Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 06. Nov. 2013 - 8 A 7/12
Gericht
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Verfalls (§ 40 Abs. 1 Nr. 4 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt {DG LSA}) der im Rahmen einer vorläufigen Dienstenthebung nach § 38 Abs. 2 DG LSA einbehaltenen Dienstbezüge.
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Der Kläger war im Zeitraum vom 01.08.1997 bis zum 28.02.2011 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Universitätsprofessor für das Fachgebiet Augenheilkunde an der Medizinischen Fakultät der Beklagten ernannt gewesen. Mit Verfügung vom 30.07.2010 enthob die Beklagte den Kläger gemäß § 38 Abs. 1 DG LSA vorläufig des Dienstes und ordnete nach § 38 Abs. 2 DG LSA die Einbehaltung der Dienstbezüge ab dem 01.09.2010 zu 50 % an. Dem lagen disziplinarrechtliche Vorwürfe im Zusammenhang mit dem vom Kläger betriebenen Augen-Laserzentrum-A-Stadt (ALH) zugrunde, welches aufgrund eines Kooperationsvertrages mit der Beklagten als An-Institut geführt wurde. Aufgrund der dazu beantragten Kassenarztzulassung habe der Kläger Krankenversorgung in Konkurrenz zur Beklagten geleistet. Dazu habe er wahrheitswidrige Angaben gemacht.
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Das Verwaltungsgericht Magdeburg – Disziplinarkammer – hob mit Beschluss vom 11.11.2010 (8 B 15/10 MD; juris) die vorläufige Dienstenthebung und Gehaltskürzung wegen ernstlicher Zweifel auf. Auf die Beschwerde der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt – Disziplinarsenat – den Antrag des Klägers ab (Beschluss vom 28.01.2011; 10 M 7/10; juris), so dass die vorläufige Dienstenthebung und Gehaltskürzung rechtskräftig wurde. Am 28.02.2011stellte der Kläger einen Antrag auf Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Mit Urkunde vom 28.02.2011 wurde der Kläger mit Ablauf desselben Tages aus dem Beamtenverhältnis entlassen.
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Mit dem streitbefangenen Bescheid vom 11.07.2011 stellte die Beklagte das gegen den Kläger am 07.01.2009 eingeleitete und mit Verfügung vom 01.03.2010 ausgedehnte Disziplinarverfahren gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 1 DG LSA mit Wirkung zum 01.03.2011 ein und ordnete unter Nr. 2. der Verfügung an, dass die nach § 38 Abs. 2 DG LSA einbehaltenen Dienstbezüge verfallen, da im Disziplinarverfahren auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt worden wäre (§ 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA).
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Zur Begründung führt der Bescheid aus, dass auf der Grundlage der Ermittlungsergebnisse und nach eigener Aktenlage die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe als bestätigt anzusehen seien. Der Kläger habe ein schweres Dienstvergehen begangen und dadurch das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren. Er habe mehrere schwere Dienstvergehen begangen. Zur Vermeidung unnötiger Doppelungen werde auf den Untersuchungsbericht als Bestandteil des Bescheides und ergänzend auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt in seinem Beschluss vom 28.01.2011 (10 M 7/10) Bezug genommen. Es handele sich a) um das Dienstvergehen im Zusammenhang mit der Beantragung der Kassenzulassung, b) das Dienstvergehen durch das Erbringen von Krankenversorgung (Leistungen der medizinischen Grundversorgung) im Augen-Laserzentrum und c) um die Nichtrückgabe des Kassenarztsitzes.
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Zu a) heißt es, dass durch die Zeugenaussagen und das bei der Sitzung erstellte Protokoll nachgewiesen sei, dass der Kläger in der Sitzung des Klinikumsvorstandes vom 22.11.2004 zu dem zu erwartenden Verhältnis von Tierversuchen (Versuche an Schweineaugen) zu Patientenbehandlungen in der Augen-Laserzentrum GmbH ein Verhältnis von 80 % zu 20 % angegeben habe, obwohl dies von Anfang an in diesem Verhältnis so nicht beabsichtigt gewesen sei. Zu b) wird ausgeführt, dass der Kläger am Augen-Laserzentrum routinemäßige Krankenversorgungsleistungen in Gestalt kassenärztlicher Leistungen erbracht habe, welche nicht im Zusammenhang mit einem wissenschaftlichen Forschungsprojekt gestanden hätten. Es habe zu seinen Dienstpflichten gehört, seinem Dienstherrn die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und sich dem anvertrauten Hauptamt mit voller Hingabe zu widmen. Er habe ein Konkurrenzunternehmen aufgebaut. Dies ergebe sich aus den eidesstattlichen Versicherungen des Herrn P. vom 06.10.2010, der Frau E. vom 11.10.2010 sowie der Frau B. vom 20.10.2010, dem Aktenvermerk des Dekans der Medizinischen Fakultät vom 08.09.2010, den Schreiben des Augen-Laserzentrums und des Herrn S. als Präsidenten des Landessportbundes Sachsen-Anhalt e.V. vom 24.08.2009 sowie der Homepage des sogenannten Makularzentrums A-Stadt und den diesbezüglichen, vom Kläger unterzeichneten Rundschreiben vom Juli 2010 sowie der Anzeige in den „Sonntagsnachrichten“ vom 30.05.2010. Der Verstoß zu c) wird damit begründet, dass der Kläger seiner Pflicht, den Teilkassenarztsitz zurückzugeben, nicht nachgekommen sei, obwohl er hierzu nach § 76 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Landesbeamtengesetz Sachsen-Anhalt (LBG) verpflichtet gewesen sei.
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Demnach sei festzustellen, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt gewesen wäre, weshalb die einbehaltenen Dienstbezüge nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA verfallen.
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Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2012 unter der Begründung des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück.
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Mit der fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen den Verfall seiner Dienstbezüge und ist der Auffassung, dass bei Fortgang des Disziplinarverfahrens nicht auf eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt worden wäre. Denn von einem für die Entfernung notwendigen endgültigen Verlust des Vertrauensverhältnisses des Dienstherrn und/oder der Allgemeinheit könne nicht ausgegangen werden. Während der Disziplinarermittlungen seien die Persönlichkeit des Klägers und insbesondere seine Verdienste für die Beklagte nicht hinreichend berücksichtigt worden. Durch die Tätigkeit und das Engagement des Klägers sei das wissenschaftliche Renommee der Beklagten und des Universitätsklinikums auf dem Gebiet der Augenheilkunde erheblich gesteigert worden. Der Kläger wiederholt und bezieht sich im Wesentlichen auf sein Vorbringen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren bezüglich der vorläufigen Dienstenthebung und der Gehaltskürzung.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 11.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2012 insoweit aufzuheben, als dass die nach § 38 Abs. 2 DG LSA einbehaltenen Bezüge verfallen
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sowie
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die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen
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und verteidigt die streitbefangene Verfügung und die darin geäußerte Rechtsansicht. Auch sie bezieht sich im Wesentlichen auf das Vorbringen in den vorangegangenen gerichtlichen Eilverfahren. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 28.01.2011 (10 M 7/10) sei davon auszugehen, dass der Kläger fortgesetzt zentrale Dienstpflichten verletzt und damit ein schweres Dienstvergehen begangen habe.
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Hinsichtlich der Zuständigkeit zum Erlass des Bescheides wird ausgeführt, dass die Ministerin, Frau Prof. Dr. B. W. nach § 35 Abs. 1 Satz 1 DG LSA vor Erlass der Einstellungsverfügung vom 11.07.2011 am 10.07.2011 ihr Einverständnis erklärt habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verfahren 8 B 15/10 MD; 10 M 7/10 und den beigezogenen Verwaltungs- und Disziplinarvorgängen verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet. Der von der Beklagten in dem streitbefangenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides festgestellte Verfall der einbehaltenen Dienstbezüge ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 3 DG LSA; § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Denn die diesbezüglichen rechtlichen Voraussetzungen liegen nicht vor.
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I.) Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Die Beklagte ist nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde (§ 49 Abs. 1 Satz 3, § 34 Abs. 2 Satz 2 DG LSA i. V. m. Nr. I. 4. b) des RdErl. des MK v. 11.11.2008 – 13.14-03000).
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II.) Zu Unrecht geht die Beklagte davon aus, dass die zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung bekannten Erkenntnisse und Beweismittel den Schluss rechtfertigten, dass im Fortgang des Disziplinarverfahrens auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt worden wäre.
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1.) § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA bestimmt, dass die nach § 38 Abs. 2 und 3 DG LSA (hier Abs. 2) einbehaltenen Bezüge verfallen, wenn das Disziplinarverfahren aus den Gründen des § 32 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 DG LSA eingestellt worden ist und die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde festgestellt hat, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt gewesen wäre. Die Verfallsregelung hat nicht den Charakter einer disziplinaren Maßregelung oder einer Strafe. Sie soll vielmehr dem Grundsatz Rechnung tragen, dass der suspendierte Beamte bei im Fortgang des Verfahrens tatsächlich festgestellter Bestätigung der schweren disziplinaren Vorwürfe, seinen Anspruch auf Alimentation verliert wenn er aus dem Dienst zu entfernen wäre.
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a.) Nach einhelliger Auffassung in der Kommentarliteratur ist die Feststellung über den Ausgang des Disziplinarverfahrens nach den Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung über die Einstellung des Disziplinarverfahrens und des Verfalls der Dienstbezüge zu treffen. Zutreffender dürfte dieser Prüfungszeitpunkt mit dem Zeitpunkt der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zusammentreffen. Denn die Entlassung stellt den Grund für den Verlust der Disziplinargewalt des Dienstherrn und der somit notwendigen Einstellung des Disziplinarverfahrens dar (vgl. § 1 Abs. 1 DG LSA). Dies mag hier aber offen bleiben. Denn entscheidend ist, dass zu allen Zeitpunkten die notwendigen Erkenntnisse und die rechtlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Verfalls der Dienstbezüge nicht vorlagen.
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Die Feststellung nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA setzt eine ausreichende Erkenntnis- und Beweisgrundlage voraus, die es der Behörde ermöglicht, zu diesem Zeitpunkt die Dienstentfernung zuverlässig zu beurteilen. Denn mangels eines bestehenden aktiven Beamten- oder Ruhestandsverhältnisses darf das Disziplinarverfahren nicht weiter betrieben werden. Weitere Ermittlungen dürfen mangels des sachlichen und persönlichen Anwendungsbereiches des Disziplinargesetzes nicht (mehr) angestellt werden. Nachträglich bekannt gewordene Umstände sind nicht verwertbar. Selbst ein nachträgliches Geständnis des Beamten dürfte nicht verwendet werden, wenn nicht schon aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses die Feststellung der Entfernung gerechtfertigt wäre. Wegen ihrer großen Bedeutung für die Ehre und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten muss die Feststellung selbst sicher möglich sein. Reichen die bisherigen Ermittlungsergebnisse nicht aus oder bleiben auch nur Zweifel, darf die Feststellung nicht getroffen werden. Insoweit gilt auch hier der Grundsatz „in dubio pro reo“ (vgl. insgesamt: Bayerischer VGH, Beschluss v. 07.05.2013, 16a D 10.1558; juris; mit Verweis auf Begründung zu Art. 41 BayDG, LT-Drs. 15/4076 S. 43; Claussen, Janzen; BDO, 8. Aufl. 1995, § 96 Rz. 3; Weiss; Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Teil 6, BDG; M § 40 Rz. 36; Bauschke/Weber, BDG, Kommentar, 2003, § 40 Rz. 5; Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Kommentar, Oktober 2012, § 40 Rz. 2; Urban/Wittkowski, BDG, Kommentar 2011, § 40 Rz. 13; Dau, WDG, Kommentar 2. Aufl. 1992, § 121 Rz. 6; Schütz/Schmiemann; Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, 4. Aufl. April 2012, § 40 Rz. 14; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Art. 41, Rz. 13). Dies gilt auch für das gerichtliche Verfahren. Daher scheidet auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO oder deren analoge Übertragung auf das Disziplinarrecht wegen der Einstellung des Disziplinarverfahrens aus (vgl. BVerwG, Beschluss v. 23.04.2001; 1 DB 14.01; Beschluss v. 16.02.2000, 1 DB 21.99; Beschluss v. 06.06.1996, 1 DB 4.96; Beschluss v. 07.12.1995, 1 DB 28.94; alle juris).
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b.) Hintergrund dieser engen Auslegung ist die systematische Stellung der Verfallsregelung innerhalb der disziplinarrechtlichen Bestimmungen der Länder und des Bundes (§ 40 DG LSA; § 40 BDG sowie deren Vorgängerregelungen). § 40 DG LSA bestimmt, dass einbehaltene Dienstbezüge dann verfallen, wenn im Fortgang des Disziplinarverfahrens – später und nach Erhebung der Disziplinarklage vor dem Disziplinargericht – die Entfernung ausgesprochen (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 DG LSA) oder in einem Strafverfahren auf eine Freiheitsstrafe über einem Jahr erkannt wird (§ 40 Abs. 1 Nr. 2 DG LSA), sodass kraft Gesetztes die Entfernung ansteht oder ein weiteres späteres Disziplinarverfahren mit der Entfernung endet (§ 40 Abs. 1 Nr. 3 DG LSA). Im Umkehrschluss der Regelung bedeutet dies, dass der Beamte ansonsten, also auch bei Ausspruch einer milderen Maßnahme die einbehaltenen Bezüge nachgezahlt bekommt (§ 40 Abs. 2 Satz 1 DG LSA).
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Anders als diese, an feststehende Rechtstatsachen anknüpfenden Regelungen des Verfalls aufgrund disziplinarrichterlicher oder gesetzlicher Beendigung des Beamtenverhältnisses, bestimmt § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA, dass bei einem „freiwilligen“ Ausscheiden des Beamten aus dem Beamtenverhältnis geprüft werden muss, ob „die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt gewesen wäre.“ Demnach fehlt es in diesem Fall an einer verbindlichen (rechtskräftigen) disziplinar- oder strafrichterlichen Entscheidung, die zur Beendigung des Dienstverhältnisses führt. Die Feststellungsprüfung der – späteren – Entfernung wird - disziplinarrechtlich untypisch - in die Hände der „für die Erhebung der Disziplinarklage zuständigen Behörde“ gelegt. Wegen der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung der disziplinarrechtlichen Entscheidung über die Entfernung des Beamten und damit der Beendigung des auf Lebenszeit angelegten Beamtenverhältnisses gegen den Willen des Beamten, obliegt diese Entscheidung nach den Disziplinargesetzen der Länder und des Bundes generell der richterlichen Zuständigkeit (vgl. §§ 34, 45, 49, 57 DG LSA). Denn die Entfernung ist die schwerste Disziplinarmaßnahme gegenüber einem aktiven Beamten und setzt voraus, dass der Beamte sich durch sein Fehlverhalten untragbar gemacht hat und ein Rest an Vertrauen in die künftige ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht mehr besteht. Dabei ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten entscheidend, sondern die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen würde. Dies unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10 mit Verweis auf Urteile v. 20.10.2005, 2 C 12.04, v. 03.05.2007, 2 C 9.06 und v. 29.05.2008, 2 C 59.07; zuletzt: VG Magdeburg, Urteil v. 05.06.2013, 8 A 10/12; alle juris).
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Demnach muss auch die gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA behördlich zu treffende Feststellungsprognose erkennbar und nachvollziehbar diese strengen Voraussetzungen des Ausspruchs der schwersten Disziplinarmaßnahme beachten.
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2.) Dem wird die Entscheidung der Beklagten nicht gerecht. Denn sie orientiert sich maßgeblich an den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt (10 M 7/10; juris) in dem Beschwerdeverfahren zur vorläufigen Dienstenthebung. Sie verfällt dabei dem – verständlichen – Irrtum, dass eine obergerichtliche Entscheidung das Dienstvergehen bereits umfassend geklärt habe. Dies wird auch aus ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung deutlich, wonach sie eine „Ungerechtigkeit“ darin sehe, dass das Hauptsacheverfahren aufgrund der „freiwilligen“ Entlassung aus dem Beamtenverhältnis abgeschnitten sei. Gleiches gilt im Übrigen, wenn der Beamte verstirbt. Es kommt nicht darauf an, warum der Beamte seinen „Dienst quittiert hat“, ob er also der Entfernung zuvor kam und nur in die Entlassung „flüchtete“. Die Motive eines Beamten, warum er den Dienst „quittiert“ und „freiwillig“ um seine Entlassung bittet, sind unbedeutend, weil zu vielschichtig. Der (frühere) Beamte wird auch nicht übergebührlich begünstigt. Denn er hat seinen beruflichen Status trotz noch nicht abgeschlossenen Disziplinarverfahrens aufgegeben. Deshalb sind bereits aus Gründen der Verfahrensvereinfachung keine weiteren Ermittlungen anzustellen (Bayerischer VGH, Beschluss v. 07.05.2013, 16a D 10.1558; juris). Darüber hinaus spricht auch die Tatsache der unterschiedlichen gerichtlichen Eilentscheidungen gegen die nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA vorzunehmende Feststellung, dass „die Entfernung gerechtfertigt gewesen wäre.“
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a.) Bei der Anordnung der Suspendierung und der Einbehaltung von Bezügen handelt es sich nicht um Disziplinarmaßnahmen (Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Aufl. 2009, § 38 Rz. 1; OVG LSA, B. v. 07.05.2010, 10 M 2/10; juris). Diese Entscheidung verfolgt eine andere Zielrichtung als die Verfallsregelung. Ihre Rechtfertigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregel zu treffen.
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Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat in der Beschwerdeentscheidung (Beschluss v. 28.01.2011, 10 M 7/10; juris) zum gerichtlichen Prüfungsumfang nach § 61 Abs. 2 DG LSA bei der Entscheidung über die Suspendierung und Einbehaltung der Bezüge nach § 38 DG LSA ausgeführt:
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„Für die mit der Suspendierung verbundene Einbehaltung von Dienstbezügen gemäß § 38 Abs. 2 DG LSA ist es nicht erforderlich, dass die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahmebereits sicher feststeht; vielmehr genügt es, dass aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung des dem Beamten vorgeworfenen Sachverhalts überwiegend wahrscheinlich ist, dass gegen ihn die disziplinare Höchstmaßnahme verhängt wird (Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl., § 38 Rz. 1 unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschl. v. 24.03.1999, 1 DB 20.98).“ (juris-Abdruck; Rz. 19 a. E.; Hervorhebungen vom Disziplinargericht).
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Die Entscheidung schließt mit den Ausführungen:
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„Die im Rahmen dieses Verfahrens vorzunehmende lediglich summarische Prüfung des derzeit bekannten Sachverhalts rechtfertigt die Feststellung, dass der Antragsteller zumindest mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit (muss folgen: „die“) ihm in der streitgegenständlichen Suspendierungsverfügung vom 30. Juli 2010 zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen begangen hat; im Rahmen dieses Aussetzungsverfahrens ist es nicht erforderlich, dass die zur Last gelegten Dienstvergehen bereits (vollständig) nachgewiesen sind; dies kann dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.“ (juris-Abdruck; Rz. 37 a. A.; Hervorhebungen vom Disziplinargericht).
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Demnach lässt das Oberverwaltungsgericht keinen Zweifel daran, dass seine Ausführungen nur in dem summarischen Verfahren der vorläufigen Dienstenthebung und Bezügeeinbehaltung rechtliche Verbindlichkeit beanspruchen und die endgültige Entscheidung über das Verbleiben des Beamten im Dienst der Hauptsache, sprich der zu keinem Zeitpunkt anhängig gewesenen Disziplinarklage, vorbehalten bleibt.
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Hatte es demnach bei der Anordnung der Einbehaltung eines Teils der Bezüge ausgereicht, nur summarisch zu prognostizieren, ob die Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist, gehen verbleibende Zweifel und Unsicherheiten bezüglich der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage bei der zu treffenden Feststellung, ob es zur Entfernung gekommen wäre, nicht zu Lasten des Betroffenen, so dass vom Rechtssatz „in dubio pro reo“ auszugehen ist. Musste der Betroffene die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung und Gehaltskürzung hinnehmen, auch wenn Zweifel an der voraussichtlichen Höchstmaßnahme nicht gänzlich ausgeräumt waren, weil es sich nur um eine vorläufige Maßnahme handelte, hat die Entscheidung über den Verfall der Dienstbezüge im Blick, ob es zur Verhängung der Höchstmaßnahme gekommen wäre (Weiss; Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Teil 6, BDG; M § 40 Rz. 36). Da mit dem Verfall, anders als bei der Einbehaltungsanordnung nach § 38 DG LSA, ein endgültiger Rechtsverlust eintritt, sind an die Prognoseentscheidungen noch strengere Anforderungen zu stellen als bei der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung. Im Zweifel hat die Feststellung des Verfalls der Dienstbezüge zu unterbleiben.
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b.) Die nach wie vor bestehenden Zweifel erkennt die Beklagte nicht und legt ihrer rechtlichen Prüfung unbesehen das Ergebnis der vorläufigen und summarischen Prüfung des Oberverwaltungsgerichts und des Untersuchungsberichts der Ermittlungsführerin zugrunde.
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Dies ergibt sich bereits daraus, dass ihre vorläufige Dienstenthebung noch auf sieben Dienstpflichtverletzungen gestützt war, während sie in der nunmehrigen Entscheidung über den Verfall nur noch von drei Vorwürfen ausgeht, was erkennbar den Ausführungen des Oberverwaltungsgericht entspricht. Das Disziplinargericht hat bereits in seinem Beschluss vom 11.11.2010 (8 B 15/10; juris) ausgeführt, dass es der Beklagten nicht hinreichend gelungen ist, die dem Kläger vorzuwerfenden disziplinarrechtlich bedeutsamen Pflichtenverstöße und das sich daraus ableitende Dienstvergehen deutlich herauszuarbeiten und insbesondere konkret zu benennen, zumal die Pflichtenverstöße mehrfach ineinander übergehen und somit unzulässig zu eigenen Pflichtenverstößen deklariert werden. Soweit das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhat dazu ausführt, dass „auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens von konkreten Verstößen des Antragstellers gegen die ihm aus seinem Beamtenverhältnis als Universitätsprofessor obliegenden Dienstpflichten auszugehen“ sei, dürfte eine Ergänzung oder Umgestaltung der disziplinarrechtlichen Vorwürfe disziplinar- wie beschwerderechtlich unzulässig sein. Jedenfalls werden erkennbar nunmehr sämtliche Vorwürfe auf „wahrheitswidrige Angaben des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Tätigkeit des ALH“ sowie auf den Vorwurf der „verbotswidrigen Erbringung von Leistungen der Krankenversorgung“ verkürzt. Erkennbar orientiert sich auch die Beklagte in der Verfallsentscheidung auf diese Vorwürfe, wobei bereits unklar ist, ob diese Vorwürfe noch mit denen des eingeleiteten Disziplinarverfahren identisch sind. Denn im streitbefangenen Widerspruchsbescheid erhebt die Beklagte ergänzend den Vorwurf des „Dienstvergehens durch unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst“, obwohl dieser Pflichtenverstoß nach den Erkenntnissen des Ermittlungsberichts nicht vorlag und ausdrücklich nicht Gegenstand der Suspendierung und Bezügeeinbehaltung war. Bereits dies könnte einen Fehler im Disziplinarverfahren bedeuten, welcher bei Fortgang des Verfahrens und Erhebung der Disziplinarklage hätte bedeutsam sein können (vgl. § 52 DG LSA).
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3.) Zur Überzeugung des Disziplinargerichts bestehen weiterhin jedenfalls Zweifel und Unsicherheiten hinsichtlich des - bereits - festgestellten Sachverhalts und der daraus zu ziehenden disziplinarrechtlichen Schlussfolgerungen, welche nur bei Fortgang des Disziplinarverfahrens hätten aufgeklärt und bewertet werden können. Das Disziplinargericht hält es für erforderlich, dazu erneut auf seine Ausführungen in seinem Beschluss vom 11.11.2010 (8 B 15/10; juris) zur Suspendierung und Bezügeeinbehaltung zu verweisen. Denn die Sach- und Rechtslage hat sich seitdem nicht geändert:
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„Das Gericht vermag ein die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigendes schweres Dienstvergehen nicht zu erkennen. Jedenfalls sind derzeit keine hinreichend greifbaren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller durch sein Verhalten die ihm als (Medizin-)Professor eingeräumten Möglichkeiten in einer mit seinem Amt nicht zu vereinbarenden Weise zielgerichtet eigennützig eingesetzt bzw. im Zusammenhang mit dem Betrieb der ALH in anderer schwerwiegender Weise gegen die ihm obliegenden Amtspflichten als Professor verstoßen hätte. Dies gilt auch für Zeit nach Beendigung des Kooperationsvertrages. (juris-Abdruck; Rz. 103).
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Auswirkungen auf die vom Antragsteller u. a. wahrzunehmende Krankenversorgung bzw. andere Dienstpflichten im Hauptamt hatte die ggf. ohne Anzeige bzw. unter Verstoß gegen andere Vorschriften des Nebentätigkeitsrechts durchgeführte Tätigkeit des Antragstellers in der ALH nicht. So ist die ursprünglich im Disziplinarverfahren vorgehaltene Anschuldigung, dass der Antragsteller wegen seiner Tätigkeit an der ALH unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben sei (vgl. Bescheid, Vorwurf c), nicht mehr aufrechterhalten worden. Die disziplinarrechtlichen Ermittlungen haben insoweit ergeben, dass der Antragsteller seine dienstliche Tätigkeit und damit die Erfüllung einer seiner Hauptaufgaben an der Universität sowohl in der Krankenversorgung als auch in den sonstigen sich aus § 34 HSG LSA ergebenden Pflichten als Hochschullehrer jedenfalls im ausreichenden Maße nachkommt. (juris-Abdruck; Rz. 104).
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Nach dem Aktenstudium und der Vielzahl der Unterlagen, die eingangs des Beschlusses dargestellt wurden, verdeutlicht insbesondere der Schriftwechsel zwischen den Beteiligten, dass diese von vornherein von unterschiedlichen Maßstäben und Wertungen, insbesondere zur Begrifflichkeit der Krankenversorgung und zur Tätigkeit in der ALH ausgegangen sind. […] Jedoch kann auch dem Antragsteller nach der Aktenlage nichts Gegenteiliges unterstellt werden. Vielmehr vermitteln die Unterlagen zur Überzeugung des Gerichts ein anderes Bild. (juris-Abdruck; Rz. 105).
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Bereits in seinem Antrag vom 28.06.2004 (Bl. 25 BA C; siehe oben unter I.) wies der Antragsteller darauf hin, dass er keine Krankenversorgung von Krankenkassen-Regelleistungen anbieten werde, wobei es jedoch von der wissenschaftlichen Ausrichtung des AN-Institutes erforderlich sei, dass projektbezogen auch Behandlungen an Patienten mit Gerätschaften des AN-Institutes durchgeführt werden. Die Arbeit am Patienten werde jedoch in eng begrenzten Projekten und indikationsbezogen erfolgen, so dass eine Erbringung von Versorgungsleistungen bei stationären und poliklinischen Patienten ausdrücklich ausgeschlossen sei. Dementsprechend war von vornherein klar, dass der Antragsteller die wissenschaftliche Ausrichtung des AN-Institutes nur durch die Gewinnung geeigneter Patienten ausüben kann. Diese frühzeitige Bekundung ist ausweislich der unter I. oben wiedergegebenen Unterlagen hinreichend belegt. Zur Überzeugung des Gerichtes liegt gerade in der Zurverfügungstellung bzw. Erreichbarkeit hinreichender Patientenströme die Problematik des Falls und der Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten. Insoweit vertritt die Antragsgegnerin die strikte Auffassung, dass geeignete Patienten für die Forschung im AN-Institut nur durch vorherige Untersuchung in der Universitätsaugenklinik und anschließender Überweisung an die ALH dann dort zu Forschungszwecken behandelt werden dürfen. Hingegen erklärt der Antragsteller wiederholt, dass dies im praktischen Umgang mit den Patienten nicht möglich erscheine. So erklärt der Antragsteller anlässlich seiner Vernehmung im laufenden Disziplinarverfahren am 23.10.2009 (Bl. 75, 65 BA D) zu der Frage der Ermittlungsführerin, ob es richtig sei, dass die Patienten, die ins AN-Institut kommen, durch Mundpropaganda, vom Hörensagen etc. kommen, aber nicht aufgrund einer Überweisung durch das Klinikum: (juris-Abdruck; Rz. 106)
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„Nein, von wem denn. Das müsste ich selber machen. Es ist so, dass in Ausnahmefällen, wenn ich in der Augenklinik Patienten sehe, die also praktisch eine Studie am AN-Institut durchführen, die nun also praktisch auf die Situation dieses Patienten zutrifft, dann mache ich den Patienten darauf aufmerksam und weise ihn darauf hin, dass wir das machen, einfach, um ihm dann auch die Wahl zu geben, in welcher Form er sich dann letztendlich operieren und versorgen lassen will.“ (juris-Abdruck; Rz. 107).
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Auf die Frage der Ermittlungsführerin, wie mit Patienten verfahren werde, bei denen nach der Erstuntersuchung festgestellt werde, dass sie nicht für eine Studie geeignet seien, z. B. bei Erkrankung am Grünem Star, erklärt der Antragsteller (Bl. 64 BA D): (juris-Abdruck; Rz. 108)
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„Es ist ja ein Laserinstitut, ein Institut was sich mit refraktiver Chirurgie und mit der Korrektur der Refraktionen beschäftigt. Und wenn ein Patient in dieses Raster nicht reinpasst, dann schicken wir ihn an andere Stellen und es wird dann nicht weiter behandelt. Wir sind an Glaukomen nicht interessiert. Wenn natürlich ein Patient kommt, beispielsweise mit einem hohen Druck und wir eine notfallmäßige Behandlung durchführen müssen, dann machen wir das nolens volens. Aber wir sehen zu, dass wir ihn schnell wieder loswerden {...}. Dies ist dann eine normale Krankenkassenleistung, wobei wir bei dieser Untersuchung eigentlich das Glaukom nur nebenher behandeln. Wir gucken uns die Refraktion des Auges an und machen jedem Patienten eine Sehschärfenüberprüfung, wie gucken, ob er eine hohe Hornhautverkrümmung hat, ob er irgendwas hat, was in unseren Bereich hineinfällt. Wir machen auch eine Erhebung von Astigmatismen in der Bevölkerung. Wir brauchen ein Kontrollkollektiv in diesem Bereich. Wir sehen schon zu, dass wir unsere Studienziele und unsere Fallgestaltungen bearbeiten. Aber wir wollen jetzt nicht in Konkurrenz treten zur Augenklinik, die ist ja viel breiter aufgestellt. Ich habe im Institut wirklich nur den Sektor meines Interesses, den wir bearbeiten.“ (juris-Abdruck; Rz. 109).
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Im Rahmen seiner Vernehmung vom 17.06.2010 (Bl. 547 BA E) äußert sich der Antragsteller hinsichtlich seiner Beweggründe zur Gründung der ALH. Demnach wollte er gerade ein medizinisches Feld besetzen, um dieses nicht anderen, insbesondere überregionalen Medizinanbietern zu überlassen, um so eine Konkurrenz zur Augenklinik durch derartige überregionale Großunternehmen zu verhindern. Er führt aus: (juris-Abdruck; Rz. 110).
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„{...} meine Bestrebung war im Grunde, gerade im laserchirurgischen Bereich, aber jetzt auch mit der Makula ein Feld zu besetzen, in Unterstützung der Augenklinik, um zu verhindern, dass diese Dinge von anderen Konkurrenten in der Region ausgefüllt werden. Ich will Ihnen ein Beispiel sagen: In Leipzig, mein Amtsbruder, Prof. W., hatte einen Augenlaser in der Klinik und hat ein bisschen refraktive Chirurgie gemacht. Dann dauerte es nicht lange, da haben externe Investoren aus H. erkannt, dass L. vielleicht eine ganz gewinnbringende Region ist und haben von der Kette Euroeyes ein Laserzentrum in der L. Innenstadt, Nähe Hauptbahnhof, installiert, mit der Folge, dass die Zahlen in der Augenklinik zurückgingen und der Prof. W. seinen Laser auf Verfügung des Klinikumsvorstandes abgeben musste. Jetzt gibt es keinerlei refraktive Chirurgie mehr an der Augenklinik, aber es gibt eine prosperierende Kette in der L. Innenstadt, die dieses Feld besetzt. Das ist Konkurrenz. Und was wir gemacht haben, beispielsweise in Sachen Laserzentrum, dass wir ergänzend zur Augenklinik dieses Feld auch angebunden an den niedergelassenen Bereich besetzt haben. Und diesem Vorgang ist es zu verdanken, dass es so was im niedergelassenen Bereich, speziell in A-Stadt, nicht gibt. {...}. Und mit der Existenz, auch dieses Makulazentrums habe ich die Möglichkeit, praktisch als universitärer Repräsentant dieses Feld, nicht nur in der Augenklinik zu besetzen, sondern auch mit einem Standbein im niedergelassenen Bereich und das kommt letztendlich der Universität zugute. Ich hoffe, dass das irgendwann verstanden werden wird. (juris-Abdruck; Rz. 111).
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{...} Wir machen in der Augenklinik pro Woche etwa 40 Injektionen bei Makulaerkrankungen. Im Augen-Laserzentrum und auch im Makulazentrum sind es - wenn es hoch kommt - vielleicht vier oder fünf pro Woche. Das heißt, nicht nur das Spektrum der Augenklinik, auch das operative Aufkommen ist unvergleichbar höher, verglichen mit dem, was dort am Rathenauplatz läuft. Das hat mehr symbolische Bedeutung, was dort stattfindet. Es ist ein Verfolgungswahn schon fast, das behauptet wird, dass durch die Existenz dieser Einrichtung und durch das als Konkurrenz gesehene Angebot am Rathenauplatz die Augenklinik Schaden nimmt. Das ist real nicht so.“ (juris-Abdruck; Rz. 112).
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So ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus einer Vielzahl von Dokumenten dass dem Antragsteller gerade nicht unterstellt werden kann, dass er von Anbeginn seiner Tätigkeit in der ALH eine Schwächung/Schädigung der Universitätsaugenklinik beabsichtigt hatte. Es dürfte vielmehr so sein, dass es im Laufe der Jahre 2007 und 2008 Differenzen zwischen den Beteiligten [wohl] hinsichtlich der Erfüllung des Kooperationsvertrages gab. So fühlte sich der Antragsteller von der Antragsgegnerin hinsichtlich der Ausstattung in personeller und sachlicher Hinsicht nicht hinreichend unterstützt.[ …]. In diesem Zusammenhang ist auch die Beantragung des Kassenarztsitzes zu verstehen. Denn der Antragsteller führt wiederholt aus, dass dies zur unmittelbaren Finanzierung der Forschungstätigkeit an der ALH notwendig sei. Der Antragsteller führt anlässlich seiner Vernehmung am 17.06.2010 (Bl. 547 BA E) aus: (juris-Abdruck; Rz. 113).
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„Der Gesellschaftszweck und auch damals der Zweck des Kooperationsvertrages war die Entwicklung und Evaluierung refraktiv-chirurgischer Operationsmethoden und -verfahren. Und dazu gehören nicht ausschließlich Laserverfahren, sondern beispielsweise, was heute einen viel größeren Stellenwert einnimmt, die Einsetzung und Bewertung von Implantaten also auch von Kunstlinsen. Und sie haben Recht, die Lasereingriffe werden weit überwiegend nicht von gesetzlichen Krankenkassen bezahlt und von privaten Krankenkassen werden sie teilweise bezahlt. Aber die Einsetzung einer Kunstlinse ist ein Eingriff, der in den kassenärztlichen Bereich hineingeht und beispielsweise regulären Kassenpatienten nicht als Privatleistung in Rechnung gestellt werden kann. Das würden die Patienten nicht verstehen und damit lassen sich dann auch keine Studien füttern. Das heißt, wir müssen im Rahmen des Laserzentrums die Möglichkeit haben, refraktiv-chirurgische Kunstlinsenimplantationen abzurechnen und dafür ist die Aufrechterhaltung des hälftigen Kassenarztes Voraussetzung. Wenn wir das nicht mehr hätten, wäre die Arbeit des Laserzentrums in der Form, wie wir sie heute durchführen, nicht denkbar.“ (juris-Abdruck Rz. 114).
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Sofern die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang vorträgt, dass es nicht nachvollziehbar sei, den Kassenarztsitz zur finanziellen Absicherung der Forschungsaktivitäten heranzuziehen und ein Bedarf an Studienpatienten durch die Informationen an niedergelassene Augenärzte oder aus der Ambulanz der Augenklinik hätte rekrutiert werden können, denn die Beantragung eines Kassenarztsitzes diene ausschließlich dem Sicherstellungsauftrag zur ambulanten Behandlung von Patienten der gesetzlichen Krankenkasse, so dass derartige Leistungen in keinem Zusammenhang mit einem für Forschung und Lehre veranlassten Bedarf stünden, so trägt dies nicht. Diese Aussage ist in dieser abstrakten Weise zwar zutreffend, nimmt aber nicht hinreichend Rücksicht auf die vom Antragsteller vorgetragenen Besonderheiten bei der Gewinnung von Patientenströmen für die Forschungstätigkeit. Denn wie bereits dargelegt, hat der Antragsteller wiederholt ausgeführt, dass im Vorfeld bzw. im Zusammenhang mit der klinischen Forschung diverse Untersuchungen am Patienten durchgeführt werden müssen, bevor der Patient in ein konkretes Forschungsprogramm integriert werden könnte. Bereits diese Voruntersuchungen müssen dann jedoch kassenärztlich abgerechnet werden können.“ (juris-Abdruck; Rz. 115)
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Inwieweit der Antragsteller tatsächlich bereits im Vorfeld der Anerkennung als AN-Institut ausgeführt habe, dass es in einem Verhältnis von 80:20 zur tier- bzw. patientenorientierten Forschung komme, vermag dahingestellt bleiben. Denn diese Aussage ist bislang nicht hinreichend belegbar und müsste im laufenden Disziplinarverfahren weiter aufgeklärt werden. […]. (juris-Abdruck; Rz. 116)
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{…] Soweit nunmehr im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens zu Tage getreten ist, dass der Antragsteller bereits unter dem 06.07.2007 einen Teilkassenarztsitz beantragt hat, obwohl für die Sitzung des Klinikumvorstandes am 19.07.2007 eine gegenteilige Aussage protokolliert ist, führt dies jedenfalls nicht dazu, das gesamte Verhalten des Antragstellers im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für und in der ALH in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Unterstellt, die vorstehenden Tatsachen stellen sich auch im weiteren Verlauf des Disziplinarverfahrens als wahr heraus, hat der Antragsteller damit zwar seine ihm gegenüber dem Dienstherren obliegende Wahrheitspflicht verletzt. Der unwiederbringliche Verlust des Vertrauens dürfte allein darauf jedoch nicht zu stützen sein, zumal dem Antragsteller hätte bewusst sein müssen, dass er wegen der Arbeit der ALH in der Öffentlichkeit und der Veröffentlichungen der Kassenärztlichen Vereinigung seine Tätigkeit nicht auf Dauer wird verschweigen können wird.“ (juris-Abdruck; Rz. 117).
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Zum zu erwartenden Disziplinarmaß führte das Gericht aus:
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„In Anbetracht der oben angeführten Grundsätze für die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme und des sich dem Gericht derzeit darbietenden Sachverhaltes dürften einer Entfernung aus dem Dienst nach der Rechtsprechung deshalb (derzeit) ernstliche Gründe entgegen stehen. Nach der Spruchpraxis der Disziplinargerichte kommt eine Weiterverwendung im öffentlichen Dienst aus Gründen der Funktionssicherung dann nicht mehr in Betracht, wenn das Vertrauensverhältnis durch das Dienstvergehen endgültig zerstört ist; dagegen bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerwGE 43, 97, 98 f.). Gleiches gilt, wenn das Dienstvergehen einen so großen Ansehensverlust bewirkt, dass eine Weiterverwendung als Beamter die Integrität des Beamtentums unzumutbar belastet. In beiden Fallgruppen ist der Beamte objektiv untragbar und daher die Entfernung aus dem Dienst geboten. Die disziplinarische Rechtsprechung hat in Konkretisierung des Schuldprinzips die Relation zwischen dem Gewicht des Dienstvergehens und der Bemessung der Disziplinarmaßnahme auf die Formel gebracht, dass die Schwere des Dienstvergehens in erster Linie in der gewählten „Strafart“ zum Ausdruck kommen muss. Dienstvergehen, die grundsätzlich eine Dienstentfernung erfordern, sind danach in erster Linie Eigentumsverfehlungen bei Ausübung des Dienstes, Bestechlichkeit und sittliche Verfehlungen. Außerhalb dieser Deliktsgruppen kann die Verhängung der Höchstmaßnahme insbesondere in Betracht kommen, wenn es sich um ein vorsätzliches schwerwiegendes Versagen im Kernbereich der Pflichten handelt, wobei nicht jede Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten bzw. der auf dem Dienst- und Treueverhältnis beruhenden Gehorsampflicht ein schwerwiegendes Versagen im Kernbereich der Pflichten, welches die Höchstmaßnahme zu rechtfertigen geeignet ist, darstellt (vgl. zum Vorstehenden BVerfG, B. v. 19.02.2003, 2 BvR 1413/01, juris). (juris-Abdruck; Rz. 118).
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Von einer endgültigen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Dienstherrn aber auch der Allgemeinheit zum Antragsteller kann bei Abwägung aller mildernden und erschwerenden Gesichtspunkte hier zur Überzeugung des Gerichts nicht ausgegangen werden. Diesbezüglich konnte sich das Gericht im Verlaufe des Verfahrens bereits des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die Antragsgegnerin von vornherein auf die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme, nämlich die Entfernung aus dem Dienst, beschränkt hat und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und der Ermessensausübung die anderen disziplinarrechtlichen Maßnahmen gar nicht hinreichend geprüft hat. Allein die Erwägung, dass die Disziplinarmaßnahmen der Gehaltskürzung oder der Geldbuße aufgrund der hohen finanziellen Einkommensverhältnisse des Beamten nicht in Betracht kämen, vermag jedenfalls kein hinreichender Grund für die quasi automatische Annahme der Höchstmaßnahme sein. Denn insoweit ist zu beachten, dass die Disziplinarmaßnahmen in einem verhältnismäßigem Stufenverhältnis stehen und daher jeweils in Bezug auf § 13 DG LSA sich an der Schwere des Dienstvergehens und des Persönlichkeitsbildes des Beamten orientieren müssen. Es wäre grundsätzlich verfehlt anzunehmen, dass Beamte aus höheren Besoldungsgruppen nur der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme unterliegen. (juris-Abdruck; Rz. 119).
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Insoweit hat die Antragsgegnerin insbesondere den Besonderheiten des vorliegenden Falles keine hinreichende Bedeutung geschenkt und für die ins Auge gefasste Disziplinarmaßnahme vorrangig auf „formelle Aspekte“ abgestellt. Für die - wie hier - relevante Tätigkeit eines Professors gelten jedoch gerade in Bezug auf seine auch im Rahmen eines AN-Institutes wahrgenommenen Tätigkeit Besonderheiten. (juris-Abdruck; Rz. 120).
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Der Gesetzgeber hat wegen der mit dem Wesen des Berufs des Hochschullehrers einhergehenden Besonderheiten, der vorrangig durch Freiheit von Forschung und Lehre bestimmt wird, von einer engen Bindung des Professors an Dienstzeiten (vgl. §§ 34 Abs. 5, 46 Abs. 2 HSG LSA) abgesehen. Der Professor schuldet seinem Dienstherrn mithin lediglich im Rahmen der ihm verliehenen Professur eine materielle Dienstleistung, die wegen ihres vorrangig schöpferischen Gehalts, weitgehend von äußeren Zwängen frei gehalten werden soll. Anders gewendet bedeutet dies, dass ein Hochschullehrer frei bestimmen kann, wann, wo und wie er den ihm im Hauptamt obliegenden Pflichten der Forschung und Lehre nachkommt, es sei denn, bestimmte Tätigkeiten gebieten es, seine Aufgaben in der Universität wahrzunehmen (Lehrveranstaltungen, Sprechstunden, Abnahme von Prüfungen etc.). Ein disziplinarischer Ansatz, der bereits dies nicht beachtet, wäre mithin verfehlt. Dies insbesondere dann, wenn die Universität im Rahmen eines Kooperationsmodells den Betrieb eines zwar privatrechtlich organisierten, jedoch einer Universität angegliederten Institutes (AN-Institut) fördert. Diese von Professoren, die zugleich an der Universität eine Professur inne haben, geleiteten Institute führen zwangsläufig zu einer „Vermengung“ der Tätigkeit eines Professors, bei der dann zum Teil in zeitlicher, örtlicher und auch sachlicher Hinsicht nicht mehr zwischen der Tätigkeit für die Universität und das Institut unterschieden werden kann. Die mit einer solchen Kooperation verbundenen Synergien für beide Seiten – kommerzielle Interessen der (privaten) Träger auf der einen Seite und bessere Reputation der Universität, z. B. durch schnellere Forschungserfolge auf der anderen, – verlangen dann jedoch auch nach einer gewissen Akzeptanz der diese Synergien voraussetzenden Umstände. So gehört es zum Wesen eines AN-Institutes, dass es auf dem freien Markt über ungleich andere Möglichkeiten, z. B. in der materiellen Ausstattung (Drittmittel u. ä.) und Darstellung in der Öffentlichkeit verfügt, als eine universitäre Einrichtung (Klinik); trotz des Status als AN-Institut ist und bleibt es privatrechtlich auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Zwar kann dies nicht zur Duldung von Dienstpflichtverletzungen führen. Die Gestaltung der Umstände, unter denen ein Professor die ihm übertragene Verantwortung für Forschung, Lehre und Weiterbildung in seinem Fach eigenverantwortlich wahrnehmen kann (§ 34 Abs. 1 Satz 1 HSG LSA), sind jedoch ungleich vielfältiger und bei der Beurteilung seiner Tätigkeit zu beachten. Was sich nach außen als Konkurrenz darstellt, kann sich bei näherer Betrachtung jedoch auch als notwendige Gestaltungsform im Rahmen des Kooperationszwecks erweisen. Die Grenze dürfte dort erreicht sein, wo dieser völlig hinter die Privatnützigkeit zurücktritt, hier also die ALH lediglich im Kleide des AN-Institutes erscheint. Insoweit wird die Antragsgegnerin ggf. auch Feststellungen zu der von dem Antragsteller betriebenen Forschungen im AN-Institut zu treffen haben (vgl. zum Forschungsbegriff §§ 23 ff. HSG LSA). Insbesondere zur Klärung der Frage „Krankenversorgung“ wird es unabdinglich sein aufzuklären, inwieweit der Kooperationsvertrag tatsächlich umgesetzt wurde. Der Antragsteller dürfte sich nach Auffassung des Gerichts jedenfalls nicht darauf zurückziehen können, die Verletzung von Dienstpflichten unter Hinweis auf seine Pflichten aus dem Vertrag zu rechtfertigen. Sollte der Vertrag von der einen oder anderen Seite nicht eingehalten worden sein, sind in erster Linie Ansprüche daraus geltend zu machen, ggf. ist auf Auflösung des Vertrages zu drängen. (juris-Abdruck; Rz. 121).
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Eine wie hier gestaltete Tätigkeit des Antragstellers stellt jedoch keinen „Freibrief“ dar. Auch er hat seine Tätigkeit für das private Unternehmen in achtungsvoller Weise wahrzunehmen und den Kernbereich seiner Dienstpflichten uneigennützig auszufüllen. Denn gerade dort, wo die Ausübung der dienstlichen Kernpflichten vor äußeren Einflüssen aus wohl verstandenen Gründen geschützt werden soll, geht dies mit einer gesteigerten Verantwortung des Amtsträgers einher. Die Universität oder die Klinik dürfte z. B. nicht in der Lage sein, die Ursachen für bestimmte Patientenströme festzustellen bzw. den Antragsteller bei seiner medizinischen Indikation zu kontrollieren (vgl. dazu VG A-Stadt, a. a. O., S. 18 BA). Feststellungen zu einer solchen Amtsführung des Antragstellers, die vorwiegend eigennützig geprägt ist, sind bislang nicht getroffen worden. Jedenfalls genügen die in das Verfahren eingeführten (absoluten) Zahlen zum Rückgang der Einnahmen der Augenklinik dem nicht. Hier dürfte es zwingend erforderlich sein, die näheren Umstände aufzuklären. Gleiches gilt für die Frage, welches Leistungsspektrum durch die Augenklinik und die ALH vorgehalten werden. Eine ausschließliche Beurteilung durch die kaufmännische Leiterin dürfte dem nicht hinreichend gerecht werden. (juris-Abdruck; Rz. 122).
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Bislang bestehen keine hinreichend belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass mit der Tätigkeit des Antragstellers für die ALH ein schwerwiegender Ansehensverlust und damit ein endgültiger Vertrauensverlust des Dienstherren oder der Allgemeinheit eingetreten sind. (juris-Abdruck; Rz. 123)
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Für einen Ansehensverlust in der Öffentlichkeit liegen weder greifbare Anhaltspunkte vor noch sind dazu bislang Feststellungen getroffen worden. Der augenärztliche Versorgung Suchende wird es eher begrüßen, wenn sich u. a. auch ein renommierter Professor auch außerhalb seiner Klinik Patienten zuwendet. Dass sich das konkrete Verhalten des Antragstellers bei objektiver Betrachtung für Außenstehende zwingend als Zweitberuf darstellen muss (so VG A-Stadt, a. a. O., S. 21 BA), ist nicht zwangsläufig, zumal sich die Sicht der Gesellschaft auf einen „Zweitberuf“ gewandelt haben dürfte, die Privatliquidation auch beamtenrechtlich anerkannt ist (vgl. BVerfG, B. v. 07.11.1979, 2 BvR 513/73, juris; siehe auch §§ 14 f. HNVO LSA) und der Umfang der Tätigkeit des Antragstellers für die ALH erkennbar begrenzt war. (juris-Abdruck; Rz. 124)
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Ob dies bei den weiteren Ermittlungen im Zuge des noch anhängigen Disziplinarverfahrens oder gar aufgrund strafrechtlicher Ermittlungen anders zu beurteilen sein wird, muss hier noch nicht entschieden werden. Jedenfalls stellt sich das Geschehen bislang so dar, dass es mit den beamtenrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Nebentätigkeitsvorschriften hinreichend geregelt werden dürfte. Dementsprechend verweist das Disziplinargericht auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts A-Stadt in dem Beschluss vom 27.09.2010 (5 B 86/10 HAL). Erst wenn der Antragsteller den diesbezüglichen Regelungen hinsichtlich der Nebentätigkeit nicht nachkommt, dürfte überhaupt die Schwelle der Disziplinarverfolgung erreicht sein.“ (juris-Abdruck; Rz. 125).
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Demnach hat das Disziplinargericht bereits im damaligen Beschluss deutlich herausgestellt, dass im Disziplinarverfahren weitere Aufklärung zu betreiben ist, um die Disziplinarvorwürfe eindeutig zu definieren und schließlich das Disziplinarmaß zu bestimmen. Das Disziplinargericht hat ebenso unzweifelhaft klargestellt, dass das Disziplinarverfahren nicht etwa „aus der Luft gegriffen“ und damit haltlos sei. Disziplinarbewährt war das Verhalten des Klägers auf jeden Fall. Vielmehr stand und steht mangels des eingestellten Disziplinarverfahrens nicht fest, dass „die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis“ nach den strengen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Nr. 4 DG LSA „gerechtfertigt gewesen wäre.“ Dies deswegen, weil die dem Kläger vorgeworfenen Handlungen und die disziplinarrechtliche Bewertung derselben derart komplex sind, dass sie nur in dem vom Disziplinargericht im Beschluss vom 11.11.2010 dargestellten Gesamtzusammenhang gesehen werden können und müssen. Ein „herunterbrechen“ auf einzelne isolierte Handlungen wird der disziplinarrechtlich notwendigen Gesamtabwägung der Ereignisse nicht gerecht. Das komplexe, über mehrere Jahre andauernde Geschehen kann nicht allein daran festgemacht werden, dass der Kläger die Unwahrheit gesagt bzw. die Gremien der Beklagten angelogen habe. Auch dies unterstellt, muss - wie in dem Beschluss des Gerichts ausgeführt - in der disziplinarrechtlichen Bewertung der Gesamtpersönlichkeit des Klägers nach § 13 DG LSA, seine Motivation für dieses Verhalten, zwingend und ausreichend gewürdigt werden. Dabei sind nur gezielte, grobe und treuwidrige Täuschungen disziplinarrechtlich bedeutsam. Weiter wären bei Fortgang des Verfahrens in diesem Zusammenhang zwingend die stets disziplinarrechtlich zu würdigenden Milderungs- und Entlastungsgründe für das klägerische Verhalten zu hinterfragen und zu würdigen gewesen (Bayersicher VGH, Beschluss v. 07.05.2013, 16a D 10.1558; juris). Dies gilt gerade beim Ausspruch der disziplinaren Höchstmaßnahme. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass er als angesehene Kapazität auf dem Gebiet der Augenheilkunde und nach dem beiderseitigen Willen der Beteiligten um die Schaffung des ALH als AN-Institut der Universität auch zum Wohle und Ansehen der Beklagten beigetragen hat.
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Demnach wäre die behördliche Feststellung der Entfernung nur dann gerechtfertigt, wenn das Dienstvergehen und die dem zugrundeliegenden Geschehnisse derart klar und eindeutig feststellbar wären, dass die daraus bedingte Schwere der Pflichtverletzung auch unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Nichtvorliegens von Milderungs- und Entlastungsgründen die Entfernung als Ausfluss der disziplinaren Lösungsfunktion zwingend auszusprechen wäre. Dies kann etwa dann vorliegen, wenn das Dienstvergehen einen der Tatbestände der von der Disziplinarrechtsprechung herausgearbeiteten Verstöße erfüllt, die regelmäßig die Entfernung nach sich ziehen, wie dies beispielhaft bei den im Dienst begangenen Zugriffsdelikten der Fall ist. An dieser Einfachheit der disziplinarrechtlichen Bewertung fehlt es im vorliegenden Fall erkennbar.
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III.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 DG LSA, § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Denn dem Kläger war die eigenständige Durchführung des Widerspruchsverfahrens aufgrund der hier vorliegenden schwierigen Rechtsfragen des Dienst- und Disziplinarrechts nicht zumutbar.
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Nach § 123 a i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat das Gericht die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Denn erkennbar fehlen gerichtliche Entscheidungen zu den Anforderungen an die Feststellung des Verfalls der Dienstbezüge, so die Klärung der sich insoweit stellenden Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist.
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die nach § 38 Abs. 2 und 3 einbehaltenen Bezüge verfallen, wenn
- 1.
im Disziplinarverfahren auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt worden oder eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgt ist, - 2.
in einem wegen desselben Sachverhalts eingeleiteten Strafverfahren eine Strafe verhängt worden ist, die den Verlust der Rechte als Beamter oder Ruhestandsbeamter zur Folge hat, - 3.
das Disziplinarverfahren auf Grund des § 32 Abs. 1 Nr. 3 eingestellt worden ist und ein neues Disziplinarverfahren, das innerhalb von drei Monaten nach der Einstellung wegen desselben Sachverhalts eingeleitet worden ist, zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder zur Aberkennung des Ruhegehalts geführt hat oder - 4.
das Disziplinarverfahren aus den Gründen des § 32 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 eingestellt worden ist und die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde (§ 34 Abs. 2) festgestellt hat, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts gerechtfertigt gewesen wäre.
(2) Wird das Disziplinarverfahren auf andere Weise als in den Fällen des Absatzes 1 unanfechtbar abgeschlossen, sind die nach § 38 Abs. 2 und 3 einbehaltenen Bezüge nachzuzahlen. Auf die nachzuzahlenden Dienstbezüge können Einkünfte aus genehmigungspflichtigen Nebentätigkeiten (§ 99 des Bundesbeamtengesetzes) angerechnet werden, die der Beamte aus Anlass der vorläufigen Dienstenthebung ausgeübt hat, wenn eine Disziplinarmaßnahme verhängt worden ist oder die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde feststellt, dass ein Dienstvergehen erwiesen ist. Der Beamte ist verpflichtet, über die Höhe solcher Einkünfte Auskunft zu geben.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.