Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 14. Juli 2016 - 6 Nc 18/16
Gericht
Tenor
1. Der Antrag wird abelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
3I. Ein Anspruch auf Zulassung zum Studium der Humanmedizin im fünften Fachsemester (erstes Semester des klinischen Studienabschnitts) bzw. auf Teilnahme an einem Losverfahren über freie Studienplätze in diesem Studienfach ist nicht glaubhaft gemacht worden (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
4Die Kammer sieht es aufgrund der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage als nicht überwiegend wahrscheinlich an, dass die vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen (MIWF) für das Sommersemester 2016 festgesetzte Höchstzahl von 95 Studienplätzen für das erste Fachsemester der klinischen Medizin an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität (RFWU) Bonn,
5vgl. Anlage 6 der Verordnung über die Festsetzung von Zulassungszahlen und die Vergabe von Studienplätzen in höheren Fachsemestern an den Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen zum Studienjahr 2015/2016 vom 24.08.2015 (GV. NRW. S. 576) in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 27.01.2016 (GV NRW. 2016 S. 37)
6die vorhandene Ausbildungskapazität unterschreitet. Es stehen keine weiteren Studienplätze zur Verfügung.
7Rechtsgrundlage der Kapazitätsermittlung für das Studienjahr 2015/2016 und damit auch für das Sommersemester 2016 ist die Verordnung über die Kapazitätsermittlung, die Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen (Kapazitätsverordnung – KapVO –) vom 25.08.1994 (GV. NRW. S. 732), zuletzt geändert durch die dritte Verordnung zur Änderung der Kapazitätsverordnung vom 12.08.2003 (GV. NRW. S. 544). Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 KapVO wird die jährliche Aufnahmekapazität in zwei Verfahrensschritten ermittelt: 1. Berechnung aufgrund der personellen Ausstattung nach den Vorschriften des Zweiten Abschnitts der KapVO; 2. Überprüfung des Ergebnisses anhand der weiteren kapazitätsbestimmenden Kriterien nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts der KapVO. Danach ergibt sich bei summarischer Überprüfung im vorliegenden Fall keine über die festgesetzte Zulassungszahl hinausgehende Kapazität.
8Die Kammer hat die Kapazität bereits betreffend das Wintersemester 2015/2016 im summarischen Verfahren überprüft und nicht beanstandet,
9vgl. rechtskräftiger Beschluss der Kammer vom 16.03.2016 – 6 L 2452/15 –.
10Diese Überprüfung gilt auch für das Sommersemester 2016, da die Kapazitätsfestsetzung nach den Vorgaben der Kapazitätsverordnung auf das gesamte Studienjahr bezogen erfolgt. Die kapazitätsbestimmenden Eingabegrößen haben sich zwischenzeitlich nicht in einer zu berücksichtigenden Weise geändert.
11Im Beschluss vom 16.03.2016 hat die Kammer ausgeführt:
12„1. Die jährliche Aufnahmekapazität aufgrund der personellen Ausstattung (personalbezogene Aufnahmekapazität) errechnet sich aus einer Gegenüberstellung von Lehrangebot und Lehrnachfrage. Die Wissenschaftsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen hat diese mit 1.044 Studienplätzen ermittelt. Ob diese Berechnung zutreffend ist und einer rechtlichen Überprüfung standhält, kann vorliegend dahinstehen, da – wie sogleich zu zeigen sein wird – der zweite Verfahrensschritt einer Überprüfung des Berechnungsergebnisses anhand der Vorschriften des Dritten Abschnitts der KapVO zu dem Ergebnis führt, dass nicht die personalbezogene Aufnahmekapazität, sondern gemäß § 17 Abs. 2 KapVO die sog. patientenbezogene Aufnahmekapazität für die Festsetzung der Zulassungszahl maßgeblich ist, da sie niedriger als die personalbezogene Aufnahmekapazität ist.
132. Gemäß § 17 Abs. 1 KapVO ist das Berechnungsergebnis für den klinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin anhand der patientenbezogenen Einflussfaktoren (§ 14 Abs. 2 Nr. 4 KapVO) zu überprüfen.
14a) Dabei sind als patientenbezogene Aufnahmekapazität zunächst 15,5 vom Hundert der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten des Klinikums anzusetzen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO). Das Ministerium hat insoweit die von der Antragsgegnerin mit 298.000 angegebene Zahl der Pflegetage (aufgrund stationärer Leistungen) zugrunde gelegt und hiervon ausgehend die Zahl der tagesbelegten Betten mit 816,44 (298.000 : 365) angesetzt, woraus sich gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO eine patientenbezogene Aufnahmekapazität von gerundet 127 (15,5% von 816,44) errechnet.
15Diese Berechnung begegnet keinen Bedenken. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) ist es insbesondere nicht geboten, bei der Zahl der Pflegetage zusätzlich diejenigen Pflegetage zu berücksichtigen, die auf Patienten mit Wahlarztabschlag, d. h. auf Privatpatienten der liquidationsberechtigten Ärzte des Klinikums, entfallen. Denn die von Privatpatienten belegten Betten werden begrifflich von der nach § 17 Abs. 1 Satz 2 KapVO maßgebenden „Gesamtzahl der tagesbelegten Bettendes Klinikums“ nicht erfasst.
16Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22.02.2008 – 13 C 59/08 – und vom 08.05.2008 – 13 C 131/08 –. Ferner OVG NRW, Beschluss vom 07.12.2015 – 13 C 18/15 –, alle juris.
17Auch die Ermittlung der Anzahl der tagesbelegten Betten mittels der – mangels anderer Angaben hier anzunehmenden – Mitternachtszählung ist nicht zu beanstanden. Die Zählweise, die am stationären Planbett anknüpft, geht von dem klassisch stationären Patienten aus, der sich in der Regel mehrtägig und während des gesamten Tages im Klinikum aufhalten wird. Die dazu gehörende Anknüpfung an „Übernachtungspatienten“ ist ein folgerichtiger und sachlicher Gesichtspunkt.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 07.12.2015 – 13 C 18/15 –, m.w.N., juris.
19b) Liegt die gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapVO ermittelte Zahl – wie hier – niedriger als die aufgrund der Gegenüberstellung von Lehrangebot und Lehrnachfrage ermittelte personalbezogene Aufnahmekapazität, so ist sie je 1000 poliklinische Neuzugänge im Jahr um die Zahl Eins, höchstens jedoch um 50 vom Hundert zu erhöhen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KapVO). Das Ministerium hat deshalb – ausgehend von 192.507 poliklinischen Neuzugängen – die jährliche patientenbezogene Aufnahmekapazität von 127 um (gerundet) 63 Plätze auf 190 erhöht.
20c) Da auch diese erhöhte patientenbezogene Aufnahmekapazität von 190 noch deutlich unter der vom Ministerium ermittelten personalbezogenen Aufnahmekapazität von 1.044 liegt, ist sie gemäß § 17 Abs. 2 KapVO der Festsetzung der Zulassungszahl zugrunde zu legen. Eine weitere Erhöhung der Zulassungszahl durch den Ansatz einer eventuellen Schwundquote gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 3 KapVO ist durch § 17 Abs. 2 KapVO ausgeschlossen.
21Die jährliche Aufnahmekapazität von 190 Studienplätzen hat das Ministerium in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens im ersten Fachsemester der Klinischen Medizin auf jeweils 95 Studienplätze für das Wintersemester 2015/2016 und das Sommersemester 2016 aufgeteilt.“
22An diesen Ausführungen hält die Kammer nach erneuter Rechtsprüfung fest.
233. Erschöpfung der Kapazität
24Nach den Angaben der Antragsgegnerin haben sich im Sommersemester 2016 im ersten Fachsemester des klinischen Studienabschnitts tatsächlich 45 (nicht beurlaubte und nicht wieder exmatrikulierte) Studierende eingeschrieben. Damit bleibt die Zahl der besetzten Studienplätze für das erste Fachsemester des klinischen Studienabschnitts zwar hinter den festgesetzten 95 Studienplätzen zurück. Die nicht besetzten Studienplätze sind gemäß § 25 Abs. 3 VergabeVO NRW aber mit Überbuchungen aus anderen Fachsemestern zu verrechnen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm und diesem Zweck darf die Saldierung auch niedrigere Fachsemester betreffen. Entscheidend ist, ob die durch die Zulassungszahlenverordnungen insgesamt festgesetzten Aufnahmekapazitäten durch die Besetzungszahlen abgedeckt werden und keine ungenutzte Kapazität verbleibt.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.05.2015 – 13 C 15/15 –, juris Rn. 2.
26So liegt der Fall hier. Den für den klinischen Studienabschnitt insgesamt festgesetzten 570 Studienplätzen (1. FS: 95, 2. FS: 95, 3. FS: 95, 4. FS: 95, 5.+6. FS: 190) stehen insgesamt 736 Einschreibungen/Rückmeldungen (1. FS: 45, 2. FS: 216, 3. FS: 75, 4. FS: 178, 5. FS: 92, 6. FS: 130) gegenüber. Ungenutzte Kapazität im klinischen Studienabschnitt verbleibt somit nicht.
27Mangels zur Verfügung stehender Kapazität ist auch der hilfsweise Antrag auf Zulassung innerhalb der Zulassungszahlen erfolglos. Fehler des Vergabeverfahrens sind weder dargelegt, noch sonst ersichtlich.
28II. Die hilfsweise begehrte Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität in einem vorklinischen Fachsemester kommt ebenfalls nicht in Betracht. Es besteht kein schützenswertes Interesse daran, in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen Anspruch auf außerkapazitäre Zuteilung eines Studienplatzes für ein vorklinisches Fachsemester einzufordern, wenn der Erste Abschnitt der Ärztlichen Prüfung bereits bestanden wurde.
29Vgl. VG Köln, Beschluss vom 20.07.2012 – 6 Nc 574/11 –; VG Sigmaringen, Beschluss vom 31.03.2008 – NC 6 K 318/08 –, juris.
30III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
31IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Sie entspricht der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 02.03.2009 – 13 C 278/08 –, www.nrwe.de und juris), der sich die Kammer aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit und Rechtssicherheit anschließt.
moreResultsText
Annotations
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.