Verwaltungsgericht Köln Urteil, 29. Jan. 2014 - 23 K 2890/13
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin, damals vertreten durch Herrn B. B1. , ließ am 28.11.2012 einen Bauvorbescheid für den Umbau und Umnutzung einer vorhandenen Gewerbe-Teilfläche in eine Spielstätte mit 148 m² Spielfläche für 12 Geldspielgeräte auf dem Grundstück Gemarkung N. , Flur 0, Flurstück 0000 (unterschiedlich bezeichnet mit T.-------straße 0 oder Q.---straße 0- in L. ) beantragen. Das Vorhaben soll von 6:00 bis 5:00 Uhr täglich betrieben werden. Der Antrag ist für die Bauherrin durch den Architekten „i.V.“ unterzeichnet.
3Bei einer Besprechung am 7.12.2012 erklärte das zuständige Amt 32, wegen unmittelbarer Nähe zu einer Kindertagesstätte und einer Schule keine Konzession zu erteilen. Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3.4.2013 die Voranfrage ab, zugestellt am 5.4.2013.
4Die Klägerin hat am 6.5.2013, einem Montag, Klage erhoben.
5Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der im Ablehnungsbescheid genannte „Glücksspielstättenvertrag“ existiere nicht. § 16 Abs. 3 des Ausführungsgesetzes NRW zum Glücksspielstaatsvertrag (AG GlüStV NRW) sei eine Sollvorschrift. Im Übrigen könne nur die zuständige Behörde (das Ordnungsamt, nicht das Bauordnungsamt) im Einzelfall Abweichungen vornehmen. Diese Prüfung habe offensichtlich nicht stattgefunden. Es liege eine offensichtlich fehlerhafte Ermessensentscheidung der Behörde. Verschiedene Verwaltungsgerichte gingen davon aus, dass die neuen Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) offenkundig verfassungs- und gemeinschaftsrechtswidrig seien. Es sei möglich, dass das zuständige Ordnungsamt bei Überprüfung der Regelung zum Mindestabstand einer Abweichung von § 16 Abs. 3 AG GlüStV NRW für geboten erachtet. Diese Prüfung obliege nicht der Baubehörde.
6Die Klägerin beantragt,
7die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3.4.2013 zu verpflichten, die Bauvoranfrage vom 28.11.2012 positiv zu bescheiden,
8hilfsweise,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3.4.2013 zu verpflichten, die Bauvoranfrage vom 28.11.2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie macht geltend, die Klägerin habe kein Sachbescheidungsinteresse für den beantragten Vorbescheid. Im Übrigen seien die Bauvorlagen nicht korrekt.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
16Ob, wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, mit der Bauvoranfrage die Erteilung eines planungsrechtlichen Vorbescheids (Bebauungsgenehmigung) begehrt ist, erscheint angesichts der allgemeinen Fragestellung („Ist die Umnutzung der Räumlichkeiten in eine Spielstätte mit 148 m² für 12 Geldspielgeräten genehmigungsfähig?“) zweifelhaft. Jedenfalls aber ist auch die als Bauvorlage eingereichte Betriebsbeschreibung für gewerbliche Anlagen zum Gegenstand der Bauvoranfrage und damit der Prüfung gemacht.
17Die so verstandene Klage hat keinen Erfolg.
18Der Klägerin fehlt das Sachbescheidungsinteresse für ihren Antrag auf Erteilung der Bebauungsgenehmigung. Sie wäre aus Rechtsgründen gehindert, von dieser Gebrauch zu machen und kann daher mit der vorliegenden Klage ihre Rechtsstellung nicht verbessern. Eine Ausnutzung der Bebauungsgenehmigung steht vorliegend zum Einen § 16 Abs. 2 und 3 Satz 1 zweiter Halbsatz und Satz 2 AG GlüStV NRW in Verbindung mit den § 24 GlüStV entgegen.
19Vgl. (zum Verbot der Mehrfachkonzession) OVG NRW, Beschlüsse vom 7.8.2013 – 10 A 1969/12 und 10 A 1970/12 -.
20Unabhängig hiervon hindert auch § 17 AG GlüStV NRW die Erteilung.
21Bei dem Vorhaben der Klägerin handelt es sich um eine Spielhalle im Sinne von § 16 Abs. 1 AG GlüStV NRW, deren Errichtung und Betrieb nach Abs. 2 Satz 1 einer Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV und dem AG GlüStV NRW bedürfen. Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz AG GlüStV NRW soll ein Mindestabstand von 350 m Luftlinie zu einer anderen Spielhalle nicht unterschritten werden. Nach Satz 2 dieser Vorschrift soll eine Spielhalle nicht in räumlicher Nähe zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betrieben werden; dabei soll regelmäßig den Mindestabstand nach Satz 1 zugrundegelegt werden.
22Das Vorhaben der Klägerin soll nach den eingereichten Bauvorlagen in einem Abstand von gut 300 m zu der bestehenden Spielhalle C. Straße 00 und in einem Abstand zu einem Kindergarten und einer Schule von allenfalls 200 m realisiert werden und wahrt damit die vorgenannten Mindestabstände nicht.
23Zwar darf nach § 16 Abs. 3 Satz 3 AG GlüStV NRW die für die Erlaubnis zuständige örtliche Ordnungsbehörde (§ 19 Abs. 5 AG GlüStV NRW, § 3 OBG NRW), hier die Beklagte, unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes und der Lage des Einzelfalls von der Maßgabe zum Mindestabstand abweichen. Die Klägerin zeigt jedoch keine Umstände auf, die eine solche Abweichungsentscheidung zulassen könnten. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist über den Mindestabstand nicht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.
24Wenn eine Rechtsnorm als Soll-Vorschrift erlassen wird, ist der Normadressat - im Sinne von rechtlich zwingend - verpflichtet, grundsätzlich so zu verfahren, wie es in der Norm bestimmt sei. Liegen keine Umstände vor, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, so bedeutet das „Soll“ ein „Muss". Nur wenn ein wichtiger Grund der vorgesehenen Handhabung entgegensteht, also in atypischen Fällen, darf die zuständige Stelle anders verfahren, als im Gesetz vorgesehen ist. In Regelfällen bedarf es keiner besonderen Begründung für die Anwendung der Soll-Vorschrift.
25Vgl. schon BVerwG, Urteil vom 25.6.1975 – VIII C 77.74 –.
26Vorliegend hat die Beklagte auch als zuständige Ordnungsbehörde (durch ihr Ordnungsamt) keinen atypischen Fall angenommen und deshalb eine Erlaubnis nach § 16 AG GlüStV NRW definitiv nicht in Aussicht gestellt. Der Kläger hat keine Umstände aufgezeigt, die seinen Fall als atypisch erscheinen lassen könnten und eine Abweichung von den Soll-Vorschriften in § 16 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz und Satz 2 AG GlüStV NRW zulassen könnten. Im Gegenteil wahrt das Vorhaben der Klägerin sogar mehrere Mindestabstände nicht, sowohl zur nächst gelegenen Spielhalle als auch zur Schule/zum Kindergarten. Mithin verbleibt es bei der im Gesetz als Soll-Vorschrift angelegten Regelung, dass die Erlaubnis wegen Nichteinhaltens der Mindestabstände nicht erteilt werden darf.
27Vergleiche auch VG Augsburg, Urteil vom 31.1.2013 – Au 5 K 12.1360 - (Mindestabstand zur nächst gelegenen Spielhalle); a.A. VG Freiburg, Urteil vom 16.4.2013 - 3 K 1045/11 -.
28Für einen Vorbescheid für die von der Klägerin geplanten Spielhalle mit täglichen Betriebszeiten von 6:00 bis 5:00 Uhr fehlt es auch deshalb an einem Sachbescheidungsinteresse, weil diese Betriebszeiten im Rahmen der glücksspielrechtlichen Erlaubnis gemäß § 17 Satz 1 AG GlüStV NRW nicht zulässig sind und ein entsprechender baurechtlicher Vorbescheid nicht ausgenutzt werden kann.
29Die Ansicht der Klägerin, die vorstehenden Regelungen seien verfassungs- und gemeinschaftswidrig, teilt das Gericht nicht. Die von der Klägerin hierzu benannten Entscheidungen
30VG Arnsberg, Beschluss vom 21.10.2013 - 1 L 395/13 -; VG Köln, Beschluss vom 4.10.2013 - 1 L 885/13 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19.9.2013 – 3 L 1220/13 –
31betreffen schon andere Sachverhalte und Rechtsgrundlagen, nämlich die Anfechtung von Ordnungsverfügungen betreffend Sportwettenvermittlungen und die Mindestabstände nach § 22 Abs. 1 GlücksspielVO NRW, von denen nicht abgewichen werden darf.
32Die Ansicht der 2. Kammer des VG Köln zum Sachbescheidungsinteresse für eine Baugenehmigung bei (noch) nicht erteilter Erlaubnis nach den Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages i.V.m. dem AG GlüStV NRW, die in der von der Klägerin vorgelegten Niederschrift der mündlichen Verhandlung im Verfahren 2 K 1205/13 vertreten worden ist, betrifft ebenfalls ein Wettbüro und ist außerdem schon deshalb dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil – anders als bei Spielhallen im Gebiet der Beklagten - die für die Erteilung dieser Erlaubnis und die für die Erteilung der Baugenehmigung zuständigen Behörden nicht identisch sind. Zuständige Erlaubnisbehörden nach § 19 Abs. 3 und 4 AG GlüStV NRW für Wettvermittlungen sind die Bezirksregierungen. Über die Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Vorbescheids entscheiden hingegen die unteren Bauaufsichtsbehörden als Ordnungsbehörden (hier: die Beklagte), § 60, § 62 BauO NRW.
33Nach alledem muss nicht vertieft werden, dass die Bauvoranfrage schon aus formellen Gründen nicht positiv zu bescheiden ist. Es fehlt an einer Unterschrift der Bauherrin, da der Architekt die Klägerin weder gesetzlich noch nach dem Gesellschaftsvertrag vertritt und auch keine Vollmacht des Architekten vorgelegt worden ist, § 69 Abs. 2 Satz 1, § 71 Abs. 2 BauO NRW. Des Weiteren fehlt es an den erforderlichen Auszügen aus Liegenschaftskataster mit den Anforderungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauPrüfVO an die Darstellung der Umgebung und aus der Deutschen Grundkarte, § 2 Abs. 3 BauPrüfVO. Die Vorlage dieser Bauvorlagen war schon deshalb erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 BauPrüfVO, um die Voraussetzungen des § 34 BauGB prüfen zu können. Ob die Angabe eines falschen Maßstabs auf dem Lageplan unberücksichtigt bleiben könnte, kann dahinstehen.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.