Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 27. Juni 2018 - 7 A 637/14

bei uns veröffentlicht am27.06.2018

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung der Finanzhilfe für das Schuljahr 2013/2014 auf insgesamt 562.364,76 € und begehrt weitergehende Finanzhilfe für die in seiner Trägerschaft stehende …schule H., eine genehmigte Ersatzschule von besonderer pädagogischer Bedeutung mit den (seinerzeitigen) Klassenstufen 1 bis 4 sowie 5 bis 10.

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Unter dem 11.07.2013 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung von Finanzhilfe für das Schuljahr 2013/2014.

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Mit Bescheid vom 04.11.2014 wurde die Finanzhilfe gegenüber dem Kläger für das Schuljahr 2013/2014 endgültig auf insgesamt 562.364,76 € festgesetzt. Zur Begründung bezog sich der Beklagte im Wesentlichen auf die Vorschriften der §§ 18 ff. SchulG LSA sowie §§ 8 und 15 ESch-VO.

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Mit Bescheid vom 10.02.2016 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid. Dabei blieb die festgesetzte Höhe der Finanzhilfe unverändert. In der Begründung des Bescheides verwies der Beklagte auf § 15 Abs. 1, 2 und 3 SchifT-VO. Mit weiterem Bescheid vom 16.09.2016 erließ der Beklagte einen zweiten Änderungsbescheid, ohne die festgesetzte Höhe der Finanzhilfe zu ändern, mit der Begründung, die Schlussrechnung der Finanzhilfe für das Schuljahr 2013/2014 des Bescheides vom 04.11.2014 in der Fassung vom 10.02.2016 habe auf der Grundlage der Änderung der Verordnung über Schulen in freier Trägerschaft vom 26.07.2016 zu erfolgen.

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Gegen den Ausgangsbescheid hat der Kläger am 08.12.2014 Klage erhoben und führt zur Begründung insbesondere aus, die derzeit in § 18a Abs. 3 S. 2 Ziffer 1 S. 3 und 4 SchulG LSA gesetzlich normierte zusätzliche Stundenpauschale sei unzulässig. Die zusätzliche Stundenpauschale müsse mindestens auf das Niveau der für Sekundarschulen festgesetzten Pauschale aufgestockt werden. Die für den Kläger vergleichbare Schulform sei nämlich die Sekundarschule. Auch das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt habe in seinem Beschluss vom 01.11.2017 (Az. 3 L 207/16) Zweifel an der Zulässigkeit der Berechnungsmethode des Beklagten als berechtigt angesehen, da diese mit der aktuellen Rechtslage nicht (mehr) in Einklang zu bringen sei. Die Finanzhilfe berechne sich nach der konkreten Zahl der Schüler und Schülerinnen, die die Schule im entsprechenden Jahrgang besuchen würden. Somit seien bei deren Berechnung alle Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen. Die vom Beklagten vorgelegten Berechnungen würden somit nicht der derzeitigen Gesetzeslage entsprechen und würden damit diverse Bedenken mit Blick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auslösen. § 10 ESch-VO und nunmehr § 9 Abs. 2 SchifT-VO schreibe dem Beklagten vor, dass zur Berechnung der Finanzhilfe für die von dem Kläger betriebenen Schulform der …schule mangels einer direkten Entsprechung im öffentlichen Schulwesen als Vergleichsmaßstab hinsichtlich der Klassenstufen 5-12 auf die Sekundarschule abzustellen sei. Aus diesem Grund wäre zur Berechnung der Finanzhilfe, insbesondere der streitgegenständlichen Stundenpauschale, der an der Schulform der Sekundarschule anfallende Wochenstundenbedarf heranzuziehen. Die von dem Kläger betriebenen Schulen der …schule würden gemäß dem künstlerisch und handwerklich orientierten Konzept mehr als viermal so viele Stunden je Klasse einer Aufteilung nach Lerngruppen wie an der Vergleichsschulform Sekundarschule unterziehen. Darüber hinaus unterrichte der Kläger eine zweite Fremdsprache ab der ersten Klasse und gewähre zusätzliche Stunden zur Förderung abschlussgefährdeter Schüler. Auch wenn der Kläger damit einen Zusatzbedarf von mindestens 7,13 Stunden habe und dies eine weit höhere als die für die Sekundarschule festgelegte zusätzliche Stundenpauschale von 4,07 Stunden darstelle, begehre er lediglich die Gleichstellung mit der ihm vom Verordnungsgeber zugewiesenen vergleichbaren Schulform. Nach Auffassung des Klägers sei der Beklagte nicht berechtigt, im Wege einer untergesetzlichen Verordnung bzw. durch gelebte Verwaltungspraxis dem Kläger für die von ihm betriebene Schulform Elemente aus der sog. zusätzlichen Stundenpauschale, wie sie für die vergleichbare Schulform Sekundarschule gewährt werde, mit der Begründung zu verweigern, durch den Umstand, dass auch für die Jahrgangsstufen 11 und 12 Finanzhilfe gewährt werde bzw. die Wochenstundenbedarfe nebst Zusatzpauschale berücksichtigt werden würden, und der Kläger dadurch einen unberechtigten Vorteil erhalte, müsse dieser an anderer Stelle, nämlich bei der Festlegung der eigenen (niedrigeren) Zusatzpauschale, wieder ausgeglichen werden. Diese Begründung verletze den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, da das SchulG LSA und die darauf basierenden Verordnungen die zu gewährende Finanzhilfe allein von der Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die die genehmigte Schule besuchen, abhängig mache. Dieses Modell könne der Beklagte auch nicht per Verordnung unterwandern, indem er nur anteilige Elemente aus der der Sekundarschule gewährten zusätzlichen Stundenpauschale im Schülerkostensatz für die von dem Kläger betriebene Schulform berücksichtige.

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Die im Bescheid zu Grunde gelegte Stundenpauschale sei nicht nachvollziehbar und verstoße daher gegen das Bestimmtheitsgebot von Art. 79 Abs. 1 S. 2 Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt. Lediglich in § 10 Abs. 2 S. 2 ESch-VO finde sich zu den Waldorfschulen eine Regelung zur Stundenpauschale. Es lasse sich vorliegend auch nicht durch Auslegung ermitteln, welchen Regeln die Bemessung der „Stundenpauschale“ gemäß § 18a Abs. 3 S. 2 Ziffer 1 S. 3 und 4 SchulG LSA für das streitgegenständliche Schuljahr richtigerweise zu folgen habe. Die Festsetzung der zusätzlichen Stunden-pauschale müsse entsprechend Art. 28 Abs. 2 S. 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt durch Gesetz determiniert sein. Die Frage, wie die zulässige Stundenpauschale zu ermitteln sei, habe sich folglich nicht im rechtsfreien Raum oder innerhalb der Verwaltung der Landesbehörden durch jährlichen Runderlass zu vollziehen, sondern müsse durch Gesetz bestimmt werden. Aus diesem Grund müsse die zusätzliche Stundenpauschale selbst oder deren Berechnung unmittelbar durch (Schul-) Gesetz selbst geregelt werden, jedenfalls auf Basis einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung in der (SchifT-) Verordnung.

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Möglicherweise könnten die obigen Ausführungen wegen § 15 Abs. 2 SchifT-VO dahinstehen. Eine Differenzierung zwischen den Klassen 1-4 und der Sekundarstufe er-folge nicht, so dass nach dem Wortlaut der Regelung eine nachträgliche Festsetzung hinsichtlich aller Klassenstufen der …schulen gemäß der in § 9 Abs. 3 Nr. 6 b SchifT-VO angegebenen Stundenpauschale seitens des Verordnungsgebers bezweckt sein dürfte. Diese betrage danach 3,64.

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Der Wortlaut des § 15 Abs. 2 SchifT-VO (rückwirkende Festsetzung) lasse den Schluss zu, dass der Verordnungsgeber auf die rückwirkende Festsetzung im Rahmen der Finanzhilfebescheide abstelle und insoweit die aktuell innerhalb des § 9 Abs. 3 Nr. 6 b SchifT-VO durch Verordnung festgesetzte zusätzliche Stundenpauschale zu Grunde gelegt wissen möchte. Die Berichtigung innerhalb des Gesetz- und Verordnungsblattes des Landes Sachsen-Anhalt Nr. 28/2015 (gemeint ist wohl Nr. 18/2015) dahingehend, dass die Angabe „§ 9 Abs. 3 Nr. 6 Buchst. b“ in § 15 Abs. 2 der SchifT-VO durch die Angabe „§ 9 Abs. 3 Nr. 6 Buchst. h und i“ ersetzt wird, gehe ins Leere. Der Berichtigung zugänglich seien nur offensichtliche Schreib- oder Übertragungsfehler. Bereits der Entwurf der SchifT-VO neue Fassung habe den Verweis auf § 9 Abs. 3 Nr. 6 Buchst. b SchifT-VO und nicht auf § 9 Abs. 3 Nr. 6 Buchst. h und i SchifT-VO vorgesehen. Aus diesem Grunde könne eine Differenzierung zwischen den Klassen 1-4 und der Sekundarstufe nicht erfolgen.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers vom 11.07.2013 auf Festsetzung von Finanzhilfe für das Schuljahr 2013/2014 für die …schule H. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Der Bescheid des Beklagten vom 04.11.2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 10.02.2016 und 16.09.2016 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er tritt der Klage mit der Begründung entgegen, dass der Kläger in den Jahrgangsstufen 5 bis 12 zu Unrecht die vollständige Gleichbehandlung mit den Sekundarschulen begehre.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

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Die Festsetzung der Finanzhilfe für das Schuljahr 2013/2014 auf insgesamt 562.364,76 € mit Bescheid des Beklagten vom 04.11.2014 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 10.02.2016 und 16.09.2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrages auf Festsetzung der Finanzhilfe für das Schuljahr 2013/2014 vom 11.07.2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (vgl. § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO).

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Maßgeblich für die Entscheidung des Gerichts sind die Rechtsvorschriften, die im Zeitpunkt der Entscheidung für die Beurteilung des Klagebegehrens Geltung beanspruchen. Dies gilt auch für Verpflichtungsklagen (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.11.1994 - 3 C 17/92 -, BVerwGE 97, 79 - 93), wozu auch die hier erhobene Neubescheidungsklage zählt.

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Gemäß § 18 Abs. 1 des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (SchulG LSA) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.02.2013 (GVBl. LSA 2013, 68), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 25.02.2016 (GVBl. LSA 2016, 89/94) gewährt das Land den anerkannten Ersatzschulen in freier Trägerschaft auf Antrag eine Finanzhilfe als Zuschuss zu den laufenden Personal- und Sachkosten. Nach § 18 Abs. 2 SchulG LSA erhalten Finanzhilfe auch Ersatzschulen von besonderer pädagogischer Bedeutung, die die Gewähr dafür bieten, dass sie dauernd die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllen. Der Zuschuss richtet sich gemäß § 18a Abs. 1 S. 1 SchulG LSA nach der Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Schule besuchen. Er wird je Schuljahrgang höchstens für die Zahl der Schülerinnen und Schüler gewährt, die das Produkt aus der Anzahl der Klassen im betreffenden Schuljahrgang des Bildungsganges der Ersatzschule und der Klassenfrequenz an entsprechenden öffentlichen Schulen gemäß Abs. 3 S. 2 Nr. 3 um nicht mehr als 20 v.H. überschreitet, vgl. § 18a Abs. 1 S. 2 SchulG LSA. Nach § 18a Abs. 2 S. 1 SchulG LSA wird der Zuschuss als jährlicher Pauschalbetrag (Schülerkostensatz) gewährt und setzt sich aus Teilbeträgen je Schüler für die Personalkosten für Lehrer, für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Grundschulen sowie für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Betreuungskräfte an Förderschulen und den Sachkosten zusammen. Dabei werden die Teilbeträge nach S. 2 anhand der Absätze 3-5 sowie der Verordnung nach Abs. 8 ermittelt.

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Mit § 18a Abs. 8 SchulG LSA ermächtigt der Gesetzgeber das für Schulwesen zuständige Ministerium, durch Verordnung die näheren Bestimmungen zu erlassen über das Antragsverfahren und die dazu gehörende Ermittlung der zu berücksichtigenden Zahl der Schülerinnen und Schüler sowie die Festsetzung der Stundenpauschale und andere Einzelheiten. Von dieser Ermächtigung wurde mit Erlass der seinerzeitigen Ersatzschulverordnung (ESch-VO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.12.2008 (GVBl. LSA 208, 463) und der diese ablösende Verordnung über Schulen in freier Trägerschaft (SchifT-VO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 04.08.2015 (GVBl. LSA 2015,390/569), zuletzt geändert durch Verordnung vom 25.10.2017 (GVBl. LSA 2017, 188) Gebrauch gemacht. Danach wird Finanzhilfe gewährt, indem für jede Schülerin und jeden Schüler der Ersatzschule, der am ersten Unterrichtstag des Schuljahres die Schule besucht, ein pauschalierter Betrag (Schülerkostensatz) für die Dauer des Schuljahres gezahlt wird. Verlässt eine Schülerin oder ein Schüler im Verlaufe des Schuljahres die Schule oder kommt eine Schülerin oder ein Schüler hinzu, erhält der Schulträger den Schülerkostensatz nur für die Zeit der Verweildauer der Schülerin oder des Schülers an der Schule. Hat eine solche Schülerin oder ein solcher Schüler die Schule mindestens 15 Kalendertage eines Monats besucht, bekommt der Schulträger für diesen Monat den vollen Schülerkostensatz. Bei ununterbrochenem unentschuldigtem Fehlen einer Schülerin oder eines Schülers wird nach einem Zeitraum von vier Wochen keine Finanzhilfe mehr gewährt, § 10 Abs. 1 ESch-VO bzw. nunmehr (inhaltsgleich) § 9 Abs. 1 SchifT-VO. Nach § 9 Abs. 2 SchifT-VO wird für die …schulen gemäß § 18a Abs. 7 SchulG LSA für die Berechnung der Finanzhilfe für Schülerinnen und Schüler der Schuljahrgänge 1-4 die Grundschule und für Schülerinnen und Schüler der Schuljahrgänge 5-12 die Sekundarschule zugrunde gelegt.

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In Anwendung dieser Rechtsgrundlagen hat die Kammer bereits Zweifel daran, ob die Stundenpauschale für zusätzliche Stunden für Klassenteilungen, Lerngruppenbildungen und Zusatzbedarf für die Ermittlung des Wochenstundenbedarfs wirksam festgesetzt worden ist.

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In seinem Urteil vom 22.10.2013 (Az.: 3 L 582/12) hatte das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hinsichtlich des § 10 Abs. 2 der Vorgängerverordnung, der Ersatzschulverordnung (ESch-VO) vom 16.12.2008 (GVBl, 2008, 463f.), entschieden, dass die Verordnungsermächtigung des § 18a Abs. 8 Nr. 3 SchulG LSA nicht rechtmäßig umgesetzt worden ist. § 10 Abs. 2 S. 2 ESch-VO regelte, dass für die …schulen eine eigene Stundenpauschale festgesetzt wird. Die konkrete Stundenpauschale wurde jedoch letztlich im Runderlass des Kultusministeriums vom 20.01.2009 über,,Finanzhilfen für Schulen in freier Trägerschaft; Schülerkostensätze im Schuljahr 2007/2008" (SVBl. LSA 2009, 34 f.) festgesetzt. In seinem Urteil führte das Gericht aus, dass die Verordnungsermächtigung in § 18a Abs. 8 Nr. 3 SchulG LSA allerdings erfordert, dass die konkrete Stundenpauschale in der Verordnung selbst festgesetzt wird, da § 18a Abs. 8 Nr. 3 SchulG LSA nicht bestimmt, dass der Verordnungsgeber nähere Bestimmungen zu erlassen hat,,über die Ermittlung des Wochenstundenbedarfs und die Festsetzung der Stundenpauschale", sondern,,über die Ermittlung des Wochenstundenbedarfs einschließlich der Festsetzung der Stundenpauschale". Dementsprechend hielt das Gericht den Erlass einer entsprechenden Festsetzung in der ESch-VO für erforderlich.

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Weiterhin habe der Verordnungsgeber bei der Festsetzung der Stundenpauschale zu beachten, dass es nachvollziehbar bleiben müsse, wie die Stundenpauschale entsprechend der Vorgabe in § 18a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 3 SchulG LSA alle über den Wochenstundenbedarf hinausgehende zusätzliche Stunden für Klassenleitungen, Lerngruppenbildungen und Zusatzbedarf, sofern diese Stunden alle entsprechenden öffentlichen Schulen betreffen, abbilde.

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Ob die Verordnung über Schulen in freier Trägerschaft (SchifT-VO) vom 04.08.2015, zuletzt geändert durch Verordnung vom 25.10.2017 (GVBl. LSA S. 188), hinsichtlich des Schuljahres 2013/2014 diesen Vorgaben gerecht wird, ist zweifelhaft.

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Nach § 9 Abs. 3 Nr. 6 SchifT-VO wird nun das Verfahren für die Festsetzung der Stundenpauschalen in der Anlage geregelt und werden dort die Stundenpauschalen festgesetzt. Nach § 15 Abs. 2 werden für die …schulen für die Schuljahre 2007/2008 bis 2015/2016 in der Anlage das Verfahren für die Festsetzung der Stundenpauschale rückwirkend geregelt und die Stundenpauschale rückwirkend festgesetzt. Nach Teil 3 Nr. 2 der Anlage zur SchifT-VO werden für die Festsetzung der Stundenpauschale anteilig Stunden im „Bereich Hauswirtschaft/Technik (Werken)“ aus der Schulform Sekundarschule herangezogen und durch die Anzahl der Schuljahrgänge der Sekundarschule geteilt. Weiterhin wird für das Schuljahr 2013/2014 eine Stundenpauschale von 1,75 festgesetzt.

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Das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende Gebot der Bestimmtheit verlangt nicht, dass der Verordnungsgeber bei der Umsetzung der Vorgaben der Verordnungsermächtigung in § 18a Abs. 8 Nr. 3 SchulG LSA jedwede Zahlen und Daten sowie die Ermittlung dieser in der Verordnung offenlegt und jeder Teilaspekt sich detailliert nachvollziehen lässt. Denn das Bestimmtheitsgebot erfordert lediglich, dass die Rechtslage in zumutbarer Weise erkenntlich ist. Ausreichend ist hierbei, wenn sich die Bedeutung der Norm nach einer juristischen Grundsätzen folgenden Auslegung erschließen lässt. Aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung müssen sich objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten (vgl. zum Ganzen: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. März 2010 – 3 K 319/09 –, juris). Nach diesen Grundsätzen muss sich jedoch hinreichend konkret die Ermittlung der Festsetzung der Stundenpauschale nachvollziehen lassen, da § 18a Abs. 8 Nr. 3 SchulG LSA vorsieht, dass die Ermittlung des Wochenstundenbedarfes je Klasseeinschließlich (Hervorhebung durch die Kammer) der Festsetzung der Stundenpauschale gemäß Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 durch Verordnung zu erfolgen hat. Sofern der Verordnungsgeber einen Rechenweg in der Verordnung angibt, ist erforderlich, dass sich die einzelnen Komponenten des dargestellten Rechenweges zumindest in Grundzügen erschließen lassen. Die Erfüllung dieses Erfordernisses ist zweifelhaft, soweit Teil 3 Nr. 2 der Anlage zur SchifT-VO festlegt,,für die Festsetzung der Stundenpauschale werden anteilig Stunden im „Bereich Hauswirtschaft/Technik (Werken)“ aus der Schulform Sekundarschule herangezogen“. So lässt der Wortlaut nicht erkennen, zu welchem Anteil die Stunden eingestellt worden sind oder zumindest nach welchen Kriterien sich dieser Anteil bemisst.

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Hinsichtlich der Schuljahrgänge 1 bis 4 ergeben sich diese Bedenken hingegen nicht, da Teil 3 Nr. 1 der Anlage zur SchifT-VO klar festlegt, dass für die 1. bis 4. Schuljahrgänge der Freien Waldorfschulen für die Schuljahre 2008/2009 bis 2015/2016 jeweils die festgesetzten Stundenpauschalen für die Grundschule rückwirkend als Stundenpauschalen festgesetzt werden.

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Ob ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot hinsichtlich der Schuljahrgänge 5 bis 12 gegeben ist, kann jedoch letztlich dahinstehen. Denn selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Stundenpauschale hinreichend bestimmt festgesetzt wurde, verstößt die der Berechnung der Finanzhilfe für das Schuljahr 2013/2014 gem. § 15 Abs. 2 i.V.m. Teil 3 der Anlage SchifT-VO zugrunde gelegte Stundenpauschale für die Schuljahrgänge 5-12 gegen den Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG.

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Nach § 15 Abs. 2 SchifT-VO i.V.m. Teil 3 Nr. 2 der Anlage zur SchifT-VO werden bei Freien Waldorfschulen für die Festsetzung der Stundenpauschale anteilig Stunden im „Bereich Hauswirtschaft/Technik (Werken)“ aus der Schulform Sekundarschule herangezogen und durch die Anzahl der Schuljahrgänge der Sekundarschule geteilt. Für das Schuljahr 2013/2014 wird danach rückwirkend eine Stundenpauschale von 1,75 festgesetzt. Für Sekundarschulen in freier Trägerschaft wurde die Stundenpauschale nach Ziffer 1 b) i.V.m. der Anlage 2 des Runderlasses des Kultusministeriums vom 01.09.2014 (Finanzhilfen für Schulen in freier Trägerschaft; endgültige Schülerkostensätze im Schuljahr 2013/2014 - 26-81104) auf 4,07 festgesetzt.

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Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht nur, dass die Ungleichbehandlung an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpft, sondern verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht ab strakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für den Einzelnen verfügbar sind. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 21.06.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49-78).

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Der Gesetzgeber hat in § 18a Abs. 7 SchulG LSA geregelt, dass bei der Berechnung der Finanzhilfe vergleichbare Schulformen, Bildungsgänge und Schulstufen zur Grundlage genommen werden, sofern eine Ersatzschule keine Entsprechung im öffentlichen Schulwesen besitzt. Nach § 9 Abs. 2 SchifT-VO ist nach Auffassung des Verordnungsgebers für die …schulen für die Berechnung der Finanzhilfe für Schülerinnen und Schüler der Schuljahrgänge 5-12 die öffentliche Sekundarschule zugrunde zu legen. Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber schreibt daher die Vergleichbarkeit von …schulen der Klassenstufen 5-12 und den öffentlichen Sekundarschulen vor.

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Bei der Berechnung der Finanzhilfe für …schulen der Schuljahrgänge 5-12 sowie Sekundarschulen in freier Trägerschaft handelt es sich wegen der in der SchifT-VO angelegten Vergleichbarkeit mit öffentlichen Sekundarschulen um wesentlich gleiche Sachverhalte im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG, die auch gleich zu behandeln sind, es sei denn, es besteht ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung. Hinsichtlich der zusätzlichen Stundenpauschale (1,75 gegenüber 4,07) liegt eine Ungleichbehandlung der beiden Schulformen vor, die sich für den Kläger nachteilig auf die Berechnung der Finanzhilfe auswirkt und nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Einen solchen sachlichen Grund sieht der Beklagte in dem Umstand, dass an Freien Waldorfschulen ein Schulabschluss (Haupt- oder Realschulabschluss) entsprechend dem pädagogischen Konzept erst am Ende des 12. Schuljahrganges erworben werden kann (vgl. §§ 2, 3 der Verordnung über den Erwerb von Abschlüssen der Sekundarstufe I an …schulen (…VO) vom 22.07.2005, geändert durch Änderungsverordnung vom 22.10.2010). Unter Umständen könne nach dem Besuch des 10. oder 11. Schuljahrganges durch die Teilnahme an einer Feststellungsprüfung der Hauptschul- bzw. Realschulabschluss erworben werden. Da sich die Finanzhilfe gemäß § 18a Abs. 1 S. 1 SchulG LSA nach der Zahl der Schülerinnen und Schüler richte, die die Schule besuchte, erhalte eine …schule somit dadurch einen Vorteil gegenüber Sekundarschulen in freier Trägerschaft, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler aufgrund der Berücksichtigung des 11. und 12. Schuljahrganges höher sein kann als an Sekundarschulen in freier Trägerschaft, an denen der Schulabschluss bereits nach dem 10. Schuljahrgang erworben wird. Die zu gewährende Finanzhilfe würde somit höher ausfallen als an Sekundarschulen in freier Trägerschaft. Um diesen Vorteil auszugleichen habe sich der Verordnungsgeber dafür entschieden, die zusätzliche Stundenpauschale für …schulen im Vergleich zu Sekundarschulen in freier Trägerschaft niedriger festzusetzen, indem bei der Berechnung der Stundenpauschale anteilig ausschließlich Stunden im „Bereich Hauswirtschaft/Technik (Werken)“ aus der Schulform Sekundarschule herangezogen und durch die Anzahl der Schuljahrgänge der Sekundarschule, demnach die Schuljahrgänge 5-10, geteilt würden. Bei der Festsetzung der Stundenpauschale bleiben demnach zusätzliche Stunden wie beispielsweise Stunden für den Wahlpflichtbereich und Stunden des Angebots- und Förderteils außer Betracht, die aber sowohl an öffentlichen Sekundarschulen als auch an …schulen anfallen.

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Die Kammer lässt es zunächst ausdrücklich offen, ob die vom Verordnungsgeber gemäß § 18 Abs. 7 SchulG LSA vorgenommene Zuordnung der Klassenstufen 5 bis 12 an den …schulen zur Schulform Sekundarschule mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Es ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass die …schulen, d. h. Schulen, die nach der Pädagogik Rudolf Steiners arbeiten, sich einem unmittelbaren Vergleich mit den Schularten entziehen, die nach den Schulgesetzen der Länder oder aufgrund der Schulgesetze eingerichtet oder vorgesehen sind. Nach dem pädagogischen Konzept der …schule, das allgemein für alle …schulen weltweit gilt und in Deutschland an allen Schulen umgesetzt wird, dauert der Besuch der …schule regelmäßig zwölf Jahre, wird am Ende dieser zwölf Jahre abgeschlossen und die Schule dokumentiert dies mit ihrem Abschlusszeugnis (vgl. VG Berlin, Urt. v. 25.10.2011 – 3 A 282.08 –, juris). Bei der Bestimmung einer mit dem Typus der …schule vergleichbaren Schulform wird regelmäßig darauf abgestellt, dass der Besuch der Klassen 5 bis 13 der Freien Waldorfschulen bestimmungsgemäß wie der Besuch eines öffentlichen Gymnasiums oder einer Gesamtschule i. S. d. § 5 a SchulG LSA zur allgemeinen Hochschulreife führt. Für dieses Ziel vermittelt er im Kern gleichwertige Kenntnisse und Fertigkeiten. Der mit Errichtung dieser Klassen verfolgte Gesamtzweck entspricht daher dem der öffentlichen Gymnasien (so ausdrücklich VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14.07.2010 – 9 S 2207/09 – juris Rdnr. 93 unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 09.03.1994 - 1 BvR 682/88 u.a. -, juris Rdnr. 55), so dass ihr Besuch regelmäßig den eines Gymnasiums ersetzt. Maßgeblich ist allein, ob am Ende der Abschlussklasse eine gleichwertige Ausbildung erzielt wird, der Ausbildungs- und Leistungsstand am Ende der vorangegangenen Schuljahre dagegen ist unerheblich (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14.07.2010, a. a. O. Rdnr. 93).

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Ausgehend hiervon werden in einer Vielzahl von schulgesetzlichen Regelungen in anderen Bundesländern, die eine mit den Regelungen in Sachsen-Anhalt vergleichbare Systematik der Ersatzschulfinanzierung aufweisen, die Klassenstufen 5 bis 12 (und 13) der …schulen mit entsprechenden Klassenstufen an Gymnasien oder zumindest aber mit Klassenstufen an einer Schulform, die den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife ermöglicht, gleich gestellt. So bestimmt Art. 45 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes, dass die …schulen für die Bezuschussung ab Jahrgangsstufe 5 als Gymnasium gelten. Auch in § 18 Abs. 2a des Gesetzes für die Schulen in freier Trägerschaft des Landes Baden-Württemberg orientiert sich der Landesgesetzgeber hinsichtlich des Personalkostenzuschusses für die Klassen fünf bis zwölf der …schulen an den Kosten für Lehrkräfte an Gymnasien. In § 122 Abs. 3 des Schulgesetzes des Landes Schleswig-Holstein ist geregelt, dass für die Berechnung der Zuschüsse die Jahrgangsstufen fünf bis dreizehn der …schulen die Schülerkostensätze der Gemeinschaftsschulen zugrunde zu legen sind, wobei die Ausbildung an den Gemeinschaftsschulen gemäß § 43 des dortigen Schulgesetzes auch zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife befähigen kann. Gemäß § 3 Abs. 3 Ersatzschulzuschussverordnung des Landes Berlin, werden für die Berechnung der Zuschüsse der Ersatzschulen, die nach der Pädagogik Rudolf Steiners arbeiten, für die Jahrgangsstufen sieben bis zwölf die der Sekundarstufe I an der Integrierten Sekundarschule und für die Jahrgangsstufe 13 die der gymnasialen Oberstufe an der Integrierten Sekundarschule zugrunde gelegt, wobei die Ausbildung an der Integrierten Sekundarschule in Berlin gemäß § 22 des Schulgesetzes für das Land Berlin den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife ermöglicht. Eine Vergleichbarkeit der …schulen mit der Schulform Gesamtschule wird in § 3 Abs. 4 der Verordnung über die Finanzierung von Ersatzschulen des Landes Nordrhein-Westfalen und in § 17 Abs. 1 des Hamburgischen Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft festgestellt. Aus welchen Gründen der Verordnungsgeber in Sachsen-Anhalt die Auffassung vertritt, dass die …schulen - trotz der bundesweit einheitlichen Konzeption - in den Klassenstufen fünf bis 12 „ehestens“ mit den Sekundarschulen in Sachsen-Anhalt vergleichbar sind, ergibt sich weder aus den Regelungen der Schift-VO noch aus den vom Beklagten noch ergänzend vorgelegten Unterlagen des Ministeriums für Bildung des Landes Sachsen-Anhalt.

34

Die vom Verordnungsgeber angewandte Berechnungsmethode hinsichtlich der Festsetzung der Stundenpauschale für die …schulen widerspricht jedenfalls der in § 18a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 3 SchulG LSA geregelten Maßgabe und ist somit mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Danach werden über den Wochenstundenbedarf hinausgehende zusätzliche Stunden für Klassenteilungen, Lerngruppenbildungen und Zusatzbedarfe, sofern diese Stunden alle entsprechenden öffentlichen Schulen betreffen, durch eine festgesetzte Stundenpauschale abgegolten. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen somit sämtliche zusätzliche Stunden an Schulen in freier Trägerschaft außerhalb des Wochenstundenbedarfs, die auch an öffentlichen Schulen angeboten werden, bei der Berechnung der Stundenpauschale eingestellt werden. Dies entspricht ebenso dem Grundgedanken der Finanzhilfe, nach welchem sich die Höhe des den Ersatzschulen zu gewährenden Zuschusses nach den Kosten richtet, die für ein entsprechendes Leistungsangebot an den öffentlichen Schulen entstehen. Keine Berücksichtigung finden sollen tatsächlich entstehende Kosten der Ersatzschule sowie ein etwaiges nur von der Ersatzschule zur Verfügung gestelltes Zusatzangebot an Leistungen (so bereits: VG Magdeburg, Urteil vom 06.09.2016 - 7 A 680/13 MD- zitiert nach juris). Eine mit höherrangigem Recht nicht vereinbare Erwägung des Verordnungsgebers kann keinen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG darstellen. Einen anderweitigen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung hat der Beklagte nicht vorgetragen und ein solcher ist auch für das Gericht nicht ersichtlich. Insbesondere wird der Verordnungsgeber nach dem insofern eindeutigen Wortlaut in § 18a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 3 SchulG LSA nicht ermächtigt, nach der Ermittlung des Wochenstundenbedarfs je Klasse in Bezug auf die …schulen eine Gesamtberechnung bezogen auf deren Klassenstufen 5 bis 12 vorzunehmen, um dann bei der Festsetzung der Stundenpauschale durch eine nur unvollständige Berücksichtigung der zusätzlichen Stunden für Klassenteilungen, Lerngruppenbildungen und Zusatzbedarfe eine Art „Vorteilsausgleich“ vorzunehmen, um so eine aus Sicht der obersten Schulbehörde ungerechtfertigte Bevorzugung der …schulen zu begrenzen.

35

Trotz dieser sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung kann der Kläger mit diesem Verfahren nicht erreichen, hinsichtlich der Stundenpauschale mit einer Sekundarschule in freier Trägerschaft gleichgestellt zu werden. Das Gericht ist nicht dazu ermächtigt, in die Berechnung der Finanzhilfe die für Sekundarschulen in freier Trägerschaft geltende Stundenpauschale einzusetzen und eine Neuberechnung anzustellen. Gemäß § 18a Abs. 8 SchulG LSA wird das für das Schulwesen zuständige Ministerium ermächtigt, durch Verordnung die näheren Bestimmungen zu regeln, worunter auch die Ermittlung des Wochenstundenbedarfs je Klasse einschließlich der Festsetzung der Stundenpauschale gemäß Abs. 3 S. 2 Nr. 1 fällt. Somit liegt es nicht in der Hand des Gerichtes, an der Stelle des Ministeriums eine Stundenpauschale festzusetzen oder eigene Ermittlungen über den Zusatzbedarf anzustellen. Es ist vielmehr Sache des Normgebers, die sich aus dem aufgezeigten Mangel ergebende Lücke selbst zu schließen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.01.2006 - 1 BvR 541/02, 1 BvR 542/02 -, NVwZ 2006, 922; BVerwG Urteil vom 04.07.2002 - 2 C 13.01 -, NVwZ 2002, 1505). Der Verordnungsgeber ist aufgrund der inzidenten Feststellung der Unvereinbarkeit einzelner Regelungen der SchifT-VO mit höherrangigem Recht auch verpflichtet, eine solche Nachbesserung vorzunehmen, auch wenn er im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht Beklagter gewesen ist. Ist eine Behörde an dem Verfahren beteiligt, so bindet die Rechtskraft der Entscheidung auch deren Rechtsträger und damit alle diesen angehörenden Behörden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.08.2002 - 9 VR 11.02 -, DVBl 2003, 67). Rechtsträger des Beklagten ist das Land Sachsen-Anhalt, weshalb das Bescheidungsurteil auch das Ministerium für Bildung des Landes als Verordnungsgeber bindet (vgl. zum Ganzen: OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.09.2006 - 2 L 406/03 - zitiert nach juris).

36

Bei der Neufassung der Regelung zur Stundenpauschale in Teil 3 Nr. 2 der Anlage zur SchifT-VO hat der Verordnungsgeber somit auch diejenigen zusätzlichen Stunden zu berücksichtigen, die auch an öffentlichen Sekundarschulen angefallen sind. Der Kläger vermochte darzulegen, dass an der von ihm getragenen Schule in den Schuljahrgängen 5 bis 12 ebenso Stunden im Wahlpflichtbereich sowie im Förderbereich angefallen sind, die zu einem Zusatzaufwand geführt haben, der bisher keine Berücksichtigung gefunden hat, obwohl diese zusätzlichen Stunden auch an öffentlichen Sekundarschulen angeboten wurden. Im Hinblick auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 01.11.2017 (Az. 3 L 207/16, zitiert nach juris) hält die Kammer an ihrer noch im Urteil vom 06.09.2016 (Az. 7 A 680/13 MD) vertretenen Rechtsauffassung, dass die Schüler in den Schuljahrgängen 11 und 12 an den Freien Waldorfschulen bei der Festsetzung der Stundenpauschale außer Betracht zu bleiben haben, nicht mehr fest. Diese Auffassung widerspricht dem Willen des Gesetzgebers, wonach sich die Finanzhilfe nach der Zahl der Schülerinnen und Schüler richtet, die die Schule besuchen (vgl. § 18a Abs. 1 S. 1 SchulG LSA) und somit jede Schülerin und jeder Schüler, der die Schule tatsächlich besucht, bei der Finanzhilfeberechnung Berücksichtigung zu finden hat, sofern nicht ein Ausnahmefall nach § 9 Abs. 1 S. 2 - 4 SchifT-VO vorliegt. Demnach wäre es auch mit höherrangigem Recht nicht vereinbar, wenn der Verordnungsgeber bei der Neufassung der entsprechenden Regelungen in der SchifT-VO den Vorteil der …schulen bei der Berechnung der Finanzhilfe aufgrund der Schuljahrgänge 11 und 12 gegenüber Sekundarschulen in freier Trägerschaft über die Zahl der zu berücksichtigenden Schülerinnen und Schüler ausgleichen möchte.

37

Hingegen kann ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG für die Festsetzung der Stundenpauschale für die Schuljahrgänge 1 bis 4 nicht angenommen werden.

38

Nach Nr. 1 Teil 3 der Anlage zur SchifT-VO wird die Stundenpauschale für das Schuljahr 2013/2013 rückwirkend auf 0,54 festgesetzt. Für Grundschulen in freier Trägerschaft wurde die Stundenpauschale nach Ziffer 1 b) i.V.m. der Anlage 2 des Runderlasses des Kultusministeriums vom 01.09.2014 (Finanzhilfen für Schulen in freier Trägerschaft; endgültige Schülerkostensätze im Schuljahr 2013/2014 - 26-81104) ebenfalls auf 0,54 festgesetzt.

39

Da es auch für Freie Waldorfschulen der Schuljahrgänge 1 bis 4 an einer entsprechenden öffentlichen Schule fehlt, ist gemäß den Regelungen in § 18a Abs. 7 SchulG i.V.m. § 9 Abs. 2 SchifT-VO für die Berechnung der Finanzhilfe für Schülerinnen und Schüler dieser Schuljahrgänge die Grundschule zugrunde zu legen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist danach nicht die Schulform Sekundarschule zugrunde zu legen. Aufgrund der unterschiedlichen Schulabschlüsse, Stundentafeln und Lehrinhalte besteht auch kein Anlass, die Schuljahrgänge 1 bis 4 einer …schule mit einer öffentlichen Sekundarschule gleichzustellen.

40

Bei der Berechnung der Finanzhilfe bilden daher die Schuljahrgänge 1 bis 4 einer …schule und Grundschulen in freier Trägerschaft die nach Art. 3 Abs. 1 GG maßgebliche Vergleichsgruppe. Eine Ungleichbehandlung zwischen diesen beiden Schulformen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG ist im Hinblick auf die hier streitgegenständliche zusätzliche Stundenpauschale jedoch nicht erkennbar. So wurde für beide die Stundenpauschale für das Schuljahr 2013/2014 auf 0,54 festgesetzt.

41

Außer Betracht zu bleiben hat bei der Festsetzung der Stundenpauschale der Umstand, dass an …schulen bereits in den Schuljahrgängen 1 bis 4 eine zweite Fremdsprache angeboten wird. Wie bereits erläutert, bildet die Stundenpauschale nach § 18a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 S. 3 SchulG LSA nur den Zusatzbedarf ab, der auch an entsprechenden öffentlichen Schulen entsteht. Zusatzangebote einer Ersatzschule aufgrund deren pädagogischen Konzeptes sind daher außer Betracht zu bleiben, wenn solche an einer öffentlichen Schule nicht angeboten werden. Ein solcher Fall liegt hier vor. Gemäß der für das Schuljahr 2013/2014 maßgeblichen Stundentafel für den Unterricht an Grundschulen fand ausschließlich in den Jahrgängen 3 und 4 Englischunterricht statt (vgl. Runderlass des Kultusministeriums vom 07.05.2010 „Unterrichtsorganisation an den Grundschulen“ - 23-84003 - SVBl. LSA 2010, 166). Eine zweite Fremdsprache wurde hingegen an öffentlichen Grundschulen nicht angeboten.

42

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.


Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 27. Juni 2018 - 7 A 637/14

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 27. Juni 2018 - 7 A 637/14

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 27. Juni 2018 - 7 A 637/14 zitiert 7 §§.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

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Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 27. Juni 2018 - 7 A 637/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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Tatbestand 1 Der Antragsteller begehrt im Wege der Normenkontrolle, die Gefahrenabwehrverordnung der Antragsgegnerin betreffend die Abwehr von Gefahren durch Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit für unwirksam zu erklären. 2 Der in A-Stadt wohnhaf

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Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2

I. Die vom Kläger geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht.

3

„Ernstliche Zweifel“ an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nur dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Da gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO der Zulassungsgrund zudem in der gebotenen Weise darzulegen ist, erfordert dies, dass sich der Zulassungsantrag substantiiert inhaltlich mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt und unter anderem konkret ausgeführt wird, dass die erhobenen Einwände entscheidungserheblich sind (OVG LSA in ständiger Rechtsprechung, etwa Beschluss vom 3. Januar 2007 - 1 L 245/06 -, juris Rn. 3 m. w. N.). Dabei reicht es nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen (BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33).

4

Hieran gemessen erwecken die vom Kläger mit der Zulassungsschrift erhobenen Einwände keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.

5

Dabei mag dahinstehen, ob der Annahme des Verwaltungsgerichts zu folgen ist, wonach sich die streitgegenständliche Finanzhilfeberechnung maßgeblich und ausschließlich nach den öffentlichen Schulen zu richten habe, weshalb die Schuljahrgänge 11 und 12 an den Freien Waldorfschulen bei der Bemessung der Finanzhilfe und insbesondere der Stundenpauschale außer Betracht zu bleiben habe. Auch wenn zweifelhaft erscheint, ob die Rechtslage Raum für eine derartige Auslegung lässt (1.), hat der Kläger jedenfalls nicht nachvollziehbar die Ergebnisunrichtigkeit des angefochtenen Urteiles dargelegt. Er hat nicht aufgezeigt, inwiefern die erfolgte Festsetzung der Stundenpauschale in Höhe von 1,75 h nicht den Vorgaben in § 18a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SchulG LSA entspricht (2.). Auch die gegen die Höhe der Sachkostenpauschale erhobenen Einwände des Klägers vermögen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht zu begründen (3.).

6

1. Rechtsgrundlage für die Finanzhilfe für Ersatzschulen ist § 18 Abs. 1 Satz 1 des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (SchulG LSA) vom 14. Dezember 2012 in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 2013 (GVBl. S. 68). Danach gewährt das Land den anerkannten Ersatzschulen in freier Trägerschaft auf Antrag eine Finanzhilfe als Zuschuss zu den laufenden Personal- und Sachkosten. Ersatzschulen von besonderer pädagogischer Bedeutung, die die Gewähr dafür bieten, dass sie dauernd die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllen, erhalten ebenfalls Finanzhilfen, § 18 Abs. 2 Satz 1 SchulG LSA. Besitzt die Ersatzschule - wie der Kläger - keine Entsprechung im öffentlichen Schulwesen, werden bei der Berechnung der Finanzhilfe vergleichbare Schulformen, Bildungsgänge und Schulstufen zur Grundlage genommen, § 18a Abs. 7 SchulG LSA.

7

Gemäß § 18a Abs. 1 Satz 1 SchulG LSA richtet sich der Zuschuss nach der Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Schule besuchen. Er wird je Schuljahrgang höchstens für die Zahl der Schülerinnen und Schüler gewährt, die das Produkt aus der Anzahl der Klassen im betreffenden Schuljahrgang des Bildungsganges der Ersatzschule und der Klassenfrequenz an entsprechenden öffentlichen Schulen gemäß Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SchulG LSA um nicht mehr als 20 v.H. überschreitet (§ 18a Abs. 1 Satz 2 SchulG LSA). § 18a Abs. 8 SchulG LSA ermächtigt das für das Schulwesen zuständige Ministerium, durch Verordnung nähere Bestimmungen zu erlassen. Hierzu gehören das Antragsverfahren und die dazu gehörende Ermittlung der zu berücksichtigenden Zahl der Schülerinnen und Schüler (Abs. 8 Nr. 2), die Ermittlung des Wochenstundenbedarfes je Klasse einschließlich der Festsetzung der Stundenpauschale gemäß § 18a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SchulG LSA (Abs. 8 Nr. 3) sowie die Festlegung der vergleichbaren Schulformen, Bildungsgänge und Schulstufen gemäß § 18a Abs. 7 SchulG LSA (Abs. 8 Nr. 9).

8

In Ausübung dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber in § 10 der vom 1. August 2007 bis zum 31. Juli 2013 geltenden Ersatzschulverordnung (ESch-VO) vom 16. Dezember 2008 Regelungen zur Ermittlung der zu berücksichtigenden Zahl der Schüler (Abs. 1) und zu den vergleichbaren öffentlichen Schulformen (Abs. 2 Satz 1 und Satz 3) getroffen. So wird nach § 10 Abs. 2 Satz 1 ESch-VO für die Freien Waldorfschulen gemäß § 18a Abs. 7 SchulG LSA für die Berechnung der Finanzhilfe für Schülerinnen und Schüler der Schuljahrgänge 1 bis 4 die Grundschule, für Schülerinnen und Schüler der Schuljahrgänge 5 bis 12 die Sekundarschule zugrunde gelegt, für die Berechnung des Schuljahrganges 13 wird zu 50 v. H. die Sekundarschule und zu 50 v. H. die Sekundarstufe I des Gymnasiums für die Berechnung der Finanzhilfe zugrunde gelegt.

9

Soweit das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund der zuletzt genannten Regelung der Auffassung ist, dass bei der Bemessung der Finanzhilfe an den Freien Waldorfschulen und insbesondere bei der Festlegung der Stundenpauschale die Schuljahrgänge 11 und 12 außer Betracht zu bleiben hätten, bestehen Zweifel, ob sich diese Berechnungsweise mit der Rechtslage in Einklang bringen lässt.

10

Gemäß § 18a Abs. 1 Satz 1 SchulG LSA richtet sich der Zuschuss „nach der Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Schule besuchen“. Er wird „je Schuljahrgang […] gewährt“, § 18a Abs. 1 Satz 2 SchulG LSA. Entsprechend bestimmt § 10 Abs. 1 ESch-VO, dass Finanzhilfe gewährt wird, indem „für jede Schülerin oder jeden Schüler der Ersatzschule, der am 1. Unterrichtstag des Schuljahres die Schule besucht,“ ein pauschalierter Betrag (Schülerkostensatz) für die Dauer des Schuljahres gezahlt wird. Verlässt eine Schülerin oder ein Schüler im Verlaufe des Schuljahres die Schule oder kommt eine Schülerin oder ein Schüler hinzu, erhält der Schulträger den Schülerkostensatz nur für die Zeit der Verweildauer des Schülers an der Schule.

11

Stellt § 18a Abs. 1 Satz 1 SchulG LSA für die Berechnung der Finanzhilfe folglich auf die (Gesamt-) Zahl der die Schule besuchenden Schülerinnen und Schüler ab und wird der Zuschuss gemäß § 18a Abs. 1 Satz 2 SchulG LSA je Schuljahrgang gewährt, spricht Einiges dafür, dass für die Berechnung der Finanzhilfe alle Schülerinnen und Schüler der Schule zu berücksichtigen sind. Entsprechend hat der Senat mit Urteil vom 22. Oktober 2013 (Az.: 3 L 582/12) entschieden, dass die Berechnung der Finanzhilfe nach § 18a Abs. 1 Satz 2 SchulG LSA bezogen auf jeden einzelnen Schuljahrgang vorzunehmen ist. Blendete man die tatsächlichen Kosten für die Jahrgänge 11 und 12 bei der Berechnung des Personalkostenzuschusses aus, würde für die Träger der freien Schulen außerdem ein Anreiz geschaffen, die Anzahl der in den Jahrgängen 11 und 12 befindlichen Schülerinnen und Schüler möglichst gering zu halten. Es ist nicht anzunehmen, dass dies im Sinne des Gesetzes wäre.

12

2. Selbst wenn man allerdings mit dem Kläger davon ausgehen wollte, dass für die Berechnung der Finanzhilfe auch die Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 11 und 12 zu berücksichtigen sind, hat dieser die Ergebnisunrichtigkeit des angefochtenen Urteils nicht aufgezeigt. Er hat nicht zulassungsbegründend dargelegt, dass er gemäß § 18a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SchulG LSA Anspruch auf eine höhere als die durch den Beklagten mit (Änderungs-)Bescheid vom 31. August 2016 festgesetzte Stundenpauschale (1,75 h) hat. Gleiches gilt für den mit der Klage hilfsweise verfolgten Anspruch auf Neuverbescheidung; auch insoweit hat er nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen für einen derartigen Anspruch gegeben sind.

13

Der Wochenstundenbedarf je Klasse, der in den Personalkostenzuschuss einfließt (§ 18a Abs. 3 Satz 1 SchulG LSA), besteht aus zwei Teilen, zum einen dem „arithmetischen Mittel“ der Stundenzahlen aller Schuljahrgänge gemäß der für den einzügigen Bildungsgang an entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Stundentafel aus den Unterrichtsorganisationsvorgaben des vorangegangenen Schuljahres, § 18a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Sätze 1 und 2 SchulG LSA und zum anderen der Zusatzpauschale nach § 18a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SchulG LSA, die darüber hinausgehende zusätzliche Stunden für Klassenteilungen, Lerngruppenbildungen und Zusatzbedarfe, sofern diese Stunden alle entsprechenden öffentlichen Schulen betreffen, abdecken soll.

14

§ 10 Abs. 2 Satz 2 ESch-VO enthielt die Bestimmung, dass für die Freien Waldorfschulen eine eigene Stundenpauschale festgesetzt wird. Diese Verordnung wurde durch die Verordnung über Schulen in freier Trägerschaft vom 17. April 2013 - SchifT-VO 2013 - (GVBl. LSA S. 166) abgelöst. Die bisher in § 10 ESch-VO enthaltenen Regelungen zur Ausgestaltung der Finanzhilfe wurden in § 9 SchifT-VO 2013 überführt; wesentliche inhaltliche Änderungen waren hiermit nicht verbunden.

15

Nachdem der Senat mit Urteil vom 22. Oktober 2013 (Az.: 3 L 582/12) noch hinsichtlich der in § 10 Abs. 2 Satz 2 ESch-VO enthaltenen Bestimmung beanstandet hatte, dass diese Regelung weder eine unmittelbare Festsetzung der Pauschale noch sonstige Angaben dazu enthalte, nach welchen Kriterien die „eigene Stundenpauschale“ zu ermitteln sei, und insbesondere die Bestimmung der Pauschale in einem Runderlass nicht den gesetzlichen Vorgaben des § 18a Abs. 8 Nr. 3 SchulG LSA a.F. genüge, hat der Verordnungsgeber die SchifT-VO 2013 durch die Verordnung über Schulen in freier Trägerschaft vom 4. August 2015 in der berichtigten Fassung - SchifT-VO 2015 - (GVBl. LSA 2015, 569), zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. Juli 2016 (GVBl. LSA S. 221), ersetzt. Die bisher in § 9 Abs. 2 Satz 2 SchifT-VO 2013 enthaltene Regelung, die inhaltlich § 10 Abs. 2 Satz 2 ESch-VO entsprach, wurde durch § 9 Abs. 3 Nr. 6 SchifT-VO 2015 abgelöst. Diese Regelung (in der Fassung vom 26. Juli 2016) bestimmt: „In der Anlage wird das Verfahren für die Festsetzung der Stundenpauschalen geregelt und werden die Stundenpauschalen festgesetzt.“ Daneben wird durch die in § 15 Abs. 2 SchifT-VO 2015 enthaltene Übergangsregelung (ebenfalls in der Fassung vom 26. Juli 2016) bestimmt, dass für die Freien Waldorfschulen für die Schuljahre 2008/2009 bis 2015/2016 in der Anlage das Verfahren für die Festsetzung der Stundenpauschalen rückwirkend geregelt und die Stundenpauschalen rückwirkend festgesetzt werden. In Teil 3 Nr. 2 dieser Anlage (zu § 9 Abs. 3 Nr. 6 und § 15 Abs. 2 Schift-VO 2015) heißt es für die entsprechenden Schuljahrgänge 5 bis 12, dass für die Festsetzung der Stundenpauschale anteilig Stunden im „Bereich Hauswirtschaft/Technik (Werken)“ aus der Schulform Sekundarschule herangezogen und durch die Anzahl der Schuljahrgänge der Sekundarschule geteilt werden. Als Stundenpauschale wurden für die Schuljahre 2012/2013 bis 2013/2014 rückwirkend 1,75 h festgesetzt. Diese Änderungen hat der Beklagte mit den angegriffenen Änderungsbescheiden vom 9. Februar 2016 (Bl. 99 ff. der Gerichtsakte) sowie vom 31. August 2016 (Bl. 216 ff. der Gerichtsakte) berücksichtigt und die Finanzhilfe für das Schuljahr 2012/2013 entsprechend festgesetzt.

16

Dass und aus welchen Gründen die mit diesen Regelungen erfolgte Festsetzung der Stundenpauschale in Höhe von 1,75 h rechtswidrig sein soll, hat der Kläger nicht dargelegt, obwohl hierzu mit Blick auf das Urteil des Senats vom 22. Oktober 2013 (Az.: 3 L 582/12) Anlass bestanden hätte. Der Kläger verweist auf Seite 17 bzw. 18 seiner Zulassungsschrift „bezüglich der Höhe der dem Kläger zu gewährenden Stundenpauschale“ lediglich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag („Schriftsatz vom 05.09.2016 unter III.“, „Schriftsatz vom 13.06.2016 unter II. und III. 1.“; „Schriftsatz vom 31.01.2014, Ziff. 2. und 3.“ sowie „Schriftsatz vom 23.02.2015“). Die pauschale Bezugnahme auf früheres Vorbringen ist allerdings unstatthaft und gibt daher keine Veranlassung, sich damit obergerichtlich auseinanderzusetzen; die pauschale Bezugnahme auf bisheriges Vorbringen hat nämlich nicht zur Folge, dass dieses Bestandteil des Zulassungsvorbringens wird (vgl. zum Beschwerderecht u. a.: BayVGH, Beschluss vom 9. Mai 2014 - 22 CS 14.568 -, juris [m. w. N.]; OVG LSA, Beschluss vom 1. Oktober 2014 - 3 M 406/14 -, juris). Anderes gilt vorliegend auch nicht etwa deshalb, weil der Kläger auf bestimmte Teile seines erstinstanzlichen Vortrages verweist. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Verweises auf Teil III. seines Schriftsatzes vom 5. September 2016, der unter Punkt C) auch Ausführungen „zur Berechnung im Allgemeinen“ enthält. Es ist nicht Aufgabe des Senats, sich den als entscheidungserheblich erachteten Vortrag des Klägers „herauszusuchen“, zumal dieser vorliegend auf mehrere erstinstanzliche Stellungnahmen Bezug nimmt.

17

3. Auch die gegen die Höhe der Sachkostenpauschale erhobenen Einwände des Klägers vermögen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem Kläger für das Schuljahr 2012/2013 keine höhere Sachkostenpauschale zusteht.

18

Der Schülerkostensatz setzt sich gemäß § 18a Abs. 2 SchulG LSA aus mehreren Teilbeträgen je Schüler zusammen, u.a. den Personalkosten für Lehrkräfte (Satz 2 Nr. 1) und den Sachkosten (Satz 2 Nr. 3). Die entsprechenden Teilbeträge werden anhand der Absätze 3 bis 5 sowie der Verordnung nach Absatz 8 ermittelt (Satz 4). Der Sachkostenzuschuss beträgt 16,5 v. H. des Personalkostenzuschusses, bei Förderschulen 26,5 v. H. des Personalkostenzuschusses (§ 18a Abs. 5 SchulG LSA).

19

Das Verwaltungsgericht hat zunächst zutreffend festgestellt, dass der Kläger als Ersatzschule von besonderer pädagogischer Bedeutung (§ 2 Abs. 7 ESch-VO bzw. § 2 Abs. 7 SchifT-VO 2015) nicht als Förderschule i.S.d. § 8 SchulG LSA anzusehen ist und er deshalb keinen Anspruch auf den höheren Sachkostenzuschuss von 26,5 v. H. des Personalkostenzuschusses hat. Dies gilt schon deshalb, weil an Förderschulen sämtliche Kinder sonderpädagogisch förderbedürftig sind (vgl. auch § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SchulG LSA), während in der Schule des Klägers besonders förderbedürftige Kinder zusammen mit sonderpädagogisch nicht zu betreuenden Kindern gemeinsam unterrichtet werden. Dass der Kläger aus diesem Grund nicht als Förderschule anzusehen ist und er deshalb den für diese Schulform geltenden höheren Sachkostenzuschuss nach § 18a Abs. 5 SchulG LSA nicht zu beanspruchen vermag, wird durch ihn auch nicht in Frage gestellt. Er beruft sich vielmehr auf eine „Gesetzeslücke“ und macht geltend, ihm stehe der geltend gemachte Anspruch auf Erhöhung der Sachkostenpauschale aus höherrangigem Recht zu.

20

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, durch die Beschulung von Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf entstehe je nach der Anzahl und der Art der Förderbedürftigkeit ein pädagogischer Mehraufwand, der zusätzlich berücksichtigt werden müsse. Dies gelte nicht nur für die Personal-, sondern auch für die Sachkosten. Der Gesetzgeber habe mit der in § 18a Abs. 5 SchulG LSA enthaltenen Regelung selbst eingeräumt, dass mit der Beschulung von Kindern, welche einen sonderpädagogischen Förderbedarf aufweisen, auch höhere Sachkosten einhergingen. Dass Schülerinnen und Schüler an Förderschulen generell ein erhöhter Fördersatz zugesprochen werde, während für alle anderen Schülerinnen und Schüler lediglich der „normale“ Satz (in Höhe von 16,5 v. H. des Personalkostenzuschusses) gelte, und zwar auch dann, wenn diese sonderpädagogischer Förderung bedürften, verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 7 Abs. 4 GG und Art. 28 Abs. 2 VerfLSA. Der Kläger verlangt damit letztlich aufgrund verfassungsrechtlicher Überlegungen eine Berechnungsweise, welche die (lediglich anteilig beschulten) Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Gemeinsamen Unterricht hinsichtlich der Sachkostenpauschale mit den Schülerinnen und Schülern von Förderschulen gleichstellt.

21

Mit diesen Einwänden vermag er indes nicht durchzudringen.

22

a) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass weder aus Art. 7 Abs. 4 GG noch aus Art. 28 Abs. 2 VerfLSA ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Gewährung staatlicher Finanzhilfe folgt. Diese Ausführungen stimmen mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Urteil vom 8. April 1987 - 1 BvL 8, 16/84 -, juris; Beschluss vom 9. März 1994 - 1 BvR 682, 712/88 -, juris; Beschluss vom 23. November 2004 - 1 BvL 6/99 -, juris), des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. Dezember 2011 - 6 C 18.10 -, juris) und des beschließenden Senats (Urteil vom 22. Februar 2012 - 3 L 295/11 -, juris) überein.

23

Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2011 folgt aus Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG kein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Gewährung staatlicher Finanzhilfe, gar noch in bestimmter Höhe. Der grundrechtliche Schutzanspruch des einzelnen Ersatzschulträgers ist nur darauf gerichtet, dass der Gesetzgeber diejenigen Grenzen und Bindungen beachtet, die seinem politischen Handlungsspielraum durch die Schutz- und Förderpflicht zu Gunsten des Ersatzschulwesens als Institution gesetzt sind. Der gerichtliche Rechtsschutz bezieht sich unter diesen Umständen auf die Prüfung einer Untätigkeit, einer groben Vernachlässigung und eines ersatzlosen Abbaues getroffener Maßnahmen. Der Gesetzgeber vernachlässigt seine Schutz- und Förderpflicht gröblich, wenn bei weiterer Untätigkeit der Bestand des Ersatzschulwesens evident gefährdet wäre. Ob und wann eine solche Situation eingetreten ist, lässt sich letztlich nur aufgrund einer Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände beurteilen (BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2011, a.a.O.).

24

Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. November 2016 dahingehend fortgeführt, dass die einzelne Schule keinen Anspruch auf eine staatliche Förderung habe, die ihren konkreten Verhältnissen Rechnung trage. Der aus Art. 7 Abs. 4 GG folgende Schutzanspruch der einzelnen Schule sei vielmehr darauf beschränkt, dass der Staat den Bestand des Ersatzschulwesens als solches sicherstelle, indem er evidente Gefährdungen seiner Existenz vermeide oder abwende. Eine verfassungsrechtlich relevante Gefährdungslage entstehe, wenn der Staat, d.h. insbesondere die Landesgesetzgeber, die Förderung des Ersatzschulwesens einstellten oder grob vernachlässigten. Darüber hinaus könne eine Existenzgefährdung der Institution Ersatzschule durch den ersatzlosen Abbau von Fördermaßnahmen herbeigeführt werden. Ob nach diesen Maßstäben eine verfassungsrechtlich relevante Gefährdungslage bestehe, sei aufgrund einer Gesamtschau der maßgebenden Umstände zu beurteilen. Daraus folge, dass ein Ersatzschulträger nur dann erfolgreich gegen die Streichung oder Kürzung von Fördermaßnahmen vorgehen könne, wenn diese Einschränkungen nach Lage der Dinge voraussichtlich eine Gefährdung des jeweiligen Ersatzschultyps in dem betroffenen Bundesland nach sich ziehen würde (BVerwG, Beschluss vom 4. November 2016 - 6 B 27.16 -, juris).

25

Dass der Bestand integrativer Waldorfschulen oder der integrativen Ersatzschulen in ihrer Gesamtheit in Sachsen-Anhalt in diesem Sinne landesweit gefährdet ist, hat der Kläger nicht dargelegt. Er trägt hinsichtlich der inklusionsbedingten Sachkosten lediglich vor, dass ein besonderer Raum für die Einzelförderung der Schüler mit Förderbedarf vorgehalten werde, spezielle Fachliteratur angeschafft werden müsse und auch die Lehrer hinsichtlich der sonderpädagogischen Besonderheiten fortgebildet werden müssten. Darüber hinaus halte die Schule auch einen Aufzug vor, um auch Schülern mit körperlicher Beeinträchtigung den Zugang zu erleichtern. Dass und aus welchen Gründen allerdings hierdurch der Ersatzschultyp „Waldorfschule“ oder „Integrative Schule“ gefährdet wäre, hat er nicht aufgezeigt. Hierfür ist im Übrigen auch nichts ersichtlich. Vielmehr sind die Schülerzahlen an den Freien Waldorfschulen zwischen den Schuljahren 2010/2011 und 2015/2016 um 43 % gestiegen (zitiert nach: www.vdp-sachsen-anhalt.de/download/2015-16_Bundesweite_Entwicklung_der_Schulen_in_ freier_Traegerschaft.pdf).

26

Aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994 (- 1 BvR 1369/90 -, juris) folgt nichts Gegenteiliges. Das Bundesverfassungsgericht hat dort ausgeführt, dass der Staat die Kosten, die den Trägern privater Ersatzschulen für die Beschaffung des erforderlichen Schulraums entstünden, jedenfalls als Faktor für die Bemessung des Bedarfs, an dem sich die Zuschüsse ausrichten, nicht vollständig unberücksichtigt lassen dürfe. Eine landesgesetzliche Regelung, nach der die Kosten von Schulbaumaßnahmen bei der Finanzhilfe für private Ersatzschulen völlig unberücksichtigt blieben, verstoße deshalb gegen Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG. Die Besonderheit des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhaltes bestand allerdings darin, dass der pauschale Fördersatz durch den Landesgesetzgeber nicht so gewählt wurde, dass er das Existenzminimum unter Einschluss eines Beitrags abdeckte, der für die Beschaffung der notwendigen Schulräume zur Verfügung stand (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 - 1 BvR 1369/90 -, juris Rn. 74). Dass vorliegend Gleiches anzunehmen ist, hat der Kläger nicht dargetan.

27

b) Was den daneben geltend gemachten Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 VerfLSA anbelangt, hat der Senat bereits entschieden, dass diese Bestimmung gegenüber der bundesverfassungsrechtlichen Gewährleistung der Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 GG dem Grunde nach keine weitergehenden finanziellen Ansprüche vermittelt (vgl. Urteil des Senats vom 22. Februar 2012 - 3 L 295/11 -, juris). Hierauf hat das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend hingewiesen.

28

Der Kläger macht demgegenüber geltend, dass „die Regelung des Art. 28 Abs. 2 Verfassung LSA über die des Art. 7 Abs. 4 GG hinausgeht“. Zur Begründung verweist er auf die Regelung in Art. 8 Abs. 4 Satz 3 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und die hierauf bezogenen Literaturstimmen, in denen „einhellig ausgeführt [werde], dass der in der Landesverfassung formulierte Förderanspruch über die grundgesetzlichen Vorgaben des Art. 7 Abs. 4 GG [hinausgehe]“.

29

Allein der Hinweis auf den Inhalt der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und die entsprechenden Literaturstimmen ist allerdings nicht geeignet, die zitierte Rechtsprechung des Senats zu Inhalt und Reichweite der in Art. 28 VerfLSA enthaltenen Garantien in Frage zu stellen. Dies gilt hinsichtlich der in Bezug genommenen Regelung in Art. 8 Abs. 4 Satz 3 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen schon mit Blick auf den im Vergleich zu Art. 28 VerfLSA abweichenden Wortlaut. Denn danach haben die Privatschulen Anspruch „auf die zur Durchführung ihrer Aufgaben und zur Erfüllung ihrer Pflichten erforderlichen öffentlichen Zuschüsse“. Demgegenüber heißt es in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 VerfLSA, dass Ersatzschulen Anspruch „auf die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen öffentlichen Zuschüsse“ haben. Im Übrigen lässt der Inhalt einer Norm eines bestimmten Bundeslandes nur bedingt Rückschlüsse auf die Auslegung einer anderen - wenn auch vergleichbaren - landesrechtlichen Regelung zu. Denn der jeweiligen Regelung liegen regelmäßig unterschiedliche Motive des jeweiligen Landesgesetzgebers zugrunde. Dass und aus welchen Gründen deshalb die Regelung in Art. 28 VerfLSA so zu verstehen sein soll wie dies für Art. 8 Abs. 4 Satz 3 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen durch Stimmen in der Literatur angenommen wird, hat der Kläger nicht dargelegt. Soweit der Kläger daneben auf die Kommentierung von Andreas Reich zur Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt (Art. 28, Rn. 5, Punkt 1) hinweist, wonach die Schulen in freier Trägerschaft Mittel in dem Umfang erhalten können, die erforderlich wären, um entsprechende öffentliche Schulen zu betreiben, ist dies unergiebig. Denn hieraus folgt nicht, dass Art. 28 VerfLSA gegenüber der bundesverfassungsrechtlichen Gewährleistung der Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 GG weitergehende finanzielle Ansprüche vermittelt.

30

c) § 18a Abs. 5 SchulG LSA ist auch unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Insbesondere ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt.

31

Dieser gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Das Gleichheitsgrundrecht ist aber verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Dabei sind dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der jeweiligen Regelung umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Das gilt auch, wenn sich der Gesetzgeber entschließt, im Rahmen seiner Schutzpflicht das private Ersatzschulwesen durch die Gewährung finanzieller Zuwendungen zu unterstützen (BVerfG, Beschluss vom 23. November 2004 - 1 BvL 6/99 -, juris Rn. 53 m.w.N.). Der Gleichheitssatz lässt dem Gesetzgeber jenseits der Gewährleistung des Existenzminimums der Ersatzschulen allerdings eine weite Gestaltungsfreiheit, die sich vornehmlich darauf bezieht, wie und in welchem Umfang eine Leistung gewährt werden soll (BVerfG, Urteil vom 8. April 1987 - 1 BvL 8/84 -, BVerfGE 75, 40-78, Rn. 99).

32

Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger nicht darzulegen vermocht, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den im entscheidungserheblichen Zeitraum gültigen differenzierenden Regelungen zur Bezuschussung von Personal- und Sachkosten diesen Spielraum unter Missachtung des Gebots der erforderlichen Bezuschussung bzw. gleichheitswidrig überschritten hätte. Insbesondere zwingt Art. 3 Abs. 1 GG entgegen der Ansicht des Klägers nicht dazu, im vorliegenden Fall für die zwei im Schuljahr 2012/2013 in der Klasse 5/2 integrativ unterrichteten Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf jeweils einen höheren Sachkostenzuschuss in Ansatz zu bringen. Es mag zwar sein, dass die Unterrichtung dieser Schülerinnen und Schüler - wie bei Förderschulen - einen Mehraufwand erfordert. Diesem Gesichtspunkt wird durch die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Nr. 5 ESch-VO (nunmehr geregelt in § 9 Abs. 3 Nr. 5 SchifT-VO 2015) jedoch hinreichend Rechnung getragen. Im Einzelnen:

33

§ 18a Abs. 8 SchulG LSA ermächtigt das für das Schulwesen zuständige Ministerium, durch Verordnung nähere Bestimmungen zu erlassen. Hierzu gehört nach § 18a Abs. 8 Nr. 8 SchulG LSA auch die Berücksichtigung der sonderpädagogischen Förderung für Schülerinnen und Schüler im gemeinsamen Unterricht an Ersatzschulen bei der Finanzhilfe. In Ausübung dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber in § 10 Abs. 3 Nr. 5 Satz 1 ESch-VO festgelegt, dass sich der Schülerkostensatz für eine Schülerin oder einen Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht aus zwei Teilen zusammensetzt, und zwar - erstens - aus dem Schülerkostensatz derjenigen Schulform, in der der gemeinsame Unterricht stattfindet, und - zweitens - aus dem pauschalen Zuschuss für die sonderpädagogische Förderung. Der letztgenannte Zuschuss ergibt sich aus 90 v. H. der Personalkosten der für die zur Organisation des gemeinsamen Unterrichts festgelegten Lehrerwochenstunden der sonderpädagogischen Begleitung einer Schülerin oder eines Schülers im gemeinsamen Unterricht im entsprechenden Förderschwerpunkt an öffentlichen Schulen (§ 10 Abs. 3 Nr. 5 Satz 2 ESch-VO). Weiter ist geregelt, dass mit Ausnahme des Förderschwerpunktes Lernen 16,5 v. H. des Zuschusses nach Satz 2 als Sachkostenzuschuss gewährt werden (§ 10 Abs. 3 Nr. 5 Satz 3 ESch-VO). Anders gewendet: Der Zuschuss für die sonderpädagogische Förderung einer Schülerin oder eines Schülers beinhaltet auch einen Sachkostenzuschuss, der als prozentualer Aufschlag in Höhe von 16,5 v. H. dem nach Satz 2 berechneten (Personalkosten-)Zuschuss hinzugerechnet wird. Dies soll nach dem Willen des Verordnungsgebers allerdings nicht für alle Schülerinnen oder Schüler mit festgestelltem pädagogischen Förderbedarf gelten; Schülerinnen oder Schüler mit dem „Förderschwerpunkt Lernen“ erhalten lediglich den nach Satz 2 berechneten (Personalkosten-)Zuschuss, also ohne weiteren Sachkostenzuschuss.

34

Vor dem Hintergrund dieser Regelungen vermag der Einwand des Klägers, der mit dem gemeinsamen (integrativen) Unterricht einhergehende erhöhte Mehraufwand sei durch den Gesetzgeber (gänzlich) unberücksichtigt geblieben, nicht zu verfangen. Der sonderpädagogische Förderbedarf von Schülerinnen und Schüler im gemeinsamen Unterricht an Ersatzschulen wird nach dem Vorstehenden jedenfalls über die höheren Personalkosten berücksichtigt. Denn für die entsprechenden Schülerinnen und Schüler erhält der Kläger nach § 10 Abs. 3 Nr. 5 Satz 1 Halbs. 1 ESch-VO zum einen den „normalen“ Schülerkostensatz (für das Schuljahr 2012/2013: 5.224,34 Euro, zur Berechnung siehe die Anlage zum Bescheid vom 7. November 2013, Bl. 34 der Gerichtsakte). Darüber hinaus erhält er für die gleichen Schülerinnen und Schüler (mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf) einen „Zuschuss für gemeinsamen Unterricht“ gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 5 Satz 1 Halbs. 2 ESch-VO. Dieser beträgt für das Schuljahr 2012/2013 für den Förderschwerpunkt Lernen 4.660,24 Euro und hinsichtlich der übrigen Förderschwerpunkte (4.660,24 Euro + 16,5 % =) 5.429,18 Euro. Dieser Berechnung liegen zwei Lehrerwochenstunden zur sonderpädagogischen Begleitung zugrunde (vgl. die Anlage zum Bescheid vom 7. November 2013, Bl. 36 der Gerichtsakte). Während die Finanzhilfe für eine Schülerin oder einen Schüler für das Schuljahr 2012/2013 ohne pädagogischen Förderbedarf also 5.224,34 Euro betragen hat, belief sich der Schülerkostensatz für eine Schülerin oder einen Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen im betreffenden Schuljahr auf insgesamt 9.884,58 Euro (5.224,34 Euro + 4.660,24 Euro) und für eine Schülerin oder einen Schüler mit sonstigem pädagogischen Förderbedarf auf insgesamt 10.653,52 Euro (5.224,34 Euro + 5.429,18 Euro). Dies lassen auch die angegriffenen Bescheide erkennen (insbesondere unter Berücksichtigung der in Anlage 1 zum Bescheid des Beklagten vom 9. Februar 2016 enthaltenen Übersicht zur Höhe der Schülerkostensätze, Bl. 109 der Gerichtsakte). Danach hat der Kläger für die zwei im Schuljahr 2012/2013 in der Klasse 5/2 integrativ unterrichteten Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf nicht nur den „normalen“ Schülerkostensatz von 5.224,34 Euro erhalten, sondern auch den pauschalen Zuschuss für die sonderpädagogische Förderung („integrativ übrige Zuschuss“) in Höhe von weiteren 5.429,18 Euro (vgl. Seite 5 des Bescheides vom 31. August 2016, Bl. 220 der Gerichtsakte).

35

Der Schülerkostensatz für eine Schülerin oder einen Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht (vorliegend insgesamt 10.653,52 Euro) ist damit zwar immer noch deutlich geringer als die für Förderschulen für das Schuljahr 2012/2013 geltenden Schülerkostensätze (Schule für Geistigbehinderte: 22.520,23 Euro; Schule mit Ausgleichsklassen: 15.406,04 Euro; siehe Anlage 1 zum Bescheid des Beklagten vom 9. Februar 2016, Bl. 109 der Gerichtsakte). Allerdings kann auch nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber bzw. der Verordnungsgeber die erheblichen Mehrkosten, die mit einer integrativen Beschulung verbunden sind, gänzlich vernachlässigt hätte.

36

Der Kläger kann nicht - wie auch im Allgemeinen (s.o.) - verlangen, dass der Schülerkostensatz für eine Schülerin oder einen Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht zu 100 % dem für Förderschulen geltenden Satz entspricht. Ebenso wenig kann er beanspruchen, dass dem pädagogischen Mehraufwand für eine Schülerin oder einen Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht gerade in Form einer erhöhter Sachkostenpauschale Rechnung getragen wird. Der Gesetzgeber und der Verordnungsgeber des Landes Sachsen-Anhalt haben davon abgesehen, eine Regelung zur Sachkostenpauschale zu schaffen, die eigens an den Bedarf durch die sonderpädagogische Begleitung einer Schülerin oder eines Schülers im gemeinsamen Unterricht anknüpft. Stattdessen hat der Verordnungsgeber den pädagogischen Mehrbedarf mit § 10 Abs. 3 Nr. 5 ESch-VO ausdrücklich bei der Berechnung des Schülerkostensatzes für eine Schülerin oder einen Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht berücksichtigt, und zwar in Form einer (deutlich) höheren Personalkostenbezuschussung. Diese Form der Bezuschussung hält sich innerhalb der dem Gesetzgeber durch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich eingeräumten Gestaltungsfreiheit, die sich - wie dargelegt - vornehmlich darauf bezieht, wie und in welchem Umfang eine Leistung gewährt werden soll (BVerfG, Urteil vom 8. April 1987, a.a.O., Rn. 99).

37

II. Die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich ferner nicht wegen der gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, denn auch diese ist nicht entsprechend den Darlegungserfordernissen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO dargelegt.

38

„Grundsätzliche Bedeutung“ im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besitzt eine Rechtssache nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im angestrebten Rechtsmittelverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechts- oder Tatsachenfragen beitragen kann, die eine über den Einzelfall hinausgehende Tragweite besitzen und die im Interesse der Rechtseinheit oder Weiterentwicklung des Rechts einer Klärung bedürfen (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 28. April 2014 - 1 L 75/13 -, juris Rn. 39 m. w. N.). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zudem im Zulassungsantrag darzulegen. „Dargelegt“ im Sinne der genannten Vorschrift ist eine grundsätzliche Bedeutung nur dann, wenn in der Antragsbegründung eine konkrete rechtliche oder tatsächliche Frage formuliert und zugleich substantiiert vorgetragen wird, inwiefern der Klärung dieser Frage eine im Interesse der Rechtssicherheit, Vereinheitlichung oder Fortbildung des Rechts über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt und warum es auf die Klärung der zur Überprüfung gestellten Frage im konkreten Fall entscheidungserheblich ankommt (OVG LSA, Beschluss vom 28. April 2014, a. a. O.).

39

In Anlegung dieser Maßstäbe ist eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vom Kläger nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden.

40

Soweit er zunächst die Frage aufwirft, ob „dem Träger einer Freien Waldorfschule im Land Sachsen-Anhalt hinsichtlich der Schuljahrgänge 11 und 12 […] ein Anspruch auf Finanzhilfe […] zu gewähren sei“, kommt es hierauf aus den unter Punkt I.2. dargestellten Gründen nicht entscheidungserheblich an.

41

Die Frage, ob „dem Träger einer Freien Waldorfschule im Land Sachsen-Anhalt bezüglich der Klassenstufen 5 - 12 ein Anspruch auf eine zusätzliche Stundenpauschale in Höhe der Stundenpauschale, wie diese den Sekundarschulen gewährt wird, zu gewähren“ sei, wirft ebenfalls keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage auf. Insoweit werden die Voraussetzungen für die Zulassung des Rechtsmittels in der Antragsschrift nicht - wie es erforderlich gewesen wäre - in der Weise unter Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur sowie unter Angabe der maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Überlegungen erläutert und aufgearbeitet, dass das Berufungsgericht hierdurch in die Lage versetzt würde, anhand der Antragsschrift darüber zu befinden, ob die Zulassung des Rechtsmittels wegen grundsätzlicher Bedeutung gerechtfertigt ist. Auch insoweit wird auf die Ausführungen des Senats unter Punkt I.2. verwiesen.

42

Grundsätzlich klärungsbedürftig ist auch nicht die weitere durch den Kläger aufgeworfene Frage, ob „es mit Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 28 Abs. 2 Verfassung LSA vereinbar [sei], dass Förderschulen in freier Trägerschaft eine Sachkostenpauschale i.H.v. 26,5 v.H. gewährt [werde], während dem Träger einer anerkannten Ersatzschule oder Ersatzschule von besonderer pädagogischer Bedeutung […] im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Unterricht lediglich ein Sachkostenzuschuss i.H.v. 16,5 v.H. gewährt [werde]“. Die in diesem Zusammenhang durch die Zulassungsschrift aufgeworfenen Fragen lassen sich anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und des beschließenden Senats beantworten (hierzu unter Punkt I.3. in diesem Beschluss). Die aufgeworfene Frage lässt deshalb den erforderlichen Klärungsbedarf nicht erkennen.

43

III. Die Berufung ist schließlich nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen der vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel zuzulassen.

44

Die Zulassungsschrift beanstandet als Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs aus § 108 Abs. 2 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG, dass dem Kläger kein Schriftsatznachlass nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 283 Satz 1 ZPO gewährt worden sei, um sich zu dem „ergänzenden Vortrag“ des Beklagten vom 31. August 2016 äußern zu können. Der Beklagte habe dem Gericht am 31. August 2016 zwei Schriftsätze vorgelegt. Mit dem ersten Schriftsatz habe der Beklagte seinen (Änderungs-)Bescheid vom 31. August 2016 zur Kenntnis gegeben (Bl. 188 der Gerichtsakte). Mit dem zweiten Schriftsatz vom 31. August 2016 habe der Beklagte - in Reaktion auf die mit Verfügung des Gerichts vom 30. August 2016 erfolgte Bitte um ergänzenden Vortrag (Bl. 168 der Gerichtsaktei) - eine „Stellungnahme zur Berechnung und Festsetzung von Stundenpauschalen u.a. hinsichtlich der 2. Fremdsprache“ übersandt (Bl. 178 der Gerichtsakte). Obwohl er den verspäteten Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung gerügt habe, sei das Urteil noch am selben Tag verkündet worden. Zwar sei das Gericht in der angefochtenen Entscheidung auch der Frage nachgegangen, ob dem Kläger ein Schriftsatznachlass zu gewähren gewesen sei. Allerdings habe es hierbei lediglich den ersten Schriftsatz des Beklagten vom 31. August 2016 in seine Überlegungen eingestellt. Den zweiten Schriftsatz vom 31. August 2016, der dem Kläger am 1. September 2016 und damit erst fünf Tage vor der mündlichen Verhandlung zugegangen sei, habe es bei seinen Überlegungen gänzlich unberücksichtigt gelassen. Zur Vorbereitung seiner Erwiderung vom 5. September 2016 (Bl. 191 ff. der Gerichtakte) habe ihm damit kein ausreichender Zeitraum zur Verfügung gestanden.

45

Mit diesem Vortrag hat der Kläger einen Verfahrensfehler nicht dargelegt.

46

Dabei kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen der Grundsatz auf rechtliches Gehör gebietet, bei Einreichung eines Schriftsatzes kurze Zeit vor dem Verhandlungstermin einen Schriftsatznachlass zu gewähren. Denn die Verfahrensrüge genügt jedenfalls nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO.

47

Ein Antragsteller, der geltend macht, er habe sich zu bestimmten Fragen nicht äußern können, muss schlüssig und substantiiert darlegen, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 2010 - 6 B 81.09 -, juris Rn. 8). Enthält das Zulassungsvorbringen in Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen keine Ausführungen dazu, welcher konkrete Vortrag nicht berücksichtigt wurde, und inwieweit die Berücksichtigung zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können, so fehlt es zudem an der gebotenen Darlegung, dass das angegriffene Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO beruhen kann.

48

Diese Darlegungsvoraussetzungen erfüllt das Zulassungsvorbringen nicht. Der Kläger trägt hierzu vor, dass er „im Fall des Schriftsatznachlasses beispielsweise auch die nunmehr als Anlage K 3 vorgelegte Übersicht beigebracht [hätte], ausweislich welcher an der seitens des Klägers getragenen Freien Waldorfschule in einem nicht unerheblichem Umfang eine Hinführung zum Abitur erfolgt“. Vor diesem Hintergrund seien die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, „insbesondere dessen Schlussfolgerung, wonach dem Kläger für die Schuljahrgänge 11 und 12 überhaupt keine Finanzhilfe zusteht, weshalb auch kein Anspruch auf eine höhere Stundenpauschale gegeben sein könne, […] nicht überzeugend“.

49

Der Kläger gibt damit zwar zu erkennen, was er in einem nachgelassenen Schriftsatz zusätzlich ausgeführt hätte. Er legt allerdings nicht hinreichend dar, warum sein weiterer Vortrag aus der materiell-rechtlichen Sicht der Tatsacheninstanz (und insbesondere hinsichtlich des mit Schriftsatz vom 31. August 2016 erfolgten Vortrags des Beklagten) für das Urteil entscheidungserheblich gewesen sein könnte. Abgesehen davon, dass sich der „ergänzende Vortrag“ des Beklagten vom 31. August 2016 auf die Übersendung der „Berechnung und Festsetzung der Stundenpauschalen für die Schuljahre 2012/2013 und 2013/2014“ beschränkte, die dem Gericht bereits mit Schriftsatz des Beklagten vom 29. August 2016 überreicht wurde (Bl. 157 ff. der Gerichtsakte), hat sich das Verwaltungsgericht in materiell-rechtlichen Hinsicht gerade nicht auf diese Berechnungsgrundlage des Beklagten gestützt. Vielmehr ist es - im Gegenteil - den Rechtsausführungen des Klägers gefolgt, indem es auf Seite 14 der Entscheidung unter Hinweis auf § 10 Abs. 2 ESch-VO ausgeführt hat, „dass die zusätzliche Stundenpauschale für die Freien Waldorfschulen ebenso zusätzliche Stunden für Hauswirtschaft und Technik, die zweite Fremdsprache oder Wahlpflichtkurse sowie etwaige Förderungsstunden zu berücksichtigen hat, sofern diese Fächer bei dem Kläger tatsächlich oder in vergleichbarer Weise angeboten werden und daher zu einem Zusatzaufwand führen“. Seine klagabweisende Entscheidung hat das Verwaltungsgericht stattdessen auf einen rechtlichen Gesichtspunkt gestützt, der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung - soweit ersichtlich - von keinem der Beteiligten in den Blick genommen worden ist. Damit vermag auch der Einwand des Klägers nicht zu verfangen, es könne jedenfalls hinsichtlich der durch ihn als Anlage K 3 vorgelegten Übersicht nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht bei Berücksichtigung dieser Übersicht zu einer für ihn günstigeren Entscheidung hätte gelangen können. Denn mit dieser Übersicht und den diesbezüglich durch ihn angestellten Überlegungen tritt er nicht der mit Schriftsatz des Beklagten vom 31. August 2016 (vermeintlich verspätet) vorgelegten Berechnungsgrundlage, wegen derer er Schriftsatznachlass begehrt hat, entgegen. Vielmehr sucht er hiermit die - auf eigenen Überlegungen beruhende - Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu erschüttern.

50

Dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt gestützt hat, mit dem auch ein sorgfältiger Verfahrensbeteiligter nicht habe rechnen müssen, weil die vom Gericht als entscheidungserheblich angesehenen Gesichtspunkte in der mündlichen Verhandlung nicht erörtert worden seien, macht der Kläger demgegenüber schon nicht geltend.

51

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung der Höhe des Streitwertes für das Zulassungsverfahren folgt aus den §§ 40, 47, 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an den in erster Instanz gestellten Klageanträgen.

52

V. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4, 152 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tatbestand

1

Der Antragsteller begehrt im Wege der Normenkontrolle, die Gefahrenabwehrverordnung der Antragsgegnerin betreffend die Abwehr von Gefahren durch Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit für unwirksam zu erklären.

2

Der in A-Stadt wohnhafte Antragsteller ist Inhaber eines Ladengeschäftes in der H-Straße in A-Stadt. Er betreibt dort seit dem 20. Oktober 2005 einen sog. Spätverkauf mit angeschlossenem Imbiss.

3

Die Antragsgegnerin hat unter Bezugnahme auf die §§ 1 und 94 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) am 12. Dezember 2008 folgende Gefahrabwehrverordnung erlassen:

4

§ 1 – Allgemeines Verbot

5

(1) Unbeschadet der §§ 117 und 118 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist im gesamten Stadtgebiet das Lagern oder dauerhafte Verweilen in Verbindung mit Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit verboten, wenn dessen Auswirkungen geeignet sind, Dritte erheblich zu beeinträchtigen. Eine solche erhebliche Beeinträchtigung liegt insbesondere bei Anpöbeln, Beschimpfen, lautes Singen, Johlen, Schreien, Lärmen, Liegenlassen von Flaschen und ähnlichen Behältnissen, Notdurftverrichtungen oder Erbrechen vor.

6

(2) Das Verbot gemäß Absatz 1 gilt nicht für Bereiche, welche nach Gaststättenrecht konzessioniert sind.

7

§ 2 – Verbot des Alkoholkonsums im Bereich des H-platzes

8

(1) Der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit ist täglich in der Zeit von 18.00 Uhr bis 06.00 Uhr verboten.

9

…..

10

§ 3 – Verbot des Alkoholkonsums im Bereich des Willy-Brandt-Platzes

11

(1) Der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit ist ganztägig verboten.

12

…..“

13

Der örtliche Geltungsbereich der Verbote im Bereich des H-platzes bzw. Willy-Brandt-Platzes ist in der Verordnung durch Bezeichnung der betroffenen Straßenabschnitte und durch eine der Verordnung beigefügte kartographische Darstellung näher umschrieben. Ferner ist jeweils bestimmt, dass die Verbote nicht für Bereiche gelten, welche nach Gaststättenrecht konzessioniert sind. Gemäß § 4 der Verordnung kann die Antragsgegnerin von den Verboten dieser Verordnung in „begründeten Einzelfällen“ Ausnahmen zulassen, soweit das öffentliche Interesse nicht entgegensteht. § 5 enthält eine Regelung über Ordnungswidrigkeiten. Die Verordnung hat eine Geltungsdauer von zwei Jahren und ist eine Woche nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 18. Dezember 2008 (S. 673) in Kraft getreten.

14

Am 31. August 2009 hat der Antragsteller einen Antrag auf Normenkontrolle nach § 47 VwGO gestellt und beantragt, die §§ 1 bis 3 der Gefahrenabwehrverordnung der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.

15

Der Antragsteller sieht sich durch die Gefahrenabwehrverordnung in seinen Freiheitsrechten verletzt. Er führt zur Begründung im Wesentlichen aus, dass er sich nicht einmal vor die Tür seines Geschäftes setzen bzw. im offenen Türbereich stehen und dort ein Bier, ein Biermischgetränk oder einen „Alkopop“ trinken dürfe, da sein Ladengeschäft in dem vom Alkoholverbot erfassten Bereich um den H-platz belegen sei. Er halte auch die Grenzziehung der örtlichen Ausdehnung des Alkoholverbotes für willkürlich. Im Übrigen bezweifle er, dass diese willkürliche Grenzziehung überhaupt zu einem Rückgang der Kriminalität geführt habe und nicht lediglich zu einer Verlagerung vom H-platz bzw. Bahnhofsvorplatz auf die Nebenstraßen. Er bezweifle weiter, dass überhaupt aussagekräftige Statistiken zur Kriminalitätsentwicklung in diesen Bereichen existierten. Im Übrigen sei das Alkoholverbot als solches ungeeignet, da es alle Bürger „über einen Kamm schere“ und die große Masse ruhiger und gesitteter Bürger dafür bestrafe, dass es die Polizei nicht fertigbringe, das strafbare Handeln vereinzelter Störenfriede zu unterbinden. Im Übrigen seien die Bestimmungen der Gefahrenabwehrverordnung nicht von der Ermächtigung der §§ 1, 93 f. SOG LSA gedeckt. § 1 der Gefahrenabwehrverordnung sei unwirksam, weil die Norm zu unbestimmt sei und damit bereits gegen das Erfordernis in § 96 Abs. 1 SOG LSA verstoße. Es sei einem objektiven Betrachter keine Abgrenzung zwischen erlaubtem und nicht erlaubtem Handeln möglich. Im Übrigen habe der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu einer ähnlichen Gefahrenabwehrverordnung der Stadt Freiburg im Breisgau festgestellt, dass diese unwirksam sei.

16

Der Antragsteller beantragt,

17

die §§ 1 bis 3 der Gefahrenabwehrverordnung betreffend die Abwehr von Gefahren durch Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit der Stadt A-Stadt vom 04. Dezember 2008, veröffentlicht im Amtsblatt der Stadt A-Stadt vom 18. Dezember 2008, für nichtig bzw. unwirksam zu erklären.

18

Die Antragsgegnerin beantragt,

19

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

20

Sie trägt vor: In den Jahren 2006 und 2007 habe sich der Bereich des H-platzes zu einem polizeilichen und sicherheitsbehördlichen Kriminalitätsschwerpunkt und einem Treffpunkt von Personen entwickelt, welche dort außerhalb der Gastronomie Alkohol konsumierten. Von diesen Personen seien regelmäßig Gefährdungen ausgegangen. Es sei wiederholt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Hierbei seien auch mehrere Personen verletzt worden. Durch den Konsum von Alkohol sei dabei die Aggressivität des Verhaltens verstärkt und die Hemmschwelle zur Anwendung körperlicher Gewalt deutlich gesenkt worden. Auch sei durch diesen Personenkreis das Umfeld durch Lärmen und „aufgedrehte“ Musikanlagen aus Kraftfahrzeugen belästigt worden. Weiterhin hätten diese Personen Verunreinigungen der öffentlichen Verkehrsflächen verursacht. Insbesondere Scherben durch weggeworfene Glasflaschen hätten für Gefährdungen des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs gesorgt. Die Straftatenstatistik belege diese Entwicklung. Im Bereich des H-platzes sei es im Jahr 2007 zu einem Anstieg der Körperverletzungsdelikte auf 70 Taten gegenüber 56 Taten im Jahr 2006 gekommen. Eine Allgemeinverfügung zur Gefahrenabwehr für den Bereich des H-platzes vom 25. Januar 2008 hätte vom 01. Februar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 gegolten, jedoch nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt. Die Regelungen der Allgemeinverfügung hätten auch mit einem großen personellen Aufwand seitens der städtischen Ordnungskräfte und der Polizei nicht in dem beabsichtigten Umfang durchgesetzt werden können. Seit dem Inkrafttreten der Gefahrenabwehrverordnung habe sich die Lage um den H-platz hingegen deutlich entspannt. So könnten insbesondere die weiblichen Gäste der Gaststätten am H-platz ungehindert vor der Tür im Freien rauchen, ohne angepöbelt oder belästigt zu werden. Auch stünden die Sitzbänke wieder jedermann zur Verfügung und die Aufenthaltsqualität auf dem H-platz habe sich verbessert. Nach Einschätzung des städtischen Abfallwirtschaftsbetriebes habe sich die Sauberkeit im Umfeld des H-platzes deutlich verbessert. Das Müllaufkommen sei um ca. 40 % gesunken. Es gebe auch bedeutend weniger Glasbruch; es lägen nur noch vereinzelt zerbrochene Flaschen umher. Es entspreche den allgemeinen Lebenserfahrungen und den Erkenntnissen fachkundiger Stellen, dass es zu Ordnungswidrigkeiten komme (und damit zu einer Realisierung einer konkreten Gefahr), wenn im Bereich des H-platzes außerhalb konzessionierter Flächen Alkohol getrunken werde. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sowohl am H-platz als auch auf dem Willy-Brandt-Platz üblicherweise kein gemütliches Verweilen von Personen zu verzeichnen sei, welche damit einhergehend in geringen Mengen Alkohol konsumierten. Vielmehr würden diese Bereiche von Gruppen von Jugendlichen aufgesucht, bei denen der Alkoholkonsum im Vordergrund stehe. Entsprechende Mengen von Alkohol würden mitgeführt. Insbesondere Bier werde kistenweise vorgehalten. Vor Inkrafttreten der Gefahrenabwehrverordnung hätten die Straftaten und Ordnungswidrigkeiten mit den bisherigen polizei- und ordnungsrechtlichen Befugnissen nicht hinreichend bekämpft werden können. Stichprobenartige Kontrollen und selbst größere Präsenz seien nicht ausreichend gewesen. Gerade Ordnungswidrigkeiten, wie z.B. das erhöhte Müllaufkommen und die Lärmbelästigungen, ließen sich mangels Zuordnung nicht vermeiden und sanktionieren.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Der Antrag ist zunächst statthaft.

23

Die angegriffene Vorschrift ist eine Verordnung, deren Überprüfung im Wege der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle durch das Landesrecht vorgesehen ist (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 10 AGVwGO LSA).

24

Der Antrag ist auch zulässig.

25

Die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO von einem Jahr nach Bekanntmachung der Verordnung ist gewahrt.

26

Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch hinsichtlich aller Bestimmungen der angegriffenen Verordnung antragsbefugt. Die Antragsbefugnis wird nach dieser Bestimmung jeder natürlichen oder juristischen Person eingeräumt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ausreichend, aber auch erforderlich ist daher, dass der Antragssteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in seinen subjektiven Rechten verletzt wird. Anders als die Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO setzt die Erklärung einer Rechtsvorschrift für unwirksam nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO eine Verletzung eigener Rechte des Antragstellers nicht voraus. Das Verfahren der Normenkontrolle nach § 47 VwGO dient nicht nur dem subjektiven Rechtsschutz; es stellt zugleich ein Verfahren der objektiven Rechtskontrolle dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.04.2008 - 4 CN 1.07 -, NVwZ 2008, 899). Die Anforderungen an die Antragsbefugnis dürfen daher nicht überspannt werden. Die Antragsbefugnis fehlt danach erst, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Antragsstellers verletzt sein können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.08.2005 - 6 BN 1.05 -, NVwZ-RR 2006, 36 m. w. N.). Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass dem Antragsteller im Hinblick auf die grundrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit i.S.d. Art. 2 Abs. 1 GG, welche auch den Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit umfasst, ein subjektives Recht darauf zusteht, dass bei hoheitlichen Eingriffen und Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit die einschlägigen Vorschriften des formellen und materiellen Rechts beachtet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleistet Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit in einem umfassenden Sinne. Geschützt ist durch die allgemeine Handlungsfreiheit damit nicht nur ein begrenzter Bereich der Persönlichkeitsentfaltung, sondern jede Form menschlichen Handelns ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.05.1980 - 2 BvR 854/79 -, BVerfGE 54, 143 und Beschl. v. 06.06.1989 - 1 BvR 921/85 -, BVerfGE 80, 137). Der Einzelne kann die Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte verlangen, ob eine die allgemeine Handlungsfreiheit einschränkende Norm zur verfassungsmäßigen Ordnung gehört, ob sie also formell und materiell mit höherrangigem Recht im Einklang steht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.06.1989, a. a. O.) Der Antragsteller kann geltend machen, durch die Verordnung bzw. deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein bzw. in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller wohnt und arbeitet in A-Stadt. Er möchte auch in Zukunft u. a. in den in der Verbotsverordnung genannten Bereichen die Gelegenheit haben, Alkohol zu konsumieren. Das hat er in der Antragsschrift hinsichtlich des Hasselbachplatzes ausdrücklich geltend gemacht und sich im Übrigen mit der Anfechtung der §§ 1 und 3 der Verordnung konkludent vorbehalten. Er gehört damit zum Kreis der potenziell Betroffenen. Er läuft, auch wenn er es nicht darauf anlegt, Dritte erheblich zu beeinträchtigen, gleichwohl bei einem Konsum von Alkohol Gefahr, dass die Antragsgegnerin hinzutretende Lebensäußerungen oder Handlungen, etwa das Singen eines Liedes, als Auswirkungen seines Alkoholgenusses ansieht, die geeignet sind, derartige Beeinträchtigungen hervorzurufen.

27

Der Antrag ist auch begründet. Die am 4. Dezember 2008 vom Stadtrat der Antragsgegnerin beschlossene und am 12. Dezember 2008 ausgefertigte Gefahrenabwehrverordnung ist ungültig, da die Verbotsbestimmungen der §§ 1 bis 3 der Gefahrenabwehrverordnung (im Folgenden: GefahrenabwehrVO) nicht mit höherrangigem Recht vereinbar sind.

28

Es bestehen zwar keine Bedenken hinsichtlich des ordnungsgemäßen Zustandekommens der Gefahrenabwehrverordnung. Die Verordnung ist mit der erforderlichen Zustimmung des Stadtrates der Antragsgegnerin erlassen worden (vgl. §§ 94 Abs. 2 SOG LSA, 44 Abs. 3 Nr. 1 GO LSA) und dem Landesverwaltungsamt als Rechtsaufsichtsbehörde nach Maßgabe des § 101 Abs. 1 Satz 1 und 2 SOG LSA zur Zustimmung vorgelegt worden. Eine ordnungsgemäße Verkündung i.S.d. §§ 99 Abs. 2 SOG LSA, 2 Abs. 1 VerkündG LSA) durch die öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt der Antragsgegnerin liegt ebenfalls vor.

29

§ 1 GefahrenabwehrVO verstößt gegen das verfassungsrechtliche Gebot hinreichender Bestimmtheit. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen grundsätzlich so genau zu fassen, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach ausrichten kann. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit grundsätzlich nicht entgegen; allerdings müssen sich aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348; VGH Mannheim, Urt. v. 28.07.2009 - 1 S 2340/08 -, VBlBW 2010, 33). Wenn - wie hier - eine bußgeldbewehrte Verbotsvorschrift im Streit steht, muss sich diese zudem an den strengeren Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG messen lassen. Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein besonderes Bestimmtheitsgebot. Der Gesetzgeber ist danach verpflichtet, die Voraussetzungen der Strafbarkeit oder Bußgeldbewehrung so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Sie soll einerseits sicherstellen, dass die Normadressaten vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Sie soll andererseits gewährleisten, dass der Gesetzgeber über die Strafbarkeit oder die Bußgeldvoraussetzungen selbst entscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt, die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung oder einer Verhängung von Geldbußen festzulegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.11.2009 - 1 BvR 2717/08 -, NJW 2010, 754; Beschl. v. 22.06.1988 - 2 BvR 234/87 - BVerfGE 78, 374). Das schließt allerdings nicht eine Verwendung von Begriffen aus, die der Deutung durch den Richter bedürfen. Auch im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen. Ferner ist es wegen der Allgemeinheit und Abstraktheit von Straf- und Bußgeldnormen unvermeidlich, dass in Einzelfällen zweifelhaft sein kann, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Jedenfalls im Regelfall muss der Normadressat aber anhand der gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar oder bußgeldbewehrt ist. In Grenzfällen ist auf diese Weise wenigstens das Risiko einer Ahndung erkennbar (vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.06.1998, a. a. O.).

30

Diesem Maßstab wird § 1 GefahrenabwehrVO nicht gerecht. Die darin normierten Tatbestandsmerkmale ermöglichen keine hinreichend eindeutige Abgrenzung zwischen verbotenem und noch zulässigem Verhalten.

31

Was mit „Lagern“ oder „dauerhaftem Verweilen“ gemeint ist, ist einer Auslegung zwar noch grundsätzlich zugänglich. Der Begriff des „Lagerns“ kann mit der Einrichtung eines Rast- und Ruheplatzes einer Person umschrieben werden. Auch der unbestimmte Rechtsbegriff „dauerhaftes Verweilen“ lässt sich dahingehend begrenzen, dass eine lediglich kurze Unterbrechung der Fortbewegung, etwa um ein alkoholisches Getränk zu sich zu nehmen, hiervon nicht erfasst sein soll.

32

Die Norm ist jedoch nicht hinreichend bestimmt, da nach dem Wortlaut der Norm nicht eindeutig erkennbar ist, ob mit dem Lagern oder dauerhaften Verweilen in der „Öffentlichkeit“ nur der Aufenthalt auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen im gesamten Stadtgebiet der Antragsgegnerin gemeint ist oder ob auch ein zur Beeinträchtigung Dritter geeignetes Lagern oder dauerhaftes Verweilen in Verbindung mit Alkoholkonsum auf privaten, jedoch öffentlich zugänglichen Grundstücken in A-Stadt untersagt werden soll.

33

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist eine hinreichende Auslegung nicht anhand der Systematik der Vorschrift möglich. Die Einschränkung in § 1 Abs. 2 GefahrenabwehrVO, wonach das Verbot nicht für Bereiche gilt, welche nach Gaststättenrecht konzessioniert sind, kann nicht als Auslegungshilfe für die Interpretation des Begriffs der „Öffentlichkeit“ im Sinne des § 1 Abs. 1 GefahrenabwehrVO herangezogen werden, da sich diese Bereiche sowohl auf Privatgrundstücken als auch - im Rahmen einer Sondernutzung - auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen befinden können.

34

Der Begriff der „Öffentlichkeit“ im Sinne der Gefahrenabwehrverordnung ist auch durch andere Bestimmungen des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit oder Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt nicht näher eingrenzbar. So wird etwa in § 43 Abs. 7 SOG LSA hinsichtlich der ordnungsrechtlichen Befugnisse zum Betreten und Durchsuchen von Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen ebenfalls als Anknüpfungsmerkmal das Tatbestandsmerkmal „der Öffentlichkeit zugänglich“ verwandt. Bei der Auslegung des Ausdrucks „der Öffentlichkeit zugänglich“ und der Klärung, wovon und von wem die Zugänglichkeit abhängt, kann grundsätzlich auf die verfassungsrechtliche Einordnung der Vorschrift zurückgegriffen werden. Sie steht im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf Wohnung aus Artikel 13 Abs. 1 GG, wobei der Begriff „Wohnung“ nicht nur Wohnungen im umgangssprachlichen Sinne, sondern auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume umfasst. Zur „Wohnung“ gehören auch diejenigen Teile der Betriebsräume oder des umfriedeten Besitztums, die der Veranstalter aus eigenem Entschluss der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat; auch dann gewährleistet das Grundrecht Schutz gegen Eingriffe in seine Entscheidung über das Zutrittsrecht im Einzelnen und über die Zweckbestimmung des Aufenthaltes. Als Beispiele für solche öffentlich zugänglichen Orte werden Hotels, Theater, Kinos, Schwimmbäder, Stadien, Museen, Spielsalons und Kaufhäuser genannt (vgl. die Aufzählung bei Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Abschnitt F Rdnr. 724). Andere Räumlichkeiten dagegen behalten trotz des Besuchs einer Vielzahl von Personen einen grundsätzlich privaten Charakter (etwa die Warteräume einer Arztpraxis oder einer Anwaltskanzlei). Für letztere fehlt es typischerweise an der Einwilligung des Inhabers zu einem unbeschränkten Zutritt, wenngleich er diese - etwa an einem Tag der Offenen Tür - erteilen könnte (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.09.2009 - 1 B 29.09 - juris). Ohne eine umfassende Einwilligung sind die Räume trotz der mit den Besuchern verbundenen Teilöffentlichkeit nicht „öffentlich“ im Sinne des § 43 Abs. 7 SOG LSA. Wann eine „öffentliche Zugänglichkeit“ daher allgemein vorliegt, bestimmt auch diese Vorschrift nicht. Die polizei- und ordnungsrechtliche Literatur sieht fast ausnahmslos von einer konkreten Definition des Begriffs der „öffentlich zugänglichen“ Räume ab (vgl. z.B. Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Kap. F Rdnr. 724; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, § 3 Rn. 155). Auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wird aufgrund der Vielgestaltigkeit der denkbaren Lebenssachverhalte regelmäßig eine Einzelfallbetrachtung angestellt, ohne dass über die oben dargestellten abstrakten Rechtssätze hinaus, der Begriff der „öffentlich zugänglichen“ Räume näher definiert wird (vgl. zu einer allgemein zugänglichen Teestube eines privaten Vereins: BVerwG, Urt. v. 25.08.2004 - 6 C 26.03 -, BVerwGE 121, 345). Vor diesem Hintergrund ist für den Adressaten des § 1 GefahrenabwehrVO nicht hinreichend erkennbar, ob z. B. eine öffentlich zugängliche Werbeveranstaltung eines Unternehmens auf einem Privatgrundstück, auf der die Besucher zumindest eine Weile verbleiben sollen und auf der Alkohol konsumiert (nicht notwendigerweise ausgeschenkt) wird, von der Verbotsnorm erfasst wird und der Veranstalter sich daher ggf. um eine Ausnahmegenehmigung nach § 4 GefahrenabwehrVO bemühen muss.

35

Auch der Begründung der Gefahrenabwehrverordnung in der Drucksache DS0521/08 lässt sich nicht mit der notwendigen Klarheit entnehmen, wie der Begriff der „Öffentlichkeit“ auszulegen ist. So heißt es auf Seite 4 der Drucksache: „In A-Stadt gibt es zur Zeit ca. 40 Treffpunkte, an denen regelmäßig Alkohol in der Öffentlichkeit getrunken wird (auch auf Privatgrundstücken , insbesondere Einkaufsmärkten).“ Auf Seite 6 heißt es hingegen zum Regelungsinhalt des § 1 GefahrenabwehrVO: „Das Lagern oder dauerhafte Verweilen aufStraßen und öffentlichen Anlagen außerhalb konzessionierter Freiflächen in Verbindung mit Alkoholkonsum, wird untersagt, wenn dessen Auswirkungen geeignet sind, Dritte erheblich zu belästigen.“ (Hervorhebungen jeweils durch den Senat).

36

Weiterhin ist die Verordnung auch insoweit zu unbestimmt, als das Verbot an das Lagern und dauerhafte Verweilen in Verbindung mit dem Konsum von Alkohol anknüpft. Nach dem maßgeblichen Wortlaut der Vorschrift setzt der Tatbestand der Verbotsnorm keine „finale Verknüpfung“ dergestalt voraus, dass das „Lagern“ oder „dauerhafte Verweilen“ zum Zwecke des Konsums von Alkohol erfolgt (vgl. zu einer solchen Bestimmung: VGH Mannheim, Urt. v. 28.07.2009 - 1 S 2340/08 -, VBlBW 2010, 33; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 15.09.1997 -Ss (Z) 221/97 (62/97) -, NJW 1998, 251). Dem maßgeblichen Wortlaut nach muss der Alkoholkonsum nur in irgendeinem Zusammenhang mit dem „Lagern“ oder „dauerhaften Verweilen“ stehen. Nach dem Wortlaut der Bestimmung bleibt offen, ob etwa auch solche Personen ordnungswidrig handeln, die sich ohne selbst Alkohol zu konsumieren lediglich in einer Gruppe aufhalten, bei der ein Einzelner Alkohol zu sich nimmt, wenn dieser oder eine andere Person aus der Gruppe Handlungen vornimmt, die geeignet sind, Dritte zu beeinträchtigen. Aufgrund der unklaren Formulierung bleibt auch offen, ob auch ein Alkoholkonsum zeitlich vor dem Lagern bzw. dauerhaften Verweilen geeignet sein kann, die Verbotsfolge auszulösen.

37

Unbestimmt ist § 1 GefahrenabwehrVO auch insoweit, als sie die Folgen des Alkoholkonsums zu beschreiben versucht, der das Verbot, nämlich bereits das Lagern bzw. das dauerhafte Verweilen in Verbindung mit Alkoholkonsum, auslösen soll. Die Auswirkungen des Alkoholkonsums müssen danach „geeignet“ sein, „Dritte erheblich zu beeinträchtigen“. Die Antragsgegnerin hat dabei im Anschluss an die obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 16.06.1999 - 4 K 2/99 - juris zur Nichtigkeit einer Sondernutzungssatzung; VGH Mannheim, Beschl. v. 04.10.2002 - 1 S 1963/02 - NVwZ 2003, 115 und Beschl. v. 06.10.1998 - 1 S 2272/97 - VBlBW 1999, 101) und dem Erlass des Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt vom 22. Mai 2008 zwar hinreichend beachtet, dass allein durch das Lagern oder dauerhafte Verweilen in Verbindung mit Alkoholkonsum noch kein ordnungswidriger Zustand herbei geführt wird, sondern erst durch die alkoholbedingten, mit Beeinträchtigungen Dritter verbundenen Ausfall- und Folgeerscheinungen, wie etwa aggressivem Verhalten, Verunreinigungen durch weggeworfene Gegenstände oder ähnlichem. Um bereits im Vorfeld des Auftretens von Beeinträchtigungen einschreiten zu können, hat die Antragsgegnerin jedoch versucht, die von ihr als ordnungswidrig angesehenen Verhaltensweisen mit einer weit gefassten Formulierung und „Regelbeispielen“ zu bestimmen, in denen es ihren Erwartungen nach zu solchen Folgeerscheinungen kommen wird. Die für eine Normanwendung notwendige Beschreibung der näheren Umstände, unter denen diese Befürchtungen gerechtfertigt sind, beschreibt die Antragsgegnerin hingegen nicht. Das Lagern bzw. Verbot des Verweilens in Verbindung mit Alkoholkonsum wird im Ergebnis unter den Vorbehalt einer weiteren Sachverhaltsfeststellung durch die zuständigen Ordnungskräfte gestellt, d.h., dass in jedem Einzelfall noch eine Überprüfung stattfinden muss, ob tatsächlich eine tatbestandsmäßige Beeinträchtigung gegeben ist. Hierbei ist schon aufgrund der Formulierung in § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung unter Verwendung des Genitivs „dessen“ unklar, welcher Bezug insoweit hergestellt wird, namentlich ob sich die tatbestandsmäßigen „Auswirkungen“, wodurch Dritte möglicherweise erheblich beeinträchtigt werden, auf das „Lagern oder dauerhafte Verweilen“, auf den „Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit“ oder – kumulativ – auf beide genannten Umstände beziehen müssen mit der Folge, dass etwa Dritte sowohl am „Lagern“ als auch am „Alkoholkonsum“ Anstoß nehmen müssten. Vom Normunterworfenen sind daher die Grenzen nicht auszumachen, wann bzw. unter welchen Voraussetzungen das Lagern bzw. dauerhafte Verweilen in Verbindung mit dem Alkoholkonsum geeignet ist, sich beeinträchtigend auf Dritte auszuwirken und die Verhängung von Bußgeldern nach sich ziehen kann. Der Wortlaut der angegriffenen Norm gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage, welche - bevorstehenden - Auswirkungen des Alkoholkonsums nicht mehr hingenommen werden sollen.

38

Diese Unbestimmtheiten setzen sich auch bei einigen der in der Verordnung angeführten „Regelbeispielen“ fort. So bleibt unklar, anhand welcher Kriterien das Singen als „laut“ zu qualifizieren ist bzw. was unter „Lärmen“ im Sinne der Verbotsbestimmung zu verstehen ist. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann zur Auslegung der beiden Begriffe nicht ohne Weiteres die Ordnungswidrigkeitenvorschrift des § 117 OWiG herangezogen werden. Der objektive Tatbestand dieser Vorschrift besteht in der - unter bestimmten Voraussetzungen vorgenommenen - Erregung von Lärm, der geeignet ist, näher bezeichnete Erfolge herbeizuführen. Der Tatbestand des unzulässigen Lärms ist damit in § 117 OWiG in zweifacher Weise beschränkt. Die Lärmerregung ist also - anders als bei der streitbefangenen Verordnung – nicht schlechthin, sondern nur dann als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße bedroht, wenn sie „unzulässig“ ist und eine Eignung zur Belästigung einer Mehrheit von Personen oder zur Schädigung der Gesundheit einer Einzelperson aufweist. Wann ein „lautes“ Singen bzw. „Lärmen“ vorliegt, lässt sich wegen fehlender allgemeingültiger Normen hinsichtlich des sog. verhaltensbedingten Lärms nicht ohne weiteres feststellen. Wie ein betroffener Bürger erkennen soll, wie lange und wie laut er singen darf, ist nicht aufgrund objektivierbarer Kriterien zu ermitteln. Auf die höchst unterschiedlich ausgeprägte persönliche Empfindsamkeit von Dritten bzw. die subjektive Einschätzung der Vollzugsbeamten kann jedenfalls nicht abgestellt werden (vgl. hierzu zur Einordnung von Klavierspiel als ruhestörendem Lärm: BVerfG, Beschl. v. 17.11.2009, a. a. O.).

39

Die Alkoholkonsumverbote in den Arealen um den H-platz und den Willy-Brandt-Platz in den §§ 2 und 3 GefahrenabwehrVO sind zwar ausreichend bestimmt. Die Verbote sind, soweit sie zur Vermeidung von Straftaten und Lärm dienen sollen, jedoch nicht von der Ermächtigungsnorm des § 94 Abs. 1 Nr. 1 SOG LSA gedeckt.

40

§ 94 Abs. 1 Nr. 1 SOG LSA ermächtigt die Antragsgegnerin, Gefahrenabwehrverordnungen zur Abwehr „abstrakter“ Gefahren zu erlassen. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung i.S.d. § 3 Nr. 3 Buchst. f SOG LSA ist gegeben, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage i.S.d. § 3 Nr. 3 Buchst. a SOG LSA einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintrittes ausreichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 - 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347). Der Gefahrenbegriff ist dadurch gekennzeichnet, dass aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden. Schadensmöglichkeiten, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, begründen hingegen keine Gefahr, sondern lediglich einen Gefahrenverdacht oder ein sog. Besorgnispotential. Vorsorgemaßnahmen zur Abwehr möglicher Beeinträchtigungen im Gefahrenvorfeld werden durch die polizeiliche Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Gefahrenabwehrverordnungen nicht gedeckt. Dies lässt sich auch nicht dahingehend erweiternd auslegen, dass der Exekutive eine sog. Einschätzungsprärogative in Bezug darauf zugebilligt wird, ob die vorliegenden Erkenntnisse die Annahme einer abstrakten Gefahr rechtfertigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.07.2002, a. a. O.).

41

Maßgebliches Kriterium zur Feststellung einer Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Die abstrakte Gefahr im Sinne des § 3 Nr. 3 Buchst. f SOG LSA unterscheidet sich dabei von der konkreten Gefahr nicht durch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern durch den Bezugspunkt der Gefahrenprognose oder durch die Betrachtungsweise: Erforderlich ist jeweils die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens im konkreten Einzelfall. Eine solche hinreichende oder auch „bloße“ Wahrscheinlichkeit gehört zur abstrakten genauso wie zur konkreten Gefahr; beide Gefahrenbegriffe stellen, was den zu erwartenden Eintritt eines Schadens anlangt, die gleichen Anforderungen der Wahrscheinlichkeit. Der Unterschied liegt nur in der Betrachtungsweise, bei der konkreten Gefahr „konkret“, d.h. auf den Einzelfall, bei der abstrakten Gefahr „abstrakt-generell“, also auf den typischen Fall bezogen. Eine konkrete Gefahr liegt danach vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden muss; eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz, insbesondere einer Gefahrenabwehrverordnung, zu bekämpfen, was wiederum zur Folge hat, dass auf den Nachweis der Gefahr eines Schadenseintritts im Einzelfall verzichtet werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.06.1970 - IV C 99.67 - NJW 1970, 1890). Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose. Es müssen bei abstrakt-genereller Betrachtung hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. Der Schaden muss regelmäßig und typischerweise, wenn auch nicht ausnahmslos, zu erwarten sein. Es liegt dabei im Wesen von Prognosen, dass die vorhergesagten Ereignisse wegen anderer als der erwarteten Geschehensabläufe ausbleiben können. Von dieser mit jeder Prognose verbundenen Unsicherheit ist die Ungewissheit zu unterscheiden, die bereits die tatsächlichen Grundlagen der Gefahrenprognose betreffen. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht imstande, so liegt keine Gefahr, sondern allenfalls eine mögliche Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vor. Zwar kann auch in derartigen Situationen ein Bedürfnis bestehen, zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich hochrangiger Rechtsgüter wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen, Freiheitseinschränkungen anzuordnen. Doch beruht ein solches Einschreiten nicht auf der Feststellung einer Gefahr; vielmehr werden dann Risiken bekämpft, die jenseits des Bereichs feststellbarer Gefahren verbleiben. Das setzt eine Risikobewertung voraus, die - im Gegensatz zur Feststellung einer Gefahr - über einen Rechtsanwendungsvorgang weit hinausgeht und mehr oder weniger zwangsläufig neben der Beurteilung der Intensität der bestehenden Verdachtsmomente eine Abschätzung der Hinnehmbarkeit der Risiken sowie der Akzeptanz oder Nichtakzeptanz der in Betracht kommenden Freiheitseinschränkungen in der Öffentlichkeit einschließt, mithin - in diesem Sinne – „politisch“ geprägt oder mitgeprägt ist. Eine derart weit reichende Bewertungs- und Entscheidungskompetenz steht den Polizei- und Ordnungsbehörden aufgrund der Verordnungsermächtigung nach § 94 SOG LSA nicht zu. Denn es wäre mit den aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem (Art. 20 Abs. 1 und 3, Art. 28 Abs. 1 GG) folgenden Grundsätzen der Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen der Exekutive und des Vorbehalts des Gesetzes nicht vereinbar, wenn die Exekutive ohne strikte Bindung an den Gefahrenbegriff kraft eigener Bewertung über die Notwendigkeit oder Vertretbarkeit eines Verordnungserlasses entscheiden könnte. Vielmehr ist es Sache des zuständigen Gesetzgebers, sachgebietsbezogen darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und auf welche Weise Schadensmöglichkeiten vorsorgend entgegen gewirkt werden soll, die nicht durch ausreichende Kenntnisse belegt, aber auch nicht auszuschließen sind. Allein der parlamentarische Gesetzgeber ist befugt, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen die Rechtsgrundlagen für Grundrechtseingriffe zu schaffen, mit denen Risiken vermindert werden sollen, für die - sei es aufgrund neuer Verdachtsmomente, sei es aufgrund eines gesellschaftlichen Wandels oder einer veränderten Wahrnehmung in der Bevölkerung - Regelungen gefordert werden. Das geschieht üblicherweise durch eine Absenkung der Gefahrenschwelle in dem ermächtigenden Gesetz von der „Gefahrenabwehr“ zur „Vorsorge“ gegen drohende Schäden. Demgegenüber ist in den §§ 93 f. SOG LSA ausschließlich von „Gefahrenabwehr“, nicht hingegen von „Vorsorge“ oder „Vorbeugung“ die Rede. Auch darin zeigt sich, dass dem Gefahrenbegriff nicht aus sich heraus eine Erstreckung auf die Aufgabe der Risiko- oder Gefahrenvorsorge innewohnt (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.06.2004 - 6 C 21.03 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 76 m. w. N., Urt. v. 03.07.2002, a. a. O. jeweils zur Nichtigkeit von sog. Gefahrtierverordnungen).

42

Gemessen an diesen vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das nach Zeit und Ort nach der Verordnung verbotene Verhalten im Bereich um den H-platz und den Willy-Brandt-Platz regelmäßig und typischerweise Gewaltdelikte bzw. sonstige erhebliche Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit zur Folge hat.

43

Es ist zunächst voranzustellen, dass der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit nach geltendem Recht nicht generell verboten ist. Ansonsten würde jeder öffentliche Konsum von Alkohol einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit darstellen und könnte auch ohne ein als beeinträchtigend empfundenes Anschlussverhalten untersagt werden (vgl. insbesondere zu den von Kommunen ausgesprochenen Alkoholverboten: Hecker, NVwZ 2010, 359; Hebeler/Schäfer, DVBl. 2009, 1424; Hecker, NVwZ 2009, 1016; Pewestorf, DVBl. 2009, 1396; Ruder, KommP spezial 2009, 174). Der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit ist überdies in gewissem Umfang und zu bestimmten Anlässen weit verbreitet und allgemein akzeptiert. Das von der Antragsgegnerin als gefahrbegründend empfundene Anschlussverhalten (Verschmutzung des H-platzes und des Willy-Brandt-Platzes durch Flaschen und Glasscherben, Sachbeschädigungen und Straftaten gegenüber Besuchern und Anwohnern des Wohnquartiers um den Hasselbachplatz, Lärmbelästigungen) stellt jeweils eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar, da mit diesem Verhalten gegen Regelungen der objektiven Rechtsordnung verstoßen wird (vgl. § 61 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KrW-/AbfG, §§ 303, 223 f., 240, 185 StGB, §§ 117, 118 OWiG). Diese Folgeerscheinungen sind bereits nach geltendem Recht ausnahmslos straf- bzw. bußgeldbewehrt. Der von der Antragsgegnerin vorgetragene und auch von der Polizeidirektion Nord erwähnte Aspekt der Arbeitserleichterung vermag den Erlass der Gefahrenabwehrverordnung allein nicht zu rechtfertigen. Zwar erleichtert ein entsprechendes generelles Alkoholverbot die Arbeit der Vollzugskräfte „vor Ort” ganz erheblich, weil die Ordnungskräfte nicht mehr jedem Einzelnen nachweisen müssen, dass dessen konkretes Verhalten ein ordnungsbehördliches Einschreiten rechtfertigt. Ist eine entsprechende Gefahrenabwehrverordnung erlassen, rechtfertigt bereits der feststellbare Verstoß gegen das Alkoholkonsumverbot ein Einschreiten auf der Grundlage der ordnungsbehördlichen Ermächtigung. Dieser Aspekt darf jedoch nicht das maßgebliche Motiv für den Erlass einer Verordnung bilden, da es einem allgemeinen Grundsatz des Polizeirechts entspricht, dass polizeiliche Verfügungen bzw. die Wahl einer bestimmten polizeilichen Handlungsform nicht nur zur Erleichterung polizeilicher Aufsicht dienen dürfen (vgl. Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Abschnitt F Rdnr. 84; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rdnr. 626).

44

Nach den dargelegten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, welche konkreten Zustände die Antragsgegnerin zum Erlass der angegriffenen Gefahrenabwehrverordnung bewogen haben. Dabei sind grundsätzlich auch fachliche Kenntnisse, wie diejenigen der örtlichen Polizeibehörden, zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin will mit der Gefahrenabwehrverordnung insbesondere der Gewaltdelinquenz und der im Bereich des Hasselbachplatzes auftretenden Lärmbelästigungen begegnen; damit ist die öffentliche Sicherheit betroffen. Sie beruft sich weiter darauf, dass im Bereich des H-platzes und auch im Bereich des Willy-Brandt-Platzes der Konsum von Alkohol zur Begehung von Körperverletzungsdelikten und Sachbeschädigungen führe; der Alkoholkonsum stelle insbesondere eine abstrakte Gefahr für das hochrangige Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit dar. Zwischen Alkoholkonsum und Gewaltkriminalität bestehe ein Wirkungszusammenhang. Der Alkoholkonsum führe nach den von ihr vorgelegten Studien zur Enthemmung und damit auch zur Steigerung der Gewaltbereitschaft Einzelner.

45

Weder die von Antragsgegnerin vorgelegten Studien noch die von ihr vorgelegten statistischen Erhebungen über die Zahl der Straftaten im Bereich um den H-platz und den Willy-Brandt-Platz lassen den Schluss zu, dass gerade das unter Verbot gestellte Verhalten, nämlich der Genuss von Alkohol außerhalb der nach Gaststättenrecht konzessionierten Flächen, regelmäßig und typischerweise die Gefahr von Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und Lärmbelästigungen mit sich bringt.

46

In der von der Antragsgegnerin vorgelegten Studie von Klein, Gewaltverhalten unter Alkoholeinfluss - DHS 4/97 -, wird unter Ziffer 1 ausgeführt, dass Alkoholtrinken multiple Funktionen und Konsequenzen für Menschen besitzt und nur in einer Minderzahl aller relevanten Situationen zu Gewaltexzessen führt. Weiter heißt es dort unter Ziffer 4., dass die mögliche Verbindung zwischen Alkoholrausch und Gewaltkriminalität generell eher in die Richtung besteht, dass bei Gewalthandlungen eine Alkoholisierung wahrscheinlich ist, als dass bei einer Alkoholintoxikation ohne weiteres eine Gewalttat naheliegend ist. In der weiter von der Antragsgegnerin vorgelegten Studie der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme „Alkohol und Gewalt im Jugendalter“ (Lausanne, Oktober 2006) heißt es zusammenfassend (Seite 59): „Prinzipiell zeigt sich, dass die Gesamtgewaltbelastung, sei es als Opfer oder Täter, stark mit dem Alkoholkonsum, insbesondere dem problematischen Alkoholkonsum zusammenhängt. Es ist zu betonen, dass man bei Querschnittsanalysen nie von einer Kausalrichtung sprechen kann. Insbesondere bei den hochrisikoreich konsumierenden Jugendlichen zeigt sich ein Zusammenspiel verschiedener Problemverhaltensweisen und dies bezieht sich nicht nur auf verschiedene Formen von Gewaltverhalten, sondern schließt weitere Bereiche wie ein schlechtes Verhältnis zu den Eltern, häufiger Tabak- und Cannabiskonsum, Schulschwänzen und risikoreiche Sexualpraktiken mit ein.“ Aus diesen Studien lässt sich zwar der Schluss ziehen, dass bei Gewalttätern sich häufig ein erheblicher Alkoholkonsum feststellen lässt, der Umkehrschluss, dass der Konsum von Alkohol auch typischerweise die Begehung von Straftaten nach sich zieht, lässt sich jedoch dieser Studien nicht entnehmen.

47

Auch die von der Antragsgegnerin vorgelegten Statistiken hinsichtlich der Kriminalitätssituation am H-platz rechtfertigen nicht den Schluss, dass dort der Konsum von Alkohol außerhalb der nach Gaststättenrecht konzessionierten Flächen typischerweise die Begehung von Straftaten nach sich zieht. Die Antragsgegnerin hat verschiedene, allerdings nur bedingt vergleichbare statistische Erhebungen hinsichtlich der Situation am H-platz in den Jahren zwischen 2007 und 2009 vorgelegt, welche jeweils von der Polizeidirektion Nord erstellt worden sind. Im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 30. September 2007 (vor Inkrafttreten der Allgemeinverfügung) sind im Bereich des H-platzes jeweils zwischen 18.00 Uhr und 6.00 Uhr insgesamt 117 Straftaten auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen erfasst worden. Hiervon entfielen auf die sog. Gewaltstraftaten (Exhibitionistische Handlungen, Räuberische Erpressung, Raub, Vergiftung, Gefährliche Körperverletzung) 29 Taten. Bei den sonstigen Straftaten sind als weitere Tatschwerpunkte 27 einfache Körperverletzungen und 15 Sachbeschädigungen an Kraftfahrzeugen zu verzeichnen gewesen, wobei allerdings 9 Sachbeschädigungen allein im Monat September 2007 aufgetreten sind. Bei einer Tatverdächtigenanalyse, welche sich allerdings auf das ganze Jahr 2007 bezieht, standen im Bereich der Gewaltstraftaten 24 von 40 Tatverdächtigen unter Alkoholeinfluss, bei den einfachen Körperverletzungen waren dies 18 von 29 und bei den Sachbeschädigungen an Kraftfahrzeugen 21 von 22 Tatverdächtigen. Für das Jahr 2008 (nach Inkrafttreten der Allgemeinverfügung ) ist nur ein pauschaler Vergleich für den Zeitraum Januar bis Juni 2007 bzw. Januar 2008 bis Juni 2008 von der Antragsgegnerin vorgelegt worden. Die Summe der Raubdelikte, Körperverletzungen und sonstiger sog. Rohheitsdelikte (Bedrohung, Nötigung, Beleidigung, Widerstand, Verleumdung) ist in diesen Vergleichszeiträumen von 50 auf 54 gestiegen. Der signifikante Anstieg der Sachbeschädigungen von 10 auf 23 ist nach Auskunft der Polizeidirektion Nord auf die Tat eines (betrunkenen) Einzeltäters im Mai 2008 zurückzuführen. In der Statistik für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2009 (nach Inkrafttreten der Gefahrenabwehrverordnung) sind im Bereich des Hasselbachplatzes jeweils zwischen 18.00 und 6.00 Uhr 25 Gewaltstraftaten, 18 leichte Körperverletzungen und 7 Sachbeschädigungen an Kraftfahrzeugen verzeichnet. Insgesamt sind 82 Straftaten erfasst worden, wobei allerdings einige Straftatbestände (Allgemeine Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz nach § 29 BtMG), welche in der Statistik für das Jahr 2007 mit 11 Delikten noch aufgeführt sind, aus nicht näher erläuterten Gründen in der Statistik für das Jahr 2009 nicht mehr erscheinen. Bei der Tatverdächtigenanalyse für das gesamte Jahr 2009 standen bei den Gewaltdelikten von 30 Tatverdächtigen 7 unter Alkoholeinfluss. Bei den einfachen Körperverletzungen waren dies 6 von 13.

48

Diese Statistiken lassen keine Feststellung zu der Frage zu, ob die Begehung der Straftaten eine typische Folge des Alkoholkonsums außerhalb der konzessionierten Flächen am H-platz darstellt. Aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen ergibt sich weder in welcher (ungefähren) Größenordnung Personen bezogen auf ein Kalenderjahr den Bereich um den H-platz aufsuchen noch wie viele der Besucher des Hasselbachplatzes außerhalb der konzessionierten Flächen Alkohol konsumieren. Diese Daten wären jedoch erforderlich gewesen, um die Zahlen aus der Kriminalitätsstatistik in Beziehung zur Anzahl zu den Alkoholkonsumenten zu setzen, um so eine Feststellung zu der Frage treffen zu können, ob die Begehung von Straftaten eine typische Folge des Alkoholkonsums in diesem Bereich darstellt. Die Anzahl der unter Alkoholeinfluss begangenen Gewaltdelikte gibt auch keinen Aufschluss darüber, ob die Gewalttäter bereits zu Hause oder in öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Weg zum Hasselbachplatz Alkohol getrunken haben und sich dann in alkoholisiertem Zustand in dem Quartier um den H-platz aufgehalten haben bzw. in den dortigen Gaststätten Alkohol zu sich genommen haben und anschließend aggressiv und gewalttätig geworden sind oder ob sie tatsächlich zu der Gruppe der Normunterworfenen zählen.

49

Hinsichtlich des Willy-Brandt-Platzes hat die Antragsgegnerin keine statistischen Materialien vorgelegt, welche mit den für den H-platz erstellten Statistiken vergleichbar wären. In der Beschlussvorlage an den Stadtrat der Antragsgegnerin wird lediglich festgestellt, dass der Willy-Brandt-Platz seit 1999 ein kontinuierlicher Treffpunkt von Alkohol trinkenden Personen sei. Es habe sich ursprünglich um zwei Gruppen mit bis zu 30 Personen gehandelt, die nur bis ca. 16.00 Uhr „ansprechbar“ seien. Danach sei der Alkoholisierungsgrad so hoch gewesen, dass Platzverweise nur noch mit Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden könnten. Die Situation habe sich in den Jahren 2000 bis 2002 aufgrund von polizeilichen und ordnungsbehördlichen Maßnahmen zunächst beruhigt. Nachdem es im Jahr 2003 erneut zu Beschwerden von Passanten und Geschäftsleuten gekommen sei, habe die Situation bis zum Jahr 2005 wieder beruhigt werden können. Im Jahr 2006 sei es dann wieder zu Zwischenfällen mit Angehörigen der linken Szene gekommen. Im Jahr 2008 sei es wieder zu Beschwerden gekommen. Bei einer Zählung vom 26. Mai bis zum 13. Juni 2008 seien 100 Alkohol trinkende Personen angetroffen worden. Die Geschäftsführung des Einkaufszentrums „City-Carré“ habe sich über „belagerungsähnliche“ Zustände beschwert. Im Sommer 2008 sei es auf dem Bahnhofsvorplatz zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen betrunkenen Jugendlichen und Mitarbeitern des Ordnungsamtes gekommen. In der Folge seien auch Strafanzeigen gestellt worden. Aufgrund der starken Frequentierung des Platzes sei die Gefährdung durch Glasscherben der weggeworfenen Flaschen besonders groß. Konkrete Zahlen über die Kriminalitätsentwicklung auf dem Willy-Brandt-Platz wie auch die sonstigen notwendigen Vergleichszahlen, also insbesondere die Größenordnung der Zahl der Alkoholkonsumenten auf dem Willy-Brandt-Platz, insgesamt hat die Antragsgegnerin nicht vorgelegt. Auch hinsichtlich des Willy-Brandt-Platzes gilt, dass eine Gefahrenabwehrverordnung nicht lediglich zur Erleichterung der Arbeit der Ordnungskräfte erlassen werden kann. Erst recht stellt eine Gefahrenabwehrverordnung kein Instrument zur Verdrängung bzw. Vertreibung von als unerwünscht erachteten gesellschaftlichen Gruppen zum Zwecke der „Milieupflege“ dar. Polizeirechtliche Maßnahmen können sozialpolitische Maßnahmen nicht ersetzen.

50

Soweit die Antragsgegnerin die Abwehr von Lärmbelästigungen als Beweggrund für den Erlass der Gefahrenabwehrverordnung benennt, ergibt sich aus den von ihr vorgelegten Unterlagen nicht, welcher Quelle die Lärmbelästigungen zuzuordnen sind. Aus den Unterlagen ergibt sich nicht, dass der Lärm von Personen herrührt, die außerhalb der konzessionierten Bereichen Alkohol zu sich nehmen. Da Ursache der von den Anwohnern als störend empfundenen Lärmbelästigungen auch Personen sein können, die in den Gaststätten Alkohol zu sich genommen haben und sich auf dem Heimweg befinden bzw. auch solche sein können, die Alkohol bereits vor dem Betreten des H-platzes bzw. Willy-Brandt-Platzes Alkohol konsumiert haben, kann nicht festgestellt werden, dass gerade der öffentliche Alkoholkonsum außerhalb gaststättenrechtlich konzessionierten Flächen typischerweise eine erhebliche, nicht mehr sozialadäquate Lärmbelästigung nach sich zieht. Nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen kommen als Lärmemittenten auch die Führer von Kraftfahrzeugen in Betracht, die die Musikanlagen in ihren (geparkten) Fahrzeugen mit übermäßiger Lautstärke betreiben und diese Musik durch die geöffneten Fenster nach außen dringt. Bei diesem Verhalten ist nicht ersichtlich, inwieweit eine solche Lärmverursachung dem Alkoholkonsum außerhalb der konzessionierten Flächen am H-platz bzw. Willy-Brandt-Platz zugeordnet werden kann.

51

Ist die Antragsgegnerin daher mangels genügend abgesicherter Erkenntnisse über die Einzelheiten der zugrunde liegenden Sachverhalte bzw. über die maßgeblichen Kausalverläufe in Bezug auf die Begehung von Straftaten und dem Auftreten von Lärmbelästigungen als Folgeverhalten des Alkoholkonsums zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt allenfalls ein Gefahrenverdacht vor, welcher wie oben ausgeführt nicht zum Erlass einer Gefahrenabwehrverordnung im Sinne des § 94 SOG LSA rechtfertigt.

52

Das Alkoholverbot in den §§ 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GefahrenabwehrVO ist ferner, soweit es generell die Vermeidung von Abfall zum Ziel hat, nicht verhältnismäßig im engeren Sinne.

53

Das Gebot der Verhältnismäßigkeit verlangt allgemein, dass der Staat mit dem Grundrechtseingriff einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgt. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne verlangt, dass die Einbußen grundrechtlich geschützter Freiheiten nicht in unangemessenem Verhältnis zu den Gemeinwohlzwecken stehen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient. Der Normgeber muss zwischen Allgemein- und Individualinteressen einen angemessenen Ausgleich herbeiführen. Dabei ist einerseits das Gewicht der Ziele und Belange zu berücksichtigen, denen der Eingriff dient. Maßgeblich ist unter anderem, wie bedeutsam die Rechtsgüter sind, die mit Hilfe der Maßnahme geschützt werden sollen, und wie wahrscheinlich der Eintritt einer Rechtsgutverletzung ist. Andererseits ist zu beachten, unter welchen Voraussetzungen welche und wie viele Grundrechtsträger wie intensiv Beeinträchtigungen ausgesetzt sind. Maßgebend sind insbesondere die Gestaltung der Einschreitschwellen, die Zahl der Betroffenen und die Intensität der Beeinträchtigung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.06.2009 - 2 BvR 902/06 - NJW 2009, 2431 m. w. N.).

54

Soweit Zweck der Regelungen in §§ 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GefahrenabwehrVO ist, durch ein Alkoholkonsumverbot generell das Abfallaufkommen durch z.B. weggeworfene Papierverpackungen und Kunststoffabfall zu verringern, da die Konsumenten von Alkohol typischerweise auch andere Lebensmittelverpackungen achtlos wegwerfen, ist die Regelung nicht verhältnismäßig. Die weitgehende Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit durch das Alkoholkonsumverbot steht auch angesichts des Umstandes, dass Verstöße gegen das Abfallgesetz bereits aufgrund bundesrechtlicher Bestimmungen bußgeldbewehrt sind, nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Ziel der Vermeidung einer unsachgemäßen Abfallentsorgung. Ein generelles Verbot des Konsums eines Nahrungs- und Genussmittels auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen zu dem alleinigen Zweck, die von der typischerweise verwendeten Verpackung möglicherweise ausgehenden Gefahren zu vermeiden, ist nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Da von einer Vielzahl von Lebensmittelverpackungen bzw. Lebensmittelresten, die auf öffentlichen Wegen zurückgelassen werden, Gefahren ausgehen können (z. B. Obstschalen, Verpackungsschlaufen), würde mit einem solchen Verbot des Verzehrens eines Lebensmittels der grundrechtlich geschützte Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen und Wegen, zu dem grundsätzlich auch der Verzehr von Lebensmitteln während des Aufenthaltes auf diesen Wegen und Straßen zählt, in einer umfassenden und das Übermaßverbot verletzenden Weise eingeschränkt.

55

Soweit Ziel der Verordnung die Vermeidung von Glasbruch durch weggeworfene Glasflaschen ist, mag zumindest bezüglich des H-platzes unterstellt werden, dass das Wegwerfen von Glasflaschen eine typische Folge des Alkoholkonsums außerhalb der gaststättenrechtlich konzessionierten Flächen darstellt. Hinsichtlich des Willy-Brandt-Platzes kann dies hingegen nicht festgestellt werden, da sich die Antragsgegnerin in der Drucksache DS0521/08 auf die allgemeine Aussage beschränkt, dass es auch am Willy-Brandt-Platz zu Glasbruch gekommen sei. Der verfolgte Zweck im Bereich der Abfallvermeidung und der Abwehr von Gefahren durch Glasbruch insbesondere für Fußgänger und Fahrradfahrer, wenn er von der Regelung gedeckt sein sollte, ist grundsätzlich legitim. Die betroffenen Schutzgüter, insbesondere die körperliche Unversehrtheit von Passaten und Fahrradfahrern, besitzen grundsätzlich ein hohes verfassungsrechtliches Gewicht. Das Gewicht des jeweils konkret verfolgten Einsatzzwecks hängt allerdings davon ab, auf welche beeinträchtigten Rechtsgüter er sich konkret bezieht und welche Intensität deren Gefährdung aufweist. Das Mittel eines vollständigen Alkoholkonsumverbotes ist zur Verfolgung präventiver und gegebenenfalls repressiver Zwecke jedenfalls insoweit geeignet, als die von Glasflaschen, welche alkoholische Getränke enthalten, ausgehenden Gefahren zumindest im Bereich der von der Verordnung betroffenen Gebiete gemindert werden können.

56

Ein Alkoholkonsumverbot mit dem alleinigen Zweck, Glasbruch und die daraus resultierenden Folgen zu vermeiden, ist hingegen nicht erforderlich, da ein gleichermaßen wirksames, aber in Bezug auf die Grundrechtsbeschränkung aller Normadressaten milderes Mittel existiert. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass das zeitlich befristete Alkoholverbot im Bereich des H-platzes sowie das zeitlich unbefristete Alkoholverbot am Willy-Brandt-Platz unterschiedslos alle Personen, die in diesen Bereichen Alkohol konsumieren wollen, betreffen. Die streitigen Bestimmungen umfassen in ihrer abstrakten Reichweite nicht nur diejenige Personen oder die Gruppen, die die Antragsgegnerin mit der Regelung eigentlich erreichen will, nämlich die, die sich in alkoholisierten Zustand versetzen, um zu provozieren oder als Folgeerscheinung durch unangepasstes Verhalten aufzufallen, sondern sie geht weit darüber hinaus und erfasst zum Beispiel auch „stille Zecher“, die friedlich und im Übrigen unauffällig Alkohol trinken und die auch die benutzten Trinkbehältnisse wieder dem Verwertungskreislauf zuführen. Die Regelungen betreffen weiter auch Personen, die nur (kurzzeitig) mit einem alkoholischen Getränk den Bereich der konzessionierten Bereich von Gaststätten verlassen, um so z. B. den Anforderungen des Nichtraucherschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt Genüge zu tun. Auch wenn es nach Auffassung des Senates eine nicht nur seltene, sondern durchaus häufiger auftretende Folge des Alkoholkonsums in den von der Verordnung erfassten Bereichen ist, dass Glasflaschen achtlos weggeworfen werden und gefährlicher Glasbruch entsteht, bleibt jedoch festzuhalten, dass von den angegriffenen Regelungen auch eine relativ große Gruppe von Nichtstörern betroffen ist, die in den Grenzen des kommunikativen Gemeingebrauchs Alkohol zu sich nimmt. Um die Gefahren des Glasbruchs zu vermeiden, gibt es mit einem ggf. zeitlich befristeten Verbot des Verkaufs oder des Mitführens von Glasflaschen oder von alkoholischen Getränken in Glasflaschen in den Bereichen um den H-platz und den Willy-Brandt-Platz, ein gleich geeignetes, aber die Grundrechte aller Normbetroffenen weniger beschränkendes Mittel. Zwar ist auch von einem solchen Mitführ- bzw. Verkaufsverbot (außerhalb der Gaststätten) angesichts der Besucherzahlen auf diesen beiden Plätzen ebenfalls eine erhebliche Anzahl von Personen betroffen. Allerdings wiegt der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit ihnen gegenüber weniger schwer als ein Alkoholkonsumverbot, denn sie können weiterhin entsprechend ihren Bedürfnissen dort feiern, indem sie beispielsweise Getränkebehältnisse aus Kunststoff verwenden (vgl. zu dieser Erwägung auch die Begründung des Glasflaschenverbotsgesetzes in Hamburg, Bürgerschaftsdrucksache 19/3253, Seite 3f.; OVG Münster, Beschl. v. 10.02.2010 - 5 B 119/10 - juris zum Glasflaschenverbot in Köln).

57

Die Unwirksamkeit der §§ 1 bis 3 GefahrenabwehrVO haben die Gesamtunwirksamkeit der Verordnung zur Folge. Die Aufrechterhaltung der weiteren Regelungen ist nur dann möglich, wenn sie auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleiben - Grundsatz der Teilbarkeit der Norm - und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären - Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers - (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.04.2009 - 4 CN 5.07 - BVerwGE 133, 377 m. w. N.; OVG LSA, Urt. v. 08.04.2008 - 4 K 95/07 - NVwZ-RR 2008, 810). Die Vorschriften über Ausnahmen, über Ordnungswidrigkeiten, Geltungsdauer und das Inkrafttreten in den §§ 4 bis 7 GefahrabwehrVO bauen auf die Verbotsvorschriften in den §§ 1 bis 3 auf und machen ohne den nichtigen Teil keinen Sinn. Ein mutmaßlicher Wille der Antragsgegnerin, einen solchen „Regelungstorso“ weiterhin wirksam bleiben zu lassen, ist nicht feststellbar. Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass die Normenkontrollgerichte nach § 47 Abs. 1 VwGO nur „im Rahmen ihrer Gerichtsbarkeit“ zur Kontrolle von untergesetzlichen Rechtsvorschriften berufen sind. Es soll vermieden werden, dass die Oberverwaltungsgerichte andere Gerichte für Streitigkeiten präjudizieren, zu deren Entscheidung im Einzelfall letztere ausschließlich zuständig sind. Eine derartige Überordnung liefe dem Grundsatz der Gleichwertigkeit der Gerichtszweige zuwider (vgl. Ziekow, in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 47 Rdnr. 40 m. w. N.) Es muss sich also um Verfahren handeln, für die der Verwaltungsgerichtsweg im Sinne von § 40 VwGO eröffnet ist. Bei Vorschriften rein ordnungswidrigkeitsrechtlichen Inhalts ist das nicht der Fall, weil gegen darauf gestützte Bußgeldbescheide der Verwaltungsbehörden allein die ordentlichen Gerichte angerufen werden können (§ 68 OWiG). Dies schließt jedenfalls eine isolierte Anfechtung von ordnungswidrigkeits- bzw. strafrechtlichen Vorschriften im Rahmen einer Normenkontrolle nach § 47 VwGO im Regelfall aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.02.2005 - 7 CN 6.04 - NVwZ 2005, 695, nachfolgend aber BVerfG, Beschl. v. 19.06.2007 - 1 BvR 1290/05 - NVwZ 2007, 1172). Hiervon ist die Frage zu trennen, ob bei untergesetzlichen Rechtsnormen, die wie hier Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sein können, es den Oberverwaltungsgerichten untersagt ist, die in einem untrennbaren Zusammenhang zu den verwaltungsrechtlichen Gebots- und Verbotsregelungen stehenden Bußgeldbestimmungen in die Erklärung der Unwirksamkeit nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO einzubeziehen. Bejahendenfalls müsste ein Normbetroffener hinsichtlich der Klärung der Frage, ob eine dann isoliert noch fortbestehende Bußgeldvorschrift weiterhin Rechtswirkungen entfaltet, eine Feststellungsklage nach § 43 VwGO vor den Verwaltungsgerichten erheben, um so wenigstens eine Feststellung mit inter-partes-Wirkung zu erreichen. Vor dem Hintergrund, dass das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO durch die Möglichkeit einer allgemeinverbindlichen gerichtlichen Entscheidung über die Gültigkeit einer im Range unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift den Rechtsschutz des Bürgers grundsätzlich beschleunigen und verbessern soll, da der Betroffene nicht gezwungen ist, eine Entscheidung über die Gültigkeit der Rechtsnorm inzidenter in einem Klageverfahren gegen eine auf die Norm gestützte konkrete Verwaltungsentscheidung herbeizuführen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.09.1987 - 7 N 1.87 - NVwZ 1988, 1119) und angesichts der Regelung des § 17 Abs. 2 GVG, nach der ein Eingriff in fremde Rechtswegzuständigkeiten durch rechtskräftige Entscheidungen vom Gesetz hingenommen wird, hält es der Senat jedenfalls im vorliegenden Fall für geboten, auch die Ordnungswidrigkeitenbestimmung des § 4 GefahrenabwehrVO für unwirksam zu erklären.

58

Die Entscheidungsformel ist nach § 47 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 VwGO im Amtsblatt der Antragsgegnerin zu veröffentlichen.

59

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

60

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

1. § 18b Absatz 3 Satz 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz in der Fassung des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (12. BAföGÄndG) vom 22. Mai 1990 (Bundesgesetzblatt I Seite 936) ist in dieser und den nachfolgenden Fassungen mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit er den großen Teilerlass der Rückforderung von Förderungsdarlehen davon abhängig macht, dass Auszubildende die Ausbildung vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer mit Bestehen der Abschlussprüfung beenden, obwohl in dem betreffenden Studiengang die gesetzlich festgelegte Mindeststudienzeit weniger als vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer endet.

2. Der Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 28. Juni 2002 - IV 11 - 02 9 97 883 1/58 - in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Bundesverwaltungsamts vom 5. November 2002 - IV 11 - 02 9 97 883 1/58 -, das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 15. Oktober 2004 - 25 K 10483/02 - und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 2007 - 4 A 4838/04 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Köln zurückverwiesen.

3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.

4. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich zum einen dagegen, dass Studierende der Humanmedizin in den neuen Ländern für eine geringere Förderungshöchstdauer Ausbildungsförderung nach dem Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) erhalten konnten als Studierende der Humanmedizin in den alten Ländern. Zum anderen betrifft sie die Voraussetzungen für einen sogenannten "großen Teilerlass" der als Darlehen gewährten Ausbildungsförderung nach § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG, die infolge der unterschiedlichen Förderungshöchstdauer in den neuen Ländern anders als in den alten nicht zu erfüllen waren. Die Regelung wurde später mit einer Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2012 abgeschafft.

I.

2

1. Die bedürftigkeitsabhängige Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz wird grundsätzlich für die Dauer der Ausbildung geleistet. Bei Studiengängen, d.h. bei der Ausbildung an Hochschulen (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 BAföG), wird die Förderung allerdings grundsätzlich begrenzt durch die normativ vorgegebene Förderungshöchstdauer (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 BAföG). Die Studienförderung wird zur Hälfte als unverzinsliches Darlehen erbracht, wobei die zurückzuzahlende Darlehenssumme für Ausbildungsabschnitte, die nach dem 28. Februar 2001 beginnen, auf 10.000 Euro begrenzt ist (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1, § 18 Abs. 2 Satz 1 BAföG). Die erste Darlehensrate ist fünf Jahre nach dem Ende der Förderungshöchstdauer zu leisten (vgl. § 18 Abs. 3 Satz 3 BAföG).

3

2. § 18b BAföG sieht Möglichkeiten vor, das Darlehen bei erfolgreichem Studienabschluss teilweise zu erlassen. Neben einem leistungsabhängigen Teilerlass (vgl. § 18b Abs. 2 BAföG) kommt nach § 18b Abs. 3 BAföG ein studiendauerabhängiger Teilerlass bei Beendigung des Studiums vor Ablauf der Förderungshöchstdauer in Betracht. Das Gesetz unterscheidet hier zwischen einem großen (Satz 1) und einem kleinen Teilerlass (Satz 2).

4

a) In der hier maßgeblichen Fassung des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (12. BAföGÄndG) vom 22. Mai 1990 (BGBl I S. 936) lautet § 18b Abs. 3 BAföG:

5

§ 18b

6

Teilerlass des Darlehens

7

8

(3) Beendet der Auszubildende die Ausbildung vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer mit dem Bestehen der Abschlußprüfung oder, wenn eine solche nicht vorgesehen ist, nach den Ausbildungsvorschriften planmäßig, so werden auf seinen Antrag 5.000 DM des Darlehens erlassen. Beträgt der in Satz 1 genannte Zeitraum nur zwei Monate, werden 2.000 DM erlassen. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides nach § 18 Abs. 5a zu stellen.

...

9

Mit Wirkung zum 1. Oktober 2002 sind durch das Gesetz zur Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung - Ausbildungsförderungsreformgesetz (AföRG) vom 19. März 2001 (BGBl I S. 390) an die Stelle der Beträge von 5.000 DM und 2.000 DM Beträge von 2.560 Euro und 1.025 Euro getreten. Durch das Dreiundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (23. BAföGÄndG) vom 24. Oktober 2010 (BGBl I S. 1422) sind die Regelungen über den Darlehensteilerlass mit einer Übergangszeit für bereits im Studium stehende BAföG-Empfänger abgeschafft worden. Einen Teilerlass können nunmehr nur noch solche Auszubildenden erhalten, die ihre Abschlussprüfung bis zum 31. Dezember 2012 bestehen oder ihre Ausbildung bis zu diesem Zeitpunkt planmäßig beenden.

10

b) Der Teilerlass des Darlehens bei vorzeitiger Beendigung des Studiums ist seit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (2. BAföGÄndG) vom 31. Juli 1974 (BGBl I S. 1649) im Bundesausbildungsförderungsgesetz geregelt. Ursprünglich war ein Teilerlass von 2.000 DM für jedes Semester vorgesehen, um das ein Auszubildender seine Ausbildung vor dem Ende der Förderungshöchstdauer abschloss. Nach der Begründung des entsprechenden Gesetzentwurfs sollte damit ein Anreiz geschaffen werden, dass der Auszubildende seine Ausbildung in der Mindeststudienzeit, also vor Ablauf der Förderungshöchstdauer beendete (vgl. BTDrucks 7/2098, S. 20 zu Nr. 16). Dies war möglich, weil die Förderungshöchstdauer damals die Mindeststudienzeit um ein bis zwei Semester überstieg, um mindestens ein Semester zur freieren Studiengestaltung bereitzustellen (siehe dazu unten 3. a). Bei einem Abschluss des Studiums innerhalb der Mindeststudienzeit wurde das Studium mithin in der Regel mindestens ein Semester vor dem Ablauf der Förderungshöchstdauer beendet.

11

Durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (6. BAföGÄndG) vom 16. Juli 1979 (BGBl I S. 1037) wurden die Möglichkeiten, einen Teilerlass des Darlehens zu erreichen, dahingehend erweitert, dass hierfür schon ein Abschluss der Ausbildung vier Monate vor dem Ablauf der Förderungshöchstdauer genügte. Dadurch sollten ungerechtfertigte Härten vermieden werden, gleichzeitig aber ein Anreiz zur vorzeitigen Beendigung des Studiums erhalten bleiben (vgl. BTDrucks 8/2868, S. 23). Zur Milderung von Härten bei Verfehlung des Stichtags, insbesondere wegen nicht vom Auszubildenden zu vertretender Verzögerungen im Prüfungsablauf (vgl. BTDrucks 11/1315, S. 12 zu Nr. 9 Buchtstabe b), führte das Elfte Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (11. BAföGÄndG) vom 21. Juni 1988 (BGBl I S. 829) schließlich den kleinen Teilerlass ein, der auf einen Abschluss der Ausbildung zwei Monate vor Ablauf der Förderungshöchstdauer abstellte.

12

3. a) Die Förderungshöchstdauer wurde zunächst in einer vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft beziehungsweise Bildung und Forschung erlassenen Rechtsverordnung über die Förderungshöchstdauer für den Besuch von höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen (FörderungshöchstdauerV) geregelt. In ihrer ursprünglichen Fassung vom 9. November 1972 (BGBl I S. 2076) setzte sie für die einzelnen Ausbildungs- und Studiengänge jeweils eine bestimmte Anzahl an vollen Semestern als Förderungshöchstdauer fest. Dabei orientierte sie sich an den landesrechtlichen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, die damals noch überwiegend eine Mindestausbildungsdauer vorschrieben. Die Förderungshöchstdauer wurde dabei grundsätzlich so bemessen, dass dem Auszubildenden über die Mindestausbildungsdauer hinaus noch ein Semester zur Ablegung des Examens, soweit dies nach den Ausbildungsbestimmungen erforderlich war, und ein weiteres Semester zur freieren Studiengestaltung zur Verfügung stand (vgl. BRDrucks 483/72, S. 2 der Begründung zu §§ 4 und 5).

13

Als die landesrechtlichen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen aufgrund der Vorgaben des Hochschulrahmengesetzes (HRG) vom 26. Januar 1976 (BGBl I S. 185) dazu übergingen, anstelle von Mindeststudienzeiten Regelstudienzeiten festzusetzen, änderten sich seit Mitte der 1980er Jahre auch die Prinzipien der Bemessung der Förderungshöchstdauer. Die Förderungshöchstdauerverordnung glich zunächst bei neuen Studiengängen, nach und nach aber auch bei herkömmlichen Studiengängen die Förderungshöchstdauer an die Regelstudienzeit an (vgl. im Einzelnen hierzu BRDrucks 238/85, S. 9 f., BRDrucks 249/88, S. 11 f., BRDrucks 610/92, S. 22 und BRDrucks 236/94, S. 13).

14

Auch die durch das Achtzehnte Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (18. BAföGÄndG) vom 17. Juli 1996 (BGBl I S. 1006) mit Wirkung zum 1. August 1996 eingeführte bundesgesetzliche Regelung der Förderungshöchstdauer in § 15a BAföG orientierte sich nach der Begründung des Gesetzentwurfs an den Regelstudienzeiten (vgl. BRDrucks 886/95, S. 35). Seit dem 1. April 2001 (Fassung des Ausbildungsförderungsreformgesetzes , vgl. oben 2. a) ordnet § 15a Abs. 1 Satz 1 BAföG ausdrücklich an, dass die Förderungshöchstdauer der Regelstudienzeit im Sinne von § 10 Abs. 2 HRG oder einer vergleichbaren Festsetzung entspricht.

15

b) Für Studiengänge in den neuen Ländern galt das Prinzip der Bemessung der Förderungshöchstdauer nach der Regelstudienzeit bereits seit der Wiedervereinigung uneingeschränkt. Der durch Anlage I Kapitel XVI Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 3 Buchstabe b und Nr. 5 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 in Verbindung mit Art. 1 des Gesetzes vom 23. September 1990 (BGBl II S. 885, 1132) zum 1. Januar 1991 eingeführte § 9 Abs. 2 FörderungshöchstdauerV sah vor:

16

§ 9

17

Vorläufige Förderungshöchstdauer bei nicht genannten Ausbildungen

18

19

(2) Die Förderungshöchstdauer für die Ausbildung an Hochschulen in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und in dem Teil des Landes Berlin, in dem die Verordnung bisher nicht galt, bestimmt sich nach der vom zuständigen Fachministerium in den Studienplänen für die jeweilige Fachrichtung festgelegten Regelstudienzeit.

20

c) Im Studiengang Humanmedizin wurde die Förderungshöchstdauer ausgehend von den unter a) dargestellten Bemessungsprinzipien unter Berücksichtigung der bundesrechtlichen Vorgaben des ärztlichen Berufsrechts festgesetzt.

21

aa) Das ärztliche Berufsrecht sieht seit den 1970er Jahren eine Mindeststudienzeit von sechs Jahren oder zwölf Semestern vor, die aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Koordinierung auch in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gilt (vgl. zuletzt Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen ). Eine Approbation als Arzt erhält nur, wer nach einem Studium der Humanmedizin an einer wissenschaftlichen Hochschule von mindestens sechs Jahren die Ärztliche Prüfung bestanden hat (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Bundesärzteordnung, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Approbationsordnung für Ärzte<ÄApprO>).

22

Die Approbationsordnung für Ärzte normiert seit Ende der 1970er Jahre auch die Regelstudienzeit für das Studium der Humanmedizin. Sie beträgt nach § 1 Abs. 2 Satz 2 ÄApprO sechs Jahre und drei Monate, d.h. zwölf Semester und den Prüfungszeitraum, und setzt sich aus der Mindeststudienzeit und der maximal notwendigen Zeit für die Ablegung des letzten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung zusammen, der nach § 16 Abs. 1 Satz 2 ÄApprO jährlich in den Monaten April bis Juni und Oktober bis Dezember stattfindet (vgl. auch BRDrucks 6/78, S. 34, 41 f.).

23

Diese bundesrechtlichen Vorgaben galten auch für Studierende der Humanmedizin in den neuen Ländern, die sich ab 1992 oder ab 1991 immatrikulierten und das Physikum bis zum 31. Dezember 1994 bestanden (vgl. § 14a Abs. 4 BÄO i.d.F. der Anlage I Kapitel X Sachgebiet D Abschnitt II Nr. 1 Buchstabe h des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 i.V.m. Art. 1 des Gesetzes vom 23. September 1990 ). Dementsprechend setzte auch die Friedrich-Schiller-Universität Jena, an der der Beschwerdeführer studiert hat, in § 1 Satz 2 ihrer Studienordnung für den Vorklinischen Studienabschnitt des Studienganges Humanmedizin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena vom 28. September 1993 (Amtsblatt des Thüringer Kultusministeriums und des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft und Kunst Nr. 9/1994, S. 336) die Regelstudienzeit auf sechs Jahre und drei Monate fest.

24

bb) Die Förderungshöchstdauer im Studiengang Humanmedizin wurde im Hinblick auf die im ärztlichen Berufsrecht vorgegebene Mindest- und Regelstudienzeit vor dem Hintergrund der sich wandelnden Bemessungsprinzipien mehrfach geändert.

25

Für Studierende, die ihr Studium der Humanmedizin nach dem 1. Januar 1970 aufgenommen hatten, galt zunächst eine Förderungshöchstdauer von dreizehn Semestern (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 38 und 39 FörderungshöchstdauerV i.d.F. vom 9. November 1972 ). Sie setzte sich aus der Mindeststudienzeit von sechs Jahren und einem weiteren Semester zur Absolvierung von Examina und zur freieren Studiengestaltung zusammen (vgl. BRDrucks 483/72, S. 2 der Begründung zu §§ 4 und 5). Vor dem Hintergrund der Änderung des § 16 Abs. 1 Satz 2 ÄApprO, wonach der Dritte Abschnitt der Ärztlichen Prüfung erst innerhalb der ersten drei Monate des dreizehnten Fachsemesters abgelegt werden konnte, wurde die Förderungshöchstdauer Mitte 1979 rückwirkend zum 1. August 1974 auf vierzehn Semester erhöht (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 38 i.d.F. der Dritten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Förderungshöchstdauer für den Besuch von Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen <3. FörderungshöchstdauerVÄndV> vom 25. Mai 1979 ). Nach der Begründung des Verordnungsgebers sollte auch Studierenden der Humanmedizin durch die Anhebung der Förderungshöchstdauer ein über die Mindeststudienzeit hinaus gehendes Fachsemester ermöglicht werden (vgl. BRDrucks 17/79, S. 23).

26

§ 5 Abs. 1 Nr. 63 FörderungshöchstdauerV in der Fassung der Achten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Förderungshöchstdauer für den Besuch von höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen (8. BAföG-FörderungshöchstdauerVÄndV) vom 11. Juli 1988 (BGBl I S. 1029) setzte die Förderungshöchstdauer wieder herab, um sie an die in der Approbationsordnung für Ärzte geregelte Regelstudienzeit "anzugleichen" (vgl. BRDrucks 249/88, S. 15). Die Vorschrift, die für alle Studierenden der Humanmedizin galt, die ihr Studium nach dem 1. Oktober 1986 aufgenommen hatten (vgl. § 11b Abs. 3 FörderungshöchstdauerV i.d.F. der 8. BAföG-FörderungshöchstdauerVÄndV), lautet:

27

§ 5

28

Förderungshöchstdauer an wissenschaftlichen Hochschulen

29

(1) Die Förderungshöchstdauer für die Ausbildung an wissenschaftlichen Hochschulen beträgt für den

30

Studiengang

Semester

63. Medizin

13

31

32

Die Zehnte Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Förderungshöchstdauer für den Besuch von höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen (10. BAföG-FörderungshöchstdauerVÄndV) vom 13. Juni 1994 (BGBl I S. 1257) änderte § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 63 FörderungshöchstdauerV erneut und setzte die Förderungshöchstdauer nunmehr auf die Regelstudienzeit von zwölf Semestern und drei Monaten herab. Zugleich führte sie eine Übergangsregelung in § 11d FörderungshöchstdauerV ein. Diese Vorschrift lautet:

33

§ 11d

34

Übergangsvorschrift 1994

35

In einem Studiengang, dessen Förderungshöchstdauer durch die Zehnte Verordnung zur Änderung dieser Verordnung vom 13. Juni 1994 (BGBl. I S. 1257) gekürzt wird, gilt für Auszubildende, die vor dem 1. Oktober 1994 das vierte Fachsemester vollendet haben, die bisherige Förderungshöchstdauer weiter.

36

In den neuen Ländern war die vollständige Anpassung der Förderungshöchstdauer an die bundesrechtlich vorgegebene Regelstudienzeit allerdings durch § 9 Abs. 2 FörderungshöchstdauerV schon früher erfolgt (siehe oben b).

37

Die der Regelstudienzeit entsprechende Förderungshöchstdauer von zwölf Semestern und drei Monaten wurde auch als besondere Regelung in § 15a Abs. 2 Nr. 3 BAföG in der seit dem 1. August 1996 geltenden Fassung des 18. BAföGÄndG (siehe dazu oben a) aufgenommen. Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

38

§ 15a

39

Förderungshöchstdauer

40

41

(2) Abweichend von Absatz 1 beträgt die Förderungshöchstdauer für die Universitätsstudiengänge

42

3. Medizin, mit Ausnahme von Zahn- und Tiermedizin,

12 Semester

und 3 Monate.

43

Nach Maßgabe von § 15a Abs. 1 in Verbindung mit § 15 Abs. 4 Satz 2 BAföG in der Fassung des 18. BAföGÄndG galt allerdings die FörderungshöchstdauerV für solche Studierenden weiter, die vor dem 1. Oktober 1996 das vierte Fachsemester beendet hatten.

44

Die allgemeine Verweisung auf die Regelstudienstudienzeit in § 15a Abs. 1 Satz 1 BAföG in der seit dem 1. April 2001 geltenden Fassung des Ausbildungsförderungsreformgesetz (AföRG) (vgl. oben 2. a) machte diese Regelung schließlich entbehrlich.

45

4. Was die Möglichkeiten anbetrifft, einen großen Teilerlass nach § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG zu erhalten, stellt sich die Rechtslage für Studierende der Humanmedizin damit wie folgt dar: Studierenden, die ihr Studium in den neuen Ländern nach den Vorschriften der Approbationsordnung für Ärzte durchführten und abschlossen (siehe dazu 3. c) aa), war es von vornherein objektiv unmöglich, einen großen Teilerlass nach § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG zu erreichen. Sie konnten ihr Studium nicht vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer abschließen, da die Förderungshöchstdauer gemäß § 9 Abs. 2 FörderungshöchstdauerV in der seit dem 1. Januar 1991 geltenden Fassung entsprechend der Regelstudienzeit nach § 1 Abs. 2 Satz 2 ÄApprO zwölf Semester und drei Monate betrug und eine Mindeststudienzeit von zwölf Semestern zu absolvieren war. Für Studierende der Humanmedizin, die ab dem Sommersemester 1993 ihr Studium in den alten Ländern aufgenommen hatten, gilt das gleiche (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 63 FörderungshöchstdauerV i.d.F. der 10. BAföG-FörderungshöchstdauerVÄndV). Wer allerdings, wie bei einem Studienbeginn im Wintersemester 1992/1993 oder früher, am 1. Oktober 1994 sein viertes Fachsemester in den alten Ländern vollendet hatte, konnte bei einem Abschluss des Studiums vor Ablauf des zweiten Monats nach dem Ende des zwölften Semesters einen großen Teilerlass erhalten, da für ihn eine Förderungshöchstdauer von dreizehn Semestern galt (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 63 FörderungshöchstdauerV i.d.F. der 8. BAföG-FörderungshöchstdauerVÄndV i.V.m. § 11d FörderungshöchstdauerV i.d.F. der 10. BAföG-FörderungshöchstdauerVÄndV).

II.

46

Der Beschwerdeführer begann im Wintersemester 1991/1992 ein Medizinstudium an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und schloss es am 27. Oktober 1997 erfolgreich mit dem Bestehen des Dritten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung ab. Während des Studiums erhielt er Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, die ihm zur Hälfte als unverzinsliches Darlehen gewährt wurde.

47

Bereits Ende 1994 erließ das Studentenwerk Erfurt einen Leistungs- und Rückforderungsbescheid, der als Ende der Förderungshöchstdauer September 1997 nannte. Auf den Widerspruch des Beschwerdeführers erging Anfang 1995 zunächst ein korrigierter Leistungsbescheid, in dem als Ende der Förderungshöchstdauer nunmehr der Dezember 1997 genannt war. Im April 1995 wurde sodann ein Abhilfebescheid hinsichtlich der angefochtenen Rückzahlungsverpflichtung erlassen, der zugleich die Förderungshöchstdauer auf sechs Jahre und drei Monate festlegte. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Beschwerdeführer hiergegen Klage und begehrte die Festsetzung des Endes der Förderungshöchstdauer auf März 1998, d.h. auf das Ende des dreizehnten Fachsemesters. Das Verwaltungsgericht Weimar wies die Klage als unzulässig ab, weil die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Förderungshöchstdauer keine Regelung im Sinne eines Verwaltungsakts enthielten. Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg, wenngleich das Thüringer Oberverwaltungsgericht der Auffassung des Verwaltungsgerichts zum Nichtvorliegen eines Verwaltungsaktes widersprach.

48

Am 17. Juni 2002 erließ das Bundesverwaltungsamt einen Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid nach § 18 Abs. 5a BAföG, in dem es das Ende der Förderungshöchstdauer auf den letzten Tag des Monats Dezember 1997 festlegte und die Höhe der Darlehensschuld festsetzte. Mit zwei weiteren Bescheiden vom 28. Juni 2002 gewährte das Bundesverwaltungsamt dem Beschwerdeführer einen leistungsabhängigen Teilerlass sowie einen kleinen Teilerlass (1022,58 Euro = 2.000 DM), weil der Beschwerdeführer das Studium zwei Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer abgeschlossen habe. Der Beschwerdeführer hatte danach noch insgesamt 4.904,13 Euro zurückzuzahlen. Diese Summe würde sich bei vorzeitiger Rückzahlung auf 3.996,87 Euro reduzieren.

49

Mit seinem gegen den Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid einerseits und den Bescheid über die Gewährung eines kleinen Teilerlasses andererseits gerichteten Widerspruch machte der Beschwerdeführer geltend, das Ende der Förderungshöchstdauer müsse auf den letzten Tag des Monats März 1998 festgesetzt werden. Darüber hinaus sei ihm anstelle des kleinen Teilerlasses ein großer Teilerlass (2.556,46 Euro = 5.000 DM) zu gewähren. Seine nach Zurückweisung des Widerspruchs durch zwei separate Widerspruchsbescheide erhobenen Klagen auf die Festsetzung des Endes der Förderungshöchstdauer auf März 1998 einerseits und auf die Gewährung eines großen Teilerlasses nach § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG andererseits wies das Verwaltungsgericht Köln als unbegründet ab. Es könne offen bleiben, ob das Bundesverwaltungsamt an die zuvor vom Studentenwerk Erfurt verfügte Festsetzung der Förderungshöchstdauer gebunden sei. Auch wenn man dies zugunsten des Beschwerdeführers nicht annähme, habe es die Förderungshöchstdauer nach § 9 Abs. 2 FörderungshöchstdauerV zutreffend festgesetzt. § 9 Abs. 2 FörderungshöchstdauerV verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es sei ein sachlicher Gesichtspunkt, dass der Verordnungsgeber mit der Regelung des § 9 Abs. 2 FörderungshöchstdauerV den besonderen Verhältnissen an den Hochschulen in den neuen Ländern habe Rechnung tragen wollen. Unterschiede bei der Förderung in den alten und neuen Ländern seien für eine Übergangszeit hinzunehmen. Aufgrund des Gestaltungsspielraums des Verordnungsgebers bei der Regelung sozialer Vergünstigungen verstoße es nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Bemessung der Förderungshöchstdauer nach § 9 Abs. 2 FörderungshöchstdauerV dazu führe, dass ein großer Teilerlass nicht erreichbar sei. Die normative Bestimmung einer Förderungshöchstdauer, die auf studienorganisatorische Besonderheiten keine Rücksicht nehme, verstoße nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen nicht dadurch gegen den Gleichheitssatz, dass für Absolventen bestimmter Studiengänge ein Teilerlass nicht erreichbar sei. Entscheidend sei, dass die Förderungshöchstdauer so festgelegt werde, dass ein Abschluss der geförderten Ausbildung regelmäßig möglich sei. Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebiete hingegen nicht, für die Rückzahlung Regelungen vorzusehen, die es in jedem Studiengang ermöglichten, grundsätzlich alle denkbaren Vergünstigungen - wie alle Varianten des leistungsabhängigen Teilerlasses oder des studiendauerabhängigen Teilerlasses - ausschöpfen zu können.

50

Die Anträge auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen als unbegründet ab. Zur Begründung führte es unter anderem aus, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen. § 9 Abs. 2 FörderungshöchstdauerV verstoße auch nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil - abweichend vom Regelungssystem in den alten Ländern - nicht gewährleistet gewesen sei, dass jedem Auszubildenden beim Besuch einer wissenschaftlichen Hochschule im Beitrittsgebiet über die Mindestausbildungsdauer hinaus generell ein weiteres Semester zur freien Verfügung gestanden habe. Die insoweit gegebene unterschiedliche Behandlung der Auszubildenden im Beitrittsgebiet und in den alten Ländern rechtfertige sich mit Blick auf die besondere Situation, die bei Abschluss des Einigungsvertrages für das Inkraftsetzen der Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes im Beitrittsgebiet zum 1. Januar 1991 in Rechnung zu stellen gewesen sei. Die Anwendung dieser Vorschriften einschließlich der Normen über die Förderungshöchstdauer sei nämlich zunächst im Rahmen eines andersartigen, noch maßgeblich durch die ehemalige Deutsche Demokratische Republik geprägten Bildungssystems erfolgt, dessen Angleichung an die Bedingungen in den alten Ländern nur im Laufe eines längerwährenden Prozesses zu erwarten gewesen sei. Diese besondere Lage habe es ausgeschlossen, die Regelungen der Förderungshöchstdauerverordnung für die alten Länder auf das Beitrittsgebiet zum 1. Januar 1991 zu übertragen. Mit der Anknüpfung an die Regelstudienzeit in § 9 Abs. 2 FörderungshöchstdauerV sei eine Bestimmung getroffen worden, die diese Besonderheiten berücksichtigte und deren im Einzelfall nachteiligen Folgen die Auszubildenden für eine Übergangszeit hinzunehmen hätten.

III.

51

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer unmittelbar gegen den Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid und den Bescheid über die Gewährung eines kleinen Teilerlasses sowie die hierzu ergangenen Widerspruchsbescheide und gerichtlichen Entscheidungen. Mittelbar richtet er sich gegen § 9 Abs. 2 FörderungshöchstdauerV sowie § 15a Abs. 2 Nr. 3 BAföG in der seit dem 1. August 1996 geltenden Fassung. Er rügt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Studierende der Humanmedizin würden im Verhältnis zu Studierenden anderer Studienrichtungen, zum Beispiel Jurastudenten, in nicht gerechtfertigter Weise dadurch ungleich behandelt, dass bei ihnen ein großer Teilerlass von vornherein nicht möglich sei. Zudem dürfe die Förderungshöchstdauer nicht unterschiedlich in den neuen und alten Ländern geregelt werden, da das Medizinstudium in Detailfragen bundeseinheitlich geregelt sei. Die vom Verwaltungsgericht und vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Gründe studienorganisatorischer Art und die angeführten Besonderheiten an den Hochschulen in den neuen Ländern hätten mit der Frage der Förderungshöchstdauer und der Möglichkeit eines großen Teilerlasses nichts zu tun. Es liege deshalb auch eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber Studierenden der Humanmedizin in den alten Ländern vor, für die bei einem Studienbeginn zum Wintersemester 1991/1992 eine Förderungshöchstdauer von dreizehn Semestern gegolten habe und für die ein großer Teilerlass objektiv möglich gewesen sei.

IV.

52

Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich der für das Ausbildungsförderungsrecht zuständige 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, der Marburger Bund, der NAV Virchow-Bund, das Deutsche Studentenwerk und der Wissenschaftsrat geäußert.

53

1. Der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, der nach eigenen Angaben bislang nicht mit der durch die Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Problematik befasst war, ist der Auffassung, dass der Beschwerdeführer durch die Versagung des großen Teilerlasses in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sei. Er verweist auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts  , wonach bei der Festlegung der Förderungshöchstdauer zu gewährleisten sei, dass regelmäßig ein Semester zur freieren Verfügung des Auszubildenden stehe (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1983 - BVerwG 5 C 50.81 -, juris Rn. 8; BVerwGE 88, 151 <155 f.>; BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1995 - BVerwG 11 C 26.94 -, juris Rn. 22). Es liege nahe, dass es dann grundsätzlich auch möglich sein müsse, zumindest in diesem Verfügungssemester eine Ausbildung vier Monate vor Ablauf der Förderungshöchstdauer zu beenden. Es liege in jedem Fall auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung, eine Förderungshöchstdauer zu verlangen, die den Auszubildenden so viel zeitlichen Spielraum für die Ausbildung lasse, dass sie objektiv in allen Studiengängen die Voraussetzungen für den großen Teilerlass erreichen könnten. Hierfür spreche neben dem Wortlaut der Regelung auch ihr für alle Studiengänge gleichermaßen geltender Sinn, einen finanziellen Anreiz für eine zügige Durchführung der Ausbildung zu setzen. Im Ergebnis sei auch die unterschiedliche Behandlung von Studierenden nach dem Standort der Hochschule mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Für Studiengänge, für die bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Ausbildungsförderungsrechts im Beitrittsgebiet kraft Bundesrechts an ostdeutschen und westdeutschen Hochschulen dieselben Ausbildungs- und Prüfungsregelungen galten, habe kein tragfähiger Grund für die ungleiche Behandlung in Bezug auf die Förderungshöchstdauer bestanden.

54

2. Der Marburger Bund hält die Verfassungsbeschwerde ebenfalls für begründet. Es liege ein zweifacher Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowohl im Hinblick auf die Ungleichbehandlung zwischen den Studierenden der Humanmedizin der alten und der neuen Länder durch § 9 FörderungshöchstdauerV als auch zwischen den Studierenden der Humanmedizin und denen anderer Studiengänge vor. Etwaige organisatorische Besonderheiten in den neuen Ländern hätten eher zu einer Verlängerung der Förderungshöchstdauer führen müssen. Nach einer Mitgliederbefragung habe es zwischen den Studienbedingungen im Beitrittsgebiet und in den alten Ländern keine Unterschiede gegeben, so dass ein Studienabschluss jeweils grundsätzlich in derselben Zeit erreichbar gewesen sei. Der Ausschluss von der Möglichkeit, einen großen Teilerlass zu erhalten, sei nicht mit dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu rechtfertigen. Die Grenzen zulässiger Typisierung und Pauschalierung seien überschritten, zumal mit dem Kreis der Studierenden der Humanmedizin an den ostdeutschen Universitäten keine zahlenmäßig kleine Gruppe betroffen sei. Der NAV Virchow-Bund folgt in der Sache gleichfalls der Argumentation des Beschwerdeführers.

55

3. Das Deutsche Studentenwerk und der Wissenschaftsrat nehmen in ihren Äußerungen Bezug auf die vom Wissenschaftsrat veröffentlichten Studien zur "Entwicklung der Fachstudiendauer an Universitäten von 1990 bis 1998" (Drs. 4770-01 vom 15. Februar 2001, S. 80 ff. und Anhang I, S. 118 f.) beziehungsweise "von 1999 bis 2003" (Drs. 6825/05 vom 29. August 2005, S. 100 und Anhang I, S. 170). Aus ihnen geht hervor, dass die mittlere Fachstudiendauer im Studienfach Humanmedizin an den meisten Universitäten in den neuen Ländern im Jahre 1998 deutlich und im Jahre 2003 geringfügig niedriger war als an den Universitäten in den alten Ländern. Als Gründe gälten die völlige Neukonzeption der Studiengänge in den neuen Ländern nach der Wende, in denen die Studien- und Prüfungsordnungen realitätsnäher gewesen seien als die über Jahre hinweg nicht evaluierten Ordnungen in den alten Ländern. Letztlich sei auch die Betreuungsrelation besser gewesen als in den alten Ländern.

B.

56

Die Verfassungsbeschwerde ist überwiegend zulässig.

I.

57

Die Verfassungsbeschwerde ist allerdings unzulässig, soweit der Beschwerdeführer als selbstständigen Beschwerdegegenstand die Festsetzung der Förderungshöchstdauer und die hierzu ergangenen Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen sowie mittelbar die Vorschriften des § 9 Abs. 2 FörderungshöchstdauerV und des § 15a Abs. 2 Nr. 3 BAföG in der vom 1. August 1996 bis zum 31. März 2001 geltenden Fassung angreift, aus denen sich die für den Beschwerdeführer festgesetzte Förderungshöchstdauer von zwölf Semestern und drei Monaten ergibt.

58

Es kann dahinstehen, ob dem Beschwerdeführer insoweit das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, als die Förderungshöchstdauer von zwölf Semestern und drei Monaten und ihr Ende im Dezember 1997 bereits durch die Bescheide des Studentenwerkes Erfurt von Ende 1994 bzw. Anfang 1995 bestandskräftig festgestellt worden und das Bundesverwaltungsamt bei Erlass des hier angefochtenen Feststellungs- und Rückzahlungsbescheides vom 17. Juni 2002 an diese Festsetzungen mit der Folge gebunden gewesen wäre, dass die in den Ausgangsverfahren begehrte Festsetzung des Endes der Förderungshöchstdauer auf März 1998 nicht in Betracht käme.

59

Jedenfalls ist der Beschwerdeführer nicht beschwerdebefugt, weil er durch die Förderungshöchstdauer als solche nicht in seinen Grundrechten verletzt sein kann. Für den Beschwerdeführer galt zwar eine niedrigere Förderungshöchstdauer als für Studierende der Humanmedizin in den alten Ländern. Hinsichtlich der primären Rechtswirkung der Förderungshöchstdauer, die Gewährung von Ausbildungsförderung zeitlich zu begrenzen (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 BAföG), ist dem Beschwerdeführer selbst jedoch kein Nachteil entstanden. Er hat sein Studium innerhalb der für ihn maßgeblichen Förderungshöchstdauer abgeschlossen und für dessen gesamte Dauer Ausbildungsförderung erhalten. § 9 Abs. 2 FörderungshöchstdauerV und die darauf gestützten Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen enthalten damit keine unmittelbare verfassungsrechtliche Beschwer für den Beschwerdeführer.

60

Allerdings wirken sich die Vorschriften zur Förderungshöchstdauer indirekt nachteilig für den Beschwerdeführer aus, weil die Gewährung eines großen Teilerlasses nach § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG auch von der für ihn geltenden Förderungshöchstdauer von zwölf Semestern und drei Monaten abhängt. Doch ist eine Verfassungsbeschwerde nur gegen denjenigen Akt öffentlicher Gewalt zulässig, der die geltend gemachte Grundrechtsverletzung bewirkt (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. August 2010 - 1 BvR 2393/08 u.a. -, juris Rn. 19, 30). Das ist hier die Versagung des Teilerlasses.

II.

61

Zulässig ist die Verfassungsbeschwerde, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Versagung eines großen Teilerlasses und die hierzu ergangenen Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen richtet. Er hat insoweit den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend hinreichend substantiiert die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG aufgezeigt. Sinngemäß richtet sich seine Verfassungsbeschwerde ausweislich ihrer Begründung mittelbar gegen § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG in der Fassung des 12. BAföGÄndG in Verbindung mit den für den Beschwerdeführer einschlägigen Vorschriften zur Förderungs-höchstdauer einerseits und zur Mindeststudienzeit andererseits. Der Beschwer-deführer hat diese Vorschrift zwar nicht ausdrücklich als Gegenstand der Verfassungsbeschwerde bezeichnet. Doch sind seine Ausführungen entsprechend auszulegen (vgl. BVerfGE 68, 1 <68 f.>).

C.

62

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Der Beschwerdeführer wird durch § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG in der Fassung des 12. BAföGÄndG in Verbindung mit den einschlägigen Vorschriften zur Förderungshöchstdauer (§ 9 Abs. 2 FörderungshöchstdauerV i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 ÄApprO) einerseits und zur Mindeststudienzeit (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ÄApprO) andererseits und durch die daraus folgende Versagung eines großen Teilerlasses in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, weil es ihm als Studierendem der Humanmedizin in den neuen Ländern von vornherein objektiv unmöglich war, in den Genuss eines großen Teilerlasses zu kommen.

I.

63

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 <385>; stRspr). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 <17>; 126, 400 <416> m.w.N.). Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Ausschluss (vgl. BVerfGE 93, 386 <396>; 105, 73 <110 ff., 133>), bei dem eine Begünstigung dem einem Personenkreis gewährt, dem anderen aber vorenthalten wird (vgl. BVerfGE 110, 412 <431>; 112, 164 <174>; 126, 400 <416> m.w.N.).

64

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 122, 1 <23>; 126, 400 <416> m.w.N.). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht nur, dass die Ungleichbehandlung an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpft, sondern verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; 88, 87 <97>; 93, 386 <397>; 99, 367 <389>; 105, 73 <110>; 107, 27 <46>; 110, 412 <432>).

65

Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfGE 75, 108 <157>; 93, 319 <348 f.>; 107, 27 <46>; 126, 400 <416> m.w.N.). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für den Einzelnen verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>). Im Übrigen hängt das Maß der Bindung unter anderem davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 12. Oktober 2010 - 1 BvL 14/09 -, juris Rn. 45).

II.

66

§ 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG in der Fassung des 12. BAföGÄndG in Verbindung mit den einschlägigen Vorschriften zur Förderungshöchstdauer (hier § 9 Abs. 2 FörderungshöchstdauerV i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 ÄApprO) einerseits und zur Mindeststudienzeit (hier § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ÄApprO) andererseits und die darauf beruhende Versagung eines großen Teilerlasses für den Beschwerdeführer sind selbst bei Anlegung eines großzügigen Prüfungsmaßstabes mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

67

1. Der Beschwerdeführer wird als Student der Humanmedizin in den neuen Ländern zum einen gegenüber Studierenden der Humanmedizin, die im Wintersemester 1992/1993 oder früher ihr Studium in den alten Ländern aufgenommen und im Sommersemester 1994 ihr viertes Fachsemester vollendet haben, ungleich behandelt. Während für letztere nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 63 FörderungshöchstdauerV in der Fassung der 8. BAföG-FörderungshöchstdauerVÄndV in Verbindung mit § 11d FörderungshöchstdauerV in der Fassung der 10. BAföG- FörderungshöchstdauerVÄndV eine Förderungshöchstdauer von dreizehn Semester galt und sie damit bei einem Abschluss des Studiums vor Ablauf des zweiten Monats nach dem Ablauf der Mindeststudienzeit von zwölf Semestern einen großen Teilerlass erhalten konnten, war dies dem Beschwerdeführer nicht möglich. Denn er konnte sein Studium wegen der bundesrechtlich vorgegebenen Mindeststudienzeit von zwölf Semestern einerseits und der für Studierende in den neuen Ländern geltenden, der Regelstudienzeit entsprechenden Förderungshöchstdauer von zwölf Semestern und drei Monaten andererseits nicht vier Monate vor dem Ablauf der Förderungshöchstdauer beenden. Zum anderen liegt eine Ungleichbehandlung gegenüber Studierenden anderer Studiengänge vor, in denen entweder gar keine Mindeststudienzeit gilt oder Mindeststudienzeit und Förderungshöchstdauer so bemessen sind, dass ein Abschluss des Studiums vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer möglich bleibt.

68

2. Tragfähige Gründe für die Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlungen sind nicht erkennbar. Sie ergeben sich weder aus den Materialien zum Bundesausbildungsförderungsgesetz noch aus der Begründung der Förderungshöchstdauerverordnung. Auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist hierzu nichts vorgetragen worden.

69

a) Für die Ungleichbehandlung gegenüber Studierenden der Humanmedizin in den alten Ländern bestehen keine tragfähigen Sachgründe. Zwar durfte der Gesetzgeber bei der Gewährung von Leistungen einen Spielraum in Anspruch nehmen. Doch erlaubt ihm dieser nicht, Studierende in den neuen Ländern ohne sachangemessene Gründe von einer Begünstigung auszuschließen. Dabei kann dahinstehen, ob im Studiengang Humanmedizin in den neuen Ländern in den 1990er Jahren Studienbedingungen geherrscht haben, die einen schnelleren Studienabschluss als an Universitäten in den alten Ländern ermöglich haben, und es deshalb ungeachtet der bundeseinheitlich vorgegebenen Studieninhalte verfassungsrechtlich zulässig war, die Förderungshöchstdauer in den neuen Ländern übergangsweise niedriger festzusetzen als in den alten Ländern. Zwar darf der Gesetzgeber insbesondere auch zur Bewältigung der Folgen der Deutschen Einheit Regeln treffen, mit denen auch Härten einhergehen können. Doch ließe sich damit allenfalls rechtfertigen, Studierende der Humanmedizin in den neuen Ländern für eine kürzere Dauer zu fördern, weil sie ihr Studium früher abschließen konnten als Studierende der Humanmedizin in den alten Ländern. Nicht zu rechtfertigen wäre es jedoch, deshalb keinen großen Teilerlass für den Darlehensteil bereits ausgezahlter Förderung zu gewähren. Der Sinn und Zweck des § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG, Anreize für einen möglichst raschen Studienabschluss vor dem Ende der Förderungshöchstdauer zu setzen (vgl. oben A. I. 2. b), besteht gegenüber Studierenden der Humanmedizin in den neuen Ländern ebenso wie in den alten Ländern. Die Mindeststudienzeit von zwölf Semestern, die einem schnellen Studienabschluss Grenzen setzt, gilt kraft bundesgesetzlicher Anordnung für alle Studierenden der Humanmedizin. Es ist deshalb kein Grund ersichtlich, warum Studierenden der Humanmedizin in den neuen Ländern die Begünstigung eines großen Teilerlasses von vornherein versagt blieb, während sie Studierenden der Humanmedizin in den alten Ländern nach der Wiedervereinigung noch übergangsweise offen stand.

70

b) Die Ungleichbehandlung sowohl gegenüber Studierenden der Humanmedizin in den alten Ländern als auch gegenüber Studierenden anderer Fachrichtungen lässt sich nicht mit der Befugnis des Gesetzgebers rechtfertigen, bei der Ordnung von Massenerscheinungen typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen. Die Voraussetzungen dafür liegen hier nicht vor.

71

aa) Der Gesetzgeber ist zwar von Verfassungs wegen nicht gehalten, sämtliche studienorganisatorischen Besonderheiten zu berücksichtigen und zu überprüfen, ob es nach den individuellen Studienbedingungen eines jeden Studierenden in jedem Studiengang und an jeder Universität möglich ist, das Studium vier Monate vor Ablauf der Förderungshöchstdauer zu beenden. Er muss die Verwaltung auch nicht zu einer entsprechenden umfangreichen Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung individueller Härten verpflichten. Generelle Hinderungsgründe, die sich wie hier die bindenden Mindeststudienzeiten aus Rechtsvorschriften ergeben, müssen aber in einer Regelung über die Gewährung eines studiendauerabhängigen Teilerlasses berücksichtigt werden.

72

Die unzureichende Berücksichtigung gesetzlicher Mindeststudienzeiten und ihres Verhältnisses zur Förderungshöchstdauer kann gesamte Studiengänge und damit eine große Anzahl von Studierenden von der Möglichkeit eines großen Teilerlasses ausschließen. Gerade die hier betroffene Gruppe der Studierenden der Humanmedizin in den neuen Ländern ist zahlenmäßig nicht unbedeutend. So schlossen beispielsweise im Jahre 1998 insgesamt 1088 deutsche Erstabsolventen ihr Medizinstudium an Universitäten in den neuen Ländern ab (vgl. Wissenschaftsrat, Entwicklung der Fachstudiendauer an Universitäten von 1990 bis 1998, Drs. 4770-01 vom 15. Februar 2001, Anhang I, S. 118). Geht man entsprechend der Stellungnahme des Deutschen Studentenwerks für das Jahr 1997 davon aus, dass 17 % der Studierenden der Humanmedizin Leistungen nach dem BAföG erhalten haben, waren allein im Jahre 1998 ca. 185 Studierende von dem Begünstigungsausschluss betroffen. Seit Inkrafttreten von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 63 FörderungshöchstdauerV in der Fassung der 10. BAföG-FörderungshöchstdauerVÄndV gilt im Übrigen für alle Studierenden der Humanmedizin im gesamten Bundesgebiet eine Förderungshöchstdauer von zwölf Semestern und drei Monaten, so dass seitdem kein Studierender der Humanmedizin mehr von einem großen Teilerlass profitieren kann.

73

bb) Der Ausschluss größerer Gruppen von Studierenden von der Chance eines großen Teilerlasses wegen studiengangsbezogener Mindeststudienzeiten ist ohne unzumutbaren Aufwand vermeidbar, indem die Regeln über Teilerlass, Förderungshöchstdauer und Mindeststudienzeit aufeinander abgestimmt werden. Es sind keine verwaltungspraktischen Hindernisse oder sonstige Gründe ersichtlich, die diesen Ausschluss geböten. Er hat seine Ursache vielmehr in der fehlenden Abstimmung derjenigen Regeln, die für den großen Teilerlass von Bedeutung sind. Dies lässt sich nicht mit Typisierungs- und Pauschalierungserwägungen rechtfertigen. So gewährleistete die ursprüngliche Konzeption des studiendauerabhängigen Teilerlasses unter Berücksichtigung der früheren Bemessungsprinzipien der Förderungshöchstdauer, dass Mindeststudienzeiten einem Teilerlass nicht entgegenstanden. Da die Förderungshöchstdauer bis Mitte der 1980er Jahre die Mindeststudienzeit immer um mindestens ein Semester überstieg (vgl. oben A. I. 3. a), war ein Teilerlass, der in Höhe von 2.000 DM für jedes Semester gewährt wurde, um das ein Auszubildender seine Ausbildung vor dem Ende der Förderungshöchstdauer beendete (vgl. oben A. I. 2. b), in jedem Studiengang objektiv möglich. Dies hat sich jedoch geändert, weil sich die Förderungshöchstdauer mehr und mehr an der Regelstudienzeit orientierte. In Studiengängen, in denen die Förderungshöchstdauer nunmehr der Regelstudienzeit entsprach und diese sich aus der bisherigen Mindeststudienzeit und der notwendigen Examenszeit zusammensetzte, wie dies im Studium der Humanmedizin der Fall ist (vgl. BRDrucks 6/78, S. 34, 41 f., und oben A. I. 3. c) aa), war damit ein Abschluss des Studiums ein volles Semester vor dem Ende der Förderungshöchstdauer nicht mehr möglich. Die Verkürzung des für einen großen Teilerlass notwendigen Zeitraums zwischen dem erfolgreichen Abschluss des Studiums und dem Ende der Förderungshöchstdauer von einem Semester, d.h. sechs Monaten, auf vier Monate war nicht auf die gewandelte Förderungshöchstdauer abgestimmt und hat, wie der vorliegende Fall zeigt, die Problematik, dass Mindeststudienzeiten einem Studienabschluss vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer entgegenstehen können, nicht beseitigt.

74

c) Die Benachteiligung gegenüber Studierenden anderer Studiengänge ist nicht durch andere Sachgründe gerechtfertigt. Zwar zeichnet sich der Studiengang Humanmedizin durch die höchste Förderungshöchstdauer von allen universitären Studiengängen aus. Dies ist jedoch dem außergewöhnlichen Umfang des Studiums und der gesetzlich bestimmten und auch europarechtlich vorgegebenen Mindeststudienzeit geschuldet. Die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dienen primär dazu, einen erfolgreichen Studienabschluss zu gewährleisten und werden deshalb für die gesamte erforderliche Dauer des Studiums gezahlt. Die Studienwahl selbst ist frei. Es ist damit nicht durch einen tragfähigen Sachgrund gerechtfertigt, wenn Studierenden ein großer Teilerlass deshalb versagt wird, weil sie sich in gesetzlich gebilligter Weise für ein umfangreiches Studium entschieden haben.

75

Im Übrigen besteht aus Sicht der Geförderten bei langer Studien- und Förderungsdauer ein größeres Bedürfnis für einen großen Teilerlass, da die zurückzuzahlende Darlehenssumme in der Regel höher ausfällt als bei kürzeren Studiengängen. Dies gilt in besonderem Maße für solche Studierenden, die, wie der Beschwerdeführer, ihr Studium vor dem 28. Februar 2001 abgeschlossen haben und für die deshalb die Begrenzung der zurückzuzahlenden Darlehenssumme auf 10.000 Euro nach § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG nicht eingreift. Der große Teilerlass, der anders als der leistungsabhängige Teilerlass nach § 18b Abs. 2 BAföG nicht in Form eines prozentualen Anteils der gesamten Darlehenssumme, sondern in Ge-stalt eines fixen Betrages gewährt wird, wirkt sich zudem bei langer Förderungsdauer und damit hoher Darlehenssumme im Verhältnis geringfügiger aus als bei kürzerer Förderungsdauer.

76

Aufgrund der langen Studien- und Förderungsdauer im Studiengang Humanmedizin entsprechen Anreize zur zügigen Beendigung des Studiums auch in besonderem Maße dem Sinn und Zweck des § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Zweck für Studierende der Humanmedizin in den neuen Ländern und ab Sommersemester 1993 auch für Studierende der Humanmedizin in den alten Ländern als verfehlt anzusehen wäre und sie deshalb gegenüber Studierenden anderer Fachrichtungen schlechter gestellt werden dürften.

77

d) Die Gewährung eines kleinen Teilerlasses nach § 18b Abs. 3 Satz 2 BAföG, den der Beschwerdeführer erhalten hat, kompensiert nicht die Versagung eines großen Teilerlasses. Dass Studierende der Humanmedizin wie andere Studierende in den Genuss eines kleinen Teilerlasses kommen können, rechtfertigt es nicht, ihnen die Begünstigung eines großen Teilerlasses vorzuenthalten, dessen Voraussetzungen andere Studierende erfüllen können.

D.

I.

78

1. a) § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG in der Fassung des 12. BAföGÄndG ist für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG zu erklären. Eine verfassungskonforme Auslegung scheidet wegen der strikten tatbestandlichen Voraussetzungen für einen großen Teilerlass aus. In entsprechender Anwendung von § 78 Satz 2 BVerfGG ist die Rechtsfolge der Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG auch für die späteren Fassungen des § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG (Fassungen des Ausbildungsförderungsreformgesetzes und des 23. BAföGÄndG, vgl. oben A. I. 2. a) auszusprechen, weil dies im Interesse der Rechtsklarheit geboten ist.

79

b) Der festgestellte Verfassungsverstoß beschränkt sich auf die Fälle, in denen § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG in Verbindung mit den Vorschriften zur Mindeststudienzeit einerseits und zur Förderungshöchstdauer andererseits dazu führt, dass Studierenden in ihrem Studiengang ein großer Teilerlass von vornherein objektiv unmöglich ist, weil sie ihr Studium nicht mindestens vier Monate vor dem Ende der Förderungshöchstdauer beenden können. In entsprechender Anwendung von § 78 Satz 2 BVerfGG wird die Unvereinbarkeit auch über die der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegende Fallkonstellation eines Studierenden der Humanmedizin in den neuen Ländern hinaus erklärt, weil dies im Interesse der Rechtsklarheit geboten ist (vgl. BVerfGE 19, 206 <225 f.>; 40, 296 <328 f.>; 45, 104 <119, 139>). Sie führt nicht nur im konkreten Fall in Verbindung mit der sich aus § 9 Abs. 2 FörderungshöchstdauerV und § 1 Abs. 2 Satz 2 ÄApprO ergebenden Förderungshöchstdauer einerseits und der sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO und § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ÄApprO ergebenden Mindeststudienzeit andererseits zu einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG bei Studierenden der Humanmedizin in den neuen Ländern. Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG liegt darüber hinaus bei Studierenden der Humanmedizin in den alten Ländern ab Sommersemester 1993 gegenüber Studierenden in solchen Studiengängen vor, die die Voraussetzungen des großen Teilerlasses nach Maßgabe der für sie geltenden Mindeststudienzeiten und Förderungshöchstdauer grundsätzlich erfüllen können. Ein entsprechender Gleichheitsverstoß gilt auch für alle anderen Studiengänge, in denen Mindeststudienzeiten vorgeschrieben sind und eine Förderungshöchstdauer gilt, die um weniger als vier Monate über der Mindeststudienzeit liegt.

80

2. a) Als Folge der Unvereinbarkeitserklärung dürfen Gerichte und Verwaltungsbehörden § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden; laufende Verfahren sind auszusetzen (vgl. BVerfGE 73, 40 <101>; 105, 73 <134>; 126, 400 <431>).

81

b) Die Unvereinbarkeitserklärung hat weiterhin zur Folge, dass der Gesetzgeber zur rückwirkenden, gleichheitsgerechten Neuregelung für den gesamten Zeitraum verpflichtet ist, auf den sich die Unvereinbarkeitserklärung bezieht (vgl. BVerfGE 87, 153 <178>; 99, 280 <298>; 105, 73 <134>; 107, 27 <58>; 110, 94 <138>). Dies bedeutet, dass die Neuregelung unabhängig vom Zeitpunkt des Studienabschlusses alle noch nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren erfassen muss, die die Gewährung eines großen Teilerlasses zum Gegenstand haben und einen Studiengang betreffen, in dem wegen Rechtsvorschriften zu Mindeststudienzeiten und zur Förderungshöchstdauer die Voraussetzungen des § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG von vornherein nicht erfüllbar waren. Wie der Gesetzgeber den festgestellten Gleichheitsverstoß beseitigt, steht in seinem Ermessen. Die vollständige Abschaffung des Teilerlasses für Studierende, die ihr Studium nach dem 31. Dezember 2012 abschließen, ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung und bleibt hiervon unberührt.

82

Bestands- oder rechtskräftig abgeschlossene Verfahren können demgegenüber von der rückwirkenden Neuregelung ausgenommen werden (vgl. BVerfGE 87, 153 <178>; 99, 280 <298>; 107, 27 <58>; 120, 125 <167>). Es bleibt dem Gesetzgeber zwar unbenommen, die Wirkung der vorliegenden Entscheidung auch auf bestandskräftige Bescheide zu erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet ist er hierzu jedoch nicht (vgl. BVerfGE 104, 126 <150>; 115, 259 <276>).

83

c) Die Neuregelung hat bis zum 31. Dezember 2011 zu erfolgen. Es besteht keine Veranlassung, dem Gesetzgeber eine längere Frist zur Nachbesserung einzuräumen und während dieses Zeitraums die Fortgeltung der verfassungswidrigen Rechtslage anzuordnen. Seit Ende der 1970er Jahre wird über die Angemessenheit der Teilerlassregelung bei frühzeitiger Beendigung der Ausbildung diskutiert (vgl. BTDrucks 8/2868, S. 23; BTDrucks 11/1315, S. 12 zu Nr. 9 Buchtstabe b). Wie die Begründung des Gesetzentwurfs zum 23. BAföGÄndG zeigt, hatte der Gesetzgeber die Unstimmigkeiten von § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG auch bereits erkannt (vgl. BTDrucks 17/1551, S. 28 f. zu Nummer 13). Eine geordnete Finanz- und Haushaltsplanung ist durch die erforderliche Neuregelung ebenfalls nicht gefährdet.

II.

84

1. Die zur Versagung eines großen Teilerlasses ergangenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsamtes, des Verwaltungsgerichts Köln und des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Sie beruhen auf der mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Rechtslage in Verbindung mit § 18b Abs. 3 Satz 1 BAföG. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen sind aufzuheben; die Sache ist an das Verwaltungsgericht Köln zurückzuverweisen (vgl. § 95 Abs. 2 BVerfGG).

85

2. Demgegenüber haben die allein zur Förderungshöchstdauer ergangenen Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen Bestand, da die Verfassungsbeschwerde insoweit unzulässig ist (vgl. B. I.). Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde zurückzuweisen.

III.

86

Die Kostenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG. Die volle Erstattung der Auslagen des Beschwerdeführers ist angemessen, weil dieser sein wesentliches Verfahrensziel erreicht hat (vgl. BVerfGE 79, 372 <378>; 104, 220 <238>). Die Auslagen sind dem Beschwerdeführer zu gleichen Teilen vom Land Nordrhein-Westfalen und vom Bund zu erstatten, weil die aufgehobenen Entscheidungen von Gerichten des Landes Nordrhein-Westfalen getroffen worden sind, der Grund der Aufhebung aber in der Verfassungswidrigkeit einer bundesrechtlichen Vorschrift liegt (vgl. BVerfGE 101, 106 <132>).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Juli 2009 - 11 K 867/05 - geändert. Der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Februar 2005 wird aufgehoben, soweit damit auch der Ausgleich für die vom Kläger gewährte Schulgeldbefreiung abgelehnt worden ist. Das beklagte Land wird insoweit verpflichtet, über den Antrag auf Gewährung weiterer Zuschüsse unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen haben der Kläger zu 9/10 und der Beklagte zu 1/10 zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Rechtsstreit betrifft den Umfang und die Berechnung der staatlichen Förderung für private Ersatzschulen. Der Kläger hält das in Baden-Württemberg bestehende Zuschuss-System in Bezug auf Freie Waldorfschulen für verfassungswidrig und begehrt für das Rechnungsjahr 2003 die Zuweisung weiterer staatlicher Mittel.
Der Kläger, ein von Eltern getragener gemeinnütziger Verein, betreibt seit dem Jahr 1976 eine als Ersatzschule anerkannte Freie Waldorfschule, die mit knapp 450 Schülern zu den größten Schulen in N... gehört. Auf seinen Antrag gewährte das Oberschulamt Stuttgart für das Jahr 2003 mit Bescheid vom 22.06.2004 einen Zuschuss nach §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 2 des Gesetzes für die Schulen in freier Trägerschaft vom 01.01.1990 (GBl. S. 105; in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 25.07.2000, GBl. S. 534 - PSchG -) in Höhe von insgesamt 1.523.660,25 EUR. Dabei wurden die im Privatschulgesetz vorgesehenen Sätze für die Bezuschussung der laufenden Betriebskosten ungeschmälert zu Grunde gelegt. Danach betrug der jährliche „Kopfsatz“ für Schüler der Klassen 1 bis 4 an Waldorfschulen 51,5 % des Grundgehalts der letzten Dienstaltersstufe des Eingangsamts für beamtete Lehrkräfte an öffentlichen Grundschulen (§ 18 Abs. 2 Buchst. a) PSchG), für Schüler der 13. Klasse 86,2 % des Grundgehalts der letzten Dienstaltersstufe des ersten Beförderungsamts für beamtete Lehrkräfte an Gymnasien (§ 18 Abs. 2 Buchst. e) PSchG) und für Schüler der Klassen 5 bis 12 der Waldorfschulen 83,3 % hiervon (§ 18 Abs. 2 Buchst. d) PSchG).
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch trug der Kläger vor, die Bezuschussung erfülle die Vorgaben aus Art. 7 Abs. 4 GG nicht. Trotz eines erheblichen finanziellen Engagements des Trägervereins und seiner Mitglieder sowie der Erhebung eines verfassungswidrig hohen Schulgeldes erwirtschafte die vom Kläger betriebene Schule - ebenso wie alle anderen Waldorfschulen im Land Baden-Württemberg - seit Jahren ein erhebliches Defizit, das sich für das laufende Schuljahr 2003/2004 auf über 80.000,-- EUR belaufen werde. Angesichts dieser Situation könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die staatliche Förderung die Sicherung des Existenzminimums des Schultyps gewährleiste.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2005 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück; auch die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos und wurde durch Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.07.2009 - 11 K 867/05 - abgewiesen. Zur Begründung wurde insbesondere darauf verwiesen, dass eine evidente Bestandsgefährdung des Ersatzschulwesens in Baden-Württemberg schon deshalb nicht angenommen werden könne, weil es in den letzten Jahren eine stete Zunahme sowohl der Anzahl von Privatschulen als auch der Schülerzahlen gegeben habe.
Der Kläger hat hiergegen die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und innerhalb der vom Gericht gewährten Fristverlängerung begründet. Er trägt vor, Art. 7 Abs. 4 GG beinhalte nicht nur ein Abwehrrecht, sondern gewährleiste auch einen Anspruch auf staatliche Förderung. Nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setze die dem Land obliegende Förderpflicht ein, wenn die Institution des freien Schulwesens gefährdet werde. Diese Voraussetzung sei für Waldorfschulen in Baden-Württemberg erfüllt, weil die Förderung hier deutlich hinter den in anderen Bundesländern gewährten Zuschüssen zurückbleibe. Die Aufrechterhaltung bestehender und die Gründung neuer Waldorfschulen sei deshalb nur durch die Erhebung unzulässig hoher Schulgelder praktisch durchführbar. Damit werde nicht nur eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen gefördert, was Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG widerspreche, sondern auch der grundsätzlich „jedermann“ zustehende Anspruch auf Zugang zu einer Ersatzschule mit entsprechendem pädagogischen Ansatz vereitelt. Tatsächlich könne die Schule wegen der Höhe des Schulgeldes von vielen Interessenten nicht besucht werden und entwickle sich so - entgegen ihrem eigenen Ansatz - zur Schule für Kinder von Besserverdienenden.
Trotz dieses in verfassungswidriger Höhe verlangten Schulgeldes sei das Existenzminimum des Schultyps indes nicht gesichert. Vielmehr erwirtschafte die vom Kläger betriebene Schule – die dem Durchschnitt der Waldorfschulen entspreche - regelmäßig Defizite, die ohne weitere Landeszuschüsse nicht gedeckt werden könnten. Anderweitige Reaktionsmöglichkeiten stünden dem Kläger nicht zur Verfügung. Einsparpotentiale in Bezug auf die Entlohnung der Lehrkräfte - die ohnehin durchschnittlich mehr als 25 % niedriger bezahlt würden, als die von öffentlichen Schulen beschäftigten Lehrer - seien bereits aus Rechtsgründen versagt, weil die wissenschaftliche Ausbildung der Lehrkräfte nach Art. 7 Abs. 4 GG nicht hinter derjenigen der öffentlichen Schulen zurückstehen dürfe. Auch in sächlicher Hinsicht seien Einsparpotentiale nicht mehr gegeben, vielmehr würden notwendige Investitionen ohnehin aufgeschoben. Eine Erhöhung der Einnahmen sei aber aus Rechtsgründen unmöglich, da die Obergrenze der zulässigen Schulgelderhebung verfassungskräftig festgelegt sei. Die damit allein verbleibende Möglichkeit finanzieller Zuschüsse des Trägervereins sei ausgeschöpft. So habe im maßgeblichen Rechnungsjahr 2003 - trotz fehlender steuerrechtlicher Absetzungsfähigkeit - ein Spendenaufkommen in Höhe von fast 60.000,-- EUR erzielt werden können. Auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der Eltern sei bereits über Gebühr in Anspruch genommen, weil zwischenzeitlich rund 235.000,-- EUR als unverzinsliche Darlehens-„Bausteine“ zur Verfügung gestellt worden seien. Überdies werde von den Eltern erheblicher Einsatz in Betreuung und Verwaltung und zum Erhalt des Schulgebäudes geleistet. Eigenes Vermögen sei aber bei Waldorfschulen, die von Elternvereinigungen getragen würden, nicht vorhanden. Weitere finanzielle Eigenleistungen zur Behebung der strukturellen Deckungslücke seien deshalb tatsächlich nicht mehr zu leisten; unbeschadet dessen, dass entsprechende Leistungen auch dem Schulgeld zugerechnet werden müssten. Zur Vermeidung einer drohenden Insolvenz habe die Schule deshalb Kredite in Höhe von über 274.000,-- EUR aufnehmen müssen. Das Bundesverfassungsgericht habe aber geklärt, dass es dem Schulträger nicht zugemutet werden könne, eigenes Vermögen auf Dauer zur Finanzierung der von ihm betriebenen Schule einzusetzen. Die zur Erreichung des Existenzminimums bestehende Deckungslücke sei daher durch einen staatlichen Zuschuss zu schließen.
Maßgeblich verursacht werde die Unterfinanzierung der Waldorfschulen insbesondere dadurch, dass das beklagte Land bei der Berechnung der als Vergleichsgröße herangezogenen Kosten öffentlicher Schulen nur die Betriebskosten in Ansatz bringe. Bei der Ermittlung der tatsächlichen Kosten der als Bezugsgröße gewählten öffentlichen Schulen stehe dem Beklagten aber kein Gestaltungsspielraum zu. Tatsächlich seien auch Kosten für die Beschaffung des Grundstücks und die Errichtung des Schulgebäudes zu leisten. Die insoweit nach gegenwärtigem Stand vom privaten Schulträger zu 100 % zu erbringenden Grundstückskosten sowie die zu 63 % zu tragenden Baukosten müssten überdies finanziert werden, was der Annahme einer weiteren finanziellen Leistungsfähigkeit über die zulässigen Schulkosten hinaus entgegenstehe.
Das Berechnungsverfahren sei weder transparent noch sachgerecht. Dies ergebe sich zunächst schon daraus, dass die Frage, wie der Förder-„Kopfsatz“ zu bestimmen sei, im Gesetz selbst nicht geregelt werde. Nach welchem Verfahren und auf welcher Bemessungsgrundlage die Berechnung erfolgt, könne damit schon nicht nachvollzogen werden. Insbesondere aber fehle jede Begründung, warum die jeweils festgelegten Kopfsätze als Basis für die Privatschulförderung herangezogen würden. Angesichts des Fehlens jedweder Tatsachengrundlage müsse die Vorgabe daher als unzulässige „Schätzung ins Blaue“ hinein bewertet werden. Jedenfalls fehle es an verfahrensmäßigen Absicherungen für die grundgesetzlich vorgegebene Zielerreichung.
Darüber hinaus habe der Beklagte bei der Ausscheidung von Kosten, die für Privatschulen nicht anfallen, eine Reihe von Bestandteilen willkürlich abgezogen. Dies gelte zunächst für die Altersvorsorge der Lehrer, die auch ein freier Schulträger - nicht zuletzt angesichts des Wettbewerbsdrucks staatlicher Schulen - leisten müsse. Dies widerspreche im Übrigen dem Gedanken eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen freien und staatlichen Schulen, weil einerseits die Lehreraufwendungen von Privatschulen künstlich kleingerechnet würden, andererseits aber die bei den Privatschulen ausgebildeten und beschäftigten Lehrkräfte von staatlichen Schulen abgeworben würden. Unzutreffend erweise sich auch der Abzug für Kinder mit Migrationshintergrund. Dies folge zunächst schon daraus, dass die zur Errechnung der Prozentzahlen herangezogene Bezugsgröße der deutschen Staatsangehörigkeit nicht aussagekräftig sei. Zu Kindern mit Migrationshintergrund gehörten in der Realität nicht nur Schüler mit ausländischem Pass. Darüber hinaus ergebe sich der geringere Anteil ausländischer Schüler in Waldorfschulen nicht aus einem pädagogischen Ansatz, sondern aus dem verfassungswidrig hohen Schulgeld. Auch die Absenkung des Förderanteils für die Klassen 5 bis 12 erweise sich als unzutreffend. Denn nach dem pädagogischen Ziel der Waldorfschule sollten bestimmungsgemäß möglichst viele Schüler in einem einheitlichen Bildungsgang zum Abitur geführt werden. Dem entsprechend müsse auch die Lehrerqualifikation in den Klassen 5 bis 12 dem angestrebten Bildungsziel Rechnung tragen.
10 
Umgekehrt fehle eine Berücksichtigung der Kosten, die durch das besondere pädagogische Profil der Waldorfschulen - das Teil der Anerkennung dieses Ersatzschultyps sei - entstünden. Diese Nichtberücksichtigung sei im Übrigen systemwidrig, weil der Beklagte in anderen Fällen die besonderen Kosten des Ersatzschulkonzeptes berücksichtige. So würden z. B. technische Berufskollegs höher gefördert als kaufmännische, weil der in diesen Profilen anfallende Aufwand höher sei.
11 
Bei Zugrundelegung realistischer Vergleichskosten für den Betrieb öffentlicher Schulen und eines verfassungsmäßigen Schulgeldes ergebe sich daher eine erhebliche Deckungslücke, die den Bestand des Ersatzschultyps Waldorfschule ernstlich gefährde. Angesichts der Tatsache, dass 24 % der Schüler von Privatschulen Freie Waldorfschulen besuche, gelte dies sogar für das Privatschulwesen insgesamt. Dieses Defizit löse eine Förderpflicht aus, die grundsätzlich zwar nur der Institution als Ganzem diene, als Reflex jedoch auch den Anspruch einer einzelnen Schule auf Förderung beinhalte. Substantiierte Anhaltspunkte dafür, dass eine verfassungsmäßige Förderung die haushaltsrechtlichen Möglichkeiten übersteige, seien nicht ersichtlich. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass private Ersatzschulen für den Staat insgesamt billiger seien als öffentliche Schulen und der finanzielle Spielraum daher im Ergebnis nicht geschmälert werde. Schließlich sei die verfassungswidrige Unterfinanzierung jedenfalls seit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 12.01.2000 auch bekannt.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Juli 2009 - 11 K 867/05 - zu ändern und das beklagte Land unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Februar 2005 zu verpflichten, über den Antrag auf höhere Förderung für das Rechnungsjahr 2003 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
14 
Das beklagte Land beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Es verteidigt das angefochtene Urteil. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung verbleibe der Ersatzschule keine Deckungslücke, die nur durch Erhebung eines verfassungswidrig hohen Schulgeldes gefüllt werden könne. Ein Verstoß gegen das Sonderungsverbot des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG liege erst mit der Erhebung eines Schulgeldes vor, das die meisten Eltern nicht mehr aufbringen könnten, selbst wenn sie wollten. Hiervon sei die Situation des Klägers - selbst bei Zugrundelegung des Bruttokostenmodells - weit entfernt. Im Übrigen dürfe der Staat erwarten, dass der Schulträger seinem Interesse an der Verwirklichung eigener Ziele und Vorstellungen im schulischen Bereich auch ein eigenes finanzielles Engagement folgen lasse. Gegebenenfalls seien daher weitere finanzielle Eigenleistungen des Schulträgers zu erbringen. Eine Verletzung der verfassungsrechtlichen Förderpflicht jedenfalls könne nur angenommen werden, wenn die Ersatzschule als Institution evident gefährdet wäre. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung sei dabei auf die Privatschulen insgesamt abzustellen. Angesichts der steigenden Schüler- und Schulzahlen könne indes selbst für die Freien Waldorfschulen offenkundig nicht von einer derartigen Gefahrenlange ausgegangen werden. Die finanzielle Lage der vom Kläger betriebenen Schule dagegen sei unerheblich. Dies folge auch bereits daraus, dass ansonsten das wirtschaftliche Gebaren - und gegebenenfalls Missmanagement - einer einzelnen Ersatzschule maßgeblich für die Bestimmung der Zuschusshöhe würde.
17 
Die vom Land herangezogene Kostenberechnung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Da es keine der Waldorfschule entsprechende öffentliche Schule gebe, sei der Kostenvergleich anhand vergleichbarer öffentlicher Schulen vorzunehmen. Besondere „Profilkosten“ könnten dabei schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil Ersatzschulen nicht beanspruchen könnten, eine bessere Ausstattung als vergleichbare öffentliche Schulen zu erhalten.
18 
Auch der vorgenommene Abschlag für die Klassen 5 bis 12 der Freien Waldorfschule sei gerechtfertigt, weil nur ein Bruchteil der in diesen Klassenstufen unterrichteten Schüler zum Abitur geführt werde. Ausweislich der Angaben des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg hätten im Sommer 2003 nur 45,5 % der Abgänger einer Waldorfschule das Abitur erlangt. Überdies würden die Abschlüsse häufig später erreicht, als in anderen Schularten. Schließlich verfüge auch ein erheblicher Teil der Lehrer an Freien Waldorfschulen nicht über die formale Qualifikation, die der Ausbildung von Gymnasiallehrern entspreche. Während an öffentlichen Gymnasien 91 % der Lehrkräfte die Befähigung für das Lehramt an Gymnasien besäßen, liege die entsprechende Quote nach Angaben des Statistischen Landesamts für die Waldorfschulen nur bei 21,9 %. Entsprechende Qualifikationsanforderungen würden daher offenbar nur für den Unterricht in der Oberstufe angesetzt. Angesichts der Tatsache, dass in den Klassen 5 bis 12 auch der Hauptschul- und Realschulabschluss vermittelt werde, sei davon auszugehen, dass die Klassen weniger kostenintensiv betrieben werden könnten, als entsprechender Unterricht an einem Gymnasium. Die geringfügige Absenkung des Kostenansatzes für die Klassen 5 bis 12 der Freien Waldorfschulen - der immer noch über den Sätzen für Haupt- oder Realschulen liege - sei daher sachlich gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung des Klägers bestehe auch kein Anspruch der Ersatzschulen darauf, so bezuschusst zu werden, dass die Lehrer in Bezahlung und Arbeitsplatzsicherheit den Lehrern an öffentlichen Schulen gleichgestellt werden könnten. Tatsächlich seien die Freien Waldorfschulen aufgrund der Bezuschussung jedenfalls in der Lage, angemessene Gehälter zu bezahlen.
19 
Das vom Kläger vorgelegte Gutachten des Steinbeis-Transferzentrums zur Feststellung der Kosten eines Schülers einer öffentlichen Schule könne nicht herangezogen werden. Zum einen würden in dem Gutachten Kosten einbezogen, die bei den privaten Schulen nicht entsprechend anfallen und daher auch nicht berücksichtigt werden müssten. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof gebilligten Rechtsprechung sei es jedoch einwandfrei, nicht von den tatsächlichen Kosten, sondern von den maßgeblichen Kosten der öffentlichen Schulen auszugehen und hierzu solche Kostenbestandteile auszusondern, die nur bei den öffentlichen Schulen anfallen, bei den Privatschulen jedoch keine Entsprechung finden. Zum anderen entspreche die dem Gutachten zugrunde gelegte Methodik nicht der gesetzlichen Struktur der Zuschussgewährung. Denn die Förderung des Schulbaus durch private Träger werde gemäß § 18 Abs. 7 PSchG in einem eigenständigen projektbezogenen System gewährleistet. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei indes geklärt, dass die Grundstückskosten nicht vom Land finanziert werden müssten. Die staatliche Förderung bezwecke nicht die Vermögensbildung in privater Hand. Im Übrigen sei es auch möglich und zumutbar, geeignete Schulräume für den Betrieb einer Ersatzschule anzumieten. Jenseits dessen entstehende Miet- und Pachtkosten sowie Unterhaltungsmaßnahmen seien in die Vergleichsberechnung jedoch eingestellt. Nach Kenntnislage des Beklagten seien die Schulbauten der Privatschulen im Allgemeinen auch in einem guten baulichen Zustand, der von öffentlichen Schulen vielfach nicht erreicht werde. Schließlich erweise sich das Gutachten des Steinbeis-Transferzentrums ausweislich der eingeholten Stellungnahme von Prof. Dr. G.../Dr. S...) auch in fachlicher Sicht als fragwürdig und für die vorliegende Fragestellung nicht aussagekräftig.
20 
Auch das zwischenzeitlich in § 18a PSchG statuierte „Bruttokostenmodell“ müsse nicht herangezogen werden, weil es erst am 14.03.2006 in Kraft getreten und damit für das streitige Jahr 2003 nicht maßgeblich sei. Bei der Novellierung habe es sich im Übrigen um eine politische Entscheidung gehandelt, für die keine rechtliche Notwendigkeit bestanden habe.
21 
Schließlich könnten auch der vorgelegten Untersuchung „Grenzen der Belastbarkeit privater Haushalte mit Schulgeld“ belastbare Aussagen nicht entnommen werden. Dies folge, neben methodischen Mängeln, bereits daraus, dass das zugrunde gelegte Ausgabeverhalten keine Rückschlüsse auf die Frage zulasse, in welcher Höhe Haushalte tatsächlich in der Lage seien, Schulgelder zu leisten.
22 
Die Bezuschussung der Freien Waldorfschulen im Jahr 2003 erweise sich daher als verfassungsgemäß. Im Übrigen stehe die Zuschussgewährung für Ersatzschulen stets unter dem Vorbehalt des Möglichen. Eine weitergehende Förderung von Privatschulen sei angesichts der knappen Haushaltsmittel indes nicht möglich gewesen. Der Vortrag, dass die Privatschulen den Staat weitaus billiger kämen als öffentliche Schulen, treffe bereits deshalb nicht zu, weil ein flächendeckendes öffentliches Schulwesen ohnehin vorgehalten werden müsse.
23 
Das Gericht hat Beweis erhoben über die Bestimmung eines zumutbaren Schulgeldes für Baden-Württemberg im Jahr 2003 durch Sachverständigenaussagen von Prof. Dr. E... und Prof. Dr. F... vom Steinbeis-Transferzentrum Heidenheim. Hinsichtlich des Ergebnisses sowie der hierzu abgegebenen Stellungnahmen der vom Beklagten in die Sitzung gestellten Sachverständigen wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Dem Senat liegen außerdem die vom Beklagten vorgelegten Behördenakten, die Gerichtsakten erster Instanz - einschließlich der darin enthaltenen Gutachten - und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und Sachverständigenstellungnahmen vor, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und den Anforderungen des § 124a Abs. 2 und 3 VwGO entsprechend erhobene Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Die vom Beklagten nach § 18 Abs. 2 des Gesetzes für die Schulen in freier Trägerschaft in der Fassung vom 01.01.1990 (GBl. S. 105; in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 25.07.2000, GBl. S. 534 - PSchG -) gewährten Zuschüsse sichern das verfassungsrechtliche gewährleistete Existenzminimum der Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg nicht hinreichend und sind daher unzureichend (I.). Das Defizit kann jedoch teilweise durch Schulgeldausgleichsansprüche nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 der Landesverfassung ausgeglichen werden, die dem Kläger noch gewährt werden müssen. Insoweit muss das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und das beklagte Land zur Neubescheidung verpflichtet werden (II.). Bei einer Gesamtschau kann das Fördersystem bezogen auf das Streitjahr 2003 daher gegenwärtig noch nicht als verfassungswidrig qualifiziert werden, so dass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht erforderlich ist (III.).
I.
25 
Die in Baden-Württemberg für das streitgegenständliche Rechnungsjahr 2003 bestehenden Regelungen zur Förderung von Ersatzschulen in freier Trägerschaft reichen nicht aus, um das verfassungsrechtlich gewährleistete Existenzminimum der Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg zu sichern. Auch die dem Kläger zugesprochene Förderung erweist sich daher als unzureichend.
26 
1. Art. 7 Abs. 4 GG gewährleistet unmittelbar und primär jedermann das Freiheitsrecht, private Schulen zu errichten und vorbehaltlich staatlicher Genehmigung nach Maßgabe der Landesgesetze als Ersatz für öffentliche Schulen zu betreiben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.11.2004 - 1 BvL 6/99 -, BVerfGE 112, 74 [83]). Damit wird zugleich die Privatschule als Institution verbürgt. Die mit der Privatschulfreiheit verbundene Absage an ein staatliches Schulmonopol trägt dem in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG anerkannten natürlichen Elternrecht Rechnung. Das Grundgesetz öffnet sich damit für die Vielfalt der Erziehungsziele und Bildungsinhalte und für das Bedürfnis seiner Bürger, in der ihnen gemäßen Form die eigene Persönlichkeit und die ihrer Kinder im Erziehungsbereich der Schule zu entfalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 08.04.1987 - 1 BvL 8/84 u.a. -, BVerfGE 75, 40 [62 f.]).
27 
Das Grundgesetz selbst knüpft die Ersatzschulgenehmigung in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG aber an Bedingungen, die private Schulträger aus eigener (Finanz-)Kraft nicht auf Dauer erfüllen können. Die verfassungsunmittelbar auferlegte Bindung, dass die Schule in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen darf und die wirtschaftliche und rechtliche Stellung ihrer Lehrkräfte sichern muss, hat angesichts des heute bestehenden Standards öffentlicher Schulen ein Kostenniveau zur Folge, das nur mit der Erhebung nicht unerheblicher Schulgelder gedeckt werden könnte. Diese Möglichkeit der Selbstfinanzierung hat das Grundgesetz jedoch beschränkt, weil es Schulgelder nur insoweit zulässt, als „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“.
28 
Aus der Normstruktur des Art. 7 Abs. 4 GG folgt daher, sofern die Gewährleistung „nicht zu einem wertlosen Individualgrundrecht auf Gründung existenzunfähiger Ersatzschulen und zu einer nutzlosen institutionellen Garantie verkümmern“ soll (BVerfGE 75, 40 [65]), eine staatliche Kompensationspflicht als Ausgleich der durch Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG selbst geschaffenen Bindungen. Die besondere Schutz- und Förderpflicht des Staates ergibt sich damit daraus, dass der Staat dagegen Vorsorge treffen muss, dass das verankerte Grundrecht als subjektives Recht wegen den seinem Träger durch Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG auferlegten Bindungen praktisch kaum noch wahrgenommen werden kann. Insofern kann sich aus Art. 7 Abs. 4 GG über dessen Abwehrcharakter hinaus ein Anspruch auf staatliche Förderung ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994 – 1 BvR 682/88-, BVerfGE 90, 107 [115]; BVerfGE 75, 40 [62]). Die damit begründete Förderpflicht findet einen weiteren Grund darin, dass der Staat den mit der Privatschulfreiheit gewährleisteten schulischen Pluralismus auch gegen sich selbst und die öffentlichen Schulen in der Weise garantiert, dass er auf eigenen Akten beruhende Beeinträchtigungen dieses Pluralismus durch staatliche Förderung in ihrer Wirkung neutralisiert (vgl. BVerfGE 75, 40 [66]).
29 
2. In welcher Weise diese Förderungspflicht umgesetzt wird, schreibt das Grundgesetz nicht vor. Die Ausgestaltung obliegt daher dem zuständigen Landesgesetzgeber (vgl. BVerfGE 112, 74 [84]). Dabei können unterschiedliche Modelle zur Anwendung gebracht werden. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, wenn sich die staatliche Förderung an den Kosten des öffentlichen Schulwesens orientiert (vgl. BVerfGE 75, 40 [68]; 90, 107 [116]), wie in Baden-Württemberg durch § 18 Abs. 2 PSchG hinsichtlich der laufenden Betriebskosten vorgesehen.
30 
Allerdings weist das Förderkonzept des Landes, das auf eine jährliche Ermittlung der erforderlichen Zuschussbeträge verzichtet und die Förderung stattdessen als prozentualen Teil der Lehrerbesoldung ausweist, strukturelle Mängel auf. Dies gilt zunächst schon deshalb, weil diese Größe für sich genommen nichts darüber aussagt, ob der festgesetzte Betrag - etwa von 51,5 % des Grundgehalts eines beamteten Grundschullehrers nach § 18 Abs. 2 Buchst. a) PSchG - die ihm zugedachte Aufgabe erfüllt und zur Existenzsicherung der Privatschulen ausreicht (vgl. zur hierauf bezogenen Methodenkontrolle der Leistungsbemessung BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, NJW 2010, 505 [509 Rn. 142]). Ob mit diesem Wert das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel einer Deckung von 80 % der Kosten einer vergleichbaren öffentlichen Schule erreicht wird, kann der Zahl nicht entnommen werden. Hierfür bedarf es vielmehr erst einer Umrechnung (vgl. dazu auch die Gesetzesbegründung in LT-Drs. 10/2338, S. 16). Die mit der Kopplung an die Entwicklung der Lehrergehälter verfolgte Dynamisierung hat daher eine erhebliche Intransparenz zur Folge.
31 
Darüber hinaus stellt das Verfahren auch nicht sicher, dass die Zielvorgabe einer 80 %-Kostendeckung den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Diese Berechnungsgrundlage hat die Landesregierung zwar im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens für das Jahr 1986 kontrolliert und rechnerisch abgestützt (vgl. hierzu LT-Drs. 10/2338, S. 11 und LT-Drs. 10/2339, S. 16 ff.). Allerdings wird diese Grundannahme mit zunehmendem zeitlichem Abstand vom Basisjahr unsicherer und tatsächlich auch immer deutlicher verfehlt (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 39). Dies gilt um so mehr, als der jeweils in § 18 Abs. 2 PSchG festgesetzte prozentuale Abschlag eine sachliche und an den verfassungsrechtlichen Vorgaben orientierte Begründung nicht erkennen lässt und die Veränderungen daher eher zufällig, jedenfalls aber nicht auf einer fundierten Analyse basierend erscheinen (vgl. zur Unzulässigkeit von „Schätzungen ins Blaue hinein“ BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, NJW 2010, 505 [512 Rn. 171]). Darüber hinaus birgt die Anbindung der Fördersätze an die Entwicklung der Lehrergehälter den Fehler in sich, dass sowohl die Entwicklung der Sachkosten als auch diejenige der Lehrer-Schüler-Relation (vgl. zur Berücksichtigung des Klassenteilers etwa Bay. VGH, Urteil vom 29.11.2000 - 7 B 99.1482 -, NVwZ-RR 2001, 385) außer Betracht bleiben.
32 
Eine ausreichend verlässliche Vergleichsbasis kann auf dieser Grundlage deshalb nur durch eine hinreichend dichte zeitliche Kontrolle sichergestellt werden und setzt eine konkrete Überprüfung und Korrektur durch den Landesgesetzgeber voraus (vgl. Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 37 ff.). Denn wenn der Gesetzgeber den Finanzbedarf der Privatschulträger nicht unmittelbar ermittelt, sondern aus den Kosten vergleichbarer öffentlicher Schulen zu ableitet, so ist er an diesen Ansatz auch gebunden. Die Ermittlungen zu den wirtschaftlichen Existenzbedingungen müssen daher auf einer ausreichenden Tatsachenbasis beruhen (vgl. auch hierzu Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 65 und 69).
33 
3. Wesentliche Entscheidungen hat der Gesetzgeber dabei, gerade im Bereich des Schulwesens, selbst vorzugeben (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02 -, BVerfGE 108, 282 [312]; BVerwG, Beschluss vom 15.11.1974 - 7 C 8/73 -, BVerwGE 47, 194 [197 f.]). Soweit eine Vorgabe oder Regelung für die Verwirklichung der grundrechtlich geschützten Privatschulfreiheit wesentlich ist, hat der Landesgesetzgeber die Entscheidung daher selbst zu treffen (vgl. auch Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Oktober 2009, Art. 7 Abs. 4 bis 6, Rn. 105 und 133; Hufen, in: Hufen/Vogel, Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?, 2006, S. 49 [76]); Robbers, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 7 Abs. 4 Rn. 211; Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG, 2009, Art. 7 Rn. 79).
34 
Dementsprechend hat der Gesetzgeber auch vorzuzeichnen, in welcher Weise die als Vergleichskosten heranzuziehenden Kosten von öffentlichen Schulen zu bestimmen sind. Denn insoweit bestehen, wie die im vorliegenden Rechtsstreit vorgetragenen Meinungen und Sachverständigengutachten eindrücklich belegen, unterschiedliche Ansätze und Modelle, die durchschlagende Wirkung auf die den Privatschulträgern im Ergebnis zustehenden Förderansprüche entfalten. Die Erhebung und Berechnung der Vergleichskosten muss der Gesetzgeber dabei zwar nicht selbst vornehmen, sondern kann sich auf die Ermittlungen des zuständigen Ministeriums stützen, solange diese den Gesetzgeber nicht binden. Angesichts der schwierigen Abgrenzungsfragen (vgl. hierzu ausführlich Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 42 ff. sowie Haug, in: Müller/Jeand’Heur, Zukunftsperspektiven der Freien Schule, 2. Aufl. 1996, S. 195 ff.) erscheint eine gesetzgeberische Entscheidung zur Methode der Bestimmung maßgeblicher Vergleichskosten öffentlicher Schulen indes dringend geboten. Denn die als Vergleichsgröße in Ansatz zu bringenden Kosten des öffentlichen Schulwesens beeinflussen als Bezugsmaßstab für das Existenzminimum die staatliche Privatschulförderung unmittelbar und sind für die Verwirklichung der in Art. 7 Abs. 4 GG gewährleisteten Privatschulfreiheit damit von grundlegender und „wesentlicher“ Bedeutung. Insoweit handelt es sich nicht bloß um eine Rechengröße auf dem Weg zu einem ohnehin vorgegebenen Ergebnis (wie in dem vom OVG Sachsen-Anhalt durch Urteil vom 14.09.2006 - 2 L 406/03 - entschiedenen Fall), sondern um eine Tatsachen- und Vergleichsgrundlage, die den Landesgesetzgeber erst in den Stand versetzen soll, einen angemessenen Förderbetrag zu bestimmen und ggf. korrigierend nachzuführen (vgl. zur gesetzlich bestimmten Berechnungsgrundlage auch OVG Berlin, Urteil vom 14.09.2004 - 8 B 12/02 -, Rn. 46).
35 
Hierzu ist das Parlament indes nur in der Lage, wenn zur Vergleichsberechnung ein taugliches Verfahren gewählt wird, bei dem die für die Zuschussentscheidung relevanten Kosten im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt worden sind. Die Gewährleistung der in Art. 7 Abs. 4 GG garantierten Förderung strahlt daher auch auf die Gestaltung des Verfahrens aus. Zur Sicherstellung einer den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügenden Finanzhilfe hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlich Bedarf - und damit „realitätsgerecht“ - zu bemessen (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, NJW 2010, 505 [508 Rn. 139]).
36 
Allerdings bestand im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag des Klägers eine gesetzgeberische Festlegung für die Berechnung der Kosten des öffentlichen Schulwesens noch nicht. Die entsprechende Regelung in § 18a PSchG ist erst durch Änderungsgesetz vom 07.03.2006 (GBl. S. 71) eingefügt worden und am 14.03.2006 in Kraft getreten (vgl. Art. 4 Abs. 1 des Änderungsgesetzes). Für den davorliegenden Zeitraum gab es eine verbindliche Vorgabe des Landesgesetzgebers zur Berechnung der maßgeblichen Vergleichskosten nicht.
37 
Dieser Umstand steht einer Heranziehung des ab dem Jahr 2006 durch § 18a PSchG für verbindlich erklärten Bruttokostenmodells für den streitgegenständlichen Zeitraum 2003 indes nicht entgegen. Zwar hat das Änderungsgesetz das Inkrafttreten des Bruttokostenmodells nicht mit einer ausdrücklichen Rückwirkungsanordnung versehen. Dem Gesetz ist aber auch nicht zu entnehmen, dass das vom Landtag beschlossene Berechnungsmodell auf noch nicht abgeschlossene Förderverfahren zurückliegender Zeiträume nicht angewendet werden soll. Die zeitliche Vorgabe in § 18a Abs. 1 Satz 3 PSchG bezieht sich nur auf den Bericht der Landesregierung, der auch vor der Änderungsnovelle bereits auf Basis des Bruttokostenmodells erstellt worden war (vgl. LT-Drs. 13/3434, S. 2). Der Jahresangabe 2006 kommt nur insoweit Regelungscharakter zu, als damit eine Abweichung von dem in § 18a Abs. 1 Satz 3 PSchG ansonsten vorgegebenen Drei-Jahres-Rhythmus für die Landtagsunterrichtung verbunden war. Eine explizite Aussage zur Frage, auf welche Verfahren das in § 18a Abs. 1 Satz 1 angeordnete Berechnungsmodell selbst zur Anwendung gelangt, enthält das Änderungsgesetz dagegen nicht. Insoweit hat der Landtag aber bereits am 11.11.2004 seinen Willen zum Ausdruck gebracht, „die derzeit geltenden Maßstäbe und Bemessungsgrundlagen für die Förderung der Schulen in freier Trägerschaft so bald wie möglich dahingehend zu ändern, dass das sog. Bruttokostenmodell Bemessungsgrundlage der Schulen in freier Trägerschaft wird“ (LT-Drs. 13/5062, S. 1). Die vom Kultusministerium vorgelegten Kostenberechnungen erfolgen jedoch, um dem Landtag eine Überprüfung zu ermöglichen, inwieweit die Zuschüsse das Existenzminimum der Ersatzschulen sicherstellen (vgl. zutreffend etwa LT-Drs. 14/5590, S. 2). Sie nehmen damit auf tatsächlich existierende Kosten Bezug und müssen realitätsnah erstellt sein (vgl. auch OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.09.1997 - 3 L 218/96 -, Rn. 27). Nur so kann der auch im politischen Raum artikulierten Forderung entsprochen werden, dass die Bemessung der zutreffenden Förderhöhe nicht „gegriffen“ erscheint (vgl. LT-Drs. 13/3651, S. 3), sondern auf einer nachvollziehbaren Tatsachenbasis beruht. Diesem Anliegen entspricht das vom Gesetzgeber in § 18a PSchG normierte Bruttokostenmodell deutlich besser, als die zuvor in Ansatz gebrachten Berechnungsmethoden.
38 
Dies gilt in besonderer Weise für den Ansatz der in öffentlichen Schulen für Lehrkräfte aufgebrachten Kosten. Gerade diese aber stehen durch die verfassungskräftige Anordnung in Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG, wonach die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte genügend gesichert sein muss, im Zentrum der als Ausgleich für die statuierten Genehmigungsvoraussetzungen zu gewährenden Förderung. Auf den unmittelbaren Zusammenhang zwischen defizitärer staatlicher Förderung und der Absenkung der Lehrergehälter an privaten Schulen ist auch im Landtag wiederholt hingewiesen worden (vgl. etwa LT-Drs. 14/975, S. 3). Auch der Kläger selbst hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die defizitäre staatliche Förderung dazu führt, dass sie eine angemessene Entlohnung ihrer Lehrkräfte nicht mehr aufbringen kann. Bereits das bestehende Niveau der Lehrergehälter an den Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg erscheint aber nicht unbedenklich (vgl. zu den für einen beamteten Lehrer entstehenden Verzicht bereits Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 91). Zwar ist die Grenze für die „genügende Sicherung“ der wirtschaftlichen Stellung der Lehrkräfte im Sinne des Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG nicht abschließend geklärt. Ganz überwiegend wird insoweit vertreten, dass die Schwelle der noch möglichen Abweichung von dem Gehalt der Lehrer an vergleichbaren öffentlichen Schulen bei 10 bis 20 % anzusetzen sein wird (vgl. hierzu Sächs. OVG, Beschluss vom 07.06.2007 - 2 BS 96/07 -, Rn. 9; Geis, in: Friauf/Höfling, GG, Berliner Kommentar, Stand: Dezember 2009, Art. 7 Rn. 85; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 10. Aufl. 2009, Art. 7 Rn. 23); hinsichtlich der Versorgungsanwartschaften soll mindestens das Niveau der Angestelltenversicherung maßgeblich sein (vgl. etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.05.1988 - 19 A 2542/86 -, NVwZ-RR 1988, 80; Umbach, in: Umbach/Clemens, GG-Mitarbeiterkommentar, Band I, 2002, Art. 7 Abs. 4 Rn. 190). Jedenfalls muss die als Kompensation für die Genehmigungsvoraussetzung des Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG gewährte Förderung die Ersatzschulen in die Lage versetzen, entsprechende Lehrergehälter zu bezahlen. Verfahrensmäßige Absicherung dieser unmittelbar aus Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG folgenden Zuschussgewährung ist demgemäß, dass die Vergleichskosten der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen zutreffend eingestellt werden. Ein Berechnungsmodell, das schon strukturell die realitätsgerechte Betrachtung der als Vergleichsgröße heranzuziehenden Kosten der Lehrer an öffentlichen Schulen vereitelt, führt aber unweigerlich zu Fehlern in der Entscheidung über die zutreffende Höhe der den Privatschulen zu gewährenden Zuschüsse. Angesichts der Tatsache, dass die Unterschiede der Berechnungsmodelle insbesondere die Berücksichtigung der öffentlichen Ausgaben für die beamteten Lehrer betrifft (vgl. LT-Drs. 13/3434, S. 2: Berücksichtung eines Versorgungszuschlages und einer Beihilfenpauschale), erscheint es daher sachgerecht und zur Sicherstellung der in Art. 7 Abs. 4 GG gewährleisteten Privatschulfreiheit auch geboten, das vom Gesetzgeber selbst als vorzugswürdig erkannte Bruttokostenmodell „sobald wie möglich“ zur Anwendung zu bringen (vgl. LT-Drs. 13/5062, S. 1).
39 
Dies gilt umso mehr, als das zuvor herangezogene Kostenberechnungsmodell geeignet ist, wettbewerbsverzerrende Wirkungen zu entfalten. Einerseits werden danach zusätzliche Kosten der Privatschulen, die aus ihrem besonderen pädagogischen Profil erwachsen, nicht berücksichtigt (was für sich genommen nicht zu beanstanden ist); andererseits werden aber bei der Berechnung der Kosten an öffentlichen Schulen Positionen heraus gerechnet, die bei Privatschulen nicht anfallen. Diese Vorgehensweise erscheint im Hinblick auf die im Grundgesetz gewährleistete Privatschulfreiheit aber nicht frei von Bedenken, weil die Berechnungsweise öffentliche Schulen in wettbewerblicher Hinsicht systemwidrig bevorzugt. Mit der Ausblendung der dem öffentlichen Schulwesen spezifischen Kostenpositionen bei der Bestimmung des Vergleichsmaßstabes einerseits und der Nichtberücksichtigung der spezifischen Kosten des Privatschulbetriebes andererseits werden die jeweiligen Unterschiede zulasten der Privatschulträger doppelt in Ansatz gebracht. Es verstößt aber gegen den Grundsatz in sich stimmiger Systembildung, wenn bei der Vergleichskostenberechnung zwar die aus der Eigenart öffentlicher Schulen folgenden Kosten abgezogen, die aus der Eigenart der Privatschule resultierenden Positionen indes nicht berücksichtigt werden. Denn damit vereitelt der Staat den durch Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gewollten „schulischen Pluralismus auch gegen sich selbst“ (vgl. BVerfGE 75, 40 [66]; Hess. VGH, Beschluss vom 13.05.1999 - 7 UE 2961/95 -, NVwZ-RR 2000, 157 [Rn. 43]). Eine widerspruchsfreie Veranlagung der Vergleichskosten setzt daher entweder eine Berücksichtigung der jedenfalls gerade zur Verwirklichung des pädagogischen Konzeptes erforderlichen Aufwendungen voraus - da die Profilbildung und „Pluralität“ ja gerade Wesensmerkmal und Sinn der Privatschulautonomie ist (vgl. zur Zulässigkeit einer entsprechenden Differenzierung auch BVerfGE 75, 40 [71]) - oder aber eine realitätsnahe Maßstabsbildung der an öffentlichen Schulen tatsächlich anfallenden Kosten. Demgemäß hat der Senat auch bereits zum Ausdruck gebracht, dass die tatsächlichen Kosten eines Schülers an einer öffentlichen Schule auch unter Einbeziehung solcher Kosten, die bei Privatschulen nicht anfallen, nur „bis zu einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nicht eingestellt zu werden brauchen“ (vgl. Senatsurteil vom 19.07.2005 - 9 S 47/03 -, Rn. 42). Im Übrigen ist im Anhörungsverfahren zu Recht darauf hingewiesen worden, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht das vom Kultusministerium verwandte Berechnungsmodell, sondern das an den Vergleichskosten der öffentlichen Schulen orientierte Fördersystem gebilligt hatte (vgl. dazu die Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft freier Schulen Baden-Württemberg, LT-Drs. 13/3434, S. 5 und 7; zur Fehlerhaftigkeit des Berechnungsmodell im Einzelnen Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 40 ff. sowie zur vorgenommenen Korrektur gerade im Bereich der Personalkosten Rn. 53 ff.).
40 
Diese gesetzliche Regelung liegt mit § 18a PSchG zwischenzeitlich vor. Ihre Heranziehung für das vorliegende Verfahren erscheint - abgesehen von den dargelegten verfassungsrechtlichen Erwägungen und den beachtlichen Einwänden des Klägers gegen die fehlende Nachvollziehbarkeit und Sachbezogenheit des zuvor praktizierten Verfahrens - auch deshalb nicht unbillig, weil die Landesregierung selbst bereits vor Inkrafttreten des § 18a PSchG den Kostenvergleich zweigleisig berechnet und dem Landtag damit auch eine Berechnungsgrundlage auf Basis des Bruttokostenmodells zur Verfügung gestellt hatte (vgl. LT-Drs. 13/3434, S. 2 f.). Dem Landtag lag somit auch bei der Unterrichtung über die Vergleichskosten in dem vorliegend relevanten Zeitraum, der auf Basis der Zahlen aus dem Jahr 2002 erstellt wurde und dem Landtag die Möglichkeit einer rückwirkenden Korrektur oder Nachführung der Fördersätze gegeben hatte, eine Berechnung der Vergleichskosten öffentlicher Schulen nach dem Bruttokostenmodell vor. Die Anwendung des Bruttokostenmodells zeichnet damit den tatsächlichen Geschehensablauf nach und vermeidet eine verfassungsrechtlich problematische Heranziehung des bis zur Landtagsunterrichtung vom 27.12.2000 (vgl. LT-Drs. 12/5879) praktizierten Berechnungsverfahrens.
41 
4. Als Vergleichsmaßstab sind demnach die auf Basis des Bruttokostenmodells nach § 18a PSchG berechneten Kosten an öffentlichen Schulen heranzuziehen.
42 
Diese – ebenso wie die nach dem vorherigen Modell berechneten Kosten – liegen für das Jahr 2003 nicht vor. Auch das beklagte Land hat insoweit zur Vergleichsberechnung auf die für die Landtagsunterrichtung ermittelten Kosten des Jahres 2002 abgestellt. Ausweislich der Stellungnahme vom 15.06.2010 unterscheiden sich die Beträge nur minimal, so dass relevante Verzerrungen hierdurch nicht zu befürchten sind. Danach ist für öffentliche Grundschulen von Vergleichskosten in Höhe von 3.143,-- EUR auszugehen und für Gymnasien ein Jahresbetrag von 5.197,-- EUR einzustellen (vgl. LT-Drs. 13/3434, S. 3).
43 
Diese Sätze erscheinen - unbeschadet der auch an diesem Berechnungssystem bestehenden Kritikpunkte (etwa hinsichtlich der Gebäudeunterhaltungs- und Sachkosten, der Lehrerfortbildung und der Sonderkosten für Integrationsleistungen) - insgesamt ausreichend realitätsnah. Das belegt zunächst schon das verfügbare Datenmaterial des Statistischen Bundesamtes, das für Baden-Württemberg im Haushaltsjahr 2004 Ausgaben für Grundschulen in Höhe von 3.800,-- EUR und für Gymnasien von 5.700,-- EUR ausweist (vgl. Im Fokus: Ausgaben je Schüler/-in 2004, S. 6). Zieht man hiervon den beinhalteten Anteil für Investitionsausgaben in Höhe von rund 400,-- EUR (vgl. S. 7) ab, so ergeben sich Sätze, die den nach dem Bruttokostenmodell errechneten Beträgen bis auf eine Differenz von 250,-- EUR entsprechen. Ähnliches gilt auch für die Untersuchung des Steinbeis-Transferzentrum über die Schülerkosten in Baden-Württemberg im Jahr 2002, die - bei Abzug des Immobilienanteils - Kosten für öffentliche Grundschulen in Höhe von 3.851,38 EUR und an öffentlichen Gymnasien einen Betrag von 5.549,51 EUR ergab (vgl. Eisinger/Warndorf/Feldt, in: Hufen/Vogel, Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?, 2006, S. 243 [290 und 292]). Trotz unterschiedlicher Berechnungsansätze und Methoden – vgl. zur Kritik am Gutachten des Steinbeis-Transferzentrums die vom Beklagten vorgelegte Stellungnahme von Prof. Dr. G.../Dr. S... -, weichen die Beträge daher nicht in signifikanter Weise von dem nach dem Bruttokostenmodell anzusetzenden Vergleichskosten öffentlicher Schulen ab.
44 
Insbesondere aber zeigt der Vergleich mit den vom Bund der Freien Waldorfschulen selbst berechneten Kosten, dass die nach dem Bruttokostenmodell berechneten Kosten als Vergleichsbasis herangezogen werden können. Nach der von diesem herausgegebenen Broschüre „Zur wirtschaftlichen Lage der Freien Waldorfschulen in Deutschland“ vom Juni 2005 beliefen sich die Betriebskosten der Waldorfschulen in Baden-Württemberg im Jahr 2003 auf 3.372,-- EUR für die Klassen 1 bis 4 sowie auf 5.540,-- EUR für die Klassen 5 bis 13. Die damit bestehenden Mehrkosten im Bereich von rund 7 % dürften den – auch vom Kläger betonten - Zusatzkosten des Waldorf-Profils und den nicht unerheblichen Beiträgen an Bundes- und Landesarbeitsgemeinschaften geschuldet sein, so dass auch diese Werte keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die nach dem Bruttokostenmodell errechneten Vergleichskosten als Tatsachenbasis nicht herangezogen werden dürfen.
45 
Damit ist für die Klassen 1 bis 4 von Vergleichskosten an öffentlichen Grundschulen in Höhe von 3.143,-- EUR auszugehen (vgl. LT-Drs. 13/3434, S. 3). Angesichts des gewährten Zuschusses in Höhe von 2.005,80 EUR ergibt sich damit eine Deckungslücke von 1.137,20 EUR, monatlich also 94,77 EUR.
46 
Hinsichtlich der Klasse 13, die der Landesgesetzgeber den Gymnasien gleichgestellt hat, sind auf Basis des Bruttokostenmodells Vergleichskosten in Höhe von 5.197,-- EUR einzustellen. Abzüglich des gewährten Zuschusses von 4.082,15 EUR verbleiben damit 1.114,85 EUR und damit monatlich 92,90 EUR.
47 
In Bezug auf die Klassen 5 bis 12 geht das Land von einem Anteil in Höhe von 96,6 % der Vergleichskosten an öffentlichen Gymnasien aus, was nach dem Bruttokostenmodell zu einem Ansatz von 5.020,30 EUR führt. Bei Berücksichtigung des gewährten Zuschusses in Höhe von 3.944,62 EUR beläuft sich das Defizit hier auf 1.075,68 EUR, was einem monatlichen Betrag von 89,64 EUR entspricht.
48 
5. Die verbleibende Deckungslücke muss von den Privatschulträgern durch die Erhebung von Schulgeldern geschlossen werden.
49 
Diese Möglichkeit wird durch Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG jedoch insoweit begrenzt, als durch entsprechende Entgelte „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert“ werden darf. Das Grundgesetz will damit eine der deutschen Schultradition widersprechende Herausbildung von Eliteschulen für Besserverdienende - in der Art von „Standes- oder Plutokratenschulen“ (BVerfGE 75, 40 [63]) nach angelsächsischem Vorbild - vermeiden. Allerdings stellt grundsätzlich jede Schulgelderhebung aufgrund der unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten der Eltern schulpflichtiger Kinder eine potentielle Sonderung dar (so zutreffend Umbach, in: Umbach/Clemens, GG-Mitarbeiterkommentar, Band I, 2002, Art. 7 Abs. 4 Rn. 188). In dieser Schärfe ist die Bestimmung indes offenkundig nicht gedacht, weil sie dann als generelles Schulgelderhebungsverbot hätte formuliert werden können. Wo die maßgebliche Grenze verläuft und wie ein verfassungsgemäßes Schulgeld bestimmt werden kann, ist in Rechtsprechung und Literatur nicht geklärt.
50 
Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass die Privatschule „grundsätzlich allen Bürgern ohne Rücksicht auf ihre finanziellen Verhältnisse offenstehen“ müsse (BVerfGE 90, 107 [119]). Die Privatschule habe „allgemein zugänglich“ zu sein, zwar nicht in dem Sinne, dass sie wie die öffentliche Schule jeden Schüler bei Erfüllung allgemeiner Voraussetzungen aufnehmen müsse, wohl aber in dem Sinne, dass sie grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Wirtschaftslage besucht werden könne (vgl. BVerfGE 75, 40 [64]). Dafür reiche es nicht aus, nur in Ausnahmefällen für begabte oder besonders arme Kinder Schulgeldstipendien zu gewähren, zumal diese nur zu Lasten der anderen Schüler finanziert werden könnten (vgl. BVerfGE 90, 107 [119]).
51 
Die Annahme des Beklagten, die freie Zugänglichkeit könne bereits „mit Stipendiensystemen und/oder mit nach Einkommen der Eltern gestaffelten Schulgeldern erfüllt werden“ (Schriftsatz vom 15.06.2010, S. 7), trifft daher nicht zu. Denn derartige Modelle führen zwangsläufig dazu, dass die Ermäßigungen durch einen erhöhten Beitrag der verbleibenden Plätze finanziert werden müssen. Entsprechende Kompensationssysteme fördern daher unausweichlich eine „Sonderung nach den Besitzverhältnissen der Eltern“, weil die regulären Plätze nur noch an Schüler vergeben werden können, deren Eltern in der Lage sind, die erhöhten Beiträge zu bezahlen. Dies gilt auch für einkommensorientierte Schulgeldstaffelungen. Auch diese sind nur dann in der Lage, den zur Finanzierung erforderlichen Durchschnittsatz zu erzielen, wenn sichergestellt ist, dass die gewährten Ermäßigungen durch eine ausreichende Anzahl von „Mehrbezahlern“ aufgefangen werden. Die Aufnahme einkommensschwacher Schüler hat daher denknotwendig zur Folge, dass bei der Vergabe der übrigen Plätze eine Auswahl nach den Einkommensverhältnissen stattfindet. Anders kann der zur Kostendeckung erforderliche Durchschnittsatz nicht erreicht werden. Finanzierungssystemen, die von der Aufnahme der Kinder begüterter „Mäzen“-Eltern oder „Plutokraten“ abhängen, hat das Grundgesetz aber eine ausdrückliche Absage erteilt. Staffelmodelle sind daher zur Gewährleistung des Sonderungsverbotes tendenziell ungeeignet und entsprechen den verfassungsrechtlichen Vorgaben nur dann, wenn ihr Regelsatz der verfassungsrechtlich zulässigen Schulgeldhöhe entspricht. So lag auch der Fall im Senatsurteil vom 12.01.2000 (- 9 S 317/98 -, Rn. 81; dazu auch VG Stuttgart, Urteil vom 02.02.2010 - 13 K 3238/09 -, Rn. 22), so dass die vom Beklagten in Anspruch genommene Bezugnahme ins Leere geht.
52 
Entscheidend ist damit die Frage, ob - und bis zu welcher Höhe - das Schulgeld noch als „sozial verträglich“ bewertet werden kann, so dass die Erhebung nicht zu einer faktischen Zugangssperre führt, die von „Normalbürgern“ nicht mehr überwunden werden kann und durch die die Privatschule als eine Einrichtung für „Besserverdienende“ erscheinen würde (vgl. etwa Bay. VerfGH, Entscheidung vom 09.10.2007 – Vf. 14-VII-06 -, BayVBl 2008, 78; Schmitt-Kammler, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 7 Rn. 64; Hufen, in: Hufen/Vogel, Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?, 2006, S. 49 [70]). Klarstellend ist dabei darauf hinzuweisen, dass „Schulgeld“ nur diejenigen Beiträge sind, die den Eltern zur Abgeltung des Unterrichts abverlangt werden. Darüber hinaus gehende Leistungen wie Verpflegung, Ganztagsbetreuung oder Internatsunterbringung sind hiervon nicht erfasst (vgl. auch LT-Drs. 10/2339, S. 7).
53 
Hinsichtlich des Bezugsmaßstabes ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Empfänger staatlicher Sozialleistungen bei der Feststellung einer „grundsätzlichen“ Allgemeinzugänglichkeit nicht einzubeziehen sind. Der mit den nach dem Sozialgesetzbuch gewährten Hilfen zum Lebensunterhalt angestrebte „notwendige Lebensunterhalt“ wird vielmehr bereits durch die öffentlichen Schulen gedeckt, die in Baden-Württemberg gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 der Landesverfassung unentgeltlich sind. Die zusätzlichen Kosten für den Besuch einer Privatschule sind daher bei der Bemessung staatlicher Sozialleistungen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.08.1992 - 5 C 70/88 -, NVwZ 1993, 691; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 16.09.2006 - L 6 AS 8/05 -, NZS 2007, 164). Folgerichtig muss das bei der Bemessung der Regelleistungen nicht berücksichtigte Schulgeld auch nicht so bemessen sein, dass es von einem Bezieher von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II oder XII entrichtet werden kann. Dem entspricht auch, dass das Bundesverfassungsgericht im „Hartz IV-Urteil“ als Referenzgruppe für die „Bezieher von geringen Einkommen“ die Vorgaben aus § 2 Abs. 3 der Regelsatzverordnung gebilligt hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, NJW 2010, 505 [511 Rn. 168]). Danach sind die Verbrauchsausgaben der untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte nach Herausnahme der Empfänger von Leistungen der Sozialhilfe zu Grunde zu legen.
54 
Ein Anhaltspunkt für die Bestimmung der Höhe ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht nur insoweit zu entnehmen, als Beträge in der Größenordnung von monatlich 170,-- bis 190,-- DM im Jahr 1985 als „auf der Hand liegend“ über dem eingestuft worden sind, was „von allen Eltern gezahlt werden“ könne (vgl. BVerfGE 90, 107 [119]). Der erkennende Senat hat für das Jahr 1986 auf dieser Basis einen Schulgeldsatz von 130,-- DM für die Grenze des Hinnehmbaren gehalten und zur Berechnung der Sätze in späteren Jahren die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes herangezogen. Für das Jahr 1992 ist demgemäß ein monatliches Schulgeld von 150,-- DM und für das Jahr 2000 ein Betrag von 120,-- EUR als unbedenklich eingestuft worden (vgl. Senatsurteil vom 19.07.2005 - 9 S 47/03 -, Rn. 45). Der Senat hat aber zum Ausdruck gebracht, dass diese Festlegung angesichts fehlender Sachverständigengutachten Züge einer „teilweise willkürlichen Grenzziehung“ trägt (Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 77). Nachfolgende Festlegungen oder auch nur Aussagen des Landesgesetzgebers sind indes nicht ersichtlich. Auch die vom Land im Rahmen dieses Verfahrens vorgelegten Sachverständigenstellungnahmen lassen positive Eingrenzungen nicht zu und erschöpfen sich in einer Kritik der vom Steinbeis-Transferzentrum erarbeiteten Untersuchung.
55 
Der Kläger geht – in Anlehnung an die von Eisinger u.a. herausgegebene Studie des Steinbeis-Transferzentrums „Grenzen der Belastbarkeit privater Haushalte mit Schulgeld vor dem Hintergrund des Sonderungsverbotes nach Art 7 GG - Eine Untersuchung für das Land Baden-Württemberg“, 2007 - von einem Satz in Höhe von 50,-- EUR aus. Nach Auffassung des beklagten Landes liegt das durchschnittlich zulässige Schulgeld für das Bezugsjahr 2003 dagegen in einer Größenordnung zwischen 112,-- und 120,-- EUR. Eigene Ermittlungen hierzu haben beide Beteiligte (ebenso wie das VG Stuttgart im Urteil vom 02.02.2010 - 13 K 3238/09 -) indes nicht angestellt. Bemerkenswert ist überdies, dass das Land im Rahmen der Genehmigungspraxis offenbar (entgegen den Vorgaben des § 5 Abs. 1 PSchG) einen anderen Maßstab zugrunde legt. Denn ausweislich der vom Gericht angeforderten Übersicht lag die geforderte Schulgeldhöhe bei allen im Jahr 2003 genehmigten Ersatzschulen durchgängig höher. Nach der für den Zuständigkeitsbereich des Regierungspräsidiums Stuttgart vorgelegten Liste lag die Schulgeldhöhe für die im Jahr 2003 genehmigte Grundschule bei 150,-- EUR, für die genehmigte Haupt- und Werkrealschule bei 190,-- EUR und bei dem genehmigten Gymnasium sogar bei 642,-- EUR.
56 
Nach den Ausführungen der Gutachter im Termin zur mündlichen Verhandlung ist allenfalls ein „Betrag in Höhe von maximal 50,-- bis 60,-- EUR anzusetzen, ohne ein gesteigertes Risiko einer nicht verfassungskonformen Separation einzugehen“ (Schriftliche Stellungnahme vom 08.07.2010, S. 13). Höhere Beiträge seien insbesondere für Alleinerziehende untragbar, weil damit die „Armutsrisikoschwelle“ überschritten werde. Diese Erwägungen sind von den Gutachtern in der mündlichen Verhandlung ausführlich und nachvollziehbar dargelegt worden. Soweit die vom Beklagten in die mündliche Verhandlung gestellten Sachverständigen Prof. Dr. W... und Dr. S... Einwendungen hiergegen erhoben haben, betreffen diese maßgeblich die methodische Entscheidung einer Datenermittlung auf Basis von EVS-Stichproben. Dass eine detailliertere Erhebung anhand der Mikrozensus-Datensätze präzisere Auskünfte zulassen würde, ist auch von den Gutachtern nicht in Frage gestellt worden. Eine derartige Studie liegt indes nicht vor. Auch das beklagte Land hat die Notwendigkeit einer entsprechenden Erhebung weder behauptet noch entsprechende Ermittlungen angestellt. Insoweit ist auch nicht ersichtlich, wer über bessere Forschungsmittel oder größere Erfahrung auf diesem Gebiet verfügen könnte. Die von den Gutachtern abgegebene Stellungnahme erscheint auf ihrem methodischen Ansatz jedenfalls schlüssig und weist nach Überzeugung des Senats auch keine groben, offen erkennbaren Mängel oder unlösbare Widersprüche auf (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30.08.2000 - 2 B 28/00 - und vom 04.12.1991 - 2 B 135/91 -). Soweit von den Sachverständigen Prof. Dr. W... und Dr. S... konkrete Einzelannahmen in Zweifel gezogen worden sind, ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass hiermit eine wesentliche Änderung des Gesamtergebnisses verbunden wäre. Vielmehr haben die Gutachter im Einzelnen jeweils darauf hingewiesen, dass die gerügten Punkte auf Basis des gewählten Ausgangsmodells nicht von durchschlagender Bedeutung sind. Diese Einschätzung erscheint dem Senat plausibel, so dass die Richtigkeit der dem Gutachten zugrunde gelegten Tatsachen sowie der hieraus gezogenen Schlussfolgerungen jedenfalls ausreichend tragfähig erscheinen. Auch wenn andere Datenerhebungsverfahren möglicherweise vorzugswürdig sein könnten, ist insgesamt doch nicht zu erkennen, dass die gewählte Untersuchungsmethodik unzureichend oder ungeeignet wäre, die gestellte Frage vertretbar zu beantworten. Eine präzisere, speziell auf den Bereich des Landes zugeschnittene und methodisch auf eine breitere Datenbasis gestützte Ermittlung des für Baden-Württemberg zumutbaren Schulgeldes muss daher einer im Rahmen der künftigen Gesetzgebung veranlassten Untersuchung vorbehalten bleiben.
57 
Bei den Ausführungen der Gutachter ist allerdings zu berücksichtigen, dass die erhobene Datenbasis auch Empfänger staatlicher Sozialleistungen einbezogen hatte und dies aus methodischen Gründen im Nachhinein nicht bereinigt werden kann. Die im Vergleich zur Ausgangsstudie nur geringfügige Anhebung der Schwellensätze beruht deshalb auf der Annahme, dass die Ergebnisse durch die Einbeziehung von Sozialleistungsempfängern „in nicht übermäßig hohem Maße beeinflusst“ ist (Schriftliche Stellungnahme vom 08.07.2010, S. 10). Insoweit erscheint es dem Senat angemessen, einen „Sicherheitszuschlag“ von 10,-- EUR anzusetzen. Der sich damit ergebende Betrag von rund 70,-- EUR entspricht in etwa auch Art. 47 Abs. 3 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes, der in der für das Streitjahr 2003 gültigen Fassung lautet: „Für Schüler staatlich anerkannter Realschulen, Gymnasien, beruflicher Schulen oder Schulen des Zweiten Bildungswegs ersetzt der Staat den Erziehungsberechtigten oder volljährigen Schülern das Schulgeld bis zum Betrag von 66,-- EUR je Unterrichtsmonat“. Daraus kann abgeleitet werden, dass der bayerische Landesgesetzgeber Schulgelderhebungen in dieser Größenordnung als zulässig erachtet hat (vgl. dazu auch Bay. VerfGH, Entscheidung vom 09.10.2007 – Vf. 14-VII-06 -, BayVBl 2008, 78). Hiervon muss nach den verfügbaren Erkenntnissen auch im vorliegenden Verfahren ausgegangen werden.
58 
6. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes können im Falle des Klägers keine weiteren Eigenleistungen zur Finanzierung des laufenden Betriebs in Ansatz gebracht werden.
59 
Es entspricht gesicherter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass Ersatzschulträger eine angemessene Eigenleistung erbringen müssen. Der Staat darf erwarten, dass der Schulträger seinem Interesse an der Verwirklichung eigener Ziele und Vorstellungen im schulischen Bereich auch eigenes finanzielles Engagement folgen lässt. Finden sich nicht genügend Eltern, die bereit und in der Lage sind, als Schulträger eine Anschubfinanzierung für die von ihnen gewollte Schule zu tragen, so ist es nicht Sache des Staates, dem abzuhelfen. Die Anfangsfinanzierung für die Gründung einer Privatschule darf dem freien Träger von Verfassungs wegen daher überbürdet werden (vgl. BVerfGE 90, 107 [120]; dazu auch bereits BVerfGE 75, 40 [68]).
60 
Nicht gefordert werden kann dagegen die Bereitschaft, eigenes Vermögen für den laufenden Betrieb einer privaten Ersatzschule auf Dauer einzusetzen (vgl. BVerfGE 90, 107 [119]). Damit würde die Grenze von zumutbarer Eigenleistung zu unzumutbarer Aufopferung von Vermögenswerten überschritten (vgl. Kloepfer/Meßerschmidt, DVBl 1983, 193 [200]). Vielmehr muss der Staat seine Privatschulförderung so auslegen, dass beim Betrieb von Privatschulen der Stamm etwa eingesetzten Vermögens grundsätzlich erhalten werden kann (so bereits Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 99). Für die rechtliche Konstellation der Freien Waldorfschulen - und im Speziellen auch die des Klägers - ergibt sich dies bereits daraus, dass die Schulträger weitgehend mit den Eltern der die Einrichtung besuchenden Schüler identisch sind. Eigenbeiträge zum laufenden Betrieb erweisen sich insoweit als zum Schuldgeld funktional äquivalent. Unabhängig von den auch von Gründungseltern verlangten Vorleistungen zur Verwirklichung ihrer bildungspolitischen Ziele, können von ihnen weitere Eigenleistungen zur Finanzierung des laufenden Betriebs nicht gefordert werden. Insoweit geht es nicht mehr um Vorleistungen der „Gründungseltern“ für das Ingangsetzen der Schule (vgl. BVerfGE 90, 107 [120]), sondern um eine Dauerleistungspflicht der „reinen Nutzungseltern“ (so zutreffend Jach, in: Jach/Jenkner, Festschrift zum 65. Geburtstag von J. P. Vogel, 1998, S. 75 [84 f.]). Im Falle der vom Kläger betriebenen Schule, die seit bald 35 Jahren besteht, ist dies evident. Auch das Land hat im Berufungsverfahren die Auffassung vertreten, dass alle Beiträge, die von Eltern verpflichtend erhoben werden, dem Schulgeld zuzurechnen sind (vgl. Schriftsatz vom 15.06.2010, S. 8). Damit wird indes das Sonderungsverbot aus Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG berührt, weil es für diese Eltern nicht mehr um die Beteiligung an der Gründung einer Schule geht, sondern allein um den Zugang zu einer bestehenden Privatschule (vgl. dazu Schmitt-Kammler, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 7 Rn. 70).
61 
Dieses Ergebnis folgt im Übrigen auch daraus, dass den in Trägerschaft von Eltern betriebenen Ersatzschulen regelmäßig weitere Möglichkeiten zu zumutbaren Eigenleistungen nicht zur Verfügung stehen. Vielmehr reicht das Eigenvermögen zur Deckung der Investitionskosten und zur Überbrückung der dreijährigen Wartefrist nicht aus, sodass die notwendige Anfangsfinanzierung ohnehin nur durch die Aufnahme von Krediten leistbar ist. Privatschulträger erhalten nach § 18 Abs. 7 PSchG für die Schulbaukosten einen Zuschuss von 37% (in zehn jährlichen Raten und damit entsprechend geringerem Barwert). Rund zwei Drittel der Baukosten sowie die gesamten Kosten eines Grundstückserwerbs müssen daher durch Eigenmittel aufgebracht werden. Auch die zur Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs gedachten Zuschüsse werden gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 PSchG erst drei Jahre nach Aufnahme des Unterrichts gewährt. Die Gründung einer privaten Ersatzschule ist daher mit einem erheblichen Finanzaufwand verbunden, der von den Trägern weitgehend alleine erbracht werden muss. Dies wird regelmäßig nur durch Aufnahme entsprechender Darlehen bewältigt werden können, schon weil in der Gründungsphase nur ein kleiner Elternstamm vorhanden ist - Freie Waldorfschulen etwa beginnen stets mit nur einer und oft nicht voll belegten Klasse. Diese Vorleistungen hat das Bundesverfassungsgericht gebilligt, um den Einsatz staatlicher Fördermittel von dem Nachweis einer hinreichend soliden Wirtschaftsbasis und einem ausreichenden pädagogischen Bedürfnis für das Schulkonzept abhängig zu machen. Der erkennende Senat hat aber bereits klargestellt, dass durch diese den Privatschulträgern aufgebürdete Anschubfinanzierung ein etwa vorhandenes Vermögen, das einzusetzen dem Schulträger zumutbar ist, vollständig gebunden wird. Damit steht es zur Finanzierung der laufenden Betriebskosten nicht mehr zur Verfügung (vgl. Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 101).
62 
Die Richtigkeit dieser Annahme wird durch die im Verfahren vorgelegten Daten untermauert. Sowohl die Schule des Klägers als auch die Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg generell haben im laufenden Betrieb erhebliche Zins- und Tilgungsbelastungen zu tragen, die aus der Vorfinanzierung der Schulgründung stammen. Für das Jahr 2003 etwa weist die Ergebnisrechnung des Klägers bereits Zinsverbindlichkeiten von über 90.000,-- EUR aus. Berücksichtigt man zudem die Tilgungslasten, ergeben sich bei Zugrundelegung des Afa-Ansatzes weitere 130.000,-- EUR (vgl. Anlage 35 der Berufung). Damit sind 40,-- EUR pro Schüler und Monat bereits gebunden, um die Vergangenheitslasten der Gründung zu tragen.
63 
Aussagen über die wirtschaftliche Existenzfähigkeit der Privatschulträger dürfen die Investitionskosten aber nicht ausblenden (vgl. Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 87); vielmehr müssen die Förderregelungen nach Bestehen des Erfolgstests sogar einen „wie immer gearteten Ausgleich“ für die Gründungskosten vorsehen (vgl. BVerfGE 90, 107 [121]). Die Erwägungen im Senatsurteil vom 19.07.2005 (- 9 S 47/03 -), auf die der Beklagte Bezug genommen hat, finden auf die vorliegend anzutreffende Fallkonstellation einer in der Trägerschaft von Eltern als Ersatz für eine allgemeinbildende weiterführende Schule betriebenen Einrichtung aus den dargelegten Gründen keine Anwendung; gleiches gilt für den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 04.03.1997 (- 1 BvL 26/96 u.a. -). Im Übrigen war dort auch nur eine „übergangsweise“ Unterfinanzierung erörtert worden.
64 
Der laufende Betrieb der Ersatzschule kann auch nicht durch die Inanspruchnahme „hinter dem Schulträger stehender finanzstarker Kreise“ oder das Einwerben von Spenden (teil-)finanziert werden. Abgesehen davon, dass derartige Einkünfte unsicher sind und erheblichen Schwankungen unterliegen, so dass sie nur eingeschränkt als verlässliche Finanzierung für die bestehenden Verpflichtungen (insbesondere etwa gegenüber den Lehrkräften) taugen und den auch von der Rechtsprechung anerkannten Notwendigkeiten der Planungs- und Kalkulationssicherheit nicht genügen (vgl. aktuell etwa BVerwG, Urteil vom 21.01.2010 - 5 CN 1/09 -, Rn. 47), lässt dieser Finanzierungsansatz auch die tatsächlichen Gegebenheiten außer Betracht. Diese, vom „herkömmlichen Bild der Privatschule“ geprägte Vorstellung kann möglicherweise für eine kirchliche Schule Geltung beanspruchen, nicht aber für eine in Elternträgerschaft betriebene Einrichtung, die weder über finanzstarke Kräfte noch über ein Stiftungsvermögen o.ä. verfügt (vgl. dazu bereits Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 104; zum „neuen Erscheinungsbild“ der von Eltern getragenen Privatschulen auch Vogel, in: Hufen/Vogel, Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?, 2006, S. 153 [157]). Dies gilt um so mehr, als zusätzliche Einnahmen des Schulträgers nach dem Förderkonzept des Landes ohnehin erforderlich sind, um die aus dem besonderen pädagogischen Ansatz folgenden „Profilkosten“, Sonderausstattungen oder Veranstaltungen zu finanzieren. Es entspricht daher nicht dem Gewährleistungsgehalt der Privatschulautonomie, die wirtschaftliche Existenz freigemeinnütziger Ersatzschulen von derartigen Zuwendungen Dritter abhängig zu machen.
65 
Auch diese Einschätzung wird durch die im vorliegenden Verfahren gewonnenen Erkenntnisse bekräftigt. Zwar ist es dem Kläger gelungen, über die Schulgeldbeiträge in Höhe von 867.000,-- EUR hinaus zusätzliche Einkünfte in beachtlichem Umfang zu erzielen. Sowohl das Spendenaufkommen von rund 60.000,-- EUR als auch die über 5.000 geleisteten Arbeitsstunden und die zinslos gewährten Darlehen sind aber fast ausschließlich von Eltern erbracht worden. Darüber hinaus gehende Einkunftsmöglichkeiten sind weder ersichtlich noch wären sie zumutbar.
66 
Tatsächlich bleiben zur Finanzierung der Deckungslücke damit nur Kredite. Ob diese in Form von Baustein-Darlehen der Schuleltern – wie im Falle des Klägers -, unmittelbaren Kapitaldarlehen von Eltern und/oder Freunden oder durch Bankdarlehen aufgenommen werden, ist dabei letztlich unerheblich. Von den eine allgemeinbildende Schule ersetzenden Privatschulträgern eine über die Anfangsfinanzierung hinausgehende Finanzierung des laufenden Betriebes über Darlehen zu verlangen, muss zwangsläufig zu einer fortschreitenden Verschuldung und damit auf Dauer zu einer Gefährdung der Institution führen. Denn eine dauerhafte institutionelle Sicherung der Privatschulen ist nur gewährleistet, wenn es den Schulträgern nach dem bestehenden Regelungsgefüge möglich ist, bei sach- und ordnungsgemäßer Haushaltsführung kumulierende Defizite zu vermeiden. Eine strukturelle begründete Existenzgefährdung liegt dagegen vor, wenn die Überschuldung zwangsläufig eintreten muss. Denn dann ist die Gefährdung des Privatschulwesens systembedingt und das erforderliche Existenzminimum nicht in hinreichender Weise gewährleistet (vgl. Jach, in: Jach/Jenkner, Festschrift zum 65. Geburtstag von J. P. Vogel, 1998, S. 75 [78 und 83]).
67 
7. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem für staatliche Förderverpflichtungen stets geltenden „Vorbehalt dessen, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden kann“ (vgl. BVerfGE 75, 40 [68]).
68 
Denn der aus der Normstruktur des Art. 7 Abs. 4 GG folgende Ausgleichsanspruch findet seine Begründung in der Verfassung selbst und steht damit nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers (so zutreffend auch bereits LT-Drs. 10/2338, S. 10 II.). Er unterscheidet sich damit grundlegend von staatlichen Subventionen, die eine verfassungsrechtliche Fundierung - abgesehen von dem Anspruch auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG - regelmäßig nicht aufweisen können und auch in ihrem Bestand grundsätzlich dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers anheimgestellt sind. Der im Rahmen des Art. 7 Abs. 4 GG geltende „Vorbehalt des Möglichen“ ist daher von einem einfachen Haushaltsvorbehalt strikt zu unterscheiden und unterliegt einem bereichsspezifisch strengen Maßstab (vgl. auch Jach, in: Jach/Jenkner, Festschrift zum 65. Geburtstag von J. P. Vogel, 1998, S. 75 [91 ff.]).
69 
Ähnlich, wie vom Bundesverfassungsgericht für die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG festgestellt, folgt auch im Gewährleistungsbereich der Privatschulfreiheit des Art. 7 Abs. 4 GG der Leistungsanspruch schon aus der Tatsache, dass der staatliche Schutz zur Wahrung des grundrechtlich gesicherten Freiheitsraums unerlässlich ist. Die Ausübung der verfassungsrechtlich verbürgten Freiheiten ist hier „notwendig mit einer Teilhabe an staatlichen Leistungen verbunden“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 29.05.1973 - 1 BvR 424/71 u.a. -, BVerfGE 35, 79 [115]; dazu auch Hufen, in: Hufen/Vogel, Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?, 2006, S. 49 [74]). Insoweit weist die Privatschulfreiheit auch Parallelen zur Rundfunkfreiheit auf, für die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung erklärt, dass unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch das Recht der Rundfunkanstalten folgt, die zur Erfüllung ihrer Funktion nötigen Mittel zu erhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.10.1992 - 1 BvR 158/89 u.a. -, BVerfGE 87, 181 [198]; hierzu auch Ossenbühl, in: Hufen/Vogel, Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?, 2006, S. 95 [117]). Nur so sei der Wettbewerb im dualen System sichergestellt (vgl. BVerfG, Urteil vom 22.02.1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60 [92]). Die Finanzausstattung steht daher nicht im Belieben des Gesetzgebers, sondern ist zur Verwirklichung der Grundrechte geboten.
70 
Das für das Jahr 2003 bestehende Förderniveau zur Unterstützung der laufenden Ausgaben von privaten Ersatzschulen in Baden-Württemberg ist daher defizitär.
II.
71 
Diese Defizite werden durch Art. 14 Abs. 2 Satz 3 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11.11.1953 (GBl. S. 173 - künftig: LV -) teilweise ausgeglichen.
72 
Diese Vorschrift räumt Privatschulträgern unter bestimmten Voraussetzungen einen verfassungsunmittelbaren Ausgleichsanspruch für den Verzicht auf Schulgelderhebungen ein (1.), der bei der Zuschussgewährung des Beklagten berücksichtigt werden muss (2.). und im Falle des Klägers zu einem Ausgleichsanspruch führt (3.).
73 
1. Art. 14 Abs. 1 LV ordnet eine allgemeine Schulpflicht an, die in Absatz 2 der Vorschrift durch die Anordnung der Schulgeldfreiheit abgefedert wird. Art. 14 Abs. 2 LV lautet:
74 
„Unterricht und Lernmittel an den öffentlichen Schulen sind unentgeltlich. Die Unentgeltlichkeit wird stufenweise verwirklicht. Auf gemeinnütziger Grundlage arbeitende private mittlere und höhere Schulen, die einem öffentlichen Bedürfnis entsprechen, als pädagogisch wertvoll anerkannt sind und eine gleichartige Befreiung gewähren, haben Anspruch auf Ausgleich der hierdurch entstehenden finanziellen Belastung. Den gleichen Anspruch haben auf gemeinnütziger Grundlage arbeitende private Volksschulen nach Art. 15 Abs. 2. Näheres regelt ein Gesetz.“
75 
Bereits dem Wortlaut nach statuiert Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV selbst einen „Anspruch“, der sowohl hinsichtlich des Umfangs - Ausgleich der durch Unentgeltlichkeit von Unterricht und Lernmittel entstehenden finanziellen Belastung - als auch in Bezug auf den Kreis der Begünstigten abschließende und hinreichend bestimmte Regelungen trifft.
76 
Dabei zeigt auch die systematische Stellung zur Schulgeldfreiheit in Art. 14 Abs. 2 Satz 1 LV, dass mit der in Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV verankerten Gewährleistung eine Kompensation der Privatschulträger für den Verzicht auf eine Schulgelderhebung begründet wird. Denn mit der Formulierung „gleichartige Befreiung“ verweist Satz 3 der Norm auf deren Satz 1 (vgl. zur Verknüpfung der Privatschulförderung mit der Absicherung der allgemeinen Schulgeldfreiheit deutlich auch bereits Feuchte, Quellen zur Entstehung der Verfassung von Baden-Württemberg, Bd. 8, 1992, S. 559).
77 
Insbesondere aber belegt die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, dass mit Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV ein verfassungsunmittelbar begründeter, individueller Ausgleichsanspruch statuiert werden sollte (vgl. hierzu auch Pieroth/Kromer, VBlBW 1983, 157 [159 ff.]).
78 
Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV geht auf einen Antrag der - damals in der Opposition befindlichen - CDU-Fraktion zurück. Der Antrag wurde in der 43. Sitzung der Verfassunggebenden Landesversammlung vom 24.06.1953 zunächst abgelehnt (vgl. Feuchte, Quellen zur Entstehung der Verfassung von Baden-Württemberg, Bd. 8, 1992, S. 563), nachdem von den Vertretern der Mehrheitsfraktionen die Risiken und Unwägbarkeiten der verfassungsrechtlichen Verankerung eines entsprechenden Anspruchs drastisch ausgemalt worden sind.
79 
Sowohl im Plenum als auch in dem vorangegangenen Verfassungsausschuss (vgl. hierzu Feuchte, Quellen zur Entstehung der Verfassung von Baden-Württemberg, Bd. 6, 1991, S. 365 ff.) ist die Einräumung eines verfassungsunmittelbaren Anspruchs von den Vertretern der Mehrheitsfraktionen als „völlig unmöglich“ („Quellen“, Band 6, S. 366), „unter keinen Umständen“ akzeptabel („Quellen“, Band 6, S. 421) und „nicht zu verantworten“ („Quellen“, Band 8, S. 549) gebrandmarkt worden.
80 
Dabei bestand zwar grundsätzliche Einigkeit, dass Privatschulen als sinnvolle „Konkurrenz“ und „Belebung“ („Quellen“, Band 6, S. 366), als produktive „Unruhe im öffentlichen Schulwesen“ („Quellen“, Band 6, S. 427) und zur Gewährleistung von „Vielgestaltigkeit und Vielfarbigkeit“ (in Abgrenzung zur Schuleinheitlichkeit des Dritten Reichs; vgl. „Quellen“, Band 6, S. 417) sinnvoll und erforderlich sind. Heftiger - und ausführlich ausgetragener - Streit bestand indes über die Frage, ob Förderansprüche verfassungsrechtlich abgesichert werden sollten. Die Etablierung derartig „klagbarer Rechtsansprüche in der Verfassung“ („Quellen“, Band 8, S. 541) wurde von den Vertretern der Mehrheitsfraktionen SPD und FDP/DVP jedoch kategorisch abgelehnt. Angesichts der Unvorhersehbarkeit der künftigen Entwicklung könne die Verfassung den Privatschulen nicht Geldzuwendungen „in nicht voraussehbarem Maße“ versprechen (vgl. „Quellen“, Band 8, S. 541). Durch eine entsprechende Verankerung werde ein unabsehbares „Tor aufgemacht“ („Quellen“, Band 6, S. 419), durch das eine „Fülle von Reforme[r]n“ („Quellen“, Band 6, S. 375) im „freien Lauf“ („Quellen“, Band 6, S. 421) und „ohne jede Begrenzung“ („Quellen“, Band 6, S. 419) sich „zahllos und wahllos“ entwickeln könnten („Quellen“, Band 6, S. 438). Einen derartigen Anspruch, der auch dann bestehe, wenn „an einer weiteren Förderung der Privatschulen überhaupt kein Interesse mehr“ vorhanden sei („Quellen“, Band 6, S. 427) und der so zu „einer Aushöhlung des öffentlichen Schulwesens führen“ könne („Quellen“, Band 6, S. 366), werde man unter „keinen Umständen mitmachen“ („Quellen“, Band 6, S. 421).
81 
Etwas anderes könne auch nicht aus der Entlastung für die öffentlichen Schulen gefolgert werden, weil sich diese im Ergebnis nicht als „nennenswert“ erweise („Quellen“, Band 6, S. 437); vielmehr würden sich die Schüler, wenn entsprechende Privatschulen nicht vorhanden wären, auf die bestehenden Schulen der Stadt verteilen, ohne dass deswegen weitere Schulen gebaut werden müssten („Quellen“, Band 8, S. 548).
82 
Zusammenfassend kann exemplarisch auf die Stellungnahme des Abgeordneten der FDP/DVP Dr. Gönnenwein im abschließenden Plenum verwiesen werden:
83 
„Ich möchte die Frage verneinen, denn wenn wir die Fassung des Artikel 15b annehmen, dann ist die automatische Folge einer Konzessionierung einer Privatschule auch der Anspruch auf eine Staatsunterstützung. Da aber der Staat in der Erteilung oder Ablehnung einer Konzession für eine Privatschule nach Artikel 7 GG nicht frei ist, würde das bedeuten, dass jede Privatschule, die die Normativbestimmungen des Artikels 7 GG erfüllt, automatisch auch den Rechtsanspruch auf einen Staatszuschuss, einen klagbaren Rechtsanspruch erworben hat, und das geht uns entschieden zu weit“ („Quellen“, Band 8, S. 542).
84 
Trotz dieser drastisch herausgearbeiteten Bedenken - und damit in voller Kenntnis derselben - hat die Verfassunggebende Landesversammlung die Regelung letztendlich beschlossen und verabschiedet. Die Vorschrift, die erst im Rahmen des „Schulkompromisses“ (vgl. dazu Feuchte, Verfassungsgeschichte von Baden-Württemberg, 1983, S. 68 ff. und 196 ff.) durchgesetzt wurde, ist beschrieben worden als „gewissermaßen der Preis, den die SPD für die Verankerung der Unentgeltlichkeit von Unterricht und Lernmitteln in der Verfassung bezahlen musste“ (so Spreng/Birn/Feuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1954, Art. 14 Rn. 4; ähnlich auch Feuchte, Verfassungsgeschichte von Baden-Württemberg, 1983, S. 187).
85 
Schließlich folgt auch aus Sinn und Zweck der verfassungsrechtlichen Verankerung, dass mit der Gewährleistung eine unmittelbare Begünstigung der betroffenen Privatschulträger erreicht werden soll. Denn die in der Verfassung selbst niedergelegte Anspruchsbegründung soll sicherstellen, dass „der Landtag die Mittel bewilligen muss“ (vgl. „Quellen“, Band 6, S. 422) und dient damit der rechtlichen Sicherung und Dispositionsfähigkeit der Schulträger. Darüber hinaus sollte mit der Gewährleistung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass auch die Eltern von Kindern, die Privatschulen besuchen, Steuerzahler sind und damit einen Teil der Finanzierung staatlicher Schulen erbracht haben (vgl. „Quellen“, Band 6, S. 435).
86 
Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik und Sinn des Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV belegen somit unzweifelhaft, dass mit der Vorschrift ein verfassungsunmittelbarer Ausgleichsanspruch des begünstigten Privatschulträgers gewährleistet ist (vgl. auch Vogel, Das Recht der Schulen und Heime in freier Trägerschaft, 3. Aufl. 1997, S. 150).
87 
Dementsprechend ist auch in der bisherigen Senatsrechtsprechung, die entsprechende Schulen nicht betraf, stets darauf hingewiesen worden, dass im Bereich der weiterführenden allgemeinbildenden Schulen weitergehende Förderansprüche nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV bestehen könnten (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 19.07.2005 - 9 S 47/03 -, Rn. 27 m.w.N.; hierzu auch Senatsurteil vom 30.11.1993 - 9 S 2395/91 -, VBlBW 1994, 323, Rn. 22). Hinsichtlich des Einnahmeausfalls, der durch einen Verzicht auf die Erhebung von Lernmittelentgelten verursacht wird, ist die unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 LV folgende Ausgleichspflicht auch bereits ausdrücklich festgestellt worden (vgl. Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 70).
88 
2. Diesen Anspruch hat das beklagte Land bei der Zuschussgewährung zu berücksichtigen.
89 
Nachdem der Ausgleichsanspruch in Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV unmittelbar begründet ist, untersteht er nicht der Entscheidungsbefugnis des Landesgesetzgebers. Gerade hierin lag die maßgebliche Motivation einer verfassungsunmittelbaren Anspruchsbegründung (vgl. dazu „Quellen“, Band 8, S. 556 ff.).
90 
Dies gilt auch in Ansehung der in Satz 5 enthaltenen Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers. Denn die Voraussetzungen des verfassungsrechtlich normierten Anspruchs sind in Art. 14 Abs. 2 LV selbst weitgehend festgelegt, sodass es der Regelungsvorbehalt nur ermöglicht, das Nähere - insbesondere also das Verfahren und die Ausformung konkretisierbarer Rechtsbegriffe - zu bestimmen (vgl. Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 14 Rn. 17; Spreng/Birn/Feuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1954, Art. 14 Rn. 4). Die Anspruchsgewährung selbst dagegen ist der Entscheidungsbefugnis des (einfachen) Gesetzgebers nicht unterstellt.
91 
Vor diesem Hintergrund bedarf die Anordnung in § 17 Abs. 2 PSchG, wonach in der (allgemeinen) Zuschussgewährung nach § 17 Abs. 1 PSchG auch der Ersatz nach Art. 14 Abs. 2 LV enthalten sei, einer verfassungskonformen Auslegung. Diese Anrechnungsbestimmung ist unproblematisch, solange die nach § 17 Abs. 1 PSchG gewährte Förderung über die verfassungsrechtlich begründeten Ansprüche hinausgeht, wovon der Gesetzgeber offenbar ausgegangen ist (vgl. Pieroth/Kromer, VBlBW 1983, 157 [162]). Unbeschadet der Frage, ob die generelle Förderung ohne Berücksichtigung einer tatsächlich gewährten Schulgeldbefreiung sachlich sinnvoll erscheint, ist in dieser Konstellation die verbürgte Anspruchserfüllung jedenfalls sichergestellt und den verfassungsrechtlichen Vorgaben Genüge getan. Anders gestalten sich die Dinge indes, wenn die Regelförderung – wie hier - hinter den verfassungsrechtlich gewährleisteten Kompensationsansprüchen zurückbleibt (vgl. hierzu auch Sächs. Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 25.10.1996 - Vf. 18-III-95 -, DÖV 1997, 205 [207]). In diesen Fällen trifft die in § 17 Abs. 2 PSchG getroffene Aussage in tatsächlicher Hinsicht nicht zu. Es steht aber nicht in der Regelungsbefugnis des Landesgesetzgebers, den unmittelbar in der Verfassung selbst eingeräumten Anspruch einzuschränken. Derartige Ausschlussregelungen sind von der Konkretisierungsbefugnis in Art. 14 Abs. 2 Satz 5 LV nicht gedeckt (ebenso Pieroth/Kromer, VBlBW 1983, 157 [162]). Zur Vermeidung eines mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbaren Ergebnisses ist daher einer anderen Auslegung der Vorzug zu geben, die nach Wortlaut, Systematik und Zweckbestimmung ebenso denkbar ist und den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.09.2007 - 2 BvF 3/02 -, BVerfGE 119, 247 [274]). Denn wie, in welchem Verfahren und durch welche Stelle der in Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV angesprochene Ausgleichsanspruch zu realisieren ist, bedarf einer gesetzlichen Regelung. Diese kann § 17 Abs. 2 PSchG insoweit entnommen werden, als die Norm anordnet, dass die Ansprüche aus Art. 14 Abs. 2 LV in der nach § 17 Abs. 1 PSchG gewährten Zuschüssen enthalten sind und damit auch in diesem Verfahren berücksichtigt werden müssen.
92 
3. Der Kläger erfüllt jedenfalls für einen Teil seiner Schüler auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchsgewährung aus Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV.
93 
Die vom Kläger ohne Gewinnerzielungsabsicht betriebene und damit „auf gemeinnütziger Grundlage arbeitende“ Einrichtung (vgl. Freistellungsbescheid des Finanzamts Nürtingen vom 09.04.2003) ist jedenfalls teilweise als eine „mittlere und höhere Schule“ im Sinne des Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV zu bewerten. Mit diesen altertümlichen Bezeichnungen sind die heutigen Realschulen und Gymnasien gemeint (vgl. Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 14 Rn. 17). Vom Regelungsbereich erfasst sind damit nur weiterführende allgemeinbildende Schulen (vgl. Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 22), nicht aber die in Art. 15 Abs. 2 LV als „Volksschule“ legal definierten Grund- und Hauptschulen. Die Schüler der Klassen 1 bis 4 könne daher nicht in die Gewährleistung einbezogen werden. Auch hinsichtlich der Klassen 5 bis 13 setzt die Norm aber voraus, dass die vom Kläger betriebene Privatschule als „weiterführend“ eingestuft werden kann. Dies ist vom Beklagten im Hinblick darauf, dass ein Gutteil der Schüler nicht das Abitur oder die mittlere Reife erzielt, in Abrede gestellt worden. Maßgeblich ist indes nicht der erfolgreiche Bildungsabschluss - der auch an staatlichen Schulen nicht durchgängig erreicht wird -, sondern das mit dem Besuch der Schule angestrebte Bildungsziel. Der Besuch der Klassen 5 bis 13 der Freien Waldorfschulen führt aber bestimmungsgemäß wie der Besuch eines öffentlichen Gymnasiums zur allgemeinen Hochschulreife. Für dieses Ziel vermittelt er im Kern gleichwertige Kenntnisse und Fertigkeiten. Der mit Errichtung dieser Klassen verfolgte Gesamtzweck entspricht daher dem der öffentlichen Gymnasien (so ausdrücklich BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994 - 1 BvR 682/88 u.a. -, BVerfGE 90, 107 [122]), so dass ihr Besuch den eines Gymnasiums ersetzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969 - 1 BvL 24/64 -, BVerfGE 27, 195 [201 f.]). Dementsprechend hat auch der Landesgesetzgeber die Freie Waldorfschulen in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG als Ersatzschulen anerkannt, die „auf die Hochschulreife vorbereiten“. Maßgeblich ist aber allein, ob am Ende der Abschlussklasse eine gleichwertige Ausbildung erzielt wird, der Ausbildungs- und Leistungsstand am Ende der vorangegangenen Schuljahre dagegen ist unerheblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2000 - 6 C 5/00 -, BVerwGE 112, 263 [267]). Jedenfalls im Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV sind die Klassen 5 bis 13 der Freien Waldorfschule daher als „höhere Schule“ zu bewerten.
94 
Die Schule entspricht auch einem „öffentlichen Bedürfnis“. Allerdings fehlt es an einer gesetzlichen Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs (vgl. zur Regelungsbedürftigkeit auch bereits Spreng/Birn/Feuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1954, Art. 14 Rn. 4). Die vom Beklagten angenommene Bezugnahme auf § 27 Abs. 2 SchG geht schon deshalb fehl, weil die Norm gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 SchG auf Schulen in freier Trägerschaft nicht anwendbar ist. Im Übrigen ist die Privatschulgründung auch gerade nicht von einer staatlichen Bedürfnisprüfung abhängig, wie sie in § 27 Abs. 2 Satz 2 für öffentliche Schulen vorgesehen ist; das Privatschulgesetz enthält daher eine entsprechende Vorschrift nicht. Angesichts der Tatsache, dass bei Erlass der Verfassungsbestimmung Einigkeit darüber bestand, dass das Privatschulwesen an sich zur Gewährleistung der Vielgestaltigkeit, Pluralität und Weiterentwicklung des Schulwesens und um einer Erstarrung vorzubeugen erforderlich ist und damit einem öffentlichen Anliegen dient (vgl. zusammenfassend etwa „Quellen“, Band 6, S. 426 f.), kann aber davon ausgegangen werden, dass sich die Formulierung des „öffentlichen Bedürfnisses“ nur auf die Frage bezieht, ob in der Bevölkerung ein Bedarf für die Schule besteht (ebenso Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 14 Rn. 17), ob das pädagogische Konzept der Schule also den Wünschen und Vorstellungen der Eltern entspricht und sich in Konkurrenz zu den vorhandenen öffentlichen und privaten Schulen behaupten kann (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994 - 1 BvR 682/88 u.a. -, BVerfGE 90, 107 [118]). Hiervon ist jedenfalls bei Vorliegen entsprechender Schülerzahlen und einem Überhang von Bewerbungen, mit dem Freie Waldorfschulen flächendeckend konfrontiert sind, auszugehen.
95 
Die vom Kläger betriebene Schule ist weiterhin „als pädagogisch wertvoll anerkannt“. Auch hinsichtlich dieser Voraussetzung enthält das Landesrecht zwar keine ausdrückliche Konkretisierung; da 17 Abs. 2 PSchG aber auf die Zuschussgewährung nach Absatz 1 verweist, die nur als Ersatzschulen genehmigte Einrichtungen umfasst, kann dem Regelungsgefüge entnommen werden, dass die Ersatzschulgenehmigung auch die pädagogische Anerkennung im Sinne des Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV beinhaltet. Damit wird zugleich eine Bewertung der unterschiedlichen pädagogischen Konzepte vermieden, die in Konflikt zu der grundgesetzlich verbürgten Privatschulautonomie geraten könnte (vgl. hierzu Pieroth/Kromer, VBlBW 1983, 157 [159]).
96 
Schließlich gewährt der Kläger einem Teil seiner Schüler auch eine „gleichartige Befreiung“. Zwar werden Unterricht und Lernmittel vom Kläger grundsätzlich nicht unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Die vorgelegte Beitragsordnung sieht aber einerseits Ermäßigungen im Falle des Besuchs von Geschwisterkindern in der Schule vor, zum anderen werden bei Fehlen der finanziellen Möglichkeiten individuelle Beitragsregelungen vereinbart. Nach den vorgelegten Unterlagen haben im Wirtschaftsjahr 2002/2003 nur rund 54 % der Elternhäuser den vom Kläger angesetzten Regelbeitrag entrichtet. Mit den übrigen sind abweichende Vereinbarungen getroffen worden, die jedenfalls teilweise auch Ermäßigungen enthielten. Soweit damit der zuvor benannte Schulgeldansatz unterschritten wurde, liegt also eine partielle Befreiung von der Entrichtung von Schulgeld vor. Auch eine entsprechende Teilbefreiung wird von Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV jedoch geschützt (vgl. dazu bereits Spreng/Birn/ Feuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1954, Art. 14 Rn. 4). Anhaltspunkte dafür, warum bei einer partiellen Schulgelderhebung der Ausgleichsanspruch insgesamt entfallen sollte, sind nicht ersichtlich.
97 
Soweit der Kläger also den Schülern der Klassen 5 bis 13 im maßgeblichen Rechnungsjahr 2003 eine Befreiung von der Beitragsentrichtung gewährt hat, die zu einer Absenkung des Betrages unter die maßgebliche Schulgelderhebungsgrenze des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG führt, ist ihm nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV ein Ausgleich der hierdurch entstehenden finanziellen Belastung zu gewähren.
98 
Dieser Anspruch geht - wie bereits dargelegt - angesichts der verfassungsunmittelbaren Verankerung nicht nach § 17 Abs. 2 PSchG in der Regelförderung auf und durch diese unter. Vielmehr stehen der allgemeine - bundesrechtlich in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG begründete und dem Land vorgegebene - Förderanspruch und der unabhängig hiervon und nur im Falle der Gewährung einer gleichartigen Befreiung entstehende Ausgleichsanspruch für weiterführende allgemeinbildende Schulen nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV grundsätzlich und jedenfalls dann unabhängig voneinander, wenn ansonsten die verfassungsrechtlich verbürgten Ansprüche unterschritten würden. Diese Trennbarkeit des Ausgleichsanspruchs für die Befreiung von Schulgeld von dem allgemeinen Förderanspruch ist im Übrigen auch in der Verfassunggebenden Landesverfassung bereits deutlich gesehen und ausgesprochen worden. Dr. G. M. führte hierzu aus:
99 
„Die beiden Sätze enthalten zwei völlig verschiedene Rechtsarten. Der Satz 1 bezieht sich auf die Berechtigung angemessener Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln, und der Satz 2 bezieht sich auf den Ersatz bei Einführung der Schulgeld- und Lernmittelfreiheit. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge, die im Einzelfalle durcheinander gehen können“ („Quellen“, Band 8, S. 563).
100 
Die fehlende Anrechenbarkeit des Ausgleichsanspruchs für die gewährte Schulgeldbefreiung folgt letztlich aus der unterschiedlichen, inhaltlich aber aufeinander bezogenen Konzeption der Fördersysteme. Denn die bundesverfassungsrechtlich aus Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG abgeleitete Förderung dient der Sicherung des Existenzminimums der in freier Trägerschaft betriebenen Schulen. Dieses existenzielle Minimum wird durch Eigenleistungen der Schulträger, die Erhebung verfassungsmäßiger Schulgelder und die Gewährung staatlicher Zuschüsse bestritten. Bei der Bestimmung der erforderlichen Höhe der vom Staat zu gewährenden Zuschüsse sind Einnahmen aus Schulgeld daher an- und vorausgesetzt. Entfallen diese Einnahmen, so wird das als Untergrenze angesetzte Budget der Schulträger unterschritten und damit ihre Überlebensfähigkeit evident gefährdet. Eben dieses wäre aber die Folge einer Anrechnung des Schulgeldausgleiches auf die (allgemeine) Zuschussgewährung. Denn sie hätte zwangsläufig und strukturell eine fortlaufende Unterfinanzierung zur Folge. Die Grundstruktur der bundesrechtlich angeordneten Förderung, welche die Schulgeldeinnahmen bei der Bestimmung des zum Betrieb der Einrichtung erforderlichen Existenzminimums in Ansatz bringt, lässt daher eine Anrechnung - und damit faktisch Nichtgewährung - des bei Verzicht einer Schulgelderhebung entstehenden Ausgleichsanspruchs nicht zu. Denn das Fehlen der bei der Berechnung angesetzten Einnahmen führte unweigerlich zum Unterschreiten der angesetzten Finanzierungsunterschwelle. Auch dies ist in der Verfassunggebenden Versammlung bereits zum Ausdruck gebracht worden (vgl. „Quellen“, Band 8, S. 556; dazu auch Pieroth/Kromer, VBlBW 1983, 157 [161]).
101 
Der unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV folgende Ausgleichsanspruch führt im Falle der weiterführenden allgemeinbildenden Schulen daher bei uneingeschränktem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen dazu, dass die staatliche Förderung auch den bei der Förderung nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG als Schulgeld angesetzten Betrag umfasst. Insoweit geht die landesrechtliche gewährte Privilegierung - bewusst - über die bundesrechtlich verpflichtend vorgegebenen Förderansprüche hinaus. Sie beinhaltet als Surrogat der Schulgelder den Ausgleichsanspruch für die gewährte Befreiung. Die hierdurch entstehenden finanziellen Belastungen sind zusätzlich und aufgrund der Entscheidung des Landesverfassunggebers auszugleichen.
102 
Die Verweigerung weiterer staatlicher Förderung im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14.02.2005 ist daher aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, über den Antrag des Klägers erneut zu entscheiden und bei der Förderung auch den Betrag zu berücksichtigen, um den der Kläger seinen Schülern der Klassen 5 bis 13 einen Abschlag von dem verfassungsmäßig zulässig erhebbaren Schulgeld in Höhe von 70,-- EUR gewährt hat. Inwieweit und in welcher Höhe dies im Einzelnen tatsächlich geschehen ist, muss vom Beklagten noch ermittelt werden.
III.
103 
Gegenwärtig erweist sich das Fördersystem des beklagten Landes für die laufenden Betriebskosten im Jahr 2003 bei einer Gesamtschau damit noch nicht als verfassungswidrig, so dass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG nicht veranlasst ist.
104 
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts löst die dem Staat obliegende Schutz- und Förderpflicht erst dann eine Handlungspflicht aus, wenn andernfalls der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution evident gefährdet wäre (vgl. BVerfGE 75, 40 [67]; BVerfGE 112, 74 [84]).
105 
Allerdings ist die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung insoweit nicht konsistent. Denn die Entscheidung des Jahres 1994 (BVerfGE 90, 107) nimmt auf die einschränkenden Aussagen zur Begründung einer Förderpflicht nicht Bezug. Die in der Entscheidung des Jahres 1987 (BVerfGE 75, 40) noch als Leitsatz festgehaltene Einschränkung, mit der die Förderpflicht ausdrücklich nur auf die Einrichtungsgarantie bezogen wurde, findet sich vielmehr an keiner Stelle mehr. Diese Akzentverschiebung erhellt sich strukturell dadurch, dass die Entscheidung ausdrücklich „unerörtert“ lässt, ob und welche Rechte sich aus der Garantie der Privatschule als Institution ergeben. Thema der Entscheidung des Jahres 1994 ist vielmehr allein der aus dem subjektiven Grundrecht folgende Anspruch auf staatliche Förderung (vgl. BVerfGE 90, 107 [114 f.]; zur Fragwürdigkeit der rein institutsbezogenen Auslegung grundgesetzlicher Gewährleistungen ausführlich Kenntner, Justitiabler Föderalismus, 2000, S. 71 ff.). Die fehlende Bezugnahme auf die aus der Einrichtungsgarantie folgenden Handlungspflichten des Gesetzgebers dürfte daher kaum als zufällig gewertet werden. Sie beruht vielmehr auf der Tatsache, dass der Förder- und Ausgleichsanspruch vom Bundesverfassungsgericht hier ausdrücklich aus der subjektiv-rechtlichen Komponente der Privatschulfreiheit abgeleitet worden ist. Hierzu passt die ausschließlich auf die Einrichtungsgarantie bezogene Handlungspflicht nicht. Vielmehr bewirkt die Herleitung der Förderpflicht aus einer „grundgesetzlichen Ingerenz“ „just eine Konstellation, in der nicht nur vereinzelte Ersatzschulen, sondern praktisch jede Ersatzschule ohne staatliche Subvention ernsthaft und offensichtlich in ihrem Bestand gefährdet wäre“ (Jestaedt, Schule und außerschulische Erziehung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VII, 3. Aufl. 2009, § 156 Rn. 61; vgl. zur „staatlichen Garantenpflicht“ auch bereits Müller, Das Recht der Freien Schule nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1982, S. 429 ff. sowie Jeand’Heur, in: Müller/Jeand’Heur, Zukunftsperspektiven der Freien Schule, 2. Aufl. 1996, S. 47 [83]).
106 
Die jüngste Senatsentscheidung des Jahres 2004 (BVerfGE 112, 74) wiederum blendet die subjektiv-rechtliche Akzentuierung aus und deutet die institutionelle Garantie - jedenfalls hinsichtlich der dem Staat obliegenden Verpflichtung auf Gewährung finanzieller Zuschüsse - nicht als eine die individuelle Freiheitsverbürgung ergänzende, sondern eine sie ersetzende Gewährleistung (vgl. Hufen, in: Hufen/Vogel, Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?, 2006, S. 49 [80]; zur Kritik auch Vogel, RdJB 2005, 255). Die dem Staat obliegende Förderpflicht wird dort ausdrücklich als „objektive“ und „dem Ersatzschulwesen als Institution geschuldete“ Gewährleistung begriffen (vgl. BVerfGE 112, 74 [84]), wobei die objektiv-rechtliche Komponente hier aber anders als in der Entscheidung des Jahres 1987 nicht genügte, um zur Nichtigkeitsfeststellung der landesrechtlichen Fördervorschriften zu gelangen. Der Widerspruch oder jedenfalls das Spannungsverhältnis zu der vorangegangenen Entscheidung des Jahres 1994 wird dabei weder offen gelegt noch thematisiert. Vielmehr wird ausdrücklich festgehalten, dass auch aus dem freiheitsrechtlichen Gehalt des Art. 7 Abs. 4 GG ein subjektiver Anspruch auf Gewährung finanzieller Leistungen nicht gefolgert werden könne (vgl. BVerfGE 112, 74 [84]).
107 
Dieser restriktive Maßstab wird auch in der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts herangezogen. Angesichts der rein institutsbezogen aufgefassten Förderpflicht reicht die Feststellung einer defizitären staatlichen Finanzierung des Ersatzschulwesens zur Annahme eines Verfassungsverstoßes danach nicht aus; die Annahme der Verfassungswidrigkeit ist vielmehr erst dann gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber seine Schutz- und Förderpflicht gröblich vernachlässigt, weil bei weiterer Untätigkeit der Bestand des Ersatzschulwesens evident gefährdet wäre (so BVerwG, Beschluss vom 18.12.2000 - 6 B 15/00 -). Maßgeblicher Bezugspunkt ist damit das Ersatzschulwesen als „Institution“.
108 
Allerdings gewährleistet Art. 7 Abs. 4 GG das private Ersatzschulwesen gerade in seiner Vielfalt. Die verfassungsunmittelbare Strukturentscheidung für ein plurales und das Elternrecht beachtende Schulangebot beschränkt auch den Landesgesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit und der Ausgestaltung seiner Privatschulförderung (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.2010 - 5 CN 1/09 -, Rn. 30 f. in Bezug auf Kindertageseinrichtungen). Eine Verletzung der Privatschulfreiheit liegt daher nicht erst vor, wenn keine Schulart mehr in freier Trägerschaft betrieben werden kann, der pluralistische und staatsferne Ansatz der Privatschulfreiheit gebietet vielmehr grundsätzlich eine Offenheit - und damit Förderung - jeder Schulform (vgl. dazu bereits Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 28). Die Grenzen der Förderpflicht werden insofern durch den Begriff der Ersatzschule gezogen, den der Landesgesetzgeber durch die Differenzierungen des öffentlichen Schulwesens mittelbar beeinflussen kann. Angesichts der Tatsache, dass der Landesgesetzgeber die Freie Waldorfschule in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG als eigenständigen Ersatzschultyp anerkannt hat, muss Anknüpfungspunkt der institutionellen Betrachtung daher der Bestand der Freien Waldorfschulen sein (vgl. dazu auch LT-Drs. 11/6523, S. 10 f.).
109 
2. Die den Freien Waldorfschulen für den laufenden Betrieb gewährten Zuschüsse unterschreiten das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum jedenfalls nicht dergestalt, dass der weitere Bestand dieses Ersatzschultyps ernsthaft gefährdet wäre.
110 
Die dargelegten Berechnungen haben ergeben, dass die dem Kläger und den anderen Freien Waldorfschulen für das Jahr 2003 gewährten Zuschüsse nach § 18 Abs. 2 PSchG für sich genommen nicht ausgereicht haben, um das Existenzminimum des laufenden Betriebes zu gewährleisten. Allerdings ergeben bereits diese, auf pauschalierten Annahmen beruhenden Zahlen nur eine geringfügige Abweichung von der erforderlichen Finanzierungshöhe. Dies gilt um so mehr, als das verbleibende Defizit durch den noch zu gewährenden Ausgleichsanspruch nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV weiter gemildert werden kann. Insgesamt kann daher hinsichtlich der laufenden Betriebskosten noch nicht von einer existenzgefährdenden Situation des Klägers oder anderer Freier Waldorfschulen ausgegangen werden, die den Gesetzgeber zur einer rückwirkenden Änderung des Fördersatzes der Betriebsausgaben verpflichten würde. Dies gilt insbesondere bei Berücksichtigung der Tatsache, dass der rechnerische Fehlbetrag maßgeblich auf einer erst mit diesem Urteil durchgeführten Sachverständigenbewertung des verfassungsrechtlich zulässigen Schulgeldes beruht - das deutlich niedriger als die bisher auch vom erkennenden Senat angenommenen Sätze liegt - und der Gesetzgeber die Zuschüsse zwischenzeitlich auch erhöht hat und damit nicht untätig geblieben ist.
111 
3. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren darüber hinaus eine unzureichende Berücksichtigung der Investitionskosten vorgetragen hat, ist dies nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.2000 - 6 B 15/00 -, Rn. 11). Denn sein Förderantrag vom 20.10.2003 bezog sich, wie auch die jahresweise vorangegangenen, auf einen jährlichen Zuschuss, der nach dem Fördersystem des § 18 Abs. 2 PSchG nur auf laufende Betriebskosten bezogen ist. Baukostenzuschüsse werden dagegen in einem hiervon getrennten, projektbezogenen System nach § 18 Abs. 7 PSchG gefördert.
112 
a) Allerdings geben die im vorliegenden Verfahren eingereichten Daten Anlass, Zweifel an dem in Baden-Württemberg bestehenden Finanzierungssystem zu wecken. Denn offenbar führen die bestehenden Regelungen dazu, dass durch die staatlichen Zuschüsse zwar die Kosten des laufenden Betriebes – für sich genommen – noch in existenzsichernder Weise gewährleistet sind. Der fehlende Ausgleich für die zur Gründung aufgewendeten Kosten belastet die Ersatzschulen aber mit fortwährenden Verbindlichkeiten, die nicht bewältigt werden können. Die ohne - bzw. seit dem Änderungsgesetz vom 13.11.1995 (GBl. S. 764) auf gegenwärtig 37 % der für vergleichbare öffentliche Schulen notwendige Baukosten begrenzte und in zehn jährlichen Raten ausbezahlte - staatliche Förderung für die ersten drei Jahre anfallenden Kosten belasten die Privatschulträger mit Verbindlichkeiten, die auch Jahrzehnte später noch in nennenswerter Weise zu Buche schlagen.
113 
Die seit dem Jahre 1976 bestehende Schule des Klägers etwa war im Streitjahr 2003 noch mit Verbindlichkeiten von über 2 Millionen Euro belastet. Dies scheint der generellen Lage der Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg zu entsprechen. Denn im Bezugsjahr 2003 lag die durchschnittliche Verschuldung einer Freien Waldorfschule bei mehr als 1,5 Millionen Euro (Anlage 29 der Berufung). Diese Entwicklung verschärft sich offenbar von Jahr zu Jahr. Nach den vom Kläger vorgelegten Bilanzaufstellungen (Anlage 28 der Berufung) haben sich die langfristigen Verbindlichkeiten der Freien Waldorfschulen, die maßgeblich auf das Erfordernis der Anschubfinanzierung und insbesondere die Baukosten zurückgehen, von insgesamt 64.151.000,-- EUR im Jahr 2001 kontinuierlich auf 79.929.000,-- EUR zum Jahr 2007 erhöht. Innerhalb dieser sechs Jahre nahm die Verschuldung somit um über 15 Millionen Euro zu, was bezogen auf den Ausgangswert eine Steigerung von fast 25 % bedeutet. Die überwiegend aus Krediten finanzierte Anschubphase verlängert sich so als kumulierte Schuldenlast in die Zukunft.
114 
Damit wird auch der laufende Betrieb belastet. Denn die pro Schüler anfallende Zins- und Tilgungslast (nach Afa, vgl. Anlage 35 der Berufung) beläuft sich jährlich auf rund 435,-- EUR, was einen Monatsanteil von mehr als 36,-- EUR für jeden Schüler bedeutet. Wenn also die laufenden Einnahmen aus Staatszuschüssen, Schulgeldern und sonstigen Einkünften gerade zur Existenzsicherung genügen, so verbleibt ein Defizit für die Bedienung der Schulden aus noch nicht bewältigter Anschubfinanzierung, das monatlich wächst. Dass durch diese strukturelle Lücke der weitere Bestand des Ersatzschultyps Freie Waldorfschule ernsthaft gefährdet werden könnte, lässt sich nicht ausschließen.
115 
b) Dies gilt auch in Anbetracht der verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Gründungslast des Privatschulträgers.
116 
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht den Ausschluss der Anfangsfinanzierung und der Investitionskosten von der Förderung grundsätzlich gebilligt, um neue Privatschulen nicht vom Wettbewerb mit anderen Schulen freizustellen (vgl. BVerfGE 75, 40 [68]). Das sich aus einer unzureichenden finanziellen Ausstattung ergebende Risiko dürfe nicht auf den Staat überwälzt werden. Auch die Privatschulfreiheit diene nicht dazu, die wirtschaftlichen Voraussetzungen des in Art. 7 Abs. 4 GG verbürgten Freiheitsrechts erst zu schaffen, ebenso wie staatliche Existenzgründungsdarlehen für Minderbemittelte durch Art. 12 GG nicht geboten seien (vgl. hierzu das in Bezug genommene Urteil des BVerwG vom 30.11.1984 – 7 C 66/82 -, BVerwGE 70, 290 [295]). Art. 7 Abs. 4 GG gewährleiste daher keinen Anspruch darauf, das für die Schulgründung erforderliche, nicht vorhandene Schulträgervermögen zu ersetzen und Vermögen in der Hand des Privatschulträgers zu bilden.
117 
Gleiches gilt für die „Wartefrist“, die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß beurteilt worden ist, um den Einsatz staatlicher Fördermittel vom Nachweis einer hinreichend soliden Wirtschaftsbasis und einem ausreichenden pädagogischen Bedürfnis für das Schulkonzept abhängig machen zu können (vgl. BVerfGE 90, 107 [117 ff.]). Der Staat dürfe vor Gewährung von Zuschüssen einen Erfolgsnachweis verlangen, der der Gründung Aussicht auf dauerhaften Bestand verleihe. Insoweit könne abgewartet werden, ob sich die Einrichtung in Konkurrenz zu den vorhandenen öffentlichen und privaten Schulen bewähre und über eine hinreichend sichere Existenzgrundlage verfüge. Den Schulträgern sei zumutbar, hierfür eine „absehbare und vorübergehende Zeit“ zu überbrücken. Dies gelte auch deshalb, weil in der Aufbauphase, in der die Schule nur über eine oder einige wenige Klassen verfüge, regelmäßig keine hohen Kosten für den Schulbetrieb anfielen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994 - 1 BvR 1369/90 -, BVerfGE 90, 128 [140]).
118 
Damit ist jedoch nicht gleichzeitig gesagt, dass auch nachträglich eine Anrechnung oder Berücksichtigung dieser Kosten nicht erfolgen muss. Vielmehr hat auch das Bundesverfassungsgericht gerade in Bezug auf in Elternträgerschaft gegründete Schulen ausgesprochen, dass die Förderregelungen nach Bestehen des Erfolgstests einen „wie immer gearteten Ausgleich“ für die Gründungskosten vorsehen müssen (vgl. BVerfGE 90, 107 [121]). Dies erscheint auch folgerichtig. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass die staatliche Förderung an eine bereits privat errichtete Ersatzschule anknüpft, muss die Unterstützung ihrer Erhaltung in Rechnung stellen, dass zu den laufenden Kosten auch die Tilgung der begründeten Verbindlichkeiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.09.1967 - 7 C 71/66 -, BVerwGE 27, 360 [365]) und Gebäudeunterhaltung (vgl. Nordrh.-Westf. Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 03.01.1983 - 6/82 -, NVwZ 1984, 95) gehört. Aussagen über die wirtschaftliche Existenzfähigkeit der Privatschulträger dürfen die Investitionskosten daher nicht ausblenden (vgl. Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 87; Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG, 2009, Art. 7 Rn. 80 m.w.N.). Die Verhinderung einer faktischen Ausübungssperre, die auch das Bundesverfassungsgericht verlangt, setzt vielmehr voraus, dass die Schulden, die der Privatschulträger zur Finanzierung der Errichtung zwangsläufig machen muss, jedenfalls bei seinen laufenden Betriebskosten berücksichtigt werden (vgl. Müller, Das Recht der Freien Schule nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1982, S. 473). Eine Regelung, die den Betroffenen im Ergebnis die Möglichkeit nimmt, anstelle der öffentlichen Schule eine private Ersatzschule zu besuchen, ist mit Art. 7 Abs. 4 GG nicht vereinbar (vgl. BVerfG, Urteil vom 06.12.1972 - 1 BvR 230/70 u.a. -, BVerfGE 34, 165 [198]; BVerwG, Urteil vom 13.12.2000 - 6 C 5/00 -, BVerwGE 112, 263 [270]).
119 
Eine Berücksichtigungspflicht folgt auch bereits aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG, der ausdrücklich die „Errichtung“ privater Schulen gewährleistet und einen gänzlicher Ausschluss der Gründungskosten von der staatlichen Förderung daher kaum zulässt (ebenso Pieroth, DÖV 1992, 593 [597]). Dies gilt um so mehr, als Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG gerade auch hinsichtlich der Einrichtungen - und damit jedenfalls in Bezug auf Zahl und Ausstattung der Schulräume (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994 - 1 BvR 1369/90 -, BVerfGE 90, 128 [142]) - Privatschulträgern die Verpflichtung auferlegt, hinter öffentlichen Schulen nicht zurückzustehen. Ein vollständiges Ausblenden der Kosten, die für die Beschaffung des erforderlichen Schulraums entstehen, hätte jedenfalls faktisch eine Beschränkung der Förderung auf bereits bestehende Ersatzschulen zur Folge, was im Hinblick auf Sinn und Schutzzweck der Privatschulfreiheit kaum angängig wäre (vgl. dazu bereits Müller, Das Recht der Freien Schule nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1982, S. 472; Kloepfer/Meßerschmidt, DVBl 1983, 193 [201]; Jach, DÖV 1990, 506 [507]).
120 
Im Übrigen folgt auch aus der Neutralitätspflicht, dass Verzerrungen des Wettbewerbs durch staatliche Fördermaßnahmen vermieden werden müssen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.06.1989 - 1 BvR 727/84 -, BVerfGE 80, 124 [133 f.] für den Bereich der Pressefreiheit). Die Abschirmung der bereits bestehenden Privatschulen gegen neue Konkurrenz durch Ungleichbehandlungen im Rahmen der Mittelvergabe erscheint daher auch im Hinblick auf die Behinderung von „Newcomern“ nicht unproblematisch (hierzu auch Kloepfer/ Meßerschmidt, DVBl 1983, 193 [200 f.]). Die gleichheitskonforme Förderung der Träger muss daher hinreichend sichergestellt werden (so BVerwG, Urteil vom 21.01.2010 - 5 CN 1/09 -, Rn. 53 in Bezug auf Kindertageseinrichtungen).
121 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat deshalb klargestellt, dass dem Schulträger zwar eine „Vorfinanzierung“ zugemutet werden könne, wenn ihm dafür „später die finanzielle Last erleichtert“ werde (vgl. BVerfGE 90, 128 [144]). Müsse er dagegen auf Dauer seine Bauaufwendungen in vollem Umfang aus Schulgeldern finanzieren, träfe die Tilgung der bei Gründung aufgenommenen Kredite nicht nur die Gründer. Der bereits bei der Behandlung zumutbarer Eigenleistungen herausgearbeitete Gedanke, dass die „Gründungseltern“ Vorleistungen für das Ingangsetzen der Schule zu erbringen haben (vgl. BVerfGE 90, 107 [120]), kehrt deshalb an dieser Stelle wieder. Dementsprechend wird auch hinsichtlich der Baukosten die Forderung aufgestellt, dass diese jedenfalls als Faktor für die Bemessung des Bedarfs „nicht vollständig unberücksichtigt“ bleiben dürfen (vgl. BVerfGE 90, 128 [142]).
122 
c) Ob diesen Anforderungen durch das System des Baukostenzuschusses in Baden-Württemberg hinreichend Rechnung getragen ist, bedarf weiterer Prüfung.
123 
Der Privatschulgesetzgeber ist davon ausgegangen, dass mit dem durch Änderungsgesetz vom 13.11.1995 (GBl. S. 764) in § 18 Abs. 7 PSchG eingeführten System des projektbezogenen Zuschusses für Schulbauvorhaben in Höhe von zunächst 41 % - und nach gegenwärtiger Rechtslage 37 % - ein ausreichender Anteil der Gründungskosten übernommen wird (vgl. LT-Drs. 11/6523, S. 7). Keinen Ausgleich erhalten danach indes ältere Schulen, deren Baumaßnahmen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmung bereits abgeschlossen waren - wie dies etwa beim Kläger der Fall ist. Fraglich ist nach dem im vorliegenden Rechtsstreit vorgelegten Datenmaterial auch, ob die Einschätzung zutrifft. Denn jedenfalls faktisch scheint auch dieser Finanzierungsbeitrag nicht auszureichen, um eine langfristige Schuldenspirale zu verhindern. Ob dies an den zur Bereitstellung des Grundstücks aufzuwendenden Kosten liegt, wie der Kläger vorträgt, oder möglicherweise an überzogenen Ausgaben, wie dies in den Stellungnahmen des Beklagten angedeutet wird, kann auf der vorhandenen Datenbasis nicht ermittelt werden.
124 
Die Einschätzungsprärogative hierfür steht dem Gesetzgeber zu, in dessen Verantwortungsbereich die Entwicklung eines stimmigen Fördersystems liegt. Dabei wären auch Modelle denkbar, die den Eigentumserwerb - und damit das Problem der öffentlichen Finanzierung von Vermögen in privater Hand - vermeiden und andere Wege der Zurverfügungstellung geeigneter Räumlichkeiten (etwa in Erbpacht) vorsehen, wie dies bereits jetzt in einigen Kommunen praktiziert wird. Insoweit dürfte auch hilfreich sein, die Lösungen anderer Bundesländer im Sinne eines föderalistischen Ideenwettbewerbs zu analysieren. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Förderung macht darüber hinaus eine Gesamtschau erforderlich, bei der auch weitere Zuschüsse, wie etwa die durch das Konjunkturprogramm der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Mittel nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz, einzubeziehen sind. Es ist allerdings Aufgabe des Gesetzgebers, dabei auch die tatsächliche Entwicklung zu beobachten, um möglichen Verstößen gegen die aus Art. 7 Abs. 4 GG folgende Förderungspflicht für Privatschulen angemessen begegnen zu können (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 06.03.2007 – 2 BvR 556/04 -, BVerfGE 117, 330 [355]). Prognostische Erwägungen müssen daher auf eine hinreichend valide Tatsachengrundlage gestützt und den Zeitläufen angepasst werden. Hieran wird auch die künftige Ausgestaltung der Privatschulförderung in Baden-Württemberg zu messen sein.
IV.
125 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dabei war das wirtschaftliche Verhältnis der vom Kläger erstrebten Mehrzuwendung zu den voraussichtlich im Wege der Neubescheidung noch zu gewährenden Nachzahlungen zu berücksichtigen, die jedenfalls nur einen geringen Bruchteil von sicher nicht mehr als 1/10 betragen werden.
126 
Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
127 
Beschluss vom 14. Juli 2010
128 
Der Streitwert des Verfahrens in beiden Instanzen wird - hinsichtlich der Streitwertfestsetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht unter Abänderung des Beschlusses vom 13.07.2009 - auf 500.000,-- EUR festgesetzt (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG). Dabei ist im Ansatz auf die vom Kläger selbst auf 816.909,72 EUR bezifferte Mehrförderung abzustellen, die im Endergebnis begehrt wird. Angesichts der Tatsache, dass dieses Ziel prozessual aber nur über eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht und einer nachfolgend - im Falle des Verfassungswidrigkeitsausspruches - mit Rückwirkung erlassenen Änderung der landesgesetzlichen Förderbestimmungen erreicht werden könnte, erscheint es angemessen, den Streitwert dieses Gerichtsverfahrens entsprechend den Empfehlungen aus Nr. 1.4 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327) abzusenken. Gegen den Höhenansatz haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung keine Einwendungen erhoben.
129 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
24 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und den Anforderungen des § 124a Abs. 2 und 3 VwGO entsprechend erhobene Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Die vom Beklagten nach § 18 Abs. 2 des Gesetzes für die Schulen in freier Trägerschaft in der Fassung vom 01.01.1990 (GBl. S. 105; in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 25.07.2000, GBl. S. 534 - PSchG -) gewährten Zuschüsse sichern das verfassungsrechtliche gewährleistete Existenzminimum der Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg nicht hinreichend und sind daher unzureichend (I.). Das Defizit kann jedoch teilweise durch Schulgeldausgleichsansprüche nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 der Landesverfassung ausgeglichen werden, die dem Kläger noch gewährt werden müssen. Insoweit muss das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und das beklagte Land zur Neubescheidung verpflichtet werden (II.). Bei einer Gesamtschau kann das Fördersystem bezogen auf das Streitjahr 2003 daher gegenwärtig noch nicht als verfassungswidrig qualifiziert werden, so dass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht erforderlich ist (III.).
I.
25 
Die in Baden-Württemberg für das streitgegenständliche Rechnungsjahr 2003 bestehenden Regelungen zur Förderung von Ersatzschulen in freier Trägerschaft reichen nicht aus, um das verfassungsrechtlich gewährleistete Existenzminimum der Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg zu sichern. Auch die dem Kläger zugesprochene Förderung erweist sich daher als unzureichend.
26 
1. Art. 7 Abs. 4 GG gewährleistet unmittelbar und primär jedermann das Freiheitsrecht, private Schulen zu errichten und vorbehaltlich staatlicher Genehmigung nach Maßgabe der Landesgesetze als Ersatz für öffentliche Schulen zu betreiben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.11.2004 - 1 BvL 6/99 -, BVerfGE 112, 74 [83]). Damit wird zugleich die Privatschule als Institution verbürgt. Die mit der Privatschulfreiheit verbundene Absage an ein staatliches Schulmonopol trägt dem in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG anerkannten natürlichen Elternrecht Rechnung. Das Grundgesetz öffnet sich damit für die Vielfalt der Erziehungsziele und Bildungsinhalte und für das Bedürfnis seiner Bürger, in der ihnen gemäßen Form die eigene Persönlichkeit und die ihrer Kinder im Erziehungsbereich der Schule zu entfalten (vgl. BVerfG, Urteil vom 08.04.1987 - 1 BvL 8/84 u.a. -, BVerfGE 75, 40 [62 f.]).
27 
Das Grundgesetz selbst knüpft die Ersatzschulgenehmigung in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG aber an Bedingungen, die private Schulträger aus eigener (Finanz-)Kraft nicht auf Dauer erfüllen können. Die verfassungsunmittelbar auferlegte Bindung, dass die Schule in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen darf und die wirtschaftliche und rechtliche Stellung ihrer Lehrkräfte sichern muss, hat angesichts des heute bestehenden Standards öffentlicher Schulen ein Kostenniveau zur Folge, das nur mit der Erhebung nicht unerheblicher Schulgelder gedeckt werden könnte. Diese Möglichkeit der Selbstfinanzierung hat das Grundgesetz jedoch beschränkt, weil es Schulgelder nur insoweit zulässt, als „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“.
28 
Aus der Normstruktur des Art. 7 Abs. 4 GG folgt daher, sofern die Gewährleistung „nicht zu einem wertlosen Individualgrundrecht auf Gründung existenzunfähiger Ersatzschulen und zu einer nutzlosen institutionellen Garantie verkümmern“ soll (BVerfGE 75, 40 [65]), eine staatliche Kompensationspflicht als Ausgleich der durch Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG selbst geschaffenen Bindungen. Die besondere Schutz- und Förderpflicht des Staates ergibt sich damit daraus, dass der Staat dagegen Vorsorge treffen muss, dass das verankerte Grundrecht als subjektives Recht wegen den seinem Träger durch Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG auferlegten Bindungen praktisch kaum noch wahrgenommen werden kann. Insofern kann sich aus Art. 7 Abs. 4 GG über dessen Abwehrcharakter hinaus ein Anspruch auf staatliche Förderung ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994 – 1 BvR 682/88-, BVerfGE 90, 107 [115]; BVerfGE 75, 40 [62]). Die damit begründete Förderpflicht findet einen weiteren Grund darin, dass der Staat den mit der Privatschulfreiheit gewährleisteten schulischen Pluralismus auch gegen sich selbst und die öffentlichen Schulen in der Weise garantiert, dass er auf eigenen Akten beruhende Beeinträchtigungen dieses Pluralismus durch staatliche Förderung in ihrer Wirkung neutralisiert (vgl. BVerfGE 75, 40 [66]).
29 
2. In welcher Weise diese Förderungspflicht umgesetzt wird, schreibt das Grundgesetz nicht vor. Die Ausgestaltung obliegt daher dem zuständigen Landesgesetzgeber (vgl. BVerfGE 112, 74 [84]). Dabei können unterschiedliche Modelle zur Anwendung gebracht werden. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, wenn sich die staatliche Förderung an den Kosten des öffentlichen Schulwesens orientiert (vgl. BVerfGE 75, 40 [68]; 90, 107 [116]), wie in Baden-Württemberg durch § 18 Abs. 2 PSchG hinsichtlich der laufenden Betriebskosten vorgesehen.
30 
Allerdings weist das Förderkonzept des Landes, das auf eine jährliche Ermittlung der erforderlichen Zuschussbeträge verzichtet und die Förderung stattdessen als prozentualen Teil der Lehrerbesoldung ausweist, strukturelle Mängel auf. Dies gilt zunächst schon deshalb, weil diese Größe für sich genommen nichts darüber aussagt, ob der festgesetzte Betrag - etwa von 51,5 % des Grundgehalts eines beamteten Grundschullehrers nach § 18 Abs. 2 Buchst. a) PSchG - die ihm zugedachte Aufgabe erfüllt und zur Existenzsicherung der Privatschulen ausreicht (vgl. zur hierauf bezogenen Methodenkontrolle der Leistungsbemessung BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, NJW 2010, 505 [509 Rn. 142]). Ob mit diesem Wert das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel einer Deckung von 80 % der Kosten einer vergleichbaren öffentlichen Schule erreicht wird, kann der Zahl nicht entnommen werden. Hierfür bedarf es vielmehr erst einer Umrechnung (vgl. dazu auch die Gesetzesbegründung in LT-Drs. 10/2338, S. 16). Die mit der Kopplung an die Entwicklung der Lehrergehälter verfolgte Dynamisierung hat daher eine erhebliche Intransparenz zur Folge.
31 
Darüber hinaus stellt das Verfahren auch nicht sicher, dass die Zielvorgabe einer 80 %-Kostendeckung den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Diese Berechnungsgrundlage hat die Landesregierung zwar im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens für das Jahr 1986 kontrolliert und rechnerisch abgestützt (vgl. hierzu LT-Drs. 10/2338, S. 11 und LT-Drs. 10/2339, S. 16 ff.). Allerdings wird diese Grundannahme mit zunehmendem zeitlichem Abstand vom Basisjahr unsicherer und tatsächlich auch immer deutlicher verfehlt (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 39). Dies gilt um so mehr, als der jeweils in § 18 Abs. 2 PSchG festgesetzte prozentuale Abschlag eine sachliche und an den verfassungsrechtlichen Vorgaben orientierte Begründung nicht erkennen lässt und die Veränderungen daher eher zufällig, jedenfalls aber nicht auf einer fundierten Analyse basierend erscheinen (vgl. zur Unzulässigkeit von „Schätzungen ins Blaue hinein“ BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, NJW 2010, 505 [512 Rn. 171]). Darüber hinaus birgt die Anbindung der Fördersätze an die Entwicklung der Lehrergehälter den Fehler in sich, dass sowohl die Entwicklung der Sachkosten als auch diejenige der Lehrer-Schüler-Relation (vgl. zur Berücksichtigung des Klassenteilers etwa Bay. VGH, Urteil vom 29.11.2000 - 7 B 99.1482 -, NVwZ-RR 2001, 385) außer Betracht bleiben.
32 
Eine ausreichend verlässliche Vergleichsbasis kann auf dieser Grundlage deshalb nur durch eine hinreichend dichte zeitliche Kontrolle sichergestellt werden und setzt eine konkrete Überprüfung und Korrektur durch den Landesgesetzgeber voraus (vgl. Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 37 ff.). Denn wenn der Gesetzgeber den Finanzbedarf der Privatschulträger nicht unmittelbar ermittelt, sondern aus den Kosten vergleichbarer öffentlicher Schulen zu ableitet, so ist er an diesen Ansatz auch gebunden. Die Ermittlungen zu den wirtschaftlichen Existenzbedingungen müssen daher auf einer ausreichenden Tatsachenbasis beruhen (vgl. auch hierzu Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 65 und 69).
33 
3. Wesentliche Entscheidungen hat der Gesetzgeber dabei, gerade im Bereich des Schulwesens, selbst vorzugeben (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02 -, BVerfGE 108, 282 [312]; BVerwG, Beschluss vom 15.11.1974 - 7 C 8/73 -, BVerwGE 47, 194 [197 f.]). Soweit eine Vorgabe oder Regelung für die Verwirklichung der grundrechtlich geschützten Privatschulfreiheit wesentlich ist, hat der Landesgesetzgeber die Entscheidung daher selbst zu treffen (vgl. auch Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Oktober 2009, Art. 7 Abs. 4 bis 6, Rn. 105 und 133; Hufen, in: Hufen/Vogel, Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?, 2006, S. 49 [76]); Robbers, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 7 Abs. 4 Rn. 211; Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG, 2009, Art. 7 Rn. 79).
34 
Dementsprechend hat der Gesetzgeber auch vorzuzeichnen, in welcher Weise die als Vergleichskosten heranzuziehenden Kosten von öffentlichen Schulen zu bestimmen sind. Denn insoweit bestehen, wie die im vorliegenden Rechtsstreit vorgetragenen Meinungen und Sachverständigengutachten eindrücklich belegen, unterschiedliche Ansätze und Modelle, die durchschlagende Wirkung auf die den Privatschulträgern im Ergebnis zustehenden Förderansprüche entfalten. Die Erhebung und Berechnung der Vergleichskosten muss der Gesetzgeber dabei zwar nicht selbst vornehmen, sondern kann sich auf die Ermittlungen des zuständigen Ministeriums stützen, solange diese den Gesetzgeber nicht binden. Angesichts der schwierigen Abgrenzungsfragen (vgl. hierzu ausführlich Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 42 ff. sowie Haug, in: Müller/Jeand’Heur, Zukunftsperspektiven der Freien Schule, 2. Aufl. 1996, S. 195 ff.) erscheint eine gesetzgeberische Entscheidung zur Methode der Bestimmung maßgeblicher Vergleichskosten öffentlicher Schulen indes dringend geboten. Denn die als Vergleichsgröße in Ansatz zu bringenden Kosten des öffentlichen Schulwesens beeinflussen als Bezugsmaßstab für das Existenzminimum die staatliche Privatschulförderung unmittelbar und sind für die Verwirklichung der in Art. 7 Abs. 4 GG gewährleisteten Privatschulfreiheit damit von grundlegender und „wesentlicher“ Bedeutung. Insoweit handelt es sich nicht bloß um eine Rechengröße auf dem Weg zu einem ohnehin vorgegebenen Ergebnis (wie in dem vom OVG Sachsen-Anhalt durch Urteil vom 14.09.2006 - 2 L 406/03 - entschiedenen Fall), sondern um eine Tatsachen- und Vergleichsgrundlage, die den Landesgesetzgeber erst in den Stand versetzen soll, einen angemessenen Förderbetrag zu bestimmen und ggf. korrigierend nachzuführen (vgl. zur gesetzlich bestimmten Berechnungsgrundlage auch OVG Berlin, Urteil vom 14.09.2004 - 8 B 12/02 -, Rn. 46).
35 
Hierzu ist das Parlament indes nur in der Lage, wenn zur Vergleichsberechnung ein taugliches Verfahren gewählt wird, bei dem die für die Zuschussentscheidung relevanten Kosten im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt worden sind. Die Gewährleistung der in Art. 7 Abs. 4 GG garantierten Förderung strahlt daher auch auf die Gestaltung des Verfahrens aus. Zur Sicherstellung einer den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügenden Finanzhilfe hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlich Bedarf - und damit „realitätsgerecht“ - zu bemessen (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, NJW 2010, 505 [508 Rn. 139]).
36 
Allerdings bestand im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag des Klägers eine gesetzgeberische Festlegung für die Berechnung der Kosten des öffentlichen Schulwesens noch nicht. Die entsprechende Regelung in § 18a PSchG ist erst durch Änderungsgesetz vom 07.03.2006 (GBl. S. 71) eingefügt worden und am 14.03.2006 in Kraft getreten (vgl. Art. 4 Abs. 1 des Änderungsgesetzes). Für den davorliegenden Zeitraum gab es eine verbindliche Vorgabe des Landesgesetzgebers zur Berechnung der maßgeblichen Vergleichskosten nicht.
37 
Dieser Umstand steht einer Heranziehung des ab dem Jahr 2006 durch § 18a PSchG für verbindlich erklärten Bruttokostenmodells für den streitgegenständlichen Zeitraum 2003 indes nicht entgegen. Zwar hat das Änderungsgesetz das Inkrafttreten des Bruttokostenmodells nicht mit einer ausdrücklichen Rückwirkungsanordnung versehen. Dem Gesetz ist aber auch nicht zu entnehmen, dass das vom Landtag beschlossene Berechnungsmodell auf noch nicht abgeschlossene Förderverfahren zurückliegender Zeiträume nicht angewendet werden soll. Die zeitliche Vorgabe in § 18a Abs. 1 Satz 3 PSchG bezieht sich nur auf den Bericht der Landesregierung, der auch vor der Änderungsnovelle bereits auf Basis des Bruttokostenmodells erstellt worden war (vgl. LT-Drs. 13/3434, S. 2). Der Jahresangabe 2006 kommt nur insoweit Regelungscharakter zu, als damit eine Abweichung von dem in § 18a Abs. 1 Satz 3 PSchG ansonsten vorgegebenen Drei-Jahres-Rhythmus für die Landtagsunterrichtung verbunden war. Eine explizite Aussage zur Frage, auf welche Verfahren das in § 18a Abs. 1 Satz 1 angeordnete Berechnungsmodell selbst zur Anwendung gelangt, enthält das Änderungsgesetz dagegen nicht. Insoweit hat der Landtag aber bereits am 11.11.2004 seinen Willen zum Ausdruck gebracht, „die derzeit geltenden Maßstäbe und Bemessungsgrundlagen für die Förderung der Schulen in freier Trägerschaft so bald wie möglich dahingehend zu ändern, dass das sog. Bruttokostenmodell Bemessungsgrundlage der Schulen in freier Trägerschaft wird“ (LT-Drs. 13/5062, S. 1). Die vom Kultusministerium vorgelegten Kostenberechnungen erfolgen jedoch, um dem Landtag eine Überprüfung zu ermöglichen, inwieweit die Zuschüsse das Existenzminimum der Ersatzschulen sicherstellen (vgl. zutreffend etwa LT-Drs. 14/5590, S. 2). Sie nehmen damit auf tatsächlich existierende Kosten Bezug und müssen realitätsnah erstellt sein (vgl. auch OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.09.1997 - 3 L 218/96 -, Rn. 27). Nur so kann der auch im politischen Raum artikulierten Forderung entsprochen werden, dass die Bemessung der zutreffenden Förderhöhe nicht „gegriffen“ erscheint (vgl. LT-Drs. 13/3651, S. 3), sondern auf einer nachvollziehbaren Tatsachenbasis beruht. Diesem Anliegen entspricht das vom Gesetzgeber in § 18a PSchG normierte Bruttokostenmodell deutlich besser, als die zuvor in Ansatz gebrachten Berechnungsmethoden.
38 
Dies gilt in besonderer Weise für den Ansatz der in öffentlichen Schulen für Lehrkräfte aufgebrachten Kosten. Gerade diese aber stehen durch die verfassungskräftige Anordnung in Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG, wonach die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte genügend gesichert sein muss, im Zentrum der als Ausgleich für die statuierten Genehmigungsvoraussetzungen zu gewährenden Förderung. Auf den unmittelbaren Zusammenhang zwischen defizitärer staatlicher Förderung und der Absenkung der Lehrergehälter an privaten Schulen ist auch im Landtag wiederholt hingewiesen worden (vgl. etwa LT-Drs. 14/975, S. 3). Auch der Kläger selbst hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die defizitäre staatliche Förderung dazu führt, dass sie eine angemessene Entlohnung ihrer Lehrkräfte nicht mehr aufbringen kann. Bereits das bestehende Niveau der Lehrergehälter an den Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg erscheint aber nicht unbedenklich (vgl. zu den für einen beamteten Lehrer entstehenden Verzicht bereits Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 91). Zwar ist die Grenze für die „genügende Sicherung“ der wirtschaftlichen Stellung der Lehrkräfte im Sinne des Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG nicht abschließend geklärt. Ganz überwiegend wird insoweit vertreten, dass die Schwelle der noch möglichen Abweichung von dem Gehalt der Lehrer an vergleichbaren öffentlichen Schulen bei 10 bis 20 % anzusetzen sein wird (vgl. hierzu Sächs. OVG, Beschluss vom 07.06.2007 - 2 BS 96/07 -, Rn. 9; Geis, in: Friauf/Höfling, GG, Berliner Kommentar, Stand: Dezember 2009, Art. 7 Rn. 85; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 10. Aufl. 2009, Art. 7 Rn. 23); hinsichtlich der Versorgungsanwartschaften soll mindestens das Niveau der Angestelltenversicherung maßgeblich sein (vgl. etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.05.1988 - 19 A 2542/86 -, NVwZ-RR 1988, 80; Umbach, in: Umbach/Clemens, GG-Mitarbeiterkommentar, Band I, 2002, Art. 7 Abs. 4 Rn. 190). Jedenfalls muss die als Kompensation für die Genehmigungsvoraussetzung des Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG gewährte Förderung die Ersatzschulen in die Lage versetzen, entsprechende Lehrergehälter zu bezahlen. Verfahrensmäßige Absicherung dieser unmittelbar aus Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG folgenden Zuschussgewährung ist demgemäß, dass die Vergleichskosten der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen zutreffend eingestellt werden. Ein Berechnungsmodell, das schon strukturell die realitätsgerechte Betrachtung der als Vergleichsgröße heranzuziehenden Kosten der Lehrer an öffentlichen Schulen vereitelt, führt aber unweigerlich zu Fehlern in der Entscheidung über die zutreffende Höhe der den Privatschulen zu gewährenden Zuschüsse. Angesichts der Tatsache, dass die Unterschiede der Berechnungsmodelle insbesondere die Berücksichtigung der öffentlichen Ausgaben für die beamteten Lehrer betrifft (vgl. LT-Drs. 13/3434, S. 2: Berücksichtung eines Versorgungszuschlages und einer Beihilfenpauschale), erscheint es daher sachgerecht und zur Sicherstellung der in Art. 7 Abs. 4 GG gewährleisteten Privatschulfreiheit auch geboten, das vom Gesetzgeber selbst als vorzugswürdig erkannte Bruttokostenmodell „sobald wie möglich“ zur Anwendung zu bringen (vgl. LT-Drs. 13/5062, S. 1).
39 
Dies gilt umso mehr, als das zuvor herangezogene Kostenberechnungsmodell geeignet ist, wettbewerbsverzerrende Wirkungen zu entfalten. Einerseits werden danach zusätzliche Kosten der Privatschulen, die aus ihrem besonderen pädagogischen Profil erwachsen, nicht berücksichtigt (was für sich genommen nicht zu beanstanden ist); andererseits werden aber bei der Berechnung der Kosten an öffentlichen Schulen Positionen heraus gerechnet, die bei Privatschulen nicht anfallen. Diese Vorgehensweise erscheint im Hinblick auf die im Grundgesetz gewährleistete Privatschulfreiheit aber nicht frei von Bedenken, weil die Berechnungsweise öffentliche Schulen in wettbewerblicher Hinsicht systemwidrig bevorzugt. Mit der Ausblendung der dem öffentlichen Schulwesen spezifischen Kostenpositionen bei der Bestimmung des Vergleichsmaßstabes einerseits und der Nichtberücksichtigung der spezifischen Kosten des Privatschulbetriebes andererseits werden die jeweiligen Unterschiede zulasten der Privatschulträger doppelt in Ansatz gebracht. Es verstößt aber gegen den Grundsatz in sich stimmiger Systembildung, wenn bei der Vergleichskostenberechnung zwar die aus der Eigenart öffentlicher Schulen folgenden Kosten abgezogen, die aus der Eigenart der Privatschule resultierenden Positionen indes nicht berücksichtigt werden. Denn damit vereitelt der Staat den durch Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gewollten „schulischen Pluralismus auch gegen sich selbst“ (vgl. BVerfGE 75, 40 [66]; Hess. VGH, Beschluss vom 13.05.1999 - 7 UE 2961/95 -, NVwZ-RR 2000, 157 [Rn. 43]). Eine widerspruchsfreie Veranlagung der Vergleichskosten setzt daher entweder eine Berücksichtigung der jedenfalls gerade zur Verwirklichung des pädagogischen Konzeptes erforderlichen Aufwendungen voraus - da die Profilbildung und „Pluralität“ ja gerade Wesensmerkmal und Sinn der Privatschulautonomie ist (vgl. zur Zulässigkeit einer entsprechenden Differenzierung auch BVerfGE 75, 40 [71]) - oder aber eine realitätsnahe Maßstabsbildung der an öffentlichen Schulen tatsächlich anfallenden Kosten. Demgemäß hat der Senat auch bereits zum Ausdruck gebracht, dass die tatsächlichen Kosten eines Schülers an einer öffentlichen Schule auch unter Einbeziehung solcher Kosten, die bei Privatschulen nicht anfallen, nur „bis zu einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nicht eingestellt zu werden brauchen“ (vgl. Senatsurteil vom 19.07.2005 - 9 S 47/03 -, Rn. 42). Im Übrigen ist im Anhörungsverfahren zu Recht darauf hingewiesen worden, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht das vom Kultusministerium verwandte Berechnungsmodell, sondern das an den Vergleichskosten der öffentlichen Schulen orientierte Fördersystem gebilligt hatte (vgl. dazu die Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft freier Schulen Baden-Württemberg, LT-Drs. 13/3434, S. 5 und 7; zur Fehlerhaftigkeit des Berechnungsmodell im Einzelnen Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 40 ff. sowie zur vorgenommenen Korrektur gerade im Bereich der Personalkosten Rn. 53 ff.).
40 
Diese gesetzliche Regelung liegt mit § 18a PSchG zwischenzeitlich vor. Ihre Heranziehung für das vorliegende Verfahren erscheint - abgesehen von den dargelegten verfassungsrechtlichen Erwägungen und den beachtlichen Einwänden des Klägers gegen die fehlende Nachvollziehbarkeit und Sachbezogenheit des zuvor praktizierten Verfahrens - auch deshalb nicht unbillig, weil die Landesregierung selbst bereits vor Inkrafttreten des § 18a PSchG den Kostenvergleich zweigleisig berechnet und dem Landtag damit auch eine Berechnungsgrundlage auf Basis des Bruttokostenmodells zur Verfügung gestellt hatte (vgl. LT-Drs. 13/3434, S. 2 f.). Dem Landtag lag somit auch bei der Unterrichtung über die Vergleichskosten in dem vorliegend relevanten Zeitraum, der auf Basis der Zahlen aus dem Jahr 2002 erstellt wurde und dem Landtag die Möglichkeit einer rückwirkenden Korrektur oder Nachführung der Fördersätze gegeben hatte, eine Berechnung der Vergleichskosten öffentlicher Schulen nach dem Bruttokostenmodell vor. Die Anwendung des Bruttokostenmodells zeichnet damit den tatsächlichen Geschehensablauf nach und vermeidet eine verfassungsrechtlich problematische Heranziehung des bis zur Landtagsunterrichtung vom 27.12.2000 (vgl. LT-Drs. 12/5879) praktizierten Berechnungsverfahrens.
41 
4. Als Vergleichsmaßstab sind demnach die auf Basis des Bruttokostenmodells nach § 18a PSchG berechneten Kosten an öffentlichen Schulen heranzuziehen.
42 
Diese – ebenso wie die nach dem vorherigen Modell berechneten Kosten – liegen für das Jahr 2003 nicht vor. Auch das beklagte Land hat insoweit zur Vergleichsberechnung auf die für die Landtagsunterrichtung ermittelten Kosten des Jahres 2002 abgestellt. Ausweislich der Stellungnahme vom 15.06.2010 unterscheiden sich die Beträge nur minimal, so dass relevante Verzerrungen hierdurch nicht zu befürchten sind. Danach ist für öffentliche Grundschulen von Vergleichskosten in Höhe von 3.143,-- EUR auszugehen und für Gymnasien ein Jahresbetrag von 5.197,-- EUR einzustellen (vgl. LT-Drs. 13/3434, S. 3).
43 
Diese Sätze erscheinen - unbeschadet der auch an diesem Berechnungssystem bestehenden Kritikpunkte (etwa hinsichtlich der Gebäudeunterhaltungs- und Sachkosten, der Lehrerfortbildung und der Sonderkosten für Integrationsleistungen) - insgesamt ausreichend realitätsnah. Das belegt zunächst schon das verfügbare Datenmaterial des Statistischen Bundesamtes, das für Baden-Württemberg im Haushaltsjahr 2004 Ausgaben für Grundschulen in Höhe von 3.800,-- EUR und für Gymnasien von 5.700,-- EUR ausweist (vgl. Im Fokus: Ausgaben je Schüler/-in 2004, S. 6). Zieht man hiervon den beinhalteten Anteil für Investitionsausgaben in Höhe von rund 400,-- EUR (vgl. S. 7) ab, so ergeben sich Sätze, die den nach dem Bruttokostenmodell errechneten Beträgen bis auf eine Differenz von 250,-- EUR entsprechen. Ähnliches gilt auch für die Untersuchung des Steinbeis-Transferzentrum über die Schülerkosten in Baden-Württemberg im Jahr 2002, die - bei Abzug des Immobilienanteils - Kosten für öffentliche Grundschulen in Höhe von 3.851,38 EUR und an öffentlichen Gymnasien einen Betrag von 5.549,51 EUR ergab (vgl. Eisinger/Warndorf/Feldt, in: Hufen/Vogel, Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?, 2006, S. 243 [290 und 292]). Trotz unterschiedlicher Berechnungsansätze und Methoden – vgl. zur Kritik am Gutachten des Steinbeis-Transferzentrums die vom Beklagten vorgelegte Stellungnahme von Prof. Dr. G.../Dr. S... -, weichen die Beträge daher nicht in signifikanter Weise von dem nach dem Bruttokostenmodell anzusetzenden Vergleichskosten öffentlicher Schulen ab.
44 
Insbesondere aber zeigt der Vergleich mit den vom Bund der Freien Waldorfschulen selbst berechneten Kosten, dass die nach dem Bruttokostenmodell berechneten Kosten als Vergleichsbasis herangezogen werden können. Nach der von diesem herausgegebenen Broschüre „Zur wirtschaftlichen Lage der Freien Waldorfschulen in Deutschland“ vom Juni 2005 beliefen sich die Betriebskosten der Waldorfschulen in Baden-Württemberg im Jahr 2003 auf 3.372,-- EUR für die Klassen 1 bis 4 sowie auf 5.540,-- EUR für die Klassen 5 bis 13. Die damit bestehenden Mehrkosten im Bereich von rund 7 % dürften den – auch vom Kläger betonten - Zusatzkosten des Waldorf-Profils und den nicht unerheblichen Beiträgen an Bundes- und Landesarbeitsgemeinschaften geschuldet sein, so dass auch diese Werte keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die nach dem Bruttokostenmodell errechneten Vergleichskosten als Tatsachenbasis nicht herangezogen werden dürfen.
45 
Damit ist für die Klassen 1 bis 4 von Vergleichskosten an öffentlichen Grundschulen in Höhe von 3.143,-- EUR auszugehen (vgl. LT-Drs. 13/3434, S. 3). Angesichts des gewährten Zuschusses in Höhe von 2.005,80 EUR ergibt sich damit eine Deckungslücke von 1.137,20 EUR, monatlich also 94,77 EUR.
46 
Hinsichtlich der Klasse 13, die der Landesgesetzgeber den Gymnasien gleichgestellt hat, sind auf Basis des Bruttokostenmodells Vergleichskosten in Höhe von 5.197,-- EUR einzustellen. Abzüglich des gewährten Zuschusses von 4.082,15 EUR verbleiben damit 1.114,85 EUR und damit monatlich 92,90 EUR.
47 
In Bezug auf die Klassen 5 bis 12 geht das Land von einem Anteil in Höhe von 96,6 % der Vergleichskosten an öffentlichen Gymnasien aus, was nach dem Bruttokostenmodell zu einem Ansatz von 5.020,30 EUR führt. Bei Berücksichtigung des gewährten Zuschusses in Höhe von 3.944,62 EUR beläuft sich das Defizit hier auf 1.075,68 EUR, was einem monatlichen Betrag von 89,64 EUR entspricht.
48 
5. Die verbleibende Deckungslücke muss von den Privatschulträgern durch die Erhebung von Schulgeldern geschlossen werden.
49 
Diese Möglichkeit wird durch Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG jedoch insoweit begrenzt, als durch entsprechende Entgelte „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert“ werden darf. Das Grundgesetz will damit eine der deutschen Schultradition widersprechende Herausbildung von Eliteschulen für Besserverdienende - in der Art von „Standes- oder Plutokratenschulen“ (BVerfGE 75, 40 [63]) nach angelsächsischem Vorbild - vermeiden. Allerdings stellt grundsätzlich jede Schulgelderhebung aufgrund der unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten der Eltern schulpflichtiger Kinder eine potentielle Sonderung dar (so zutreffend Umbach, in: Umbach/Clemens, GG-Mitarbeiterkommentar, Band I, 2002, Art. 7 Abs. 4 Rn. 188). In dieser Schärfe ist die Bestimmung indes offenkundig nicht gedacht, weil sie dann als generelles Schulgelderhebungsverbot hätte formuliert werden können. Wo die maßgebliche Grenze verläuft und wie ein verfassungsgemäßes Schulgeld bestimmt werden kann, ist in Rechtsprechung und Literatur nicht geklärt.
50 
Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass die Privatschule „grundsätzlich allen Bürgern ohne Rücksicht auf ihre finanziellen Verhältnisse offenstehen“ müsse (BVerfGE 90, 107 [119]). Die Privatschule habe „allgemein zugänglich“ zu sein, zwar nicht in dem Sinne, dass sie wie die öffentliche Schule jeden Schüler bei Erfüllung allgemeiner Voraussetzungen aufnehmen müsse, wohl aber in dem Sinne, dass sie grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Wirtschaftslage besucht werden könne (vgl. BVerfGE 75, 40 [64]). Dafür reiche es nicht aus, nur in Ausnahmefällen für begabte oder besonders arme Kinder Schulgeldstipendien zu gewähren, zumal diese nur zu Lasten der anderen Schüler finanziert werden könnten (vgl. BVerfGE 90, 107 [119]).
51 
Die Annahme des Beklagten, die freie Zugänglichkeit könne bereits „mit Stipendiensystemen und/oder mit nach Einkommen der Eltern gestaffelten Schulgeldern erfüllt werden“ (Schriftsatz vom 15.06.2010, S. 7), trifft daher nicht zu. Denn derartige Modelle führen zwangsläufig dazu, dass die Ermäßigungen durch einen erhöhten Beitrag der verbleibenden Plätze finanziert werden müssen. Entsprechende Kompensationssysteme fördern daher unausweichlich eine „Sonderung nach den Besitzverhältnissen der Eltern“, weil die regulären Plätze nur noch an Schüler vergeben werden können, deren Eltern in der Lage sind, die erhöhten Beiträge zu bezahlen. Dies gilt auch für einkommensorientierte Schulgeldstaffelungen. Auch diese sind nur dann in der Lage, den zur Finanzierung erforderlichen Durchschnittsatz zu erzielen, wenn sichergestellt ist, dass die gewährten Ermäßigungen durch eine ausreichende Anzahl von „Mehrbezahlern“ aufgefangen werden. Die Aufnahme einkommensschwacher Schüler hat daher denknotwendig zur Folge, dass bei der Vergabe der übrigen Plätze eine Auswahl nach den Einkommensverhältnissen stattfindet. Anders kann der zur Kostendeckung erforderliche Durchschnittsatz nicht erreicht werden. Finanzierungssystemen, die von der Aufnahme der Kinder begüterter „Mäzen“-Eltern oder „Plutokraten“ abhängen, hat das Grundgesetz aber eine ausdrückliche Absage erteilt. Staffelmodelle sind daher zur Gewährleistung des Sonderungsverbotes tendenziell ungeeignet und entsprechen den verfassungsrechtlichen Vorgaben nur dann, wenn ihr Regelsatz der verfassungsrechtlich zulässigen Schulgeldhöhe entspricht. So lag auch der Fall im Senatsurteil vom 12.01.2000 (- 9 S 317/98 -, Rn. 81; dazu auch VG Stuttgart, Urteil vom 02.02.2010 - 13 K 3238/09 -, Rn. 22), so dass die vom Beklagten in Anspruch genommene Bezugnahme ins Leere geht.
52 
Entscheidend ist damit die Frage, ob - und bis zu welcher Höhe - das Schulgeld noch als „sozial verträglich“ bewertet werden kann, so dass die Erhebung nicht zu einer faktischen Zugangssperre führt, die von „Normalbürgern“ nicht mehr überwunden werden kann und durch die die Privatschule als eine Einrichtung für „Besserverdienende“ erscheinen würde (vgl. etwa Bay. VerfGH, Entscheidung vom 09.10.2007 – Vf. 14-VII-06 -, BayVBl 2008, 78; Schmitt-Kammler, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 7 Rn. 64; Hufen, in: Hufen/Vogel, Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?, 2006, S. 49 [70]). Klarstellend ist dabei darauf hinzuweisen, dass „Schulgeld“ nur diejenigen Beiträge sind, die den Eltern zur Abgeltung des Unterrichts abverlangt werden. Darüber hinaus gehende Leistungen wie Verpflegung, Ganztagsbetreuung oder Internatsunterbringung sind hiervon nicht erfasst (vgl. auch LT-Drs. 10/2339, S. 7).
53 
Hinsichtlich des Bezugsmaßstabes ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Empfänger staatlicher Sozialleistungen bei der Feststellung einer „grundsätzlichen“ Allgemeinzugänglichkeit nicht einzubeziehen sind. Der mit den nach dem Sozialgesetzbuch gewährten Hilfen zum Lebensunterhalt angestrebte „notwendige Lebensunterhalt“ wird vielmehr bereits durch die öffentlichen Schulen gedeckt, die in Baden-Württemberg gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 der Landesverfassung unentgeltlich sind. Die zusätzlichen Kosten für den Besuch einer Privatschule sind daher bei der Bemessung staatlicher Sozialleistungen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.08.1992 - 5 C 70/88 -, NVwZ 1993, 691; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 16.09.2006 - L 6 AS 8/05 -, NZS 2007, 164). Folgerichtig muss das bei der Bemessung der Regelleistungen nicht berücksichtigte Schulgeld auch nicht so bemessen sein, dass es von einem Bezieher von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II oder XII entrichtet werden kann. Dem entspricht auch, dass das Bundesverfassungsgericht im „Hartz IV-Urteil“ als Referenzgruppe für die „Bezieher von geringen Einkommen“ die Vorgaben aus § 2 Abs. 3 der Regelsatzverordnung gebilligt hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, NJW 2010, 505 [511 Rn. 168]). Danach sind die Verbrauchsausgaben der untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte nach Herausnahme der Empfänger von Leistungen der Sozialhilfe zu Grunde zu legen.
54 
Ein Anhaltspunkt für die Bestimmung der Höhe ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht nur insoweit zu entnehmen, als Beträge in der Größenordnung von monatlich 170,-- bis 190,-- DM im Jahr 1985 als „auf der Hand liegend“ über dem eingestuft worden sind, was „von allen Eltern gezahlt werden“ könne (vgl. BVerfGE 90, 107 [119]). Der erkennende Senat hat für das Jahr 1986 auf dieser Basis einen Schulgeldsatz von 130,-- DM für die Grenze des Hinnehmbaren gehalten und zur Berechnung der Sätze in späteren Jahren die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes herangezogen. Für das Jahr 1992 ist demgemäß ein monatliches Schulgeld von 150,-- DM und für das Jahr 2000 ein Betrag von 120,-- EUR als unbedenklich eingestuft worden (vgl. Senatsurteil vom 19.07.2005 - 9 S 47/03 -, Rn. 45). Der Senat hat aber zum Ausdruck gebracht, dass diese Festlegung angesichts fehlender Sachverständigengutachten Züge einer „teilweise willkürlichen Grenzziehung“ trägt (Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 77). Nachfolgende Festlegungen oder auch nur Aussagen des Landesgesetzgebers sind indes nicht ersichtlich. Auch die vom Land im Rahmen dieses Verfahrens vorgelegten Sachverständigenstellungnahmen lassen positive Eingrenzungen nicht zu und erschöpfen sich in einer Kritik der vom Steinbeis-Transferzentrum erarbeiteten Untersuchung.
55 
Der Kläger geht – in Anlehnung an die von Eisinger u.a. herausgegebene Studie des Steinbeis-Transferzentrums „Grenzen der Belastbarkeit privater Haushalte mit Schulgeld vor dem Hintergrund des Sonderungsverbotes nach Art 7 GG - Eine Untersuchung für das Land Baden-Württemberg“, 2007 - von einem Satz in Höhe von 50,-- EUR aus. Nach Auffassung des beklagten Landes liegt das durchschnittlich zulässige Schulgeld für das Bezugsjahr 2003 dagegen in einer Größenordnung zwischen 112,-- und 120,-- EUR. Eigene Ermittlungen hierzu haben beide Beteiligte (ebenso wie das VG Stuttgart im Urteil vom 02.02.2010 - 13 K 3238/09 -) indes nicht angestellt. Bemerkenswert ist überdies, dass das Land im Rahmen der Genehmigungspraxis offenbar (entgegen den Vorgaben des § 5 Abs. 1 PSchG) einen anderen Maßstab zugrunde legt. Denn ausweislich der vom Gericht angeforderten Übersicht lag die geforderte Schulgeldhöhe bei allen im Jahr 2003 genehmigten Ersatzschulen durchgängig höher. Nach der für den Zuständigkeitsbereich des Regierungspräsidiums Stuttgart vorgelegten Liste lag die Schulgeldhöhe für die im Jahr 2003 genehmigte Grundschule bei 150,-- EUR, für die genehmigte Haupt- und Werkrealschule bei 190,-- EUR und bei dem genehmigten Gymnasium sogar bei 642,-- EUR.
56 
Nach den Ausführungen der Gutachter im Termin zur mündlichen Verhandlung ist allenfalls ein „Betrag in Höhe von maximal 50,-- bis 60,-- EUR anzusetzen, ohne ein gesteigertes Risiko einer nicht verfassungskonformen Separation einzugehen“ (Schriftliche Stellungnahme vom 08.07.2010, S. 13). Höhere Beiträge seien insbesondere für Alleinerziehende untragbar, weil damit die „Armutsrisikoschwelle“ überschritten werde. Diese Erwägungen sind von den Gutachtern in der mündlichen Verhandlung ausführlich und nachvollziehbar dargelegt worden. Soweit die vom Beklagten in die mündliche Verhandlung gestellten Sachverständigen Prof. Dr. W... und Dr. S... Einwendungen hiergegen erhoben haben, betreffen diese maßgeblich die methodische Entscheidung einer Datenermittlung auf Basis von EVS-Stichproben. Dass eine detailliertere Erhebung anhand der Mikrozensus-Datensätze präzisere Auskünfte zulassen würde, ist auch von den Gutachtern nicht in Frage gestellt worden. Eine derartige Studie liegt indes nicht vor. Auch das beklagte Land hat die Notwendigkeit einer entsprechenden Erhebung weder behauptet noch entsprechende Ermittlungen angestellt. Insoweit ist auch nicht ersichtlich, wer über bessere Forschungsmittel oder größere Erfahrung auf diesem Gebiet verfügen könnte. Die von den Gutachtern abgegebene Stellungnahme erscheint auf ihrem methodischen Ansatz jedenfalls schlüssig und weist nach Überzeugung des Senats auch keine groben, offen erkennbaren Mängel oder unlösbare Widersprüche auf (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30.08.2000 - 2 B 28/00 - und vom 04.12.1991 - 2 B 135/91 -). Soweit von den Sachverständigen Prof. Dr. W... und Dr. S... konkrete Einzelannahmen in Zweifel gezogen worden sind, ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass hiermit eine wesentliche Änderung des Gesamtergebnisses verbunden wäre. Vielmehr haben die Gutachter im Einzelnen jeweils darauf hingewiesen, dass die gerügten Punkte auf Basis des gewählten Ausgangsmodells nicht von durchschlagender Bedeutung sind. Diese Einschätzung erscheint dem Senat plausibel, so dass die Richtigkeit der dem Gutachten zugrunde gelegten Tatsachen sowie der hieraus gezogenen Schlussfolgerungen jedenfalls ausreichend tragfähig erscheinen. Auch wenn andere Datenerhebungsverfahren möglicherweise vorzugswürdig sein könnten, ist insgesamt doch nicht zu erkennen, dass die gewählte Untersuchungsmethodik unzureichend oder ungeeignet wäre, die gestellte Frage vertretbar zu beantworten. Eine präzisere, speziell auf den Bereich des Landes zugeschnittene und methodisch auf eine breitere Datenbasis gestützte Ermittlung des für Baden-Württemberg zumutbaren Schulgeldes muss daher einer im Rahmen der künftigen Gesetzgebung veranlassten Untersuchung vorbehalten bleiben.
57 
Bei den Ausführungen der Gutachter ist allerdings zu berücksichtigen, dass die erhobene Datenbasis auch Empfänger staatlicher Sozialleistungen einbezogen hatte und dies aus methodischen Gründen im Nachhinein nicht bereinigt werden kann. Die im Vergleich zur Ausgangsstudie nur geringfügige Anhebung der Schwellensätze beruht deshalb auf der Annahme, dass die Ergebnisse durch die Einbeziehung von Sozialleistungsempfängern „in nicht übermäßig hohem Maße beeinflusst“ ist (Schriftliche Stellungnahme vom 08.07.2010, S. 10). Insoweit erscheint es dem Senat angemessen, einen „Sicherheitszuschlag“ von 10,-- EUR anzusetzen. Der sich damit ergebende Betrag von rund 70,-- EUR entspricht in etwa auch Art. 47 Abs. 3 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes, der in der für das Streitjahr 2003 gültigen Fassung lautet: „Für Schüler staatlich anerkannter Realschulen, Gymnasien, beruflicher Schulen oder Schulen des Zweiten Bildungswegs ersetzt der Staat den Erziehungsberechtigten oder volljährigen Schülern das Schulgeld bis zum Betrag von 66,-- EUR je Unterrichtsmonat“. Daraus kann abgeleitet werden, dass der bayerische Landesgesetzgeber Schulgelderhebungen in dieser Größenordnung als zulässig erachtet hat (vgl. dazu auch Bay. VerfGH, Entscheidung vom 09.10.2007 – Vf. 14-VII-06 -, BayVBl 2008, 78). Hiervon muss nach den verfügbaren Erkenntnissen auch im vorliegenden Verfahren ausgegangen werden.
58 
6. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes können im Falle des Klägers keine weiteren Eigenleistungen zur Finanzierung des laufenden Betriebs in Ansatz gebracht werden.
59 
Es entspricht gesicherter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass Ersatzschulträger eine angemessene Eigenleistung erbringen müssen. Der Staat darf erwarten, dass der Schulträger seinem Interesse an der Verwirklichung eigener Ziele und Vorstellungen im schulischen Bereich auch eigenes finanzielles Engagement folgen lässt. Finden sich nicht genügend Eltern, die bereit und in der Lage sind, als Schulträger eine Anschubfinanzierung für die von ihnen gewollte Schule zu tragen, so ist es nicht Sache des Staates, dem abzuhelfen. Die Anfangsfinanzierung für die Gründung einer Privatschule darf dem freien Träger von Verfassungs wegen daher überbürdet werden (vgl. BVerfGE 90, 107 [120]; dazu auch bereits BVerfGE 75, 40 [68]).
60 
Nicht gefordert werden kann dagegen die Bereitschaft, eigenes Vermögen für den laufenden Betrieb einer privaten Ersatzschule auf Dauer einzusetzen (vgl. BVerfGE 90, 107 [119]). Damit würde die Grenze von zumutbarer Eigenleistung zu unzumutbarer Aufopferung von Vermögenswerten überschritten (vgl. Kloepfer/Meßerschmidt, DVBl 1983, 193 [200]). Vielmehr muss der Staat seine Privatschulförderung so auslegen, dass beim Betrieb von Privatschulen der Stamm etwa eingesetzten Vermögens grundsätzlich erhalten werden kann (so bereits Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 99). Für die rechtliche Konstellation der Freien Waldorfschulen - und im Speziellen auch die des Klägers - ergibt sich dies bereits daraus, dass die Schulträger weitgehend mit den Eltern der die Einrichtung besuchenden Schüler identisch sind. Eigenbeiträge zum laufenden Betrieb erweisen sich insoweit als zum Schuldgeld funktional äquivalent. Unabhängig von den auch von Gründungseltern verlangten Vorleistungen zur Verwirklichung ihrer bildungspolitischen Ziele, können von ihnen weitere Eigenleistungen zur Finanzierung des laufenden Betriebs nicht gefordert werden. Insoweit geht es nicht mehr um Vorleistungen der „Gründungseltern“ für das Ingangsetzen der Schule (vgl. BVerfGE 90, 107 [120]), sondern um eine Dauerleistungspflicht der „reinen Nutzungseltern“ (so zutreffend Jach, in: Jach/Jenkner, Festschrift zum 65. Geburtstag von J. P. Vogel, 1998, S. 75 [84 f.]). Im Falle der vom Kläger betriebenen Schule, die seit bald 35 Jahren besteht, ist dies evident. Auch das Land hat im Berufungsverfahren die Auffassung vertreten, dass alle Beiträge, die von Eltern verpflichtend erhoben werden, dem Schulgeld zuzurechnen sind (vgl. Schriftsatz vom 15.06.2010, S. 8). Damit wird indes das Sonderungsverbot aus Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG berührt, weil es für diese Eltern nicht mehr um die Beteiligung an der Gründung einer Schule geht, sondern allein um den Zugang zu einer bestehenden Privatschule (vgl. dazu Schmitt-Kammler, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 7 Rn. 70).
61 
Dieses Ergebnis folgt im Übrigen auch daraus, dass den in Trägerschaft von Eltern betriebenen Ersatzschulen regelmäßig weitere Möglichkeiten zu zumutbaren Eigenleistungen nicht zur Verfügung stehen. Vielmehr reicht das Eigenvermögen zur Deckung der Investitionskosten und zur Überbrückung der dreijährigen Wartefrist nicht aus, sodass die notwendige Anfangsfinanzierung ohnehin nur durch die Aufnahme von Krediten leistbar ist. Privatschulträger erhalten nach § 18 Abs. 7 PSchG für die Schulbaukosten einen Zuschuss von 37% (in zehn jährlichen Raten und damit entsprechend geringerem Barwert). Rund zwei Drittel der Baukosten sowie die gesamten Kosten eines Grundstückserwerbs müssen daher durch Eigenmittel aufgebracht werden. Auch die zur Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs gedachten Zuschüsse werden gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 PSchG erst drei Jahre nach Aufnahme des Unterrichts gewährt. Die Gründung einer privaten Ersatzschule ist daher mit einem erheblichen Finanzaufwand verbunden, der von den Trägern weitgehend alleine erbracht werden muss. Dies wird regelmäßig nur durch Aufnahme entsprechender Darlehen bewältigt werden können, schon weil in der Gründungsphase nur ein kleiner Elternstamm vorhanden ist - Freie Waldorfschulen etwa beginnen stets mit nur einer und oft nicht voll belegten Klasse. Diese Vorleistungen hat das Bundesverfassungsgericht gebilligt, um den Einsatz staatlicher Fördermittel von dem Nachweis einer hinreichend soliden Wirtschaftsbasis und einem ausreichenden pädagogischen Bedürfnis für das Schulkonzept abhängig zu machen. Der erkennende Senat hat aber bereits klargestellt, dass durch diese den Privatschulträgern aufgebürdete Anschubfinanzierung ein etwa vorhandenes Vermögen, das einzusetzen dem Schulträger zumutbar ist, vollständig gebunden wird. Damit steht es zur Finanzierung der laufenden Betriebskosten nicht mehr zur Verfügung (vgl. Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 101).
62 
Die Richtigkeit dieser Annahme wird durch die im Verfahren vorgelegten Daten untermauert. Sowohl die Schule des Klägers als auch die Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg generell haben im laufenden Betrieb erhebliche Zins- und Tilgungsbelastungen zu tragen, die aus der Vorfinanzierung der Schulgründung stammen. Für das Jahr 2003 etwa weist die Ergebnisrechnung des Klägers bereits Zinsverbindlichkeiten von über 90.000,-- EUR aus. Berücksichtigt man zudem die Tilgungslasten, ergeben sich bei Zugrundelegung des Afa-Ansatzes weitere 130.000,-- EUR (vgl. Anlage 35 der Berufung). Damit sind 40,-- EUR pro Schüler und Monat bereits gebunden, um die Vergangenheitslasten der Gründung zu tragen.
63 
Aussagen über die wirtschaftliche Existenzfähigkeit der Privatschulträger dürfen die Investitionskosten aber nicht ausblenden (vgl. Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 87); vielmehr müssen die Förderregelungen nach Bestehen des Erfolgstests sogar einen „wie immer gearteten Ausgleich“ für die Gründungskosten vorsehen (vgl. BVerfGE 90, 107 [121]). Die Erwägungen im Senatsurteil vom 19.07.2005 (- 9 S 47/03 -), auf die der Beklagte Bezug genommen hat, finden auf die vorliegend anzutreffende Fallkonstellation einer in der Trägerschaft von Eltern als Ersatz für eine allgemeinbildende weiterführende Schule betriebenen Einrichtung aus den dargelegten Gründen keine Anwendung; gleiches gilt für den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 04.03.1997 (- 1 BvL 26/96 u.a. -). Im Übrigen war dort auch nur eine „übergangsweise“ Unterfinanzierung erörtert worden.
64 
Der laufende Betrieb der Ersatzschule kann auch nicht durch die Inanspruchnahme „hinter dem Schulträger stehender finanzstarker Kreise“ oder das Einwerben von Spenden (teil-)finanziert werden. Abgesehen davon, dass derartige Einkünfte unsicher sind und erheblichen Schwankungen unterliegen, so dass sie nur eingeschränkt als verlässliche Finanzierung für die bestehenden Verpflichtungen (insbesondere etwa gegenüber den Lehrkräften) taugen und den auch von der Rechtsprechung anerkannten Notwendigkeiten der Planungs- und Kalkulationssicherheit nicht genügen (vgl. aktuell etwa BVerwG, Urteil vom 21.01.2010 - 5 CN 1/09 -, Rn. 47), lässt dieser Finanzierungsansatz auch die tatsächlichen Gegebenheiten außer Betracht. Diese, vom „herkömmlichen Bild der Privatschule“ geprägte Vorstellung kann möglicherweise für eine kirchliche Schule Geltung beanspruchen, nicht aber für eine in Elternträgerschaft betriebene Einrichtung, die weder über finanzstarke Kräfte noch über ein Stiftungsvermögen o.ä. verfügt (vgl. dazu bereits Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 104; zum „neuen Erscheinungsbild“ der von Eltern getragenen Privatschulen auch Vogel, in: Hufen/Vogel, Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?, 2006, S. 153 [157]). Dies gilt um so mehr, als zusätzliche Einnahmen des Schulträgers nach dem Förderkonzept des Landes ohnehin erforderlich sind, um die aus dem besonderen pädagogischen Ansatz folgenden „Profilkosten“, Sonderausstattungen oder Veranstaltungen zu finanzieren. Es entspricht daher nicht dem Gewährleistungsgehalt der Privatschulautonomie, die wirtschaftliche Existenz freigemeinnütziger Ersatzschulen von derartigen Zuwendungen Dritter abhängig zu machen.
65 
Auch diese Einschätzung wird durch die im vorliegenden Verfahren gewonnenen Erkenntnisse bekräftigt. Zwar ist es dem Kläger gelungen, über die Schulgeldbeiträge in Höhe von 867.000,-- EUR hinaus zusätzliche Einkünfte in beachtlichem Umfang zu erzielen. Sowohl das Spendenaufkommen von rund 60.000,-- EUR als auch die über 5.000 geleisteten Arbeitsstunden und die zinslos gewährten Darlehen sind aber fast ausschließlich von Eltern erbracht worden. Darüber hinaus gehende Einkunftsmöglichkeiten sind weder ersichtlich noch wären sie zumutbar.
66 
Tatsächlich bleiben zur Finanzierung der Deckungslücke damit nur Kredite. Ob diese in Form von Baustein-Darlehen der Schuleltern – wie im Falle des Klägers -, unmittelbaren Kapitaldarlehen von Eltern und/oder Freunden oder durch Bankdarlehen aufgenommen werden, ist dabei letztlich unerheblich. Von den eine allgemeinbildende Schule ersetzenden Privatschulträgern eine über die Anfangsfinanzierung hinausgehende Finanzierung des laufenden Betriebes über Darlehen zu verlangen, muss zwangsläufig zu einer fortschreitenden Verschuldung und damit auf Dauer zu einer Gefährdung der Institution führen. Denn eine dauerhafte institutionelle Sicherung der Privatschulen ist nur gewährleistet, wenn es den Schulträgern nach dem bestehenden Regelungsgefüge möglich ist, bei sach- und ordnungsgemäßer Haushaltsführung kumulierende Defizite zu vermeiden. Eine strukturelle begründete Existenzgefährdung liegt dagegen vor, wenn die Überschuldung zwangsläufig eintreten muss. Denn dann ist die Gefährdung des Privatschulwesens systembedingt und das erforderliche Existenzminimum nicht in hinreichender Weise gewährleistet (vgl. Jach, in: Jach/Jenkner, Festschrift zum 65. Geburtstag von J. P. Vogel, 1998, S. 75 [78 und 83]).
67 
7. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem für staatliche Förderverpflichtungen stets geltenden „Vorbehalt dessen, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden kann“ (vgl. BVerfGE 75, 40 [68]).
68 
Denn der aus der Normstruktur des Art. 7 Abs. 4 GG folgende Ausgleichsanspruch findet seine Begründung in der Verfassung selbst und steht damit nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers (so zutreffend auch bereits LT-Drs. 10/2338, S. 10 II.). Er unterscheidet sich damit grundlegend von staatlichen Subventionen, die eine verfassungsrechtliche Fundierung - abgesehen von dem Anspruch auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG - regelmäßig nicht aufweisen können und auch in ihrem Bestand grundsätzlich dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers anheimgestellt sind. Der im Rahmen des Art. 7 Abs. 4 GG geltende „Vorbehalt des Möglichen“ ist daher von einem einfachen Haushaltsvorbehalt strikt zu unterscheiden und unterliegt einem bereichsspezifisch strengen Maßstab (vgl. auch Jach, in: Jach/Jenkner, Festschrift zum 65. Geburtstag von J. P. Vogel, 1998, S. 75 [91 ff.]).
69 
Ähnlich, wie vom Bundesverfassungsgericht für die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG festgestellt, folgt auch im Gewährleistungsbereich der Privatschulfreiheit des Art. 7 Abs. 4 GG der Leistungsanspruch schon aus der Tatsache, dass der staatliche Schutz zur Wahrung des grundrechtlich gesicherten Freiheitsraums unerlässlich ist. Die Ausübung der verfassungsrechtlich verbürgten Freiheiten ist hier „notwendig mit einer Teilhabe an staatlichen Leistungen verbunden“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 29.05.1973 - 1 BvR 424/71 u.a. -, BVerfGE 35, 79 [115]; dazu auch Hufen, in: Hufen/Vogel, Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?, 2006, S. 49 [74]). Insoweit weist die Privatschulfreiheit auch Parallelen zur Rundfunkfreiheit auf, für die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung erklärt, dass unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch das Recht der Rundfunkanstalten folgt, die zur Erfüllung ihrer Funktion nötigen Mittel zu erhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.10.1992 - 1 BvR 158/89 u.a. -, BVerfGE 87, 181 [198]; hierzu auch Ossenbühl, in: Hufen/Vogel, Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?, 2006, S. 95 [117]). Nur so sei der Wettbewerb im dualen System sichergestellt (vgl. BVerfG, Urteil vom 22.02.1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60 [92]). Die Finanzausstattung steht daher nicht im Belieben des Gesetzgebers, sondern ist zur Verwirklichung der Grundrechte geboten.
70 
Das für das Jahr 2003 bestehende Förderniveau zur Unterstützung der laufenden Ausgaben von privaten Ersatzschulen in Baden-Württemberg ist daher defizitär.
II.
71 
Diese Defizite werden durch Art. 14 Abs. 2 Satz 3 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11.11.1953 (GBl. S. 173 - künftig: LV -) teilweise ausgeglichen.
72 
Diese Vorschrift räumt Privatschulträgern unter bestimmten Voraussetzungen einen verfassungsunmittelbaren Ausgleichsanspruch für den Verzicht auf Schulgelderhebungen ein (1.), der bei der Zuschussgewährung des Beklagten berücksichtigt werden muss (2.). und im Falle des Klägers zu einem Ausgleichsanspruch führt (3.).
73 
1. Art. 14 Abs. 1 LV ordnet eine allgemeine Schulpflicht an, die in Absatz 2 der Vorschrift durch die Anordnung der Schulgeldfreiheit abgefedert wird. Art. 14 Abs. 2 LV lautet:
74 
„Unterricht und Lernmittel an den öffentlichen Schulen sind unentgeltlich. Die Unentgeltlichkeit wird stufenweise verwirklicht. Auf gemeinnütziger Grundlage arbeitende private mittlere und höhere Schulen, die einem öffentlichen Bedürfnis entsprechen, als pädagogisch wertvoll anerkannt sind und eine gleichartige Befreiung gewähren, haben Anspruch auf Ausgleich der hierdurch entstehenden finanziellen Belastung. Den gleichen Anspruch haben auf gemeinnütziger Grundlage arbeitende private Volksschulen nach Art. 15 Abs. 2. Näheres regelt ein Gesetz.“
75 
Bereits dem Wortlaut nach statuiert Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV selbst einen „Anspruch“, der sowohl hinsichtlich des Umfangs - Ausgleich der durch Unentgeltlichkeit von Unterricht und Lernmittel entstehenden finanziellen Belastung - als auch in Bezug auf den Kreis der Begünstigten abschließende und hinreichend bestimmte Regelungen trifft.
76 
Dabei zeigt auch die systematische Stellung zur Schulgeldfreiheit in Art. 14 Abs. 2 Satz 1 LV, dass mit der in Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV verankerten Gewährleistung eine Kompensation der Privatschulträger für den Verzicht auf eine Schulgelderhebung begründet wird. Denn mit der Formulierung „gleichartige Befreiung“ verweist Satz 3 der Norm auf deren Satz 1 (vgl. zur Verknüpfung der Privatschulförderung mit der Absicherung der allgemeinen Schulgeldfreiheit deutlich auch bereits Feuchte, Quellen zur Entstehung der Verfassung von Baden-Württemberg, Bd. 8, 1992, S. 559).
77 
Insbesondere aber belegt die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, dass mit Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV ein verfassungsunmittelbar begründeter, individueller Ausgleichsanspruch statuiert werden sollte (vgl. hierzu auch Pieroth/Kromer, VBlBW 1983, 157 [159 ff.]).
78 
Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV geht auf einen Antrag der - damals in der Opposition befindlichen - CDU-Fraktion zurück. Der Antrag wurde in der 43. Sitzung der Verfassunggebenden Landesversammlung vom 24.06.1953 zunächst abgelehnt (vgl. Feuchte, Quellen zur Entstehung der Verfassung von Baden-Württemberg, Bd. 8, 1992, S. 563), nachdem von den Vertretern der Mehrheitsfraktionen die Risiken und Unwägbarkeiten der verfassungsrechtlichen Verankerung eines entsprechenden Anspruchs drastisch ausgemalt worden sind.
79 
Sowohl im Plenum als auch in dem vorangegangenen Verfassungsausschuss (vgl. hierzu Feuchte, Quellen zur Entstehung der Verfassung von Baden-Württemberg, Bd. 6, 1991, S. 365 ff.) ist die Einräumung eines verfassungsunmittelbaren Anspruchs von den Vertretern der Mehrheitsfraktionen als „völlig unmöglich“ („Quellen“, Band 6, S. 366), „unter keinen Umständen“ akzeptabel („Quellen“, Band 6, S. 421) und „nicht zu verantworten“ („Quellen“, Band 8, S. 549) gebrandmarkt worden.
80 
Dabei bestand zwar grundsätzliche Einigkeit, dass Privatschulen als sinnvolle „Konkurrenz“ und „Belebung“ („Quellen“, Band 6, S. 366), als produktive „Unruhe im öffentlichen Schulwesen“ („Quellen“, Band 6, S. 427) und zur Gewährleistung von „Vielgestaltigkeit und Vielfarbigkeit“ (in Abgrenzung zur Schuleinheitlichkeit des Dritten Reichs; vgl. „Quellen“, Band 6, S. 417) sinnvoll und erforderlich sind. Heftiger - und ausführlich ausgetragener - Streit bestand indes über die Frage, ob Förderansprüche verfassungsrechtlich abgesichert werden sollten. Die Etablierung derartig „klagbarer Rechtsansprüche in der Verfassung“ („Quellen“, Band 8, S. 541) wurde von den Vertretern der Mehrheitsfraktionen SPD und FDP/DVP jedoch kategorisch abgelehnt. Angesichts der Unvorhersehbarkeit der künftigen Entwicklung könne die Verfassung den Privatschulen nicht Geldzuwendungen „in nicht voraussehbarem Maße“ versprechen (vgl. „Quellen“, Band 8, S. 541). Durch eine entsprechende Verankerung werde ein unabsehbares „Tor aufgemacht“ („Quellen“, Band 6, S. 419), durch das eine „Fülle von Reforme[r]n“ („Quellen“, Band 6, S. 375) im „freien Lauf“ („Quellen“, Band 6, S. 421) und „ohne jede Begrenzung“ („Quellen“, Band 6, S. 419) sich „zahllos und wahllos“ entwickeln könnten („Quellen“, Band 6, S. 438). Einen derartigen Anspruch, der auch dann bestehe, wenn „an einer weiteren Förderung der Privatschulen überhaupt kein Interesse mehr“ vorhanden sei („Quellen“, Band 6, S. 427) und der so zu „einer Aushöhlung des öffentlichen Schulwesens führen“ könne („Quellen“, Band 6, S. 366), werde man unter „keinen Umständen mitmachen“ („Quellen“, Band 6, S. 421).
81 
Etwas anderes könne auch nicht aus der Entlastung für die öffentlichen Schulen gefolgert werden, weil sich diese im Ergebnis nicht als „nennenswert“ erweise („Quellen“, Band 6, S. 437); vielmehr würden sich die Schüler, wenn entsprechende Privatschulen nicht vorhanden wären, auf die bestehenden Schulen der Stadt verteilen, ohne dass deswegen weitere Schulen gebaut werden müssten („Quellen“, Band 8, S. 548).
82 
Zusammenfassend kann exemplarisch auf die Stellungnahme des Abgeordneten der FDP/DVP Dr. Gönnenwein im abschließenden Plenum verwiesen werden:
83 
„Ich möchte die Frage verneinen, denn wenn wir die Fassung des Artikel 15b annehmen, dann ist die automatische Folge einer Konzessionierung einer Privatschule auch der Anspruch auf eine Staatsunterstützung. Da aber der Staat in der Erteilung oder Ablehnung einer Konzession für eine Privatschule nach Artikel 7 GG nicht frei ist, würde das bedeuten, dass jede Privatschule, die die Normativbestimmungen des Artikels 7 GG erfüllt, automatisch auch den Rechtsanspruch auf einen Staatszuschuss, einen klagbaren Rechtsanspruch erworben hat, und das geht uns entschieden zu weit“ („Quellen“, Band 8, S. 542).
84 
Trotz dieser drastisch herausgearbeiteten Bedenken - und damit in voller Kenntnis derselben - hat die Verfassunggebende Landesversammlung die Regelung letztendlich beschlossen und verabschiedet. Die Vorschrift, die erst im Rahmen des „Schulkompromisses“ (vgl. dazu Feuchte, Verfassungsgeschichte von Baden-Württemberg, 1983, S. 68 ff. und 196 ff.) durchgesetzt wurde, ist beschrieben worden als „gewissermaßen der Preis, den die SPD für die Verankerung der Unentgeltlichkeit von Unterricht und Lernmitteln in der Verfassung bezahlen musste“ (so Spreng/Birn/Feuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1954, Art. 14 Rn. 4; ähnlich auch Feuchte, Verfassungsgeschichte von Baden-Württemberg, 1983, S. 187).
85 
Schließlich folgt auch aus Sinn und Zweck der verfassungsrechtlichen Verankerung, dass mit der Gewährleistung eine unmittelbare Begünstigung der betroffenen Privatschulträger erreicht werden soll. Denn die in der Verfassung selbst niedergelegte Anspruchsbegründung soll sicherstellen, dass „der Landtag die Mittel bewilligen muss“ (vgl. „Quellen“, Band 6, S. 422) und dient damit der rechtlichen Sicherung und Dispositionsfähigkeit der Schulträger. Darüber hinaus sollte mit der Gewährleistung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass auch die Eltern von Kindern, die Privatschulen besuchen, Steuerzahler sind und damit einen Teil der Finanzierung staatlicher Schulen erbracht haben (vgl. „Quellen“, Band 6, S. 435).
86 
Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik und Sinn des Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV belegen somit unzweifelhaft, dass mit der Vorschrift ein verfassungsunmittelbarer Ausgleichsanspruch des begünstigten Privatschulträgers gewährleistet ist (vgl. auch Vogel, Das Recht der Schulen und Heime in freier Trägerschaft, 3. Aufl. 1997, S. 150).
87 
Dementsprechend ist auch in der bisherigen Senatsrechtsprechung, die entsprechende Schulen nicht betraf, stets darauf hingewiesen worden, dass im Bereich der weiterführenden allgemeinbildenden Schulen weitergehende Förderansprüche nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV bestehen könnten (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 19.07.2005 - 9 S 47/03 -, Rn. 27 m.w.N.; hierzu auch Senatsurteil vom 30.11.1993 - 9 S 2395/91 -, VBlBW 1994, 323, Rn. 22). Hinsichtlich des Einnahmeausfalls, der durch einen Verzicht auf die Erhebung von Lernmittelentgelten verursacht wird, ist die unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 LV folgende Ausgleichspflicht auch bereits ausdrücklich festgestellt worden (vgl. Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 70).
88 
2. Diesen Anspruch hat das beklagte Land bei der Zuschussgewährung zu berücksichtigen.
89 
Nachdem der Ausgleichsanspruch in Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV unmittelbar begründet ist, untersteht er nicht der Entscheidungsbefugnis des Landesgesetzgebers. Gerade hierin lag die maßgebliche Motivation einer verfassungsunmittelbaren Anspruchsbegründung (vgl. dazu „Quellen“, Band 8, S. 556 ff.).
90 
Dies gilt auch in Ansehung der in Satz 5 enthaltenen Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers. Denn die Voraussetzungen des verfassungsrechtlich normierten Anspruchs sind in Art. 14 Abs. 2 LV selbst weitgehend festgelegt, sodass es der Regelungsvorbehalt nur ermöglicht, das Nähere - insbesondere also das Verfahren und die Ausformung konkretisierbarer Rechtsbegriffe - zu bestimmen (vgl. Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 14 Rn. 17; Spreng/Birn/Feuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1954, Art. 14 Rn. 4). Die Anspruchsgewährung selbst dagegen ist der Entscheidungsbefugnis des (einfachen) Gesetzgebers nicht unterstellt.
91 
Vor diesem Hintergrund bedarf die Anordnung in § 17 Abs. 2 PSchG, wonach in der (allgemeinen) Zuschussgewährung nach § 17 Abs. 1 PSchG auch der Ersatz nach Art. 14 Abs. 2 LV enthalten sei, einer verfassungskonformen Auslegung. Diese Anrechnungsbestimmung ist unproblematisch, solange die nach § 17 Abs. 1 PSchG gewährte Förderung über die verfassungsrechtlich begründeten Ansprüche hinausgeht, wovon der Gesetzgeber offenbar ausgegangen ist (vgl. Pieroth/Kromer, VBlBW 1983, 157 [162]). Unbeschadet der Frage, ob die generelle Förderung ohne Berücksichtigung einer tatsächlich gewährten Schulgeldbefreiung sachlich sinnvoll erscheint, ist in dieser Konstellation die verbürgte Anspruchserfüllung jedenfalls sichergestellt und den verfassungsrechtlichen Vorgaben Genüge getan. Anders gestalten sich die Dinge indes, wenn die Regelförderung – wie hier - hinter den verfassungsrechtlich gewährleisteten Kompensationsansprüchen zurückbleibt (vgl. hierzu auch Sächs. Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 25.10.1996 - Vf. 18-III-95 -, DÖV 1997, 205 [207]). In diesen Fällen trifft die in § 17 Abs. 2 PSchG getroffene Aussage in tatsächlicher Hinsicht nicht zu. Es steht aber nicht in der Regelungsbefugnis des Landesgesetzgebers, den unmittelbar in der Verfassung selbst eingeräumten Anspruch einzuschränken. Derartige Ausschlussregelungen sind von der Konkretisierungsbefugnis in Art. 14 Abs. 2 Satz 5 LV nicht gedeckt (ebenso Pieroth/Kromer, VBlBW 1983, 157 [162]). Zur Vermeidung eines mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbaren Ergebnisses ist daher einer anderen Auslegung der Vorzug zu geben, die nach Wortlaut, Systematik und Zweckbestimmung ebenso denkbar ist und den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.09.2007 - 2 BvF 3/02 -, BVerfGE 119, 247 [274]). Denn wie, in welchem Verfahren und durch welche Stelle der in Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV angesprochene Ausgleichsanspruch zu realisieren ist, bedarf einer gesetzlichen Regelung. Diese kann § 17 Abs. 2 PSchG insoweit entnommen werden, als die Norm anordnet, dass die Ansprüche aus Art. 14 Abs. 2 LV in der nach § 17 Abs. 1 PSchG gewährten Zuschüssen enthalten sind und damit auch in diesem Verfahren berücksichtigt werden müssen.
92 
3. Der Kläger erfüllt jedenfalls für einen Teil seiner Schüler auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchsgewährung aus Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV.
93 
Die vom Kläger ohne Gewinnerzielungsabsicht betriebene und damit „auf gemeinnütziger Grundlage arbeitende“ Einrichtung (vgl. Freistellungsbescheid des Finanzamts Nürtingen vom 09.04.2003) ist jedenfalls teilweise als eine „mittlere und höhere Schule“ im Sinne des Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV zu bewerten. Mit diesen altertümlichen Bezeichnungen sind die heutigen Realschulen und Gymnasien gemeint (vgl. Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 14 Rn. 17). Vom Regelungsbereich erfasst sind damit nur weiterführende allgemeinbildende Schulen (vgl. Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 22), nicht aber die in Art. 15 Abs. 2 LV als „Volksschule“ legal definierten Grund- und Hauptschulen. Die Schüler der Klassen 1 bis 4 könne daher nicht in die Gewährleistung einbezogen werden. Auch hinsichtlich der Klassen 5 bis 13 setzt die Norm aber voraus, dass die vom Kläger betriebene Privatschule als „weiterführend“ eingestuft werden kann. Dies ist vom Beklagten im Hinblick darauf, dass ein Gutteil der Schüler nicht das Abitur oder die mittlere Reife erzielt, in Abrede gestellt worden. Maßgeblich ist indes nicht der erfolgreiche Bildungsabschluss - der auch an staatlichen Schulen nicht durchgängig erreicht wird -, sondern das mit dem Besuch der Schule angestrebte Bildungsziel. Der Besuch der Klassen 5 bis 13 der Freien Waldorfschulen führt aber bestimmungsgemäß wie der Besuch eines öffentlichen Gymnasiums zur allgemeinen Hochschulreife. Für dieses Ziel vermittelt er im Kern gleichwertige Kenntnisse und Fertigkeiten. Der mit Errichtung dieser Klassen verfolgte Gesamtzweck entspricht daher dem der öffentlichen Gymnasien (so ausdrücklich BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994 - 1 BvR 682/88 u.a. -, BVerfGE 90, 107 [122]), so dass ihr Besuch den eines Gymnasiums ersetzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969 - 1 BvL 24/64 -, BVerfGE 27, 195 [201 f.]). Dementsprechend hat auch der Landesgesetzgeber die Freie Waldorfschulen in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG als Ersatzschulen anerkannt, die „auf die Hochschulreife vorbereiten“. Maßgeblich ist aber allein, ob am Ende der Abschlussklasse eine gleichwertige Ausbildung erzielt wird, der Ausbildungs- und Leistungsstand am Ende der vorangegangenen Schuljahre dagegen ist unerheblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2000 - 6 C 5/00 -, BVerwGE 112, 263 [267]). Jedenfalls im Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV sind die Klassen 5 bis 13 der Freien Waldorfschule daher als „höhere Schule“ zu bewerten.
94 
Die Schule entspricht auch einem „öffentlichen Bedürfnis“. Allerdings fehlt es an einer gesetzlichen Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs (vgl. zur Regelungsbedürftigkeit auch bereits Spreng/Birn/Feuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1954, Art. 14 Rn. 4). Die vom Beklagten angenommene Bezugnahme auf § 27 Abs. 2 SchG geht schon deshalb fehl, weil die Norm gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 SchG auf Schulen in freier Trägerschaft nicht anwendbar ist. Im Übrigen ist die Privatschulgründung auch gerade nicht von einer staatlichen Bedürfnisprüfung abhängig, wie sie in § 27 Abs. 2 Satz 2 für öffentliche Schulen vorgesehen ist; das Privatschulgesetz enthält daher eine entsprechende Vorschrift nicht. Angesichts der Tatsache, dass bei Erlass der Verfassungsbestimmung Einigkeit darüber bestand, dass das Privatschulwesen an sich zur Gewährleistung der Vielgestaltigkeit, Pluralität und Weiterentwicklung des Schulwesens und um einer Erstarrung vorzubeugen erforderlich ist und damit einem öffentlichen Anliegen dient (vgl. zusammenfassend etwa „Quellen“, Band 6, S. 426 f.), kann aber davon ausgegangen werden, dass sich die Formulierung des „öffentlichen Bedürfnisses“ nur auf die Frage bezieht, ob in der Bevölkerung ein Bedarf für die Schule besteht (ebenso Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 14 Rn. 17), ob das pädagogische Konzept der Schule also den Wünschen und Vorstellungen der Eltern entspricht und sich in Konkurrenz zu den vorhandenen öffentlichen und privaten Schulen behaupten kann (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994 - 1 BvR 682/88 u.a. -, BVerfGE 90, 107 [118]). Hiervon ist jedenfalls bei Vorliegen entsprechender Schülerzahlen und einem Überhang von Bewerbungen, mit dem Freie Waldorfschulen flächendeckend konfrontiert sind, auszugehen.
95 
Die vom Kläger betriebene Schule ist weiterhin „als pädagogisch wertvoll anerkannt“. Auch hinsichtlich dieser Voraussetzung enthält das Landesrecht zwar keine ausdrückliche Konkretisierung; da 17 Abs. 2 PSchG aber auf die Zuschussgewährung nach Absatz 1 verweist, die nur als Ersatzschulen genehmigte Einrichtungen umfasst, kann dem Regelungsgefüge entnommen werden, dass die Ersatzschulgenehmigung auch die pädagogische Anerkennung im Sinne des Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV beinhaltet. Damit wird zugleich eine Bewertung der unterschiedlichen pädagogischen Konzepte vermieden, die in Konflikt zu der grundgesetzlich verbürgten Privatschulautonomie geraten könnte (vgl. hierzu Pieroth/Kromer, VBlBW 1983, 157 [159]).
96 
Schließlich gewährt der Kläger einem Teil seiner Schüler auch eine „gleichartige Befreiung“. Zwar werden Unterricht und Lernmittel vom Kläger grundsätzlich nicht unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Die vorgelegte Beitragsordnung sieht aber einerseits Ermäßigungen im Falle des Besuchs von Geschwisterkindern in der Schule vor, zum anderen werden bei Fehlen der finanziellen Möglichkeiten individuelle Beitragsregelungen vereinbart. Nach den vorgelegten Unterlagen haben im Wirtschaftsjahr 2002/2003 nur rund 54 % der Elternhäuser den vom Kläger angesetzten Regelbeitrag entrichtet. Mit den übrigen sind abweichende Vereinbarungen getroffen worden, die jedenfalls teilweise auch Ermäßigungen enthielten. Soweit damit der zuvor benannte Schulgeldansatz unterschritten wurde, liegt also eine partielle Befreiung von der Entrichtung von Schulgeld vor. Auch eine entsprechende Teilbefreiung wird von Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV jedoch geschützt (vgl. dazu bereits Spreng/Birn/ Feuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1954, Art. 14 Rn. 4). Anhaltspunkte dafür, warum bei einer partiellen Schulgelderhebung der Ausgleichsanspruch insgesamt entfallen sollte, sind nicht ersichtlich.
97 
Soweit der Kläger also den Schülern der Klassen 5 bis 13 im maßgeblichen Rechnungsjahr 2003 eine Befreiung von der Beitragsentrichtung gewährt hat, die zu einer Absenkung des Betrages unter die maßgebliche Schulgelderhebungsgrenze des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG führt, ist ihm nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV ein Ausgleich der hierdurch entstehenden finanziellen Belastung zu gewähren.
98 
Dieser Anspruch geht - wie bereits dargelegt - angesichts der verfassungsunmittelbaren Verankerung nicht nach § 17 Abs. 2 PSchG in der Regelförderung auf und durch diese unter. Vielmehr stehen der allgemeine - bundesrechtlich in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG begründete und dem Land vorgegebene - Förderanspruch und der unabhängig hiervon und nur im Falle der Gewährung einer gleichartigen Befreiung entstehende Ausgleichsanspruch für weiterführende allgemeinbildende Schulen nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV grundsätzlich und jedenfalls dann unabhängig voneinander, wenn ansonsten die verfassungsrechtlich verbürgten Ansprüche unterschritten würden. Diese Trennbarkeit des Ausgleichsanspruchs für die Befreiung von Schulgeld von dem allgemeinen Förderanspruch ist im Übrigen auch in der Verfassunggebenden Landesverfassung bereits deutlich gesehen und ausgesprochen worden. Dr. G. M. führte hierzu aus:
99 
„Die beiden Sätze enthalten zwei völlig verschiedene Rechtsarten. Der Satz 1 bezieht sich auf die Berechtigung angemessener Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln, und der Satz 2 bezieht sich auf den Ersatz bei Einführung der Schulgeld- und Lernmittelfreiheit. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge, die im Einzelfalle durcheinander gehen können“ („Quellen“, Band 8, S. 563).
100 
Die fehlende Anrechenbarkeit des Ausgleichsanspruchs für die gewährte Schulgeldbefreiung folgt letztlich aus der unterschiedlichen, inhaltlich aber aufeinander bezogenen Konzeption der Fördersysteme. Denn die bundesverfassungsrechtlich aus Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG abgeleitete Förderung dient der Sicherung des Existenzminimums der in freier Trägerschaft betriebenen Schulen. Dieses existenzielle Minimum wird durch Eigenleistungen der Schulträger, die Erhebung verfassungsmäßiger Schulgelder und die Gewährung staatlicher Zuschüsse bestritten. Bei der Bestimmung der erforderlichen Höhe der vom Staat zu gewährenden Zuschüsse sind Einnahmen aus Schulgeld daher an- und vorausgesetzt. Entfallen diese Einnahmen, so wird das als Untergrenze angesetzte Budget der Schulträger unterschritten und damit ihre Überlebensfähigkeit evident gefährdet. Eben dieses wäre aber die Folge einer Anrechnung des Schulgeldausgleiches auf die (allgemeine) Zuschussgewährung. Denn sie hätte zwangsläufig und strukturell eine fortlaufende Unterfinanzierung zur Folge. Die Grundstruktur der bundesrechtlich angeordneten Förderung, welche die Schulgeldeinnahmen bei der Bestimmung des zum Betrieb der Einrichtung erforderlichen Existenzminimums in Ansatz bringt, lässt daher eine Anrechnung - und damit faktisch Nichtgewährung - des bei Verzicht einer Schulgelderhebung entstehenden Ausgleichsanspruchs nicht zu. Denn das Fehlen der bei der Berechnung angesetzten Einnahmen führte unweigerlich zum Unterschreiten der angesetzten Finanzierungsunterschwelle. Auch dies ist in der Verfassunggebenden Versammlung bereits zum Ausdruck gebracht worden (vgl. „Quellen“, Band 8, S. 556; dazu auch Pieroth/Kromer, VBlBW 1983, 157 [161]).
101 
Der unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV folgende Ausgleichsanspruch führt im Falle der weiterführenden allgemeinbildenden Schulen daher bei uneingeschränktem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen dazu, dass die staatliche Förderung auch den bei der Förderung nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG als Schulgeld angesetzten Betrag umfasst. Insoweit geht die landesrechtliche gewährte Privilegierung - bewusst - über die bundesrechtlich verpflichtend vorgegebenen Förderansprüche hinaus. Sie beinhaltet als Surrogat der Schulgelder den Ausgleichsanspruch für die gewährte Befreiung. Die hierdurch entstehenden finanziellen Belastungen sind zusätzlich und aufgrund der Entscheidung des Landesverfassunggebers auszugleichen.
102 
Die Verweigerung weiterer staatlicher Förderung im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14.02.2005 ist daher aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, über den Antrag des Klägers erneut zu entscheiden und bei der Förderung auch den Betrag zu berücksichtigen, um den der Kläger seinen Schülern der Klassen 5 bis 13 einen Abschlag von dem verfassungsmäßig zulässig erhebbaren Schulgeld in Höhe von 70,-- EUR gewährt hat. Inwieweit und in welcher Höhe dies im Einzelnen tatsächlich geschehen ist, muss vom Beklagten noch ermittelt werden.
III.
103 
Gegenwärtig erweist sich das Fördersystem des beklagten Landes für die laufenden Betriebskosten im Jahr 2003 bei einer Gesamtschau damit noch nicht als verfassungswidrig, so dass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG nicht veranlasst ist.
104 
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts löst die dem Staat obliegende Schutz- und Förderpflicht erst dann eine Handlungspflicht aus, wenn andernfalls der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution evident gefährdet wäre (vgl. BVerfGE 75, 40 [67]; BVerfGE 112, 74 [84]).
105 
Allerdings ist die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung insoweit nicht konsistent. Denn die Entscheidung des Jahres 1994 (BVerfGE 90, 107) nimmt auf die einschränkenden Aussagen zur Begründung einer Förderpflicht nicht Bezug. Die in der Entscheidung des Jahres 1987 (BVerfGE 75, 40) noch als Leitsatz festgehaltene Einschränkung, mit der die Förderpflicht ausdrücklich nur auf die Einrichtungsgarantie bezogen wurde, findet sich vielmehr an keiner Stelle mehr. Diese Akzentverschiebung erhellt sich strukturell dadurch, dass die Entscheidung ausdrücklich „unerörtert“ lässt, ob und welche Rechte sich aus der Garantie der Privatschule als Institution ergeben. Thema der Entscheidung des Jahres 1994 ist vielmehr allein der aus dem subjektiven Grundrecht folgende Anspruch auf staatliche Förderung (vgl. BVerfGE 90, 107 [114 f.]; zur Fragwürdigkeit der rein institutsbezogenen Auslegung grundgesetzlicher Gewährleistungen ausführlich Kenntner, Justitiabler Föderalismus, 2000, S. 71 ff.). Die fehlende Bezugnahme auf die aus der Einrichtungsgarantie folgenden Handlungspflichten des Gesetzgebers dürfte daher kaum als zufällig gewertet werden. Sie beruht vielmehr auf der Tatsache, dass der Förder- und Ausgleichsanspruch vom Bundesverfassungsgericht hier ausdrücklich aus der subjektiv-rechtlichen Komponente der Privatschulfreiheit abgeleitet worden ist. Hierzu passt die ausschließlich auf die Einrichtungsgarantie bezogene Handlungspflicht nicht. Vielmehr bewirkt die Herleitung der Förderpflicht aus einer „grundgesetzlichen Ingerenz“ „just eine Konstellation, in der nicht nur vereinzelte Ersatzschulen, sondern praktisch jede Ersatzschule ohne staatliche Subvention ernsthaft und offensichtlich in ihrem Bestand gefährdet wäre“ (Jestaedt, Schule und außerschulische Erziehung, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VII, 3. Aufl. 2009, § 156 Rn. 61; vgl. zur „staatlichen Garantenpflicht“ auch bereits Müller, Das Recht der Freien Schule nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1982, S. 429 ff. sowie Jeand’Heur, in: Müller/Jeand’Heur, Zukunftsperspektiven der Freien Schule, 2. Aufl. 1996, S. 47 [83]).
106 
Die jüngste Senatsentscheidung des Jahres 2004 (BVerfGE 112, 74) wiederum blendet die subjektiv-rechtliche Akzentuierung aus und deutet die institutionelle Garantie - jedenfalls hinsichtlich der dem Staat obliegenden Verpflichtung auf Gewährung finanzieller Zuschüsse - nicht als eine die individuelle Freiheitsverbürgung ergänzende, sondern eine sie ersetzende Gewährleistung (vgl. Hufen, in: Hufen/Vogel, Keine Zukunftsperspektiven für Schulen in freier Trägerschaft?, 2006, S. 49 [80]; zur Kritik auch Vogel, RdJB 2005, 255). Die dem Staat obliegende Förderpflicht wird dort ausdrücklich als „objektive“ und „dem Ersatzschulwesen als Institution geschuldete“ Gewährleistung begriffen (vgl. BVerfGE 112, 74 [84]), wobei die objektiv-rechtliche Komponente hier aber anders als in der Entscheidung des Jahres 1987 nicht genügte, um zur Nichtigkeitsfeststellung der landesrechtlichen Fördervorschriften zu gelangen. Der Widerspruch oder jedenfalls das Spannungsverhältnis zu der vorangegangenen Entscheidung des Jahres 1994 wird dabei weder offen gelegt noch thematisiert. Vielmehr wird ausdrücklich festgehalten, dass auch aus dem freiheitsrechtlichen Gehalt des Art. 7 Abs. 4 GG ein subjektiver Anspruch auf Gewährung finanzieller Leistungen nicht gefolgert werden könne (vgl. BVerfGE 112, 74 [84]).
107 
Dieser restriktive Maßstab wird auch in der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts herangezogen. Angesichts der rein institutsbezogen aufgefassten Förderpflicht reicht die Feststellung einer defizitären staatlichen Finanzierung des Ersatzschulwesens zur Annahme eines Verfassungsverstoßes danach nicht aus; die Annahme der Verfassungswidrigkeit ist vielmehr erst dann gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber seine Schutz- und Förderpflicht gröblich vernachlässigt, weil bei weiterer Untätigkeit der Bestand des Ersatzschulwesens evident gefährdet wäre (so BVerwG, Beschluss vom 18.12.2000 - 6 B 15/00 -). Maßgeblicher Bezugspunkt ist damit das Ersatzschulwesen als „Institution“.
108 
Allerdings gewährleistet Art. 7 Abs. 4 GG das private Ersatzschulwesen gerade in seiner Vielfalt. Die verfassungsunmittelbare Strukturentscheidung für ein plurales und das Elternrecht beachtende Schulangebot beschränkt auch den Landesgesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit und der Ausgestaltung seiner Privatschulförderung (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.2010 - 5 CN 1/09 -, Rn. 30 f. in Bezug auf Kindertageseinrichtungen). Eine Verletzung der Privatschulfreiheit liegt daher nicht erst vor, wenn keine Schulart mehr in freier Trägerschaft betrieben werden kann, der pluralistische und staatsferne Ansatz der Privatschulfreiheit gebietet vielmehr grundsätzlich eine Offenheit - und damit Förderung - jeder Schulform (vgl. dazu bereits Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 28). Die Grenzen der Förderpflicht werden insofern durch den Begriff der Ersatzschule gezogen, den der Landesgesetzgeber durch die Differenzierungen des öffentlichen Schulwesens mittelbar beeinflussen kann. Angesichts der Tatsache, dass der Landesgesetzgeber die Freie Waldorfschule in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG als eigenständigen Ersatzschultyp anerkannt hat, muss Anknüpfungspunkt der institutionellen Betrachtung daher der Bestand der Freien Waldorfschulen sein (vgl. dazu auch LT-Drs. 11/6523, S. 10 f.).
109 
2. Die den Freien Waldorfschulen für den laufenden Betrieb gewährten Zuschüsse unterschreiten das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum jedenfalls nicht dergestalt, dass der weitere Bestand dieses Ersatzschultyps ernsthaft gefährdet wäre.
110 
Die dargelegten Berechnungen haben ergeben, dass die dem Kläger und den anderen Freien Waldorfschulen für das Jahr 2003 gewährten Zuschüsse nach § 18 Abs. 2 PSchG für sich genommen nicht ausgereicht haben, um das Existenzminimum des laufenden Betriebes zu gewährleisten. Allerdings ergeben bereits diese, auf pauschalierten Annahmen beruhenden Zahlen nur eine geringfügige Abweichung von der erforderlichen Finanzierungshöhe. Dies gilt um so mehr, als das verbleibende Defizit durch den noch zu gewährenden Ausgleichsanspruch nach Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV weiter gemildert werden kann. Insgesamt kann daher hinsichtlich der laufenden Betriebskosten noch nicht von einer existenzgefährdenden Situation des Klägers oder anderer Freier Waldorfschulen ausgegangen werden, die den Gesetzgeber zur einer rückwirkenden Änderung des Fördersatzes der Betriebsausgaben verpflichten würde. Dies gilt insbesondere bei Berücksichtigung der Tatsache, dass der rechnerische Fehlbetrag maßgeblich auf einer erst mit diesem Urteil durchgeführten Sachverständigenbewertung des verfassungsrechtlich zulässigen Schulgeldes beruht - das deutlich niedriger als die bisher auch vom erkennenden Senat angenommenen Sätze liegt - und der Gesetzgeber die Zuschüsse zwischenzeitlich auch erhöht hat und damit nicht untätig geblieben ist.
111 
3. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren darüber hinaus eine unzureichende Berücksichtigung der Investitionskosten vorgetragen hat, ist dies nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.2000 - 6 B 15/00 -, Rn. 11). Denn sein Förderantrag vom 20.10.2003 bezog sich, wie auch die jahresweise vorangegangenen, auf einen jährlichen Zuschuss, der nach dem Fördersystem des § 18 Abs. 2 PSchG nur auf laufende Betriebskosten bezogen ist. Baukostenzuschüsse werden dagegen in einem hiervon getrennten, projektbezogenen System nach § 18 Abs. 7 PSchG gefördert.
112 
a) Allerdings geben die im vorliegenden Verfahren eingereichten Daten Anlass, Zweifel an dem in Baden-Württemberg bestehenden Finanzierungssystem zu wecken. Denn offenbar führen die bestehenden Regelungen dazu, dass durch die staatlichen Zuschüsse zwar die Kosten des laufenden Betriebes – für sich genommen – noch in existenzsichernder Weise gewährleistet sind. Der fehlende Ausgleich für die zur Gründung aufgewendeten Kosten belastet die Ersatzschulen aber mit fortwährenden Verbindlichkeiten, die nicht bewältigt werden können. Die ohne - bzw. seit dem Änderungsgesetz vom 13.11.1995 (GBl. S. 764) auf gegenwärtig 37 % der für vergleichbare öffentliche Schulen notwendige Baukosten begrenzte und in zehn jährlichen Raten ausbezahlte - staatliche Förderung für die ersten drei Jahre anfallenden Kosten belasten die Privatschulträger mit Verbindlichkeiten, die auch Jahrzehnte später noch in nennenswerter Weise zu Buche schlagen.
113 
Die seit dem Jahre 1976 bestehende Schule des Klägers etwa war im Streitjahr 2003 noch mit Verbindlichkeiten von über 2 Millionen Euro belastet. Dies scheint der generellen Lage der Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg zu entsprechen. Denn im Bezugsjahr 2003 lag die durchschnittliche Verschuldung einer Freien Waldorfschule bei mehr als 1,5 Millionen Euro (Anlage 29 der Berufung). Diese Entwicklung verschärft sich offenbar von Jahr zu Jahr. Nach den vom Kläger vorgelegten Bilanzaufstellungen (Anlage 28 der Berufung) haben sich die langfristigen Verbindlichkeiten der Freien Waldorfschulen, die maßgeblich auf das Erfordernis der Anschubfinanzierung und insbesondere die Baukosten zurückgehen, von insgesamt 64.151.000,-- EUR im Jahr 2001 kontinuierlich auf 79.929.000,-- EUR zum Jahr 2007 erhöht. Innerhalb dieser sechs Jahre nahm die Verschuldung somit um über 15 Millionen Euro zu, was bezogen auf den Ausgangswert eine Steigerung von fast 25 % bedeutet. Die überwiegend aus Krediten finanzierte Anschubphase verlängert sich so als kumulierte Schuldenlast in die Zukunft.
114 
Damit wird auch der laufende Betrieb belastet. Denn die pro Schüler anfallende Zins- und Tilgungslast (nach Afa, vgl. Anlage 35 der Berufung) beläuft sich jährlich auf rund 435,-- EUR, was einen Monatsanteil von mehr als 36,-- EUR für jeden Schüler bedeutet. Wenn also die laufenden Einnahmen aus Staatszuschüssen, Schulgeldern und sonstigen Einkünften gerade zur Existenzsicherung genügen, so verbleibt ein Defizit für die Bedienung der Schulden aus noch nicht bewältigter Anschubfinanzierung, das monatlich wächst. Dass durch diese strukturelle Lücke der weitere Bestand des Ersatzschultyps Freie Waldorfschule ernsthaft gefährdet werden könnte, lässt sich nicht ausschließen.
115 
b) Dies gilt auch in Anbetracht der verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Gründungslast des Privatschulträgers.
116 
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht den Ausschluss der Anfangsfinanzierung und der Investitionskosten von der Förderung grundsätzlich gebilligt, um neue Privatschulen nicht vom Wettbewerb mit anderen Schulen freizustellen (vgl. BVerfGE 75, 40 [68]). Das sich aus einer unzureichenden finanziellen Ausstattung ergebende Risiko dürfe nicht auf den Staat überwälzt werden. Auch die Privatschulfreiheit diene nicht dazu, die wirtschaftlichen Voraussetzungen des in Art. 7 Abs. 4 GG verbürgten Freiheitsrechts erst zu schaffen, ebenso wie staatliche Existenzgründungsdarlehen für Minderbemittelte durch Art. 12 GG nicht geboten seien (vgl. hierzu das in Bezug genommene Urteil des BVerwG vom 30.11.1984 – 7 C 66/82 -, BVerwGE 70, 290 [295]). Art. 7 Abs. 4 GG gewährleiste daher keinen Anspruch darauf, das für die Schulgründung erforderliche, nicht vorhandene Schulträgervermögen zu ersetzen und Vermögen in der Hand des Privatschulträgers zu bilden.
117 
Gleiches gilt für die „Wartefrist“, die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß beurteilt worden ist, um den Einsatz staatlicher Fördermittel vom Nachweis einer hinreichend soliden Wirtschaftsbasis und einem ausreichenden pädagogischen Bedürfnis für das Schulkonzept abhängig machen zu können (vgl. BVerfGE 90, 107 [117 ff.]). Der Staat dürfe vor Gewährung von Zuschüssen einen Erfolgsnachweis verlangen, der der Gründung Aussicht auf dauerhaften Bestand verleihe. Insoweit könne abgewartet werden, ob sich die Einrichtung in Konkurrenz zu den vorhandenen öffentlichen und privaten Schulen bewähre und über eine hinreichend sichere Existenzgrundlage verfüge. Den Schulträgern sei zumutbar, hierfür eine „absehbare und vorübergehende Zeit“ zu überbrücken. Dies gelte auch deshalb, weil in der Aufbauphase, in der die Schule nur über eine oder einige wenige Klassen verfüge, regelmäßig keine hohen Kosten für den Schulbetrieb anfielen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994 - 1 BvR 1369/90 -, BVerfGE 90, 128 [140]).
118 
Damit ist jedoch nicht gleichzeitig gesagt, dass auch nachträglich eine Anrechnung oder Berücksichtigung dieser Kosten nicht erfolgen muss. Vielmehr hat auch das Bundesverfassungsgericht gerade in Bezug auf in Elternträgerschaft gegründete Schulen ausgesprochen, dass die Förderregelungen nach Bestehen des Erfolgstests einen „wie immer gearteten Ausgleich“ für die Gründungskosten vorsehen müssen (vgl. BVerfGE 90, 107 [121]). Dies erscheint auch folgerichtig. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass die staatliche Förderung an eine bereits privat errichtete Ersatzschule anknüpft, muss die Unterstützung ihrer Erhaltung in Rechnung stellen, dass zu den laufenden Kosten auch die Tilgung der begründeten Verbindlichkeiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.09.1967 - 7 C 71/66 -, BVerwGE 27, 360 [365]) und Gebäudeunterhaltung (vgl. Nordrh.-Westf. Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 03.01.1983 - 6/82 -, NVwZ 1984, 95) gehört. Aussagen über die wirtschaftliche Existenzfähigkeit der Privatschulträger dürfen die Investitionskosten daher nicht ausblenden (vgl. Senatsurteil vom 12.01.2000 - 9 S 317/98 -, Rn. 87; Uhle, in: Epping/Hillgruber, GG, 2009, Art. 7 Rn. 80 m.w.N.). Die Verhinderung einer faktischen Ausübungssperre, die auch das Bundesverfassungsgericht verlangt, setzt vielmehr voraus, dass die Schulden, die der Privatschulträger zur Finanzierung der Errichtung zwangsläufig machen muss, jedenfalls bei seinen laufenden Betriebskosten berücksichtigt werden (vgl. Müller, Das Recht der Freien Schule nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1982, S. 473). Eine Regelung, die den Betroffenen im Ergebnis die Möglichkeit nimmt, anstelle der öffentlichen Schule eine private Ersatzschule zu besuchen, ist mit Art. 7 Abs. 4 GG nicht vereinbar (vgl. BVerfG, Urteil vom 06.12.1972 - 1 BvR 230/70 u.a. -, BVerfGE 34, 165 [198]; BVerwG, Urteil vom 13.12.2000 - 6 C 5/00 -, BVerwGE 112, 263 [270]).
119 
Eine Berücksichtigungspflicht folgt auch bereits aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG, der ausdrücklich die „Errichtung“ privater Schulen gewährleistet und einen gänzlicher Ausschluss der Gründungskosten von der staatlichen Förderung daher kaum zulässt (ebenso Pieroth, DÖV 1992, 593 [597]). Dies gilt um so mehr, als Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG gerade auch hinsichtlich der Einrichtungen - und damit jedenfalls in Bezug auf Zahl und Ausstattung der Schulräume (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994 - 1 BvR 1369/90 -, BVerfGE 90, 128 [142]) - Privatschulträgern die Verpflichtung auferlegt, hinter öffentlichen Schulen nicht zurückzustehen. Ein vollständiges Ausblenden der Kosten, die für die Beschaffung des erforderlichen Schulraums entstehen, hätte jedenfalls faktisch eine Beschränkung der Förderung auf bereits bestehende Ersatzschulen zur Folge, was im Hinblick auf Sinn und Schutzzweck der Privatschulfreiheit kaum angängig wäre (vgl. dazu bereits Müller, Das Recht der Freien Schule nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1982, S. 472; Kloepfer/Meßerschmidt, DVBl 1983, 193 [201]; Jach, DÖV 1990, 506 [507]).
120 
Im Übrigen folgt auch aus der Neutralitätspflicht, dass Verzerrungen des Wettbewerbs durch staatliche Fördermaßnahmen vermieden werden müssen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.06.1989 - 1 BvR 727/84 -, BVerfGE 80, 124 [133 f.] für den Bereich der Pressefreiheit). Die Abschirmung der bereits bestehenden Privatschulen gegen neue Konkurrenz durch Ungleichbehandlungen im Rahmen der Mittelvergabe erscheint daher auch im Hinblick auf die Behinderung von „Newcomern“ nicht unproblematisch (hierzu auch Kloepfer/ Meßerschmidt, DVBl 1983, 193 [200 f.]). Die gleichheitskonforme Förderung der Träger muss daher hinreichend sichergestellt werden (so BVerwG, Urteil vom 21.01.2010 - 5 CN 1/09 -, Rn. 53 in Bezug auf Kindertageseinrichtungen).
121 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat deshalb klargestellt, dass dem Schulträger zwar eine „Vorfinanzierung“ zugemutet werden könne, wenn ihm dafür „später die finanzielle Last erleichtert“ werde (vgl. BVerfGE 90, 128 [144]). Müsse er dagegen auf Dauer seine Bauaufwendungen in vollem Umfang aus Schulgeldern finanzieren, träfe die Tilgung der bei Gründung aufgenommenen Kredite nicht nur die Gründer. Der bereits bei der Behandlung zumutbarer Eigenleistungen herausgearbeitete Gedanke, dass die „Gründungseltern“ Vorleistungen für das Ingangsetzen der Schule zu erbringen haben (vgl. BVerfGE 90, 107 [120]), kehrt deshalb an dieser Stelle wieder. Dementsprechend wird auch hinsichtlich der Baukosten die Forderung aufgestellt, dass diese jedenfalls als Faktor für die Bemessung des Bedarfs „nicht vollständig unberücksichtigt“ bleiben dürfen (vgl. BVerfGE 90, 128 [142]).
122 
c) Ob diesen Anforderungen durch das System des Baukostenzuschusses in Baden-Württemberg hinreichend Rechnung getragen ist, bedarf weiterer Prüfung.
123 
Der Privatschulgesetzgeber ist davon ausgegangen, dass mit dem durch Änderungsgesetz vom 13.11.1995 (GBl. S. 764) in § 18 Abs. 7 PSchG eingeführten System des projektbezogenen Zuschusses für Schulbauvorhaben in Höhe von zunächst 41 % - und nach gegenwärtiger Rechtslage 37 % - ein ausreichender Anteil der Gründungskosten übernommen wird (vgl. LT-Drs. 11/6523, S. 7). Keinen Ausgleich erhalten danach indes ältere Schulen, deren Baumaßnahmen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmung bereits abgeschlossen waren - wie dies etwa beim Kläger der Fall ist. Fraglich ist nach dem im vorliegenden Rechtsstreit vorgelegten Datenmaterial auch, ob die Einschätzung zutrifft. Denn jedenfalls faktisch scheint auch dieser Finanzierungsbeitrag nicht auszureichen, um eine langfristige Schuldenspirale zu verhindern. Ob dies an den zur Bereitstellung des Grundstücks aufzuwendenden Kosten liegt, wie der Kläger vorträgt, oder möglicherweise an überzogenen Ausgaben, wie dies in den Stellungnahmen des Beklagten angedeutet wird, kann auf der vorhandenen Datenbasis nicht ermittelt werden.
124 
Die Einschätzungsprärogative hierfür steht dem Gesetzgeber zu, in dessen Verantwortungsbereich die Entwicklung eines stimmigen Fördersystems liegt. Dabei wären auch Modelle denkbar, die den Eigentumserwerb - und damit das Problem der öffentlichen Finanzierung von Vermögen in privater Hand - vermeiden und andere Wege der Zurverfügungstellung geeigneter Räumlichkeiten (etwa in Erbpacht) vorsehen, wie dies bereits jetzt in einigen Kommunen praktiziert wird. Insoweit dürfte auch hilfreich sein, die Lösungen anderer Bundesländer im Sinne eines föderalistischen Ideenwettbewerbs zu analysieren. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Förderung macht darüber hinaus eine Gesamtschau erforderlich, bei der auch weitere Zuschüsse, wie etwa die durch das Konjunkturprogramm der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Mittel nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz, einzubeziehen sind. Es ist allerdings Aufgabe des Gesetzgebers, dabei auch die tatsächliche Entwicklung zu beobachten, um möglichen Verstößen gegen die aus Art. 7 Abs. 4 GG folgende Förderungspflicht für Privatschulen angemessen begegnen zu können (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 06.03.2007 – 2 BvR 556/04 -, BVerfGE 117, 330 [355]). Prognostische Erwägungen müssen daher auf eine hinreichend valide Tatsachengrundlage gestützt und den Zeitläufen angepasst werden. Hieran wird auch die künftige Ausgestaltung der Privatschulförderung in Baden-Württemberg zu messen sein.
IV.
125 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dabei war das wirtschaftliche Verhältnis der vom Kläger erstrebten Mehrzuwendung zu den voraussichtlich im Wege der Neubescheidung noch zu gewährenden Nachzahlungen zu berücksichtigen, die jedenfalls nur einen geringen Bruchteil von sicher nicht mehr als 1/10 betragen werden.
126 
Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
127 
Beschluss vom 14. Juli 2010
128 
Der Streitwert des Verfahrens in beiden Instanzen wird - hinsichtlich der Streitwertfestsetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht unter Abänderung des Beschlusses vom 13.07.2009 - auf 500.000,-- EUR festgesetzt (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG). Dabei ist im Ansatz auf die vom Kläger selbst auf 816.909,72 EUR bezifferte Mehrförderung abzustellen, die im Endergebnis begehrt wird. Angesichts der Tatsache, dass dieses Ziel prozessual aber nur über eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht und einer nachfolgend - im Falle des Verfassungswidrigkeitsausspruches - mit Rückwirkung erlassenen Änderung der landesgesetzlichen Förderbestimmungen erreicht werden könnte, erscheint es angemessen, den Streitwert dieses Gerichtsverfahrens entsprechend den Empfehlungen aus Nr. 1.4 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327) abzusenken. Gegen den Höhenansatz haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung keine Einwendungen erhoben.
129 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.