Verwaltungsgericht Köln Urteil, 20. Sept. 2016 - 7 K 755/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Die Klägerin begehrt die Einbeziehung ihrer Enkelin B. A. in ihren Aufnahmebescheid.
3Die 1935 geborene Klägerin hatte im April 1997 einen Aufnahmebescheid erhalten. Nach ihrer Übersiedlung in das Bundesgebiet im Juli 1997 war ihr im August 1997 eine Spätaussiedlerbescheinigung erteilt worden.
4Im Juni 2012 beantragte die Klägerin die nachträgliche Einbeziehung ihrer 1985 geborenen Enkelin B. A. in ihren Aufnahmebescheid. Sie wünsche sich, dass Ihre Enkelin, die in Deutschland studiere und sich hier ein neues Leben aufbauen wolle, als Deutsche im Bundesgebiet leben dürfe.
5Ihre Enkelin war im Februar 2008 mit einem Visum zur Beschäftigung als Au-Pair mit einer Geltungsdauer von einem Jahr aus der Russischen Föderation in das Bundesgebiet gekommen.
6Im Februar 2009 meldete sich Frau A. mit alleiniger Wohnung in Stuttgart an und erhielt eine bis August 2013 verlängerte Aufenthaltsgenehmigung für ein Bachelorstudium der Fachrichtung Audiovisuelle Medien bzw. Informationsdesign an der Hochschule für Medien in Stuttgart. Vom Sommersemester 2009 an bis einschließlich zum Sommersemester 2013 war sie für den Bachelorstudiengang Informationsdesign immatrikuliert. Wegen einer endgültig nicht bestandenen Prüfung wurde sie im Juni 2013 exmatrikuliert.
7Im März 2013 erkundigte sich Frau A. nach der Möglichkeit, eine Aufenthaltsgenehmigung zur Erwerbstätigkeit zu erhalten. Sie habe ab dem 01.04.2013 eine Arbeitsstelle. Im November 2013 schloss sie einen Arbeitsvertrag mit einer Regelarbeitszeit von 20 Wochenstunden mit der L. I. T. GmbH in Hamburg ab.
8Im Sommersemester 2014 schrieb sie sich für den Master Studiengang Bildung und Medien an der Fernuniversität Hagen ein. Im März 2014 erteilte die Ausländerbehörde Stuttgart Frau A. auf ihren Antrag eine Aufenthaltserlaubnis bis April 2015, um ein Studium an der Diploma Hochschule in Bad Sooden-Allendorf zu absolvieren. Zum 01.04.2014 wurde sie an dieser Hochschule für den berufsbegleitenden Fernstudiengang Grafik-Design immatrikuliert.
9Im Mai 2014 meldete sich Frau A. mit alleiniger Wohnung nach Hamburg um. Mit Wirkung ab 01.05.2014 schloss sie mit der L. I. T. GmbH einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ab. Die Ausländerbehörde Hamburg teilte ihr mit, dass während des Aufenthalts zu Studienzwecken einer Tätigkeit mit voller Arbeitszeit nicht zugestimmt werde und ein Wechsel des Aufenthaltszwecks regelmäßig nicht gestattet werden solle. Daraufhin reduzierte Frau A. per Änderungsvertrag die Wochenarbeitszeit auf 20 Stunden und beantragte bei der Ausländerbehörde die Zustimmung zu dieser Beschäftigung. Im Juli 2015 hat die Ausländerbehörde angekündigt, den Antrag abzulehnen.
10Im Oktober 2015 teilte Frau A. mit, da ihr eine Aufenthaltsgenehmigung für das Fernstudium nicht erteilt werde, habe sie nun die Zulassung für ein Slavistikstudium an der Universität Hamburg erwirkt.
11Mit Bescheid vom 18.11.2015 lehnte die Ausländerbehörde es ab, die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern und drohte die Abschiebung an. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Grafik Design Studium an der Diploma Hochschule komme nicht in Betracht, da es sich um ein Fernstudium handele. Ein Fernstudium, bei dem das Studium schon von der rein zeitlichen Inanspruchnahme des Ausländers her nicht im Vordergrund stehe, rechtfertige keine Genehmigung nach § 16 AufenthG. Eine Aufenthaltserlaubnis zur Aufnahme eines neuen Studiums könne Frau A. nicht beanspruchen. Der Wechsel zum Slavistikstudium sei mit einem Wechsel des Aufenthaltszwecks verbunden, der einer Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne vorherige Ausreise entgegenstehe. Die Zulassung der Beschäftigung lehnte die Behörde ab, da die Bundesagentur für Arbeit nicht zugestimmt hatte.
12Zur Begründung ihres Antrags, die aufschiebende Wirkung ihres gegen diesen Bescheid gerichteten Widerspruch anzuordnen, machte Frau A. geltend, es bestehe Aussicht, dass sie in den Aufnahmebescheid der Klägerin einbezogen und in der Folge ein uneingeschränktes Aufenthaltsrecht als deutsche Staatsangehörige erwerben werde. Den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht Hamburg mit Beschluss vom 19.02.2016 abgelehnt. Die Ablehnung sei voraussichtlich rechtmäßig. Mit Blick auf die Beschäftigung bei der L. I. T. GmbH spreche Überwiegendes dagegen, dass das Fernstudium an der Diploma Hochschule als Hauptzweck des Aufenthalts von Frau A. anzusehen sei. Der mit der Aufnahme des Slavistikstudiums verbundene weitere Zweckwechsel des Aufenthalts stehe der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu diesem Zweck entgegen. Aus demselben Grund scheide die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung aus. Der auf Einbeziehung in den Aufnahmebescheid der Klägerin gerichtete Antrag stehe einer Abschiebung nicht entgegen.
13Im März 2016 übersandte Frau A. der Ausländerbehörde eine Immatrikulationsbescheinigung der Universität Osnabrück für den Studiengang Anglistik ab 01.04.2016. Ihr Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.11.2015 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2016 zurückgewiesen. Die von Frau A. am 23.05.2016 erhobene Klage ist bei dem Verwaltungsgericht Hamburg unter dem Aktenzeichen 17 K 2274/16 anhängig. Einen weiteren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht Hamburg mit Beschluss vom 25.07.2016 abgelehnt.
14Den Einbeziehungsantrag der Klägerin lehnte das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 14.05.2013 ab. Die seit 2009 im Bundesgebiet lebende Enkelin der Klägerin sei nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben.
15Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, der nur befristete Aufenthalt ihrer Enkelin im Bundesgebiet diene Studienzwecken und sei daher nicht mit einer Wohnsitzverlagerung verbunden. Ihre Enkelin sei weiterhin in Omsk angemeldet. Sie legte eine Bestätigung der Verwaltung des „TSZ“ als Inhaber einer Wohnung in Omsk vor, wonach die Enkelin der Klägerin dort seit 2000 als Bewohnerin neben ihrem Vater angemeldet sei.
16Den Widerspruch wies das Bundesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2015 zurück. Verblieben im Aussiedlungsgebiet sei nur derjenige, der dort seit der Aussiedlung der Bezugsperson ununterbrochen seinen Wohnsitz habe. Der Wohnsitz der Enkelin der Klägerin befinde sich dagegen seit Aufnahme der Au-Pair-Tätigkeit im Bundesgebiet.
17Die Klägerin hat am 09.02.2015 Klage erhoben.
18Zur Klagebegründung führt sie ergänzend aus, der Aufenthalt ihrer Enkelin erfolge nach wie vor zu Studienzwecken und sei daher vorübergehender Natur. Die Möglichkeit der nachträglichen Einbeziehung erstrecke sich nach ihrem Sinn und Zweck auch auf Familienangehörige, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegt hätten. Im Übrigen sehe § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG die Möglichkeit vor, im Fall einer besonderen Härte von dem Erfordernis abzusehen, das Einbeziehungsverfahren im Herkunftsgebiet abzuwarten. Diese Vorschrift könne auch auf die Fälle des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG anwendbar sein. In der mündlichen Verhandlung hat Frau A. erklärt, sie beabsichtige, in nächster Zeit nach Russland zurückzukehren.
19Die Klägerin beantragt,
20den Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 14.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2015 aufzuheben und
21die Beklagte zu verpflichten, Frau B. A. nachträglich in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie meint, bei der Enkelin der Klägerin könne nicht davon ausgegangen werden, dass ihr Aufenthalt von vornherein durch einen feststehenden Zeitpunkt begrenzt sei. Da sie sich nach dem Ende des Studiengangs Informationsdesign weiterhin in Deutschland aufhalte, hoffe sie offenbar, die Erteilung des Einbeziehungsbescheids im Bundesgebiet abwarten zu können, um auf diesem Weg einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu erlangen. Das lasse auf einen auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen schließen. Die Aufnahme eines weiteren Studiums diene offenbar nur dazu, den Status als Studentin für das vorliegende Verfahren künstlich aufrecht zu erhalten.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die vom Bundesverwaltungsamt vorgelegten Verwaltungsvorgänge einschließlich der BVFG-Akten der Klägerin und die beigezogenen Ausländerakten der Frau A. Bezug genommen.
26E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
27Die zulässige Klage ist nicht begründet.
28Der Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 14.05.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.01.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Sie hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte Frau B. A. nachträglich in ihren Aufnahmebescheid einbezieht.
29Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG liegen nicht vor.
30Nach dieser Vorschrift kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
31Die Enkelin der Klägerin ist nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
32Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt die Bestimmung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nach ihrem Sinn und Zweck gerade nicht darauf schließen, dass auch der nicht mehr im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling nach dieser Bestimmung einbezogen werden kann. Das Gegenteil ist der Fall. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausdrücklich hervorgehoben, dass „Trennungen der Familien... beseitigt werden“ sollen. Die Worte „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ beschreiben diese Trennungssituation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der antragstellende Spätaussiedler in Deutschland lebt, während die einzubeziehende Person im Aussiedlungsgebiet „verblieben“ ist,
33vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19.09.2014 - 11 A 622/14 - und vom 15.02.2016 - 11 A 1147/14 -.
34Im Aussiedlungsgebiet verblieben i.S.d. § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist nur, wer seinen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet hat,
35vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.02.2016 - 11 A 1147/14 -.
36Der vertriebenenrechtliche Wohnsitzbegriff entspricht dem demjenigen des § 7 BGB,
37vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.06.2013, - 5 B 87/12 -.
38Gemäß § 7 Abs. 1 und 3 BGB ist die Aufhebung eines Wohnsitzes ebenso wie dessen Begründung durch eine objektive und eine subjektive Komponente geprägt. Neben der tatsächlichen Aufgabe der Niederlassung, mithin der Aufhebung des Schwerpunktes der Lebensverhältnisse am früheren Ort der Niederlassung, bedarf es des Willens, den Ort nicht mehr als Schwerpunkt der Lebensverhältnisse beizubehalten. Begründet wird eine (neuer) Wohnsitz durch die Verlegung des Schwerpunktes der Lebensverhältnisse an den neuen Niederlassungsort verbunden mit dem Willen, diesen Ort nicht nur vorübergehend, sondern dauernd, mithin auf lange Sicht und nicht nur für eine von vornherein begrenzte Zeitspanne beizubehalten. Zu welchem Zeitpunkt ein Wohnsitz an einem bestimmten Ort begründet oder aufgehoben wird, ist eine Tatfrage des Einzelfalls, deren Beantwortung unter Berücksichtigung der maßgebenden Umstände des Einzelfalls erfolgt. Ein gleichzeitiger Wohnsitz an mehreren Orten i.S.d. § 7 Abs. 2 BGB besteht nur dann, wenn der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse ungefähr gleichmäßig auf die verschiedenen Orte verteilt ist,
39vgl. BVerwG a.a.O.
40Einer Wohnsitzverlagerung steht nicht entgegen, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt am neuen Niederlassungsort von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen und damit die Begründung des Wohnsitzes nicht aus,
41vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom15.02.2016 - 11 A 1147/14 -, vom 11.11.2014 - 11 A 1195/14 - und vom 19.09.2014 - 11 A 622/14 -, Urteil vom 30.08.2012 - 11 A 2558/11 -.
42Für Fälle zeitlich begrenzter Studienaufenthalte wird in der Rechtsprechung regelmäßig angenommen, dass der Wille, sich am Studienort ständig niederzulassen, fehlt und ein Student danach am Universitätsort nur unter besonderen Umständen einen Wohnsitz begründet,
43vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.06.2012 - 11 A 2169/10 -.
44Gemessen an diesen Grundsätzen hat Frau A. keinen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet. Mit ihrem nach wie vor andauernden Aufenthalt in Deutschland ist eine Wohnsitzverlagerung aus dem Aussiedlungsgebiet in das Bundesgebiet einhergegangen. Bei Gesamtwürdigung aller Umstände ist davon auszugehen, dass sich ihr Wille seit Jahren nicht auf einen zeitlich begrenzten Studienaufenthalt sondern auf eine dauerhafte Niederlassung im Bundesgebiet richtet. Sie hält sich seit mehr als acht Jahren in Deutschland auf und hat nach einem Ablauf des einjährigen Visums zur Beschäftigung als Au pair insgesamt fünf verschiedene Studiengänge aufgenommen, ohne einen davon zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Es kann dahinstehen, ob die Enkelin der Klägerin bereits in der Absicht in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, sich hier dauerhaft niederzulassen. Das Gericht ist davon überzeugt, dass Frau A. zumindest im Laufe ihres Aufenthalts, spätestens in 2012 bzw. Anfang 2013 den Willen gefasst hat, den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse dauerhaft im Bundesgebiet zu verankern. Auch die Klägerin hat bereits 2012 darauf hingewiesen, dass sich ihre Enkelin hier ein Leben aufbauen wolle. Die Einschreibung als Studentin steht der Annahme einer Wohnsitzverlagerung nicht entgegen. Die massive Häufung von sich aneinanderreihenden Immatrikulierungen mit unterschiedlichen Fachrichtungen weist vielmehr darauf hin, dass es Frau A. nicht um ein Studium sondern um den Erhalt des formellen Studentenstatus gegangen ist, der dazu dienen sollte, ihren Aufenthalt mit entsprechenden ausländerrechtlichen Genehmigungen so lange wie möglich fortzusetzen. Dazu passt, dass sich mehrere der Immatrikulationen auf - teilweise berufsbegleitend ausgestaltete - Fernstudiengänge bezogen haben. Die damit verbundene nur geringe zeitliche Inanspruchnahme weist darauf hin, dass das Studium tatsächlich nicht der eigentliche Zweck des Aufenthalts gewesen ist. Maßgeblich für einen Willen zur dauerhaften Niederlassung spricht, dass Frau A. sich schon frühzeitig darum bemüht hat, ihren Aufenthalt als Erwerbstätige fortzusetzen. Bereits im März 2013 erkundigte sie sich nach der Möglichkeit, eine Aufenthaltsgenehmigung zur Erwerbstätigkeit zu erhalten und damit einen Wechsel des Aufenthaltszwecks ausländerrechtlich anerkennen zu lassen. Seit November 2013 ist sie bei der L. I. T. GmbH beschäftigt. Ihre ursprüngliche Teilzeitanstellung änderte sie im Mai 2014 vertraglich in eine unbefristete Vollzeitbeschäftigung ab. Die spätere Verringerung der Arbeitszeit erfolgte nur im Hinblick darauf, dass die Ausländerbehörde einer Vollzeitbeschäftigung nicht zugestimmt hat. Schließlich belegt die im Verfahren gegen die drohende Abschiebung verfolgte Argumentation, es bestehe Aussicht auf ein Aufenthaltsrecht als Deutsche, Frau A1. Bestreben, sich mit Hilfe des Studentenstatus so lange in Deutschland aufzuhalten, bis die Erteilung eines Einbeziehungsbescheids es ermöglichen würde, die Niederlassung beizubehalten.
45Hat die Enkelin der Klägerin danach einen Wohnsitz im Bundesgebiet begründet, kann von einer gleichzeitigen Beibehaltung eines Wohnsitzes in Russland keine Rede sein. Der Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse ist nicht ungefähr gleichmäßig auf mehrere Orte verteilt. Er befindet sich allein in Deutschland, wo Frau A. sich ständig aufhält und arbeitet. Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass die Enkelin der Klägerin laut Bestätigung des Inhabers einer Wohnung in Omsk dort angemeldet ist. Auch eine polizeiliche Anmeldung begründet für sich allein weder einen Wohnsitz noch eine Rechtsvermutung hierfür
46vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.06.2012 - 11 A 2169/10 -.
47Zudem hat sich die Enkelin der Klägerin bereits im Februar 2009 mit alleiniger Wohnung in Stuttgart, und im Mai 2014 ebenso in Hamburg angemeldet.
48Keine Auswirkung auf die Entscheidung hat der Umstand, dass in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt ist, ob eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG den ununterbrochenen Wohnsitz des Einzubeziehenden im Aussiedlungsgebiet erfordert
49- vgl. VG Köln, Urteil vom 05.02.2014 - 10 K 3385/12 -, dahin tendierend auch Urteil vom 22.03.2016 - 7 K 5470/15 -,
50oder ob es ausreicht, dass die einzubeziehende Person im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag dort lebt,
51vgl. OVG NRW, Urteile vom 16.09.2015 - 11 A 626/14 -, 11 A 1747/14 - und - 11 A 1882/14 -.
52Denn die Enkelin der Klägerin hat sich auch bereits zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Entscheidung über den Einbeziehungsantrag nicht mehr in Russland sondern in Deutschland ständig aufgehalten und lebt nach wie vor hier. Das Gericht sieht keinen Anlass, mit einer Entscheidung zuzuwarten, um Frau A. Gelegenheit zu einer nicht nur vorübergehenden Rückkehr ins Aussiedlungsgebiet zu geben. Zum einen gibt ist kein verlässlicher Anhaltpunkt dafür erkennbar, dass sie tatsächlich beabsichtigt, sich dort dauerhaft niederzulassen. Zum anderen würde eine etwaige künftige Begründung eines Wohnsitzes in Russland nichts an dem Umstand ändern, dass ein solcher zum Zeitpunkt der hier in Streit stehenden verwaltungsbehördlichen Entscheidung nicht bestanden hat. Der in der Rechtsprechung des OVG NRW als maßgeblich zugrunde gelegte Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag lässt sich auch nicht mit der Erwägung nach hinten verlagern, es komme auf einen noch in der Zukunft liegenden Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an. Auf welche Sachlage abzustellen ist, richtet sich nach dem materiellen Recht. Die Bestimmung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist als Kannbestimmung d.h. als Ermessensnorm ausgestaltet. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung,
53vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.2013 - 3 C 30/12 -.
54Sollte sich die vom OVG NRW vertretene Auffassung in den zur Entscheidung anstehenden Revisionsverfahren durchsetzen und Frau A. tatsächlich ihre Niederlassung mit dem nachweislichen Willen dauerhafter Beibehaltung nach Russland verlegen, kann die Klägerin versuchen, im Hinblick auf die durch den Wohnsitzverlagerung veränderte Sachlage einen erneuten Einbeziehungsantrag zu stellen.
55Von der Verpflichtung für die Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, kann auch nicht ausnahmsweise wegen Vorliegens einer (besonderen) Härte abgesehen werden. Die Berücksichtigung einer besonderen Härte sieht das Gesetz – anders als im Falle des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG – in den Fällen der nachträglichen Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht vor,
56vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19.09.2014 - 11 A 622/14 - und vom 11.11.2014 - 11 A 1195/14 -; VG Köln, Urteile vom 05.02.2014 - 10 K 5417/12 -, vom 15.04.2014 - 7 K 2829/13 - und vom 22.01.2015 - 7 K 6333/13 -.
57§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG selbst enthält keine Regelung dahin, dass von der Verpflichtung des Einzubeziehenden, die nachträgliche Einbeziehung im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, im Falle einer besonderen Härte abgesehen werden kann.
58Gegen eine analoge Anwendung der Härtefallregelung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG sprechen der Wortlaut des § 27 Abs.1 Satz 2 BVFG, der ausschließlich auf § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG Bezug nimmt und die Systematik der Vorschriften über die Einbeziehung. Das Gesetz differenziert ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung – bei vor der Ausreise gestelltem Antrag – (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG). Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erwähnte, ausschließlich auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung bezogene „besondere Härte“ – systemwidrig – in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG hineingelesen würde. Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten im September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche, nach der Aussiedlung der Bezugsperson erfolgende Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist von der Gesetzesänderung indes nicht betroffen gewesen,
59vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19.09.2014 - 11 A 622/14 -, und vom 11.11.2014 - 11 A 1195/14 -; VG Köln, Urteile vom 05.02.2014 - 10 K 5417/12 - und - 10 K 6881/12 -; Urteile vom 15.04.2014 - 7 K 2829/13 -.
60Der geltend gemachte Einbeziehungsanspruch lässt sich auch nicht auf § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG stützen.
61Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung von Abkömmlingen sind in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG geregelt. Nach dieser Bestimmung wird der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen.
62Diese Voraussetzungen sind für Frau A. nicht vollständig erfüllt, weil die Klägerin vor ihrer Ausreise keinen Antrag auf Einbeziehung ihrer Enkelin zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung gestellt hat.
63In der Rechtsprechung ist für die nachträgliche Härtefall-Einbeziehung im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten, ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige“ Voraussetzung unabhängig von einer ggf. im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht,
64vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.07.2005 - 5 B 134.04 - und vom 30.10.2006 - 5 B 55/06 -; OVG NRW, Beschluss vom 13.02.2008 -12 A 4479/06 -, jeweils m.w.N.
65An diesem Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags ist weiterhin festzuhalten. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung für im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nach der Aussiedlung der Bezugsperson nachträglich in deren Aufnahmebescheid einbezogen werden können. Die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung ist damit nicht obsolet geworden. Neben ihr ist nur eine „weitere Option“ geschaffen worden,
66so ausdrücklich die Begründung des Innenausschusses zu seiner im Gesetzgebungsverfahren abgegebenen Beschlussempfehlung vom 12.06.2013, BT-Drs. 17/13937,
67die die Familienzusammenführung in den Fällen erleichtern soll, in denen der Ehegatte oder Abkömmlinge des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind,
68vgl. zum Ganzen OVG NRW, Beschluss vom 28.08.2014 - 11 A 496/14 -; VG Köln, Urteile vom 05.02.2014 - 10 K 6881/12 - und vom 15.06.2015 - 7 K 841/14 -.
69Ein Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ setzt begrifflich voraus, dass er vor der Ausreise der Bezugsperson gestellt wird, weil das Tatbestandsmerkmal „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ nach der Ausreise der Bezugsperson nicht mehr erfüllt werden kann,
70vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.08.2014 - 11 A 496/14 - m.w.N.
71Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin einen Antrag auf Einbeziehung ihrer Enkelin nicht vor ihrer Ausreise, sondern erst ca. 15 Jahre danach gestellt.
72Liegen danach die „sonstigen Voraussetzungen“ im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nicht vollständig vor, kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob die Versagung des Einbeziehungsbescheids eine besondere Härte gemäß dieser Vorschrift bedeuten würde.
73Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
74Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 20. Sept. 2016 - 7 K 755/15
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Der Zugang von Ausländern zur Ausbildung dient der allgemeinen Bildung und der internationalen Verständigung ebenso wie der Sicherung des Bedarfs des deutschen Arbeitsmarktes an Fachkräften. Neben der Stärkung der wissenschaftlichen Beziehungen Deutschlands in der Welt trägt er auch zu internationaler Entwicklung bei. Die Ausgestaltung erfolgt so, dass die Interessen der öffentlichen Sicherheit beachtet werden.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
31. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Gesetzes sind gegeben, wenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 ‑ 7 AV 1.02 ‑, Buchholz 310 § 124b VwGO Nr. 1.
5Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung seines Enkels W. L. (im Folgenden: Enkel) in seinen Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG oder § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG hat. Ernstliche Zweifel daran zeigt die Antragsbegründung nicht auf.
6Das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Einbeziehung seines Enkels in seinen Aufnahmebescheid ist nach der zum Entscheidungszeitpunkt des Senats geltenden Rechtslage zu beurteilen.
7Vgl. speziell zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt für den Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härteweg BVerwG, Urteil vom 22. April 2004 ‑ 5 C 27.02 ‑, Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 11; ferner ausführlich OVG NRW, Urteil vom 12. Mai 2014 ‑ 11 A 802/13 ‑, juris.
8Prüfungsmaßstab ist damit § 27 BVFG in der am 14. September 2013 in Kraft getretenen Fassung des Zehnten BVFG-Änderungsgesetzes (BGBl. I S. 3554).
9a) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass eine Einbeziehung des Enkels des Klägers in seinen Aufnahmebescheid gemäߠ § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht möglich ist. Nach dieser Vorschrift kann abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG ‑ insbesondere ohne Vorliegen eines Härtefalles ‑ der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundesvertriebenengesetzes hat, nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
10Die vorliegende Fallgestaltung wird von § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht erfasst, weil der Enkel des Klägers nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist, sondern seit März 1999 in Deutschland lebt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ nicht so zu verstehen, dass die einzubeziehende Person nur im Zeitpunkt der Aussiedlung der Bezugsperson im Aussiedlungsgebiet verblieben sein muss. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag vorliegen. Wer sich zu diesem Zeitpunkt (bereits) in Deutschland aufhält, ist nicht (mehr) „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Die vom Kläger vertretene Auslegung ist daher bereits im Wortlaut nicht angelegt. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausdrücklich hervorgehoben, dass „Trennungen der Familien … beseitigt werden“ sollen.
11Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
12Eine derartige Trennung liegt hier nicht vor, weil der Enkel des Klägers sich seit über 15 Jahren in Deutschland aufhält. Inwieweit sein Aufenthalt rechtlich abgesichert ist, ist im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ohne Bedeutung. Eine fehlende rechtliche Absicherung des Aufenthalts des Enkels in Deutschland bedeutet nicht, dass er „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist. Aufgrund seines langjährigen Aufenthalts und seines auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillens hat er seinen Wohnsitz in Deutschland, obwohl sein Aufenthalt hier derzeit nicht auf Dauer rechtlich gesichert ist.
13Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 30. April 2012 ‑ 11 A 2558/11 ‑, juris.
14Für die vom Kläger in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung, der Gesetzgeber habe die Familie nicht nur als „physische Einheit“, sondern auch als „rechtliche Einheit“ zusammenführen wollen, ergibt sich aus dem Gesetz kein Anhaltspunkt.
15Die vom Senat im
16Beschluss vom 17. April 2013 ‑ 11 E 37/13 ‑, juris,
17angestellte Überlegung, im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des Neunten BVFG-Änderungsgesetzes sei insbesondere wegen der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 77/5515, S. 7) möglicherweise eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG in der Fassung des Neunten BVFG-Änderungsgesetzes zu berücksichtigen, ist durch die Neufassung und Änderung der bisher in § 27 Abs. 3 BVFG enthaltenen Regelung in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG durch das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz überholt.
18b) Ein Anspruch des Klägers auf nachträgliche Einbeziehung seines Enkels gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG scheitert daran, dass sich der Enkel seit 1999 im Bundesgebiet aufhält und der Antrag des Klägers auf nachträgliche Einbeziehung erst 13 Jahre später, nämlich am 22. März 2012, gestellt worden ist.
19Zwar enthält § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (ebenso wenig wie § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.) keine Frist für die Stellung eines Härtefallantrags. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F. (jetzt wortgleich § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG) gefolgert, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland und der Stellung eines Härtefallantrags bestehen muss.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248.
21Nach § 26 BVFG könne nur Personen, die bereits beim Verlassen der Aussiedlungsgebiete Spätaussiedler sein wollen, einen Aufnahmebescheid erhalten. Dieser Spätaussiedlerwille ist zwingende Tatbestandsvoraussetzung für den Erhalt des Aufnahmebescheides.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248 (251 f.).
23Die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG betreffend den Härtefallantrag eines Spätaussiedlers beansprucht für einen Härtefallantrag auf Einbeziehung des Ehegatten oder der Abkömmlinge entsprechende Geltung. Dem Spätaussiedler können hinsichtlich seines Antrags auf Einbeziehung seiner Familienangehörigen nicht weiter reichende Rechte zustehen als hinsichtlich seines Antrags auf eigene Aufnahme. Das Bundesverwaltungsgericht hat aus der Systematik des Bundesvertriebenengesetzes hergeleitet, dass Personen, die aus den Aussiedlungsgebieten ausreisen, ohne zuvor ein Aufnahmeverfahren durchgeführt zu haben, nur dann einen Aufnahmebescheid erhalten können, wenn sie bereits beim Verlassen der Aussiedlungsgebiete Spätaussiedler sein wollen und diesen Willen zeitnah zur Übersiedlung nach außen hin betätigt haben.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248 (251 f.).
25Ist aber der Spätaussiedlerwille im Falle des Härtefallantrags auf Erteilung eines eigenen Aufnahmebescheids zwingende Tatbestandsvoraussetzung, kann für den Härtefallantrag auf Einbeziehung des Ehegatten oder der Abkömmlinge in einen Aufnahmebescheid nichts anderes gelten.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2014 ‑ 11 A 926/14 ‑, juris.
27Denn die Einbeziehung soll ein potenzielles Aussiedlungshindernis für den Spätaussiedler zu dessen Gunsten ausräumen; die einzubeziehenden Personen haben insoweit keinen eigenen Anspruch.
28So die Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz), BR-Drs. 22/03 vom 16. Januar 2003, S. 291.
29Der Kläger kann diese zwingende Tatbestandsvoraussetzung in Bezug auf die Einbeziehung seines Enkels nicht mehr erfüllen. Denn sein (heutiger) Spätaussiedlerwille kann sich nicht mehr darauf beziehen, dass sein Enkel die Aussiedlungsgebiete als Einzubeziehender verlässt und zum Zwecke der Herstellung der Einheit der Familie ins Bundesgebiet einreist, weil er sich bereits seit März 1999 in Deutschland aufhält.
30c) Ein in der Zulassungsbegründung erstmals behaupteter bis heute unbeschiedener Einbeziehungsantrag seines Enkels aus dem vor der Übersiedlung des Klägers geführten Aufnahmeverfahren ist nicht Gegenstand des vorliegenden (nur) vom Kläger geführten Verfahrens. Nach der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Rechtslage konnten Einbeziehungsanträge nicht von der Bezugsperson, sondern nur von der einzubeziehenden Person gestellt werden.
31Vgl. z. B. OVG NRW, Urteil vom 8. Dezember 1999 ‑ 2 A 5680/98 ‑, juris, Rdnr. 22.
32Unabhängig davon legt der Kläger nicht hinreichend dar, dass ein solcher Antrag noch anhängig ist. Hierfür reicht der Hinweis auf den Tatbestand des Urteils des Verwaltungsgerichts Minden vom 25. Mai 2007 ‑ 5 K 1888/06 ‑ nicht aus. Aus diesem Tatbestand ergibt sich nicht, dass der Enkel bereits vor 1996 selbst einen Einbeziehungsantrag gestellt und gerade diesen Antrag weiterverfolgt hat, nachdem er in den Aufnahmebescheid des Klägers vom 10. September 1996 nicht einbezogen worden war. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht Minden im genannten Urteil zu Beginn der Entscheidungsgründe ausgeführt, die Klage des Enkels sei unzulässig, soweit er seine nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid seines Großvaters ‑ des Klägers ‑ begehre.
332. Daraus folgt gleichzeitig, dass die Rechtssache keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.
343. Die Sache hat auch nicht die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die vom Kläger formulierte Frage,
35„ob sich das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ tatsächlich darauf bezieht, dass der einzubeziehende Familienangehörige durchgängig im Herkunftsgebiet verblieben sein muss und ob der Wohnsitz tatsächlich noch im Zeitpunkt der Antragstellung der nachträglichen Einbeziehung bestanden haben muss oder ob sich das „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ nicht auf den Zeitpunkt der Aussiedlung der Bezugsperson bezieht,“
36lässt sich jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung, in der sich der einzubeziehende Familienangehörige bereits seit über 15 Jahren ununterbrochen in Deutschland aufhält ‑ wie unter 1. dargelegt ‑ ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
37Die weitere Frage,
38„ob der Gesetzgeber die „Einheit der Familie“ nur als physische Einheit bzw. Zusammenführung gemeint hat oder auch als rechtliche Einheit“,
39ist nach den Ausführungen unter 1. ohne Weiteres zu verneinen. Die vom Kläger hier angestellten Vermutungen zu Überlegungen des Gesetzgebers sind im Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in keiner Weise angelegt.
40Soweit der Kläger auch im Zusammenhang mit einer seinen Enkel betreffenden „Härtefallsituation“ aufgrund gesundheitlicher Beschwerden auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verweist, formuliert er keine über den Einzelfall hinausgehende klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
42Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
43Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
44Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
31. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Gesetzes sind gegeben, wenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 ‑ 7 AV 1.02 ‑, Buchholz 310 § 124b VwGO Nr. 1.
5Das ist nicht der Fall. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen keine Zweifel.
6Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Einbeziehung ihres Enkels, W. L. , in ihren Aufnahmebescheid zu Recht verneint.
7Der Klägerin steht der im Zulassungsantrag geltend gemachte Anspruch auf Einbeziehung ihres Enkels nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht zu. Danach kann abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
8Die am 30. Oktober 2012 beantragte Einbeziehung des Enkels der Klägerin in ihren Aufnahmebescheid vom 13. Dezember 1995 auf dieser Grundlage scheitert bereits daran, dass der Enkel nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist, sondern seit Dezember 2009 in der Bundesrepublik Deutschland lebt. Nach der Rechtsprechung des Senats erfasst § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG regelmäßig nicht die Fallgestaltung, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung in Deutschland lebt. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag vorliegen. Wer sich zu diesem Zeitpunkt (bereits) in Deutschland aufhält, ist nicht (mehr) „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
9Vgl. hierzu OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 - 11 A 1882/14 -, juris, Rn. 26, und - 11 A 1747/14 -, juris, Rn. 32.
10Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt des Enkels im Bundesgebiet von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes im Bundesgebiet. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunkts verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen und damit die Begründung des Wohnsitzes hier in der Bundesrepublik nicht aus.
11Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 30. August 2012 ‑ 11 A 2558/11 -, juris, Rn. 46 f., m. w. N.
12Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt der Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gerade nicht darauf schließen, „dass es für die nachträgliche Einbeziehung nicht notwendig ist, dass der Abkömmling im Aussiedlungsgebiet leben muss“. Das Gegenteil ist der Fall. Die Worte „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ beschreiben die Trennungssituation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der antragstellende Spätaussiedler in Deutschland lebt, während die einzubeziehende Person im Aussiedlungsgebiet „verblieben“ ist. Daraus folgt jedenfalls, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag ‑ anders als der antragstellende Spätaussiedler ‑ ihren Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet haben muss. Das Wort „verbleiben“ deutet auch auf einen Daueraufenthalt der einzubeziehenden Person im Aussiedlungsgebiet hin.
13Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 ‑ 11 A 1882/14 -, juris, Rn. 32, und - 11 A 1747/14 -, juris, Rn. 38.
142. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Klägerin beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
15Die von der Klägerin aufgeworfene Frage,
16„Ist der § 27 Abs. 2 S. 3 BVFG, insbesondere der Teil ‚im Aussiedlungsgebiet verbliebene‘ dahingehend auszulegen, dass sich der Abkömmling zwischen der Ausreise der Bezugsperson und der Stellung des Antrags auf nachträgliche Einbeziehung durchgehend im Aussiedlungsgebiet befinden muss oder ist es nach § 27 Abs. 2 S. 3 BVFG ausreichend, dass sich der Abkömmling zum Zeitpunkt der Ausreise der Bezugsperson im Aussiedlungsgebiet befunden hat, sodass ein späteres Verlassen des Aussiedlungsgebiets unerheblich ist“,
17lässt sich beantworten, ohne dass dafür die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich wäre. Die Auslegung der Vorschrift, insbesondere der Worte „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“, ergibt, dass im Falle der nachträglichen Einbeziehung in den Aufnahmebescheid zwar nicht ein durchgehender Verbleib des Abkömmlings im Aussiedlungsgebiet zwischen der Ausreise der Bezugsperson und der Stellung des Einbeziehungsantrags gegeben sein muss, der Abkömmling aber jedenfalls - wie oben unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats ausgeführt - zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag seinen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet haben muss.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
19Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
20Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
21Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
31. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Gesetzes sind gegeben, wenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 ‑ 7 AV 1.02 ‑, Buchholz 310 § 124b VwGO Nr. 1.
5Das ist nicht der Fall. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen keine Zweifel.
6Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Einbeziehung ihres Enkels, W. L. , in ihren Aufnahmebescheid zu Recht verneint.
7Der Klägerin steht der im Zulassungsantrag geltend gemachte Anspruch auf Einbeziehung ihres Enkels nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht zu. Danach kann abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
8Die am 30. Oktober 2012 beantragte Einbeziehung des Enkels der Klägerin in ihren Aufnahmebescheid vom 13. Dezember 1995 auf dieser Grundlage scheitert bereits daran, dass der Enkel nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist, sondern seit Dezember 2009 in der Bundesrepublik Deutschland lebt. Nach der Rechtsprechung des Senats erfasst § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG regelmäßig nicht die Fallgestaltung, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung in Deutschland lebt. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag vorliegen. Wer sich zu diesem Zeitpunkt (bereits) in Deutschland aufhält, ist nicht (mehr) „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
9Vgl. hierzu OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 - 11 A 1882/14 -, juris, Rn. 26, und - 11 A 1747/14 -, juris, Rn. 32.
10Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt des Enkels im Bundesgebiet von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes im Bundesgebiet. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunkts verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen und damit die Begründung des Wohnsitzes hier in der Bundesrepublik nicht aus.
11Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 30. August 2012 ‑ 11 A 2558/11 -, juris, Rn. 46 f., m. w. N.
12Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt der Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gerade nicht darauf schließen, „dass es für die nachträgliche Einbeziehung nicht notwendig ist, dass der Abkömmling im Aussiedlungsgebiet leben muss“. Das Gegenteil ist der Fall. Die Worte „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ beschreiben die Trennungssituation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der antragstellende Spätaussiedler in Deutschland lebt, während die einzubeziehende Person im Aussiedlungsgebiet „verblieben“ ist. Daraus folgt jedenfalls, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag ‑ anders als der antragstellende Spätaussiedler ‑ ihren Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet haben muss. Das Wort „verbleiben“ deutet auch auf einen Daueraufenthalt der einzubeziehenden Person im Aussiedlungsgebiet hin.
13Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 ‑ 11 A 1882/14 -, juris, Rn. 32, und - 11 A 1747/14 -, juris, Rn. 38.
142. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Klägerin beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
15Die von der Klägerin aufgeworfene Frage,
16„Ist der § 27 Abs. 2 S. 3 BVFG, insbesondere der Teil ‚im Aussiedlungsgebiet verbliebene‘ dahingehend auszulegen, dass sich der Abkömmling zwischen der Ausreise der Bezugsperson und der Stellung des Antrags auf nachträgliche Einbeziehung durchgehend im Aussiedlungsgebiet befinden muss oder ist es nach § 27 Abs. 2 S. 3 BVFG ausreichend, dass sich der Abkömmling zum Zeitpunkt der Ausreise der Bezugsperson im Aussiedlungsgebiet befunden hat, sodass ein späteres Verlassen des Aussiedlungsgebiets unerheblich ist“,
17lässt sich beantworten, ohne dass dafür die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich wäre. Die Auslegung der Vorschrift, insbesondere der Worte „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“, ergibt, dass im Falle der nachträglichen Einbeziehung in den Aufnahmebescheid zwar nicht ein durchgehender Verbleib des Abkömmlings im Aussiedlungsgebiet zwischen der Ausreise der Bezugsperson und der Stellung des Einbeziehungsantrags gegeben sein muss, der Abkömmling aber jedenfalls - wie oben unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats ausgeführt - zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag seinen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet haben muss.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
19Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
20Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
21Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Gründe
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1. Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisherigen revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
VwGO Nr. 26 S. 14). Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.
- 3
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1. Die erste als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage,
-
"ob ein zeitlich befristeter Arbeitsvertrag, der eine Option enthält, wonach sich das Arbeitsverhältnis jeweils um ein Jahr verlängert, falls es nicht zuvor fristgerecht gekündigt wird, die Annahme rechtfertigt, am Beschäftigungsort werde kein Wohnsitz i.S.d. § 7 BGB begründet und der Wohnsitz am bisherigen Wohnort beibehalten, wenn keine zusätzlichen Umstände vorliegen, die auch bei Vorliegen eines zeitlich unbefristeten Arbeitsvertrags diese Annahme rechtfertigen würden",
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verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg, da sie in ihren Grundzügen in der Rechtsprechung des Senats geklärt und im Übrigen einer Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich ist.
- 4
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Im Einklang mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Begriff "Wohnsitz" im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes demjenigen des § 7 BGB entspricht (Urteile vom 29. Mai 1957 - BVerwG 5 C 407.56 - BVerwGE 5, 110 <113> = Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 2 S. 6 f., vom 29. August 1967 - BVerwG 3 C 158.64 - Buchholz 427.3 § 11 LAG Nr. 39 S. 108 und vom 27. Juni 1989 - BVerwG 9 C 6.89 - BVerwGE 82, 177 <179> = Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 42 S. 22).
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Gemäß § 7 Abs. 1 BGB ist das Merkmal der Begründung eines Wohnsitzes sowohl durch eine objektive als auch durch eine subjektive Komponente geprägt. In objektiver Hinsicht erfordert es die Niederlassung, mithin die Begründung des Schwerpunktes der Lebensverhältnisse am Ort der Niederlassung. In subjektiver Hinsicht bedarf es des Willens, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse am Niederlassungsort nicht nur vorübergehend, sondern dauernd, mithin auf lange Sicht und nicht bloß für eine von vornherein begrenzte, wenn auch möglicherweise länger bemessene Zeitspanne, beizubehalten. Voraussetzung ist ein entsprechender Entschluss, der sich als ein innerer, der unmittelbaren Erkenntnis durch Dritte entzogener Vorgang durch äußere Umstände manifestieren muss. Das objektive und das subjektive Element müssen gleichzeitig gegeben sein. Zu welchem Zeitpunkt ein Wohnsitz an einem bestimmten Ort begründet wird, ist eine Tatfrage des Einzelfalles, deren Beantwortung eine umfassende Würdigung sämtlicher für den Einzelfall bedeutsamer Umstände gebietet (BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1990 - 2 BvR 116/90 - NJW 1990, 2193 <2194>; BVerwG, Urteile vom 26. März 1954 - BVerwG 4 A 90.53 - Buchholz 427.1 § 30 SHG Nr. 5 S. 12 und 14, vom 9. November 1967 - BVerwG 8 C 141.67 - BVerwGE 28, 193 <194 ff.> = Buchholz 448.0 § 1 WPflG Nr. 4 S. 4 f., vom 21. Mai 1985 - BVerwG 1 C 52.82 - BVerwGE 71, 309 <312> = Buchholz 130 § 25 StAG Nr. 4 S. 3 und vom 27. Juni 1989 a.a.O. S. 179 f. bzw. S. 23).
- 6
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Nach § 7 Abs. 3 BGB wird der Wohnsitz aufgehoben, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben. Wie die Begründung des Wohnsitzes ist auch dessen Aufhebung durch eine objektive und eine subjektive Komponente gekennzeichnet. Neben der tatsächlichen Aufgabe der Niederlassung bedarf es des Willens, den Ort nicht mehr als Schwerpunkt der Lebensverhältnisse beizubehalten. Dieser Aufgabewille muss durch die konkreten Umstände des Einzelfalles erhärtet sein (Urteil vom 21. Mai 1985 a.a.O. S. 312 f. bzw. S. 3; vgl. auch Urteil vom 29. August 1967 a.a.O. S. 108 f.)
- 7
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Gemäß § 7 Abs. 2 BGB kann der Wohnsitz gleichzeitig an mehreren Orten bestehen. Mehrere Wohnsitze bestehen indes nur dann, wenn der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse ungefähr gleichmäßig auf die verschiedenen Orte verteilt ist (Urteil vom 21. Mai 1985 a.a.O. S. 313 bzw. S. 4).
- 8
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist die eingangs gestellte Frage einer revisionsgerichtlichen Klärung nicht zugänglich. Allein das Bestehen eines zeitlich befristeten Arbeitsvertrages mit der eingangs beschriebenen Verlängerungsoption erlaubt einen verallgemeinerungsfähigen Rückschluss auf das Vorliegen weder des Domizil- noch des Aufgabewillens. Die Annahme des subjektiven Elements der Begründung bzw. der Aufgabe eines Wohnsitzes erfordert eine umfassende Würdigung nicht nur arbeitsvertraglicher, sondern sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalles.
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2. Ebenso wenig rechtfertigt die zweite als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage,
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"ob eine Behörde durch Urteil verpflichtet werden kann, auf Antrag einen Verwaltungsakt zu erlassen, wenn dessen Erlass zwar kein Bundesrecht verletzt, Bundesrecht den Erlass aber auch nicht zwingend vorschreibt und im Übrigen kein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers am Erlass des Verwaltungsakts besteht",
-
die Zulassung der Revision.
- 10
-
Sie ist in dieser Allgemeinheit von dem Oberverwaltungsgericht nicht aufgeworfen und entschieden worden. Abgesehen davon wäre sie in dieser allgemeinen Form einer rechtsgrundsätzlichen Klärung im Revisionsverfahren nicht zugänglich.
- 11
-
Soweit ihr die einzelfallbezogene Frage zugrunde liegt,
-
"ob ein Rechtsanspruch der Klägerin auf die Erteilung dieses Aufnahmebescheides als Spätaussiedlerin besteht, obwohl dessen Erteilung nicht Voraussetzung für die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG an die Klägerin ist",
-
wird jener nicht schon dadurch grundsätzliche Bedeutung verliehen, dass sie in das Gewand einer Grundsatzrüge gekleidet wird. Selbst wenn man diese spezifizierte Frage vom konkreten Einzelfall lösen würde, so wäre nicht dargelegt, dass auch sie in einer "Vielzahl von Aufnahme-/Bescheinigungsverfahren der Beklagten von Bedeutung" wäre.
- 12
-
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
31. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Gesetzes sind gegeben, wenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 ‑ 7 AV 1.02 ‑, Buchholz 310 § 124b VwGO Nr. 1.
5Das ist nicht der Fall. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen keine Zweifel.
6Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Einbeziehung ihres Enkels, W. L. , in ihren Aufnahmebescheid zu Recht verneint.
7Der Klägerin steht der im Zulassungsantrag geltend gemachte Anspruch auf Einbeziehung ihres Enkels nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht zu. Danach kann abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
8Die am 30. Oktober 2012 beantragte Einbeziehung des Enkels der Klägerin in ihren Aufnahmebescheid vom 13. Dezember 1995 auf dieser Grundlage scheitert bereits daran, dass der Enkel nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist, sondern seit Dezember 2009 in der Bundesrepublik Deutschland lebt. Nach der Rechtsprechung des Senats erfasst § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG regelmäßig nicht die Fallgestaltung, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung in Deutschland lebt. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag vorliegen. Wer sich zu diesem Zeitpunkt (bereits) in Deutschland aufhält, ist nicht (mehr) „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
9Vgl. hierzu OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 - 11 A 1882/14 -, juris, Rn. 26, und - 11 A 1747/14 -, juris, Rn. 32.
10Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt des Enkels im Bundesgebiet von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes im Bundesgebiet. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunkts verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen und damit die Begründung des Wohnsitzes hier in der Bundesrepublik nicht aus.
11Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 30. August 2012 ‑ 11 A 2558/11 -, juris, Rn. 46 f., m. w. N.
12Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt der Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gerade nicht darauf schließen, „dass es für die nachträgliche Einbeziehung nicht notwendig ist, dass der Abkömmling im Aussiedlungsgebiet leben muss“. Das Gegenteil ist der Fall. Die Worte „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ beschreiben die Trennungssituation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der antragstellende Spätaussiedler in Deutschland lebt, während die einzubeziehende Person im Aussiedlungsgebiet „verblieben“ ist. Daraus folgt jedenfalls, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag ‑ anders als der antragstellende Spätaussiedler ‑ ihren Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet haben muss. Das Wort „verbleiben“ deutet auch auf einen Daueraufenthalt der einzubeziehenden Person im Aussiedlungsgebiet hin.
13Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 ‑ 11 A 1882/14 -, juris, Rn. 32, und - 11 A 1747/14 -, juris, Rn. 38.
142. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Klägerin beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
15Die von der Klägerin aufgeworfene Frage,
16„Ist der § 27 Abs. 2 S. 3 BVFG, insbesondere der Teil ‚im Aussiedlungsgebiet verbliebene‘ dahingehend auszulegen, dass sich der Abkömmling zwischen der Ausreise der Bezugsperson und der Stellung des Antrags auf nachträgliche Einbeziehung durchgehend im Aussiedlungsgebiet befinden muss oder ist es nach § 27 Abs. 2 S. 3 BVFG ausreichend, dass sich der Abkömmling zum Zeitpunkt der Ausreise der Bezugsperson im Aussiedlungsgebiet befunden hat, sodass ein späteres Verlassen des Aussiedlungsgebiets unerheblich ist“,
17lässt sich beantworten, ohne dass dafür die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich wäre. Die Auslegung der Vorschrift, insbesondere der Worte „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“, ergibt, dass im Falle der nachträglichen Einbeziehung in den Aufnahmebescheid zwar nicht ein durchgehender Verbleib des Abkömmlings im Aussiedlungsgebiet zwischen der Ausreise der Bezugsperson und der Stellung des Einbeziehungsantrags gegeben sein muss, der Abkömmling aber jedenfalls - wie oben unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats ausgeführt - zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag seinen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet haben muss.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
19Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
20Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
21Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
31. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Gesetzes sind gegeben, wenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 ‑ 7 AV 1.02 ‑, Buchholz 310 § 124b VwGO Nr. 1.
5Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung seines Enkels W. L. (im Folgenden: Enkel) in seinen Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG oder § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG hat. Ernstliche Zweifel daran zeigt die Antragsbegründung nicht auf.
6Das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Einbeziehung seines Enkels in seinen Aufnahmebescheid ist nach der zum Entscheidungszeitpunkt des Senats geltenden Rechtslage zu beurteilen.
7Vgl. speziell zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt für den Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härteweg BVerwG, Urteil vom 22. April 2004 ‑ 5 C 27.02 ‑, Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 11; ferner ausführlich OVG NRW, Urteil vom 12. Mai 2014 ‑ 11 A 802/13 ‑, juris.
8Prüfungsmaßstab ist damit § 27 BVFG in der am 14. September 2013 in Kraft getretenen Fassung des Zehnten BVFG-Änderungsgesetzes (BGBl. I S. 3554).
9a) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass eine Einbeziehung des Enkels des Klägers in seinen Aufnahmebescheid gemäߠ § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht möglich ist. Nach dieser Vorschrift kann abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG ‑ insbesondere ohne Vorliegen eines Härtefalles ‑ der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundesvertriebenengesetzes hat, nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
10Die vorliegende Fallgestaltung wird von § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht erfasst, weil der Enkel des Klägers nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist, sondern seit März 1999 in Deutschland lebt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ nicht so zu verstehen, dass die einzubeziehende Person nur im Zeitpunkt der Aussiedlung der Bezugsperson im Aussiedlungsgebiet verblieben sein muss. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag vorliegen. Wer sich zu diesem Zeitpunkt (bereits) in Deutschland aufhält, ist nicht (mehr) „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Die vom Kläger vertretene Auslegung ist daher bereits im Wortlaut nicht angelegt. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausdrücklich hervorgehoben, dass „Trennungen der Familien … beseitigt werden“ sollen.
11Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
12Eine derartige Trennung liegt hier nicht vor, weil der Enkel des Klägers sich seit über 15 Jahren in Deutschland aufhält. Inwieweit sein Aufenthalt rechtlich abgesichert ist, ist im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ohne Bedeutung. Eine fehlende rechtliche Absicherung des Aufenthalts des Enkels in Deutschland bedeutet nicht, dass er „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist. Aufgrund seines langjährigen Aufenthalts und seines auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillens hat er seinen Wohnsitz in Deutschland, obwohl sein Aufenthalt hier derzeit nicht auf Dauer rechtlich gesichert ist.
13Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 30. April 2012 ‑ 11 A 2558/11 ‑, juris.
14Für die vom Kläger in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung, der Gesetzgeber habe die Familie nicht nur als „physische Einheit“, sondern auch als „rechtliche Einheit“ zusammenführen wollen, ergibt sich aus dem Gesetz kein Anhaltspunkt.
15Die vom Senat im
16Beschluss vom 17. April 2013 ‑ 11 E 37/13 ‑, juris,
17angestellte Überlegung, im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des Neunten BVFG-Änderungsgesetzes sei insbesondere wegen der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 77/5515, S. 7) möglicherweise eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG in der Fassung des Neunten BVFG-Änderungsgesetzes zu berücksichtigen, ist durch die Neufassung und Änderung der bisher in § 27 Abs. 3 BVFG enthaltenen Regelung in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG durch das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz überholt.
18b) Ein Anspruch des Klägers auf nachträgliche Einbeziehung seines Enkels gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG scheitert daran, dass sich der Enkel seit 1999 im Bundesgebiet aufhält und der Antrag des Klägers auf nachträgliche Einbeziehung erst 13 Jahre später, nämlich am 22. März 2012, gestellt worden ist.
19Zwar enthält § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (ebenso wenig wie § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.) keine Frist für die Stellung eines Härtefallantrags. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F. (jetzt wortgleich § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG) gefolgert, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland und der Stellung eines Härtefallantrags bestehen muss.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248.
21Nach § 26 BVFG könne nur Personen, die bereits beim Verlassen der Aussiedlungsgebiete Spätaussiedler sein wollen, einen Aufnahmebescheid erhalten. Dieser Spätaussiedlerwille ist zwingende Tatbestandsvoraussetzung für den Erhalt des Aufnahmebescheides.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248 (251 f.).
23Die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG betreffend den Härtefallantrag eines Spätaussiedlers beansprucht für einen Härtefallantrag auf Einbeziehung des Ehegatten oder der Abkömmlinge entsprechende Geltung. Dem Spätaussiedler können hinsichtlich seines Antrags auf Einbeziehung seiner Familienangehörigen nicht weiter reichende Rechte zustehen als hinsichtlich seines Antrags auf eigene Aufnahme. Das Bundesverwaltungsgericht hat aus der Systematik des Bundesvertriebenengesetzes hergeleitet, dass Personen, die aus den Aussiedlungsgebieten ausreisen, ohne zuvor ein Aufnahmeverfahren durchgeführt zu haben, nur dann einen Aufnahmebescheid erhalten können, wenn sie bereits beim Verlassen der Aussiedlungsgebiete Spätaussiedler sein wollen und diesen Willen zeitnah zur Übersiedlung nach außen hin betätigt haben.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248 (251 f.).
25Ist aber der Spätaussiedlerwille im Falle des Härtefallantrags auf Erteilung eines eigenen Aufnahmebescheids zwingende Tatbestandsvoraussetzung, kann für den Härtefallantrag auf Einbeziehung des Ehegatten oder der Abkömmlinge in einen Aufnahmebescheid nichts anderes gelten.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2014 ‑ 11 A 926/14 ‑, juris.
27Denn die Einbeziehung soll ein potenzielles Aussiedlungshindernis für den Spätaussiedler zu dessen Gunsten ausräumen; die einzubeziehenden Personen haben insoweit keinen eigenen Anspruch.
28So die Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz), BR-Drs. 22/03 vom 16. Januar 2003, S. 291.
29Der Kläger kann diese zwingende Tatbestandsvoraussetzung in Bezug auf die Einbeziehung seines Enkels nicht mehr erfüllen. Denn sein (heutiger) Spätaussiedlerwille kann sich nicht mehr darauf beziehen, dass sein Enkel die Aussiedlungsgebiete als Einzubeziehender verlässt und zum Zwecke der Herstellung der Einheit der Familie ins Bundesgebiet einreist, weil er sich bereits seit März 1999 in Deutschland aufhält.
30c) Ein in der Zulassungsbegründung erstmals behaupteter bis heute unbeschiedener Einbeziehungsantrag seines Enkels aus dem vor der Übersiedlung des Klägers geführten Aufnahmeverfahren ist nicht Gegenstand des vorliegenden (nur) vom Kläger geführten Verfahrens. Nach der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Rechtslage konnten Einbeziehungsanträge nicht von der Bezugsperson, sondern nur von der einzubeziehenden Person gestellt werden.
31Vgl. z. B. OVG NRW, Urteil vom 8. Dezember 1999 ‑ 2 A 5680/98 ‑, juris, Rdnr. 22.
32Unabhängig davon legt der Kläger nicht hinreichend dar, dass ein solcher Antrag noch anhängig ist. Hierfür reicht der Hinweis auf den Tatbestand des Urteils des Verwaltungsgerichts Minden vom 25. Mai 2007 ‑ 5 K 1888/06 ‑ nicht aus. Aus diesem Tatbestand ergibt sich nicht, dass der Enkel bereits vor 1996 selbst einen Einbeziehungsantrag gestellt und gerade diesen Antrag weiterverfolgt hat, nachdem er in den Aufnahmebescheid des Klägers vom 10. September 1996 nicht einbezogen worden war. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht Minden im genannten Urteil zu Beginn der Entscheidungsgründe ausgeführt, die Klage des Enkels sei unzulässig, soweit er seine nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid seines Großvaters ‑ des Klägers ‑ begehre.
332. Daraus folgt gleichzeitig, dass die Rechtssache keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.
343. Die Sache hat auch nicht die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die vom Kläger formulierte Frage,
35„ob sich das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ tatsächlich darauf bezieht, dass der einzubeziehende Familienangehörige durchgängig im Herkunftsgebiet verblieben sein muss und ob der Wohnsitz tatsächlich noch im Zeitpunkt der Antragstellung der nachträglichen Einbeziehung bestanden haben muss oder ob sich das „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ nicht auf den Zeitpunkt der Aussiedlung der Bezugsperson bezieht,“
36lässt sich jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung, in der sich der einzubeziehende Familienangehörige bereits seit über 15 Jahren ununterbrochen in Deutschland aufhält ‑ wie unter 1. dargelegt ‑ ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
37Die weitere Frage,
38„ob der Gesetzgeber die „Einheit der Familie“ nur als physische Einheit bzw. Zusammenführung gemeint hat oder auch als rechtliche Einheit“,
39ist nach den Ausführungen unter 1. ohne Weiteres zu verneinen. Die vom Kläger hier angestellten Vermutungen zu Überlegungen des Gesetzgebers sind im Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in keiner Weise angelegt.
40Soweit der Kläger auch im Zusammenhang mit einer seinen Enkel betreffenden „Härtefallsituation“ aufgrund gesundheitlicher Beschwerden auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verweist, formuliert er keine über den Einzelfall hinausgehende klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
42Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
43Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
44Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren einge-stellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.0000 geborene Klägerin begehrt die Einbeziehung ihres am 00.00.0000 geborenen Sohnes S. N. (nunmehr N.) in ihren Aufnahmebescheid.
3Die Klägerin ist seit dem 19. April 1995 im Besitz eines Aufnahmebescheides. Sie reiste im November 1995 in die Bundesrepublik ein und wurde am 5. August 1996 in den deutschen Staatsverband eingebürgert.
4Herr N1. erhielt ebenfalls am 19. April 1995 einen Aufnahmebescheid. Er reiste am 10. Dezember 2007 mit seiner Ehefrau P. und den gemeinsamen Kindern L. (geboren am 00.00.1999 ) und L1. (geboren am 00.00.2001 ) mit einem Besuchsvisum in die Bundesrepublik ein. Gegenüber der Beklagten machte er am 12. Dezember 2007 folgende Angaben: Er sei mit seiner Familie nach Deutschland gekommen, weil er in Kasachstan nicht länger leben wolle. Die Familie habe dort seit etwa einem Jahr keine Wohnung. Sie habe bei Bekannten gelebt. Er und seine Familienangehörigen würden in der kasachischen Gesellschaft unterdrückt. Nachdem er in Deutschland angekommen sei, habe er den endgültigen Entschluss gefasst, nicht nach Kasachstan zurückzureisen und stattdessen hier bei seiner Mutter, der Klägerin, und seinen Geschwistern zu bleiben. Wegen der Einzelheiten der Angaben des Herrn N. wird auf Beiakte 2, Blatt 155 verwiesen. Die Klägerin legte gegenüber der Beklagen mit Schreiben vom 4. Dezember 2007 und 17. Dezember 2007 die Gründe für die – zum damaligen Zeitpunkt erfolgte – Einreise des Herrn N. und seiner Familie dar. Wegen der Einzelheiten ihrer Schreiben wird auf Beiakte 2, Blatt 150 ff., 216 f. verwiesen.
5Nachdem die Beklagte Herrn N1. am 1. November 2007 in Almaty/ Kasachstan und am 14. Dezember 2007 in Friedland zu seiner Sprachkompetenz angehört hatte, nahm sie mit Bescheid vom 18. Februar 2008 seinen Aufnahmebescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Zur Begründung führte sie u. a. an, Herr N. erfülle die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) nicht, weil er ein einfaches Gespräch auf Deutsch nicht führen könne. Nach Abwägung aller Umstände sei das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Aufnahmebescheides höherrangig anzusehen als das Interesse des Herrn N. an dem Bestand des Aufnahmebescheides. Herr N. habe im Aufnahmeantrag falsche Angaben zu seiner Sprachkompetenz gemacht [Anmerkung des Gerichts: Herr N. hatte angegeben, Deutsch sei seine Muttersprache und die aktuelle Umgangssprache in der Familie, vgl. Beiakte 2, Blatt 14]. Diese seien für die Erteilung des Aufnahmebescheides von maßgeblicher Bedeutung gewesen. Aufgrund der Angaben zur Sprachkompetenz sei nicht geprüft worden, ob Herr N. in den Aufnahmebescheid der Klägerin hätte einbezogen werden können. Sie, die Beklagte, habe Herrn N. im Anschluss an die Anhörung zur Sprachkompetenz in Almaty ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie hinsichtlich seines Aufnahmebescheides ein förmliches Rücknahmeverfahren einleiten werde und dass er seine Ausreisevorbereitungen zurückstellen möge. Die Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidung an. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 224 ff. verwiesen. Herr N. erhob gegen die Rücknahme seines Aufnahmebescheides am 28. Februar 2008 Widerspruch, den er u. a. wie folgt begründete: Er sei vor seiner Ausreise nach Deutschland Pastor bei der christlichen Gemeinde „Neues Leben“ in Almaty gewesen. Seine Ehefrau sei an der Wohltätigkeit der Gemeinde ebenfalls aktiv beteiligt gewesen. Die Familie sei deshalb verfolgt und ständig bedroht worden. Zuletzt habe man ihm und seiner Ehefrau sogar mit der Entführung der beiden Töchter gedroht. Sie seien deshalb gezwungen gewesen, Kasachstan sofort zu verlassen. Wegen der Einzelheiten der Widerspruchsbegründung wird auf Beiakte 2, Blatt 287 ff. verwiesen. Die Beklagte wies den Widerspruch des Herrn N1. mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurück. Herr N. erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3078/08), die das Gericht mit Urteil vom 4. August 2010 abwies. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Beiakte 2, Blatt 418 ff. verwiesen. Herr N. stellte gegen dieses Urteil Antrag auf Zulassung der Berufung, den das OVG NRW mit Beschluss vom 25. Oktober 2010 (Az.: 12 A 1960/10) verwarf.
6Die Klägerin beantragte erstmals am 31. Januar 2008 „rein vorsorglich“ die Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 BVFG in der damals geltenden Fassung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Februar 2008 ab. Zur Begründung führte sie an, es könne offen bleiben, ob eine besondere Härte im Sinne der vorgenannten Vorschrift vorliege. Denn es fehle jedenfalls an den sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung. Diese setze nicht nur einen ausdrücklichen Antrag der Bezugsperson voraus. Der Antrag müsse vielmehr auch vor der Ausreise der Bezugsperson „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ gestellt worden sein. Daran fehle es hier. Die Klägerin habe den Antrag nicht zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung, sondern erst zwölf Jahre später gestellt. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 254 f. verwiesen. Die Klägerin erhob dagegen am 26. Februar 2008 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurückwies. Die Klägerin erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3077/08) und stellte einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Nachdem das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 2. Mai 2009 abgelehnt und das OVG NRW die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 7. September 2009 (Az.: 2 E 804/09) zurückgewiesen hatte, nahm die Klägerin die Klage am 8. März 2010 zurück.
7Mit Schreiben vom 5. März 2012 stellte die Klägerin gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (nunmehr: BVFG a. F.) bei der Beklagten einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der beiden gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid. Im Rahmen der Antragstellung machte sie folgende Angaben: Sollten ihr Sohn und seine Familie ausgewiesen werden, würde dies für sie, die Klägerin, eine erhebliche Belastung bedeuten. Sie leide seit längerer Zeit an einer Vielzahl von Erkrankungen. Ihr Sohn und seine Familie seien ihr im Alltag behilflich. Sie hätten keinen Bezug mehr zu Kasachstan. Sollten sie dorthin zurück müssen, drohten ihnen erhebliche Gefahren.
8Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. März 2012 ab. Zur Begründung führte sie an, die Familienangehörigen seien nicht im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Sie lebten im Bundesgebiet.
9Die Klägerin erhob dagegen am 18. April 2012 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2012 zurückwies.
10Die Klägerin hat dagegen am 24. Mai 2012 Klage erhoben.
11Nachdem die Klägerin die Beklagte bereits mit Schreiben vom 13. April 2012, 11. Mai 2012 und 2. Juli 2012 um eine Bescheidung ihres Einbeziehungsantrags auch am Maßstab des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. gebeten hatte, stellte sie mit Schreiben vom 10. Juli 2012 ausdrücklich einen Wiederaufgreifensantrag nach § 27 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 BVFG a. F.
12Herr N., seine Ehefrau und die beiden Kinder reisten am 10. August 2012 nach Almaty aus, nachdem die Städteregion Aachen ihren Aufenthalt nicht länger geduldet hatte.
13Die Beklagte lehnte den Wiederaufgreifensantrag mit Bescheid vom 26. Oktober 2012 ab. Zur Begründung führte sie u. a. an, Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens lägen nicht vor. Die Versagung der Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei rechtmäßig gewesen, da die „sonstigen Voraussetzungen“ des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. nicht vorgelegen hätten. Hieran habe sich nach Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG nichts geändert.
14Die Klägerin erhob dagegen fristgerecht Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2012 zurückwies.
15Die Klägerin hat den Widerspruchsbescheid mit Schriftsatz vom 25. Januar 2013 in ihre Klage einbezogen.
16Sie macht zur Begründung der Klage geltend: Durch die Ausreise des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder habe sich die Sach- und Rechtslage zu ihren Gunsten geändert. Die Beklagte könne die Ablehnung des Einbeziehungsantrags nun nicht mehr auf den Aufenthalt ihrer Familienangehörigen im Bundesgebiet stützen. Dass die Rückkehr ihrer Familienangehörigen ins Aussiedlungsgebiet nach der gesetzlichen Konzeption des § 27 BVFG keinen Ablehnungsgrund darstellen könne, ergebe sich aus dessen Absatz 1 Satz 6 a. F. Danach gelte der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Absatz 2 a. F. abgelehnt worden sei und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet habe. Die Regelung sei auch auf Einbeziehungsanträge für Ehegatten und Abkömmlinge anwendbar. Eine andere Betrachtungsweise würde bedeuten, dass eine Einbeziehung nicht mehr möglich wäre, wenn die Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. abgelehnt worden sei. Sinn und Zweck des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. sei es nicht, solche Menschen von seinem Anwendungsbereich auszuschließen, die bereits einmal vergeblich versucht hätten, die die Härte begründende Trennung auf die eine oder andere Weise aufzuheben. Ziel des Gesetzgebers sei es vielmehr, durch das Tatbestandsmerkmal des Verbleibens solche Fälle tragischer Familientrennungen aus dem Anwendungsbereich auszunehmen, in denen sämtliche Familienangehörige bereits aus anderen Gründen in Deutschland lebten. Eine solche Situation liege hier aber gerade nicht vor. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sei nach dem zuvor Gesagten auch dann noch zu bejahen, wenn die Einzubeziehenden sich zwischenzeitlich fünf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hätten.
17Eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei unabhängig davon möglich, ob die Einzubeziehenden im Aussiedlungs- oder im Bundesgebiet lebten.
18Die Klägerin hat die Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung auf eine Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., beschränkt und hinsichtlich ihrer Schwiegertochter und der beiden Enkelkinder zurückgenommen.
19Die Klägerin beantragt,
20die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen,
21hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Die Rechtslage habe sich weder durch die Ausreise des Herrn N. noch durch das Inkrafttreten des Zehnten Gesetzes zur Änderung des BVFG zu Gunsten der Klägerin geändert. Denn „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F./ § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n. F. sei nur eine Person, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet habe. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen seien daher Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet hätten. Unschädlich seien allenfalls Aufenthalte im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt sei, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibe.
25Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
26Entscheidungsgründe:
27Das Gericht hat das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.
28Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
29Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Klageansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
30Dies gilt zunächst für den von ihr mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG.
31Nach dieser Bestimmung kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
32Herr N., der nach seinem Aufenthalt in der Bundesrepublik vom 10. Dezember 2007 bis zum 10. August 2012 in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt ist, ist nicht im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
33Dagegen, ihn als „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ anzusehen, spricht der Wortlaut der Formulierung. „Verbleiben“ legt nach allgemeinem Sprachgebrauch am ehesten ein Verständnis im Sinne von „zurückbleiben“, „da bleiben“, „übrig bleiben“ oder „ausharren“ nahe. Nach seinem Wortlaut umfasst das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ daher nur solche Personen, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet haben. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen sind demnach Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet haben. Eine solche Wohnsitznahme liegt nicht vor bei Aufenthalten im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt ist, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibt.
34Dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG kommt besonderes Gewicht zu, weil es für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen wäre, die Norm so zu fassen, dass sie auch Rückkehrer ins Aussiedlungsgebiet umfasste. Er hätte etwa formulieren können: „Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene oder der aus der Bundesrepublik oder einem Drittstaat ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrte Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Alternativ hätte er – wie in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG – lediglich auf den aktuellen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet abstellen und z. B. formulieren können: Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) auch nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Von entsprechenden Formulierungen hat er aber abgesehen.
35Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel daran, dass Herr N. unter Aufgabe seines Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich einen Wohnsitz in Deutschland begründet hatte. Dafür sprechen sein langer Aufenthalt in Deutschland (vier Jahre und acht Monate) und die von ihm zwei Tage nach seiner Einreise getätigte Äußerung gegenüber der Beklagten, er wolle in Kasachstan nicht länger leben und stattdessen mit seiner Ehefrau und seinen Kindern bei seiner Familie in Deutschland bleiben.
36Die Wortlautauslegung wird durch die systematische Auslegung bestätigt. Bei der Betrachtung der Systematik des Gesetzes zeigt der Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG, dass der Gesetzgeber es im Gesetzestext ausdrücklich kenntlich macht, wenn er über die Aufgabe des Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet hinwegsehen bzw. den Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet fingieren will. Nach dieser Bestimmung gilt der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
37Herr N. kann sich auf die Ausnahmevorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG nicht berufen.
38Sie betrifft lediglich Aufnahmebewerber. Dies folgt aus dem Verweis auf Satz 1, der ausschließlich das Aufnahmeverfahren betrifft. Außerdem spricht § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG vom „Antragsteller“. Einzubeziehende können aber keine Antragsteller sein. Der Antrag auf Einbeziehung kann vielmehr nur von der Bezugsperson geltend gemacht werden (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG). Eine analoge bzw. entsprechende Anwendung des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG auch auf einzubeziehende Personen scheidet aus. Hinweise auf eine planungswidrige Regelungslücke sind nicht ersichtlich. Soweit das OVG NRW in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 30. Mai 2001 (Az.: 2 A 1356/99) auf der Basis der damaligen Rechtslage eine entsprechende Anwendung der Fiktionsvorschrift (damals: § 27 Abs. 1 Satz 4 BVFG) befürwortet hat, bezog sich dies auf eine Konstellation, in der die Bezugsperson knapp drei Wochen nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt war, um die Einbeziehung ihrer Abkömmlinge in ihren Aufnahmebescheid zu ermöglichen. Hier ist aber nicht die Bezugsperson in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt, sondern haben die einzubeziehenden Personen sich dort wieder niedergelassen.
39Aber selbst wenn die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG entgegen dem zuvor Gesagten auf einzubeziehende Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlern analog bzw. entsprechend anwendbar wäre, griffe sie im vorliegenden Fall nicht zu Gunsten des Herrn N. ein. Denn er hat nicht nach Ablehnung des Einbeziehungsantrags der Klägerin gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.) für den Folgeantrag nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.) erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet. Er hat vielmehr zu dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gestellt hat (5. März 2012), seinen Wohnsitz noch immer in der Bundesrepublik gehabt und ist erst im Laufe des Klageverfahrens am 10. August 2012 nach Kasachstan ausgereist. Die Privilegierung der Fiktion des fortbestehenden Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet greift jedoch nur dann ein, wenn der Aufnahmebewerber (jedenfalls) nach Beendigung seines erfolglos betriebenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härtewege unverzüglich in das Aussiedlungsgebiet zurückkehrt und dort vor Stellung eines (erneuten) Aufnahmeantrags wieder seinen Wohnsitz nimmt.
40Vgl. OVG NRW, Beschl. vom 23. September 2008 – 2 A 1746/07 – nicht veröffentlicht; vgl. zu dem Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG allgemein BVerwG, Beschl. vom 26. August 2005 – 5 B 72/05 – juris Rdnr. 3.
41Die entstehungsgeschichtliche bzw. teleologische Auslegung führt zu keinem von dem zuvor Gesagten abweichenden Ergebnis. Sie bestätigt eher die vorherige Auslegung.
42Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Er ging dabei seinerzeit offenbar davon aus, dass die nachträgliche Einbeziehung nur solchen Personen ermöglicht werden sollte, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz fortdauernd im Aussiedlungsgebiet hatten. Für ein solches Verständnis des Gesetzgebers spricht folgende Formulierung in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5515, Seite 1; vgl. auch BT-Drs. 17/7178, Seite 1):
43„Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben [Hervorhebung nur hier] oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.“
44Einem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion hat der Gesetzgeber damals nicht entsprochen.
45Vgl. zu dem Änderungsantrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
46Mit dem 10. Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Sinn und Zweck der Neuregelung ist es, verstärkt Familienzusammenführungen von Spätaussiedlern zu ermöglichen.
47Vgl. BT-Drs. 17/13937, Seite 6.
48Zu § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/13937, Seite 6 f.):
49„Die Vorschrift entspricht zu weiten Teilen dem § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG, wie er durch das 9. BVFG-Änderungsgesetz vom 4. Dezember 2011 eingeführt wurde, verzichtet aber auf das Tatbestandsmerkmal der Härte. Denn an der bisher für das Aufnahmeverfahren maßgeblichen Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Falle einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich) soll nicht weiter festgehalten werden. Die Praxis hat gezeigt, dass die hierdurch in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler nicht ausreichend beseitigt werden können. Selbst die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wiederherzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben. Dem-entsprechend lässt § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG fortan die nachträgliche Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalles und ohne zeitliche Einschränkungen zu. Die nachträgliche Einbeziehung wird so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG tritt; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten.“
50Diesem Absatz lässt sich nicht mit der notwendigen Deutlichkeit entnehmen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers unter das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ auch solche Personen fallen sollen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz aus dem Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben. Wäre ein solches Verständnis gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in den Gesetzesmaterialien bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ wird dort im Gegenteil überhaupt nicht näher behandelt. Einen neuerlichen Vorstoß im Gesetzgebungsverfahren, das Tatbestandsmerkmal zu streichen, hat es nicht gegeben.
51Der Klägerin steht auch der von ihr mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Einbeziehung des Herrn N. in ihren Aufnahmebescheid im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nicht zu. Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen [Hervorhebung nur hier] vorliegen. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BVFG werden der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmlingzum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung [Hervorhebung nur hier] in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 BVFG vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt.
52Diese Voraussetzungen sind für Herrn N. nicht gegeben.
53In der Rechtsprechung ist für die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige Voraussetzung“ unabhängig von einer gegebenenfalls im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht.
54Vgl. etwa BVerwG, Beschl. vom 28. Juli 2005 – 5 B 134/04 – juris Rdnr. 4; Beschl. vom 30. Oktober 2006 – 5 B 55/06 – juris Rdnr. 2; OVG NRW, Beschl. vom 26. Oktober 2005 – 2 A 2383/05 – juris Rdnr. 30; Beschl. vom 21. Februar 2006 – 2 A 4798/05 – juris Rdnr. 7; Beschl. vom 8. August 2006 – 12 A 4189/05 – juris Rdnr. 3; Beschl. vom 13. Februar 2008 – 12 A 4479/06 – juris Rdnr. 3 ff. m. w. N.
55Wie die Beklagte bereits in ihren Bescheiden bzw. Widerspruchsbescheiden vom 18. Februar 2008, 25. September 2008, 26. Oktober 2012 und 27. Dezember 2012 ausgeführt hat und das Verwaltungsgericht Minden und das OVG NRW in ihren PKH-Beschlüssen vom 2. Mai 2009 (Az.: 8 K 3077/08 Minden) und 7. September 2009 (2 E 804/09 OVG NRW) bestätigt haben, fehlt es hier an einem solchen Antrag.
56Da der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, was die Härtefalleinbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ angeht, identisch ist mit dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F., ist die Rechtsprechung zum Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags weiterhin anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung fürim Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nachträglich in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden können. Die Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ ist damit nicht obsolet geworden. Vielmehr besteht nur eine „weitere Option“,
57so ausdrücklich BT-Drs. 17/13937, Seite 7,
58die Familienzusammenführung in den Fällen zu erleichtern, in denen Ehegatte oder Abkömmling des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind.
59Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Die Kammer hat die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob Personen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben und sodann in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind, im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sind oder sein können.
Tenor
Der Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 22.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2015 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der 1922 geborene Kläger wendet sich dagegen, dass die Einbeziehung seines Enkels B. L. in seinen Aufnahmebescheid zurückgenommen wurde.
3Dem Kläger wurde im Februar 1997 ein Aufnahmebescheid erteilt. Er reiste im August 1997 in das Bundesgebiet ein und erhielt im Dezember 1997 eine Spätaussiedlerbescheinigung.
4Im November 2013 beantragte er die nachträgliche Einbeziehung seines 1983 in Turuchansk, Gebiet Krasnojarsk/Russland geborenen Enkels B. L. . Dessen Ehefrau und Sohn sollten ebenfalls zu ihm ins Bundesgebiet nachreisen. Sein Enkel sei in Komsomolsk, Gebiet Poltawa/Ukraine wohnhaft. In der Rubrik des Antragsformulars, die für Angaben zu Schul- und Berufsausbildung sowie sämtlichen beruflichen Tätigkeiten des Einzubeziehenden vorgesehen ist, befindet sich der Eintrag „arbeitslos“. Im Oktober 2014 unterzog sich Herr L. in der Botschaft der Beklagten in Kiew mit Erfolg einem Sprachstandstest. Mit Bescheid vom 03.02.2015 bezog das Bundesverwaltungsamt B. L. in den Aufnahmebescheid des Klägers ein.
5Im Rahmen des sich anschließenden Visumsverfahrens des Herrn L. unterrichtete die Botschaft der Beklagten in Kiew das Bundesverwaltungsamt im März 2015 darüber, dass dessen Fingerabdrücke mit verschiedenen Namen und Staatsangehörigkeiten (25 verschiedene Identitäten) gespeichert seien. Im Bundesgebiet sei er wegen besonders schweren Diebstahls und Verstoßes gegen das AsylVfG inhaftiert gewesen. Er habe Asyl beantragt und sei 2013 abgeschoben worden. Das Bundesverwaltungsamt bat die Botschaft, das Visumsverfahren auszusetzen.
6Herr L. erklärte daraufhin, er sei erstmals in 2002 zum Besuch seiner Verwandten in Deutschland gewesen. Von 2009 bis Ende 2010 habe er sich zu einer medizinischen Behandlung hier aufgehalten; dabei sei er gezwungen gewesen, Asyl zu beantragen. 2013 sei er bei einem weiteren Einreiseversuch wegen der Verletzung von Visabestimmungen inhaftiert worden. 2014 habe er sich erneut besuchsweise in Deutschland aufgehalten. Er sei seit 1995 in Komsomolsk gemeldet. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärte, dessen Enkel sei als Flüchtling aus dem Kriegsgebiet Lugansk nach Deutschland gekommen. Das Bundesverwaltungsamt zog im Juni 2015 die bei der Ausländerbehörde des Kreises Euskirchen geführten Akten betreffend B. L. bei. Daraus ergeben sich folgende Informationen:
7Im September und Oktober 2002 wurde Herr L. im Bundesgebiet aus Anlass eines unerlaubten Aufenthalts und einer Rückübernahme erkennungsdienstlich behandelt. Er war im Besitz einer schwedischen Asylbewerberkarte.
8Im Juli 2009 reiste er ins Bundesgebiet ein. Er erhielt eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender und erklärte, er habe bereits Asylanträge 2001 und 2002 in Norwegen, 2002 in Schweden, sowie 2003 und 2009 in der Schweiz gestellt. Termine zur Aufnahme seines Asylbegehrens nahm er nicht wahr. Zwischen Dezember 2009 und April 2010 soll er in eine Klinik in Ansbach aufgenommen worden sein. Nach Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung vom 26.05.2010 reiste er im November 2010 aus dem Bundesgebiet aus.
9Im November 2012 wurde er wegen Verdachts der Erschleichung eines Aufenthaltstitels festgenommen und war in der JVA Dresden zum Abbüßen von Ersatzfreiheitsstrafen vom 30.11.2012 bis 19.03.2013 inhaftiert. Im April 2013 verließ er das Bundesgebiet.
10Bei erneuter Einreise in das Bundesgebiet im April 2014 meldete er sich als Asylsuchender. Im Mai 2014 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers für Herrn L. als dessen Bevollmächtigter bei der Kreisverwaltung Euskirchen eine Aufenthaltserlaubnis. Nach Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung reiste Herr L. im Juli 2014 aus dem Bundesgebiet aus.
11Mit Bescheid vom 22.06.2015 nahm das Bundesverwaltungsamt den Einbeziehungsbescheid für B. L. unter Anordnung sofortiger Vollziehung zurück. Der Einbeziehungsbescheid sei rechtswidrig, da der Enkel des Klägers nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben sei. Nach den inzwischen gewonnenen Erkenntnissen habe er sich zur Durchführung von Asylverfahren von 2001 bis 2002 in Norwegen, 2002 in Schweden und Deutschland, 2003 und im August 2009 in der Schweiz sowie ab September 2009 in Deutschland aufgehalten. Im Rahmen der Interessenabwägung überwiege das öffentliche Interesse an der Aufhebung des rechtswidrigen Bescheids gegenüber dem Interesse des Klägers an dessen Aufrechterhaltung. Die Aufhebung diene der gleichmäßigen Gesetzesanwendung und beseitige eine ungerechtfertigte Bevorzugung gegenüber anderen Antragstellern.
12Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, der behauptete, lange zurückliegende Asylantrag stehe in keinem Zusammenhang mit der Einbeziehung seines Enkels nach dem BVFG. Es sei aus der Luft gegriffen, dass sein Enkel sich ab 2009 in Deutschland aufgehalten habe; allenfalls sei er kurzzeitig hier gewesen. Seinen Wohnsitz in der Ukraine habe er jedenfalls nie aufgegeben. Soweit das Bundesverwaltungsamt das Vorliegen der für die Einbeziehung erforderlichen Voraussetzungen nicht ausreichend ermittelt habe, könne es seine Bearbeitungsfehler nicht im Nachhinein durch eine Rücknahme korrigieren. Es dürfe bei der Entscheidung über die Rücknahme der Einbeziehung keinen strengeren Maßstab anlegen als bei der Einbeziehung selbst. Das Bundesverwaltungsamt habe sein Rücknahmeermessen fehlerhaft ausgeübt.
13Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2015 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch unter Verweis auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid zurück. Der Bescheid wurde am 19.08.2015 zugestellt.
14Der Kläger hat am 17.09.2015 Klage erhoben.
15Zur Klagebegründung macht er ergänzend geltend, sein Enkel sei nach Norwegen, Schweden, in die Schweiz und nach Deutschland nur zu kurzzeitigen Auslandsaufenthalte wegen der politischen Lage bzw. eines Krankenhausaufenthaltes gereist; er habe sich dort nicht angemeldet. Richtige Asylanträge habe er nicht gestellt; seine Rückkehr sei von vornherein bekannt gewesen. Seine Familie lebe bis heute in der Ukraine. Dort habe er aktuell seinen Wohnsitz angemeldet. Die Rücknahmemöglichkeit sei verjährt. Die Umstände, mit denen das Bundesverwaltungsamt die Rücknahme begründe, seien sämtlich vor Erteilung des Einbeziehungsbescheides entstanden und bekannt gewesen. Dem Bundesverwaltungsamt habe die Akte der Ausländerbehörde des Kreises Euskirchen mit Angaben über die Aufenthalte seines Enkels in Westeuropa und dessen diversen Strafverfahren bereits bei Erlass des Einbeziehungsbescheides vorgelegen. Jedenfalls habe es vor der Einbeziehung eine Sicherheitsüberprüfung vornehmen sowie das Ausländerzentralregister einsehen müssen und daraus die Erkenntnisse gewinnen können, die es nun für deren Rücknahme heranziehe. Soweit das Bundesverwaltungsamt Antragsformulare verwende, in denen bestimmte Angaben nicht vorgesehen seien, könne deren Fehlen den Verfahrensbeteiligten nicht zum Vorwurf gemacht werden.
16Der Kläger beantragt,
17den Rücknahmebescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 22.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12.08.2015 aufzuheben.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie nimmt auf ihre Ausführungen im Bescheid vom 22.06.2015 Bezug und führt ergänzend aus, das Bundesverwaltungsamt sei erst durch die Mitteilung der Auslandsvertretung in Kiew im März 2015 auf die Existenz eines ausländerrechtlichen Vorgangs betreffend den Enkel des Klägers aufmerksam gemacht worden und habe die Akte in der Folge beigezogen. Eine Beteiligung der Sicherheitsbehörden habe am 15.01.2015 stattgefunden. Deren Rückmeldung erfolge jedoch lediglich bei Erkenntnissen zu Ausschlussgründen nach § 5 Nr. 1 d) und e) Bundesvertriebenengesetz - BVFG -; von einem Inlandsaufenthalt der überprüften Person erlange das Bundesverwaltungsamt auf diesem Wege nicht automatisch Kenntnis. Das BVFG verpflichte das Bundesverwaltungsamt auch nicht, vor Erteilung eines Einbeziehungsbescheids das Ausländerzen-tralregister zu überprüfen. Dagegen hätte das Bundesverwaltungsamt rechtzeitig vor Erteilung des Einbeziehungsbescheids von der Existenz des ausländerrechtlichen Vorgangs erfahren, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers seiner Mitwirkungspflicht im Einbeziehungsverfahren nachgekommen wäre und vollständige Angaben gemacht hätte. Er habe den Enkel des Klägers bei dessen Inlandsaufenthalt im Frühjahr 2014 als Bevollmächtigter gegenüber der Ausländerbehörde des Kreises Euskirchen vertreten, dem Bundesverwaltungsamt aber gleichzeitig verschwiegen, dass dieser der Einladung zum Sprachtest in der Auslandsvertretung in Kiew im Mai 2014 wegen seines Aufenthalts im Bundesgebiet nicht habe folgen können.
21Mit Beschluss vom 07.01.2016 hat die Kammer dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie der von der Ausländerbehörde des Kreises Euskirchen beigezogenen Akten des B. L. Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24Die Klage ist zulässig und begründet.
25Der Bescheid vom 22.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Absatz 5 VwGO).
26Rechtsgrundlage für die Rücknahme eines rechtswidrigen Einbeziehungsbescheids ist § 48 VwVfG. Nach § 48 Abs. 1 VwVfG kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Da der Einbeziehungsbescheid keine Geld- oder Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, greift § 48 Abs. 2 VwVfG nicht ein. Die Rücknahme eines rechtswidrigen Einbeziehungsbescheids richtet sich somit nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie 4 VwVfG.
27Es spricht Einiges dafür, dass der Einbeziehungsbescheid vom 03.02.2015 zum maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war, weil der einbezogene Enkel des Klägers nicht, wie § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG es verlangt, „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist. Aus Sicht der Kammer liegt es nahe, diese Formulierung wegen ihres Wortlauts und aufgrund systematischer sowie entstehungsgeschichtlicher Auslegung dahin zu verstehen, dass nur solche Personen das Tatbestandsmerkmal erfüllen, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz im Herkunftsgebiet ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet haben,
28so VG Köln, Urteile vom 05.02.2014 - 10 K 3385/12 -, 30.07.2014 - 10 K 3558/13 - und vom 03.09.2014 - 10 K 8156/13 -; a.A. OVG NRW, Urteile vom 16.09.2015 - 11 A 1747/14 - und 11 A 1882/14 -, wonach der Einzubeziehende nur zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag seinen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet haben muss.
29Die vorhandenen Erkenntnisse über die Aufenthaltsverhältnisse des Herrn L. dürften einer Feststellung, dass er seit der Aussiedlung des Klägers durchgehend seinen Wohnsitz in der Ukraine gehabt hat, entgegenstehen. Sein Verhalten während der verschiedenen Aufenthalte in Deutschland lässt erkennen, dass er sich darum bemüht hat, jeweils so lange wie möglich im Bundesgebiet zu bleiben; mehrfach ist er erst unter dem Druck drohender Abschiebung ausgereist. Dass er nach eigenen Angaben in Norwegen, Schweden und der Schweiz Asylanträge gestellt hat, legt eine ähnliche Vorgehensweise in anderen Staaten nahe. Sie spricht gegen eine klare und eindeutige Aufenthaltsbegrenzung durch einen feststehenden Endzeitpunkt und damit für eine Wohnsitzverlagerung in den Einreisestaat. Angesichts der Häufigkeit des Aufenthaltswechsels, der Vielzahl der verschiedenen Aufenthaltsorte sowie der erheblichen Anzahl der bei seinen Aufenthaltsverlagerungen verwendeten Identitäten und wegen der Tatsache, dass Herr L. seinen Zugang zu westeuropäischen Staaten seit Jahren nicht mehr über die Beantragung deutscher Visa organisiert, ist ungeklärt, wo er in den Zeiträumen zwischen den bekanntgewordenen Aufenthalten in Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten gelebt hat. Dementsprechend lässt sich nicht feststellen, wann und für welche jeweilige Dauer Herr L. sich an dem angeblichen Wohnort in Komsomolsk tatsächlich aufgehalten hat. Selbst für die Annahme, dass er zumindest bei Erteilung des Einbeziehungsbescheides dort seinen Wohnsitz hatte, fehlen verlässliche Anknüpfungspunkte, zumal er nach Mitteilung der Ausländerbehörde des Kreises Euskirchen vor dem 25.02.2015 erneut in Deutschland gewesen sein soll. Allein der behördlichen Meldung in der Ukraine dürfte sich nicht entnehmen lassen, wo sich der Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse befunden hat. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass Herr L. tatsächlich mit seiner Ehefrau und seinem Sohn, die in der Ukraine wohnen sollen, zusammengelebt hat.
30Soweit die Voraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht vorgelegen haben, lässt sich der Einbeziehungsbescheid auch nicht auf § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG stützen. Danach kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Sonstige Voraussetzung ist nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG unter anderem, dass der Abkömmling „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen wird und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt. Unabhängig von sonstigen Anforderungen fehlt es hier schon an dem erforderlichen Antrag, weil der Kläger vor seiner Ausreise im Jahr 1997 die Einbeziehung seines Enkels zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung nicht beantragt hat. Ein Antrag auf Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung setzt begrifflich voraus, dass er vor Ausreise der Bezugsperson gestellt wird, weil das Tatbestandsmerkmal „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ nach der Ausreise der Bezugsperson nicht mehr erfüllt werden kann,
31vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.08.2014 - 11 A 496/14 - m.w.N.; VG Köln, Urteil vom 15.12.2015 - 7 K 2878/15 -.
32Jedoch bedarf es keiner abschließenden Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Einbeziehung, weil sich der Rücknahmebescheid jedenfalls aus anderen Gründen als fehlerhaft erweist. Auch wenn die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG jedenfalls nicht vor dem Erhalt des ausländerrechtlichen Vorgangs im Juni 2015 zu laufen begann und dementsprechend bei Erlass des Rücknahmebescheids noch nicht abgelaufen war, ist dieser Bescheid aufzuheben, weil das Bundesverwaltungsamt bei der Rücknahmeentscheidung das ihr nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.
33Da die Rücknahme in den Fällen des § 48 Abs. 3 VwVfG an keine weiteren Voraussetzungen als die Rechtswidrigkeit geknüpft wird, kommt dem Ermessen hier eine erhebliche Bedeutung zu; durch die Ermessensausübung können die beiden Elemente des Rechtsstaatsprinzips, das Prinzip der Gesetzesmäßigkeit der Verwaltung auf der einen Seite und das Prinzip der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes auf der anderen Seite, zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. Der Gesetzgeber hat zwar in § 48 Abs. 3 VwVfG zum Ausdruck gebracht, dass dem Prinzip der Gesetzesmäßigkeit im Grundsatz der Vorrang eingeräumt werden soll, durch die Einräumung des Ermessens aber zugleich der Behörde die Verpflichtung zu einer abwägenden Entscheidung im Einzelfall auferlegt. Hierbei spielen für das Gewicht des Vertrauensschutzes die Möglichkeit eines nach § 48 Abs. 3 VwVfG zu gewährenden Vermögensausgleichs und die Frage, ob ein solcher Ausgleich die für den Betroffenen entstehenden Nachteile aufwiegen kann, eine wichtige Rolle,
34vgl. Kopp, VwVfG,14. Auflage, § 48 Rdnrn. 135, 136.
35Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie gem. § 40 VwVfG ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Hierzu gehört, dass die Behörde alle maßgeblichen Tatsachen und sonstigen wesentlichen Gesichtspunkte in Ansatz bringt und in die Abwägung einbezieht,
36vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.02.1997 - 2 A 45/97 -; Kopp a.a.O. § 40 Rdnr. 83.
37Diesen Anforderungen wird der angegriffene Bescheid nicht gerecht. Das Bundesverwaltungsamt hat sich bei seiner Ermessensentscheidung mit einem für die Gewichtung des Vertrauensschutzes wesentlichen Gesichtspunkt nicht auseinandergesetzt. Es ist unberücksichtigt geblieben, dass die Behörde die Rücknahme auf das Fehlen einer Tatbestandsvoraussetzung gestützt hat, zu der sie im Ausgangsverfahren keinerlei Feststellungen getroffen hat und deren Bedeutung dem Kläger im Einbeziehungsverfahren auch nicht auf sonstige Weise erkennbar gemacht worden ist. Weder ist der Kläger durch eine entsprechende Fassung des Antragsformulars oder auf andere Weise zu den Aufenthaltsverhältnissen seines Enkels befragt worden, noch hat das Bundesverwaltungsamt hierzu sonstige Ermittlungen angestellt. Dass das BVFG eine solche Ermittlung nicht ausdrücklich vorgibt, ist dabei irrelevant. Da das Bundesverwaltungsamt der Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG das Erfordernis des durchgehenden Wohnsitzes im Herkunftsgebiet entnimmt, unterliegt diese Anforderung ebenso wie sonstige Tatbestandsvoraussetzungen der Amtsermittlung. Daran ändert es nichts, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter des Enkels des Klägers offensichtlich von einem Deutschlandaufenthalt des Enkels informiert war. Für eine Pflicht, dies im Einbeziehungsverfahren unaufgefordert mitzuteilen, ist keine Grundlage ersichtlich.
38Anlass, die Aufenthaltsverhältnisse des Enkels des Klägers vor einer Einbeziehung zur Sprache zu bringen, hatte das Bundesverwaltungsamt umso mehr, als das Erfordernis eines ununterbrochenen Aufenthalts des Einzubeziehenden im Herkunftsgebiet für den Antragsteller zumindest nicht auf der Hand liegt. Dies zeigen schon die zu dem Merkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ in der Rechtsprechung vertretenen unterschiedlichen Auffassungen. Zwar befindet sich auf der Rückseite des Vollmachtsformulars für die Durchführung des Einbeziehungsverfahrens, das der Kläger verwendet hat, der Hinweis, dass der Einzubeziehende bis zum Schluss des Einbeziehungsverfahrens seinen Wohnsitz im Herkunftsgebiet beibehalten müsse. Dieser Hinweis bringt aber nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass von jedem Einzubeziehenden ein ununterbrochener Aufenthalt im Herkunftsgebiet verlangt wird. Er könnte auch so verstanden werden, dass der Einzubeziehende sich lediglich für die Dauer des Einbeziehungsverfahrens im Herkunftsgebiet aufhalten muss, er also nicht schon bei Antragstellung vorzeitig ins Bundesgebiet kommen darf. Der Passus lässt dagegen nicht erkennen, dass ein Einbeziehungsantrag für einen Angehörigen, der in der Vergangenheit schon einmal im Ausland gewohnt hat, von vornherein ohne Erfolg bleiben wird. Hierzu hätte das Antragsformular selbst entsprechende Fragestellungen nach den bisherigen Aufenthaltsorten des Einzubeziehenden enthalten müssen, wie es auch im Vordruck für den Aufnahmebewerber üblich ist. Nicht jeder Spätaussiedler benutzt das Vollmachtsformular, auf dessen Rückseite sich der fragliche Hinweis befindet. Zudem wurden noch alte Antrags- und Vollmachtsformulare verwendet, die sich auf die nachträgliche Einbeziehung nach § 27 Abs. 3 BVFG in der bis 2013 geltenden Fassung beziehen, die anderen Voraussetzungen unterlag. Das kann weitere Unklarheiten bezüglich etwaiger Wohnsitzerfordernisse nach sich ziehen.
39Hat das Kriterium des ununterbrochenen Aufenthalts bei der Erteilung des Einbeziehungsbescheids offensichtlich überhaupt keine Rolle gespielt, war es demgegenüber der maßgebliche Grund für seine Rücknahme. Dieser Umstand erfordert eine Berücksichtigung bei der Ermessensentscheidung. Unterlässt das Bundesverwaltungsamt vor einer Aufnahmeentscheidung die gebotene Sachaufklärung, darf es das sich daraus ergebende Risiko nicht ohne weitere Erwägungen auf den Antragsteller abwälzen; dem Umstand ist bei der Ausübung des Rücknahmeermessens Rechnung zu tragen,
40vgl. VG Köln, Urteil vom 03.05.1995 - 9 K 5082/93 -; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 21.02.1995 - 2 A 45/95 -; ähnliche Überlegungen BVerwG, Urteil vom 06.06.1991 - 3 C 46/86 -.
41Dies hat das Bundesverwaltungsamt in dem Rücknahmebescheid und dem Widerspruchsbescheid versäumt. Auch im Gerichtsverfahren hat es diesen Gesichtspunkt nicht in eine Interessenabwägung eingestellt sondern lediglich bestritten, zu entsprechenden Ermittlungen vor der Einbeziehung verpflichtet gewesen zu sein. Dieser Ermessensfehler führt zur Aufhebung, ohne dass es darauf ankommt, ob eine Abwägung sämtlicher entscheidungserheblicher Umstände auch zu einer rechtmäßigen Rücknahmeentscheidung führen könnte.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
43Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 21. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2012 sowie des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 26. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2012 verpflichtet, S. N. in den der Klägerin erteilten Aufnahmebescheid vom 19. April 1995 einzubeziehen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 4. Juli 1943 geborene Klägerin begehrt die nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes S. N. in den ihr erteilten Aufnahmebescheid vom 19. April 1995.
3Die Klägerin reiste am 20. November 1995 nach Deutschland ein und erhielt unter dem 29. Dezember 1995 eine Spätaussiedlerbescheinigung.
4Der am 3. Juli 1970 geborene S. N. hatte auf seinen Antrag ebenfalls am 19. April 1995 einen Aufnahmebescheid erhalten. Am 19. Juni 2007 erwarb er ein Goethe-Zertifikat A1 mit der Note „befriedigend“. Am 10. Dezember 2007 reiste er mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern mit einem Besuchsvisum nach Deutschland ein. Am 12. Dezember 2007 sprach er bei der Außenstelle des Bundesverwaltungsamtes in Friedland vor und gab an, mit seiner Familie in Deutschland bleiben zu wollen.
5Mit Bescheid vom 18. Februar 2008 nahm das Bundesverwaltungsamt den S. N. erteilten Aufnahmebescheid vom 19. April 1995 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, S. N. erfülle nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG, weil die deutsche Sprache weder seine Muttersprache noch seine bevorzugte Umgangssprache im Elternhaus gewesen sei. Widerspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos (VG Minden, Urteil vom 4. August 2010 ‑ 11 K 3078/08 ‑; OVG NRW, Beschluss vom 25. Oktober 2010 ‑ 12 A 1960/10 ‑).
6Ebenfalls mit Bescheid vom 18. Februar 2008 lehnte das Bundesverwaltungsamt eine nachträgliche Einbeziehung von S. N. in den Aufnahmebescheid der Klägerin ab, weil diese Einbeziehung nicht vor der Aussiedlung der Klägerin beantragt worden sei. Den von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies das Bundesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurück. Die dagegen vor dem Verwaltungsgericht Minden erhobene Klage nahm die Klägerin zurück.
7Am 8. März 2012 beantragte die Klägerin erneut die Einbeziehung ihres Sohnes S. N. sowie seiner Ehefrau und seiner beiden Kinder in ihren Aufnahmebescheid. Diesen Antrag lehnte das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 21. März 2012 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, eine nachträgliche Einbeziehung komme nicht in Betracht, weil die einzubeziehenden Personen in Deutschland lebten und nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben seien. Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies das Bundesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2012 zurück.
8Am 24. Mai 2012 hat die Klägerin Klage erhoben.
9S. N. reiste mit seiner Familie am 10. August 2012 nach Kasachstan aus.
10Mit Bescheid vom 26. Oktober 2012 lehnte das Bundesverwaltungsamt einen Antrag der Klägerin auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich des Einbeziehungsantrags vom 18. Februar 2008 ab. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch, den das Bundesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2012 zurückwies hat. Am 25. Januar 2013 hat die Klägerin diesen Widerspruchsbescheid zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht.
11Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen: Die Rückkehr ins Aussiedlungsgebiet zum Zwecke der Durchführung eines Antragsverfahrens könne nach der gesetzlichen Konzeption des § 27 BVFG keinen Ablehnungsgrund darstellen; das ergebe sich aus § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG. Es könne keinen Unterschied machen, ob es um einen Aufnahme- oder Einbeziehungsbescheid gehe und ob die Rückkehr noch während des Verfahrens erfolge. Auch ein längerfristiger Aufenthalt im Bundesgebiet sei unschädlich.
12Die Klägerin hat beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2012 zu verpflichten, S. N. nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in den Aufnahmebescheid der Klägerin einzubeziehen,
14hilfsweise,
15die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2012 zu verpflichten, S. N. im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in den Aufnahmebescheid der Klägerin einzubeziehen.
16Die Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und ergänzend vorgetragen, „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG sei nur eine Person, die seit der Ausreise des antragstellenden Spätaussiedlers ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet habe. S. N. habe sich jedoch von Dezember 2007 bis August 2012 ununterbrochen mit Wohnsitz im Bundesgebiet aufgehalten.
19Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. Februar 2014 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Eine nachträgliche Einbeziehung von S. N. in den Aufnahmebescheid der Klägerin nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG sei nicht möglich, weil S. N. nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben sei, sondern zwischenzeitlich einen Wohnsitz in Deutschland begründet habe. § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG sei in diesem Fall nicht anwendbar. Der Klägerin stehe auch der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Einbeziehung von S. N. in ihren Aufnahmebescheid im Wieder-aufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nicht zu, weil der Einbeziehungsantrag nicht vor der Ausreise der Klägerin gestellt worden sei.
20Gegen das ihr am 12. Februar 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. März 2014 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie vorträgt: S. N. könne der Aufenthalt in Deutschland von Dezember 2007 bis August 2012 nicht entgegengehalten werden. Es habe keine ständige Niederlassung vorgelegen. Dass er zunächst mit dem ihm erteilten Aufnahmebescheid nach Deutschland übergesiedelt sei, könne ihm nicht als Aufgabe des Wohnsitzes im Herkunftsgebiet zugerechnet werden, denn nach der Registrierung in Deutschland sei der Aufnahmebescheid zurückgenommen worden. Die Wohnsitznahme in Deutschland sei lediglich von temporärer Natur gewesen; S. N. habe lediglich Kettenduldungen erhalten, die sich auf den Ausgang des anhängigen vertriebenenrechtlichen Verfahrens bezogen hätten. Es widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn diese staatliche Aufenthaltsgewährung im Ergebnis dazu führe, dass S. N. die zu seinen Gunsten geänderte Rechtslage durch das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz nicht mehr nutzen könne. Auch eine analoge Anwendung des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG komme in Betracht. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Hilfsantrag überzeugten nicht. Die Differenzierung zwischen der früheren Rechtslage und einer „weiteren Option“ sei nicht nachvollziehbar.
21Die Klägerin beantragt,
22das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 21. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2012 sowie des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 26.Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2012 zu verpflichten, S. N. nachträglich in ihren Aufnahmebescheid vom 19. April 1995 einzubeziehen.
23Die Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Sie verweist auf das angefochtene Urteil.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe:
28Die Berufung ist begründet. Der ablehnende Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 21. März 2012 und sein Widerspruchsbescheid vom 24. April 2012 sowie der Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 26. Oktober 2012 und sein Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2012 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf die nachträgliche Einbeziehung ihres Sohns S. N. in den ihr erteilten Aufnahmebescheid vom 19. April 1995.
29Zur Klarstellung hebt der Senat auch den Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 26. Oktober 2012 und dessen Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2012 auf; beide betreffen die Einbeziehung von S. N. in den der Klägerin erteilten Aufnahmebescheid. Der Senat geht davon aus, dass es sich bei dem Anspruch auf Einbeziehung von S. N. in den Aufnahmebescheid der Klägerin um einen einheitlichen Verfahrensgegenstand handelt, unabhängig davon, auf welche Rechtsgrundlage der Anspruch gestützt wird. Auf der Rechtsfolgenseite hat die Einbeziehung in einen Aufnahmebescheid den gleichen Inhalt, unabhängig davon, ob sie gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG oder gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG vorgenommen wird.
30Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. März 2012 hat das Bundesverwaltungsamt über den Antrag auf Einbeziehung in den Aufnahmebescheid der Klägerin entschieden und damit das im Jahr 2008 geführte und ebenfalls auf Einbeziehung gerichtete Verwaltungsverfahren – ohne dies im Bescheid auszuführen – nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG wieder aufgegriffen. Ein Wiederaufgreifensgrund lag auch vor, weil sich die Rechtslage geändert hatte und mit der Einfügung von § 27 Abs. 3 BVFG a. F. durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 4. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2426) - jetzt § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG) - eine neue Anspruchsgrundlage zur Verfügung stand.
31Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Danach kann abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Diese nachträgliche Einbeziehungsmöglichkeit ist als § 27 Abs. 3 BVFG durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 4. Dezember 2011 in das Bundesvertriebenengesetz eingefügt worden. Durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3554) ist die Regelung als § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG übernommen worden, wobei das in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. noch enthaltene Erfordernis einer Härte entfallen, die Voraussetzung „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ aber unverändert geblieben ist.
32I. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.
331. S. N. ist Abkömmling einer Spätaussiedlerin ‑ der Klägerin. Die Klägerin hat ihren ständigen Aufenthalt in Deutschland. Auch die „sonstigen Voraussetzungen“ liegen vor. Insbesondere besitzt S. N. Grundkenntnisse der deutschen Sprache, wie sich aus dem vorgelegten Goethe-Zertifikat A1 vom 19. Juni 2007 ergibt.
34Vgl. zu dieser Anforderung etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 27. April 2011 ‑ 12 A 1154/10 ‑, juris, und vom 25. Oktober 2009 ‑ 12 A 3169/08 ‑, juris, jeweils m. w. N.
352. S. N. ist auch der „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ Abkömmling der Klägerin. Dem steht nicht entgegen, dass er sich von Dezember 2007 bis August 2012 mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern in Deutschland aufhielt und ins Aussiedlungsgebiet zurückkehrte.
36Diese Beurteilung ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
37a) Der Senat hat bereits entschieden, dass § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG regelmäßig nicht die Fallgestaltung erfasst, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung in Deutschland lebt. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag vorliegen. Wer sich zu diesem Zeitpunkt (bereits) in Deutschland aufhält, ist nicht (mehr) „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausdrücklich hervorgehoben, dass „Trennungen der Familien … beseitigt werden“ sollen.
38Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
39Eine derartige Trennung liegt nicht vor, wenn die einzubeziehende Person sich dauerhaft in Deutschland aufhält. Inwieweit ihr Aufenthalt rechtlich abgesichert ist, ist im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ohne Bedeutung. Eine fehlende rechtliche Absicherung des Aufenthalts in Deutschland bedeutet nicht, dass der Betreffende „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2014 ‑ 11 A 622/14 ‑, juris.
41b) Der Wortlaut der Tatbestandsvoraussetzung „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ trägt die von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht vertretene Auslegung, dass die einzubeziehende Person seit der Aussiedlung des antragstellenden Spätaussiedlers ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet gehabt haben muss, schließt aber auch einen zwischenzeitlichen vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland ‑ oder einem anderen Staat außerhalb des Aussiedlungsgebiets ‑ nicht aus. „Verbleiben“ kann „bleiben“, aber auch das einfache „Zurückbleiben“ oder „Übrigbleiben“ meinen. Die letztgenannten Begriffe erfordern nicht notwendigerweise Kontinuität, sondern stellen auf den Zeitpunkt des Trennens oder Verlassens ab. „Verbleib“ kann auch den (unbekannten) Aufenthaltsort einer Person oder einer Sache zu einem bestimmten Zeitpunkt bezeichnen.
42Vgl. hierzu Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Auflage 2011, Stichworte „Verbleib“ und „verbleiben“.
43Die Worte „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ beschreiben die Trennungssituation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der antragstellende Spätaussiedler in Deutschland lebt, während die einzubeziehende Person im Aussiedlungsgebiet „verblieben“ ist. Daraus folgt jedenfalls, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag ‑ anders als der antragstellende Spätaussiedler ‑ ihren Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet haben muss. Das Wort „verbleiben“ deutet auch auf einen Daueraufenthalt der einzubeziehenden Person im Aussiedlungsgebiet hin. Allein aus dem Wort „verblieben“ ergibt sich aber noch nicht, dass ein früherer (vorübergehender) Aufenthalt außerhalb des Aussiedlungsgebietes, insbesondere in Deutschland, den Anspruch entfallen lässt.
44c) Die historische Auslegung führt nicht zu einem dieser Wortlautauslegung entgegenstehenden Ergebnis. Es mag im Sinne der vom Verwaltungsgericht vertretenen Meinung zutreffen, dass dem Gesetzgeber andere Formulierungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, wenn er einen durchgängigen Wohnsitz der einzubeziehenden Person im Aussiedlungsgebiet nicht hätte voraussetzen wollen. Nach Auffassung des Senats ergeben sich aber aus den Gesetzesmaterialien keine Hinweise, dass der Gesetzgeber die Fallgestaltung eines vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland gesehen hat oder als anspruchsschädlich berücksichtigt wissen wollte. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes,
45vgl. BT-Drs. 17/5515,
46finden sich keine Ausführungen dazu, ob ein vorübergehender Aufenthalt der einzubeziehenden Person in Deutschland anspruchsschädlich sein soll. Zwar steht ‑ hierauf hat das Verwaltungsgericht hingewiesen ‑ unter der Überschrift „A. Problem und Ziel“ der Hinweis: „Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn sich diese zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben, ...“. Dieser kurze allgemeine Aufriss des durch die Gesetzesänderung zu lösenden Problems lässt aber nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber auch einen vorübergehenden Aufenthalt der Familienangehörigen in Deutschland im Blick hatte und die nachträgliche Einbeziehung gerade dann ausschließen wollte. Auch die Passage „Nach dem Wortlaut von Absatz 3 Satz 1 kann nur der Ehegatte oder Abkömmling nachträglich einbezogen werden, der im Aussiedlungsgebiet verblieben ist. Eine nachträgliche Einbeziehung ist damit nur möglich, wenn zum Zeitpunkt der Aussiedlung des Spätaussiedlers die Ehe bereits bestanden hat (…) beziehungsweise der Abkömmling bereits geboren war“,
47vgl. BT-Drs. 17/5515, S. 7,
48rechtfertigt nicht die Annahme, dass dem Gesetzgeber das Problem eines vorübergehenden Aufenthaltes außerhalb des Aussiedlungsgebietes bewusst war und er den Einbeziehungsanspruch in diesem Fall ausschließen wollte. Als (alleiniges) Ziel betont wird vielmehr die Vermeidung einer „dauerhaften Familientrennung“.
49Nichts anderes ergibt sich auch mit Blick darauf, dass im Gesetzgebungsverfahren zum Neunten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ und ein inhaltsgleicher Antrag des Landes Hessen, der alternativ statt der Streichung dieser Wörter den Zusatz „oder bereits ausgereiste“ vorschlug, abgelehnt wurden.
50Vgl. zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BT-Drs. 17/7215; zum Antrag des Landes Hessen: BR-Drs. 57/2/11; zur Ablehnung der Anträge durch den federführenden Innenausschuss: BT-Drs. 17/7178, und zur Ablehnung des Änderungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der zweiten und dritten Beratung des Gesetzesentwurfs: Plenarprotokoll 17/130, S. 15364 (15369).
51Aus der Begründung zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ergibt sich, dass die Fraktion die Einbeziehung eines Familienmitglieds erreichen wollte, unabhängig davon, an welchem Ort es sich (aktuell) befindet (solange nach der damals vorgesehenen Normgestaltung ein Härtefall vorlag). Nach der weiteren Begründung sollten damit auch die Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehung erfasst werden, „die ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen haben oder hier weder vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden noch ausländerrechtlich einen gesicherten Aufenthalt erlangt haben“.
52Vgl. BT-Drs. 17/7215, S. 2.
53Ähnliches ergibt sich auch aus dem Antrag des Landes Hessen. Auch dieser zielte darauf ab, dass nicht diejenigen Familienmitglieder von der nachträglichen Ein-beziehungsmöglichkeit ausgeschlossen werden sollten, die ihr Herkunftsland bereits verlassen haben und sich in Deutschland ohne einen gesicherten Aufenthalt aufhalten.
54Vgl. BR-Drs. 57/2/11, S. 2.
55Aus der Ablehnung dieser Anträge lässt sich nicht der Schluss herleiten, es sollte von der mit dem Änderungsgesetz vorgesehenen nachträglichen Einbeziehungs-möglichkeit nur derjenige erfasst werden, der seit der Ausreise der Bezugsperson ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet verblieben ist. Daraus lässt sich vielmehr nur entnehmen, die gesetzesverabschiedende Mehrheit habe dem Ansinnen der Antragsteller nicht folgen wollen, auch Familienangehörige nachträglich einzubeziehen, die zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt das Aussiedlungsgebiet bereits verlassen haben und sich schon im Bundesgebiet aufhalten. (Nur) Das Vorgesagte findet seine Bestätigung in den parlamentarischen Äußerungen im die zweite und dritte Beratung des das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes betreffenden Plenarprotokoll.
56Vgl. Plenarprotokoll 17/130, S. 15364 ff.
57So erklärte etwa der Abgeordnete T. U. (FDP), die mit dem Änderungsantrag „geforderte Ausweitung der Härtefallregelung auf Familienangehörige“, „die nicht mehr im Aussiedlungsgebiet wohnhaft sind“, sei abzulehnen.
58Vgl. Plenarprotokoll 17/130, S. 15367.
59Dr. D. C. , Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, führte unmittelbar vor der Abstimmung über den Änderungsantrag und der Schlussabstimmung über das Gesetz aus: „Wenn mit dem Änderungsantrag auch diejenigen im Nachhinein noch eine vertriebenenrechtliche Aufnahme finden sollen, die bereits - womöglich auf ausländerrechtlicher Basis - in Deutschland leben, entspräche das nicht dem Sinn der Regelung. Die zu lösenden Fälle tragischer Familientrennungen - Härtefälle - sind nicht vorstellbar, wenn sämtliche Familienangehörigen bereits in Deutschland leben“.
60Vgl. Plenarprotokoll 17/130, S. 15369.
61Auch dass es im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes keinen neuerlichen Vorstoß gegeben hat, die Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ zu streichen, spricht nicht gegen die vom Senat vertretene Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Die in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Innenausschusses enthaltene Begründung zum Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes,
62vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12,
63hebt wiederum allein den Trennungsaspekt hervor und fordert eine „… grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen …“. Die nachträgliche Einbeziehung werde so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG trete; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutze, müsse daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten. Daraus kann nicht der Schluss gezogen werden, der Gesetzgeber habe die Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ bewusst unberührt gelassen, um damit den ununterbrochenen Aufenthalt im Aussiedlungsgebiet als Tatbestandsvoraussetzung für die nachträgliche Einbeziehungsmöglichkeit zu definieren. Abgesehen davon wurde die Frage eines vorübergehenden Aufenthalts der einzubeziehenden Personen in Deutschland abermals nicht angesprochen; vielmehr wurde wiederum allein die Notwendigkeit betont, es müssten die durch die für das Aufnahmeverfahren maßgebliche „Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Fall einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich)“ „in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler“ beseitigt werden.
64Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
65d) Der im Rahmen der systematischen Auslegung vom Verwaltungsgericht angeführte Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG spricht nicht gegen das vorstehend erläuterte und vom Senat vertretene Normverständnis, sondern eher für ein solches Verständnis. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die Fallgestaltung eines vorübergehenden Wohnsitzes in Deutschland ausdrücklich berücksichtigt. Die Vorschrift regelt aber eine mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbare Konstellation im Zusammenhang mit dem in § 4 Abs. 1 BVFG geregelten Wohnsitzerfordernis für Spätaussiedler und ist daher auf den Fall des nur Einzubeziehenden nicht übertragbar. Die Regelung zeigt, dass der Gesetzgeber Fallgestaltungen mit einem vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des Aussiedlungsgebiets kennt; das bedeutet jedoch nicht, dass ein solcher Aufenthalt im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG deshalb ausgeschlossen ist, weil sich hier keine Regelung für einen vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des Aussiedlungsgebiets findet. Vielmehr ist mit Blick auf den Regelungsinhalt des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG und den von ihm erfassten Personenkreis - die Wohnsitzfiktion gilt nur für die Bezugsperson, der Ehegatte oder Abkömmling, der mit der Bezugsperson vorübergehend im Bundesgebiet aufhältig war und mit dieser wieder ins Aussiedlungsgebiet zurückkehrt ist, wird nicht miterfasst - eher Gegenteiliges anzunehmen. Denn im Gegensatz zu einem Spätaussiedler bedarf der Familienangehörige für die Einbeziehung in einen Aufnahmebescheid keiner Wohnsitzfiktion; er kann gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG trotz vorangegangenen vorübergehenden Aufenthalts im Bundesgebiet zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden, wenn er im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (wieder) im Aussiedlungsgebiet lebt. Mit Blick darauf ergibt sich im Rahmen der systematischen Auslegung nicht der vom Verwaltungsgericht angenommene Widerspruch. Abgesehen davon erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht, aus welchen Gründen der Gesetzgeber einerseits durch die die Einbeziehungsmöglichkeiten erweiternde Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG die darin vorgesehene nachträgliche Einbeziehung andererseits ‑ weil er von einer entsprechenden Regelung wie in § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG für Familienangehörige abgesehen hat - einschränkend an einen ununterbrochenen Aufenthalt des Familienangehörigen im Aussiedlungsgebiet geknüpft hätte oder hätte knüpfen wollen.
66e) Insbesondere die teleologische Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG führt dazu, einen vorübergehenden Aufenthalt des Familienangehörigen der Bezugsperson außerhalb des Aussiedlungsgebiets als unschädlich anzusehen, wenn dieser im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (wieder) dort wohnt. Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG soll „eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden“.
67Vgl. die ausdrückliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung BT-Drs. 17/5515, S. 7.
68Zur Verwirklichung dieses Ziels ist durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes das Erfordernis einer Härte weggefallen. Denn „die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wieder herzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben“.
69Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
70Aus der zitierten Begründung ergibt sich eindeutig die Absicht des Gesetzgebers, die Familienzusammenführung in möglichst vielen Fällen zuzulassen und so dauerhafte Trennungen der Familien der Spätaussiedler zu vermeiden. Eine Familientrennung liegt aber gleichermaßen vor, wenn einzubeziehende Familienmitglieder sich zwar vorübergehend - vertriebenenrechtlich oder ausländerrechtlich - in Deutschland aufgehalten haben, aber ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind. Denn auch in einem solchen Fall kommt es (wieder) zu einer Familientrennung, die der Gesetzgeber durch die Schaffung der unter erleichterten Voraussetzungen möglichen nachträglichen Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gerade verhindern wollte.
71Auch kann es mit Blick auf die zum Ausdruck gekommene Absicht des Gesetzgebers, die Einheit der Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen herzustellen, keinen Unterschied machen, ob die Familienangehörigen freiwillig oder etwa wegen einer ihnen drohenden Abschiebung unfreiwillig in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind. Denn schon bei der Schaffung der Regelung über die nachträgliche Einbeziehung hat der Gesetzgeber das unfreiwillige und freiwillige Verbleiben der Familienangehörigen im Auge gehabt, welches zu einer Trennung der Familien der Spätaussiedler führt. In der Begründung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes lautet es: „Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.“
72Vgl. BT-Drs. 17/5515, S. 1.
73Im Entwurf zum Zehnten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes heißt es zudem, wer die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG „aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten“.
74Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
75Aus diesen Begründungen wird deutlich, dass der Gesetzgeber nicht danach unterscheiden wollte, ob der Familienangehörige freiwillig, etwa weil er noch nicht mit ausreisen wollte, oder unfreiwillig, weil er die erforderlichen Aufnahmevoraussetzungen noch nicht erfüllte, zunächst im Aussiedlungsgebiet verblieben und so die Familientrennung herbeigeführt worden ist. Vielmehr sollte nach dem eindeutig zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers die Chance zur nachträglichen Einbeziehung unabhängig davon bestehen, „aus welchen Gründen auch immer“ die Familientrennung verursacht worden ist. Mit Blick darauf kann es auch keinen Unterschied machen, ob die Familienangehörigen sich freiwillig entschieden haben, die Bundesrepublik Deutschland wieder zu verlassen und in das Aussiedlungsgebiet zurückzukehren, oder ob dies auf unfreiwilliger Basis geschehen ist. Denn in allen Fällen - ob der Verbleib im Aussiedlungsgebiet oder die Rückkehr dorthin aus Gründen der Frei- oder Unfreiwilligkeit der Familienangehörigen erfolgt ist - kommt es zu einer Familientrennung, auf deren Beseitigung die in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG geschaffene Regelung der nachträglichen Einbeziehung abzielt.
76II. Obwohl die Vorschrift ‑ anders als § 27 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 5 BVFG ‑ als Ermessensregelung ausgestaltet ist („kann“), besteht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift - wie hier - erfüllt sind, für eine Ausübung des Ermessens in einem negativen Sinn in der Regel kein Raum mehr.
77Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 13. Dezember 1996 ‑ 2 A 1819/94 ‑, juris, Rdnr. 30.
78Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
79Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
80Der Senat lässt die Revision zu, weil die Rechtsfrage, ob jemand nur dann im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist, wenn er seit der Aussiedlung des antragstellenden Spätaussiedlers seinen Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet hatte, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert.
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 13. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2013 verpflichtet, F. Q. in den der Klägerin erteilten Aufnahmebescheid vom 25. Februar 1993 einzubeziehen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 18. November 1937 geborene Klägerin begehrte ursprünglich die nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes X. Q. sowie dessen Ehefrau und ihrer beiden Kinder in den ihr erteilten Aufnahmebescheid vom 25. Februar 1993.
3Die Klägerin reiste am 20. September 1993 nach Deutschland ein und erhielt am 30. November 1993 eine Spätaussiedlerbescheinigung.
4Der am 26. Juli 1965 geborene X. Q. hatte am 3. Januar 1994 einen Aufnahmeantrag gestellt, den das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 5. Februar 1996 abgelehnt hatte, weil dessen deutsche Sprachkenntnisse nicht ausgereicht hätten. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg (VG Köln, Urteil vom 8. November 2000 ‑ 9 K 5815/97 ‑; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2001 ‑ 2 A 350/01 ‑).
5X. Q. reiste im September 1999 mit seiner Ehefrau S. Q. (geboren am 6. August 1966) und den gemeinsamen Kindern F. Q. (geboren am 2. Dezember 1987) und N. Q. (geboren am 6. April 1995) nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 11. Juli 2001 ablehnte.
6Am 29. Juni 2001 beantragte X. Q. mit seiner Familie die Aufnahme gemäß § 27 Abs. 2 BVFG sowie eine „Aufnahmegenehmigung“ nach dem Bundesvertriebenengesetz für Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit.
7Anfang 2004 wurde X. Q. mit seiner Familie nach Kirgisistan abgeschoben.
8Am 22. April 2004 beantragte X. Q. mit seiner Familie das Wiederaufgreifen des Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides gemäß § 51 VwVfG. Diesen Antrag lehnte das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 19. Mai 2004 ab. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg (VG Minden, Urteil vom 27. April 2007 ‑ 5 K 1084/06 ‑; OVG NRW, Beschluss vom 23. September 2008 ‑ 2 A 1746/07 ‑).
9Am 8. Juni 2011 beantragte die Klägerin die Einbeziehung ihres Sohnes X. Q. , seiner Ehefrau und der beiden Kinder in ihren Aufnahmebescheid. Diesen Antrag lehnte das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 13. November 2012 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, eine nachträgliche Einbeziehung komme nicht in Betracht, weil die einzubeziehenden Personen nicht seit der Ausreise des antragstellenden Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben seien, sondern sich von September 1999 bis Anfang 2004 in Deutschland aufgehalten hätten. Eine nachträgliche Einbeziehung des Enkels N. Q. scheitere schon daran, dass er erst nach der Ausreise der Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland geboren sei. Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies das Bundesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2013 zurück.
10Am 12. Juni 2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat vorgetragen: Das Erfordernis eines ununterbrochenen Wohnsitzes der einzubeziehenden Familienmitglieder im Herkunftsgebiet ergebe sich nicht aus dem Gesetz. Die einzubeziehenden Personen hätten auch keinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland gehabt. Sie hätten sich in Deutschland aufgehalten und unter Androhung einer ausländerrechtlichen Abschiebung die Bundesrepublik Deutschland wieder verlassen. Im Übrigen gelte der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, weil die einzubeziehenden Familienmitglieder während ihres Aufenthalts in Deutschland ein Härtefallverfahren betrieben hätten. Dass ein Asylantrag gestellt worden sei, sei irrelevant.
11Die Klägerin hat beantragt,
12die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2013 zu verpflichten, ihren Sohn X. und ihre Enkeltochter F. in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen sowie ihren Enkelsohn N. und ihre Schwiegertochter S. in das Verteilungsverfahren einzubeziehen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und insbesondere ihre Auffassung vertieft, dass die einzubeziehenden Familienangehörigen nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ seien, weil sie sich von September 1999 bis Anfang 2004 in Deutschland aufgehalten hätten.
16In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin für F. Q. ein Goethe-Zertifikat A1 vom 14. Juli 2014 mit dem Ergebnis „sehr gut“ vorgelegt sowie für X. Q. eine Teilnahmebestätigung vom 14. Juli 2014, nach deren Inhalt er 49 von 100 Punkten erreicht und die Prüfung damit nicht bestanden hat.
17Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 30. Juli 2014 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Eine nachträgliche Einbeziehung für X. Q. und F. Q. in den Aufnahmebescheid der Klägerin nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG sei nicht möglich, weil beide nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben seien, sondern zwischenzeitlich einen Wohnsitz in Deutschland begründet hätten. § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG sei in diesem Fall nicht anwendbar. Die nachträgliche Einbeziehung von X. Q. scheitere außerdem daran, dass dieser die erforderlichen Grundkenntnisse der deutschen Sprache nicht besitze. Eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG sei nicht möglich, weil der Einbeziehungsantrag nicht vor der Ausreise der Klägerin gestellt worden sei. Da kein Anspruch auf Einbeziehung des Sohnes und der Enkelin bestehe, scheide auch die Eintragung des Enkels N. und der Schwiegertochter S. gemäß § 8 BVFG aus.
18Gegen das ihr am 1. August 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. August 2014 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie ihre Auffassung wiederholt und vertieft, dass der vorübergehende Aufenthalt in Deutschland für eine nachträgliche Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG unschädlich sei. Es reiche aus, dass sich die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Ausreise der Bezugsperson im Aussiedlungsgebiet aufgehalten habe und sich zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag wieder dort aufhalte.
19In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Berufung zurückgenommen, soweit sie die nachträgliche Einbeziehung von X. Q. sowie die Eintragung von S. Q. und N. Q. in ihren Aufnahmebescheid vom 25. Februar 1993 begehrt hat. Insoweit hat der Senat das Verfahren abgetrennt.
20Die Klägerin beantragt,
21das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 13. No-vember 2012 und seines Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2013 zu verpflichten, F. Q. nachträglich in ihren Aufnahmebescheid vom 25. Februar 1993 einzubeziehen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
26Die Berufung ist begründet. Der ablehnende Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 13. November 2012 und sein Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihrer Enkelin F. Q. in den ihr erteilten Aufnahmebescheid vom 25. Februar 1993.
27Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Danach kann abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Diese nachträgliche Einbeziehungsmöglichkeit ist durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 4. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2426) als § 27 Abs. 3 BVFG in das Bundesvertriebenengesetz eingefügt worden. Durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3554) ist die Regelung als § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG übernommen worden, wobei das in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. noch enthaltene Erfordernis einer Härte entfallen, die Voraussetzung „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ aber unverändert geblieben ist.
28I. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.
291. F. Q. ist als Enkelin Abkömmling einer Spätaussiedlerin ‑ der Klägerin. Die Klägerin hat ihren ständigen Aufenthalt in Deutschland. Auch die „sonstigen Voraussetzungen“ liegen vor. Insbesondere besitzt F. Q. Grundkenntnisse der deutschen Sprache, wie sich aus dem vorgelegten Goethe-Zertifikat A1 vom 14. Juli 2014 ergibt.
30Vgl. zu dieser Anforderung etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 27. April 2011 ‑ 12 A 1154/10 ‑, juris, und vom 25. Oktober 2009 ‑ 12 A 3169/08 ‑, juris, jeweils m. w. N.
312. F. Q. ist auch der „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ Abkömmling der Klägerin. Dem steht nicht entgegen, dass sie sich von September 1999 bis Anfang 2004 in Deutschland aufhielt und ins Aussiedlungsgebiet abgeschoben wurde.
32Diese Beurteilung ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
33a) Der Senat hat bereits entschieden, dass § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG regelmäßig nicht die Fallgestaltung erfasst, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung in Deutschland lebt. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag vorliegen. Wer sich zu diesem Zeitpunkt (bereits) in Deutschland aufhält, ist nicht (mehr) „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausdrücklich hervorgehoben, dass „Trennungen der Familien … beseitigt werden“ sollen.
34Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
35Eine derartige Trennung liegt nicht vor, wenn die einzubeziehende Person sich dauerhaft in Deutschland aufhält. Inwieweit ihr Aufenthalt rechtlich abgesichert ist, ist im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ohne Bedeutung. Eine fehlende rechtliche Absicherung des Aufenthalts in Deutschland bedeutet nicht, dass der Betreffende „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist.
36Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2014 ‑ 11 A 622/14 ‑, juris.
37b) Der Wortlaut der Tatbestandsvoraussetzung „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ trägt die von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht vertretene Auslegung, dass die einzubeziehende Person seit der Aussiedlung des antragstellenden Spätaussiedlers ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet gehabt haben muss, schließt aber auch einen zwischenzeitlichen vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland ‑ oder einem anderen Staat außerhalb des Aussiedlungsgebiets ‑ nicht aus. „Verbleiben“ kann „bleiben“, aber auch das einfache „Zurückbleiben“ oder „Übrigbleiben“ meinen. Die letztgenannten Begriffe erfordern nicht notwendigerweise Kontinuität, sondern stellen auf den Zeitpunkt des Trennens oder Verlassens ab. „Verbleib“ kann auch den (unbekannten) Aufenthaltsort einer Person oder einer Sache zu einem bestimmten Zeitpunkt bezeichnen.
38Vgl. hierzu Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Auflage 2011, Stichworte „Verbleib“ und „verbleiben“.
39Die Worte „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ beschreiben die Trennungssituation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der antragstellende Spätaussiedler in Deutschland lebt, während die einzubeziehende Person im Aussiedlungsgebiet „verblieben“ ist. Daraus folgt jedenfalls, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag ‑ anders als der antragstellende Spätaussiedler ‑ ihren Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet haben muss. Das Wort „verbleiben“ deutet auch auf einen Daueraufenthalt der einzubeziehenden Person im Aussiedlungsgebiet hin. Allein aus dem Wort „verblieben“ ergibt sich aber noch nicht, dass ein früherer (vorübergehender) Aufenthalt außerhalb des Aussiedlungsgebietes, insbesondere in Deutschland, den Anspruch entfallen lässt.
40c) Die historische Auslegung führt nicht zu einem dieser Wortlautauslegung entgegenstehenden Ergebnis. Es mag im Sinne der vom Verwaltungsgericht vertretenen Meinung zutreffen, dass dem Gesetzgeber andere Formulierungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, wenn er einen durchgängigen Wohnsitz der einzubeziehenden Person im Aussiedlungsgebiet nicht hätte voraussetzen wollen. Nach Auffassung des Senats ergeben sich aber aus den Gesetzesmaterialien keine Hinweise, dass der Gesetzgeber die Fallgestaltung eines vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland gesehen hat oder als anspruchsschädlich berücksichtigt wissen wollte. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes,
41vgl. BT-Drs. 17/5515,
42finden sich keine Ausführungen dazu, ob ein vorübergehender Aufenthalt der einzubeziehenden Person in Deutschland anspruchsschädlich sein soll. Zwar steht ‑ hierauf hat das Verwaltungsgericht hingewiesen ‑ unter der Überschrift „A. Problem und Ziel“ der Hinweis: „Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn sich diese zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben, ...“. Dieser kurze allgemeine Aufriss des durch die Gesetzesänderung zu lösenden Problems lässt aber nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber auch einen vorübergehenden Aufenthalt der Familienangehörigen in Deutschland im Blick hatte und die nachträgliche Einbeziehung gerade dann ausschließen wollte. Auch die Passage „Nach dem Wortlaut von Absatz 3 Satz 1 kann nur der Ehegatte oder Abkömmling nachträglich einbezogen werden, der im Aussiedlungsgebiet verblieben ist. Eine nachträgliche Einbeziehung ist damit nur möglich, wenn zum Zeitpunkt der Aussiedlung des Spätaussiedlers die Ehe bereits bestanden hat (…) beziehungsweise der Abkömmling bereits geboren war“,
43vgl. BT-Drs. 17/5515, S. 7,
44rechtfertigt nicht die Annahme, dass dem Gesetzgeber das Problem eines vorübergehenden Aufenthaltes außerhalb des Aussiedlungsgebietes bewusst war und er den Einbeziehungsanspruch in diesem Fall ausschließen wollte. Als (alleiniges) Ziel betont wird vielmehr die Vermeidung einer „dauerhaften Familientrennung“.
45Nichts anderes ergibt sich auch mit Blick darauf, dass im Gesetzgebungsverfahren zum Neunten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ und ein inhaltsgleicher Antrag des Landes Hessen, der alternativ statt der Streichung dieser Wörter den Zusatz „oder bereits ausgereiste“ vorschlug, abgelehnt wurden.
46Vgl. zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BT-Drs. 17/7215; zum Antrag des Landes Hessen: BR-Drs. 57/2/11; zur Ablehnung der Anträge durch den federführenden Innenausschuss: BT-Drs. 17/7178, und zur Ablehnung des Änderungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der zweiten und dritten Beratung des Gesetzesentwurfs: Plenarprotokoll 17/130, S. 15364 (15369).
47Aus der Begründung zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ergibt sich, dass die Fraktion die Einbeziehung eines Familienmitglieds erreichen wollte, unabhängig davon, an welchem Ort es sich (aktuell) befindet (solange nach der damals vorgesehenen Normgestaltung ein Härtefall vorlag). Nach der weiteren Begründung sollten damit auch die Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehung erfasst werden, „die ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen haben oder hier weder vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden noch ausländerrechtlich einen gesicherten Aufenthalt erlangt haben“.
48Vgl. BT-Drs. 17/7215, S. 2.
49Ähnliches ergibt sich auch aus dem Antrag des Landes Hessen. Auch dieser zielte darauf ab, dass nicht diejenigen Familienmitglieder von der nachträglichen Ein-beziehungsmöglichkeit ausgeschlossen werden sollten, die ihr Herkunftsland bereits verlassen haben und sich in Deutschland ohne einen gesicherten Aufenthalt aufhalten.
50Vgl. BR-Drs. 57/2/11, S. 2.
51Aus der Ablehnung dieser Anträge lässt sich nicht der Schluss herleiten, es sollte von der mit dem Änderungsgesetz vorgesehenen nachträglichen Einbeziehungs-möglichkeit nur derjenige erfasst werden, der seit der Ausreise der Bezugsperson ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet verblieben ist. Daraus lässt sich vielmehr nur entnehmen, die gesetzesverabschiedende Mehrheit habe dem Ansinnen der Antragsteller nicht folgen wollen, auch Familienangehörige nachträglich einzubeziehen, die zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt das Aussiedlungsgebiet bereits verlassen haben und sich schon im Bundesgebiet aufhalten. (Nur) Das Vorgesagte findet seine Bestätigung in den parlamentarischen Äußerungen im die zweite und dritte Beratung des das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes betreffenden Plenarprotokoll.
52Vgl. Plenarprotokoll 17/130, S. 15364 ff.
53So erklärte etwa der Abgeordnete T. U. (FDP), die mit dem Änderungsantrag „geforderte Ausweitung der Härtefallregelung auf Familienangehörige“, „die nicht mehr im Aussiedlungsgebiet wohnhaft sind“, sei abzulehnen.
54Vgl. Plenarprotokoll 17/130, S. 15367.
55Dr. D. C. , Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, führte unmittelbar vor der Abstimmung über den Änderungsantrag und der Schlussabstimmung über das Gesetz aus: „Wenn mit dem Änderungsantrag auch diejenigen im Nachhinein noch eine vertriebenenrechtliche Aufnahme finden sollen, die bereits - womöglich auf ausländerrechtlicher Basis - in Deutschland leben, entspräche das nicht dem Sinn der Regelung. Die zu lösenden Fälle tragischer Familientrennungen - Härtefälle - sind nicht vorstellbar, wenn sämtliche Familienangehörigen bereits in Deutschland leben“.
56Vgl. Plenarprotokoll 17/130, S. 15369.
57Auch dass es im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes keinen neuerlichen Vorstoß gegeben hat, die Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ zu streichen, spricht nicht gegen die vom Senat vertretene Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Die in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Innenausschusses enthaltene Begründung zum Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes,
58vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12,
59hebt wiederum allein den Trennungsaspekt hervor und fordert eine „… grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen …“. Die nachträgliche Einbeziehung werde so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG trete; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutze, müsse daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten. Daraus kann nicht der Schluss gezogen werden, der Gesetzgeber habe die Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ bewusst unberührt gelassen, um damit den ununterbrochenen Aufenthalt im Aussiedlungsgebiet als Tatbestandsvoraussetzung für die nachträgliche Einbeziehungsmöglichkeit zu definieren. Abgesehen davon wurde die Frage eines vorübergehenden Aufenthalts der einzubeziehenden Personen in Deutschland abermals nicht angesprochen; vielmehr wurde wiederum allein die Notwendigkeit betont, es müssten die durch die für das Aufnahmeverfahren maßgebliche „Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Fall einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich)“ „in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler“ beseitigt werden.
60Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
61d) Der im Rahmen der systematischen Auslegung vom Verwaltungsgericht angeführte Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG spricht nicht gegen das vorstehend erläuterte und vom Senat vertretene Normverständnis, sondern eher für ein solches Verständnis. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die Fallgestaltung eines vorübergehenden Wohnsitzes in Deutschland ausdrücklich berücksichtigt. Die Vorschrift regelt aber eine mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vegleich-bare Konstellation im Zusammenhang mit dem in § 4 Abs. 1 BVFG geregelten Wohnsitzerfordernis für Spätaussiedler und ist daher auf den Fall des nur Einzubeziehenden nicht übertragbar. Die Regelung zeigt, dass der Gesetzgeber Fallgestaltungen mit einem vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des Aussiedlungsgebiets kennt; das bedeutet jedoch nicht, dass ein solcher Aufenthalt im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG deshalb ausgeschlossen ist, weil sich hier keine Regelung für einen vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des Aussiedlungsgebiets findet. Vielmehr ist mit Blick auf den Regelungsinhalt des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG und den von ihm erfassten Personenkreis - die Wohnsitzfiktion gilt nur für die Bezugsperson, der Ehegatte oder Abkömmling, der mit der Bezugsperson vorübergehend im Bundesgebiet aufhältig war und mit dieser wieder ins Aussiedlungsgebiet zurückkehrt ist, wird nicht miterfasst - eher Gegenteiliges anzunehmen. Denn im Gegensatz zu einem Spätaussiedler bedarf der Familienangehörige für die Einbeziehung in einen Aufnahmebescheid keiner Wohnsitzfiktion; er kann gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG trotz vorangegangenen vorübergehenden Aufenthalts im Bundesgebiet zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden, wenn er im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (wieder) im Aussiedlungsgebiet lebt. Mit Blick darauf ergibt sich im Rahmen der systematischen Auslegung nicht der vom Verwaltungsgericht angenommene Widerspruch. Abgesehen davon erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht, aus welchen Gründen der Gesetzgeber einerseits durch die die Einbeziehungsmöglichkeiten erweiternde Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG die darin vorgesehene nachträgliche Einbeziehung andererseits ‑ weil er von einer entsprechenden Regelung wie in § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG für Familienangehörige abgesehen hat - einschränkend an einen ununterbrochenen Aufenthalt des Familienangehörigen im Aussiedlungsgebiet geknüpft hätte oder hätte knüpfen wollen.
62e) Insbesondere die teleologische Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG führt dazu, einen vorübergehenden Aufenthalt des Familienangehörigen der Bezugsperson außerhalb des Aussiedlungsgebiets als unschädlich anzusehen, wenn dieser im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (wieder) dort wohnt. Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG soll „eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden“.
63Vgl. die ausdrückliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung BT-Drs. 17/5515, S. 7.
64Zur Verwirklichung dieses Ziels ist durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes das Erfordernis einer Härte weggefallen. Denn „die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wieder herzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben“.
65Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
66Aus der zitierten Begründung ergibt sich eindeutig die Absicht des Gesetzgebers, die Familienzusammenführung in möglichst vielen Fällen zuzulassen und so dauerhafte Trennungen der Familien der Spätaussiedler zu vermeiden. Eine Familientrennung liegt aber gleichermaßen vor, wenn einzubeziehende Familienmitglieder sich zwar vorübergehend - vertriebenenrechtlich oder ausländerrechtlich - in Deutschland aufgehalten haben, aber ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind. Denn auch in einem solchen Fall kommt es (wieder) zu einer Familientrennung, die der Gesetzgeber durch die Schaffung der unter erleichterten Voraussetzungen möglichen nachträglichen Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gerade verhindern wollte.
67Auch kann es mit Blick auf die zum Ausdruck gekommene Absicht des Gesetzgebers, die Einheit der Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen herzustellen, keinen Unterschied machen, ob die Familienangehörigen freiwillig oder etwa wegen einer ihnen drohenden Abschiebung unfreiwillig in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind. Denn schon bei der Schaffung der Regelung über die nachträgliche Einbeziehung hat der Gesetzgeber das unfreiwillige und freiwillige Verbleiben der Familienangehörigen im Auge gehabt, welches zu einer Trennung der Familien der Spätaussiedler führt. In der Begründung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes lautet es: „Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.“
68Vgl. BT-Drs. 17/5515, S. 1.
69Im Entwurf zum Zehnten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes heißt es zudem, wer die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG „aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten“.
70Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
71Aus diesen Begründungen wird deutlich, dass der Gesetzgeber nicht danach unterscheiden wollte, ob der Familienangehörige freiwillig, etwa weil er noch nicht mit ausreisen wollte, oder unfreiwillig, weil er die erforderlichen Aufnahmevoraussetzungen noch nicht erfüllte, zunächst im Aussiedlungsgebiet verblieben und so die Familientrennung herbeigeführt worden ist. Vielmehr sollte nach dem eindeutig zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers die Chance zur nachträglichen Einbeziehung unabhängig davon bestehen, „aus welchen Gründen auch immer“ die Familientrennung verursacht worden ist. Mit Blick darauf kann es auch keinen Unterschied machen, ob die Familienangehörigen sich freiwillig entschieden haben, die Bundesrepublik Deutschland wieder zu verlassen und in das Aussiedlungsgebiet zurückzukehren, oder ob dies auf unfreiwilliger Basis geschehen ist. Denn in allen Fällen - ob der Verbleib im Aussiedlungsgebiet oder die Rückkehr dorthin aus Gründen der Frei- oder Unfreiwilligkeit der Familienangehörigen erfolgt ist - kommt es zu einer Familientrennung, auf deren Beseitigung die in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG geschaffene Regelung der nachträglichen Einbeziehung abzielt.
72II. Obwohl die Vorschrift ‑ anders als § 27 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 5 BVFG ‑ als Ermessensregelung ausgestaltet ist („kann“), besteht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift - wie hier - erfüllt sind, für eine Ausübung des Ermessens in einem negativen Sinn in der Regel kein Raum mehr.
73Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 13. Dezember 1996 ‑ 2 A 1819/94 ‑, juris, Rdnr. 30.
74Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
75Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
76Der Senat lässt die Revision zu, weil die Rechtsfrage, ob jemand nur dann im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist, wenn er seit der Aussiedlung des antragstellenden Spätaussiedlers seinen Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet hatte, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Bundesverwaltungsamts vom 10. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2013 verpflichtet, den Sohn der Klägerin, Q. M. , in den ihr erteilten Aufnahmebescheid vom 1. Juni 1994 einzubeziehen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 28. April 1936 geborene Klägerin und der am 6. Juli 1971 geborene Sohn der Klägerin, Q. M. , waren am 28. November 1994 mit einem beiden erteilten Aufnahmebescheid vom 1. Juni 1994 nach Deutschland eingereist. Auf ihren Antrag vom 27. Dezember 1994 war beiden jeweils unter dem 10. Juli 1995 eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG erteilt worden. Der Sohn der Klägerin war bereits im Januar 1995 nach Kasachstan zurückgekehrt.
3Durch Bescheid vom 22. Januar 1998 lehnte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Almaty den Antrag des Sohns auf Ausstellung eines Visums zur ständigen Wohnsitznahme in Deutschland und auf Ausstellung eines Reisepasses oder Reiseausweises zur Rückkehr nach Deutschland ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Ausreise im Wege des Aufnahmeverfahrens sei nur einmal möglich. Mit der Aufnahme in die Bundesrepublik Deutschland habe der Aufnahmebescheid hinsichtlich der Visaerteilung seine Wirkung verloren. Ein zweites Visum auf der Grundlage des Aufnahmebescheids könne nicht erteilt werden. Ein Pass könne ihm nicht erteilt werden. Die Rechtsstellung eines Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sei mit dem freiwilligen Verlassen Deutschlands und der dauernden Aufenthaltnahme im Herkunftsgebiet verloren gegangen.
4Die unter dem 18. März 2012 beantragte nachträgliche Einbeziehung des Sohns der Klägerin und weiterer Familienangehöriger in den ihr erteilten Aufnahmebescheid lehnte das Bundesverwaltungsamt durch Bescheid vom 10. April 2013 im Wesentlichen mit der Begründung ab: Der Sohn der Klägerin sei mit dem Aufnahmebescheid, den sie gemeinsam erhalten hätten, aus dem Aussiedlungsgebiet in das Bundesgebiet ausgereist und sei deshalb nicht dort verblieben, sondern im Jahr 1995 freiwillig dorthin zurückgekehrt.
5Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin insbesondere geltend: Ihr Sohn sei nur deshalb im Januar 1995 nach Kasachstan zurückgekehrt, weil seine damalige Lebensgefährtin schwanger gewesen sei. Am 28. April 1995 habe er seine Lebensgefährtin geheiratet. Das gemeinsame Kind sei kurz nach der Hochzeit im Mai 1995 verstorben. Im März 1997 hätten sich die Eheleute getrennt. Die Ehe sei im August 1998 geschieden worden. Seit 1997 bemühe sich der Sohn, wieder nach Deutschland zurückzukehren.
6Durch Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2013 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch der Klägerin zurück.
7Am 31. Dezember 2013 hat die Klägerin Klage erhoben.
8Die Klägerin hat beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesverwaltungsamts vom 10. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2013 zu verpflichten, der Klägerin einen nachträglichen Einbeziehungsbescheid für ihren Sohn Q. M. zu erteilen.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und ergänzend vorgetragen, „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG sei nur eine Person, die seit der Ausreise des antragstellenden Spätaussiedlers ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet habe. Dies sei aber hinsichtlich des Sohns der Klägerin gerade nicht der Fall. Dieser sei auf der Grundlage des Aufnahmebescheids am 28. November 1994 in das Bundesgebiet eingereist und im Januar 1995 noch vor Ausstellung der von ihm beantragten Spätaussiedlerbescheinigung wieder in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt.
13Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 3. September 2014 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine nachträgliche Einbeziehung ihres Sohns Q. in ihren Aufnahmebescheid. Die Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG seien nicht erfüllt, weil ihr Sohn nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben sei, sondern ‑ wenn auch nur vorübergehend - einen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland begründet habe. Für dieses Verständnis der Vorschrift spreche der Wortlaut. Die Wortlautauslegung werde durch die systematische Auslegung bestätigt. Bei der Betrachtung der Systematik des Gesetzes zeige der Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG, dass der Gesetzgeber es im Gesetz ausdrücklich kenntlich mache, wann er über die Aufgabe des Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet hinwegsehen bzw. den Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet fingieren wolle. Auch die Entstehungsgeschichte belege dieses Normverständnis. In der Gesetzesbegründung zum Neunten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes sei ausdrücklich davon die Rede, die Aussiedlung nach Deutschland führe zu einer Trennung von Familienangehörigen, „wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben [Hervorhebung nur hier]“. Einem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion habe der Gesetzgeber nicht entsprochen. Im Gesetzgebungsverfahren des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes habe es einen neuerlichen Vorstoß, das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ zu streichen, nicht gegeben.
14Gegen das ihr am 8. September 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. Oktober 2014 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Der Auslegung der Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG durch das Verwaltungsgericht sei nicht zu folgen. Der Gesetzgeber habe nicht klarstellend formuliert, dass die Einbeziehungsmöglichkeit nur bestehe, wenn der Ehegatte oder Abkömmling „durchgängig“ im Aussiedlungsgebiet verblieben sei. Die systematische Auslegung belege entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts nicht dessen vorgenommene Wortlautauslegung. Die Regelung des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG gelte nicht für die Einbeziehung, sondern nur für die Erteilung eines originären Aufnahmebescheids. Die vom Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Auslegung herangezogenen Gesetzesmaterialien sprächen für ihre, nicht aber für die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der Vorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei auch das Vorliegen einer besonderen Härte im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. zu prüfen gewesen.
15Die Klägerin beantragt,
16das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesverwaltungsamts vom 10. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2013 zu verpflichten, ihren Sohn Q. M. nachträglich in den ihr erteilten Aufnahmebescheid vom 1. Juni 1994 einzubeziehen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die Berufung ist begründet. Der ablehnende Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 10. April 2013 und sein Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf die nachträgliche Einbeziehung ihres Sohns Q. M. in den ihr erteilten Aufnahmebescheid vom 1. Juni 1994.
22Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Danach kann abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Diese nachträgliche Einbeziehungsmöglichkeit ist durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 4. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2426) als § 27 Abs. 3 BVFG in das Bundesvertriebenengesetz eingefügt worden. Durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I S. 3554) ist die Regelung als § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG übernommen worden, wobei das in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. noch enthaltene Erfordernis einer Härte entfallen, die Voraussetzung „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ aber unverändert geblieben ist.
23I. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.
241. Q. M. ist Abkömmling einer Spätaussiedlerin ‑ der Klägerin. Die Klägerin hat ihren ständigen Aufenthalt in Deutschland. Auch die „sonstigen Voraussetzungen“ liegen vor. Insbesondere besitzt Q. M. Grundkenntnisse der deutschen Sprache, wie sich aus dem vorgelegten Goethe-Zertifikat A1 vom 21. Dezember 2012 ergibt.
25Vgl. zu dieser Anforderung etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 27. April 2011 ‑ 12 A 1154/10 ‑, juris, und vom 25. Oktober 2009 ‑ 12 A 3169/08 ‑, juris, jeweils m. w. N.
262. Q. M. ist auch der „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ Abkömmling der Klägerin. Dem steht nicht entgegen, dass er mit dem ihm und der Klägerin erteilten Aufnahmebescheid im November 1994 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war, eine Spätaussiedlerbescheinigung beantragt hatte und vor deren Ausstellung wieder nach Kasachstan zurückgekehrt war.
27Diese Beurteilung ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
28a) Der Senat hat bereits entschieden, dass § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG regelmäßig nicht die Fallgestaltung erfasst, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung in Deutschland lebt. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag vorliegen. Wer sich zu diesem Zeitpunkt (bereits) in Deutschland aufhält, ist nicht (mehr) „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausdrücklich hervorgehoben, dass „Trennungen der Familien … beseitigt werden“ sollen.
29Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
30Eine derartige Trennung liegt nicht vor, wenn die einzubeziehende Person sich dauerhaft in Deutschland aufhält. Inwieweit ihr Aufenthalt rechtlich abgesichert ist, ist im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ohne Bedeutung. Eine fehlende rechtliche Absicherung des Aufenthalts in Deutschland bedeutet nicht, dass der Betreffende „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2014 ‑ 11 A 622/14 ‑, juris.
32b) Der Wortlaut der Tatbestandsvoraussetzung „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ trägt die von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht vertretene Auslegung, dass die einzubeziehende Person seit der Aussiedlung des antragstellenden Spätaussiedlers ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet gehabt haben muss, schließt aber auch einen zwischenzeitlichen vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland ‑ oder einem anderen Staat außerhalb des Aussiedlungsgebiets ‑ nicht aus. „Verbleiben“ kann „bleiben“, aber auch das einfache „Zurückbleiben“ oder „Übrigbleiben“ meinen. Die letztgenannten Begriffe erfordern nicht notwendigerweise Kontinuität, sondern stellen auf den Zeitpunkt des Trennens oder Verlassens ab. „Verbleib“ kann auch den (unbekannten) Aufenthaltsort einer Person oder einer Sache zu einem bestimmten Zeitpunkt bezeichnen.
33Vgl. hierzu Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Auflage 2011, Stichworte „Verbleib“ und „verbleiben“.
34Die Worte „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ beschreiben die Trennungssituation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der antragstellende Spätaussiedler in Deutschland lebt, während die einzubeziehende Person im Aussiedlungsgebiet „verblieben“ ist. Daraus folgt jedenfalls, dass die einzubeziehende Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag ‑ anders als der antragstellende Spätaussiedler ‑ ihren Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet haben muss. Das Wort „verbleiben“ deutet auch auf einen Daueraufenthalt der einzubeziehenden Person im Aussiedlungsgebiet hin. Allein aus dem Wort „verblieben“ ergibt sich aber noch nicht, dass ein früherer (vorübergehender) Aufenthalt außerhalb des Aussiedlungsgebietes, insbesondere in Deutschland, den Anspruch entfallen lässt.
35c) Die historische Auslegung führt nicht zu einem dieser Wortlautauslegung entgegenstehenden Ergebnis. Es mag im Sinne der vom Verwaltungsgericht vertretenen Meinung zutreffen, dass dem Gesetzgeber andere Formulierungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, wenn er einen durchgängigen Wohnsitz der einzubeziehenden Person im Aussiedlungsgebiet nicht hätte voraussetzen wollen. Nach Auffassung des Senats ergeben sich aber aus den Gesetzesmaterialien keine Hinweise, dass der Gesetzgeber die Fallgestaltung eines vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland gesehen hat oder als anspruchsschädlich berücksichtigt wissen wollte. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes,
36vgl. BT-Drs. 17/5515,
37finden sich keine Ausführungen dazu, ob ein vorübergehender Aufenthalt der einzubeziehenden Person in Deutschland anspruchsschädlich sein soll. Zwar steht ‑ hierauf hat das Verwaltungsgericht hingewiesen ‑ unter der Überschrift „A. Problem und Ziel“ der Hinweis: „Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn sich diese zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben, ...“. Dieser kurze allgemeine Aufriss des durch die Gesetzesänderung zu lösenden Problems lässt aber nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber auch einen vorübergehenden Aufenthalt der Familienangehörigen in Deutschland im Blick hatte und die nachträgliche Einbeziehung gerade dann ausschließen wollte. Auch die Passage „Nach dem Wortlaut von Absatz 3 Satz 1 kann nur der Ehegatte oder Abkömmling nachträglich einbezogen werden, der im Aussiedlungsgebiet verblieben ist. Eine nachträgliche Einbeziehung ist damit nur möglich, wenn zum Zeitpunkt der Aussiedlung des Spätaussiedlers die Ehe bereits bestanden hat (…) beziehungsweise der Abkömmling bereits geboren war“,
38vgl. BT-Drs. 17/5515, S. 7,
39rechtfertigt nicht die Annahme, dass dem Gesetzgeber das Problem eines vorübergehenden Aufenthaltes außerhalb des Aussiedlungsgebietes bewusst war und er den Einbeziehungsanspruch in diesem Fall ausschließen wollte. Als (alleiniges) Ziel betont wird vielmehr die Vermeidung einer „dauerhaften Familientrennung“.
40Nichts anderes ergibt sich auch mit Blick darauf, dass im Gesetzgebungsverfahren zum Neunten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ und ein inhaltsgleicher Antrag des Landes Hessen, der alternativ statt der Streichung dieser Wörter den Zusatz „oder bereits ausgereiste“ vorschlug, abgelehnt wurden.
41Vgl. zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BT-Drs. 17/7215; zum Antrag des Landes Hessen: BR-Drs. 57/2/11; zur Ablehnung der Anträge durch den federführenden Innenausschuss: BT-Drs. 17/7178, und zur Ablehnung des Änderungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der zweiten und dritten Beratung des Gesetzesentwurfs: Plenarprotokoll 17/130, S. 15364 (15369).
42Aus der Begründung zum Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ergibt sich, dass die Fraktion die Einbeziehung eines Familienmitglieds erreichen wollte, unabhängig davon, an welchem Ort es sich (aktuell) befindet (solange nach der damals vorgesehenen Normgestaltung ein Härtefall vorlag). Nach der weiteren Begründung sollten damit auch die Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehung erfasst werden, „die ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen haben oder hier weder vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden noch ausländerrechtlich einen gesicherten Aufenthalt erlangt haben“.
43Vgl. BT-Drs. 17/7215, S. 2.
44Ähnliches ergibt sich auch aus dem Antrag des Landes Hessen. Auch dieser zielte darauf ab, dass nicht diejenigen Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehungsmöglichkeit ausgeschlossen werden sollten, die ihr Herkunftsland bereits verlassen haben und sich in Deutschland ohne einen gesicherten Aufenthalt aufhalten.
45Vgl. BR-Drs. 57/2/11, S. 2.
46Aus der Ablehnung dieser Anträge lässt sich nicht der Schluss herleiten, es sollte von der mit dem Änderungsgesetz vorgesehenen nachträglichen Einbeziehungsmöglichkeit nur derjenige erfasst werden, der seit der Ausreise der Bezugsperson ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet verblieben ist. Daraus lässt sich vielmehr nur entnehmen, die gesetzesverabschiedende Mehrheit habe dem Ansinnen der Antragsteller nicht folgen wollen, auch Familienangehörige nachträglich einzubeziehen, die zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt das Aussiedlungsgebiet bereits verlassen haben und sich schon im Bundesgebiet aufhalten. (Nur) Das Vorgesagte findet seine Bestätigung in den parlamentarischen Äußerungen im die zweite und dritte Beratung des das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes betreffenden Plenarprotokoll.
47Vgl. Plenarprotokoll 17/130, S. 15364 ff.
48So erklärte etwa der Abgeordnete T. U. (FDP), die mit dem Änderungsantrag „geforderte Ausweitung der Härtefallregelung auf Familienangehörige“, „die nicht mehr im Aussiedlungsgebiet wohnhaft sind“, sei abzulehnen.
49Vgl. Plenarprotokoll 17/130, S. 15367.
50Dr. C. B. , Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, führte unmittelbar vor der Abstimmung über den Änderungsantrag und der Schlussabstimmung über das Gesetz aus: „Wenn mit dem Änderungsantrag auch diejenigen im Nachhinein noch eine vertriebenenrechtliche Aufnahme finden sollen, die bereits - womöglich auf ausländerrechtlicher Basis - in Deutschland leben, entspräche das nicht dem Sinn der Regelung. Die zu lösenden Fälle tragischer Familientrennungen - Härtefälle - sind nicht vorstellbar, wenn sämtliche Familienangehörigen bereits in Deutschland leben“.
51Vgl. Plenarprotokoll 17/130, S. 15369.
52Auch dass es im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes keinen neuerlichen Vorstoß gegeben hat, die Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ zu streichen, spricht nicht gegen die vom Senat vertretene Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Die in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Innenausschusses enthaltene Begründung zum Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes,
53vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12,
54hebt wiederum allein den Trennungsaspekt hervor und fordert eine „… grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen …“. Die nachträgliche Einbeziehung werde so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG trete; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutze, müsse daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten. Daraus kann nicht der Schluss gezogen werden, der Gesetzgeber habe die Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ bewusst unberührt gelassen, um damit den ununterbrochenen Aufenthalt im Aussiedlungsgebiet als Tatbestandsvoraussetzung für die nachträgliche Einbeziehungsmöglichkeit zu definieren. Abgesehen davon wurde die Frage eines vorübergehenden Aufenthalts der einzubeziehenden Personen in Deutschland abermals nicht angesprochen; vielmehr wurde wiederum allein die Notwendigkeit betont, es müssten die durch die für das Aufnahmeverfahren maßgebliche „Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Fall einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich)“ „in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler“ beseitigt werden.
55Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
56d) Der im Rahmen der systematischen Auslegung vom Verwaltungsgericht angeführte Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG spricht nicht gegen das vorstehend erläuterte und vom Senat vertretene Normverständnis, sondern eher für ein solches Verständnis. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die Fallgestaltung eines vorübergehenden Wohnsitzes in Deutschland ausdrücklich berücksichtigt. Die Vorschrift regelt aber eine mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbare Konstellation im Zusammenhang mit dem in § 4 Abs. 1 BVFG geregelten Wohnsitzerfordernis für Spätaussiedler und ist daher auf den Fall des nur Einzubeziehenden nicht übertragbar. Die Regelung zeigt, dass der Gesetzgeber Fallgestaltungen mit einem vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des Aussiedlungsgebiets kennt; das bedeutet jedoch nicht, dass ein solcher Aufenthalt im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG deshalb ausgeschlossen ist, weil sich hier keine Regelung für einen vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des Aussiedlungsgebiets findet. Vielmehr ist mit Blick auf den Regelungsinhalt des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG und den von ihm erfassten Personenkreis - die Wohnsitzfiktion gilt nur für die Bezugsperson, der Ehegatte oder Abkömmling, der mit der Bezugsperson vorübergehend im Bundesgebiet aufhältig war und mit dieser wieder ins Aussiedlungsgebiet zurückkehrt ist, wird nicht miterfasst - eher Gegenteiliges anzunehmen. Denn im Gegensatz zu einem Spätaussiedler bedarf der Familienangehörige für die Einbeziehung in einen Aufnahmebescheid keiner Wohnsitzfiktion; er kann gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG trotz vorangegangenen vorübergehenden Aufenthalts im Bundesgebiet zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden, wenn er im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (wieder) im Aussiedlungsgebiet lebt. Mit Blick darauf ergibt sich im Rahmen der systematischen Auslegung nicht der vom Verwaltungsgericht angenommene Widerspruch. Abgesehen davon erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht, aus welchen Gründen der Gesetzgeber einerseits durch die die Einbeziehungsmöglichkeiten erweiternde Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG die darin vorgesehene nachträgliche Einbeziehung andererseits ‑ weil er von einer entsprechenden Regelung wie in § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG für Familienangehörige abgesehen hat - einschränkend an einen ununterbrochenen Aufenthalt des Familienangehörigen im Aussiedlungsgebiet geknüpft hätte oder hätte knüpfen wollen.
57e) Insbesondere die teleologische Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG führt dazu, einen vorübergehenden Aufenthalt des Familienangehörigen der Bezugsperson außerhalb des Aussiedlungsgebiets als unschädlich anzusehen, wenn dieser im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (wieder) dort wohnt. Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG soll „eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden“.
58Vgl. die ausdrückliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung BT-Drs. 17/5515, S. 7.
59Zur Verwirklichung dieses Ziels ist durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes das Erfordernis einer Härte weggefallen. Denn „die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wieder herzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben“.
60Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
61Aus der zitierten Begründung ergibt sich eindeutig die Absicht des Gesetzgebers, die Familienzusammenführung in möglichst vielen Fällen zuzulassen und so dauerhafte Trennungen der Familien der Spätaussiedler zu vermeiden. Eine Familientrennung liegt aber gleichermaßen vor, wenn einzubeziehende Familienmitglieder sich zwar vorübergehend - vertriebenenrechtlich oder ausländerrechtlich - in Deutschland aufgehalten haben, aber ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind. Denn auch in einem solchen Fall kommt es (wieder) zu einer Familientrennung, die der Gesetzgeber durch die Schaffung der unter erleichterten Voraussetzungen möglichen nachträglichen Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gerade verhindern wollte.
62Auch kann es mit Blick auf die zum Ausdruck gekommene Absicht des Gesetzgebers, die Einheit der Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen herzustellen, keinen Unterschied machen, ob die Familienangehörigen freiwillig oder etwa wegen einer ihnen drohenden Abschiebung unfreiwillig in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind. Denn schon bei der Schaffung der Regelung über die nachträgliche Einbeziehung hat der Gesetzgeber das unfreiwillige und freiwillige Verbleiben der Familienangehörigen im Auge gehabt, welches zu einer Trennung der Familien der Spätaussiedler führt. In der Begründung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes lautet es: „Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.“
63Vgl. BT-Drs. 17/5515, S. 1.
64Im Entwurf zum Zehnten Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes heißt es zudem, wer die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG „aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten“.
65Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
66Aus diesen Begründungen wird deutlich, dass der Gesetzgeber nicht danach unterscheiden wollte, ob der Familienangehörige freiwillig, etwa weil er noch nicht mit ausreisen wollte, oder unfreiwillig, weil er die erforderlichen Aufnahmevoraussetzungen noch nicht erfüllte, zunächst im Aussiedlungsgebiet verblieben und so die Familientrennung herbeigeführt worden ist. Vielmehr sollte nach dem eindeutig zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers die Chance zur nachträglichen Einbeziehung unabhängig davon bestehen, „aus welchen Gründen auch immer“ die Familientrennung verursacht worden ist. Mit Blick darauf kann es auch keinen Unterschied machen, ob die Familienangehörigen sich freiwillig entschieden haben, die Bundesrepublik Deutschland wieder zu verlassen und in das Aussiedlungsgebiet zurückzukehren, oder ob dies auf unfreiwilliger Basis geschehen ist. Denn in allen Fällen - ob der Verbleib im Aussiedlungsgebiet oder die Rückkehr dorthin aus Gründen der Frei- oder Unfreiwilligkeit der Familienangehörigen erfolgt ist - kommt es zu einer Familientrennung, auf deren Beseitigung die in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG geschaffene Regelung der nachträglichen Einbeziehung abzielt.
67II. Obwohl die Vorschrift ‑ anders als § 27 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 5 BVFG ‑ als Ermessensregelung ausgestaltet ist („kann“), besteht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift - wie hier - erfüllt sind, für eine Ausübung des Ermessens in einem negativen Sinn in der Regel kein Raum mehr.
68Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 13. Dezember 1996 ‑ 2 A 1819/94 ‑, juris, Rdnr. 30.
69Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
70Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
71Der Senat lässt die Revision zu, weil die Rechtsfrage, ob jemand nur dann im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist, wenn er seit der Aussiedlung des antragstellenden Spätaussiedlers seinen Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet hatte, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tatbestand
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Das klagende Busunternehmen begehrt die Aufhebung einer Linienverkehrsgenehmigung, die der Beigeladenen auf der Grundlage von § 13 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) erteilt wurde, und die Erteilung dieser Genehmigung an sich selbst.
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Im Dezember 2007 machte der beklagte Landkreis als örtlich zuständiger Aufgabenträger für den öffentlichen Personennahverkehr bekannt, dass in seinem Zuständigkeitsbereich zum 30. Juni 2008 die Linienverkehrsgenehmigungen für im Einzelnen benannte Linien ausliefen und der Betrieb dieser Linien nach Maßgabe des fortgeschriebenen Nahverkehrsplans als südwestliches regionales Linienbündel in einem Genehmigungswettbewerb neu vergeben werde. Die erforderlichen Antragsunterlagen würden den Bewerbern auf Nachfrage ab dem 15. März 2008 zur Verfügung gestellt. Die vom Beklagten bekannt gegebene Bewertungsrichtlinie sah eine Bewertung anhand von 21 Einzelkriterien vor: E 1: Angebot und Qualität im Schülerverkehr; E 2: Angebot im Linienverkehr für die übrigen Fahrgäste; E 3: Grundangebot in flexiblen Betriebsweisen; E 4: Erschließung im vorgelegten Liniennetz; E 5: Fahrgastfreundliche Liniengestaltung; E 6: Verknüpfung mit dem Schienenpersonennahverkehr in Gräfenhainichen und mit dem Regionalverkehr in Wörlitz; E 7: Busverkehr Gräfenhainichen - Dessau; E 8: Einhaltung des Tarifwabenplanes; E 9: Bewertung des Einstiegspreises; E 10: Bewertung des Preisanstieges im Tarif; E 11: Bewertung der Rabattierung Zeitkarte; E 12: Bewertung Anzahl Preisstufen und Deckelung; E 13: Nutzergruppenspezifische rabattierte Angebote; E 14: Tarifkooperation; E 15: Betrieb oder Beteiligung an der Mobilitätszentrale; E 16: Handling und Service flexibler Bedienformen; E 17: Informationsangebot für den Fahrgast; E 18: Fahrausweisvertriebsorganisation; E 19: Fahrzeugqualität und -alter; E 20: Personaltariftreue und E 21: Qualitätssicherung im Unternehmen.
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Unter dem 28. April 2008 beantragte die Klägerin, die zum Linienbündel gehörende Linien in der Vergangenheit betrieben und bereits am 13. März 2008 einen ersten Antrag auf Wiedererteilung dieser Genehmigungen gestellt hatte, erneut und nunmehr unter Verwendung der vom Beklagten hierfür vorgesehenen Antragsunterlagen die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung für das südwestliche regionale Linienbündel. Neben der Klägerin beteiligten sich die Beigeladene und ein dritter Verkehrsunternehmer am Genehmigungswettbewerb. Die Verkehrsangebote der Klägerin und der Beigeladenen sahen zusätzlich zu den festen Linienfahrten als flexible Bedienformen sogenannte Rufbusse oder Anrufbusse vor, die innerhalb eines im Fahrplan vorgesehenen Zeitraumes nach vorheriger Anmeldung des Fahrtwunsches durch den Fahrgast von Haltestelle zu Haltestelle unabhängig von der Linienzuordnung der Zielhaltestelle verkehren sollten.
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Den Genehmigungsantrag der Klägerin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12. Juni 2008 ab. Zwei der von ihr vorgesehenen Linien könnten nicht in die Wertung einbezogen werden, da sie touristischen Charakter hätten und zudem ausschließlich in flexibler Bedienform angeboten würden. Die Bewertung ihres Genehmigungsantrags ohne diese Linien nach der Bewertungsrichtlinie falle mit 2 543,869 Punkten schlechter aus als das mit 3 008,545 Punkten bewertete Verkehrsangebot der Beigeladenen. Das Ergebnis nach Punkten werde durch eine Bewertung der Verkehrsangebote in einer Gesamtschau auf Grundlage der nach der Bewertungsrichtlinie maßgebenden Kriterien bestätigt. Auf das Altunternehmerprivileg des § 13 Abs. 3 PBefG könne sich die Klägerin nicht berufen; es komme nur dann zum Tragen, wenn der Antrag des Altunternehmers ein ebenso gutes Angebot enthalte wie das des besten Mitbewerbers. Das sei hier nicht der Fall, da das Angebot des besten Antragstellers qualitativ wesentlich über ihrem Angebot liege.
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Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag erteilte der Beklagte der Beigeladenen die Linienverkehrsgenehmigung für das südwestliche regionale Linienbündel für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2014; die Genehmigung enthielt unter anderem die Auflage, dass für alle Anrufbusfahrten, einschließlich solcher zur Beförderung behinderter Personen, Haltestellen als Ausgangs- und Endpunkt zu nutzen seien; eine Haustürbedienung sei nicht erlaubt.
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Mit Bescheid vom 20. Juni 2008 erhielt die Beigeladene eine einstweilige Erlaubnis nach § 20 PBefG für den Betrieb des Linienbündels.
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Die von der Klägerin gegen diese Bescheide erhobenen Widersprüche wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Bescheid vom 20. April 2009 zurück. Die Einwände der Klägerin gegen die Bewertung ihres Angebots seien unbegründet. Der Beklagte habe auch das Altunternehmerprivileg angemessen berücksichtigt.
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Mit Urteil vom 25. Oktober 2010 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung der Linienverkehrsgenehmigung für das südwestliche regionale Linienbündel sowie über die beantragten Zustimmungen zu den Beförderungsentgelten und -bedingungen und den Fahrplänen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen: Der Beklagte sei bei der Punktevergabe nach Maßgabe der Bewertungsrichtlinie zu unzutreffenden Punktzahlen gelangt; seine Bewertung sei hinsichtlich der Kriterien E 3, E 6, E 9 bis E 11 und E 15 fehlerhaft gewesen. Bei richtiger Anwendung der Bewertungsrichtlinie ergebe sich zugunsten der Beigeladenen nur noch ein Abstand von 72,91 Punkten. Im Hinblick darauf sei auch das Altunternehmerprivileg nicht in hinreichender Weise gewürdigt worden.
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Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht diese Entscheidung mit Urteil vom 1. August 2012 geändert und den Beklagten verpflichtet, den Genehmigungsantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Berufung der Klägerin im Übrigen sowie die auf Klageabweisung gerichteten Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Soweit die Klägerin einen Anspruch auf Neubescheidung geltend mache, sei die Berufung zulässig, obwohl bereits das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet habe, ihren Genehmigungsantrag neu zu bescheiden. Die das erstinstanzliche Urteil tragenden Gründe bänden die Behörde nicht in dem von der Klägerin erstrebten Maße. Soweit die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der beantragten Linienverkehrsgenehmigung erstrebe, bleibe die Klage wegen fehlender Spruchreife im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO ohne Erfolg. Maßgeblich für die Beurteilung einer solchen Verpflichtungsklage sei in den Fällen eines Genehmigungswettbewerbs die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Der Beklagte habe die von der Klägerin und der Beigeladenen angebotenen Ruf- und Anrufbusverkehre zu Unrecht als genehmigungsfähigen Linienverkehr im Sinne von § 42 und § 2 Abs. 6 PBefG angesehen. Sie verkehrten nach mindestens einstündiger Voranmeldung von einer Haltestelle zu einer anderen, ohne dass es sich dabei um die Haltestelle einer bestimmten Linie handeln müsse. Damit erfüllten diese Verkehre nicht die Merkmale eines Linienverkehrs nach § 42 PBefG. Es fehle das einen Linienverkehr prägende Element einer Verbindung zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten, weil der Fahrgast nach telefonischer Vorbestellung von jeder Haltestelle einer Linie aufgenommen werde und der Endpunkt an jeder Haltestelle im Linienbündel liegen könne. Außerdem sei die Verkehrsverbindung nicht regelmäßig; die Fahrten würden nicht in einer bestimmten wiederkehrenden Abfolge durchgeführt, sondern nur, wenn ein Fahrgast einen Fahrtwunsch anmelde. Der Anrufbusverkehr sei auch nicht nach § 2 Abs. 6 PBefG genehmigungsfähig. Er entspreche bei wertender Betrachtung am meisten dem Gelegenheits- und nicht dem Linienverkehr. Entscheidend gegen eine Nähe zum Linienverkehr spreche, dass die Anrufbusse nicht zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten verkehrten. Die Regelung des § 2 Abs. 6 PBefG sei auch deshalb nicht anwendbar, weil es nicht um besonders gelagerte Einzelfälle im Sinne dieser Regelung gehe. Die Genehmigungsfähigkeit nach § 2 Abs. 6 PBefG entfalle bei Verkehren, die - wie hier - auf Dauer angelegt seien. Zudem würden die Anrufbusse auf sämtlichen Linien eingesetzt, auf einzelnen Linien an Wochenenden sogar ausschließlich. Die Annahme, der angebotene Verkehr sei geeignet, eine ausreichende Verkehrsbedienung zu ermöglichen, erweise sich als rechtsfehlerhaft, wenn - wie hier - zu Unrecht die Genehmigungsfähigkeit eines den Genehmigungsantrag mitprägenden Elements angenommen werde. Erfolg habe die Berufung der Klägerin jedoch, soweit sie die erneute Bescheidung ihres Genehmigungsantrags und die Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Genehmigung erstrebe. Die Ablehnung der von der Klägerin beantragten Genehmigung und die Erteilung der Genehmigung an die Beigeladene seien rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Das folge zum einen daraus, dass der Beklagte bei der Bewertung der konkurrierenden Genehmigungsanträge den Anrufbusverkehr als genehmigungsfähigen Linienverkehr angesehen habe. Zudem habe der Beklagte das Altunternehmerprivileg des § 13 Abs. 3 PBefG, auf das sich die Klägerin berufen könne, nicht angemessen berücksichtigt. Das Altunternehmerprivileg gelte auch für den Fall, dass andere Teilnehmer am Genehmigungswettbewerb bessere Verkehrsangebote unterbreitet hätten. § 13 Abs. 3 PBefG stehe nicht unter dem Vorbehalt, dass der Altunternehmer ein im Wesentlichen gleich gutes Verkehrsangebot gewährleiste. Welches Gewicht seinen Interessen bei der Abwägung zukomme, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Behörde müsse seine schutzwürdigen Belange ermitteln und sie angemessen berücksichtigen. Das sei hier nicht geschehen. Die vom Beklagten und der Beigeladenen eingelegten Berufungen blieben ohne Erfolg, da sich die Erteilung der Genehmigung an die Beigeladene schon aus den dargestellten Gründen als rechtswidrig erweise.
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Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Verpflichtungsbegehren weiter und macht zur Begründung im Wesentlichen geltend: Die Linienverkehrsgenehmigung habe ihr erteilt werden müssen; denn eine zutreffende Anwendung der Bewertungsrichtlinie ergebe, dass sie das beste Verkehrsangebot gemacht habe. Das Auswahlermessen des Beklagten, der sich durch die Festlegung und Bekanntgabe der Auswahlkriterien selbst gebunden habe, sei daher zu ihren Gunsten auf Null reduziert gewesen. Zudem könne sie sich auf das Altunternehmerprivileg des § 13 Abs. 3 PBefG berufen. Darüber hinaus rügt die Klägerin hilfsweise, das Berufungsgericht habe die ihm gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO obliegende Pflicht verletzt, die Sache spruchreif zu machen. Dazu hätte es alle seiner Überprüfung zugänglichen Rechts- und Sachfragen klären müssen. Das Berufungsgericht habe jedoch weder die erforderliche Auslegung der Bewertungsrichtlinie vorgenommen noch ausgehend davon die Punktevergabe durch den Beklagten überprüft. Darin liege auch ein Verstoß gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes.
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Zur Begründung ihrer Revisionen, mit denen der Beklagte und die Beigeladene die vollständige Abweisung der Klage erreichen wollen, tragen sie vor: Die Anrufbus- und Rufbusverkehre könnten ohne Weiteres als Linienverkehr im Sinne von § 42 PBefG eingestuft werden; demgegenüber scheide eine Einordnung als Gelegenheitsverkehr im Sinne des § 46 PBefG von vornherein aus. Jedenfalls ergebe sich die Genehmigungsfähigkeit des Anrufbusverkehrs aus § 2 Abs. 6 PBefG i.V.m. § 42 PBefG; das gelte sowohl für die alte als auch für die neue Fassung dieser Bestimmung. Das Altunternehmerprivileg des § 13 Abs. 3 PBefG könne nur bei annähernd gleichwertigen Verkehrsangeboten des Alt- und des Neuunternehmers als "Zünglein an der Waage" den Ausschlag für den Altunternehmer geben. Dagegen komme es bei einem erheblichen Vorsprung des vom Neubewerber unterbreiteten Verkehrsangebots auf die zufriedenstellende Verkehrsbedienung in der Vergangenheit nicht an.
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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung der Auffassung, dass der Anrufbusverkehr nur auf der Grundlage von § 2 Abs. 6 PBefG genehmigungsfähig sei. Dieser Verkehr ähnle eher dem Linien- als dem Gelegenheitsverkehr. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2013 sei die für § 2 Abs. 6 PBefG bislang geltende Voraussetzung entfallen, dass eine Genehmigung nach dieser Vorschrift auf besonders gelagerte Einzelfälle beschränkt sei. Mit dieser Rechtsänderung habe der Gesetzgeber die Genehmigung flexibler Bedienformen erleichtern wollen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin bleibt ebenso ohne Erfolg wie die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen. Die Annahme des Berufungsgerichts, die von der Klägerin und der Beigeladenen angebotenen Ruf- bzw. Anrufbusverkehre seien zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung als dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt (1.) weder als Linienverkehr im Sinne von § 42 PBefG noch auf der Grundlage von § 2 Abs. 6 PBefG in der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids geltenden alten Fassung dieser Vorschrift genehmigungsfähig gewesen, ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Beklagte durfte diese Formen einer flexiblen Verkehrsbedienung bei der Punktevergabe auf der Grundlage der Bewertungsrichtlinie daher nicht zugunsten der Anbieter berücksichtigen (2. und 3.). Darüber hinaus ist der Beklagte von zu engen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des sich aus § 13 Abs. 3 PBefG ergebenden Altunternehmerprivilegs ausgegangen. Der Altunternehmer kann sich hierauf entgegen der Annahme des Beklagten und der Beigeladenen nicht nur dann berufen, wenn die konkurrierenden Verkehrsangebote annähernd gleichwertig sind (4.). Diese Rechtsfehler führen zur Aufhebung der bisherigen Auswahlentscheidung und zur Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung. Das Auswahlermessen des Beklagten war entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht auf eine Entscheidung zu ihren Gunsten reduziert; der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der beantragten Linienverkehrsgenehmigung besteht daher nicht (5.). Bei der Neubescheidung hat der Beklagte nunmehr die seit dem 1. Januar 2013 geltende neue Fassung von § 2 Abs. 6 PBefG zugrunde zu legen (6.). Unbegründet sind wegen der Mängel der vom Beklagten getroffenen Auswahlentscheidung auch die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen (7.).
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1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der von der Genehmigungsbehörde getroffenen Auswahlentscheidung ist bei personenbeförderungsrechtlichen Konkurrentenklagen der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. Urteil vom 6. April 2000 - BVerwG 3 C 6.99 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 5 f.); somit ist hier auf den Erlass des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2009 abzustellen.
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a) Zugrunde zu legen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der hier im Streit stehenden Auswahlentscheidung ist danach das Personenbeförderungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1990 (BGBl I S. 1690), zum maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. September 2007 - PBefG - (BGBl I S. 2246). Nicht anwendbar sind folglich die am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Neuregelungen durch das Gesetz zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften vom 14. Dezember 2012 - PBefG n.F. - (BGBl I S. 2598). Sie betrafen unter anderem § 2 Abs. 6 PBefG; infolge dessen Neufassung ist die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung auf der Grundlage von § 2 Abs. 6 PBefG nicht mehr auf besonders gelagerte Einzelfälle beschränkt. Unionsrechtlich ist für die Überprüfung der Auswahlentscheidung auf die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs (ABl Nr. L 156 S. 1) in ihrer damals geltenden Fassung abzustellen. Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates ist nach ihrem Artikel 12 erst am 3. Dezember 2009 und damit nach Erlass der angegriffenen Bescheide in Kraft getreten.
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b) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 PBefG muss, wer im Sinne des § 1 Abs. 1, also - wie hier - entgeltlich oder geschäftsmäßig mit Kraftfahrzeugen im Linienverkehr (§§ 42 und 43) Personen befördert, im Besitz einer Genehmigung sein. Es besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer solchen Genehmigung, wenn keiner der gesetzlich vorgesehenen Versagungsgründe eingreift (vgl. Urteil vom 6. April 2000 a.a.O. S. 3 f. m.w.N.).
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Die rechtlichen Voraussetzungen für die Genehmigung, die die konkurrierenden Verkehrsunternehmen für einen jeweils eigenwirtschaftlichen Betrieb der zum südwestlichen regionalen Linienbündel zusammengefassten Linien beantragt haben, sind § 13 PBefG zu entnehmen. Gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG ist die Genehmigung beim Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen dann zu versagen, wenn durch den beantragten Verkehr die öffentlichen Verkehrsinteressen beeinträchtigt werden.
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Gibt es bei einem Genehmigungswettbewerb um die Erteilung einer eigenwirtschaftlichen Linienverkehrsgenehmigung mehrere Bewerber, hat die Genehmigungsbehörde, wenn alle Bewerber die subjektiven und objektiven Genehmigungsvoraussetzungen erfüllen, aber nur einer von ihnen zum Zuge kommen kann, eine Auswahlentscheidung zu treffen, bei der in erster Linie darauf abzustellen ist, wessen Verkehrsangebot den öffentlichen Verkehrsinteressen am meisten entspricht (vgl. u.a. Beschluss vom 18. Juni 1998 - BVerwG 3 B 223.97 - Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 35). Ist ein Verkehr von einem Unternehmer jahrelang in einer dem öffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise betrieben worden, so ist gemäß § 13 Abs. 3 PBefG dieser Umstand, im öffentlichen Personennahverkehr unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3, angemessen zu berücksichtigen; das gilt auch im Falle des Absatzes 2 Nr. 2.
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2. Das Berufungsgericht hat die angegriffene Auswahlentscheidung zum einen deshalb für fehlerhaft gehalten, weil der Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen sei, die von den konkurrierenden Verkehrsunternehmern angebotenen Ruf- und Anrufbusverkehre seien gemäß § 42 PBefG als Linienverkehr genehmigungsfähig. Diese Annahme des Berufungsgerichts steht - entgegen dem Revisionsvorbringen des Beklagten und der Beigeladenen - im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).
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Nach der in § 42 PBefG enthaltenen Legaldefinition ist Linienverkehr eine zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichtete regelmäßige Verkehrsverbindung, auf der Fahrgäste an bestimmten Haltestellen ein- und aussteigen können. Er setzt nicht voraus, dass ein Fahrplan mit bestimmten Abfahrts- und Ankunftszeiten besteht oder Zwischenhaltestellen eingerichtet sind. Damit ist die Einordnung der Ruf- und Anrufbusverkehre als Linienverkehr von der Erfüllung bestimmter Anforderungen in örtlicher ("bestimmte Ausgangs- und Endpunkte") und in zeitlicher Hinsicht ("regelmäßig") abhängig; freilich hat auch das Merkmal der Regelmäßigkeit eine örtliche Komponente, da es sich grundsätzlich um die Bedienung derselben Strecke handeln muss.
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Über die von dieser Definition unmittelbar erfassten Verkehre hinaus gelten bestimmte, in § 43 PBefG aufgezählte Sonderformen der Verkehrsbedienung als Linienverkehr. Zu den dort genannten und näher beschriebenen Sonderformen des Linienverkehrs (Berufsverkehr; Schülerfahrten; Marktfahrten und Fahrten von Theaterbesuchern) gehören die hier in Rede stehenden Ruf- und Anrufbusverkehre aber ersichtlich nicht; davon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.
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a) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht nimmt das Berufungsgericht an, weder der von der Klägerin vorgesehene Rufbusverkehr noch der von der Beigeladenen angebotene Anrufbusverkehr genüge der Anforderung des § 42 Satz 1 PBefG, dass der Verkehr zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichtet sein muss. Für die Einordnung kommt es nicht auf die Bezeichnung der Verkehre, sondern allein darauf an, welche konkrete Ausgestaltung der Personenbeförderung mit der jeweiligen Bedienform nach dem - gegebenenfalls durch die Aufnahme von Nebenbestimmungen in die Genehmigung modifizierten - Konzept des Verkehrsunternehmers verbunden ist.
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Sowohl der von der Klägerin vorgesehene Rufbusverkehr als auch der Anrufbusverkehr der Beigeladenen finden, auch wenn der Zu- und Ausstieg der Fahrgäste nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nur an den von den Verkehrsunternehmern eingerichteten Haltestellen erfolgt, nicht entsprechend § 42 Satz 1 PBefG zwischen "bestimmten" Ausgangs- und Endpunkten statt. Diese Verkehre werden nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht nur entlang einer vom Verkehrsunternehmer für die jeweilige Linie vorab festgelegten Strecke abgewickelt, sondern richten sich in ihrer Streckenführung nach dem vom Fahrgast für die jeweilige Beförderung vorher anzumeldenden Fahrtwunsch. Das bedeutet zum einen, dass der Fahrgast nicht nur - wie beim herkömmlichen Linienverkehr - den Ausgangs- und Endpunkt für die eigene Beförderung, sondern darüber hinaus auch den Fahrtverlauf für das hierbei zum Einsatz kommende Kraftfahrzeug - das sind bei den hier vorgesehenen flexiblen Bedienformen in der Regel Taxis oder Mietwagen - individuell festlegt. An dieser Abhängigkeit der Durchführung der Fahrt und des Fahrtverlaufes von der Bestellung durch den Fahrgast ändert sich nichts dadurch, dass eine "Mobilitätszentrale" koordinierend tätig wird, wenn Beförderungswünsche von mehreren Fahrgästen eingehen; ebenso wenig kommt es entscheidend darauf an, dass der Ein- und Ausstieg nur an Linienhaltestellen erfolgt. Vor allem aber soll der Fahrgast mit den Ruf- und Anrufbussen nach den Bedienkonzepten der Klägerin und der Beigeladenen auch zu Haltestellen anderer Linien desselben Linienbündels oder auch anderer Linienbündel befördert werden können. Damit wird die den Linienverkehr im Sinne von § 42 PBefG prägende Begrenzung der Fahrtstrecke durch bestimmte Ausgangs- und Endpunkte aufgehoben, die der Verkehrsunternehmer im Vorhinein für eine Linie festgelegt hat (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 3 und § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a PBefG). Letztlich kann die konkrete Fahrtstrecke sowohl der Rufbusse als auch der Anrufbusse von jeder Haltestelle einer Linie zu jeder Haltestelle derselben oder einer anderen Linie verlaufen; es können auch anderen Linien oder anderen Linienbündeln zugeordnete Haltestellen angefahren werden. Bedient wird damit - anders als beim herkömmlichen Linienverkehr im Sinne von § 42 PBefG - nicht mehr nur eine einzelne Linie, sondern ein gesamtes Verkehrsnetz. Dass das Überwechseln des eingesetzten Fahrzeugs von einer Linie zu einer anderen Linie desselben oder eines anderen Linienbündels nur an bestimmten Schnittstellen erfolgen soll, ändert daran nichts. Im Hinblick auf den dargestellten, die Liniengrenzen überschreitenden Einsatz der Ruf- und Anrufbusse genügt es für die Einordnung als Linienverkehr im Sinne von § 42 PBefG auch nicht, wenn das Fahrzeug jedenfalls formal durch die Vergabe einer Liniennummer zunächst einer bestimmten Linie zugeordnet wurde.
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Damit liegt es bei den hier in Rede stehenden Ruf- und Anrufbusverkehren auch anders als bei sogenannten Umlauffahrten, also Fahrten, die nur zu bestimmten Zeiten auf der gesamten durch den vorab festgelegten Linienverlauf vorgegebenen Strecke und im Übrigen - insbesondere zu Zeiten einer schwächeren Verkehrsnachfrage - nur auf einer verkürzten Strecke stattfinden. Bei solchen Umlauffahrten wird die grundsätzliche Linienbindung gerade nicht aufgegeben.
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Ebenso wenig sind die hier zu beurteilenden Ruf- und Anrufbusverkehre Linienersatzverkehre in dem Sinne, dass der normalerweise eingesetzte Bus wegen in Randzeiten zu erwartender geringerer Verkehrsnachfrage durch ein kleineres und kostengünstiger zu betreibendes Fahrzeug, also insbesondere ein Taxi oder einen Mietwagen, ersetzt wird. Beim Linienersatzverkehr wird in der Regel - abgesehen etwa von den soeben erwähnten Umlauffahrten - die auch vom Linienbus abzufahrende Route eingehalten.
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Schließlich können die hier in Rede stehenden Ruf- und Anrufbusverkehre nicht deshalb als Linienverkehr im Sinne von § 42 PBefG eingestuft werden, weil sie den herkömmlichen Linienverkehr auf den betroffenen Linien zu bestimmten Zeiten ergänzen oder ersetzen sollen. Erforderlich für eine solche Einordnung ist vielmehr, dass die entsprechende (Sonder-)Form der Verkehrsbedienung in ihrer konkreten Ausgestaltung auch für sich genommen die in § 42 PBefG aufgeführten Bestimmungsmerkmale des Linienverkehrs erfüllt. Das zeigt auch § 8 Abs. 2 PBefG, der einen Verkehr mit Taxen oder Mietwagen, der eine der in Absatz 1 genannten Verkehrsarten ersetzt, ergänzt oder verdichtet, zwar dem in § 8 Abs. 1 PBefG definierten öffentlichen Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes, nicht aber darüber hinaus auch dem Linienverkehr im Sinne von § 42 PBefG zuordnet.
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b) Danach kann offen bleiben, ob die hier in Rede stehenden Ruf- und Anrufbusverkehre darüber hinaus auch das Erfordernis der Regelmäßigkeit der Verkehrsverbindung im Sinne von § 42 Satz 1 PBefG verfehlen, wie das Berufungsgericht weiter angenommen hat. Regelmäßigkeit im Sinne dieser Bestimmung setzt ausweislich der Gesetzesbegründung voraus, dass die Fahrten in einer erkennbaren zeitlichen Ordnung wiederholt werden und dass die Fahrgäste sich auf das Vorhandensein einer Verkehrsverbindung einrichten können (BTDrucks 3/2450 S. 8). Hingegen ist, wie § 42 Satz 2 PBefG zu entnehmen ist, nicht erforderlich, dass ein Fahrplan mit bestimmten Abfahrts- und Ankunftszeiten besteht. Das zeigt, dass an das Merkmal der Regelmäßigkeit im Hinblick auf die Abfahrts- und Ankunftszeiten keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden können; es setzt nicht voraus, dass die Haltestellen immer zu derselben Zeit angefahren werden müssen. Nach den von der Klägerin und der Beigeladenen vorgesehenen Bedienweisen waren - wenn auch in im Einzelnen unterschiedlicher Ausgestaltung - jedenfalls gewisse zeitliche Rahmenbedingungen für die Inanspruchnahme der Ruf- und Anrufbusse durch die Fahrgäste vorgesehen. Andererseits ist nach beiden Verkehrskonzepten die Durchführung einer Fahrt aber von der Voranmeldung eines Fahrtwunsches und damit von der individuellen Bestellung durch einen Fahrgast abhängig, was Zweifel an der Regelmäßigkeit im Sinne von § 42 PBefG begründen kann.
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c) Schließlich ergibt sich eine Zuordnung dieser flexiblen Bedienformen zum Linienverkehr im Sinne von § 42 PBefG nicht aus den Regelungen in § 2 Abs. 1 und § 8 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Sachsen-Anhalt (ÖPNVG LSA). Diese landesrechtlichen Bestimmungen knüpfen nach ihrer verbindlichen Auslegung durch das Berufungsgericht lediglich an die bundesrechtlich im Personenbeförderungsgesetz vorgesehenen Verkehrsformen und -arten an und setzen ihre Genehmigungsfähigkeit nach den insoweit abschließenden bundesrechtlichen Vorschriften voraus. Sie sind danach weder dazu bestimmt noch dazu geeignet, die bundesrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen zu modifizieren oder zu erweitern.
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3. Zum für die Beurteilung der angegriffenen Auswahlentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids war - wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - eine Genehmigung der von der Klägerin und der Beigeladenen angebotenen flexiblen Bedienformen auch auf der Grundlage von § 2 Abs. 6 i.V.m. § 42 PBefG ausgeschlossen. Nach dieser Regelung in der bei Erlass des Widerspruchsbescheids noch geltenden alten Fassung können Beförderungen, die in besonders gelagerten Einzelfällen nicht alle Merkmale einer Verkehrsart oder Verkehrsform dieses Gesetzes erfüllen, nach denjenigen Vorschriften dieses Gesetzes genehmigt werden, denen diese Beförderung am meisten entspricht.
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a) Bei den von der Klägerin und der Beigeladenen vorgesehenen Ruf- und Anrufbusverkehren handelt es sich nicht um eine Personenbeförderung in besonders gelagerten Einzelfällen im Sinne von § 2 Abs. 6 PBefG in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung.
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Aus der Beschränkung der Genehmigungsfähigkeit nach § 2 Abs. 6 PBefG auf "besonders gelagerte Einzelfälle" folgt, dass eine Genehmigung anderer als der in § 42 und § 43 PBefG aufgezählten Formen des Linienverkehrs sowie der in §§ 46 ff. PBefG aufgeführten und näher beschriebenen Arten des Gelegenheitsverkehrs nur in Ausnahmefällen möglich sein sollte. Eine Genehmigung auf der Grundlage dieser Bestimmung konnte schon nach dem Wortlaut der Regelung nur dann erteilt werden, wenn es sich um einen Einzelfall handelte, der zudem noch besonders gelagert sein, sich also durch besondere tatsächliche oder rechtliche Merkmale vom Regelfall abheben musste. Es reicht mithin nicht aus, dass eine Beförderung nicht alle Tatbestandsmerkmale einer Beförderungsart umfasst; ansonsten hätte es einer solchen zusätzlichen Beschränkung auf besonders gelagerte Einzelfälle nicht bedurft.
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Weiteren Aufschluss über den vom Gesetzgeber beabsichtigten Regelungsgehalt gibt die Entstehungsgeschichte der Norm. Mit der Einfügung der Vorgängerregelung des § 59a PBefG a.F. in das Personenbeförderungsgesetz durch das Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes vom 24. August 1965 (BGBl I S. 906) hat der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts reagiert. Es hatte mit Beschluss vom 7. April 1964 - 1 BvL 12/63 - (BVerfGE 17, 306 <311 f.>) entschieden, dass das dem Personenbeförderungsgesetz bis dahin entnommene Verbot, Beförderungen mit dem PKW gegen ein die Betriebskosten nicht übersteigendes Entgelt durchzuführen, wenn Fahrer und Mitfahrer durch öffentliche Vermittlung oder durch Werbung zusammengeführt wurden, mit der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG und dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit nicht vereinbar sei. Der neu eingefügte § 59a PBefG a.F. sah im Hinblick darauf vor, dass Beförderungen, die in besonders gelagerten Einzelfällen nicht alle Merkmale einer Verkehrsart oder Verkehrsform dieses Gesetzes erfüllen, nach denjenigen Vorschriften dieses Gesetzes genehmigt werden können, die dem Verkehr am meisten entsprechen. Damit verfolgte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien das Ziel, vom Gesetz nicht erfasste Verkehrsformen (grauer Verkehr), an deren Zulassung ein Interesse besteht, im Einzelfall genehmigungsfähig zu machen (BTDrucks 4/3472 S. 2). Diese Gesetzesbegründung unterstreicht, dass eine solche Genehmigung nur in Einzelfällen in Betracht kommen sollte. § 59a PBefG wurde später durch das 3. Rechtsbereinigungsgesetz vom 28. Juni 1990 (BGBl I S. 1221) ohne Änderung des Regelungsgehalts in § 2 Abs. 6 PBefG überführt.
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Dass der in § 2 Abs. 6 PBefG verwendete Begriff der "besonders gelagerten Einzelfälle" eng zu verstehen ist, verdeutlicht darüber hinaus ein Vergleich mit § 57 Abs. 1 Nr. 8 und § 2 Abs. 7 PBefG. Diese Regelungen erweitern - in der Rechtsfolge wie § 2 Abs. 6 PBefG, jedoch unter anderen Voraussetzungen und in anderer Ausgestaltung - die Genehmigungsfähigkeit von Bedienformen, die vom "Prinzip des geschlossenen Kreises der zugelassenen Formen der entgeltlichen Personenbeförderung" (so BVerfG, Beschluss vom 7. April 1964 a.a.O. S. 312; vgl. zur gesetzlichen Festlegung bestimmter Typen des Linien- und Gelegenheitsverkehrs auch BVerwG, Urteil vom 13. November 1964 - BVerwG 7 C 176.63 - BVerwGE 20, 16 <18> sowie Fielitz/Grätz, Personenbeförderungsgesetz, Stand Mai 2013, § 2 PBefG Rn. 25 m.w.N.) abweichen.
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Gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 8 PBefG erlässt das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit Zustimmung des Bundesrates die erforderlichen Rechtsverordnungen, durch die für bestimmte im Rahmen des Gesamtverkehrs nicht besonders ins Gewicht fallende Beförderungsfälle allgemein Befreiung von den Vorschriften dieses Gesetzes erteilt wird. Daraus ist zu entnehmen, dass dann, wenn nicht nur Einzelfälle betroffen sind, sondern es um eine ganze Reihe gleichgelagerter Fälle geht (vgl. Fielitz/Grätz, § 2 PBefG a.a.O. Rn. 26), eine Befreiung von Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes - und um nichts anderes handelt es sich der Wirkung nach auch bei einem Rückgriff auf § 2 Abs. 6 PBefG, da damit die Genehmigungsfähigkeit einer Verkehrsform trotz der Nichteinhaltung einzelner Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 42 ff. PBefG hergestellt wird - durch Rechtsverordnung zu erfolgen hat; das wird vom Gesetzgeber allerdings zusätzlich noch davon abhängig gemacht, dass diese Beförderungsfälle im Rahmen des Gesamtverkehrs nicht besonders ins Gewicht fallen.
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§ 2 Abs. 7 PBefG sieht vor, dass die Genehmigungsbehörde zur praktischen Erprobung neuer Verkehrsarten oder Verkehrsmittel auf Antrag im Einzelfall Abweichungen von Vorschriften dieses Gesetzes oder von auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften für die Dauer von höchstens vier Jahren genehmigen kann, soweit öffentliche Verkehrsinteressen nicht entgegenstehen. Über diese "Experimentierklausel" werden über die "besonders gelagerten Einzelfälle" im Sinne von § 2 Abs. 6 PBefG hinaus auch neue Verkehrsarten genehmigungsfähig, allerdings nur in den in § 2 Abs. 7 PBefG festgelegten zeitlichen Grenzen. Daraus ist zu schließen, dass dann, wenn die Abweichung einer Bedienform von den im Personenbeförderungsgesetz definierten Verkehrsarten und -formen so weit geht, dass es sich um eine neue Verkehrsart handelt, ein Rückgriff auf § 2 Abs. 6 PBefG in seiner alten Fassung ausgeschlossen sein sollte.
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Das bestätigt die Begründung, die der Gesetzgeber für die seit dem 1. Januar 2013 geltende Neufassung von § 2 Abs. 6 PBefG gegeben hat. Mit dem Gesetz zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften vom 14. Dezember 2012 (BGBl I S. 2598) wurde das bisherige Tatbestandsmerkmal "in besonders gelagerten Einzelfällen" ersetzt durch die Formulierung "soweit öffentliche Verkehrsinteressen nicht entgegenstehen". Die Gesetzesbegründung - ursprünglich noch bezogen auf eine vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung von § 57 Abs. 1 Nr. 8 PBefG - stellt ausdrücklich darauf ab, dass § 2 Abs. 6 und 7 zwar schon Handlungsmöglichkeiten eröffnet, allerdings an Einzel- und Versuchsfälle angeknüpft hätten. Eine Etablierung einer alternativen Verkehrsart sei hiermit nicht möglich gewesen. Hier bestehe Ergänzungsbedarf, soweit diese Verkehre nicht die Anforderungen der §§ 42 ff. oder §§ 46 ff. PBefG erfüllten. Das könne für innovative Angebote der Fall sein; dabei werden in der Gesetzesbegründung als Beispiel unter anderem ausdrücklich Rufbus, Anrufbus, Anrufsammeltaxi und ähnliche Bedienformen genannt (vgl. BTDrucks 17/8233 S. 31).
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All das führt zu dem Schluss, dass der Anwendungsbereich von § 2 Abs. 6 PBefG spätestens dann überschritten war, wenn die Genehmigung nicht mehr nur auf sich vom Regelfall abhebende einzelne Ausnahmefälle abzielte, sondern auf eine ganze Gruppe von Fällen - wofür der Anwendungsbereich von § 57 Abs. 1 Nr. 8 PBefG eröffnet wäre - oder wenn es sich um die Genehmigung einer neuen Verkehrsart handelte, die nicht nur - was § 2 Abs. 7 PBefG ermöglicht hätte - zur praktischen Erprobung und zeitlich befristet erfolgen sollte.
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Ausgehend davon war § 2 Abs. 6 PBefG hier nicht anwendbar. Bei den von der Klägerin und der Beigeladenen vorgesehenen flexiblen Bedienformen geht es qualitativ nicht mehr lediglich um die Nichterfüllung einzelner der in § 42 PBefG aufgeführten tatbestandlichen Voraussetzungen, die für einen Linienverkehr im Sinne dieser Bestimmung prägend sind. Vielmehr ist diese Art der Verkehrsbedienung wegen der Kombination von typischen Elementen des Linien- und des Gelegenheitsverkehrs, die die beantragten Ruf- und Anrufbusverkehre kennzeichnen, als eine neue Verkehrsart einzustufen. Da sich das "Bestimmungsrecht" des Fahrgastes - anders als das beim herkömmlichen Linienverkehr der Fall wäre - nicht mehr nur auf die von ihm individuell zurückgelegte Fahrtstrecke beschränkt, sondern auch die Durchführung der Fahrt als solche und darüber hinaus den Fahrtweg des Fahrzeugs umfasst, werden in die Verkehrsbedienung durch Ruf- und Anrufbusse Wesensmerkmale eingefügt, wie sie gerade für den Gelegenheitsverkehr im Sinne der §§ 46 ff. PBefG kennzeichnend sind. Abgesehen davon kann hier nach der auch im Nahverkehrsplan zum Ausdruck kommenden Vorstellung des Aufgabenträgers von den gewünschten flexiblen Bedienformen auch in quantitativer Hinsicht nicht mehr von "besonders gelagerten Einzelfällen" im Sinne des § 2 Abs. 6 PBefG die Rede sein. Mit diesen flexiblen Bedienformen sollten über das hier zur Genehmigung stehende südwestliche regionale Linienbündel hinaus auch die weiteren im Kreisgebiet liegenden Linienbündel erreichbar sein. Und auch in diesen anderen Linienbündeln kommen - wie das Parallelverfahren BVerwG 3 C 31.12 zeigt - ihrerseits linien- und linienbündelüberschreitende flexible Bedienformen flächendeckend zum Einsatz. Das schließt neben eher ländlichen und dünner besiedelten Gebieten auch das Stadtverkehrslinienbündel ein. Umgekehrt hilft allein der Umstand, dass nach dem Nahverkehrsplan flexible Bedienformen angestrebt werden, nicht über die gesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen hinweg.
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b) Als nicht tragfähig erweist sich demgegenüber die weitere Begründung des Berufungsgerichts, § 2 Abs. 6 PBefG gestatte eine Genehmigung als Linienverkehr auch deshalb nicht, weil die Verkehrsbedienung durch Ruf- und Anrufbusse auf Dauer angelegt sei. Dem Wortlaut von § 2 Abs. 6 PBefG ist kein Anhalt dafür zu entnehmen, dass diese Regelung nur bei vorübergehenden Verkehren zur Anwendung kommen soll; sie enthält - anders als der folgende Absatz 7 - gerade keine zeitliche Begrenzung für eine auf ihrer Grundlage erteilten Genehmigung. § 2 Abs. 6 PBefG sieht vielmehr vor, dass die Vorschriften des Gesetzes anzuwenden sind, denen diese Beförderungen am meisten entsprechen. Zu den für anwendbar erklärten Vorschriften gehören damit aber auch § 16 Abs. 2 PBefG, der die Höchstdauer von Genehmigungen für den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen auf acht Jahre festlegt, sowie § 16 Abs. 3 PBefG, wonach die Geltungsdauer der Genehmigung für Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen höchstens fünf Jahre beträgt. Abgesehen davon ist - schon im Hinblick auf die vom Verkehrsunternehmer zu tätigenden Investitionen - kaum ein Linienverkehr denkbar, der jedenfalls aus dessen Sicht nicht auf Dauerhaftigkeit angelegt sein sollte. Schließlich bedarf es der vom Berufungsgericht angenommenen zeitlichen Beschränkung nicht, um eine zu weitgehende "Aufweichung" des Katalogs der nach dem Personenbeförderungsgesetz zulässigen Verkehrsarten und -formen zu vermeiden; eine hinreichende Eingrenzung war bereits dadurch gewährleistet, dass die Anwendung von § 2 Abs. 6 PBefG besonders gelagerte Einzelfälle voraussetzte.
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c) Eine erweiternde Auslegung von § 2 Abs. 6 PBefG aus verfassungsrechtlichen Gründen ist nicht geboten. Zwar mag es zutreffen, dass der Verkehrsunternehmer in seiner Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG berührt wird, wenn wegen der in § 42 und § 43 PBefG aufgeführten tatbestandlichen Voraussetzungen der Genehmigungsfähigkeit hiervon abweichender Verkehrsarten und -formen als Linienverkehr Grenzen gesetzt sind. Hinreichende Gründe des Allgemeinwohls für die damit verbundene Typisierung der als Linienverkehr zulässigen Verkehrsformen ergeben sich indes daraus, dass die Verkehrsbedienung für den Fahrgast gerade beim Linienverkehr in besonderem Maße verlässlich und hinsichtlich der Strecke sowie des Zeitpunkts der Beförderung vorhersehbar sein muss. Das dient dazu, Angebot und Nachfrage in Bezug auf die entsprechenden Beförderungsleistungen zusammenzuführen sowie einen wirtschaftlichen Einsatz der vorhandenen Ressourcen unter Schonung von Umwelt und Straßenraum zu ermöglichen. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es zugleich, auch die Erteilung einer Genehmigung für abweichende Sonderformen der Verkehrsbedienung im Wege einer Ausnahme von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig zu machen. Der Gesetzgeber hatte schon vor der Änderung von § 2 Abs. 6 PBefG ausreichende rechtliche Grundlagen dafür zur Verfügung gestellt, um auch bei einer Nichterfüllung einzelner der in § 42 und § 43 PBefG aufgeführten Tatbestandsmerkmale die Genehmigungsfähigkeit herzustellen, soweit das im Einklang mit den öffentlichen Verkehrsinteressen stand. Solche Öffnungsklauseln enthielten neben § 2 Abs. 6 PBefG - wie bereits erwähnt - § 2 Abs. 7 PBefG sowie § 57 Abs. 1 Nr. 8 PBefG. Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht die mit den § 42 und § 43 PBefG verbundene Typisierung des Linienverkehrs bislang nicht beanstandet. Es zieht in seinem bereits genannten Beschluss vom 7. April 1964 - 1 BvL 12/63 - (BVerfGE 17, 306 <312>) nicht das "Prinzip des geschlossenen Kreises der zugelassenen Formen der entgeltlichen Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen" als solches in Zweifel; vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht in jener Entscheidung die damals im Streit stehende Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 PBefG, wonach öffentlich vermittelte Mitnahmefahrten - je nach Auslegung - einer Genehmigungspflicht oder einem Verbot unterlagen, deshalb als verfassungswidrig beanstandet, weil sie unklar sei und sich als ungeeignet zum Erreichen des vom Gesetzgeber angestrebten Zweckes erweise (BVerfG, Beschluss vom 7. April 1964 a.a.O. S. 314 ff.).
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d) Da die Anwendung von § 2 Abs. 6 PBefG schon daran scheitert, dass es sich nicht um die Genehmigung besonders gelagerter Einzelfälle handelt, bedarf es keiner Entscheidung, ob die von der Klägerin und der Beigeladenen vorgesehenen flexiblen Bedienformen am meisten dem Linien- oder aber dem Gelegenheitsverkehr entsprechen. Hierfür käme es - wie auch das Berufungsgericht vom Ansatz her zutreffend annimmt - auf eine wertende Gesamtbetrachtung der in Rede stehenden Bedienform an. § 46 Abs. 2 PBefG, wonach nur die dort aufgeführten Formen des Gelegenheitsverkehrs zulässig sind, würde entgegen der Auffassung des Beklagten der Genehmigungsfähigkeit einer die sonstigen Anforderungen des § 2 Abs. 6 PBefG erfüllenden Form der Verkehrsbedienung auf der Grundlage von § 2 Abs. 6 i.V.m. § 46 Abs. 1 PBefG nicht entgegenstehen, wenn diese Sonderform am meisten einer der in § 46 Abs. 2 PBefG aufgezählten Formen des Gelegenheitsverkehrs entspricht. § 2 Abs. 6 PBefG enthält keine Beschränkung auf die Genehmigung linienverkehrsähnlicher Verkehrsformen und geht damit als speziellere Vorschrift der in § 46 Abs. 2 PBefG enthaltenen Beschränkung ("nur") vor.
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4. Das angegriffene Urteil hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung auch insoweit stand, als das Berufungsgericht davon ausgeht, der Beklagte habe das Altunternehmerprivileg des § 13 Abs. 3 PBefG in fehlerhafter Weise verstanden und daher nicht angemessen berücksichtigt.
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a) Die Annahme des Beklagten, das Altunternehmerprivileg komme nur dann zum Tragen, wenn der Antrag des Altunternehmers ein ebenso gutes Angebot enthalte, wie das des besten Mitbewerbers, wird dem Gebot einer angemessenen Berücksichtigung einer den öffentlichen Verkehrsinteressen entsprechenden bisherigen Verkehrsbedienung durch den Altunternehmer nicht gerecht. Gleiches gilt, soweit die Widerspruchsbehörde darauf abstellt, die Besitzstandsregelung nach § 13 Abs. 3 PBefG setze die Gleichwertigkeit der Anträge voraus.
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Zur Begründung für seine Rechtsauffassung beruft sich der Beklagte zu Unrecht auf das Urteil des erkennenden Senats vom 2. Juli 2003 - BVerwG 3 C 46.02 - (BVerwGE 118, 270). Zwar heißt es dort, dass ein Neubewerber wegen § 13 Abs. 3 PBefG "- schlagwortartig ausgedrückt - das bessere Angebot machen muss, um sich gegenüber einem Altkonzessionär durchsetzen zu können" (Urteil vom 2. Juli 2003 a.a.O. S. 273; unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 6. April 2000 - BVerwG 3 C 7.99 - Buchholz 442.01 § 8 PBefG Nr. 1). Damit ist jedoch nur eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung dafür umschrieben, dass der Neubewerber zum Zuge kommt. Macht er das bessere Angebot, so ist dessen Vorsprung mit dem Altunternehmerprivileg des Konkurrenten abzuwägen. Dabei kann die in der Vergangenheit bereits unter Beweis gestellte Bewährung je nach den Umständen des Einzelfalls geeignet sein, einen gewissen Rückstand des Angebots des Altunternehmers auszugleichen.
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Auch ansonsten bietet die Rechtsprechung des erkennenden Senats keine Grundlage für den rechtlichen Ausgangspunkt des Beklagten. Nach dem Urteil vom 19. Oktober 2006 - BVerwG 3 C 33.05 - (BVerwGE 127, 42 Rn. 47) verweist das Kriterium der jahrelangen erfolgreichen Verkehrsbedienung zum einen auf den im Gewerberecht bekannten Grundsatz "bekannt und bewährt". Das entspreche einem berechtigten Verkehrsinteresse, bei der Erteilung einer neuen Genehmigung denjenigen zu bevorzugen, der in Jahren bewiesen habe, dass er den fraglichen Verkehr ordnungsgemäß betreibe. Zum anderen liegt - wie im genannten Urteil weiter ausgeführt wird - der Regelung auch der Gedanke des Besitzstandsschutzes zugrunde. Die für die Durchführung eines rechtmäßigen Linienverkehrs getätigten Investitionen sollen nicht ohne Not entwertet werden (Urteil vom 19. Oktober 2006 a.a.O.). Gerade der Gedanke des Schutzes von Investitionen des Altkonzessionärs legt jedoch nahe, dass ein geringfügiges qualitatives Zurückliegen des vom Altunternehmer unterbreiteten Verkehrsangebots nicht zwingend zu seinem Unterliegen bei der Auswahlentscheidung führen muss.
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Danach ist der Beklagte wegen eines zu engen Verständnisses von § 13 Abs. 3 PBefG zu Unrecht davon ausgegangen, das Altunternehmerprivileg könne von vornherein der Klägerin nicht zugute kommen; eine angemessene Berücksichtigung der bisherigen Verkehrsbedienung im Sinne dieser Vorschrift ist damit unterblieben.
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b) Eine allgemeine Regel, wie die nach § 13 Abs. 3 PBefG gebotene Abwägung vorzunehmen ist, damit eine jahrelange zufriedenstellende Verkehrsbedienung durch den Altunternehmer ihre "angemessene" Berücksichtigung im Sinne dieser Bestimmung findet, lässt sich nicht aufstellen. Hierfür kommt es auf die besonderen Umstände jedes Einzelfalles an.
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Abzustellen ist mit Blick auf den Gedanken, dass nur einem "bewährten" Altunternehmer Besitzstandsschutz zu gewähren ist, unter anderem darauf, in welchem Maße die bisherige Verkehrsbedienung den öffentlichen Verkehrsinteressen entsprochen und in welchem Umfang der Altunternehmer in der Vergangenheit Investitionen für die Bedienung der betreffenden Linie oder Linien getätigt hat, die sich bei einer Vergabe des künftigen Linienbetriebs an einen anderen Bewerber nun als sinnlos erweisen würden. Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu fehlen. Sie können im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden. Andererseits kommt es - mit Blick auf die künftige Verkehrsbedienung - darauf an, in welcher Hinsicht und mit welchen Auswirkungen auf eine befriedigende Bedienung der öffentlichen Verkehrsinteressen sich die Angebote des Altunternehmers und der Neubewerber unterscheiden.
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5. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler erweist sich die vom Beklagten zugunsten der Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; sie kann daher keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht hat die Erteilung der Linienverkehrsgenehmigung an die Beigeladene und die Ablehnung des Genehmigungsantrags der Klägerin, mit denen der Beklagte seine Auswahlentscheidung umgesetzt hat, daher zu Recht aufgehoben und den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet.
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a) Dabei wird das Berufungsurteil den Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG allerdings insofern nicht vollständig gerecht, als sich das Oberverwaltungsgericht bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der vom Beklagten getroffenen Auswahlentscheidung damit begnügt, die Genehmigungsfähigkeit der von der Klägerin und der Beigeladenen angebotenen flexiblen Bedienformen sowie die Frage einer angemessenen Berücksichtigung des Altunternehmerprivilegs zu erörtern. Es hat sich - anders als das Verwaltungsgericht - nicht mit den von den Beteiligten darüber hinaus gerügten Rechtsfehlern des Auswahlverfahrens befasst, insbesondere nicht mit der Frage, ob der Beklagte die der Auswahlentscheidung zugrunde zu legende Bewertungsrichtlinie anhand des hierfür maßgeblichen Empfängerhorizonts richtig ausgelegt und diese Richtlinie bei der Vergabe von Punkten nach Maßgabe der dort aufgeführten Einzelkriterien in zutreffender Weise angewendet hat. Eine solche weitergehende Überprüfung der Auswahlentscheidung wäre jedoch im Hinblick auf die von den Beteiligen sowohl gegen die Auswahlentscheidung als auch gegen das erstinstanzliche Urteil - mit unterschiedlicher Zielrichtung - vorgetragenen Einwände angezeigt gewesen, um eine Wiederholung eventueller Rechtsfehler bei der Neubescheidung so weit wie möglich auszuschließen und damit - schon im Hinblick auf die begrenzte Laufzeit der streitigen Linienverkehrsgenehmigung - weiteren Zeitverlust durch eine wiederholte Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes zu vermeiden. Auch das Berufungsgericht selbst hatte im Übrigen bei der Prüfung der Zulässigkeit der von der Klägerin eingelegten Berufung eine fortbestehende Beschwer trotz des zu ihren Gunsten bereits in der ersten Instanz ergangenen Bescheidungsurteils gerade im Hinblick darauf bejaht, dass dieses Bescheidungsurteil nach seinen tragenden Gründen den Beklagten nicht in dem vom Rechtsmittelführer angestrebten Umfang binde. Diese im Berufungsverfahren unterbliebene weitere Überprüfung der Auswahlentscheidung kann in der Revisionsinstanz im Hinblick auf die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht nachgeholt werden.
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b) Entgegen dem Revisionsvorbringen der Klägerin war das dem Beklagten zustehende Auswahlermessen zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht zu ihren Gunsten auf Null reduziert; ihr Revisionsantrag, den Beklagten zur Erteilung der streitigen Linienverkehrsgenehmigung zu verpflichten, bleibt ohne Erfolg.
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Das ergibt sich schon daraus, dass nach den zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids noch geltenden personenbeförderungsrechtlichen Vorschriften weder der Rufbusverkehr der Klägerin noch der Anrufbusverkehr der Beigeladenen als Linienverkehr im Sinne von § 42 PBefG oder auf der Grundlage von § 2 Abs. 6 PBefG i.V.m. § 42 PBefG genehmigungsfähig waren. Diese Rechtslage hätte der Beklagte seiner damaligen Auswahlentscheidung zugrunde legen und dementsprechend auch prüfen müssen, ob und inwieweit die ihm damals zugegangenen Verkehrsangebote auch ohne die dort jeweils vorgesehenen flexiblen Bedienformen den öffentlichen Verkehrsinteressen gerecht wurden. Wegen der der Genehmigungsbehörde bei der Bewertung der öffentlichen Verkehrsinteressen und deren ausreichender Bedienung zustehenden Beurteilungsspielräume (vgl. dazu u.a. Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 3 C 14.09 - BVerwGE 137, 199 Rn. 13 m.w.N.) können die ihr obliegenden Wertungen nicht durch das Verwaltungsgericht ersetzt werden. Sollten - wofür Vieles spricht - die ohne die flexiblen Bedienformen verbleibenden (Rest-)Angebote den öffentlichen Verkehrsinteressen nicht mehr genügt haben, wäre vom Beklagten zu erwägen gewesen, den Bewerbern - etwa durch die Eröffnung eines neuen Genehmigungswettbewerbs - Gelegenheit zu einer Anpassung ihrer Angebote an die nunmehr geltende Rechtslage zu geben. Auch dieser Entscheidung und der Bewertung eventuell modifizierter Verkehrsangebote kann aber im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht vorgegriffen werden. Sie hindert überdies eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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6. Bei der danach vom Beklagten unter Beachtung auch der Rechtsauffassung des Revisionsgerichts zu treffenden neuen Auswahlentscheidung ist auf die nun geltende geänderte Rechtslage abzustellen (vgl. zur Maßgeblichkeit der neuen Sach- und Rechtslage im Falle eines gerichtlichen Neubescheidungsausspruchs: Urteil vom 25. September 2008 - BVerwG 3 C 35.07 - BVerwGE 132, 64 Rn. 22 m.w.N.; vgl. auch Urteil vom 4. November 2010 - BVerwG 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 58; VGH Kassel, Beschluss vom 26. März 1999 - 11 TM 3406/98 u.a. - DVBl 1999, 1666 <1667>; ebenso Kilian, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl. 2010, § 121 Rn. 86). Somit ist ihr die am 1. Januar 2013 in Kraft getretene geänderte Fassung von § 2 Abs. 6 PBefG zugrunde zu legen. Diese Bestimmung sieht nunmehr vor, dass anstelle der Ablehnung einer Genehmigung, im Fall einer Beförderung, die nicht alle Merkmale einer Verkehrsart oder Verkehrsform erfüllt, eine Genehmigung nach denjenigen Vorschriften dieses Gesetzes erteilt werden kann, denen diese Beförderung am meisten entspricht, soweit öffentliche Verkehrsinteressen nicht entgegenstehen.
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Auch im Hinblick auf diese Neuregelung scheidet die von der Klägerin angestrebte Verpflichtung des Beklagten aus, ihr die streitige Linienverkehrsgenehmigung zu erteilen. Denn auch bei der für die Anwendung von § 2 Abs. 6 PBefG n.F. nun geforderten Prüfung, inwieweit die konkurrierenden Verkehrsangebote der Bewerber im Einklang mit den öffentlichen Verkehrsinteressen stehen, verfügt die Genehmigungsbehörde - nicht anders als im Rahmen von § 13 Abs. 2 PBefG - über einen Beurteilungsspielraum, den das Verwaltungsgericht zu beachten hat. Hinzu kommt, dass nicht absehbar ist, ob die Bewerber ihre Verkehrsangebote inhaltlich unverändert aufrechterhalten oder aber ihre im Jahr 2008 gestellten Genehmigungsanträge an seitdem möglicherweise veränderte tatsächliche Umstände anpassen, die für die maßgeblichen öffentlichen Verkehrsinteressen und deren befriedigende Bedienung von Bedeutung sind.
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7. Wegen der dem Beklagten bei seiner Auswahlentscheidung unterlaufenen Rechtsfehler, die die Klägerin in ihren Rechten verletzen, bleiben auch die auf eine vollständige Klageabweisung gerichteten Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen ohne Erfolg.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
31. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Gesetzes sind gegeben, wenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 ‑ 7 AV 1.02 ‑, Buchholz 310 § 124b VwGO Nr. 1.
5Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung seines Enkels W. L. (im Folgenden: Enkel) in seinen Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG oder § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG hat. Ernstliche Zweifel daran zeigt die Antragsbegründung nicht auf.
6Das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Einbeziehung seines Enkels in seinen Aufnahmebescheid ist nach der zum Entscheidungszeitpunkt des Senats geltenden Rechtslage zu beurteilen.
7Vgl. speziell zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt für den Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härteweg BVerwG, Urteil vom 22. April 2004 ‑ 5 C 27.02 ‑, Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 11; ferner ausführlich OVG NRW, Urteil vom 12. Mai 2014 ‑ 11 A 802/13 ‑, juris.
8Prüfungsmaßstab ist damit § 27 BVFG in der am 14. September 2013 in Kraft getretenen Fassung des Zehnten BVFG-Änderungsgesetzes (BGBl. I S. 3554).
9a) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass eine Einbeziehung des Enkels des Klägers in seinen Aufnahmebescheid gemäߠ § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht möglich ist. Nach dieser Vorschrift kann abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG ‑ insbesondere ohne Vorliegen eines Härtefalles ‑ der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundesvertriebenengesetzes hat, nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
10Die vorliegende Fallgestaltung wird von § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht erfasst, weil der Enkel des Klägers nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist, sondern seit März 1999 in Deutschland lebt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ nicht so zu verstehen, dass die einzubeziehende Person nur im Zeitpunkt der Aussiedlung der Bezugsperson im Aussiedlungsgebiet verblieben sein muss. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag vorliegen. Wer sich zu diesem Zeitpunkt (bereits) in Deutschland aufhält, ist nicht (mehr) „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Die vom Kläger vertretene Auslegung ist daher bereits im Wortlaut nicht angelegt. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausdrücklich hervorgehoben, dass „Trennungen der Familien … beseitigt werden“ sollen.
11Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
12Eine derartige Trennung liegt hier nicht vor, weil der Enkel des Klägers sich seit über 15 Jahren in Deutschland aufhält. Inwieweit sein Aufenthalt rechtlich abgesichert ist, ist im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ohne Bedeutung. Eine fehlende rechtliche Absicherung des Aufenthalts des Enkels in Deutschland bedeutet nicht, dass er „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist. Aufgrund seines langjährigen Aufenthalts und seines auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillens hat er seinen Wohnsitz in Deutschland, obwohl sein Aufenthalt hier derzeit nicht auf Dauer rechtlich gesichert ist.
13Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 30. April 2012 ‑ 11 A 2558/11 ‑, juris.
14Für die vom Kläger in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung, der Gesetzgeber habe die Familie nicht nur als „physische Einheit“, sondern auch als „rechtliche Einheit“ zusammenführen wollen, ergibt sich aus dem Gesetz kein Anhaltspunkt.
15Die vom Senat im
16Beschluss vom 17. April 2013 ‑ 11 E 37/13 ‑, juris,
17angestellte Überlegung, im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des Neunten BVFG-Änderungsgesetzes sei insbesondere wegen der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 77/5515, S. 7) möglicherweise eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG in der Fassung des Neunten BVFG-Änderungsgesetzes zu berücksichtigen, ist durch die Neufassung und Änderung der bisher in § 27 Abs. 3 BVFG enthaltenen Regelung in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG durch das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz überholt.
18b) Ein Anspruch des Klägers auf nachträgliche Einbeziehung seines Enkels gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG scheitert daran, dass sich der Enkel seit 1999 im Bundesgebiet aufhält und der Antrag des Klägers auf nachträgliche Einbeziehung erst 13 Jahre später, nämlich am 22. März 2012, gestellt worden ist.
19Zwar enthält § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (ebenso wenig wie § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.) keine Frist für die Stellung eines Härtefallantrags. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F. (jetzt wortgleich § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG) gefolgert, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland und der Stellung eines Härtefallantrags bestehen muss.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248.
21Nach § 26 BVFG könne nur Personen, die bereits beim Verlassen der Aussiedlungsgebiete Spätaussiedler sein wollen, einen Aufnahmebescheid erhalten. Dieser Spätaussiedlerwille ist zwingende Tatbestandsvoraussetzung für den Erhalt des Aufnahmebescheides.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248 (251 f.).
23Die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG betreffend den Härtefallantrag eines Spätaussiedlers beansprucht für einen Härtefallantrag auf Einbeziehung des Ehegatten oder der Abkömmlinge entsprechende Geltung. Dem Spätaussiedler können hinsichtlich seines Antrags auf Einbeziehung seiner Familienangehörigen nicht weiter reichende Rechte zustehen als hinsichtlich seines Antrags auf eigene Aufnahme. Das Bundesverwaltungsgericht hat aus der Systematik des Bundesvertriebenengesetzes hergeleitet, dass Personen, die aus den Aussiedlungsgebieten ausreisen, ohne zuvor ein Aufnahmeverfahren durchgeführt zu haben, nur dann einen Aufnahmebescheid erhalten können, wenn sie bereits beim Verlassen der Aussiedlungsgebiete Spätaussiedler sein wollen und diesen Willen zeitnah zur Übersiedlung nach außen hin betätigt haben.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248 (251 f.).
25Ist aber der Spätaussiedlerwille im Falle des Härtefallantrags auf Erteilung eines eigenen Aufnahmebescheids zwingende Tatbestandsvoraussetzung, kann für den Härtefallantrag auf Einbeziehung des Ehegatten oder der Abkömmlinge in einen Aufnahmebescheid nichts anderes gelten.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2014 ‑ 11 A 926/14 ‑, juris.
27Denn die Einbeziehung soll ein potenzielles Aussiedlungshindernis für den Spätaussiedler zu dessen Gunsten ausräumen; die einzubeziehenden Personen haben insoweit keinen eigenen Anspruch.
28So die Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz), BR-Drs. 22/03 vom 16. Januar 2003, S. 291.
29Der Kläger kann diese zwingende Tatbestandsvoraussetzung in Bezug auf die Einbeziehung seines Enkels nicht mehr erfüllen. Denn sein (heutiger) Spätaussiedlerwille kann sich nicht mehr darauf beziehen, dass sein Enkel die Aussiedlungsgebiete als Einzubeziehender verlässt und zum Zwecke der Herstellung der Einheit der Familie ins Bundesgebiet einreist, weil er sich bereits seit März 1999 in Deutschland aufhält.
30c) Ein in der Zulassungsbegründung erstmals behaupteter bis heute unbeschiedener Einbeziehungsantrag seines Enkels aus dem vor der Übersiedlung des Klägers geführten Aufnahmeverfahren ist nicht Gegenstand des vorliegenden (nur) vom Kläger geführten Verfahrens. Nach der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Rechtslage konnten Einbeziehungsanträge nicht von der Bezugsperson, sondern nur von der einzubeziehenden Person gestellt werden.
31Vgl. z. B. OVG NRW, Urteil vom 8. Dezember 1999 ‑ 2 A 5680/98 ‑, juris, Rdnr. 22.
32Unabhängig davon legt der Kläger nicht hinreichend dar, dass ein solcher Antrag noch anhängig ist. Hierfür reicht der Hinweis auf den Tatbestand des Urteils des Verwaltungsgerichts Minden vom 25. Mai 2007 ‑ 5 K 1888/06 ‑ nicht aus. Aus diesem Tatbestand ergibt sich nicht, dass der Enkel bereits vor 1996 selbst einen Einbeziehungsantrag gestellt und gerade diesen Antrag weiterverfolgt hat, nachdem er in den Aufnahmebescheid des Klägers vom 10. September 1996 nicht einbezogen worden war. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht Minden im genannten Urteil zu Beginn der Entscheidungsgründe ausgeführt, die Klage des Enkels sei unzulässig, soweit er seine nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid seines Großvaters ‑ des Klägers ‑ begehre.
332. Daraus folgt gleichzeitig, dass die Rechtssache keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.
343. Die Sache hat auch nicht die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die vom Kläger formulierte Frage,
35„ob sich das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ tatsächlich darauf bezieht, dass der einzubeziehende Familienangehörige durchgängig im Herkunftsgebiet verblieben sein muss und ob der Wohnsitz tatsächlich noch im Zeitpunkt der Antragstellung der nachträglichen Einbeziehung bestanden haben muss oder ob sich das „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ nicht auf den Zeitpunkt der Aussiedlung der Bezugsperson bezieht,“
36lässt sich jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung, in der sich der einzubeziehende Familienangehörige bereits seit über 15 Jahren ununterbrochen in Deutschland aufhält ‑ wie unter 1. dargelegt ‑ ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
37Die weitere Frage,
38„ob der Gesetzgeber die „Einheit der Familie“ nur als physische Einheit bzw. Zusammenführung gemeint hat oder auch als rechtliche Einheit“,
39ist nach den Ausführungen unter 1. ohne Weiteres zu verneinen. Die vom Kläger hier angestellten Vermutungen zu Überlegungen des Gesetzgebers sind im Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in keiner Weise angelegt.
40Soweit der Kläger auch im Zusammenhang mit einer seinen Enkel betreffenden „Härtefallsituation“ aufgrund gesundheitlicher Beschwerden auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verweist, formuliert er keine über den Einzelfall hinausgehende klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
42Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
43Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
44Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.0000 geborene Kläger begehrt die nachträgliche Einbeziehung seines Enkels, des am 00.00.0000 geborenen Herrn W. L. (nunmehr: L.), in seinen Aufnahmebescheid.
3Die Beklagte erteilte dem aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Kläger unter dem 10. September 1996 einen Aufnahmebescheid. Sie bezog mit Einbeziehungsbescheid vom selben Tage die Tochter des Klägers (Mutter des Herrn L.) und sieben Enkel des Klägers (Kinder der Tochter, Geschwister des Herrn L.) in den Aufnahmebescheid ein. In dem Einbeziehungsbegehren war ursprünglich auch Herr L. aufgeführt. Für ihn wurden jedoch trotz Erinnerung keine Personenstandsurkunden vorgelegt, so dass der Einbeziehungsbescheid ausdrücklich nicht unter seiner Einbeziehung erging. Der Kläger und seine Familie reisten Ende 1996 in die Bundesrepublik ein.
4Herr L. reiste im März 1999 mit einem Besuchsvisum nach. Er stellte am 6. April 2000 einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 4. Februar 2002 bestandskräftig ablehnte.
5Mit Schreiben vom 23. August 2000, der Beklagten erst im Jahre 2002 zugegangen, stellte Herr L. einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers. Zur Begründung führte er an: Er habe 1996 nicht mit seiner Familie ausreisen können, da er seinerzeit nicht über Papiere verfügt habe. Der fehlende Besitz der Papiere sei darauf zurückzuführen, dass er im Dezember 1991 aufgrund von schweren Misshandlungen von der sowjetischen Armee desertiert sei. Diese habe sein Armeebuch und seinen Inlandspass einbehalten. Er habe die Dokumente erst im Jahre 1998 gegen Zahlung eines Betrages von 800 DM durch seine Großmutter zurückbekommen. Nachdem er seinen Reisepass erhalten habe, habe ihm die Mafia aufgelauert, ihn zusammengeschlagen, ihm seine Papiere abgenommen, ihn auf einen Friedhof verschleppt und gedroht, ihn zu töten, falls er an sie nicht einen Betrag von 2.000 DM entrichte. Seine Mutter habe ihm das Geld von Deutschland aus geschickt, woraufhin er es der Mafia gezahlt habe. Er habe sodann erneut einen Reisepass beantragt und erhalten und sei im März 1999 mit einem Besuchsvisum nach Deutschland gereist. Er habe einen Asylantrag gestellt, um die Bundesrepublik nicht verlassen zu müssen. Seine gesamte Familie lebe hier und besitze die deutsche Staatsangehörigkeit. Er habe während seines Aufenthalts starke Herzprobleme und psychische Probleme bekommen, so dass er sich in psychiatrischer Behandlung befinde. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Beiakte 2, Blatt 17 ff. verwiesen.
6Unter dem 20. Januar 2003 stellte Herr L. bei der Beklagten einen Antrag auf Aufnahme nach dem BVFG. Im Rahmen der Antragstellung gab er u. a. an, Deutschunterricht in der Schule erhalten zu haben, fast alles in deutscher Sprache zu verstehen, ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen und Deutsch schreiben zu können.
7Die Beklagte lehnte den Aufnahmeantrag des Herrn L. mit Bescheid vom 20. Januar 2006 ab. Zur Begründung führte sie an, Herr L. habe sich nicht bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt.
8Mit Schreiben vom selben Tage teilte die Beklagte Herrn L. zugleich mit, eine Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers sei nicht möglich, da nach der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Rechtslage ein wirksamer Einbeziehungsantrag nicht vorliege. Der Antrag auf Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers hätte aber auch nach der alten Rechtslage abgelehnt werden müssen, da der Kläger bereits im November 1996 Aufnahme im Bundesgebiet gefunden habe. Herr L. möge mitteilen, wenn er im Hinblick auf seinen Einbeziehungsantrag einen rechtsmittelfähigen Bescheid wünsche.
9Herr L. legte gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines Aufnahmebescheides am 7. März 2006 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2006 zurückwies. Zur Begründung führte sie ergänzend an, die Versagung des Aufnahmebescheides stelle keine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) dar.
10Herr L. erhob dagegen vor dem Verwaltungsgericht Minden am 22. Mai 2006 Klage (Az.: 5 K 1888/06), die das Gericht mit Urteil vom 25. Mai 2007 rechtskräftig abwies. In den Entscheidungsgründen heißt es u. a.: Die Klage sei unzulässig, soweit Herr L. die nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers begehre. Herrn L. fehle insoweit die Klagebefugnis, da ein Anspruch auf Einbeziehung seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 1. Januar 2005 nur noch von der Bezugsperson, nicht hingegen von dem Einzubeziehenden geltend gemacht werden könne. Herr L. habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides. Eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) liege nicht vor. Unabhängig davon habe Herr L. sich auch nicht durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Beiakte 2, Blatt 156 ff. verwiesen.
11Der Kläger beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 21. März 2012 die nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (nunmehr: BVFG a. F.). Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen das Vorbringen des Herrn L. aus dem von ihm betriebenen Aufnahmeverfahren. Er reichte eine ärztliche Bescheinigung über gesundheitliche Einschränkungen seiner Tochter, der Mutter des Herrn L., ein, in der es u. a. heißt, „die Ausweisung eines Kindes wäre sicherlich eine starke emotionale Belastung für die Patientin.“ Wegen der Einzelheiten der Bescheinigung wird auf Beiakte 1, Blatt 12 verwiesen.
12Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 9. Juli 2012 ab. Zur Begründung führte sie an: Herr L. sei kein gemäß § 27 Abs. 3 BVFG a. F. im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling. Er sei bereits im März 1999 in die Bundesrepublik eingereist. Seit dieser Zeit halte er sich ununterbrochen in Deutschland auf und werde von der Ausländerbehörde der Stadt Rostock geduldet. Auch eine Härte im Sinne der Vorschrift sei nicht gegeben. Da Herr L. bereits im Bundesgebiet lebe, sei eine Einbeziehung zur Aufhebung der räumlichen Trennung nicht erforderlich.
13Der Kläger erhob dagegen am 26. Juli 2012 Widerspruch und begründete diesen wie folgt: Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ beziehe sich auf den Zeitpunkt der Aussiedlung. Zu diesem Zeitpunkt habe Herr L. seinen Wohnsitz noch im Aussiedlungsgebiet gehabt. Eine Härte sei gegeben. Herr L. sei unmittelbar von Abschiebung bedroht. Da er das Aussiedlungsgebiet als Deserteur verlassen habe, sei eine Wiederbegründung des Wohnsitzes nicht möglich bzw. zumutbar.
14Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2012 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend an: „Im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sei nur eine Person, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ohne Unterbrechung im Aussiedlungsgebiet habe. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen seien daher Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder einem Drittstaat begründet hätten. Unschädlich seien nur Aufenthalte im Bundesgebiet oder einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt sei, wie Urlaub, Verwandtenbesuche, Erledigung von Geschäftsangelegenheiten, Heilbehandlungen, zeitlich feststehende Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- bzw. Montageaufenthalte. Da Herr L. bereits seit 1999 im Bundesgebiet lebe und einen Wohnsitz in Deutschland habe, sei er nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
15Der Kläger hat dagegen am 18. September 2012 Klage erhoben.
16Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor:
17§ 27 Abs. 3 BVFG a. F. sei dahingehend auszulegen, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abgesehen werden könne, wenn diese Verpflichtung ihrerseits zu einer unzumutbaren Härte führen würde. Eine solche Härte sei hier gegeben. Es bestehe seit der Einreise des Herrn L. nach Deutschland im Jahre 1999 eine Beistandsgemeinschaft zwischen ihm und seinen Familienangehörigen, die mit Blick auf Art. 6 GG nicht auseinandergerissen werden dürfe. Die Situation stelle für ihn, den Kläger, und die gesamte Familie eine starke emotionale Belastung dar. Bleibe es bei der Ablehnung des Antrags auf Einbeziehung, sei Herr L. das einzige Familienmitglied, das – unter Bedrohung von Leben und Gesundheit – isoliert im Herkunftsgebiet sein Dasein fristen müsste.
18Unabhängig davon sei Herr L. durchaus gemäß § 27 Abs. 3 BVFG a. F. im Aussiedlungsgebiet verblieben. Er halte sich im Bundesgebiet nur geduldet auf. Die rechtliche Möglichkeit, einen Wohnsitz tatsächlich zu begründen, werde ihm verwehrt.
19Der Kläger reicht ein Zertifikat der Kreisvolkshochschule Vorpommern-Rügen vom 21. Januar 2014 ein, wonach Herr L. die Prüfung „Deutsch A1“ am 14. Januar 2014 mit „gut“ bestanden hat. Wegen der Einzelheiten des Zertifikats wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
20Der Kläger rügt, die Beklagte habe über Einbeziehungsanträge des Herrn L. aus den Jahren 1996 und 2000 noch nicht abschließend entschieden. Er erklärt, der Einbeziehungsantrag im vorliegenden Verfahren solle auch unter dem Gesichtspunkt des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG n. F.) geprüft werden.
21Der Kläger beantragt,
22die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2012 zu verpflichten, seinen Enkel, Herrn W. L. , nachträglich in seinen Aufnahmebescheid einzubeziehen,
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Herr L. sei nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben. Der Begründung des Wohnsitzes in Deutschland stehe nach der Rechtsprechung des OVG NRW (zitiert wird das Urteil vom 30. August 2012 – 11 A 2558/11) nicht der Umstand entgegen, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhänge. Würden diese nicht erteilt oder verlängert, führe dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließe aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich bestehe, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen und damit die Begründung des Wohnsitzes nicht aus. Neben der tatsächlichen Aufgabe der Niederlassung verlange die Aufhebung des Wohnsitzes einen Willensakt, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht am bisherigen Wohnsitz zu belassen. Dieser Aufgabewille sei anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln und könne häufig aus der Tatsache hergeleitet werden, dass die bisherige Niederlassung für lange Dauer verlassen und ein neuer Wohnsitz begründet worden sei. Gemessen daran habe Herr L. das Aussiedlungsgebiet unter Aufgabe seines Wohnsitzes im März 1999 endgültig verlassen. Dafür spreche insbesondere, dass er im Herkunftsgebiet keine familiären Bindungen mehr besitze und in seinem Einbeziehungsantrag vom 23. August 2000 angegeben habe, die Bundesrepublik nicht wieder verlassen zu wollen.
26Im Übrigen fehle es an der für die Einbeziehung erforderlichen (besonderen) Härte. Es sei insbesondere nicht erkennbar, dass es dem Kläger nicht möglich gewesen sei, bis Anfang 1999 im Herkunftsgebiet zu verbleiben und abzuwarten, bis Herr L. die für die Einbeziehungsentscheidung erforderlichen Unterlagen zusammengestellt habe.
27Die 2. Kammer hat den von dem Kläger gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 12. Dezember 2012 abgelehnt. Das OVG NRW hat diesen Beschluss auf die Beschwerde des Klägers geändert und dem Kläger mit Beschluss vom 17. April 2013 (Az.: 11 E 37/13 – juris) Prozesskostenhilfe bewilligt. Es hat die Frage als klärungsbedürftig angesehen, ob und inwieweit das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. zu prüfen ist. Wegen der Einzelheiten der PKH-Beschlüsse wird auf Blatt 30-32 und Blatt 65-66 der Gerichtsakte verwiesen.
28Entscheidungsgründe:
29Die Klage ist unbegründet.
30Die Ablehnung des Antrags auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in den Aufnahmebescheid des Klägers ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
31Der Kläger hat keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.).
32Danach kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
33Herr L. ist nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Er hält sich seit März 1999 ununterbrochen in Deutschland auf, will hier bleiben und hat nach eigenen Angaben im Aussiedlungsgebiet keine familiären Beziehungen.
34Soweit der Kläger demgegenüber geltend macht, Herr L. sei durchaus im Aussiedlungsgebiet verblieben, da er sich hier nur geduldet aufhalte und ihm die Möglichkeit, einen Wohnsitz zu begründen, verwehrt werde, teilt das Gericht diese Einschätzung nicht. Der Begründung eines Wohnsitzes steht nicht der Umstand entgegen, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen nicht aus.
35Vgl. OVG NRW, Urt. vom 30. August 2012 – 11 A 2558/11 – juris Rdnr. 46 m. w. N.; Beschl. vom 16. Juli 2013 – 11 A 2624/12 – nicht veröffentlicht.
36Auch das OVG NRW ist in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 davon ausgegangen, dass Herr L. nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist.
37Der Kläger dringt mit seinem Einwand nicht durch, § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.) sei dahingehend auszulegen, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abgesehen werden könne, wenn diese Verpflichtung ihrerseits zu einer unzumutbaren Härte führen würde.
38Die vom OVG NRW in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 aufgeworfene Frage, ob und inwieweit das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG) auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG) zu prüfen ist, ist nach Ansicht der Kammer zu verneinen.
39Die vom OVG NRW erwogene Prüfung ist im Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht angelegt. Dort ist nicht – etwa in Gestalt eines zweiten Halbsatzes – davon die Rede, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abzusehen ist oder abgesehen werden kann, wenn diese Verpflichtung eine besondere Härte bedeuten würde.
40Die systematische Auslegung der Norm spricht ebenfalls dagegen, eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG auch im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG zu berücksichtigen. Das Gesetz differenziert ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung – bei vor der Ausreise gestelltem Aufnahmeantrag – (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG). Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die ausschließlich in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erwähnte, auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung bezogene „besondere Härte“ – systemwidrig – in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG hineingelesen würde. Soweit das OVG NRW in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 ausgeführt hat, ein – indirekter – Hinweis auf die Berücksichtigung einer besonderen Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F. finde sich in § 27 Abs. 3 Satz 3 BVFG a. F., der ausdrücklich (auch) unanfechtbar abgeschlossene Einbeziehungsverfahren nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. benenne, ist dieser Überlegung durch das Inkrafttreten des Zehnten Gesetzes zur Änderung des BVFG die Grundlage entzogen. Denn seit der Gesetzesänderung ist das Wiederaufgreifensverfahren in Hinsicht auf sämtliche Aufnahme- bzw. Einbeziehungstatbestände separat in § 27 Abs. 3 BVFG geregelt.
41Die entstehungsgeschichtliche bzw. teleologische Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG führt zu keinem von dem zuvor Gesagten abweichenden Ergebnis. Sie bestätigt eher die vorherige Auslegung.
42Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Die gesetzliche Regelung ging zurück auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. April 2011 (BT-Drs. 17/5515). In dem Gesetzentwurf heißt es auf Seite 9:
43„Die Einbeziehung nach Absatz 1 soll die gemeinsame Aussiedlung der Familie ermöglichen und damit ein mögliches Ausreisehindernis für den Spätaussiedler beseitigen. Im Gegensatz hierzu erfolgt die nachträgliche Einbeziehung nach Absatz 3 ausnahmsweise nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers. Hierdurch soll in Härtefällen eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden. Die Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, besteht weiterhin. Von der Verpflichtung, die Erteilung des Aufnahmebescheides bzw. die Einbeziehung im Herkunftsgebiet abzuwarten, macht nur Absatz 2 im Fall einer besonderen Härte eine Ausnahme. Hierbei handelt es sich um den in der Praxis seltenen Fall, dass die Beachtung der Regelungen des Aufnahmeverfahrens zu einem in hohem Maße unbilligen Ergebnis führen würde.“
44Aus den beiden zuletzt zitierten Sätzen lässt sich nicht mit der notwendigen Sicherheit Schluss ziehen, die in § 27 Abs. 2 BVFG a. F. genannte „besondere Härte“ habe nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. Berücksichtigung finden sollen. Wäre dies gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in der Gesetzesbegründung bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Die Gesetzesbegründung befasst sich in der Folge lediglich relativ ausführlich mit den „sonstigen Voraussetzungen“ und der „(einfachen) Härte“ im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F.
45Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung eine Möglichkeit schaffen wollen, auch diejenigen Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehung zu erfassen, die – wie Herr L. – ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen haben und hier weder vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden noch ausländerrechtlich einen gesicherten Aufenthalt erlangt haben, spricht, dass er im Gesetzgebungsverfahren dem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion nicht entsprochen hat.
46Vgl. zu dem Antrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4 f.; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
47Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist von der Gesetzesänderung indes nicht betroffen gewesen. Den Gesetzesmaterialien,
48vgl. insbesondere den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 22. August 2012, Drs. 17/10511, und die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 12. Juni 2013, Drs. 17/13937,
49lässt sich nichts Substantielles dafür entnehmen, dass die jetzt in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG angesprochene besondere Härte im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG Berücksichtigung finden soll.
50Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.)
51Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
52Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls an einer besonderen Härte. Der Kläger trägt, was die Beklagte zutreffend rügt, nichts dazu vor, dass es ihm nicht möglich war, bis Anfang 1999 im Aussiedlungsgebiet zu verbleiben und abzuwarten, bis Herr. L. die für die Einbeziehungsentscheidung erforderlichen Unterlagen zusammengestellt hatte. Soweit der Kläger geltend macht, es bestehe seit der Einreise des Herrn L. nach Deutschland eine Beistandsgemeinschaft zwischen ihm und seinen Familienangehörigen, die mit Blick auf Art. 6 GG nicht auseinandergerissen werden dürfe, stellt dies keine besondere Härte im vertriebenenrechtlichen Sinne dar. Diesem Umstand mag allenfalls ausländerrechtlich durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen oder einer Duldung Rechnung getragen werden.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt die Einbeziehung ihres Sohnes B. O. in ihren Aufnahmebescheid.
3Die 1953 geborene Klägerin beantragte am 20.08.2003 beim Bundesverwaltungsamt (BVA) die Erteilung eines Aufnahmebescheides. Zugleich beantragte sie die Einbeziehung ihres Ehemannes W. O. (geb. 1952) sowie ihrer Söhne B. (geb. 1986) und W. O. (geb. 1991). Ebenfalls beantragt wurde die Einbeziehung der Tochter der Klägerin, U. C. , und deren Ehemann und beiden Töchter.
4Unter dem 25.09.2006 erteilte das BVA den Aufnahmebescheid der Klägerin. Eine Einbeziehung des Ehemannes und der Söhne erfolgte nicht, da diese den Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache noch nicht erbracht hatten. In dem dazugehörigen Anschreiben wurde der Klägerin mitgeteilt, dass – solange sie noch nicht nach Deutschland ausgesiedelt sei – dieser Nachweis durch Vorlage des Zertifikates „Start Deutsch 1“ des Goethe-Instituts erbracht werden könne. Zusätzlich wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Einbeziehung nur möglich sei, solange sie noch nicht nach Deutschland ausgesiedelt sei. Den gleichen Hinweis enthielt das Übersendungsschreiben an den Sohn der Klägerin, H. O. , der bereits in Deutschland lebte und als Bevollmächtigter für das Aufnahmeverfahren benannt worden war.
5Im Juni 2007 reiste die Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland ein. Gegenüber dem BVA gab sie am 08.06.2007 zu Protokoll, dass sie sich entschlossen habe, bereits jetzt nach Deutschland überzusiedeln. Ihr russischer Ehemann und ihr Sohn W. würden im Rahmen der Familienzusammenführung als Ausländer nachreisen. Ihr Sohn B. und ihre Tochter U. würden zuerst in Russland bleiben wollen. Eine weitere Tochter, O1. , habe bis heute keinen Antrag gestellt. Von der Möglichkeit, ins Aussiedlungsgebiet zurück zu fahren, um dort das Einbeziehungsverfahren abzuwarten, wolle die Klägerin keinen Gebrauch machen. Sie sei darüber aufgeklärt worden, dass bei dieser Sach- und Rechtslage eine Einbeziehung von Abkömmlingen nicht mehr möglich sei.
6Unter dem 13.06.2007 lehnte das BVA die Einbeziehung des Ehegatten und der Abkömmlinge der Klägerin sowie deren Familienangehörigen ab, da die Klägerin als Bezugsperson nicht mehr über den erforderlichen Wohnsitz im Herkunftsgebiet verfüge. Auch ein Härtefall sei nicht anzunehmen, da die Klägerin über die Folgen einer vorzeitigen Ausreise unterrichtet worden sei. Eine durch die Entscheidung der Bezugsperson selbst herbeigeführte Situation erfülle per se nicht das Kriterium der besonderen Härte.
7Die Klägerin legte keine Rechtmittel gegen diese ablehnende Entscheidung ein.
8Im Oktober 2010 wandte sich zunächst der bereits in Deutschland lebende Sohn der Klägerin, H. O. , im September 2011 der damalige Verfahrensbevollmächtigte an das BVA. Sie wiesen darauf hin, dass der einzubeziehende Sohn der Klägerin, B. O. inzwischen das erforderliche Zertifikat „Start Deutsch 1“ vorweise könne. Das BVA verwies in beiden Antworten auf die seinerzeit absehbare Gesetzesänderung, die eine nachträgliche Einbeziehung im Härtefall vorsehen würde. Möglicherweise könne der Sohn der Klägerin davon profitieren.
9Unter dem 09.11.2010 wandte sich die Klägerin im Wege der Petition an die Bundesregierung. In ihrer Begründung legte sie dar, dass ihr Sohn B. bei der Geburt ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten habe, welches Auswirkungen auf sein zentrales Nervensystem habe. Deswegen habe er keinen Schulabschluss erreichen können und sei vom Wehrdienst befreit worden. Zum Nachweis fügte sie eine „Zusammenfassung der Ärztegutachterkommission“ vom 14.09.2010 bei, die eine Pflegschaft und Vormundschaft durch die Eltern und Verwandten als Empfehlung vorsieht.
10Der Sohn der Klägerin, B. O. , reiste im zweiten Halbjahr des Jahres 2011 mit einem Besuchs-Visum in die Bundesrepublik ein und wohnt seitdem bei der Klägerin.
11Im Januar 2012 beantragte die Klägerin durch ihren damaligen Bevollmächtigten die nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes B. gemäß § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (im Folgenden: BVFG a.F.).
12Mit Bescheid vom 05.11.2012 lehnte das BVA den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung ab. Der Sohn B. sei kein im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling, da er bereits in Deutschland wohne. Außerdem sei der Sohn der Klägerin unter ihrer Anschrift gemeldet, so dass die Einbeziehung zur Aufhebung der räumlichen Trennung offensichtlich nicht erforderlich sei.
13Der unter dem 09.11.2012 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2013 zurückgewiesen. Zur Begründung verwies das BVA auf den Wohnsitz des Sohnes der Klägerin im Bundesgebiet. Außerdem fehle es an einer Härte im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a.F..
14Die Klägerin hat am 02.05.2013 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass ihr Sohn B. in Deutschland keinen dauerhaften Aufenthalt begründet habe. Er sei mit einem Besuchsvisum eingereist und werde nur wegen des Einbeziehungsverfahrens geduldet. Zudem lasse sich dem Gesetz entnehmen, dass bei Vorliegen einer besonderen Härte von der Verpflichtung, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abgesehen werden könne.Im Übrigen könne dem Sohn der Klägerin nicht entgegengehalten werden, dass er sich in der Stadt Korbach angemeldet habe. Hierzu sei er seitens der Ausländerbehörde aufgefordert worden. Es liege auch ein Härtefall vor. Angesichts des Gesundheitszustandes des Sohnes der Klägerin hätte die Klägerin darauf hingewiesen werden müssen, dass für ihren Sohn ein Nachweis der Deutschkenntnisse entbehrlich gewesen sei. Außerdem bedürfe der Sohn der Klägerin einer Betreuung bei der Mutter und der weiteren Familie. Durch die häusliche Betreuung habe sich der Gesundheitszustand erheblich und wesentlich gebessert.
15Die Klägerin beantragt,
16die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des BVA vom 05.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2013 zu verpflichten, den Abkömmling der Klägerin, Herrn B. O. , geb. am 00.00.1986, in den Aufnahmebescheid der Klägerin nachträglich einzubeziehen;
17hilfsweise
18die Beklagte unter Aufhebung der vorgenannten Bescheide zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen die Gründe der ablehnenden Bescheide. Ergänzend führt sie aus, dass gegenüber der Klägerin keine Aufklärungspflichten verletzt worden seien. Die Erkrankung ihres Sohnes habe die Klägerin erstmals im Rahmen der Petition im Oktober 2010 erwähnt.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe
24Die zulässige Klage ist nicht begründet.
25Die Ablehnung des Antrags auf nachträgliche Einbeziehung des B. O. in den Aufnahmebescheid der Klägerin ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26Die Klägerin hat keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes B. in ihren Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a.F.).
27Nach dieser Vorschrift kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
28Daran fehlt es vorliegend. Der Sohn der Klägerin, B. O. , ist nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Er hält sich seit der zweiten Jahreshälfte 2011 ununterbrochen in Deutschland auf, will hier bleiben und verfügt nach Angaben der Klägerin im Herkunftsgebiet weder über Unterkunft noch über Versorgungsmöglichkeiten. Er lebt bei der Klägerin, ist dort gemeldet und erfährt dort „häusliche Betreuung“. Er hat mithin an seinem jetzigen Wohnort seinen Wohnsitz begründet. Der Annahme, dass er nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist, steht nicht entgegen, dass der Kläger zunächst mit einem Besuchsvisum eingereist ist und nach dessen Ablauf lediglich geduldet wird, sein dauernder Aufenthalt somit von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen nicht aus.
29Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.08.2012 – 11 A 2558/11 –, Juris Rn. 46 m.w.N.
30Soweit die Klägerin meint, im vorliegenden Fall könne von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, ausnahmsweise wegen Vorliegens einer (besonderen) Härte abgesehen werden, ist dem nicht zu folgen. Eine solche Berücksichtigung einer besonderen Härte sieht das Gesetz – anders als im Falle des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG – in den Fällen der nachträglichen Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht vor.
31Gegen die Anwendung der Härtefallregelung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG spricht bereits die Systematik der Vorschriften über die Einbeziehung. Das Gesetz differenziert ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung – bei vor der Ausreise gestelltem Aufnahmeantrag – (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG). Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die ausschließlich in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erwähnte, auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung bezogene „besondere Härte“ – systemwidrig – in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG hineingelesen würde.
32Auch die Entstehungsgeschichte der Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG rechtfertigt nicht die Berücksichtigung einer besonderen Härte bei der nachträglichen Einbeziehung. Der Gesetzgeber hat den Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Die gesetzliche Regelung ging zurück auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. April 2011 (BT-Drs. 17/5515). In dem Gesetzentwurf heißt es auf Seite 9:
33„Die Einbeziehung nach Absatz 1 soll die gemeinsame Aussiedlung der Familie ermöglichen und damit ein mögliches Ausreisehindernis für den Spätaussiedler beseitigen. Im Gegensatz hierzu erfolgt die nachträgliche Einbeziehung nach Absatz 3 ausnahmsweise nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers. Hierdurch soll in Härtefällen eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden. Die Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, besteht weiterhin. Von der Verpflichtung, die Erteilung des Aufnahmebescheides bzw. die Einbeziehung im Herkunftsgebiet abzuwarten, macht nur Absatz 2 im Fall einer besonderen Härte eine Ausnahme. Hierbei handelt es sich um den in der Praxis seltenen Fall, dass die Beachtung der Regelungen des Aufnahmeverfahrens zu einem in hohem Maße unbilligen Ergebnis führen würde.“
34Aus den beiden zuletzt zitierten Sätzen lässt sich nicht mit der notwendigen Sicherheit Schluss ziehen, die in § 27 Abs. 2 BVFG a.F. genannte „besondere Härte“ habe nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a.F. Berücksichtigung finden sollen. Wäre dies gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in der Gesetzesbegründung bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber.
35Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung eine Möglichkeit schaffen wollen, auch diejenigen Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehung zu erfassen, die – wie der hier einzubeziehende Sohn der Klägerin – ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen haben und hier weder vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden noch ausländerrechtlich einen gesicherten Aufenthalt erlangt haben, spricht, dass er im Gesetzgebungsverfahren dem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a.F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion nicht entsprochen hat.
36Vgl. zu dem Antrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4 f.; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
37Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist von der Gesetzesänderung indes nicht betroffen gewesen. Den Gesetzesmaterialien,
38vgl. insbesondere den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 22. August 2012, Drs. 17/10511, und die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 12. Juni 2013, Drs. 17/13937,
39lässt sich nichts Substantielles dafür entnehmen, dass die jetzt in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG angesprochene besondere Härte im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG Berücksichtigung finden soll.
40Vgl. zum Ganzen: VG Köln, Urteile vom 05.02.2014 – 10 K 5417/12 – und – 10 K 6881/12 –.
41Die Klägerin hat schließlich keinen Anspruch auf Einbeziehung ihres Sohnes B. in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a.F.).
42Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
43Vorliegend ist bereits zu berücksichtigen, dass der in formeller Hinsicht erforderliche, vor der Ausreise der Bezugsperson von ihr gestellte Einbeziehungsantrag nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F.),
44vgl. zu dieser weiterhin geltenden Voraussetzung VG Köln, Urteil vom 05.02.2014 – 10 K 6881/12 – mit ausführlicher Begründung und w.N.,
45bereits bestandskräftig mit Bescheid vom 13.06.2007 abgelehnt worden ist.
46Darüber hinaus fehlt es an einer besonderen Härte. Die Klägerin trägt, was die Beklagte zutreffend rügt, nichts dazu vor, dass es ihr nicht möglich war, bis zum Abschluss des Einbeziehungsverfahrens im Aussiedlungsgebiet zu verbleiben und abzuwarten, bis ihr Sohn B. die erforderlichen Deutschkenntnisse nachweise konnte. Hinzu kommt, dass die Klägerin mehrfach auf die Folgen ihrer Ausreise vor Abschluss des Einbeziehungsverfahrens hingewiesen worden ist. Stichhaltige Gründe für diesen Schritt hat die Klägerin bis zuletzt nicht vorgetragen.
47Soweit die Klägerin geltend macht, ihr Sohn B. bedürfe der Betreuung durch sie und die weitere Familie, stellt dies keine besondere Härte im vertriebenenrechtlichen Sinne dar. Diesem Umstand mag allenfalls ausländerrechtlich durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen oder einer Duldung Rechnung getragen werden.
48Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
31. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Gesetzes sind gegeben, wenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 ‑ 7 AV 1.02 ‑, Buchholz 310 § 124b VwGO Nr. 1.
5Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung seines Enkels W. L. (im Folgenden: Enkel) in seinen Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG oder § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG hat. Ernstliche Zweifel daran zeigt die Antragsbegründung nicht auf.
6Das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Einbeziehung seines Enkels in seinen Aufnahmebescheid ist nach der zum Entscheidungszeitpunkt des Senats geltenden Rechtslage zu beurteilen.
7Vgl. speziell zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt für den Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härteweg BVerwG, Urteil vom 22. April 2004 ‑ 5 C 27.02 ‑, Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 11; ferner ausführlich OVG NRW, Urteil vom 12. Mai 2014 ‑ 11 A 802/13 ‑, juris.
8Prüfungsmaßstab ist damit § 27 BVFG in der am 14. September 2013 in Kraft getretenen Fassung des Zehnten BVFG-Änderungsgesetzes (BGBl. I S. 3554).
9a) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass eine Einbeziehung des Enkels des Klägers in seinen Aufnahmebescheid gemäߠ § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht möglich ist. Nach dieser Vorschrift kann abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG ‑ insbesondere ohne Vorliegen eines Härtefalles ‑ der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundesvertriebenengesetzes hat, nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
10Die vorliegende Fallgestaltung wird von § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht erfasst, weil der Enkel des Klägers nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist, sondern seit März 1999 in Deutschland lebt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ nicht so zu verstehen, dass die einzubeziehende Person nur im Zeitpunkt der Aussiedlung der Bezugsperson im Aussiedlungsgebiet verblieben sein muss. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbeziehungsantrag vorliegen. Wer sich zu diesem Zeitpunkt (bereits) in Deutschland aufhält, ist nicht (mehr) „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Die vom Kläger vertretene Auslegung ist daher bereits im Wortlaut nicht angelegt. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausdrücklich hervorgehoben, dass „Trennungen der Familien … beseitigt werden“ sollen.
11Vgl. BT-Drs. 17/13937, S. 12.
12Eine derartige Trennung liegt hier nicht vor, weil der Enkel des Klägers sich seit über 15 Jahren in Deutschland aufhält. Inwieweit sein Aufenthalt rechtlich abgesichert ist, ist im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ohne Bedeutung. Eine fehlende rechtliche Absicherung des Aufenthalts des Enkels in Deutschland bedeutet nicht, dass er „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist. Aufgrund seines langjährigen Aufenthalts und seines auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillens hat er seinen Wohnsitz in Deutschland, obwohl sein Aufenthalt hier derzeit nicht auf Dauer rechtlich gesichert ist.
13Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 30. April 2012 ‑ 11 A 2558/11 ‑, juris.
14Für die vom Kläger in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung, der Gesetzgeber habe die Familie nicht nur als „physische Einheit“, sondern auch als „rechtliche Einheit“ zusammenführen wollen, ergibt sich aus dem Gesetz kein Anhaltspunkt.
15Die vom Senat im
16Beschluss vom 17. April 2013 ‑ 11 E 37/13 ‑, juris,
17angestellte Überlegung, im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des Neunten BVFG-Änderungsgesetzes sei insbesondere wegen der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 77/5515, S. 7) möglicherweise eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG in der Fassung des Neunten BVFG-Änderungsgesetzes zu berücksichtigen, ist durch die Neufassung und Änderung der bisher in § 27 Abs. 3 BVFG enthaltenen Regelung in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG durch das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz überholt.
18b) Ein Anspruch des Klägers auf nachträgliche Einbeziehung seines Enkels gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG scheitert daran, dass sich der Enkel seit 1999 im Bundesgebiet aufhält und der Antrag des Klägers auf nachträgliche Einbeziehung erst 13 Jahre später, nämlich am 22. März 2012, gestellt worden ist.
19Zwar enthält § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (ebenso wenig wie § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.) keine Frist für die Stellung eines Härtefallantrags. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F. (jetzt wortgleich § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG) gefolgert, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland und der Stellung eines Härtefallantrags bestehen muss.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248.
21Nach § 26 BVFG könne nur Personen, die bereits beim Verlassen der Aussiedlungsgebiete Spätaussiedler sein wollen, einen Aufnahmebescheid erhalten. Dieser Spätaussiedlerwille ist zwingende Tatbestandsvoraussetzung für den Erhalt des Aufnahmebescheides.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248 (251 f.).
23Die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG betreffend den Härtefallantrag eines Spätaussiedlers beansprucht für einen Härtefallantrag auf Einbeziehung des Ehegatten oder der Abkömmlinge entsprechende Geltung. Dem Spätaussiedler können hinsichtlich seines Antrags auf Einbeziehung seiner Familienangehörigen nicht weiter reichende Rechte zustehen als hinsichtlich seines Antrags auf eigene Aufnahme. Das Bundesverwaltungsgericht hat aus der Systematik des Bundesvertriebenengesetzes hergeleitet, dass Personen, die aus den Aussiedlungsgebieten ausreisen, ohne zuvor ein Aufnahmeverfahren durchgeführt zu haben, nur dann einen Aufnahmebescheid erhalten können, wenn sie bereits beim Verlassen der Aussiedlungsgebiete Spätaussiedler sein wollen und diesen Willen zeitnah zur Übersiedlung nach außen hin betätigt haben.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248 (251 f.).
25Ist aber der Spätaussiedlerwille im Falle des Härtefallantrags auf Erteilung eines eigenen Aufnahmebescheids zwingende Tatbestandsvoraussetzung, kann für den Härtefallantrag auf Einbeziehung des Ehegatten oder der Abkömmlinge in einen Aufnahmebescheid nichts anderes gelten.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2014 ‑ 11 A 926/14 ‑, juris.
27Denn die Einbeziehung soll ein potenzielles Aussiedlungshindernis für den Spätaussiedler zu dessen Gunsten ausräumen; die einzubeziehenden Personen haben insoweit keinen eigenen Anspruch.
28So die Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz), BR-Drs. 22/03 vom 16. Januar 2003, S. 291.
29Der Kläger kann diese zwingende Tatbestandsvoraussetzung in Bezug auf die Einbeziehung seines Enkels nicht mehr erfüllen. Denn sein (heutiger) Spätaussiedlerwille kann sich nicht mehr darauf beziehen, dass sein Enkel die Aussiedlungsgebiete als Einzubeziehender verlässt und zum Zwecke der Herstellung der Einheit der Familie ins Bundesgebiet einreist, weil er sich bereits seit März 1999 in Deutschland aufhält.
30c) Ein in der Zulassungsbegründung erstmals behaupteter bis heute unbeschiedener Einbeziehungsantrag seines Enkels aus dem vor der Übersiedlung des Klägers geführten Aufnahmeverfahren ist nicht Gegenstand des vorliegenden (nur) vom Kläger geführten Verfahrens. Nach der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Rechtslage konnten Einbeziehungsanträge nicht von der Bezugsperson, sondern nur von der einzubeziehenden Person gestellt werden.
31Vgl. z. B. OVG NRW, Urteil vom 8. Dezember 1999 ‑ 2 A 5680/98 ‑, juris, Rdnr. 22.
32Unabhängig davon legt der Kläger nicht hinreichend dar, dass ein solcher Antrag noch anhängig ist. Hierfür reicht der Hinweis auf den Tatbestand des Urteils des Verwaltungsgerichts Minden vom 25. Mai 2007 ‑ 5 K 1888/06 ‑ nicht aus. Aus diesem Tatbestand ergibt sich nicht, dass der Enkel bereits vor 1996 selbst einen Einbeziehungsantrag gestellt und gerade diesen Antrag weiterverfolgt hat, nachdem er in den Aufnahmebescheid des Klägers vom 10. September 1996 nicht einbezogen worden war. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht Minden im genannten Urteil zu Beginn der Entscheidungsgründe ausgeführt, die Klage des Enkels sei unzulässig, soweit er seine nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid seines Großvaters ‑ des Klägers ‑ begehre.
332. Daraus folgt gleichzeitig, dass die Rechtssache keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.
343. Die Sache hat auch nicht die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die vom Kläger formulierte Frage,
35„ob sich das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ tatsächlich darauf bezieht, dass der einzubeziehende Familienangehörige durchgängig im Herkunftsgebiet verblieben sein muss und ob der Wohnsitz tatsächlich noch im Zeitpunkt der Antragstellung der nachträglichen Einbeziehung bestanden haben muss oder ob sich das „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ nicht auf den Zeitpunkt der Aussiedlung der Bezugsperson bezieht,“
36lässt sich jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung, in der sich der einzubeziehende Familienangehörige bereits seit über 15 Jahren ununterbrochen in Deutschland aufhält ‑ wie unter 1. dargelegt ‑ ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
37Die weitere Frage,
38„ob der Gesetzgeber die „Einheit der Familie“ nur als physische Einheit bzw. Zusammenführung gemeint hat oder auch als rechtliche Einheit“,
39ist nach den Ausführungen unter 1. ohne Weiteres zu verneinen. Die vom Kläger hier angestellten Vermutungen zu Überlegungen des Gesetzgebers sind im Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in keiner Weise angelegt.
40Soweit der Kläger auch im Zusammenhang mit einer seinen Enkel betreffenden „Härtefallsituation“ aufgrund gesundheitlicher Beschwerden auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verweist, formuliert er keine über den Einzelfall hinausgehende klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
42Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
43Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
44Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.0000 geborene Kläger begehrt die nachträgliche Einbeziehung seines Enkels, des am 00.00.0000 geborenen Herrn W. L. (nunmehr: L.), in seinen Aufnahmebescheid.
3Die Beklagte erteilte dem aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Kläger unter dem 10. September 1996 einen Aufnahmebescheid. Sie bezog mit Einbeziehungsbescheid vom selben Tage die Tochter des Klägers (Mutter des Herrn L.) und sieben Enkel des Klägers (Kinder der Tochter, Geschwister des Herrn L.) in den Aufnahmebescheid ein. In dem Einbeziehungsbegehren war ursprünglich auch Herr L. aufgeführt. Für ihn wurden jedoch trotz Erinnerung keine Personenstandsurkunden vorgelegt, so dass der Einbeziehungsbescheid ausdrücklich nicht unter seiner Einbeziehung erging. Der Kläger und seine Familie reisten Ende 1996 in die Bundesrepublik ein.
4Herr L. reiste im März 1999 mit einem Besuchsvisum nach. Er stellte am 6. April 2000 einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 4. Februar 2002 bestandskräftig ablehnte.
5Mit Schreiben vom 23. August 2000, der Beklagten erst im Jahre 2002 zugegangen, stellte Herr L. einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers. Zur Begründung führte er an: Er habe 1996 nicht mit seiner Familie ausreisen können, da er seinerzeit nicht über Papiere verfügt habe. Der fehlende Besitz der Papiere sei darauf zurückzuführen, dass er im Dezember 1991 aufgrund von schweren Misshandlungen von der sowjetischen Armee desertiert sei. Diese habe sein Armeebuch und seinen Inlandspass einbehalten. Er habe die Dokumente erst im Jahre 1998 gegen Zahlung eines Betrages von 800 DM durch seine Großmutter zurückbekommen. Nachdem er seinen Reisepass erhalten habe, habe ihm die Mafia aufgelauert, ihn zusammengeschlagen, ihm seine Papiere abgenommen, ihn auf einen Friedhof verschleppt und gedroht, ihn zu töten, falls er an sie nicht einen Betrag von 2.000 DM entrichte. Seine Mutter habe ihm das Geld von Deutschland aus geschickt, woraufhin er es der Mafia gezahlt habe. Er habe sodann erneut einen Reisepass beantragt und erhalten und sei im März 1999 mit einem Besuchsvisum nach Deutschland gereist. Er habe einen Asylantrag gestellt, um die Bundesrepublik nicht verlassen zu müssen. Seine gesamte Familie lebe hier und besitze die deutsche Staatsangehörigkeit. Er habe während seines Aufenthalts starke Herzprobleme und psychische Probleme bekommen, so dass er sich in psychiatrischer Behandlung befinde. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Beiakte 2, Blatt 17 ff. verwiesen.
6Unter dem 20. Januar 2003 stellte Herr L. bei der Beklagten einen Antrag auf Aufnahme nach dem BVFG. Im Rahmen der Antragstellung gab er u. a. an, Deutschunterricht in der Schule erhalten zu haben, fast alles in deutscher Sprache zu verstehen, ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen und Deutsch schreiben zu können.
7Die Beklagte lehnte den Aufnahmeantrag des Herrn L. mit Bescheid vom 20. Januar 2006 ab. Zur Begründung führte sie an, Herr L. habe sich nicht bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt.
8Mit Schreiben vom selben Tage teilte die Beklagte Herrn L. zugleich mit, eine Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers sei nicht möglich, da nach der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Rechtslage ein wirksamer Einbeziehungsantrag nicht vorliege. Der Antrag auf Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers hätte aber auch nach der alten Rechtslage abgelehnt werden müssen, da der Kläger bereits im November 1996 Aufnahme im Bundesgebiet gefunden habe. Herr L. möge mitteilen, wenn er im Hinblick auf seinen Einbeziehungsantrag einen rechtsmittelfähigen Bescheid wünsche.
9Herr L. legte gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines Aufnahmebescheides am 7. März 2006 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2006 zurückwies. Zur Begründung führte sie ergänzend an, die Versagung des Aufnahmebescheides stelle keine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) dar.
10Herr L. erhob dagegen vor dem Verwaltungsgericht Minden am 22. Mai 2006 Klage (Az.: 5 K 1888/06), die das Gericht mit Urteil vom 25. Mai 2007 rechtskräftig abwies. In den Entscheidungsgründen heißt es u. a.: Die Klage sei unzulässig, soweit Herr L. die nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers begehre. Herrn L. fehle insoweit die Klagebefugnis, da ein Anspruch auf Einbeziehung seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 1. Januar 2005 nur noch von der Bezugsperson, nicht hingegen von dem Einzubeziehenden geltend gemacht werden könne. Herr L. habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides. Eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) liege nicht vor. Unabhängig davon habe Herr L. sich auch nicht durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Beiakte 2, Blatt 156 ff. verwiesen.
11Der Kläger beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 21. März 2012 die nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (nunmehr: BVFG a. F.). Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen das Vorbringen des Herrn L. aus dem von ihm betriebenen Aufnahmeverfahren. Er reichte eine ärztliche Bescheinigung über gesundheitliche Einschränkungen seiner Tochter, der Mutter des Herrn L., ein, in der es u. a. heißt, „die Ausweisung eines Kindes wäre sicherlich eine starke emotionale Belastung für die Patientin.“ Wegen der Einzelheiten der Bescheinigung wird auf Beiakte 1, Blatt 12 verwiesen.
12Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 9. Juli 2012 ab. Zur Begründung führte sie an: Herr L. sei kein gemäß § 27 Abs. 3 BVFG a. F. im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling. Er sei bereits im März 1999 in die Bundesrepublik eingereist. Seit dieser Zeit halte er sich ununterbrochen in Deutschland auf und werde von der Ausländerbehörde der Stadt Rostock geduldet. Auch eine Härte im Sinne der Vorschrift sei nicht gegeben. Da Herr L. bereits im Bundesgebiet lebe, sei eine Einbeziehung zur Aufhebung der räumlichen Trennung nicht erforderlich.
13Der Kläger erhob dagegen am 26. Juli 2012 Widerspruch und begründete diesen wie folgt: Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ beziehe sich auf den Zeitpunkt der Aussiedlung. Zu diesem Zeitpunkt habe Herr L. seinen Wohnsitz noch im Aussiedlungsgebiet gehabt. Eine Härte sei gegeben. Herr L. sei unmittelbar von Abschiebung bedroht. Da er das Aussiedlungsgebiet als Deserteur verlassen habe, sei eine Wiederbegründung des Wohnsitzes nicht möglich bzw. zumutbar.
14Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2012 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend an: „Im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sei nur eine Person, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ohne Unterbrechung im Aussiedlungsgebiet habe. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen seien daher Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder einem Drittstaat begründet hätten. Unschädlich seien nur Aufenthalte im Bundesgebiet oder einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt sei, wie Urlaub, Verwandtenbesuche, Erledigung von Geschäftsangelegenheiten, Heilbehandlungen, zeitlich feststehende Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- bzw. Montageaufenthalte. Da Herr L. bereits seit 1999 im Bundesgebiet lebe und einen Wohnsitz in Deutschland habe, sei er nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
15Der Kläger hat dagegen am 18. September 2012 Klage erhoben.
16Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor:
17§ 27 Abs. 3 BVFG a. F. sei dahingehend auszulegen, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abgesehen werden könne, wenn diese Verpflichtung ihrerseits zu einer unzumutbaren Härte führen würde. Eine solche Härte sei hier gegeben. Es bestehe seit der Einreise des Herrn L. nach Deutschland im Jahre 1999 eine Beistandsgemeinschaft zwischen ihm und seinen Familienangehörigen, die mit Blick auf Art. 6 GG nicht auseinandergerissen werden dürfe. Die Situation stelle für ihn, den Kläger, und die gesamte Familie eine starke emotionale Belastung dar. Bleibe es bei der Ablehnung des Antrags auf Einbeziehung, sei Herr L. das einzige Familienmitglied, das – unter Bedrohung von Leben und Gesundheit – isoliert im Herkunftsgebiet sein Dasein fristen müsste.
18Unabhängig davon sei Herr L. durchaus gemäß § 27 Abs. 3 BVFG a. F. im Aussiedlungsgebiet verblieben. Er halte sich im Bundesgebiet nur geduldet auf. Die rechtliche Möglichkeit, einen Wohnsitz tatsächlich zu begründen, werde ihm verwehrt.
19Der Kläger reicht ein Zertifikat der Kreisvolkshochschule Vorpommern-Rügen vom 21. Januar 2014 ein, wonach Herr L. die Prüfung „Deutsch A1“ am 14. Januar 2014 mit „gut“ bestanden hat. Wegen der Einzelheiten des Zertifikats wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
20Der Kläger rügt, die Beklagte habe über Einbeziehungsanträge des Herrn L. aus den Jahren 1996 und 2000 noch nicht abschließend entschieden. Er erklärt, der Einbeziehungsantrag im vorliegenden Verfahren solle auch unter dem Gesichtspunkt des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG n. F.) geprüft werden.
21Der Kläger beantragt,
22die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2012 zu verpflichten, seinen Enkel, Herrn W. L. , nachträglich in seinen Aufnahmebescheid einzubeziehen,
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Herr L. sei nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben. Der Begründung des Wohnsitzes in Deutschland stehe nach der Rechtsprechung des OVG NRW (zitiert wird das Urteil vom 30. August 2012 – 11 A 2558/11) nicht der Umstand entgegen, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhänge. Würden diese nicht erteilt oder verlängert, führe dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließe aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich bestehe, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen und damit die Begründung des Wohnsitzes nicht aus. Neben der tatsächlichen Aufgabe der Niederlassung verlange die Aufhebung des Wohnsitzes einen Willensakt, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht am bisherigen Wohnsitz zu belassen. Dieser Aufgabewille sei anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln und könne häufig aus der Tatsache hergeleitet werden, dass die bisherige Niederlassung für lange Dauer verlassen und ein neuer Wohnsitz begründet worden sei. Gemessen daran habe Herr L. das Aussiedlungsgebiet unter Aufgabe seines Wohnsitzes im März 1999 endgültig verlassen. Dafür spreche insbesondere, dass er im Herkunftsgebiet keine familiären Bindungen mehr besitze und in seinem Einbeziehungsantrag vom 23. August 2000 angegeben habe, die Bundesrepublik nicht wieder verlassen zu wollen.
26Im Übrigen fehle es an der für die Einbeziehung erforderlichen (besonderen) Härte. Es sei insbesondere nicht erkennbar, dass es dem Kläger nicht möglich gewesen sei, bis Anfang 1999 im Herkunftsgebiet zu verbleiben und abzuwarten, bis Herr L. die für die Einbeziehungsentscheidung erforderlichen Unterlagen zusammengestellt habe.
27Die 2. Kammer hat den von dem Kläger gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 12. Dezember 2012 abgelehnt. Das OVG NRW hat diesen Beschluss auf die Beschwerde des Klägers geändert und dem Kläger mit Beschluss vom 17. April 2013 (Az.: 11 E 37/13 – juris) Prozesskostenhilfe bewilligt. Es hat die Frage als klärungsbedürftig angesehen, ob und inwieweit das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. zu prüfen ist. Wegen der Einzelheiten der PKH-Beschlüsse wird auf Blatt 30-32 und Blatt 65-66 der Gerichtsakte verwiesen.
28Entscheidungsgründe:
29Die Klage ist unbegründet.
30Die Ablehnung des Antrags auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in den Aufnahmebescheid des Klägers ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
31Der Kläger hat keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.).
32Danach kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
33Herr L. ist nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Er hält sich seit März 1999 ununterbrochen in Deutschland auf, will hier bleiben und hat nach eigenen Angaben im Aussiedlungsgebiet keine familiären Beziehungen.
34Soweit der Kläger demgegenüber geltend macht, Herr L. sei durchaus im Aussiedlungsgebiet verblieben, da er sich hier nur geduldet aufhalte und ihm die Möglichkeit, einen Wohnsitz zu begründen, verwehrt werde, teilt das Gericht diese Einschätzung nicht. Der Begründung eines Wohnsitzes steht nicht der Umstand entgegen, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen nicht aus.
35Vgl. OVG NRW, Urt. vom 30. August 2012 – 11 A 2558/11 – juris Rdnr. 46 m. w. N.; Beschl. vom 16. Juli 2013 – 11 A 2624/12 – nicht veröffentlicht.
36Auch das OVG NRW ist in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 davon ausgegangen, dass Herr L. nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist.
37Der Kläger dringt mit seinem Einwand nicht durch, § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.) sei dahingehend auszulegen, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abgesehen werden könne, wenn diese Verpflichtung ihrerseits zu einer unzumutbaren Härte führen würde.
38Die vom OVG NRW in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 aufgeworfene Frage, ob und inwieweit das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG) auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG) zu prüfen ist, ist nach Ansicht der Kammer zu verneinen.
39Die vom OVG NRW erwogene Prüfung ist im Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht angelegt. Dort ist nicht – etwa in Gestalt eines zweiten Halbsatzes – davon die Rede, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abzusehen ist oder abgesehen werden kann, wenn diese Verpflichtung eine besondere Härte bedeuten würde.
40Die systematische Auslegung der Norm spricht ebenfalls dagegen, eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG auch im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG zu berücksichtigen. Das Gesetz differenziert ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung – bei vor der Ausreise gestelltem Aufnahmeantrag – (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG). Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die ausschließlich in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erwähnte, auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung bezogene „besondere Härte“ – systemwidrig – in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG hineingelesen würde. Soweit das OVG NRW in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 ausgeführt hat, ein – indirekter – Hinweis auf die Berücksichtigung einer besonderen Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F. finde sich in § 27 Abs. 3 Satz 3 BVFG a. F., der ausdrücklich (auch) unanfechtbar abgeschlossene Einbeziehungsverfahren nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. benenne, ist dieser Überlegung durch das Inkrafttreten des Zehnten Gesetzes zur Änderung des BVFG die Grundlage entzogen. Denn seit der Gesetzesänderung ist das Wiederaufgreifensverfahren in Hinsicht auf sämtliche Aufnahme- bzw. Einbeziehungstatbestände separat in § 27 Abs. 3 BVFG geregelt.
41Die entstehungsgeschichtliche bzw. teleologische Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG führt zu keinem von dem zuvor Gesagten abweichenden Ergebnis. Sie bestätigt eher die vorherige Auslegung.
42Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Die gesetzliche Regelung ging zurück auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. April 2011 (BT-Drs. 17/5515). In dem Gesetzentwurf heißt es auf Seite 9:
43„Die Einbeziehung nach Absatz 1 soll die gemeinsame Aussiedlung der Familie ermöglichen und damit ein mögliches Ausreisehindernis für den Spätaussiedler beseitigen. Im Gegensatz hierzu erfolgt die nachträgliche Einbeziehung nach Absatz 3 ausnahmsweise nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers. Hierdurch soll in Härtefällen eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden. Die Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, besteht weiterhin. Von der Verpflichtung, die Erteilung des Aufnahmebescheides bzw. die Einbeziehung im Herkunftsgebiet abzuwarten, macht nur Absatz 2 im Fall einer besonderen Härte eine Ausnahme. Hierbei handelt es sich um den in der Praxis seltenen Fall, dass die Beachtung der Regelungen des Aufnahmeverfahrens zu einem in hohem Maße unbilligen Ergebnis führen würde.“
44Aus den beiden zuletzt zitierten Sätzen lässt sich nicht mit der notwendigen Sicherheit Schluss ziehen, die in § 27 Abs. 2 BVFG a. F. genannte „besondere Härte“ habe nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. Berücksichtigung finden sollen. Wäre dies gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in der Gesetzesbegründung bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Die Gesetzesbegründung befasst sich in der Folge lediglich relativ ausführlich mit den „sonstigen Voraussetzungen“ und der „(einfachen) Härte“ im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F.
45Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung eine Möglichkeit schaffen wollen, auch diejenigen Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehung zu erfassen, die – wie Herr L. – ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen haben und hier weder vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden noch ausländerrechtlich einen gesicherten Aufenthalt erlangt haben, spricht, dass er im Gesetzgebungsverfahren dem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion nicht entsprochen hat.
46Vgl. zu dem Antrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4 f.; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
47Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist von der Gesetzesänderung indes nicht betroffen gewesen. Den Gesetzesmaterialien,
48vgl. insbesondere den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 22. August 2012, Drs. 17/10511, und die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 12. Juni 2013, Drs. 17/13937,
49lässt sich nichts Substantielles dafür entnehmen, dass die jetzt in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG angesprochene besondere Härte im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG Berücksichtigung finden soll.
50Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.)
51Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
52Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls an einer besonderen Härte. Der Kläger trägt, was die Beklagte zutreffend rügt, nichts dazu vor, dass es ihm nicht möglich war, bis Anfang 1999 im Aussiedlungsgebiet zu verbleiben und abzuwarten, bis Herr. L. die für die Einbeziehungsentscheidung erforderlichen Unterlagen zusammengestellt hatte. Soweit der Kläger geltend macht, es bestehe seit der Einreise des Herrn L. nach Deutschland eine Beistandsgemeinschaft zwischen ihm und seinen Familienangehörigen, die mit Blick auf Art. 6 GG nicht auseinandergerissen werden dürfe, stellt dies keine besondere Härte im vertriebenenrechtlichen Sinne dar. Diesem Umstand mag allenfalls ausländerrechtlich durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen oder einer Duldung Rechnung getragen werden.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Dem 1943 in der ehemaligen Sowjetunion geborene Kläger, der 1944 durch die Einwandererzentralstelle (EWZ) in den deutschen Staatsverband eingebürgert worden war, erhielt unter dem 07.01.1957 zusammen mit seiner Mutter und seinen Schwestern eine vertriebenenrechtliche Übernahmegenehmigung im sog. D 1 -Verfahren. Mit Schreiben vom 25.03.1999 teilte das Bundesverwaltungsamt auf Anfrage einer der in Deutschland lebenden Schwestern des Klägers mit: Die seinerzeit erteilte Übernahmegenehmigung habe weiter Bestand. Sie berechtige jedoch lediglich zur einmaligen Einreise nach Deutschland, um hier ein Verfahren zur Anerkennung als Spätaussiedler zu betreiben. Die Übernahmegenehmigung könne nicht nach § 100 Abs. 4 BVFG einem Aufnahmebescheid gleichgesetzt werden. Mit Schreiben vom 06.07.2001 teilte die deutsche Botschaft in Moskau dem Bundesverwaltungsamt mit: Der Kläger habe ein Visum beantragt. Es werde davon ausgegangen, dass seine Ehefrau erst später im Rahmen der Familienzusammenführung einreisen könne. Es werde um Genehmigung des beantragten Visums gebeten.
3Mit Antwortschreiben vom 17.07.2001 teilte das Bundesverwaltungsamt der Deutschen Botschaft mit: Die dem Kläger 1957 erteilte Übernahmegenehmigung sei nach wie vor gültig. Umstände, die der Erteilung eines Visums entgegen stünden, seien nicht bekannt. Über die Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen nach dem BVFG entschieden nach Einreise ausschließlich die örtlich zuständigen Behörden.
4Der Kläger reiste am 12.09.2001 nach Deutschland ein und erhielt am 14.09.2001 einen Registrierschein. Die Stadt Oelde erteilte ihm unter dem 06.02.2002 eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG. In einem Vermerk der Stadt Oelde vom 06.02.2002 (Bl. 48 der Beiakte 2) heißt es dazu: Der Kläger stamme laut der vorliegenden Übernahmegenehmigung von einer deutschen Mutter ab. In vorgelegten sowjetischen Dokumenten sei die deutsche Nationalität eingetragen. Die deutsche Sprache werde beherrscht; mit dem Kläger hätten seit seinem Zuzug nach Oelde die Gespräche in deutscher Sprache ohne Übersetzer geführt werden können.
5Die Ehefrau des Klägers reiste nach seinen Angaben 2003 nach Deutschland ein und hält sich seitdem hier auf.
6Mit Schreiben vom 28.09.2012 beantragte der Kläger bei dem Bundesverwaltungsamt die Erteilung eines Aufnahmebescheides zum Zwecke der Einbeziehung seiner Ehefrau. Der Kläger gab an: Die Ehe bestehe seit 1964. Als sie die Ausreise nach Deutschland geplant hätten, hätten die Eheleute bei der Deutschen Auslandsvertretung in Moskau nachgefragt, ob die Ehefrau nicht einbezogen werden könne, weil er, der Kläger, eine Übernahmegenehmigung habe. Ihnen sei erklärt worden, der Ehemann solle zunächst nach Deutschland kommen, dann solle er für seine Ehefrau eine Nachzugsgenehmigung beantragen. Sie seien nicht darüber aufgeklärt worden, dass ihm, dem Kläger, ein Aufnahmebescheid zum Zwecke der Einbeziehung seiner Ehefrau hätte erteilt werden müssen. Falsch sei insbesondere die seinerzeit schriftlich geäußerte Auffassung des Bundesverwaltungsamtes, dass die Übernahme in die Genehmigung nicht einem Aufnahmebescheid nach § 100 Abs. 4 BVFG gleichgesetzt werden können. Er, der Kläger, habe deshalb einen Anspruch darauf, dass ihm jedenfalls nunmehr ein Aufnahmebescheid unter Einbeziehung seiner Ehefrau erteilt werde. Dies sei noch ein Fall des § 27 Abs. 2 BVFG (a.F.).
7Das Bundesverwaltungsamt teilte dem Kläger mit Schreiben vom 26.10.2012 formlos mit, eine nachträgliche Einbeziehung der im Bundesgebiet lebenden Ehefrau nach § 27 Abs. 2 BVFG komme nicht in Betracht.
8Der Kläger hat am 04.12.2012 Untätigkeitsklage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und macht ergänzend geltend: Nur durch ein grobes Verschulden des Bundesverwaltungsamtes und der Deutschen Botschaft in Moskau sei er daran gehindert worden, vor seiner Ausreise für seine Ehefrau einen förmlichen Einbeziehungsantrag zu stellen. Wenn sich die Beklagte nunmehr auf den fehlenden Einbeziehungsantrag vor der Ausreise berufe, so handele sie rechtsmissbräuchlich. Eine besondere Härte habe im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG schon wegen der seit 1964 bestehenden Ehe vorgelegen, im Übrigen aber auch deshalb, weil er, der Kläger, zum Zeitpunkt der Ausreise deutscher Staatsangehöriger gewesen sei. Abgesehen davon komme es nach Inkrafttreten des 10. BVFG-Änderungsgesetzes auf einen Härtefall nicht mehr an. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass eine nachträgliche Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalles und ohne zeitliche Beschränkung möglich sei. Die nachträgliche Einbeziehung werde zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung trete. Dabei spiele es keine Rolle, dass seine Ehefrau sich zum Zeitpunkt des Einbeziehungsantrags schon als Ausländerin in Deutschland aufgehalten habe.
9Der Kläger hat ferner eine unter dem 09.01.2006 für seine Ehefrau ausgestellte „Teilnahmebestätigung und Beurteilung Start Deutsch 1“ vorgelegt. Er macht geltend, nach der vorliegend anzuwendenden ausländerrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei ein Nachzug des Ehegatten im Übrigen auch ohne deutsche Sprachkenntnisse möglich.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Aufnahmebescheid zum Zwecke der Einbeziehung seiner Ehefrau, B. L. , zu erteilen,
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren ohne förmliche Bescheiderteilung geäußerten Auffassung fest, die Voraussetzungen für eine Härtefalleinbeziehung lägen nicht vor. Die Beklagte macht ferner geltend, eine nachträgliche Einbeziehung ohne Härtegründe nach der durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz neu eingeführten Vorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG komme nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben sei und damit bereits nicht unter den Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F. falle.
15Entscheidungsgründe
16Die Klage ist nach § 75 VwGO zulässig mit der Maßgabe, dass ein Rechtsschutzinteresse nur im Hinblick auf die angestrebte Einbeziehung der Ehefrau des Klägers besteht; seine eigene Rechtsposition als Spätaussiedler kann der Kläger, dem bereits eine Spätaussiedlerbescheinigung erteilt worden ist, durch einen nachträglichen Aufnahmebescheid nicht mehr verbessern.
17Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides zum Zwecke der Einbeziehung seiner Ehefrau. Soweit der Rechtskreis eines Spätaussiedlers auch die – insoweit von Art. 6 GG geschützte – Berechtigung umfasst, den Ehegatten in den eigenen Aufnahmebescheid einbeziehen zu lassen, kann dies hier nicht greifen, weil eine Einbeziehung der Ehefrau des Klägers aus den im Folgenden näher dargestellten Gründen nicht möglich ist. Die fehlende Einbeziehungsmöglichkeit hat zur Folge, dass bereits der Aufnahmebescheid („zum Zwecke der Einbeziehung“) - der die persönliche Stellung des bereits als Spätaussiedler anerkannten Klägers nicht verbessern würde - nicht beansprucht werden kann,
18vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 26.05.2009 – 12 A 3340/07 -, juris, Rn. 5.
19Die angestrebte Einbeziehung der Ehefrau ist zunächst nicht als Härtefalleinbeziehung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in der mit Wirkung vom 14.09.2013 in Kraft getretenen Fassung des 10. BVFG-Änderungsgesetzes vom 06.09.2013 (BGBl. I 3554) möglich. Die Vorschrift hat denselben Wortlaut wie § 27 Abs. 2 BVFG a.F. und ermöglicht ein Absehen vom Wohnsitzerfordernis des § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG alter wie neuer Fassung, „wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen“. Die sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen sind in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG n.F. geregelt, dort heißt es – insoweit bis auf das nunmehr auf volljährige Abkömmlinge beschränkte Spracherfordernis gleichlautend mit § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in der bis zum 13.09.2013 geltenden Fassung -:
20„Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe mindestens drei Jahre besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen.“
21Diese Voraussetzungen sind in der Person der Ehefrau des Klägers nicht erfüllt. In der Rechtsprechung ist für die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten, ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige“ Voraussetzung unabhängig von einer ggf. im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht,
22vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 28.07.2005 – 5 B 134.04 -, juris; Beschluss vom 30.10.2006 – 5 B 55/06 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2005 – 2 A 2383/05 -; Beschluss vom 21.02.2006 – 2 A 4798/05 -, juris; Beschluss vom 08.08.2006 - 12 A 4189/05 -, juris, Beschluss vom 13.02.2008 – 12 A 4479/06 -, juris, jeweils mit weiterem Nachweis.
23An einem solchen Antrag fehlt es hier. Da der Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG n.F., was die Härtefalleinbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ angeht, identisch mit dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F. ist, ist die Rechtsprechung zum Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags auf Härtefallanträge weiter anwendbar.
24Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der nachträglichen Einbeziehung – dies allerdings ausdrücklich nur für „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ – Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nachträglich in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden können. Die Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ ist damit nicht etwa obsolet geworden; vielmehr besteht nunmehr eine „weitere Option“,
25so ausdrücklich die Begründung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages zu seiner im Gesetzgebungsverfahren abgegebenen Beschlussempfehlung vom 12.06.2013, Bundestags-Drucksache 17/13937,
26die dem Ziel dient, die Familienzusammenführung in den Fällen zu erleichtern, in denen Ehegatte oder Abkömmling des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind. Sinn und Zweck der Gesetzesänderung ist es, der Trennung von Familien entgegenzuwirken. Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus den Materialien ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Status der bereits seit Jahren in Deutschland lebenden Ehegatten und Abkömmlingen von Spätaussiedlern verbessern wollte, die auf ausländerrechtlicher Grundlage und nicht als in den Aufnahmebescheid einbezogene Angehörige ihren Wohnsitz in Deutschland begründet haben.
27Ob die Stellung eines Aufnahme- und Einbeziehungsantrags vor der Ausreise hier aufgrund einer schuldhaft falsch erteilten Rechtsauskunft des Bundesverwaltungsamtes und der Deutschen Botschaft in Moskau - die u.a. von nicht ausreichenden Deutschkenntnissen des Klägers ausging - unterblieben ist und darin eine „besondere Härte“ liegt, kann dahinstehen, da dies allenfalls einen Amtshaftungsanspruch begründen, nicht aber die unterbliebene Antragstellung als notwendige „sonstige Voraussetzung“ ersetzen könnte.
28Unabhängig von dem Vorstehenden scheitert eine Härtefalleinbeziehung der Ehefrau des Klägers auch daran, dass die Übersiedlung der Ehefrau in das Bundesgebiet seit Jahren abgeschlossen ist. Das Bundesvertriebenengesetz enthält zwar keine Frist für die Stellung eines Härtefallantrags; aus dem Gesetzeszweck, die Einreise und Integration von Spätaussiedlern und ihrer Ehegatten und Abkömmlinge nach näher bestimmten Maßgaben zu regulieren, folgt aber, dass Anträge im Aufnahmeverfahren für Personen, die sich bereits im Bundesgebiet aufhalten, auch in den von § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG n.F. (§ 27 Abs. 2 BVFG a.F.) erfassten Härtefällen in zeitlichem Zusammenhang mit der Aussiedlung des Betreffenden - sei es des Spätaussiedlers selbst, sei es des Ehegatten oder Abkömmlings - gestellt werden müssen.
29Dies hat das Bundesverwaltungsgericht, dessen Rechtsprechung die Kammer folgt, für den originären Aufnahmeantrag des Spätaussiedlers bereits entschieden,
30vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 – 5 C 23.11 -, juris.
31Die in dem zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts angestellten Überlegungen gelten sinngemäß auch für den Fall, dass die Bezugsperson selbst mit einem Aufnahmebescheid oder - wie hier - mit einer Übernahmegenehmigung eingereist ist und die Einbeziehung des auf ausländerrechtlicher Grundlage mit eingereisten oder - wie hier - nachgereisten Ehegatten in den vorhandenen bzw. im Fall einer Übernahmegenehmigung zum Zeck der Einbeziehung ggfls. noch zu erteilenden Aufnahmebescheid beantragt. Jedenfalls mit Blick auf den einzubeziehenden Ehegatten oder Abkömmling würde der Gesetzeszweck verfehlt, wenn ein entsprechender Antrag - wie hier - erst mehrere Jahre nach der Einreise des Ehegatten oder Abkömmlings und damit zu einem Zeitpunkt gestellt wird, zu dem der Übersiedlungsvorgang längst abgeschlossen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der o.a. Entscheidung das Erfordernis der Antragstellung im zeitlichen Zusammenhang mit der Ausreise aus einer Reihe von Erwägungen hergeleitet und u.a. darauf abgestellt,
32- bereits der Gesetzeswortlaut, nämlich die Begriffe „Aufnahme“ und „Aufnahmebescheid“, lasse auf die Notwendigkeit eines zeitlichen Zusammenhangs schließen (BVerwG, Urteil vom 13.12.2012, - 5 C 23.11., juris Rn. 9),
33- in diese Richtung deute auch die Entstehungsgeschichte mit der erklärten Absicht des Gesetzgebers, die nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ vermehrt einsetzende Zuwanderung von Aussiedlern bzw. Spätaussiedlern aus Osteuropa zu regulieren und zu begrenzen (juris Rn. 10 f.),
34- auch die systematische Auslegung lege ein solches Verständnis nahe (juris, Rn. 12 ff., siehe hier insbesondere Rn. 16 mit der Erörterung des § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG betreffend die Einbeziehung von nach der Ausreise geborenen Abkömmlingen),
35- schließlich spreche auch der Zweck des Aufnahmeverfahrens und des Bundesvertriebenengesetzes – die Verstetigung und Kontrolle des Spätaussiedlerzuzugs – dafür, dass der Härtefallantrag zeitnah zur Aussiedlung geltend gemacht werde (juris, Rn. 21 f.),
36- ferner spreche auch die durch das Bundesvertriebenengesetz intendierte Integration der Betreffenden im Bundesgebiet, etwa durch Integrationskurse gemäß § 9 Abs. 1 BVFG, für eine solche Auslegung (juris, Rn. 23).
37Alle diese Erwägungen gelten nicht nur für den Spätaussiedler selbst, sondern auch für ebenfalls übersiedelnde Ehegatten oder Abkömmlinge. Durch die ausschließlich „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ – und nicht etwa bereits im Bundesgebiet lebende - Ehegatten und Abkömmlinge betreffende Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F. sind diese Überlegungen auch keineswegs gegenstandlos geworden, sondern für Härtefallanträge weiterhin relevant.
38Eine Einbeziehung der Ehefrau des Klägers in einen diesem noch zu erteilenden Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F. ist bereits nach dessen Wortlaut ausgeschlossen, weil die Ehefrau nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist. Auch der Sinn und Zweck der Regelung steht einer Anwendung auf die Ehefrau des Klägers entgegen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Danach ist für eine nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehene Härtefalleinbeziehung im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F.,
39erwogen und offengelassen in OVG NRW, Beschluss vom 17.04.2013 - 11 E 37/13 -, juris, Rn. 7, für die Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes vom 04.12.2011 (BGBl. I 2426),
40kein Raum, weil das Gesetz ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG n.F.) - bei vor der Ausreise gestelltem Einbeziehungsantrag - und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F.) differenziert. Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die ausschließlich in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG n.F. erwähnte, auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Ausreise bezogene „besondere Härte“ - systemwidrig - in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F. hineingelesen würde.
41Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO.
42Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt die Einbeziehung ihres Sohnes B. O. in ihren Aufnahmebescheid.
3Die 1953 geborene Klägerin beantragte am 20.08.2003 beim Bundesverwaltungsamt (BVA) die Erteilung eines Aufnahmebescheides. Zugleich beantragte sie die Einbeziehung ihres Ehemannes W. O. (geb. 1952) sowie ihrer Söhne B. (geb. 1986) und W. O. (geb. 1991). Ebenfalls beantragt wurde die Einbeziehung der Tochter der Klägerin, U. C. , und deren Ehemann und beiden Töchter.
4Unter dem 25.09.2006 erteilte das BVA den Aufnahmebescheid der Klägerin. Eine Einbeziehung des Ehemannes und der Söhne erfolgte nicht, da diese den Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache noch nicht erbracht hatten. In dem dazugehörigen Anschreiben wurde der Klägerin mitgeteilt, dass – solange sie noch nicht nach Deutschland ausgesiedelt sei – dieser Nachweis durch Vorlage des Zertifikates „Start Deutsch 1“ des Goethe-Instituts erbracht werden könne. Zusätzlich wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Einbeziehung nur möglich sei, solange sie noch nicht nach Deutschland ausgesiedelt sei. Den gleichen Hinweis enthielt das Übersendungsschreiben an den Sohn der Klägerin, H. O. , der bereits in Deutschland lebte und als Bevollmächtigter für das Aufnahmeverfahren benannt worden war.
5Im Juni 2007 reiste die Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland ein. Gegenüber dem BVA gab sie am 08.06.2007 zu Protokoll, dass sie sich entschlossen habe, bereits jetzt nach Deutschland überzusiedeln. Ihr russischer Ehemann und ihr Sohn W. würden im Rahmen der Familienzusammenführung als Ausländer nachreisen. Ihr Sohn B. und ihre Tochter U. würden zuerst in Russland bleiben wollen. Eine weitere Tochter, O1. , habe bis heute keinen Antrag gestellt. Von der Möglichkeit, ins Aussiedlungsgebiet zurück zu fahren, um dort das Einbeziehungsverfahren abzuwarten, wolle die Klägerin keinen Gebrauch machen. Sie sei darüber aufgeklärt worden, dass bei dieser Sach- und Rechtslage eine Einbeziehung von Abkömmlingen nicht mehr möglich sei.
6Unter dem 13.06.2007 lehnte das BVA die Einbeziehung des Ehegatten und der Abkömmlinge der Klägerin sowie deren Familienangehörigen ab, da die Klägerin als Bezugsperson nicht mehr über den erforderlichen Wohnsitz im Herkunftsgebiet verfüge. Auch ein Härtefall sei nicht anzunehmen, da die Klägerin über die Folgen einer vorzeitigen Ausreise unterrichtet worden sei. Eine durch die Entscheidung der Bezugsperson selbst herbeigeführte Situation erfülle per se nicht das Kriterium der besonderen Härte.
7Die Klägerin legte keine Rechtmittel gegen diese ablehnende Entscheidung ein.
8Im Oktober 2010 wandte sich zunächst der bereits in Deutschland lebende Sohn der Klägerin, H. O. , im September 2011 der damalige Verfahrensbevollmächtigte an das BVA. Sie wiesen darauf hin, dass der einzubeziehende Sohn der Klägerin, B. O. inzwischen das erforderliche Zertifikat „Start Deutsch 1“ vorweise könne. Das BVA verwies in beiden Antworten auf die seinerzeit absehbare Gesetzesänderung, die eine nachträgliche Einbeziehung im Härtefall vorsehen würde. Möglicherweise könne der Sohn der Klägerin davon profitieren.
9Unter dem 09.11.2010 wandte sich die Klägerin im Wege der Petition an die Bundesregierung. In ihrer Begründung legte sie dar, dass ihr Sohn B. bei der Geburt ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten habe, welches Auswirkungen auf sein zentrales Nervensystem habe. Deswegen habe er keinen Schulabschluss erreichen können und sei vom Wehrdienst befreit worden. Zum Nachweis fügte sie eine „Zusammenfassung der Ärztegutachterkommission“ vom 14.09.2010 bei, die eine Pflegschaft und Vormundschaft durch die Eltern und Verwandten als Empfehlung vorsieht.
10Der Sohn der Klägerin, B. O. , reiste im zweiten Halbjahr des Jahres 2011 mit einem Besuchs-Visum in die Bundesrepublik ein und wohnt seitdem bei der Klägerin.
11Im Januar 2012 beantragte die Klägerin durch ihren damaligen Bevollmächtigten die nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes B. gemäß § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (im Folgenden: BVFG a.F.).
12Mit Bescheid vom 05.11.2012 lehnte das BVA den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung ab. Der Sohn B. sei kein im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling, da er bereits in Deutschland wohne. Außerdem sei der Sohn der Klägerin unter ihrer Anschrift gemeldet, so dass die Einbeziehung zur Aufhebung der räumlichen Trennung offensichtlich nicht erforderlich sei.
13Der unter dem 09.11.2012 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2013 zurückgewiesen. Zur Begründung verwies das BVA auf den Wohnsitz des Sohnes der Klägerin im Bundesgebiet. Außerdem fehle es an einer Härte im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a.F..
14Die Klägerin hat am 02.05.2013 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass ihr Sohn B. in Deutschland keinen dauerhaften Aufenthalt begründet habe. Er sei mit einem Besuchsvisum eingereist und werde nur wegen des Einbeziehungsverfahrens geduldet. Zudem lasse sich dem Gesetz entnehmen, dass bei Vorliegen einer besonderen Härte von der Verpflichtung, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abgesehen werden könne.Im Übrigen könne dem Sohn der Klägerin nicht entgegengehalten werden, dass er sich in der Stadt Korbach angemeldet habe. Hierzu sei er seitens der Ausländerbehörde aufgefordert worden. Es liege auch ein Härtefall vor. Angesichts des Gesundheitszustandes des Sohnes der Klägerin hätte die Klägerin darauf hingewiesen werden müssen, dass für ihren Sohn ein Nachweis der Deutschkenntnisse entbehrlich gewesen sei. Außerdem bedürfe der Sohn der Klägerin einer Betreuung bei der Mutter und der weiteren Familie. Durch die häusliche Betreuung habe sich der Gesundheitszustand erheblich und wesentlich gebessert.
15Die Klägerin beantragt,
16die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des BVA vom 05.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2013 zu verpflichten, den Abkömmling der Klägerin, Herrn B. O. , geb. am 00.00.1986, in den Aufnahmebescheid der Klägerin nachträglich einzubeziehen;
17hilfsweise
18die Beklagte unter Aufhebung der vorgenannten Bescheide zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen die Gründe der ablehnenden Bescheide. Ergänzend führt sie aus, dass gegenüber der Klägerin keine Aufklärungspflichten verletzt worden seien. Die Erkrankung ihres Sohnes habe die Klägerin erstmals im Rahmen der Petition im Oktober 2010 erwähnt.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe
24Die zulässige Klage ist nicht begründet.
25Die Ablehnung des Antrags auf nachträgliche Einbeziehung des B. O. in den Aufnahmebescheid der Klägerin ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26Die Klägerin hat keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes B. in ihren Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a.F.).
27Nach dieser Vorschrift kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
28Daran fehlt es vorliegend. Der Sohn der Klägerin, B. O. , ist nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Er hält sich seit der zweiten Jahreshälfte 2011 ununterbrochen in Deutschland auf, will hier bleiben und verfügt nach Angaben der Klägerin im Herkunftsgebiet weder über Unterkunft noch über Versorgungsmöglichkeiten. Er lebt bei der Klägerin, ist dort gemeldet und erfährt dort „häusliche Betreuung“. Er hat mithin an seinem jetzigen Wohnort seinen Wohnsitz begründet. Der Annahme, dass er nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist, steht nicht entgegen, dass der Kläger zunächst mit einem Besuchsvisum eingereist ist und nach dessen Ablauf lediglich geduldet wird, sein dauernder Aufenthalt somit von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen nicht aus.
29Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.08.2012 – 11 A 2558/11 –, Juris Rn. 46 m.w.N.
30Soweit die Klägerin meint, im vorliegenden Fall könne von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, ausnahmsweise wegen Vorliegens einer (besonderen) Härte abgesehen werden, ist dem nicht zu folgen. Eine solche Berücksichtigung einer besonderen Härte sieht das Gesetz – anders als im Falle des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG – in den Fällen der nachträglichen Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht vor.
31Gegen die Anwendung der Härtefallregelung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG spricht bereits die Systematik der Vorschriften über die Einbeziehung. Das Gesetz differenziert ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung – bei vor der Ausreise gestelltem Aufnahmeantrag – (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG). Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die ausschließlich in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erwähnte, auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung bezogene „besondere Härte“ – systemwidrig – in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG hineingelesen würde.
32Auch die Entstehungsgeschichte der Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG rechtfertigt nicht die Berücksichtigung einer besonderen Härte bei der nachträglichen Einbeziehung. Der Gesetzgeber hat den Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Die gesetzliche Regelung ging zurück auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. April 2011 (BT-Drs. 17/5515). In dem Gesetzentwurf heißt es auf Seite 9:
33„Die Einbeziehung nach Absatz 1 soll die gemeinsame Aussiedlung der Familie ermöglichen und damit ein mögliches Ausreisehindernis für den Spätaussiedler beseitigen. Im Gegensatz hierzu erfolgt die nachträgliche Einbeziehung nach Absatz 3 ausnahmsweise nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers. Hierdurch soll in Härtefällen eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden. Die Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, besteht weiterhin. Von der Verpflichtung, die Erteilung des Aufnahmebescheides bzw. die Einbeziehung im Herkunftsgebiet abzuwarten, macht nur Absatz 2 im Fall einer besonderen Härte eine Ausnahme. Hierbei handelt es sich um den in der Praxis seltenen Fall, dass die Beachtung der Regelungen des Aufnahmeverfahrens zu einem in hohem Maße unbilligen Ergebnis führen würde.“
34Aus den beiden zuletzt zitierten Sätzen lässt sich nicht mit der notwendigen Sicherheit Schluss ziehen, die in § 27 Abs. 2 BVFG a.F. genannte „besondere Härte“ habe nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a.F. Berücksichtigung finden sollen. Wäre dies gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in der Gesetzesbegründung bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber.
35Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung eine Möglichkeit schaffen wollen, auch diejenigen Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehung zu erfassen, die – wie der hier einzubeziehende Sohn der Klägerin – ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen haben und hier weder vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden noch ausländerrechtlich einen gesicherten Aufenthalt erlangt haben, spricht, dass er im Gesetzgebungsverfahren dem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a.F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion nicht entsprochen hat.
36Vgl. zu dem Antrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4 f.; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
37Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist von der Gesetzesänderung indes nicht betroffen gewesen. Den Gesetzesmaterialien,
38vgl. insbesondere den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 22. August 2012, Drs. 17/10511, und die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 12. Juni 2013, Drs. 17/13937,
39lässt sich nichts Substantielles dafür entnehmen, dass die jetzt in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG angesprochene besondere Härte im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG Berücksichtigung finden soll.
40Vgl. zum Ganzen: VG Köln, Urteile vom 05.02.2014 – 10 K 5417/12 – und – 10 K 6881/12 –.
41Die Klägerin hat schließlich keinen Anspruch auf Einbeziehung ihres Sohnes B. in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a.F.).
42Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
43Vorliegend ist bereits zu berücksichtigen, dass der in formeller Hinsicht erforderliche, vor der Ausreise der Bezugsperson von ihr gestellte Einbeziehungsantrag nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F.),
44vgl. zu dieser weiterhin geltenden Voraussetzung VG Köln, Urteil vom 05.02.2014 – 10 K 6881/12 – mit ausführlicher Begründung und w.N.,
45bereits bestandskräftig mit Bescheid vom 13.06.2007 abgelehnt worden ist.
46Darüber hinaus fehlt es an einer besonderen Härte. Die Klägerin trägt, was die Beklagte zutreffend rügt, nichts dazu vor, dass es ihr nicht möglich war, bis zum Abschluss des Einbeziehungsverfahrens im Aussiedlungsgebiet zu verbleiben und abzuwarten, bis ihr Sohn B. die erforderlichen Deutschkenntnisse nachweise konnte. Hinzu kommt, dass die Klägerin mehrfach auf die Folgen ihrer Ausreise vor Abschluss des Einbeziehungsverfahrens hingewiesen worden ist. Stichhaltige Gründe für diesen Schritt hat die Klägerin bis zuletzt nicht vorgetragen.
47Soweit die Klägerin geltend macht, ihr Sohn B. bedürfe der Betreuung durch sie und die weitere Familie, stellt dies keine besondere Härte im vertriebenenrechtlichen Sinne dar. Diesem Umstand mag allenfalls ausländerrechtlich durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen oder einer Duldung Rechnung getragen werden.
48Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet, weil die Rechtsverfolgung des Klägers aus den Gründen zu II. nicht die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
3II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
41. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Gesetzes sind gegeben, wenn die Richtigkeit des angefochtenen Urteils einer weiteren Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist.
5Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2002 ‑ 7 AV 1.02 ‑, Buchholz 310 § 124b VwGO Nr. 1.
6Der mit einer Übernahmegenehmigung vom 7. November 1957 am 12. September 2001 in die Bundesrepublik Deutschland eingereiste Kläger erhielt in Anwendung der Übergangsvorschrift des § 100 Abs. 4 BVFG am 6. Februar 2002 von der Stadt P. eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG als Spätaussiedler. Unter dem 28. September 2012 hat er einen Aufnahmebescheid beantragt, damit seine im Jahr 2003 nach Deutschland übergesiedelte Ehefrau B. L. in diesen Aufnahmebescheid einbezogen werden kann. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass ein solcher Anspruch nicht besteht. Ernstliche Zweifel hiergegen legt der Kläger mit dem Zulassungsantrag nicht dar.
7Das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Erteilung eines Aufnahmebescheides ‑ und damit auch die Einbeziehung seiner Ehefrau in diesen Aufnahmebescheid ‑ ist nach der zum Entscheidungszeitpunkt des Senats geltenden Rechtslage zu beurteilen.
8Vgl. speziell zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt für den Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härteweg BVerwG, Urteil vom 22. April 2004 ‑ 5 C 27.02 ‑, Buchholz 412.3 § 27 BVFG Nr. 11; ferner ausführlich OVG NRW, Urteil vom 12. Mai 2014 ‑ 11 A 802/13 ‑, juris.
9Prüfungsmaßstab ist damit § 27 BVFG in der am 14. September 2013 in Kraft getretenen Fassung des Zehnten BVFG-Änderungsgesetzes (BGBl. I S. 3554). Zwar kann der Kläger seine eigene Rechtsposition ‑ er ist bereits Spätaussiedler ‑ nicht mehr verbessern. Sein Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich aber daraus, dass er sein Begehren auf Einbeziehung seiner Ehefrau anders nicht erreichen kann.
10Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 ‑ 5 C 32.00 ‑, NVwZ-RR 2002, 388 (389).
11Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass der Kläger die Erteilung eines Aufnahmebescheides gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nebst Einbeziehung seiner Ehefrau als Härtefall nicht mehr beanspruchen kann, weil die „sonstigen Voraussetzungen“ für eine Nachholung der Eintragung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG nicht vorliegen. Es fehlt an einem vom Kläger als Bezugsperson vor seiner Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet ausdrücklich gestellten Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“. Ein Antrag „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ setzt begrifflich voraus, dass er vor der Ausreise der Bezugsperson gestellt wird, weil das Tatbestandsmerkmal „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ nach Ausreise der Bezugsperson nicht mehr erfüllt werden kann.
12Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2005 ‑ 5 B 134.04 ‑, juris; ferner etwa OVG NRW, Urteil vom 26. Oktober 2005 ‑ 2 A 2383/05 ‑, juris, Rdnr. 30; OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2008 ‑ 12 A 4479/06 ‑, juris, m. w. N. zu dem insoweit gleichlautenden § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.
13Einen solchen Antrag hat der Kläger nicht gestellt.
14Das Verwaltungsgericht hat weiter zutreffend entschieden, dass eine Einbeziehung der Ehefrau des Klägers gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG auch daran scheitert, dass die Übersiedlung seiner Ehefrau in das Bundesgebiet seit Jahren abgeschlossen ist.
15Zwar enthält § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (ebenso wenig wie § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.) keine Frist für die Stellung eines Härtefallantrages. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F. (jetzt wortgleich § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG) gefolgert, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland und der Stellung eines Härtefallantrags bestehen muss.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248.
17Nach § 26 BVFG können nur Personen, die bereits beim Verlassen der Aussiedlungsgebiete Spätaussiedler sein wollen, einen Aufnahmebescheid erhalten. Dieser Spätaussiedlerwille ist zwingende Tatbestandsvoraussetzung für den Erhalt des Aufnahmebescheids.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248 (251 f.).
19Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG betreffend den Härtefallantrag eines Spätaussiedlers für einen Härtefallantrag auf Einbeziehung des Ehegatten (oder der Abkömmlinge) entsprechende Geltung beansprucht. Dem Spätaussiedler können hinsichtlich seines Antrags auf Einbeziehung seiner Familienangehörigen nicht weiter reichende Rechte zustehen als hinsichtlich seines Antrags auf eigene Aufnahme. Das Bundesverwaltungsgericht hat aus der Systematik des Bundesvertriebenengesetzes hergeleitet, dass Personen, die aus den Aussiedlungsgebieten ausreisen, ohne zuvor ein Aufnahmeverfahren durchgeführt zu haben, nur dann einen Aufnahmebescheid erhalten können, wenn sie bereits beim Verlassen der Aussiedlungsgebiete Spätaussiedler sein wollen und diesen Willen zeitnah zur Übersiedlung nach außen hin betätigt haben.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248 (251 f.).
21Ist aber der Spätaussiedlerwille im Falle des Härtefallantrags auf Erteilung eines eigenen Aufnahmebescheids zwingende Tatbestandsvoraussetzung, kann für den Härtefallantrag auf Einbeziehung des Ehegatten oder der Abkömmlinge in einen Aufnahmebescheid nichts anderes gelten.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2014 ‑ 11 A 926/14 ‑, juris.
23Denn die Einbeziehung soll ein potenzielles Aussiedlungshindernis für den Spätaussiedler zu dessen Gunsten ausräumen; die einzubeziehenden Personen haben insoweit keinen eigenen Anspruch.
24So die Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz), BR-Drs. 22/03 vom 16. Januar 2003, S. 291.
25Der Kläger kann diese zwingende Tatbestandsvoraussetzung in Bezug auf die Einbeziehung seiner Ehefrau nicht mehr erfüllen. Denn sein (heutiger) Spätaussiedlerwille kann sich nicht mehr darauf beziehen, dass seine Ehefrau die Aussiedlungsgebiete als Einzubeziehende verlässt und zum Zwecke der Herstellung der Einheit der Familie ins Bundesgebiet einreist. Vielmehr ist ihre Aussiedlung bereits seit dem Jahr 2003 abgeschlossen. Dabei ist unerheblich, dass der Kläger sich vor seiner Ausreise im Jahr 2001 zusammen mit seiner Ehefrau nach den Möglichkeiten einer Übersiedlung erkundigt hat, dass und warum er vor seiner Ausreise keinen Aufnahmebescheid beantragt hat, und dass seine Ehefrau ursprünglich mit ihm zusammen ausreisen wollte. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann der Spätaussiedlerwille nur durch einen Aufnahmeantrag nach außen hin betätigt werden.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 ‑ 5 C 23.11 ‑, BVerwGE 145, 248 (252).
27Einen Aufnahmeantrag bzw. Antrag auf Einbeziehung seiner Ehefrau hat der Kläger zeitnah weder zu seiner Übersiedlung im Jahr 2001 noch zu ihrer Übersiedlung im Jahr 2003 gestellt. Das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz hat nichts daran geändert, dass der Spätaussiedlerwille zeitnah zur Übersiedlung betätigt werden muss. Der Hinweis des Klägers auf die Wohnsitzfiktion des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG führt daher hier nicht weiter.
28Das Verwaltungsgericht hat weiter zutreffend entschieden, dass eine Einbeziehung der Ehefrau des Klägers in einen ihm zu erteilenden Aufnahmebescheid auch gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht möglich ist. Nach dieser Vorschrift kann abweichend von § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG ‑ insbesondere ohne Vorliegen eines Härtefalles ‑ der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundesvertriebenengesetzes hat, nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die vorliegende Fallgestaltung wird von § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht erfasst, weil die Ehefrau des Klägers nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist, sondern seit 2003 in Deutschland lebt.
292. Daraus folgt gleichzeitig, dass die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.
303. Die Sache hat auch nicht die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die vom Kläger formulierte Frage,
31„ob § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG n. F. auch den Fall erfasst, dass eine Person, die sich ohne Aufnahmebescheid in Deutschland aufhält, auch dann eine Einbeziehung verlangen kann, wenn der Partner selbst in Deutschland lebt“,
32lässt sich ‑ wie unter 1. dargelegt ‑ aus dem Gesetz beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
334. Der schließlich noch geltend gemachte Verfahrensfehler nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wird mit dem Vortrag „das Gericht hätte den Sachverhalt weiter aufklären müssen, weil es nämlich eine Antragstellung vor der Ausreise verneint“, bereits nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
35Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
36Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
37Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.