht als eigenständiger Gewerbebetrieb anzusehen, sondern als eine Erweiterung des bereits bestehenden Betriebs, da die wesentliche Funktion des Anbaus darin besteht, die Wartung von Fahrassistenzsystemen bei Kundenfahrzeugen entsprechend den Vorgaben des Volkswagen-Konzerns durchführen zu können. Mithin wird sich die Zulässigkeit des Vorhabens daran messen lassen müssen, ob der Gesamtbetrieb einschließlich des hier streitgegenständlichen Erweiterungsvorhabens nunmehr noch als das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb im Sinne des § 6 Abs. 1 BauNVO angesehen werden kann.

Die herrschende Meinung geht davon aus, dass für die Beantwortung der Frage, ob eine Kfz-Werkstatt noch ein das Wohnen nicht wesentlich störender oder ein schon das Wohnen wesentlich störender Gewerbebetrieb ist, eine die konkrete Ausgestaltung des Betriebs in den Blick nehmende Betrachtungsweise geboten ist (BVerwG, B. v. 11.04.1975 - IV B 37.75 - juris; U. v. 07.02.1986 - 4 C 49/82 - juris; BayVGH, B. v. 25.01.2001 - 1 CS 00.3136 - juris; VGH BW, B. v. 15.04.2014 - 8 S 2239/13 - juris; OVG NRW, B. v. 18.06.2010 - 7 A 896/09 - juris; Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 116. Ergänzungslieferung 2015, § 6 BauNVO, Rn. 33; wohl enger: BayVGH, B. v. 11.09.2008 - 14 ZB 07.2148 - juris). Danach kann im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die mit dem Vorhaben einhergehende Betriebserweiterung mischgebietsverträglich ist. Nach der Betriebsbeschreibung, die dem Bauantrag beilag, hat die Firma der Beigeladenen aktuell 15 Beschäftigte. Auch wenn man zugrunde legt, dass einige Mitarbeiter ausschließlich mit nicht immissionsträchtigen Arbeiten wie dem Fahrzeugverkauf und -ankauf und Verwaltungsaufgaben beschäftigt sind, kann man wohl nicht annehmen, dass es sich bei der Kfz-Werkstätte, der ein Abschlepp- und Bergedienst angeschlossen ist, um eine atypisch kleine Werkstatt handelt. Das im Briefkopf des Schreibens vom 23. Februar 2016 verwendete Logo mit dem Text „... ... ...“ weist darauf hin, dass die Werkstatt auch darauf eingerichtet ist, größere Kraftfahrzeuge als herkömmliche PKWs zu reparieren. Der in den Akten enthaltene Lageplan vom 18. März 2016 deutet darauf hin, dass auf dem Betriebsgrundstück Fl. Nr. ... bereits Gebäude mit einer Grundfläche von insgesamt mehr als 800 m² vorhanden sind. In welchem Umfang sie der Firma der Beigeladenen zuzuordnen sind, ist unklar, weil in den vorliegenden Bauplänen der bestehende Betrieb nicht dargestellt ist. Dem Internetauftritt der Firma (...) kann man entnehmen, dass Reparaturen aller Art durchgeführt werden. Angeboten wird auch ein „24-Stunden-Notdienst“. Die präsentierten Fotos von den Mitarbeitern und von dem die Berge- und Abschleppfahrzeuge beinhaltenden Fuhrpark weisen ebenfalls nicht darauf hin, dass es sich hier um einen Kfz-Betrieb handeln könnte, der im Mischgebiet offensichtlich zulässig ist. Insgesamt muss es deshalb nach der im Eilverfahren nur summarisch möglichen Sachaufklärung vorläufig mindestens als offen angesehen werden, ob die mit dem Vorhaben einhergehende Betriebserweiterung mit § 6 Abs. 1 BauNVO vereinbar ist.

Mindestens offen ist auch, ob der Antragsgegner den Beigeladenen eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von der im Bebauungsplan festgesetzten Art der Nutzung erteilt hat sowie ob die Voraussetzungen für eine derartige Befreiung überhaupt gegeben wären. Der Antragsgegner hat sich dahin geäußert, dass er, falls es sich bei dem Vorhaben um einen das Wohnen wesentlich störenden Gewerbebetrieb handeln würde, durch die Genehmigung des Vorhabens im Genehmigungsbescheid vom 10. Mai 2016 konkludent eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von der im Bebauungsplan festgesetzten Art der Nutzung erteilt habe. Dies trifft nicht zu. Für die Zulassung einer Befreiung bedarf es einer Entscheidung der zuständigen Bauaufsichtsbehörde (Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 121. Ergänzungslieferung Mai 2016, § 31 BauGB, Rn. 63). Die konkludente Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ist aus Rechtssicherheitsgesichtspunkten nicht anzuerkennen. Dazu kommt im konkreten Fall der (konkludenten!) Befreiung von der nachbarschützenden Festsetzung der Art der baulichen Nutzung, dass nicht ersichtlich ist, dass die Bauaufsichtsbehörde die nachbarlichen Interessen geprüft hätte. Vielmehr stellt sich ein Vorhaben, das von den Festsetzungen des Bebauungsplans abweicht, ohne dass hierfür eine Befreiung erteilt wurde als rechtswidrig dar. Dies gilt trotz der Möglichkeit nachträglicher Legalisierung durch Erteilung einer Befreiung auch dann, wenn schlicht nicht ersichtlich ist, dass im Baugenehmigungsverfahren eine Entscheidung über eine Befreiung getroffen oder zumindest geprüft worden ist (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 121. Ergänzungslieferung Mai 2016, § 31 BauGB, Rn. 67).

Des Weiteren äußerte sich der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 18. August 2016 dahingehend, dass er zumindest hilfsweise, in Ergänzung der Baugenehmigung vom 10. Mai 2016, nun eine Befreiung von der im Bebauungsplan festgesetzten Art der Nutzung erteile. Ob eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB auf diese Art und Weise erteilt werden kann ist aus Rechtssicherheitsgesichtspunkten zweifelhaft. Dies braucht aber letztlich vorliegend nicht entschieden zu werden, da jedenfalls bei Berücksichtigung der Tatsachengrundlage, die sich aufgrund der im Eilrechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung ergibt, die Voraussetzungen für eine derartige Befreiung nicht gegeben sind. So ist bereits nicht auszuschließen, dass eine Würdigung der nachbarlichen Interessen ergibt, dass diese entgegenstehen. In jedem Fall muss aber voraussichtlich davon ausgegangen werden, dass durch eine Zulassung des streitgegenständlichen Vorhabens die Grundzüge der Planung betroffen werden. Die Festsetzung der Art der baulichen Nutzung und damit des Gebietscharakters stellt eine der Grundkonzeptionen des Bebauungsplans dar, von der regelmäßig nicht abgewichen werden kann (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 121. Ergänzungslieferung Mai 2016, § 31 BauGB, Rn. 36). Da vorliegend bereits zweifelhaft ist, ob der Bestandsbetrieb mischgebietsverträglich ist, muss erst recht davon ausgegangen werden, dass eine Erweiterung des Betriebs zu einer zusätzlichen Vertiefung der Mischgebietsunverträglichkeit führt, die nicht mehr mit dem planerischen Grundkonzept zur festgesetzten Art der baulichen Nutzung vereinbar ist und daher die Grundzüge der Planung berührt.

Mindestens offen ist auch, ob die Antragstellerin zu 2) als Inhaberin von im selben Mischgebiet liegendem Sondereigentum Anspruch auf Schutz vor gebietsunverträglichen Nutzungen hat. Der BayVGH scheint dies für zweifelhaft zu halten, weil ein etwaiger Gebietserhaltungsanspruch ein einzelnes Sondereigentum „allenfalls im gleichen Maß wie alle anderen Sondereigentümer sowie das Anwesen insgesamt und damit das Gemeinschaftseigentum betreffen“ würde (BayVGH, B. v. 12.07.2012 - 2 B 12.1211 - juris Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des BVerwG gelten jedoch die zum baurechtlichen Nachbarschutz entwickelten Grundsätze auch für das Sondereigentum nach dem WEG, dessen Schutz den Behörden in gleicher Weise aufgetragen ist wie der Schutz etwa eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks (BVerwG, B. v. 20.08.1992 - 4 B 92/92 - juris Rn. 10). Nach vorläufiger Einschätzung ist daher zumindest offen, ob die Antragstellerin zu 2) als Sondereigentümerin in gleicher Weise in den Genuss eines etwaigen Gebietserhaltungsanspruchs kommt wie ein sonstiger Grundstückseigentümer.

b) Angesichts der offenen Erfolgsaussichten der Klage ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, die ergibt, dass das Interesse der Antragstellerin zu 2) an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung höher zu bewerten ist als das Interesse der Beigeladenen, vorläufig von der Baugenehmigung Gebrauch machen zu können. Zwar machen die Beigeladenen geltend, dass im Falle der Nichtrealisierung des Vorhabens schwere wirtschaftliche Nachteile sowie der Verlust der fünfzehn Arbeitsplätze in ihrer Firma drohen. Sie tragen vor, dass sie von der Volkswagen AG die Auflage erhalten hätten, bis spätestens zum 1. Januar 2017 eine deren Richtlinien entsprechende optische Vermessungsanlage zu installieren. Im Falle der Nichterfüllung müssten sie mit vertragsrechtlichen Konsequenzen durch die Volkswagen AG rechnen, von der ihre Firma wirtschaftlich abhängig sei. Auf der anderen Seite würden mit der Realisierung des Vorhabens, mit dessen Ausführung bereits begonnen wurde, ggf. nur schwer wieder rückgängig zu machende Zustände geschaffen. Bei Ablehnung des Antrags und Verwirklichung des Vorhabens bestünde die ernsthafte Gefahr, dass der Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin zu 2), den ihr die Festsetzung als Mischgebiet im Bebauungsplan voraussichtlich verleiht, dauerhaft vereitelt würde. Nach Aktenlage spricht überwiegendes dafür, dass der Betrieb der Beigeladenen, der in seiner derzeitigen Gestalt formellen Bestandsschutz genießt, im Mischgebiet nicht neu genehmigt werden könnte und dass demzufolge Erweiterungen dieses Betriebs bauplanungsrechtlich nicht zulässig sind. Demgegenüber haben die Beigeladenen nicht vorgebracht, dass bei der Nichterfüllung der Auflage die Service Partnerschaft durch die Volkswagen in jedem Fall gekündigt wird. Zudem haben die Beigeladenen nach eigenem Bekunden ein Grundstück im Gewerbegebiet der Gemeinde ... erworben, das ihnen ab 1. Januar 2017 zur Verfügung steht. Ein Teil des Betriebs soll nach der Vorstellung der Beigeladenen dorthin ausgelagert werden. Gegenüber der Alternative der vollständigen Zunichtemachung des Gebietserhaltungsanspruchs der Antragstellerin zu 2) scheint es den Beigeladenen zumutbar, eine Installation der optischen Vermessungsanlage in dem dortigen Grundstück zu prüfen und ggf. noch rechtzeitig Umplanungen vorzunehmen, so dass ihnen die Anlage schnellstmöglich in dem neuerworbenen Grundstück zur Verfügung steht sowie eine Regelung mit der Volkswagen AG für eine Übergangszeit, aber mit der konkreten Aussicht auf eine baldige Installation der Vermessungsanlage zu finden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3, 1. Hs., 155 Abs. 4 VwGO. Da die Antragstellerin zu 1) mit ihrem Antrag aufgrund Prozessunfähigkeit wegen nicht ordnungsgemäßer Vertretung unterlag, hat sie grundsätzlich die Kosten des Verfahrens zu ½ zu tragen. Allerdings wurde sie ohne ihr Wissen von der Antragstellerin zu 2) in den Prozess gezogen. Da letztere die Rechtslage, gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO unter Zurechnung etwaigen Verschuldens ihres Prozessbevollmächtigten, schuldhaft verkannt und sich ein nicht bestehendes Vertretungsrecht bezüglich der Antragstellerin zu 1) angemaßt hat, entspricht es der Billigkeit, ihr sowohl die außergerichtlichen Kosten, als auch die Hälfte der Gerichtskosten, die von der Antragstellerin zu 1) zu tragen wären, aufzuerlegen. Die übrige Hälfte der Gerichtskosten ist jeweils hälftig vom Antragsgegner und den Beigeladenen als insoweit unterliegende Beteiligte zu tragen. Den Beigeladenen konnten hier Kosten auferlegt werden, da sie sich mit der Stellung eines Sachantrags dem Prozesskostenrisiko ausgesetzt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Nummern 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs.

Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
3 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 20/10/2016 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin zu 2) hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vo
published on 15/04/2014 00:00

Tenor Die Beschwerde des Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 2013 - 6 K 3031/13 - wird zurückgewiesen.Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.
published on 20/10/2016 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin zu 2) hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vo
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind

1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,
2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.

(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.

(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.

(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestattet oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. Nur ihm gebühren die Nutzungen.

(2) Vorbehaltlich des Absatzes 1 haben alle Wohnungseigentümer die Kosten einer baulichen Veränderung nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen,

1.
die mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde, es sei denn, die bauliche Veränderung ist mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, oder
2.
deren Kosten sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.
Für die Nutzungen gilt § 16 Absatz 1.

(3) Die Kosten anderer als der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten baulichen Veränderungen haben die Wohnungseigentümer, die sie beschlossen haben, nach dem Verhältnis ihrer Anteile (§ 16 Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Ihnen gebühren die Nutzungen entsprechend § 16 Absatz 1.

(4) Ein Wohnungseigentümer, der nicht berechtigt ist, Nutzungen zu ziehen, kann verlangen, dass ihm dies nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich gestattet wird. Für seine Beteiligung an den Nutzungen und Kosten gilt Absatz 3 entsprechend.

(5) Die Wohnungseigentümer können eine abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschließen. Durch einen solchen Beschluss dürfen einem Wohnungseigentümer, der nach den vorstehenden Absätzen Kosten nicht zu tragen hat, keine Kosten auferlegt werden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Geschäfts- und Bürogebäude,
3.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
4.
sonstige Gewerbebetriebe,
5.
Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
6.
Gartenbaubetriebe,
7.
Tankstellen,
8.
Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind.

(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 außerhalb der in Absatz 2 Nummer 8 bezeichneten Teile des Gebiets zugelassen werden.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.