Verwaltungsgericht Köln Urteil, 22. Dez. 2015 - 2 K 3464/15.A

ECLI:ECLI:DE:VGK:2015:1222.2K3464.15A.00
bei uns veröffentlicht am22.12.2015

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. April 2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 22. Dez. 2015 - 2 K 3464/15.A

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 22. Dez. 2015 - 2 K 3464/15.A

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht Köln Urteil, 22. Dez. 2015 - 2 K 3464/15.A zitiert 7 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 83


Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

Referenzen - Urteile

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Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 13. Okt. 2015 - A 5 K 2328/13

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Tenor Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 14.10.2013 wird aufgehoben.Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens. Tatbestand   1 Der Kläger wendet sich dagegen, dass sich die Beklagte für seine

Verwaltungsgericht Köln Urteil, 08. Sept. 2015 - 18 K 4584/15.A

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Tenor Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31.7.2015 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1T a t b e s t a n d 2Der am 00.0.0000 in Vate im Kosovo gebor

Verwaltungsgericht Köln Urteil, 15. Juli 2015 - 3 K 2005/15.A

bei uns veröffentlicht am 15.07.2015

Tenor Der Bescheid der Beklagten vom 17.3.2015 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. 1T a t b e s t a n d : 2Der am 00.00.0000 in Singar, Kreis Mosul geborene Kläger ist irakisch

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Nov. 2014 - A 11 S 1778/14

bei uns veröffentlicht am 10.11.2014

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. Juni 2014 - A 7 K 880/14 - geändert, soweit es der Klage stattgegeben hat.Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien V

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 07. März 2014 - 1 A 21/12.A

bei uns veröffentlicht am 07.03.2014

Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläg
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Köln Urteil, 22. Dez. 2015 - 2 K 3464/15.A.

Verwaltungsgericht Köln Urteil, 10. Nov. 2016 - 1 K 839/15.A

bei uns veröffentlicht am 10.11.2016

Tenor Der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2015 wird aufgehoben. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Beklagte. 1Tatbestand 2Der am 00.00.0000 geborene Kläger zu 1. ist der Vater der Kläger zu 2. und zu 3.  Der Kläger zu 2. ist

Verwaltungsgericht Köln Urteil, 10. Nov. 2016 - 1 K 838/15.A

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Tenor Der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2015 wird aufgehoben. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Beklagte. 1Tatbestand 2Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist kosovarischer Staatsangehöriger; er stammt aus Priština. Die am 0

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Tenor 1. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt. 2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe 1 Zur Entscheidung über den Antrag ist gemäß § 76 Abs. 4 Asy

Verwaltungsgericht Köln Urteil, 07. März 2016 - 16 K 3587/15.A

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Tenor Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. Juni 2015 wird aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Beklagte. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstre

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. Juni 2014 - A 7 K 880/14 - geändert, soweit es der Klage stattgegeben hat.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist nach seinen Angaben 1984 geboren und ein kurdischer Volkszugehöriger aus Syrien, der bis zu seiner Ausreise in Kamischli gelebt hat und staatenlos ist.
Er stellte am 20.11.2013 bei der Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Karlsruhe einen Asylantrag und gab an, er sei am 08.11.2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.
Bei seiner Anhörung beim Bundesamt erklärte der Kläger, er sei über die Türkei zunächst nach Bulgarien eingereist. Dort sei er gleich festgenommen und zweieinhalb Monate in drei verschiedenen Asylcamps untergebracht gewesen. Die Bedingungen seien schlecht gewesen, teilweise habe er nur dreißig Minuten am Tag in den Hof gedurft, habe lediglich ein halbes trockenes Brot und kalte Suppe zu essen bekommen. Das dritte Camp sei ein offenes Camp gewesen; dort habe er die Einrichtung verlassen können. Er sei dann nach Ungarn weitergereist, wo er für drei Tage inhaftiert worden sei. Er sei schließlich mit Hilfe eines Schleusers mit dem LKW nach Stuttgart befördert worden.
Am 20.12.2013 stellte das Bundesamt ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II gestütztes Wiederaufnahmegesuch an die bulgarischen Behörden. Der Kläger habe ausweislich eines Abgleichs der Fingerabdrücke in der EURODAC-Datenbank am 15.04.2013 in Bulgarien einen Asylantrag gestellt, so dass Bulgarien für das Asylgesuch des Klägers zuständig sei. Die bulgarischen Behörden stimmten der Rücküberstellung am 04.02.2014 im Hinblick auf Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II zu und teilten mit, dass der Kläger dort als irakischer Staatsangehöriger mit dem Namen ... registriert sei.
Mit Bescheid vom 07.02.2014 erklärte das Bundesamt den Asylantrag für unzulässig und ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an. Das Bundesamt begründete seine Entscheidung damit, dass Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates (VO Dublin II) vorgelegen hätten. Auf das Übernahmeersuchen vom 20.12.2013 hätten die bulgarischen Behörden mit Schreiben vom 04.02.2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II erklärt. Der Asylantrag des Klägers sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Bulgarien aufgrund des dort bereits durchgeführten Asylverfahrens für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II auszuüben, seien nicht ersichtlich. Gründe für die Annahme von systemischen Mängeln im bulgarischen Asylverfahren lägen nicht vor. Die Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
Am 17.02.2014 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart und suchte zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nach.
Mit Beschluss vom 04.03.2014 ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 07.02.2014 enthaltene Abschiebungsanordnung an (A 7 K 881/14).
Der Kläger trug - u.a. unter Bezugnahme auf den Bericht des UNHCR vom 02.01.2014 - vor, in Bulgarien würden die europarechtlichen Mindeststandards für die Durchführung eines Asylverfahrens nicht eingehalten und Asylbewerber seien einer menschenrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt. Auch wenn der UNHCR in jüngeren Stellungnahmen langsame Verbesserungen im bulgarischen Asylverfahren attestiere und nicht mehr pauschal die Aussetzung von Abschiebungen nach Bulgarien fordere, könne daraus nicht gefolgert werden, beim Kläger bestünde nicht mehr die Gefahr einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung. Eine solche habe er in Bulgarien erlebt. Es liege auf der Hand, dass die im Positionspapier des UNHCR vom 02.01.2014 geschilderten gravierenden Mängel nicht innerhalb weniger Wochen behoben werden könnten. Die Beklagte sei verpflichtet, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben und über den Asylantrag des Klägers zu entscheiden.
Soweit die Klage ursprünglich auch darauf gerichtet war, die Beklagte zu verpflichten, ein Asylverfahren durchzuführen, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und seine Flüchtlingseigenschaft festzustellen, hilfsweise subsidiären Schutz oder Abschiebungsverbote festzustellen, wurde sie zurückgenommen.
10 
Die Beklagte trat der Klage unter Berufung auf den angegriffenen Bescheid entgegen und verwies ergänzend u.a. auf den Bericht des UNHCR vom 15.04.2014. Hiernach leide das Asyl- und Aufnahmesystem in Bulgarien nicht an systemischen Mängeln, die einer Rücküberstellung des Klägers entgegenstünden.
11 
Durch Urteil vom 30.06.2014 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren zum Teil ein und hob den Bescheid der Beklagten vom 07.02.2014 auf.
12 
Zur Begründung führte es u.a. aus: Bulgarien sei für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II zur Wiederaufnahme verpflichtet. Ein Asylbewerber dürfe aber dann nicht an den zuständigen Mitgliedstaat überstellt werden, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat aufgrund systemischer Mängel, d.h. regelhaft so defizitär seien, dass zu erwarten sei, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh drohe. Das Gericht gehe im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) davon aus, dass das Aufnahme- und Asylsystem in Bulgarien weiterhin an systemischen Mängeln leide.
13 
Das Urteil wurde der Beklagten am 03.07.2014 zugestellt. Am 01.08.2014 hat die Beklagte die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluss vom 05.09.2014 (A 11 S 1532/14) hat der Senat die Berufung zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hatte.
14 
Am 18.09.2014 hat die Beklagte die Berufung unter Stellung eines Antrags, wie folgt, begründet: Systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Bulgarien lägen nicht vor, was auch von vielen Verwaltungsgerichten so gesehen werde. Auch das Bundesverwaltungsgericht der Schweiz teile die Auffassung, dass bei der Rückkehr von Antragstellern nach Bulgarien nicht davon auszugehen sei, dass dort eine unmenschliche Behandlung drohe. Zwar habe sich der UNHCR in seinem Bericht vom 02.01.2014 vor dem Hintergrund erheblich gestiegener Flüchtlingszahlen dafür ausgesprochen gehabt, zunächst von Überstellungen nach Bulgarien abzusehen. Dies rechtfertige jedoch nicht die Annahme systemischer Mängel im Sinne der Rechtsprechung des EuGH und des EGMR. Bulgarien unternehme gegenwärtig mit Hilfe des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) und in Kooperation mit dem UNHCR und diversen Nichtregierungsorganisationen große Anstrengungen, um trotz des gestiegenen Flüchtlingszustroms die Anforderungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zu gewährleisten. Laut dem EASO-Bericht über die Bestandsaufnahme der Maßnahmen im Asylbereich in Bulgarien vom 25.02.2014 seien im Rahmen des bis September 2014 andauernden EASO-Unterstützungsprogramms unter anderem Maßnahmen zur Verbesserung des Aufnahmesystems, der Herkunftsländerinformationen, der Ausbildung neuer Kräfte, der Versorgung schutzbedürftiger Personen und der Registrierung von Schutzsuchenden ergriffen worden. Diese Maßnahmen hätten bereits deutliche Verbesserungen im Asylwesen und in den Aufnahmebedingungen bewirkt. Aus diesem Grund gehe auch der UNHCR in seinem aktuellsten Bericht vom 15.04.2014 davon aus, dass Überstellungen nach Bulgarien nicht mehr grundsätzlich ausgesetzt werden müssten. Die rechtlichen Regelungen des Asyl- und Flüchtlingsrechts der Europäischen Union habe Bulgarien in den wesentlichen Grundzügen umgesetzt und sei bestrebt, die tatsächlichen Bedingungen an den Flüchtlingsstrom mit Hilfe der Europäischen Union anzupassen und zeitnah weiter zu verbessern. Seriöse Änderungen der zuvor beschriebenen Verhältnisse im Zugang und der Effektivität des Asylverfahrens ließen sich beobachten. Dabei werde die Situation im bulgarischen Asyl- und Aufnahmesystem und die Umsetzung der Maßnahmen des bis September 2014 andauernden EASO-Einsatzplanes fortlaufend beobachtet und bewertet. Von der bulgarischen Regierung werde eine „Nationale Strategie für Migration, Asyl und Integration 2011 bis 2020" auch mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union umgesetzt. Die bulgarische Regierung arbeite dabei aktiv mit internationalen Organisationen sowie mit Nichtregierungsorganisationen zusammen, um die Situation der Flüchtlinge zu verbessern. Nach dem UNHCR-Bericht vom 15.04.2014 habe die Aufnahmekapazität der sieben Aufnahmezentren Ende März 2014 4150 Plätze mit einer Belegungsrate von 82 % betragen. Nach derzeitigem Kenntnisstand gehe die bulgarische Flüchtlingsbehörde (SAR) davon aus, dass weitere Aufnahmekapazitäten geschaffen würden. Seit Dezember 2013 habe die SAR 160 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, von welchen die Mehrheit in der Verwaltung der Aufnahmeeinrichtungen, unter anderem in der Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt, sowie im Asylverfahren und in der Registrierung der Anträge geschult worden seien. Unter den neu eingestellten Mitarbeitern befänden sich auch Sozialarbeiter. Asylbewerber hätten Zugang zu medizinischer Grundversorgung und Dolmetschern. Die Räumlichkeiten seien beheizt, es stünden getrennte Einrichtungen für alleinstehende Frauen und Männer zur Verfügung. Auch könnten Schutzsuchende auf schriftliche Informationen bezüglich ihrer Rechte und Pflichten sowie bezüglich der Unterstützung durch Hilfsorganisationen zugreifen. Täglich würden zwei warme Mahlzeiten bereitgestellt. Eine monatliche Grundsicherung für Schutzsuchende von 33 Euro werde ausgezahlt. Ab April 2014 würden auch in Harmanli, Vrazdebhna und Voenna Rampa Gemeinschaftsküchen entstehen. Es fänden Renovierungsarbeiten in Vrazdebhna und Voenna Rampa statt, um die Unterbringung und die Sanitäranlagen zu verbessern. In seinem Bericht über die Bestandsaufnahme der Maßnahmen im Asylbereich in Bulgarien vom 25.02.2014 betone EASO, dass seit Oktober 2013 erhebliche Fortschritte gemacht worden seien. Die sofortige Ausstellung der grünen Registrierungskarten und die umfassende Bewegungsfreiheit innerhalb der offenen Zentren seien sichergestellt. EASO berichte des Weiteren, dass die Aufnahmeeinrichtungen größtenteils in annehmbarem Zustand seien und motivierte und engagierte Mitarbeiter hätten. Alle Einrichtungen böten medizinische Versorgung. Sie ermöglichten den Zugang zur Rechtsberatung durch ehrenamtliche Mitarbeiter des Bulgarischen Helsinki-Komitees. Auch wenn es punktuell Engpässe bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Bulgarien geben möge, lasse sich nach alledem kein Systemversagen feststellen, das die Annahme rechtfertigen würde, dass Flüchtlingen in Bulgarien Menschenrechtsverletzungen drohten. Laut dem UNHCR-Bericht vom 15.04.2014 finde die Registrierung der Schutzsuchenden innerhalb von 24 Stunden nach Ankunft in den Aufnahmeeinrichtungen in Sofia, Banya, Harmanli und Pastrogor statt. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung lägen bei der Registrierung von Schutzsuchenden nach Auskunft der staatlichen Flüchtlingsagentur keine Arbeitsrückstände vor. Auch im EASO-Bericht heiße es, dass die Registrierungskarten grundsätzlich einen Tag nach Ankunft des Schutzsuchenden in den Aufnahmezentren ausgestellt und die Anhörungstermine gleich bei der Registrierung festgelegt würden. Gegenseitige Unterstützung und regelmäßiger Informationsaustausch aller Akteure (Innenministerium, Oberste Leitung der Grenzpolizei, Migrationsdirektorat, Gesundheitsministerium, Bulgarisches Helsinki-Komitee und UNHCR) fänden statt. Rechtsberatung, Informationen durch Infoblätter bzw. gegebenenfalls auf andere Weise stünden normalerweise ab der ersten Antragstellung (z.B. an der Grenze) bis zum Abschluss des Registrierungsvorgangs zur Verfügung. Personen, deren Verfahren negativ beschieden oder eingestellt worden sei, hätten, sofern sie dies wünschten, Zugang zu einem neuen Verfahren, in dem die SAR eventuelle neue Erkenntnisse in einer Anhörung prüfe.
15 
Nach dem UNHCR-Bericht vom 15.04.2014 werde bei Schutzsuchenden mit noch nicht abgeschlossenem Verfahren in Bulgarien der Antrag bei Rückkehr nach Bulgarien in dem Verfahrensschritt weiter geprüft, in welchem er sich zuletzt befunden habe, sofern der Antragsteller dies wünsche. Sei das Verfahren unterbrochen und spreche der Antragsteller nicht innerhalb von drei Monaten bei der staatlichen Flüchtlingsagentur vor, so werde das Verfahren in seiner Abwesenheit beendet. Falls noch keine Anhörung stattgefunden habe, werde diese bei Rückkehr nachgeholt, da nach bulgarischem Recht grundsätzlich keine Entscheidung ohne Anhörung erfolgen könne. Das bulgarische Recht erlaube eine Inhaftierung von Personen aufgrund illegaler Einreise, unerlaubtem Aufenthalt oder wegen fehlender gültiger Ausweisdokumente. Unbegleitete Minderjährige würden nicht inhaftiert. In diesen geschlossenen Einrichtungen stünden regelmäßige Mahlzeiten, medizinische Versorgung und Freizeiteinrichtungen einschließlich TV sowie Freiluftaktivitäten zur Verfügung. Der UNHCR stelle mithilfe des Bulgarischen Helsinki Commitees in den Hafteinrichtungen einen regelmäßigen rechtlichen Beratungsdienst unter Beisein eines Dolmetschers zur Verfügung.
16 
Die grundsätzliche Verfügbarkeit medizinischer Versorgung sei zu bejahen. Nach dem Bericht „AIDA, Asylum Information Database National Country Report Bulgaria", werde jeder Antragsteller in Bulgarien von der zuständigen Stelle (staatliche Flüchtlingsagentur) krankenversichert und erhalte eine kostenlose medizinische Behandlung in gleichem Umfang wie ein bulgarischer Staatsbürger. UNHCR habe unter dem 15.04.2014 berichtet, dass in den Zentren Sofia, Banya und Pastrogor Ärzte und Krankenschwestern der staatlichen Flüchtlingsagentur arbeiteten. In Harmanli, Voenna Rampa und Vrazdebhna seien zudem „Ärzte ohne Grenzen“ tätig. Ab Mai 2014 solle diese Aufgabe jedoch von dem durch die staatliche Flüchtlingsagentur neu eingestellten medizinischen Personal übernommen werden. Der ärztliche Dienst werde in Kovachevtsi durch einen Arzt des dortigen Krankenhauses sichergestellt.
17 
Der Bericht „The AIDA Asylum Information Database National Country Report Bulgaria“ lasse keine Zweifel daran, dass die Schutzersuchen von den bulgarischen Behörden ordnungsgemäß geprüft und die Antragsteller dort nicht verfahrenswidrig in ihr Herkunftsland abgeschoben würden.
18 
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. Juni 2014 - A 7 K 880/14 - zu ändern, soweit darin der Klage stattgegeben wurde, und die Klage abzuweisen.
20 
Der Kläger beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Es sei zwar richtig, dass UNHCR in seiner letzten Stellungnahme gewisse Verbesserungen festgestellt habe und nicht mehr pauschal die Aussetzung von Abschiebungen nach Bulgarien fordere. Dieses lasse aber nicht den Schluss zu, dass in Bulgarien keine unmenschliche und erniedrigende Behandlung drohe. Auch nach der Stellungnahme von UNHCR seien zahlreiche gerichtliche Entscheidungen ergangen, die weiter von systemischen Mängeln ausgingen und weiterhin erhebliche Schwachstellen im bulgarischen Asylverfahren festgestellt hätten, insbesondere seien die Veränderungen nicht nachhaltig genug. Nach den vorliegenden Erkenntnissen bestehe berechtigter Anlass zur Sorge, dass gerade Asylbewerber mit besonderen Bedürfnissen in Bulgarien nicht die erforderliche medizinische Betreuung und therapeutische Unterstützung erhielten. Dieses betreffe aber gerade den traumatisierten Kläger.
23 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze verwiesen.
24 
Dem Senat lagen die Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten des Hauptsacheverfahrens wie auch des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes des Verwaltungsgerichts vor. Diese sowie die den Beteiligten und von diesen selbst benannten Erkenntnismittel waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht - zulässigerweise unter Bezugnahme auf den Zulassungsantrag - begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
26 
Die zu Recht auf § 31 Abs. 6 und § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (jeweils i.V.m. § 27a AsylVfG) gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Bulgarien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
27 
1. Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass Bulgarien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat und verpflichtet ist, den Kläger wieder aufzunehmen.
28 
Die Zuständigkeit Bulgariens folgt hier schon aufgrund der eigenen Angaben des Klägers aus Art. 10 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (VO Dublin II), die hier gem. Art. 49 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (VO Dublin III) noch anzuwenden ist. Im Übrigen folgt die Zuständigkeit auch aus der zunächst fingierten und später von Bulgarien ausdrücklich erteilten Zustimmung (vgl. auch Art. 20 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II). Dass mittlerweile das Asylverfahren möglicherweise abgeschlossen wurde, ist im Übrigen unbeachtlich (vgl. Art. 16 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II; vgl. zur Situation abgelehnter Antragsteller unten Ziffer 2 b). Für das Überstellungsverfahren ist nach der Übergangsregelung des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III ebenfalls das alte Recht anzuwenden, da das Übernahmeersuchen bereits am 20.12.2013 an Bulgarien gerichtet worden war, weshalb auch gem. Art. 20 VO Dublin II keine Frist für die Stellung des Wiederaufnahmeersuchens einzuhalten war (vgl. demgegenüber Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III).
29 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Prüfung, ob ein anderer Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig ist oder gar auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II durch die Bundesrepublik Deutschland.
30 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 GRCh und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - a.a.O.).
31 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
32 
Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II bzw. der VO Dublin III und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann (teilweise) zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel oder Schwachstellen (vgl. zum Begriff jetzt Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III) des Asylverfahrens und (bzw. genauer: oder) der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteile vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff. und vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129, Rn. 30).
33 
Systemische Schwachstellen sind solche, die entweder bereits im Asyl- und Aufnahmeregime selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1039, und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 - InfAuslR 2014, 352, mit dem ausdrücklichen Hinweis, die Betroffenen könnten gegenüber einer Überstellungsentscheidung mit Blick auf das Asyl- und Aufnahmesystem nur systemische Schwachstellen und nicht auch vorhersehbare schwere Rechtsverletzungen im Einzelfall einwenden). Dabei ist der Begriff der systemischen Schwachstelle nicht in einer engen Weise derart zu verstehen, dass er geeignet sein muss, sich auf eine unüberschaubare Vielzahl von Antragstellern auszuwirken. Vielmehr kann ein systemischer Mangel auch dann vorliegen, wenn er von vornherein lediglich eine geringe Zahl von Asylbewerbern betreffen kann, sofern er sich nur vorhersehbar und regelhaft realisieren wird und nicht gewissermaßen dem Zufall oder einer Verkettung unglücklicher Umstände bzw. Fehlleistungen von in das Verfahren involvierten Akteuren geschuldet ist (vgl. hierzu Lübbe, ZAR 2014, 97 ff.).
34 
Wesentliche Kriterien für die zu entscheidende Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - 30696/09 - NVwZ 2011, 413), das der Europäische Gerichtshof ausdrücklich in seinem Urteil vom 21.12.2011 zustimmend erwähnt und in seine Überlegungen einbezieht, hat der Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
35 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle der illegalen Einreise wie auch eine Unterschreitung der verfahrensrechtlichen Schutzstandards des Art. 13 EMRK reichen für sich genommen noch nicht aus, um einen relevanten Menschenrechtsverstoß anzunehmen, der zur Suspendierung des Dublin-Systems führen muss. Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat aufgrund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180, 96 - ARL n.F.), welche die zuvor geltende Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31, 18 - ARL a.F.) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden für die Mitgliedstaaten festgelegt. Sie geben für alle Mitgliedstaaten verbindlich vor, was deren Asylsystem zu leisten im Stande sein muss. Diese unionsrechtlichen normativen Vorgaben überlagern darüber hinaus gewissermaßen die allgemeinen - eher niedrigen - völkervertraglichen Schutzstandards des Art. 3 EMRK und konkretisieren nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte diese näher mit der Folge, dass die konkreten Anforderungen an die immer kumulativ festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen sind, aber gleichwohl die typischerweise für die Mehrheit der einheimischen Bevölkerung geltenden Standards nicht völlig aus den Augen verlieren dürfen. Dabei muss jedoch zur Klarstellung darauf hingewiesen werden, dass nicht etwa die Nichterfüllung eines einzelnen Standards der Aufnahmerichtlinie ohne weiteres eine systemische Schwachstelle ausmachen muss, noch viel weniger, dass damit auch eine relevante Schlechtbehandlung verbunden ist.
36 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass die Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
37 
Bei diesem (weiten) Verständnis der systemischen Schwachstellen und bei dieser Ausgangslage bleibt jedenfalls praktisch kein Raum für die Prüfung sonstiger „zielstaatsbezogener“ Gründe. Denn dann kann etwa die mangelnde Behandelbarkeit einer bestimmten Krankheit, soweit dieses systembedingt ist, jeweils eingewandt werden, wenn die Folgen für die Betreffenden den relevanten Grad einer Schlechtbehandlung erreichen würden. Es ist allerdings auch denkbar, dass - eine systemische Schwachstelle unterstellt - einer Schlechtbehandlung im konkreten Einzelfall dadurch vorgebeugt werden kann, dass die Bundesrepublik Deutschland die Überstellung im Zusammenwirken mit dem anderen Mitgliedstaat so organisiert, dass eine solche nicht eintreten kann (vgl. in diesem Zusammenhang ausdrücklich in diesem Sinne EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 - jeweils juris).
38 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Schwachstellen des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren (anders möglicherweise BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - a.a.O. und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 - a.a.O., ohne dass es im vorliegenden Fall darauf ankäme).
39 
Hinzu kommen muss aber immer, dass der konkrete Schutzsuchende auch individuell betroffen wäre. Es genügt nicht, dass lediglich abstrakt bestimmte strukturelle Schwachstellen festgestellt werden, wenn sich diese nicht auf den konkreten Antragsteller auswirken können.
40 
Eine nicht systembedingte Schlechtbehandlung im Zielstaat wird man bei einem Mitglied- oder Vertragsstaat zwar nicht von Rechts wegen (so etwa auch UK Supreme Court vom 19.02.2014 [2014] UKSC 12; unklar BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 -, jeweils a.a.O.), jedoch praktisch ausschließen können (vgl. zu den hohen Anforderungen an die Feststellung der Voraussetzungen des Art. 3 EMRK bei einer Erkrankung, die im Zielstaat nicht adäquat behandelt werden kann, bzw. in Bezug auf die allgemeinen Verhältnisse im Zielstaat VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.08.2013 - A 11 S 688/13 - juris, m.w.N.; anders jedoch, wenn die Verhältnisse Folge etwa eines innerstaatlichen Konflikts sind EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 u.a., Sufi und Elmi - NVwZ 2012, 681).
41 
Außerhalb des Systems liegen auch alle Gründe, die nicht in den Verhältnissen des aufnehmenden Mitgliedstaats zu verorten sind, namentlich die Fallgestaltungen von Transport- und Reiseunfähigkeit (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 15.10.2004 - 11 S 2297/04 - juris und vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 - InfAuslR 2008, 213). Diese unmittelbar der Person der internationalen Schutz Suchenden zuzuordnenden Gründe, sind grundsätzlich nicht geeignet, das europäische Asylsystem infrage zu stellen, weshalb hier auch kein Anlass besteht, einen besonderen Maßstab zu entwickeln. Da insoweit Unionsrecht vollzogen wird (vgl. hierzu und zu Art. 51 Abs. 1 GRCh EuGH, Urteil vom 26.02.2013 - C-617/10, Fransson - NVwZ 2013, 561), ist die Überstellung bzw. die Überstellungsentscheidung am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GRCh (Recht auf Leben) und des Art. 3 Abs. 1 GRCh (Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit) zu überprüfen. Nach dem nationalen Recht ist deren Beachtung Rechtsvoraussetzung für den Erlass der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG (vgl. Senatsbeschluss vom 31.05.2011 - A 11 S 1535/11 - InfAuslR 2011, 310; BayVGH, Beschluss vom 12.03.2014 - 10 CE 14.427 - juris; GK-AsylVfG § 34a Rn. 21 f. m.w.N.).
42 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Bulgarien nunmehr an systemischen Schwachstellen leidet, die gerade den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Bulgarien eine menschenunwürdige Behandlung erfahren zu müssen.
43 
Aus den Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Bulgarien ein ausreichend ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahrens installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten, die allerdings allenfalls abgrenzbare Personengruppen betreffen können, abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine ordnungsgemäße Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht (siehe die Darstellung im Urteil des österreichischen BVwG vom 03.10.2014 - W212 2009059-1 -, S. 3 ff.; vgl. ausführlich auch den von der Beklagten zum Gegenstand ihres Vortrags gemachten Bericht „Aida, Asylum Information Database - National Country Report Bulgaria“, April 2014, S. 14 - im Folgenden aida).
44 
Der Senat geht zunächst davon aus, dass, bedingt durch die im Laufe des Jahres 2013 erheblich angestiegene Zahl von Antragstellern (vgl. Eurostat, Asylum and new asylum applicants by citizenship, age and sex Monthly Data, Last update 22.10.2014; Email UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014; UNHCR, Bulgaria As a Country of Asylum, 02.01.2014, S. 4 - im Folgenden UNHCR I), die u.a. wegen des bereits lange dauernden internen Konflikts in Syrien vermehrt über die türkisch-bulgarische Grenze gekommen waren, das bulgarische Asylsystem, das trotz entsprechender Warnungen völlig unvorbereitet war, total überfordert, wenn nicht gar kollabiert war. Dies hatte erhebliche negative Auswirkungen auf alle Phasen und Aspekte des Asylsystems. So war schon ein effektiver Zugang zum Asylverfahren, insbesondere aus einer bestehenden Abschiebehaft, nicht mehr gewährleistet (vgl. UNHCR I, S. 7; aida, S. 16 f.). Folge hiervon war nicht nur, dass eine bestehende Haft nach Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in unverhältnismäßiger und unzulässiger Weise (bis zu 45 oder gar 60 Tagen) fortdauern konnte, wie dies möglicherweise auch beim Kläger der Fall war, sondern auch, dass der mit der Registrierung als Antragsteller verbundene Zugang zu Unterkunft, Verpflegung, medizinischer Versorgung etc. nicht oder jedenfalls nicht in zumutbarer Zeit erreichbar war. Die Unterbringung in den „Reception Centres“ bzw. „Registration and Reception Centres“ wurde übereinstimmend fast ausnahmslos als weit unter den Standards des unionsrechtlich in den Aufnahmerichtlinien festgelegten Minimums qualifiziert und als menschenunwürdig beschrieben (vgl. aida, S. 41 ff.; Human Rights Watch, Containment Plan - Bulgaria’s Pushbacks and Detention of Syrian and Other Asylum Seekers and Migrants, April 2014, S. 46 ff. - im Folgenden HRW I; UNHCR I, S. 9 f.). Die einzige Ausnahme bildete das Kovachevtsi Centre. Verschärft wurde die Situation noch durch den Umstand, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die eigentlich verpflichtet waren, innerhalb kurzer Zeit (wohl 14 Tagen) die Zentren zu verlassen, weiter dort verbleiben mussten und letztlich durften, weil sie andernfalls - unfähig, selbstverantwortlich eine Unterkunft zu finden und zu bezahlen - obdachlos geworden wären (bordermonitoring u.a., Trapped in Europe’s Quagmire: The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria, 2014, S. 19 f. - im Folgenden bordermonitoring I). Auch wurde immer wieder von körperlichen Übergriffen auf den Polizeistationen und in den Zentren berichtet (HRW I, S. 31 ff.), u.a. auch eine Folge der vollständigen physischen und psychischen Überforderung des dort tätigen Personals. Angesichts der unerträglichen Situation in den Zentren, insbesondere auch der unzumutbaren Überbelegung erklärte eine Vielzahl von Antragstellern einen Verzicht auf eine weitere dortige Unterbringung mit der Folge, dass sie auch jegliche Ansprüche auf Verpflegung etc. verloren hatten und gewissermaßen auf der Straße gelandet waren und erst infolge der eingetretenen Entlastung des bulgarischen Asylsystems (vgl. hierzu im Folgenden) nunmehr wieder in dieses integriert werden können (vgl. HRW I, S. 61 ff.; bordermonitoring I, S. 17 f.; UNHCR, Bulgarien als Asylland, April 2014, S. 10 - im Folgenden UNHCR II). Bei dieser Ausgangslage musste zwangsläufig auch die Behandlung von Kindern, insbesondere unbegleiteten Minderjährigen und generell von sog. „vulnerablen Personen“ völlig unzureichend sein (aida, S. 33 f. und 41 f.; HRW I., S. 51; UNHCR II, S. 8 f.). Insbesondere mangelte es in weiten Teilen an einer adäquaten Betreuung und Vertretung unbegleiteter Minderjähriger (vgl. HRW I, S. 58 ff.; UNHCR II, S. 9).
45 
Zwar wies auch zu dieser Zeit Bulgarien eine hohe Schutzquote auf (vgl. etwa HRW I, S. 66), gleichwohl bestanden - bedingt durch die hohen Eingangszahlen und wohl auch aufgrund unzureichender Qualifikation - unübersehbare Mängel im Verfahren selbst, wie etwa im Bereich der Übersetzung, Protokollführung, der Anhörungen und deren Umsetzung in den Bescheiden (vgl. hierzu aida, S. 20 f.; UNHCR I, S. 12). Der Komplex der rechtlichen Beratung und Unterstützung wurde als in hohem Maße defizitär geschildert, und zwar v.a. im Hinblick auf fehlende finanzielle Mittel und weniger aufgrund der jeweils maßgeblichen rechtlichen Grundlagen bzw. Vorgaben, die nicht grundsätzlich zu kritisieren sind (vgl. wiederum aida, 22 f.).
46 
Bei dieser Sachlage beschloss der Ministerrat Bulgariens im Oktober 2013 einen „Plan for the containment of the crisis resulting from stronger migration pressure on the Bulgarian border“, der zum einen eine Verbesserung der Aufnahmebedingungen sowie der Verfahrensabläufe, zum anderen eine konsequente Verhinderung künftiger unkontrollierter Einwanderung über die Landesgrenze v.a. mit der Türkei zum Inhalt hatte (vgl. HRW I, S. 22 f.). Außerdem wurde von EASO im Herbst 2013 in Zusammenarbeit mit dem bulgarischen Innenministerium, dem Leiter der bulgarischen Flüchtlingsbehörde (SAR) und UNHCR Bulgarien ein „Operating Plan To Bulgaria“ entwickelt, aufgrund dessen unter Hinzuziehung des Bulgarischen Roten Kreuzes und anderer Nichtregierungsorganisationen weitreichende Verbesserungen des gesamten Asylsystems vorgenommen werden sollten. Dieser Plan konzipierte die geplanten Maßnahmen mit einem zeitlichen Horizont bis September 2014 (vgl. zu alledem EASO, Operating Plan To Bulgaria, März 2014).
47 
In Vollzug des Ministerratsbeschlusses vom Oktober wurde mit dem Bau eines Zaunes an der Grenze zur Türkei begonnen, der mittlerweile in der vorgesehenen Länge fertiggestellt ist (vgl. Agence France-Presse, Bulgarie: des barbelés pour stopper les réfugiés vom 17.7.2014). Zuvor waren zur vorläufigen Absicherung der Grenze etwa 1500 Polizisten an die Grenze verlegt worden. Es gibt glaubhafte und nach Einschätzung des Senats zuverlässig recherchierte Berichte über eine Vielzahl von Zurückschiebungen über die Grenze in die Türkei aus der Zeit zwischen Ende 2013 bis in den Herbst 2014 (vgl. HRW I, S. 14 ff. und Annex 2, S. 3 ff. zu den Einwänden des bulgarischen Innenministers in dessen Schreiben vom 29.04.2014; bordermonitoring vom 21.09.2014). Damit verstieß und verstößt Bulgarien gegen das unionsrechtliche wie auch das völkerrechtliche Refoulement-Verbot nach Art. 21 Abs. 1 QRL bzw. Art. 33 GFK (vgl. hierzu im Einzelnen Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., 2012, § 52). Denn zum einen ist die Türkei kein sicherer Drittstaat, weil sie die Genfer Flüchtlingskonvention und das Protokoll von 1967 nur mit einem regionalen Vorbehalt gezeichnet hat; zum anderen hat sich Bulgarien offensichtlich nicht vergewissert, dass die Türkei nicht in einen potentiell verfolgenden Herkunftsstaat „weiterschiebt“. Da das Refoulement-Verbot auch eine Zurückweisung an der Grenze untersagt, sofern nicht eine Massenfluchtbewegung gegeben ist (vgl. Marx, a.a.O., § 52 Rn. 5 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), wovon aber in Bezug auf Bulgarien noch nicht auszugehen sein wird, dürfte auch die Errichtung des Grenzzauns kaum mit dem Refoulement-Verbot in Einklang stehen, zumal nach der Auskunftslage nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine offizielle Anreise über die türkischen Grenzübergangsstellen möglich ist (vgl. HRW I., S. 25). Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil hiervon Flüchtlinge, die sich bereits im Asylverfahren befinden, nicht betroffen sind. Jedenfalls hat diesbezüglich die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Bulgarien eingeleitet (vgl. österreichisches BVwG, Urteil vom 03.10.2014 - W212 2009059-1 -, S. 6).
48 
Nicht zuletzt mit Rücksicht auf die geschilderten Maßnahmen ist die Zahl der Antragsteller seit Anfang des Jahres zunächst erheblich zurückgegangen, wobei allerdings für den Monat August und September wiederum ein Anstieg zu verzeichnen ist (vgl. Eurostat, a.a.O.). Auch dieses hat zu einer erheblichen Entlastung des bulgarischen Asylsystems geführt und mit dazu beigetragen, dass die von EASO ins Auge gefassten Maßnahmen unter erleichterten Rahmenbedingungen in Angriff genommen und durchgeführt werden konnten. Im Wesentlichen übereinstimmend wird von erheblichen Verbesserungen berichtet.
49 
Die Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen sind grundlegend in baulicher wie auch personeller Hinsicht angegangen und auch im Wesentlichen behoben worden. Auch die besonderen Problemfälle der Zentren Vrazdebhna, Harmanli und Voenna Rampa waren im April 2014 in Angriff genommen worden, sie wurden im Frühjahr 2014 (noch) saniert, weshalb die in der Pressemitteilung des Niedersächsischen Flüchtlingsrats vom 02.09.2014 angesprochenen und kritisierten Verhältnisse in Voenna Rampa in dieser Allgemeinheit nicht mehr aktuell sind. Auch die in dem Reisebericht von Rahmi Tuncer vom 15.10.2014 wiedergegebenen Schilderungen beziehen sich teilweise auf die Vergangenheit und sind nach den anderen verwerteten Erkenntnismitteln nicht mehr uneingeschränkt aktuell. Gleichzeitig wurden die Unterbringungskapazitäten von 4150 (bei einer damaligen Belegungsquote von nur noch rund 80 v.H.) auf etwa 6000 Plätze erweitert, ohne dass diese erschöpft wären (vgl. aida, S. 41 ff. und UNHCR II, S. 6 ff.; HRW I, S. 46 f.; Emails von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014 und vom 07.11.2014). Dass die Verhältnisse nach wie vor defizitär und wenig befriedigend sein mögen, wie dies im Übrigen auch für einen nicht unerheblichen Teil der einheimischen Bevölkerung der Fall ist, rechtfertigt allein nicht die Annahme, dass sie generell nicht mehr menschenwürdegemäß wären. Die prekäre Versorgung mit Nahrung und Lebensmitteln in den Zentren ist entscheidend verbessert worden; v.a. ist seit Anfang Februar 2014 sichergestellt, dass täglich mindestens zwei warme Mahlzeiten ausgegeben werden; zum Teil bestehen nunmehr auch eigene private Kochmöglichkeiten (vgl. UNHCR II, S. 8). Dass die Qualität möglicherweise immer wieder zu wünschen übrig lässt, kann, solange dieses keine gesundheitlich bedenkliche Mangelernährung zur Folge hat, nicht als systemische Schwachstelle, geschweige denn als eine nicht menschenwürdegemäße Schlechtbehandlung angesehen werden. Defizitär ist hingegen noch die systematische und flächendeckende Versorgung von Babys und Kleinstkindern mit ihnen adäquater Nahrung, jedenfalls teilweise ist eine Versorgung allerdings durch den Einsatz von Nichtregierungsorganisationen gewährleistet (ai, Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Bulgarien sind weiterhin auszusetzen, S. 6 f. - im Folgenden ai; UNHCR II, S. 8). Gewisse Verbesserungen bei den Unterbringungsbedingungen sind auch eingetreten für Familien mit kleineren Kindern, alleinstehende Frauen mit Kindern und unbegleitete Minderjährige, ohne allerdings das erforderliche Minimum an Privatheit zuzulassen und auch immer ausreichenden Schutz vor Übergriffen zu bieten. Nach wie vor sind daher erhebliche Defizite auszumachen (UNHCR II, S. 7 und 9; aida, S. 43; ai, S. 6 f.). Ob bei diesen Aufnahmebedingungen insoweit eine dieser Personengruppe angemessene Unterbringung gewährleistet ist, und insbesondere, ob diese als unmenschliche und entwürdigende Behandlung zu qualifizieren wäre, lässt der Senat, weil nicht entscheidungserheblich, offen.
50 
Angesichts der dargestellten Verbesserungen in den Aufnahmeeinrichtungen ist - jedenfalls derzeit bei nicht dramatisch steigenden Zahlen von Antragstellern - nicht damit zu rechnen, dass das bulgarische Aufnahmesystem wieder kollabieren wird und in Folge dessen, dass die Asylsuchenden die Zentren aus eigenem „Wunsch“ verlassen, damit aber auch keine Unterstützung mehr erhalten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach den Stellungnahmen von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014 und vom 07.11.2014 im Oktober 2014 noch erhebliche Unterbringungs- bzw. Aufnahmekapazitäten (35 v.H.) frei waren und die ansteigenden Flüchtlingszahlen das Land nicht mehr, wie noch im vergangenen Jahr, unvorbereitet und ohne Hilfe der Europäischen Union treffen bzw. treffen werden.
51 
Kritisiert wird weiterhin, dass Flüchtlingskinder allenfalls teilweise Zugang zu schulischer Bildung, Sprachkursen und Freizeitaktivitäten haben (vgl. etwa ai, S. 8; UNHCR II, S. 13). Eine menschenunwürdige Schlechtbehandlung ist darin aber nicht zu sehen.
52 
UNHCR und andere Stellen beanstanden nach wie vor, dass effektive Mechanismen zur systematischen Identifizierung von Personen mit besonderen Bedürfnissen nicht zur Verfügung stehen bzw. jedenfalls nicht in dem gebotenen Maße tatsächlich genutzt werden und dass selbst Nichtregierungsorganisationen nicht in der Lage sind, die bestehenden Lücken und Defizite zu schließen bzw. zu beheben (UNHCR II, S. 8 f.; aida, S. 33). Betroffen ist der Kläger jedoch hiervon offensichtlich nicht.
53 
Im Argen liegt weiterhin die Situation der unbegleiteten Minderjährigen, denen tatsächlich in größerem Umfang die erforderlichen Vormünder nicht gestellt werden und die dementsprechend gesetzeswidrig ohne die notwendige Vertretung bleiben, zumindest jedoch keine ausreichend kompetente Vertretung erhalten (vgl. im Einzelnen HRW I., S. 54 ff.; UNHCR II, S. 9; aida., S. 35).
54 
Die - gerade auch kostenlose - medizinische Versorgung (vgl. Art. 15 ARL a.F. bzw. Art. 19 ARL n.F.) und v.a. der Zugang zu ihr ist nach der Auskunftslage nicht immer in dem gebotenen Maße sichergestellt, zumal sich „Ärzte ohne Grenzen“ mittlerweile definitiv aus der Versorgung der Flüchtlinge zurückgezogen haben und nicht hinreichend geklärt erscheint, ob diese tatsächlich in dem gebotenen Maße ersetzt werden können und auch noch während deren Tätigkeit die Situation zum Teil jedenfalls durchaus prekär und durch Lücken und Defizite gekennzeichnet war (vgl. UNHCR II, S. 8; aida, S. 34 und 47; bordermonitoring I, S. 16; vgl. Médecins sans Frontières v. 06.06.2014, die immerhin (nur) die Hoffnung ausdrücken, dass sich die Lage trotz ihres Abzugs weiter verbessern werde). Die Lage ist für die Betroffenen auch deswegen besonders problematisch, weil sie in vielen Fällen nicht über die erforderlichen Informationen verfügen und erhebliche, nicht durch ausreichend qualifizierte Sprachmittler behebbare Kommunikationsschwierigkeiten bestehen (bordermonitoring I, S. 16; vgl. auch zur Gesundheitsversorgung in den Haftanstalten und die dort ebenfalls bestehenden sprachlichen Kommunikationsprobleme aida, S. 51 f.). Es gibt auch Berichte, wonach Personal des Gesundheitswesens nur gegen Bestechung bereit war, die gebotene Behandlung zu leisten (vgl. bordermonitoring I, S. 16) bzw. - allgemeiner ausgedrückt - ohne Bezahlung keine Untersuchungen durchgeführt wurden (vgl. Reisebericht Rahmi Tuncer vom 15.10.2014). Zwar übersieht der Senat nicht, dass die prekäre Lage zu einem nicht unerheblichen Teil dem schlechten Gesundheitssystem Bulgariens selbst und dessen niedrigeren Standards geschuldet ist und die Flüchtlinge rechtlich nur allgemein der bulgarischen Bevölkerung gleichgestellt werden (vgl. aida, S. 47). Die bestehenden Probleme, einen effektiven Zugang zu einer Gesundheitsversorgung zu erhalten, und die offenbar verbreitete Korruption machen sie in diesem System aber besonders verletzlich, weshalb sie im Falle einer ernsthaften und schweren Erkrankung einem realen Risiko ausgesetzt sein können, Schaden an Leib oder Leben zu nehmen. Dabei muss zudem bedacht werden, dass die hier infrage stehenden Personen in besonderem Maße durch die fluchtauslösenden Anlässe und die Erlebnisse auf der Flucht gezeichnet sein können (vgl. aida, S. 47). Der Senat ist sich dabei auch des Umstandes bewusst, dass an sich Art. 3 EMRK nach der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kein Verbleiberecht gewährt, um eine medizinisch notwendige Behandlung durchführen lassen zu können, auch wenn die Betroffenen an einer schweren Krankheit leiden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 06.02.2001 - 44599/98). Allerdings gelten die Standards des Art. 19 ARL n.F. darüber hinaus, wenn hiernach zumindest eine Notbehandlung und die unbedingt erforderlichen Behandlungen von Krankheiten und schweren psychischen Störungen unionsrechtlich versprochen sind mit der Folge, dass dann, wenn diese „systemisch“ - auch nur bei bestimmten (begrenzten) Krankheitsbildern - nicht oder jedenfalls nicht effektiv zur Verfügung stehen bzw. erreicht werden können, von einem die Überstellung hindernden Mangel auszugehen wäre. Dieser Frage wird aus gegebenem Anlass noch nachzugehen sein. Im Falle des Klägers jedenfalls besteht ein solcher nicht. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 03.11.2014, die trotz eines entsprechenden Hinweises des Senats nicht weiter substantiiert wurde, ist bei weitem nicht ausreichend aussagekräftig. Sie ist weit davon entfernt den Mindestvoraussetzungen für die Darlegung (und Glaubhaftmachung) einer psychischen behandlungsbedürftigen Erkrankung (insbesondere einer posttraumatischen Belastungsstörung), geschweige denn eines hierauf gerichteten Beweisantritts zu genügen (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 - 10 C 8.07 - NVwZ 2008, 330; Senatsbeschluss vom 10.07.2003 - 11 S 2622/02 - InfAuslR 2004, 423; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.02.2012 - 2 M 29/12 - AuAS 2012, 136). Der Senat bemerkt hierzu, dass der Kläger bei seiner im Verwaltungsverfahren erfolgten Anhörung von einer Inhaftierung von zweieinhalb Monaten gesprochen hatte, während er dem behandelnden Therapeuten gegenüber eine drei bis vier Monate dauernde Inhaftierung erwähnt hatte. Im Übrigen gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Senats an, dass er sich wegen Schlafstörungen in Behandlung begeben habe; er müsse immer an Bulgarien und Syrien denken. Die mündliche Verhandlung ergab weiter, dass dem Kläger ein Antidepressivum verschrieben wurde, das er nach wie vor einnimmt. Die vom Arzt verschriebene Medikation beläuft sich jedoch auf nur eine halbe Tablette, während nach dem vom Senat eingesehenen Beipackzettel die durchschnittliche Medikation bei 1 Tablette bis zu maximal 3 Tabletten täglich liegt. Hinzu kommt, dass nur halbstündliche Sitzungen stattfinden, wobei zudem ein Dolmetscher hinzugezogen werden muss. Schließlich konnte der Kläger nicht einmal angeben, in welchem Abstand die Sitzungen stattfinden, insbesondere auch ob dies regelmäßig der Fall ist. Vor diesem Hintergrund kann es sich nach Überzeugung des Senats nicht um ein stark ausgeprägtes Krankheitsbild handeln, das zwingend eine durchgängige ärztliche Behandlung erforderlich macht. Die Ausführungen in der genannten Bescheinigung sind nicht nachvollziehbar. Offenbar ist der Behandler sich auch nicht einmal selbst sicher, dass eine längerfristige Behandlung zwingend erforderlich ist, wenn er nur davon schreibt, dass eine solche indiziert zu sein „scheint“. Wenn schließlich die Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung auf Befragung äußerte, dass der Behandler auf ihre Nachfrage erklärt habe, keine weitere und v.a. keine ausführlichere Stellungnahme mehr abgeben zu wollen, so sieht der Senat keine Veranlassung zu einer weiteren Aufklärung und geht davon aus, dass etwaige systemische Mängel des bulgarischen Gesundheitssystems den Kläger nicht betreffen würden.
55 
Des Weiteren sind eine zeitnahe Registrierung von Asylgesuchen und damit ein schneller Zugang zum Asylverfahren nunmehr grundsätzlich gewährleistet und nicht mehr systemimmanent defizitär, allerdings ist nach den verwerteten Erkenntnismitteln nicht auszuschließen, dass es im Falle einer Antragstellung aus der Haft nach wie vor zu Verzögerungen von einigen Tagen kommen kann, die möglicherweise auch vermeidbar wären (vgl. zu alledem UNHCR II, S. 4 ff.; ai, S. 3 f.). Ein grundlegender, das gesamte Asylsystem betreffender Mangel liegt hierin aber nicht (mehr). Die Tatsache allein, dass Ausländer und Ausländerinnen, die illegal eingereist sind, zunächst in größerem Umfang inhaftiert werden, solange sie keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, stellt keine systemische Schwachstelle des Asylsystems dar, sofern, wie nunmehr, sichergestellt ist, dass sie nach der Antragstellung zeitnah registriert werden, auch wenn die Inhaftierungen nicht immer den Vorgaben des Art. 15 der RL 2008/115/EG vom 16.12.2008 (ABl. L 348, 98 - RFRL) entsprechen sollten.
56 
Die früher festgestellten Mängel in Bezug auf das Prüfungsverfahren und die Entscheidungen über die Gewährung internationalen Schutzes (vgl. aida, S. 20 ff.) sind zwar nicht gänzlich ausgeräumt, allerdings sind positive Veränderungen auf den Weg gebracht worden. Die Verfahrensdauer, die bei syrischen Staatsangehörigen in der Regel ohnehin nicht zu beanstanden war, wurde mittlerweile auch bei nicht syrischen Flüchtlingen wesentlich verkürzt (vgl. UNHCR II, S. 11 f.). Die Bereitstellung von Informationen für die Antragsteller über den Ablauf des Verfahrens und die in diesem Zusammenhang bestehenden Rechte wurden wesentlich verbessert, ohne aber wiederum als vollständig befriedigend qualifiziert werden zu können (vgl. aida, S. 30 f.). Zumindest für ein Erstverfahren ist eine kostenlose Rechtsberatung rechtlich gewährleistet, steht mit Rücksicht auf eine unzureichend finanzielle Ausstattung allerdings staatlicherseits nicht zuverlässig zur Verfügung, weshalb Nichtregierungsorganisationen, wie das Bulgarische Helsinki Komitee, einspringen und teilweise selbst die unentgeltliche Vertretung übernehmen müssen (vgl. UNHCR II, S. 11 f.; aida, S. 22). Diese Defizite werden jedoch - auch in Anbetracht der stattgefundenen Verbesserungen - vom Senat nicht als derart grundlegend eingestuft, dass sie als systemisch zu qualifizieren wären.
57 
Wenn erhebliche Bedenken gegen eine in Art. 45b Abs. 1 Nr. 3 des bulgarischen Asyl- und Flüchtlingsgesetz geplante gesetzliche Änderung des Haftrechts formuliert und die Weite bzw. die Unbestimmtheit der Haftgründe kritisiert werden, so mag in der Tat die vorgeschlagene Formulierung weiter geraten sein, als dies Art. 8 Abs. 3 lit. d) ARL n.F. vorsieht. Aber selbst wenn der Gesetzesentwurf tatsächlich in dieser Form verabschiedet werden sollte, was bislang noch nicht geschehen ist (vgl. Email von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014), so stehen jedoch einer unionsrechtskonformen Auslegung und Anwendung keine Hindernisse entgegen. Solange sich aber die bulgarischen Behörden und Gerichte einer solchen Handhabung nicht systematisch und durchgängig verweigern, kann von einem hier relevanten Mangel nicht gesprochen werden.
58 
Sog. Dublin-Rückkehrern steht ein Erstverfahren weiterhin offen, soweit eine persönliche Anhörung noch nicht stattgefunden hat (vgl. UNHCR II, S. 14), auch wenn nach der Gesetzeslage nach einem „Nichtbetreiben“ des Verfahrens wegen Abwesenheit über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten das Verfahren an sich beendet ist; Folge der Fortführung ist, dass die Betroffenen wieder in das normale Aufnahmesystem integriert werden. Das Verfahren wird allerdings dann nicht mehr eröffnet, wenn eine Anhörung bereits durchgeführt und das Verfahren daraufhin endgültig abgeschlossen worden war. Dann sind die Betroffenen auf einen Folgeantrag verwiesen, was aber in Einklang mit den Vorgaben der Verfahrensrichtlinie RL 2005/85/EG steht. Nach Art. 20 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 32 ist der Verweis auf ein Folgeverfahren grundsätzlich möglich. Allerdings wird hier Art. 28 Abs. 2 der Neufassung (RL 2013/32/EU) eine gewisse Anpassung erforderlich machen.
59 
Die Lage der beachtlich hohen Zahl von anerkannten international Schutzberechtigten wird durchgängig als wenig zufriedenstellend, wenn nicht gar schlecht beschrieben (vgl. etwa UNHCR II, S. 12 f). Dass ein wirklich schlagkräftiges Integrationsprogramm existieren und v.a. bereits erfolgreich praktiziert werden würde, ist für den Senat nicht ersichtlich. Allenfalls sind erste Ansätze erkennbar (vgl. HRW II, S. 4 f.). Dabei darf nicht übersehen werden, dass hier das Unionsrecht den Betroffenen lediglich Inländergleichbehandlung (vgl. etwa Art. 26. 27, 28 Abs. 1, 29, 30 RL 2011/95/EU - QRL) oder Gleichbehandlung mit anderen sich rechtmäßig aufhaltenden Ausländern (vgl. etwa Art 32 und 33 QRL) verspricht und sie damit nur teilhaben an den schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen weiter Teile der bulgarischen Bevölkerung. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass nach den allgemein zugänglichen Daten des Statistischen Bundesamts das Bruttoprokopfeinkommen Bulgariens im Jahre 2013 7030 USD betrug, damit noch erheblich unter dem von Rumänien (9060 USD) lag und etwa dem Niveau Südafrikas (7190 USD) entsprach. Nach den verwerteten Angaben von Eurostat (vgl. Pressemitteilung Nr. 184/2013 vom 05.12.2003) belief sich im Jahre 2012 der Anteil der Bevölkerung Bulgariens, der von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen bzw. bedroht ist, auf 49 v.H. (Rumänien 42 v.H.; Niederlande und Tschechische Republik 15 v.H.). Die rechtliche Gleichbehandlung ist dabei aber, soweit für den Senat erkennbar, weitgehend hergestellt. So erhalten Flüchtlinge ebenso wie bedürftige bulgarische Staatsangehörige gleichermaßen Leistungen in Höhe von 33 EUR monatlich. Im Übrigen finden sich im Unionsrecht lediglich - teilweise wenig bestimmte - Handlungsaufträge (vgl. Art. 28 Abs. 2, Art. 34 QRL). Der Senat ist sich der Tatsache bewusst, dass etwa ohne flächendeckende Sprachkurse, namentlich für Kinder und Jugendliche, der an sich garantierte gleiche Zugang zu Bildung und Ausbildung bzw. zum Arbeitsmarkt weitgehend auf dem Papier steht und faktisch nicht eingelöst werden kann. Selbst wenn solche jedoch nicht in dieser Weise angeboten werden und teilweise nur aufgrund der Hilfe und Mitwirkung von UNHCR und Caritas durchgeführt werden können, so bedeutet dies nicht, dass deshalb eine relevante Schlechtbehandlung angenommen werden kann, auch wenn es sich um einen sicherlich bedeutsamen Aspekt (von vielen) handelt, mit dem man rechtspolitisch das Europäische Asylsystem in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung infrage stellen kann.
60 
Die Situation unbegleiteter Minderjähriger bedürfte bei gegebenem Anlass mit Rücksicht auf Art. 31 QRL ebenfalls einer gesonderten Betrachtung.
61 
Zwar stehen die geschilderten Fortschritte auch im Zusammenhang mit den zurückgegangenen Anträgen, die wiederum zu einem wesentlichen Teil mit den nicht unionsrechts- und völkerrechtskonformen Zurückschiebungen und den nicht unbedenklichen Absperrmaßnahmen an der Grenze zur Türkei (vgl. etwa HRW I, S. 7) zusammenhängen, sie haben aber jedenfalls faktisch, worauf es allein ankommt, zu einer Situation geführt, in der zumindest für den Personenkreis von nicht ernsthaft erkrankten Alleinstehenden und Familien, zu denen keine kleinen Kinder gehören, nicht davon ausgegangen werden kann, dass durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme festgestellt werden können, dass diese im Falle einer Überstellung nach Bulgarien dort Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein. Zwar sind die Zugangszahlen wieder im Steigen begriffen, jedoch sind, wie bereits ausgeführt, noch erhebliche Kapazitäten frei. Hinzu kommt (und dabei handelt es sich um einen wesentlichen Beurteilungsaspekt), dass Bulgarien - anders als im Vorjahr - nicht mehr völlig unvorbereitet und ohne Hilfe der Union und von UNHCR mit steigenden Zugangszahlen konfrontiert sein wird. Was den Personenkreis der Familien mit kleinen Kindern, ernsthaft Erkrankten und unbegleiteten Minderjährigen betrifft, lässt, weil nicht entscheidungserheblich, der Senat ausdrücklich offen, ob hier eine andere Beurteilung vorzunehmen ist, ferne läge sie jedoch nach dem oben Dargelegten nicht. In diesem Zusammenhang wäre auch ggf. zu klären, ob im Fall einer Überstellung etwa festgestellte, an sich bestehende Mängel durch konkrete Absprachen zwischen den für die Aufenthaltsbeendigung zuständigen deutschen Ausländerbehörden und den bulgarischen Behörden in einer Weise kompensiert werden können, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vermieden werden kann (vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 - jeweils juris).
62 
3. Sonstige Mängel des angegriffenen Bescheids sind nicht gegeben. Allerdings hat die Beklagte die Ziffer 1 in der Weise formuliert, dass (nur) eine Feststellung getroffen wurde mit der Folge, dass auf den ersten Blick möglicherweise formal betrachtet nicht den Anforderungen des § 31 Abs. 6 AsylVfG genügt wird und deshalb die Gestattungswirkung des § 55 Abs. 1 AsylVfG nicht gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG zum Erlöschen gebracht werden konnte, weshalb dann in Ermangelung einer bestehenden Ausreisepflicht die Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylVfG nicht erfüllt wären. Die angegriffene Verfügung ist jedoch auch im Hinblick auf den maßgeblichen Empfängerhorizont (vgl. §§ 133, 157 BGB entspr.) in der Weise auszulegen, dass der Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde und auch werden sollte (a.A. VG Frankfurt, Urteil vom 21.07.2014 - 7 K 352/14.F.A - juris). Denn es ist auch aus der Sicht des Klägers offensichtlich, dass die Beklagte mit ihrer Verfügung die Grundlage für den Erlass der Überstellungsentscheidung legen wollte, was aber, wie gezeigt, zwingend voraussetzt, dass die Ausreisepflicht begründet werden muss. Es wäre sinnwidrig, der Beklagten zu unterstellen, dass sie etwas verfügen wollte und in letzter Konsequenz verfügt hat, was ersichtlich insoweit ungeeignet ist (vgl. noch zu der Frage, ob trotz Erlass einer Abschiebungsanordnung eine freiwillige oder kontrollierte Ausreise ermöglicht werden muss, Senatsurteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - juris).
63 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die es rechtfertigen würden, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
25 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht - zulässigerweise unter Bezugnahme auf den Zulassungsantrag - begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.
26 
Die zu Recht auf § 31 Abs. 6 und § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (jeweils i.V.m. § 27a AsylVfG) gestützte Verfügung der Beklagten, mit der der Asylantrag als unzulässig qualifiziert und die Abschiebung des Klägers nach Bulgarien angeordnet wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sein Asylantrag durch die Bundesrepublik Deutschland geprüft wird.
27 
1. Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass Bulgarien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat und verpflichtet ist, den Kläger wieder aufzunehmen.
28 
Die Zuständigkeit Bulgariens folgt hier schon aufgrund der eigenen Angaben des Klägers aus Art. 10 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (VO Dublin II), die hier gem. Art. 49 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (VO Dublin III) noch anzuwenden ist. Im Übrigen folgt die Zuständigkeit auch aus der zunächst fingierten und später von Bulgarien ausdrücklich erteilten Zustimmung (vgl. auch Art. 20 Abs. 1 lit. c) VO Dublin II). Dass mittlerweile das Asylverfahren möglicherweise abgeschlossen wurde, ist im Übrigen unbeachtlich (vgl. Art. 16 Abs. 1 lit. e) VO Dublin II; vgl. zur Situation abgelehnter Antragsteller unten Ziffer 2 b). Für das Überstellungsverfahren ist nach der Übergangsregelung des Art. 49 Abs. 2 VO Dublin III ebenfalls das alte Recht anzuwenden, da das Übernahmeersuchen bereits am 20.12.2013 an Bulgarien gerichtet worden war, weshalb auch gem. Art. 20 VO Dublin II keine Frist für die Stellung des Wiederaufnahmeersuchens einzuhalten war (vgl. demgegenüber Art. 23 Abs. 2 VO Dublin III).
29 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Prüfung, ob ein anderer Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig ist oder gar auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VO Dublin II durch die Bundesrepublik Deutschland.
30 
a) Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417), die der Unionsgesetzgeber nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III umgesetzt hat, ist ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 GRCh und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten müssen bei ihrer Entscheidung, ob sie von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, diese Grundsätze beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - a.a.O.).
31 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
32 
Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der VO Dublin II bzw. der VO Dublin III und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts wie auch von Art. 4 GRCh durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist hier deshalb nur dann (teilweise) zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel oder Schwachstellen (vgl. zum Begriff jetzt Art. 3 Abs. 2 UA 2 VO Dublin III) des Asylverfahrens und (bzw. genauer: oder) der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteile vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 ff. und vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129, Rn. 30).
33 
Systemische Schwachstellen sind solche, die entweder bereits im Asyl- und Aufnahmeregime selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1039, und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 - InfAuslR 2014, 352, mit dem ausdrücklichen Hinweis, die Betroffenen könnten gegenüber einer Überstellungsentscheidung mit Blick auf das Asyl- und Aufnahmesystem nur systemische Schwachstellen und nicht auch vorhersehbare schwere Rechtsverletzungen im Einzelfall einwenden). Dabei ist der Begriff der systemischen Schwachstelle nicht in einer engen Weise derart zu verstehen, dass er geeignet sein muss, sich auf eine unüberschaubare Vielzahl von Antragstellern auszuwirken. Vielmehr kann ein systemischer Mangel auch dann vorliegen, wenn er von vornherein lediglich eine geringe Zahl von Asylbewerbern betreffen kann, sofern er sich nur vorhersehbar und regelhaft realisieren wird und nicht gewissermaßen dem Zufall oder einer Verkettung unglücklicher Umstände bzw. Fehlleistungen von in das Verfahren involvierten Akteuren geschuldet ist (vgl. hierzu Lübbe, ZAR 2014, 97 ff.).
34 
Wesentliche Kriterien für die zu entscheidende Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK, der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21.01.2011 (M.S.S./Belgien und Griechenland - 30696/09 - NVwZ 2011, 413), das der Europäische Gerichtshof ausdrücklich in seinem Urteil vom 21.12.2011 zustimmend erwähnt und in seine Überlegungen einbezieht, hat der Gerichtshof für Menschenrechte eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang und ohne Perspektive in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden.
35 
Art. 3 EMRK kann aber nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er (aus sich heraus) die Vertragsparteien verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - a.a.O., Rn. 249, m.w.N). Eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle der illegalen Einreise wie auch eine Unterschreitung der verfahrensrechtlichen Schutzstandards des Art. 13 EMRK reichen für sich genommen noch nicht aus, um einen relevanten Menschenrechtsverstoß anzunehmen, der zur Suspendierung des Dublin-Systems führen muss. Etwas anderes gilt aber nach der genannten Entscheidung des EGMR, wenn der jeweilige Staat aufgrund bindender rechtlicher Vorgaben die Pflicht zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung hat, wie hier nach der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180, 96 - ARL n.F.), welche die zuvor geltende Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 (ABl. L 31, 18 - ARL a.F.) ersetzt hat. Die genannten Richtlinien haben Minimalstandards für die Aufnahme von Asylsuchenden für die Mitgliedstaaten festgelegt. Sie geben für alle Mitgliedstaaten verbindlich vor, was deren Asylsystem zu leisten im Stande sein muss. Diese unionsrechtlichen normativen Vorgaben überlagern darüber hinaus gewissermaßen die allgemeinen - eher niedrigen - völkervertraglichen Schutzstandards des Art. 3 EMRK und konkretisieren nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte diese näher mit der Folge, dass die konkreten Anforderungen an die immer kumulativ festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung niedriger anzusetzen sind, aber gleichwohl die typischerweise für die Mehrheit der einheimischen Bevölkerung geltenden Standards nicht völlig aus den Augen verlieren dürfen. Dabei muss jedoch zur Klarstellung darauf hingewiesen werden, dass nicht etwa die Nichterfüllung eines einzelnen Standards der Aufnahmerichtlinie ohne weiteres eine systemische Schwachstelle ausmachen muss, noch viel weniger, dass damit auch eine relevante Schlechtbehandlung verbunden ist.
36 
Wenn der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 21.12.2011 (a.a.O.) als Voraussetzung für eine unzulässige Überstellung an einen anderen an sich zuständigen Mitgliedstaat wegen sog. systemischer Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen fordert, dass die Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh durch ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe gestützt wird, so setzt dies voraus, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sind; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936, Rn. 32; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris, Rn. 9).
37 
Bei diesem (weiten) Verständnis der systemischen Schwachstellen und bei dieser Ausgangslage bleibt jedenfalls praktisch kein Raum für die Prüfung sonstiger „zielstaatsbezogener“ Gründe. Denn dann kann etwa die mangelnde Behandelbarkeit einer bestimmten Krankheit, soweit dieses systembedingt ist, jeweils eingewandt werden, wenn die Folgen für die Betreffenden den relevanten Grad einer Schlechtbehandlung erreichen würden. Es ist allerdings auch denkbar, dass - eine systemische Schwachstelle unterstellt - einer Schlechtbehandlung im konkreten Einzelfall dadurch vorgebeugt werden kann, dass die Bundesrepublik Deutschland die Überstellung im Zusammenwirken mit dem anderen Mitgliedstaat so organisiert, dass eine solche nicht eintreten kann (vgl. in diesem Zusammenhang ausdrücklich in diesem Sinne EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 - jeweils juris).
38 
Daraus, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 21.01.2011 (a.a.O., Rn. 263 f.) verschiedentlich auf die besondere Situation des Beschwerdeführers in Griechenland abgestellt und diese besonders erwähnt hat, kann nicht geschlossen werden, dass in den Fällen, in denen die Betroffenen sich im fraglichen Mitgliedstaat schon einmal aufgehalten und dabei eine relevante Schlechtbehandlung erfahren hatten, bei der Feststellung systemischer Schwachstellen des Asylsystems im Falle eines Verweises auf dieses Land geringere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen und eine niedrigere Beachtlichkeitsschwelle zugrunde zu legen sind. Die Ausführungen haben lediglich die Funktion, die allgemein gewonnenen Erkenntnisse zusätzlich plausibel zu machen und gewissermaßen zu verifizieren (anders möglicherweise BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - a.a.O. und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 - a.a.O., ohne dass es im vorliegenden Fall darauf ankäme).
39 
Hinzu kommen muss aber immer, dass der konkrete Schutzsuchende auch individuell betroffen wäre. Es genügt nicht, dass lediglich abstrakt bestimmte strukturelle Schwachstellen festgestellt werden, wenn sich diese nicht auf den konkreten Antragsteller auswirken können.
40 
Eine nicht systembedingte Schlechtbehandlung im Zielstaat wird man bei einem Mitglied- oder Vertragsstaat zwar nicht von Rechts wegen (so etwa auch UK Supreme Court vom 19.02.2014 [2014] UKSC 12; unklar BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 -, jeweils a.a.O.), jedoch praktisch ausschließen können (vgl. zu den hohen Anforderungen an die Feststellung der Voraussetzungen des Art. 3 EMRK bei einer Erkrankung, die im Zielstaat nicht adäquat behandelt werden kann, bzw. in Bezug auf die allgemeinen Verhältnisse im Zielstaat VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.08.2013 - A 11 S 688/13 - juris, m.w.N.; anders jedoch, wenn die Verhältnisse Folge etwa eines innerstaatlichen Konflikts sind EGMR, Urteil vom 28.06.2011 - 8319/07 u.a., Sufi und Elmi - NVwZ 2012, 681).
41 
Außerhalb des Systems liegen auch alle Gründe, die nicht in den Verhältnissen des aufnehmenden Mitgliedstaats zu verorten sind, namentlich die Fallgestaltungen von Transport- und Reiseunfähigkeit (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 15.10.2004 - 11 S 2297/04 - juris und vom 06.02.2008 - 11 S 2439/07 - InfAuslR 2008, 213). Diese unmittelbar der Person der internationalen Schutz Suchenden zuzuordnenden Gründe, sind grundsätzlich nicht geeignet, das europäische Asylsystem infrage zu stellen, weshalb hier auch kein Anlass besteht, einen besonderen Maßstab zu entwickeln. Da insoweit Unionsrecht vollzogen wird (vgl. hierzu und zu Art. 51 Abs. 1 GRCh EuGH, Urteil vom 26.02.2013 - C-617/10, Fransson - NVwZ 2013, 561), ist die Überstellung bzw. die Überstellungsentscheidung am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GRCh (Recht auf Leben) und des Art. 3 Abs. 1 GRCh (Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit) zu überprüfen. Nach dem nationalen Recht ist deren Beachtung Rechtsvoraussetzung für den Erlass der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG (vgl. Senatsbeschluss vom 31.05.2011 - A 11 S 1535/11 - InfAuslR 2011, 310; BayVGH, Beschluss vom 12.03.2014 - 10 CE 14.427 - juris; GK-AsylVfG § 34a Rn. 21 f. m.w.N.).
42 
b) Dieses zugrunde gelegt ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Asylverfahren in Bulgarien nunmehr an systemischen Schwachstellen leidet, die gerade den Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Bulgarien eine menschenunwürdige Behandlung erfahren zu müssen.
43 
Aus den Erkenntnismitteln wird hinreichend deutlich, dass in Bulgarien ein ausreichend ausdifferenziertes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahrens installiert ist, das - von einzelnen Unzulänglichkeiten, die allerdings allenfalls abgrenzbare Personengruppen betreffen können, abgesehen (vgl. hierzu im Folgenden) - den auch unionsrechtlich zu stellenden Anforderungen noch genügt und eine ordnungsgemäße Behandlung der Flüchtlinge ermöglicht (siehe die Darstellung im Urteil des österreichischen BVwG vom 03.10.2014 - W212 2009059-1 -, S. 3 ff.; vgl. ausführlich auch den von der Beklagten zum Gegenstand ihres Vortrags gemachten Bericht „Aida, Asylum Information Database - National Country Report Bulgaria“, April 2014, S. 14 - im Folgenden aida).
44 
Der Senat geht zunächst davon aus, dass, bedingt durch die im Laufe des Jahres 2013 erheblich angestiegene Zahl von Antragstellern (vgl. Eurostat, Asylum and new asylum applicants by citizenship, age and sex Monthly Data, Last update 22.10.2014; Email UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014; UNHCR, Bulgaria As a Country of Asylum, 02.01.2014, S. 4 - im Folgenden UNHCR I), die u.a. wegen des bereits lange dauernden internen Konflikts in Syrien vermehrt über die türkisch-bulgarische Grenze gekommen waren, das bulgarische Asylsystem, das trotz entsprechender Warnungen völlig unvorbereitet war, total überfordert, wenn nicht gar kollabiert war. Dies hatte erhebliche negative Auswirkungen auf alle Phasen und Aspekte des Asylsystems. So war schon ein effektiver Zugang zum Asylverfahren, insbesondere aus einer bestehenden Abschiebehaft, nicht mehr gewährleistet (vgl. UNHCR I, S. 7; aida, S. 16 f.). Folge hiervon war nicht nur, dass eine bestehende Haft nach Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in unverhältnismäßiger und unzulässiger Weise (bis zu 45 oder gar 60 Tagen) fortdauern konnte, wie dies möglicherweise auch beim Kläger der Fall war, sondern auch, dass der mit der Registrierung als Antragsteller verbundene Zugang zu Unterkunft, Verpflegung, medizinischer Versorgung etc. nicht oder jedenfalls nicht in zumutbarer Zeit erreichbar war. Die Unterbringung in den „Reception Centres“ bzw. „Registration and Reception Centres“ wurde übereinstimmend fast ausnahmslos als weit unter den Standards des unionsrechtlich in den Aufnahmerichtlinien festgelegten Minimums qualifiziert und als menschenunwürdig beschrieben (vgl. aida, S. 41 ff.; Human Rights Watch, Containment Plan - Bulgaria’s Pushbacks and Detention of Syrian and Other Asylum Seekers and Migrants, April 2014, S. 46 ff. - im Folgenden HRW I; UNHCR I, S. 9 f.). Die einzige Ausnahme bildete das Kovachevtsi Centre. Verschärft wurde die Situation noch durch den Umstand, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die eigentlich verpflichtet waren, innerhalb kurzer Zeit (wohl 14 Tagen) die Zentren zu verlassen, weiter dort verbleiben mussten und letztlich durften, weil sie andernfalls - unfähig, selbstverantwortlich eine Unterkunft zu finden und zu bezahlen - obdachlos geworden wären (bordermonitoring u.a., Trapped in Europe’s Quagmire: The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria, 2014, S. 19 f. - im Folgenden bordermonitoring I). Auch wurde immer wieder von körperlichen Übergriffen auf den Polizeistationen und in den Zentren berichtet (HRW I, S. 31 ff.), u.a. auch eine Folge der vollständigen physischen und psychischen Überforderung des dort tätigen Personals. Angesichts der unerträglichen Situation in den Zentren, insbesondere auch der unzumutbaren Überbelegung erklärte eine Vielzahl von Antragstellern einen Verzicht auf eine weitere dortige Unterbringung mit der Folge, dass sie auch jegliche Ansprüche auf Verpflegung etc. verloren hatten und gewissermaßen auf der Straße gelandet waren und erst infolge der eingetretenen Entlastung des bulgarischen Asylsystems (vgl. hierzu im Folgenden) nunmehr wieder in dieses integriert werden können (vgl. HRW I, S. 61 ff.; bordermonitoring I, S. 17 f.; UNHCR, Bulgarien als Asylland, April 2014, S. 10 - im Folgenden UNHCR II). Bei dieser Ausgangslage musste zwangsläufig auch die Behandlung von Kindern, insbesondere unbegleiteten Minderjährigen und generell von sog. „vulnerablen Personen“ völlig unzureichend sein (aida, S. 33 f. und 41 f.; HRW I., S. 51; UNHCR II, S. 8 f.). Insbesondere mangelte es in weiten Teilen an einer adäquaten Betreuung und Vertretung unbegleiteter Minderjähriger (vgl. HRW I, S. 58 ff.; UNHCR II, S. 9).
45 
Zwar wies auch zu dieser Zeit Bulgarien eine hohe Schutzquote auf (vgl. etwa HRW I, S. 66), gleichwohl bestanden - bedingt durch die hohen Eingangszahlen und wohl auch aufgrund unzureichender Qualifikation - unübersehbare Mängel im Verfahren selbst, wie etwa im Bereich der Übersetzung, Protokollführung, der Anhörungen und deren Umsetzung in den Bescheiden (vgl. hierzu aida, S. 20 f.; UNHCR I, S. 12). Der Komplex der rechtlichen Beratung und Unterstützung wurde als in hohem Maße defizitär geschildert, und zwar v.a. im Hinblick auf fehlende finanzielle Mittel und weniger aufgrund der jeweils maßgeblichen rechtlichen Grundlagen bzw. Vorgaben, die nicht grundsätzlich zu kritisieren sind (vgl. wiederum aida, 22 f.).
46 
Bei dieser Sachlage beschloss der Ministerrat Bulgariens im Oktober 2013 einen „Plan for the containment of the crisis resulting from stronger migration pressure on the Bulgarian border“, der zum einen eine Verbesserung der Aufnahmebedingungen sowie der Verfahrensabläufe, zum anderen eine konsequente Verhinderung künftiger unkontrollierter Einwanderung über die Landesgrenze v.a. mit der Türkei zum Inhalt hatte (vgl. HRW I, S. 22 f.). Außerdem wurde von EASO im Herbst 2013 in Zusammenarbeit mit dem bulgarischen Innenministerium, dem Leiter der bulgarischen Flüchtlingsbehörde (SAR) und UNHCR Bulgarien ein „Operating Plan To Bulgaria“ entwickelt, aufgrund dessen unter Hinzuziehung des Bulgarischen Roten Kreuzes und anderer Nichtregierungsorganisationen weitreichende Verbesserungen des gesamten Asylsystems vorgenommen werden sollten. Dieser Plan konzipierte die geplanten Maßnahmen mit einem zeitlichen Horizont bis September 2014 (vgl. zu alledem EASO, Operating Plan To Bulgaria, März 2014).
47 
In Vollzug des Ministerratsbeschlusses vom Oktober wurde mit dem Bau eines Zaunes an der Grenze zur Türkei begonnen, der mittlerweile in der vorgesehenen Länge fertiggestellt ist (vgl. Agence France-Presse, Bulgarie: des barbelés pour stopper les réfugiés vom 17.7.2014). Zuvor waren zur vorläufigen Absicherung der Grenze etwa 1500 Polizisten an die Grenze verlegt worden. Es gibt glaubhafte und nach Einschätzung des Senats zuverlässig recherchierte Berichte über eine Vielzahl von Zurückschiebungen über die Grenze in die Türkei aus der Zeit zwischen Ende 2013 bis in den Herbst 2014 (vgl. HRW I, S. 14 ff. und Annex 2, S. 3 ff. zu den Einwänden des bulgarischen Innenministers in dessen Schreiben vom 29.04.2014; bordermonitoring vom 21.09.2014). Damit verstieß und verstößt Bulgarien gegen das unionsrechtliche wie auch das völkerrechtliche Refoulement-Verbot nach Art. 21 Abs. 1 QRL bzw. Art. 33 GFK (vgl. hierzu im Einzelnen Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts, 2. Aufl., 2012, § 52). Denn zum einen ist die Türkei kein sicherer Drittstaat, weil sie die Genfer Flüchtlingskonvention und das Protokoll von 1967 nur mit einem regionalen Vorbehalt gezeichnet hat; zum anderen hat sich Bulgarien offensichtlich nicht vergewissert, dass die Türkei nicht in einen potentiell verfolgenden Herkunftsstaat „weiterschiebt“. Da das Refoulement-Verbot auch eine Zurückweisung an der Grenze untersagt, sofern nicht eine Massenfluchtbewegung gegeben ist (vgl. Marx, a.a.O., § 52 Rn. 5 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), wovon aber in Bezug auf Bulgarien noch nicht auszugehen sein wird, dürfte auch die Errichtung des Grenzzauns kaum mit dem Refoulement-Verbot in Einklang stehen, zumal nach der Auskunftslage nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine offizielle Anreise über die türkischen Grenzübergangsstellen möglich ist (vgl. HRW I., S. 25). Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil hiervon Flüchtlinge, die sich bereits im Asylverfahren befinden, nicht betroffen sind. Jedenfalls hat diesbezüglich die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Bulgarien eingeleitet (vgl. österreichisches BVwG, Urteil vom 03.10.2014 - W212 2009059-1 -, S. 6).
48 
Nicht zuletzt mit Rücksicht auf die geschilderten Maßnahmen ist die Zahl der Antragsteller seit Anfang des Jahres zunächst erheblich zurückgegangen, wobei allerdings für den Monat August und September wiederum ein Anstieg zu verzeichnen ist (vgl. Eurostat, a.a.O.). Auch dieses hat zu einer erheblichen Entlastung des bulgarischen Asylsystems geführt und mit dazu beigetragen, dass die von EASO ins Auge gefassten Maßnahmen unter erleichterten Rahmenbedingungen in Angriff genommen und durchgeführt werden konnten. Im Wesentlichen übereinstimmend wird von erheblichen Verbesserungen berichtet.
49 
Die Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen sind grundlegend in baulicher wie auch personeller Hinsicht angegangen und auch im Wesentlichen behoben worden. Auch die besonderen Problemfälle der Zentren Vrazdebhna, Harmanli und Voenna Rampa waren im April 2014 in Angriff genommen worden, sie wurden im Frühjahr 2014 (noch) saniert, weshalb die in der Pressemitteilung des Niedersächsischen Flüchtlingsrats vom 02.09.2014 angesprochenen und kritisierten Verhältnisse in Voenna Rampa in dieser Allgemeinheit nicht mehr aktuell sind. Auch die in dem Reisebericht von Rahmi Tuncer vom 15.10.2014 wiedergegebenen Schilderungen beziehen sich teilweise auf die Vergangenheit und sind nach den anderen verwerteten Erkenntnismitteln nicht mehr uneingeschränkt aktuell. Gleichzeitig wurden die Unterbringungskapazitäten von 4150 (bei einer damaligen Belegungsquote von nur noch rund 80 v.H.) auf etwa 6000 Plätze erweitert, ohne dass diese erschöpft wären (vgl. aida, S. 41 ff. und UNHCR II, S. 6 ff.; HRW I, S. 46 f.; Emails von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014 und vom 07.11.2014). Dass die Verhältnisse nach wie vor defizitär und wenig befriedigend sein mögen, wie dies im Übrigen auch für einen nicht unerheblichen Teil der einheimischen Bevölkerung der Fall ist, rechtfertigt allein nicht die Annahme, dass sie generell nicht mehr menschenwürdegemäß wären. Die prekäre Versorgung mit Nahrung und Lebensmitteln in den Zentren ist entscheidend verbessert worden; v.a. ist seit Anfang Februar 2014 sichergestellt, dass täglich mindestens zwei warme Mahlzeiten ausgegeben werden; zum Teil bestehen nunmehr auch eigene private Kochmöglichkeiten (vgl. UNHCR II, S. 8). Dass die Qualität möglicherweise immer wieder zu wünschen übrig lässt, kann, solange dieses keine gesundheitlich bedenkliche Mangelernährung zur Folge hat, nicht als systemische Schwachstelle, geschweige denn als eine nicht menschenwürdegemäße Schlechtbehandlung angesehen werden. Defizitär ist hingegen noch die systematische und flächendeckende Versorgung von Babys und Kleinstkindern mit ihnen adäquater Nahrung, jedenfalls teilweise ist eine Versorgung allerdings durch den Einsatz von Nichtregierungsorganisationen gewährleistet (ai, Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Bulgarien sind weiterhin auszusetzen, S. 6 f. - im Folgenden ai; UNHCR II, S. 8). Gewisse Verbesserungen bei den Unterbringungsbedingungen sind auch eingetreten für Familien mit kleineren Kindern, alleinstehende Frauen mit Kindern und unbegleitete Minderjährige, ohne allerdings das erforderliche Minimum an Privatheit zuzulassen und auch immer ausreichenden Schutz vor Übergriffen zu bieten. Nach wie vor sind daher erhebliche Defizite auszumachen (UNHCR II, S. 7 und 9; aida, S. 43; ai, S. 6 f.). Ob bei diesen Aufnahmebedingungen insoweit eine dieser Personengruppe angemessene Unterbringung gewährleistet ist, und insbesondere, ob diese als unmenschliche und entwürdigende Behandlung zu qualifizieren wäre, lässt der Senat, weil nicht entscheidungserheblich, offen.
50 
Angesichts der dargestellten Verbesserungen in den Aufnahmeeinrichtungen ist - jedenfalls derzeit bei nicht dramatisch steigenden Zahlen von Antragstellern - nicht damit zu rechnen, dass das bulgarische Aufnahmesystem wieder kollabieren wird und in Folge dessen, dass die Asylsuchenden die Zentren aus eigenem „Wunsch“ verlassen, damit aber auch keine Unterstützung mehr erhalten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach den Stellungnahmen von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014 und vom 07.11.2014 im Oktober 2014 noch erhebliche Unterbringungs- bzw. Aufnahmekapazitäten (35 v.H.) frei waren und die ansteigenden Flüchtlingszahlen das Land nicht mehr, wie noch im vergangenen Jahr, unvorbereitet und ohne Hilfe der Europäischen Union treffen bzw. treffen werden.
51 
Kritisiert wird weiterhin, dass Flüchtlingskinder allenfalls teilweise Zugang zu schulischer Bildung, Sprachkursen und Freizeitaktivitäten haben (vgl. etwa ai, S. 8; UNHCR II, S. 13). Eine menschenunwürdige Schlechtbehandlung ist darin aber nicht zu sehen.
52 
UNHCR und andere Stellen beanstanden nach wie vor, dass effektive Mechanismen zur systematischen Identifizierung von Personen mit besonderen Bedürfnissen nicht zur Verfügung stehen bzw. jedenfalls nicht in dem gebotenen Maße tatsächlich genutzt werden und dass selbst Nichtregierungsorganisationen nicht in der Lage sind, die bestehenden Lücken und Defizite zu schließen bzw. zu beheben (UNHCR II, S. 8 f.; aida, S. 33). Betroffen ist der Kläger jedoch hiervon offensichtlich nicht.
53 
Im Argen liegt weiterhin die Situation der unbegleiteten Minderjährigen, denen tatsächlich in größerem Umfang die erforderlichen Vormünder nicht gestellt werden und die dementsprechend gesetzeswidrig ohne die notwendige Vertretung bleiben, zumindest jedoch keine ausreichend kompetente Vertretung erhalten (vgl. im Einzelnen HRW I., S. 54 ff.; UNHCR II, S. 9; aida., S. 35).
54 
Die - gerade auch kostenlose - medizinische Versorgung (vgl. Art. 15 ARL a.F. bzw. Art. 19 ARL n.F.) und v.a. der Zugang zu ihr ist nach der Auskunftslage nicht immer in dem gebotenen Maße sichergestellt, zumal sich „Ärzte ohne Grenzen“ mittlerweile definitiv aus der Versorgung der Flüchtlinge zurückgezogen haben und nicht hinreichend geklärt erscheint, ob diese tatsächlich in dem gebotenen Maße ersetzt werden können und auch noch während deren Tätigkeit die Situation zum Teil jedenfalls durchaus prekär und durch Lücken und Defizite gekennzeichnet war (vgl. UNHCR II, S. 8; aida, S. 34 und 47; bordermonitoring I, S. 16; vgl. Médecins sans Frontières v. 06.06.2014, die immerhin (nur) die Hoffnung ausdrücken, dass sich die Lage trotz ihres Abzugs weiter verbessern werde). Die Lage ist für die Betroffenen auch deswegen besonders problematisch, weil sie in vielen Fällen nicht über die erforderlichen Informationen verfügen und erhebliche, nicht durch ausreichend qualifizierte Sprachmittler behebbare Kommunikationsschwierigkeiten bestehen (bordermonitoring I, S. 16; vgl. auch zur Gesundheitsversorgung in den Haftanstalten und die dort ebenfalls bestehenden sprachlichen Kommunikationsprobleme aida, S. 51 f.). Es gibt auch Berichte, wonach Personal des Gesundheitswesens nur gegen Bestechung bereit war, die gebotene Behandlung zu leisten (vgl. bordermonitoring I, S. 16) bzw. - allgemeiner ausgedrückt - ohne Bezahlung keine Untersuchungen durchgeführt wurden (vgl. Reisebericht Rahmi Tuncer vom 15.10.2014). Zwar übersieht der Senat nicht, dass die prekäre Lage zu einem nicht unerheblichen Teil dem schlechten Gesundheitssystem Bulgariens selbst und dessen niedrigeren Standards geschuldet ist und die Flüchtlinge rechtlich nur allgemein der bulgarischen Bevölkerung gleichgestellt werden (vgl. aida, S. 47). Die bestehenden Probleme, einen effektiven Zugang zu einer Gesundheitsversorgung zu erhalten, und die offenbar verbreitete Korruption machen sie in diesem System aber besonders verletzlich, weshalb sie im Falle einer ernsthaften und schweren Erkrankung einem realen Risiko ausgesetzt sein können, Schaden an Leib oder Leben zu nehmen. Dabei muss zudem bedacht werden, dass die hier infrage stehenden Personen in besonderem Maße durch die fluchtauslösenden Anlässe und die Erlebnisse auf der Flucht gezeichnet sein können (vgl. aida, S. 47). Der Senat ist sich dabei auch des Umstandes bewusst, dass an sich Art. 3 EMRK nach der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kein Verbleiberecht gewährt, um eine medizinisch notwendige Behandlung durchführen lassen zu können, auch wenn die Betroffenen an einer schweren Krankheit leiden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 06.02.2001 - 44599/98). Allerdings gelten die Standards des Art. 19 ARL n.F. darüber hinaus, wenn hiernach zumindest eine Notbehandlung und die unbedingt erforderlichen Behandlungen von Krankheiten und schweren psychischen Störungen unionsrechtlich versprochen sind mit der Folge, dass dann, wenn diese „systemisch“ - auch nur bei bestimmten (begrenzten) Krankheitsbildern - nicht oder jedenfalls nicht effektiv zur Verfügung stehen bzw. erreicht werden können, von einem die Überstellung hindernden Mangel auszugehen wäre. Dieser Frage wird aus gegebenem Anlass noch nachzugehen sein. Im Falle des Klägers jedenfalls besteht ein solcher nicht. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 03.11.2014, die trotz eines entsprechenden Hinweises des Senats nicht weiter substantiiert wurde, ist bei weitem nicht ausreichend aussagekräftig. Sie ist weit davon entfernt den Mindestvoraussetzungen für die Darlegung (und Glaubhaftmachung) einer psychischen behandlungsbedürftigen Erkrankung (insbesondere einer posttraumatischen Belastungsstörung), geschweige denn eines hierauf gerichteten Beweisantritts zu genügen (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 - 10 C 8.07 - NVwZ 2008, 330; Senatsbeschluss vom 10.07.2003 - 11 S 2622/02 - InfAuslR 2004, 423; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.02.2012 - 2 M 29/12 - AuAS 2012, 136). Der Senat bemerkt hierzu, dass der Kläger bei seiner im Verwaltungsverfahren erfolgten Anhörung von einer Inhaftierung von zweieinhalb Monaten gesprochen hatte, während er dem behandelnden Therapeuten gegenüber eine drei bis vier Monate dauernde Inhaftierung erwähnt hatte. Im Übrigen gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Senats an, dass er sich wegen Schlafstörungen in Behandlung begeben habe; er müsse immer an Bulgarien und Syrien denken. Die mündliche Verhandlung ergab weiter, dass dem Kläger ein Antidepressivum verschrieben wurde, das er nach wie vor einnimmt. Die vom Arzt verschriebene Medikation beläuft sich jedoch auf nur eine halbe Tablette, während nach dem vom Senat eingesehenen Beipackzettel die durchschnittliche Medikation bei 1 Tablette bis zu maximal 3 Tabletten täglich liegt. Hinzu kommt, dass nur halbstündliche Sitzungen stattfinden, wobei zudem ein Dolmetscher hinzugezogen werden muss. Schließlich konnte der Kläger nicht einmal angeben, in welchem Abstand die Sitzungen stattfinden, insbesondere auch ob dies regelmäßig der Fall ist. Vor diesem Hintergrund kann es sich nach Überzeugung des Senats nicht um ein stark ausgeprägtes Krankheitsbild handeln, das zwingend eine durchgängige ärztliche Behandlung erforderlich macht. Die Ausführungen in der genannten Bescheinigung sind nicht nachvollziehbar. Offenbar ist der Behandler sich auch nicht einmal selbst sicher, dass eine längerfristige Behandlung zwingend erforderlich ist, wenn er nur davon schreibt, dass eine solche indiziert zu sein „scheint“. Wenn schließlich die Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung auf Befragung äußerte, dass der Behandler auf ihre Nachfrage erklärt habe, keine weitere und v.a. keine ausführlichere Stellungnahme mehr abgeben zu wollen, so sieht der Senat keine Veranlassung zu einer weiteren Aufklärung und geht davon aus, dass etwaige systemische Mängel des bulgarischen Gesundheitssystems den Kläger nicht betreffen würden.
55 
Des Weiteren sind eine zeitnahe Registrierung von Asylgesuchen und damit ein schneller Zugang zum Asylverfahren nunmehr grundsätzlich gewährleistet und nicht mehr systemimmanent defizitär, allerdings ist nach den verwerteten Erkenntnismitteln nicht auszuschließen, dass es im Falle einer Antragstellung aus der Haft nach wie vor zu Verzögerungen von einigen Tagen kommen kann, die möglicherweise auch vermeidbar wären (vgl. zu alledem UNHCR II, S. 4 ff.; ai, S. 3 f.). Ein grundlegender, das gesamte Asylsystem betreffender Mangel liegt hierin aber nicht (mehr). Die Tatsache allein, dass Ausländer und Ausländerinnen, die illegal eingereist sind, zunächst in größerem Umfang inhaftiert werden, solange sie keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, stellt keine systemische Schwachstelle des Asylsystems dar, sofern, wie nunmehr, sichergestellt ist, dass sie nach der Antragstellung zeitnah registriert werden, auch wenn die Inhaftierungen nicht immer den Vorgaben des Art. 15 der RL 2008/115/EG vom 16.12.2008 (ABl. L 348, 98 - RFRL) entsprechen sollten.
56 
Die früher festgestellten Mängel in Bezug auf das Prüfungsverfahren und die Entscheidungen über die Gewährung internationalen Schutzes (vgl. aida, S. 20 ff.) sind zwar nicht gänzlich ausgeräumt, allerdings sind positive Veränderungen auf den Weg gebracht worden. Die Verfahrensdauer, die bei syrischen Staatsangehörigen in der Regel ohnehin nicht zu beanstanden war, wurde mittlerweile auch bei nicht syrischen Flüchtlingen wesentlich verkürzt (vgl. UNHCR II, S. 11 f.). Die Bereitstellung von Informationen für die Antragsteller über den Ablauf des Verfahrens und die in diesem Zusammenhang bestehenden Rechte wurden wesentlich verbessert, ohne aber wiederum als vollständig befriedigend qualifiziert werden zu können (vgl. aida, S. 30 f.). Zumindest für ein Erstverfahren ist eine kostenlose Rechtsberatung rechtlich gewährleistet, steht mit Rücksicht auf eine unzureichend finanzielle Ausstattung allerdings staatlicherseits nicht zuverlässig zur Verfügung, weshalb Nichtregierungsorganisationen, wie das Bulgarische Helsinki Komitee, einspringen und teilweise selbst die unentgeltliche Vertretung übernehmen müssen (vgl. UNHCR II, S. 11 f.; aida, S. 22). Diese Defizite werden jedoch - auch in Anbetracht der stattgefundenen Verbesserungen - vom Senat nicht als derart grundlegend eingestuft, dass sie als systemisch zu qualifizieren wären.
57 
Wenn erhebliche Bedenken gegen eine in Art. 45b Abs. 1 Nr. 3 des bulgarischen Asyl- und Flüchtlingsgesetz geplante gesetzliche Änderung des Haftrechts formuliert und die Weite bzw. die Unbestimmtheit der Haftgründe kritisiert werden, so mag in der Tat die vorgeschlagene Formulierung weiter geraten sein, als dies Art. 8 Abs. 3 lit. d) ARL n.F. vorsieht. Aber selbst wenn der Gesetzesentwurf tatsächlich in dieser Form verabschiedet werden sollte, was bislang noch nicht geschehen ist (vgl. Email von UNHCR Berlin an den Senat vom 06.11.2014), so stehen jedoch einer unionsrechtskonformen Auslegung und Anwendung keine Hindernisse entgegen. Solange sich aber die bulgarischen Behörden und Gerichte einer solchen Handhabung nicht systematisch und durchgängig verweigern, kann von einem hier relevanten Mangel nicht gesprochen werden.
58 
Sog. Dublin-Rückkehrern steht ein Erstverfahren weiterhin offen, soweit eine persönliche Anhörung noch nicht stattgefunden hat (vgl. UNHCR II, S. 14), auch wenn nach der Gesetzeslage nach einem „Nichtbetreiben“ des Verfahrens wegen Abwesenheit über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten das Verfahren an sich beendet ist; Folge der Fortführung ist, dass die Betroffenen wieder in das normale Aufnahmesystem integriert werden. Das Verfahren wird allerdings dann nicht mehr eröffnet, wenn eine Anhörung bereits durchgeführt und das Verfahren daraufhin endgültig abgeschlossen worden war. Dann sind die Betroffenen auf einen Folgeantrag verwiesen, was aber in Einklang mit den Vorgaben der Verfahrensrichtlinie RL 2005/85/EG steht. Nach Art. 20 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 32 ist der Verweis auf ein Folgeverfahren grundsätzlich möglich. Allerdings wird hier Art. 28 Abs. 2 der Neufassung (RL 2013/32/EU) eine gewisse Anpassung erforderlich machen.
59 
Die Lage der beachtlich hohen Zahl von anerkannten international Schutzberechtigten wird durchgängig als wenig zufriedenstellend, wenn nicht gar schlecht beschrieben (vgl. etwa UNHCR II, S. 12 f). Dass ein wirklich schlagkräftiges Integrationsprogramm existieren und v.a. bereits erfolgreich praktiziert werden würde, ist für den Senat nicht ersichtlich. Allenfalls sind erste Ansätze erkennbar (vgl. HRW II, S. 4 f.). Dabei darf nicht übersehen werden, dass hier das Unionsrecht den Betroffenen lediglich Inländergleichbehandlung (vgl. etwa Art. 26. 27, 28 Abs. 1, 29, 30 RL 2011/95/EU - QRL) oder Gleichbehandlung mit anderen sich rechtmäßig aufhaltenden Ausländern (vgl. etwa Art 32 und 33 QRL) verspricht und sie damit nur teilhaben an den schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen weiter Teile der bulgarischen Bevölkerung. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass nach den allgemein zugänglichen Daten des Statistischen Bundesamts das Bruttoprokopfeinkommen Bulgariens im Jahre 2013 7030 USD betrug, damit noch erheblich unter dem von Rumänien (9060 USD) lag und etwa dem Niveau Südafrikas (7190 USD) entsprach. Nach den verwerteten Angaben von Eurostat (vgl. Pressemitteilung Nr. 184/2013 vom 05.12.2003) belief sich im Jahre 2012 der Anteil der Bevölkerung Bulgariens, der von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen bzw. bedroht ist, auf 49 v.H. (Rumänien 42 v.H.; Niederlande und Tschechische Republik 15 v.H.). Die rechtliche Gleichbehandlung ist dabei aber, soweit für den Senat erkennbar, weitgehend hergestellt. So erhalten Flüchtlinge ebenso wie bedürftige bulgarische Staatsangehörige gleichermaßen Leistungen in Höhe von 33 EUR monatlich. Im Übrigen finden sich im Unionsrecht lediglich - teilweise wenig bestimmte - Handlungsaufträge (vgl. Art. 28 Abs. 2, Art. 34 QRL). Der Senat ist sich der Tatsache bewusst, dass etwa ohne flächendeckende Sprachkurse, namentlich für Kinder und Jugendliche, der an sich garantierte gleiche Zugang zu Bildung und Ausbildung bzw. zum Arbeitsmarkt weitgehend auf dem Papier steht und faktisch nicht eingelöst werden kann. Selbst wenn solche jedoch nicht in dieser Weise angeboten werden und teilweise nur aufgrund der Hilfe und Mitwirkung von UNHCR und Caritas durchgeführt werden können, so bedeutet dies nicht, dass deshalb eine relevante Schlechtbehandlung angenommen werden kann, auch wenn es sich um einen sicherlich bedeutsamen Aspekt (von vielen) handelt, mit dem man rechtspolitisch das Europäische Asylsystem in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung infrage stellen kann.
60 
Die Situation unbegleiteter Minderjähriger bedürfte bei gegebenem Anlass mit Rücksicht auf Art. 31 QRL ebenfalls einer gesonderten Betrachtung.
61 
Zwar stehen die geschilderten Fortschritte auch im Zusammenhang mit den zurückgegangenen Anträgen, die wiederum zu einem wesentlichen Teil mit den nicht unionsrechts- und völkerrechtskonformen Zurückschiebungen und den nicht unbedenklichen Absperrmaßnahmen an der Grenze zur Türkei (vgl. etwa HRW I, S. 7) zusammenhängen, sie haben aber jedenfalls faktisch, worauf es allein ankommt, zu einer Situation geführt, in der zumindest für den Personenkreis von nicht ernsthaft erkrankten Alleinstehenden und Familien, zu denen keine kleinen Kinder gehören, nicht davon ausgegangen werden kann, dass durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme festgestellt werden können, dass diese im Falle einer Überstellung nach Bulgarien dort Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein. Zwar sind die Zugangszahlen wieder im Steigen begriffen, jedoch sind, wie bereits ausgeführt, noch erhebliche Kapazitäten frei. Hinzu kommt (und dabei handelt es sich um einen wesentlichen Beurteilungsaspekt), dass Bulgarien - anders als im Vorjahr - nicht mehr völlig unvorbereitet und ohne Hilfe der Union und von UNHCR mit steigenden Zugangszahlen konfrontiert sein wird. Was den Personenkreis der Familien mit kleinen Kindern, ernsthaft Erkrankten und unbegleiteten Minderjährigen betrifft, lässt, weil nicht entscheidungserheblich, der Senat ausdrücklich offen, ob hier eine andere Beurteilung vorzunehmen ist, ferne läge sie jedoch nach dem oben Dargelegten nicht. In diesem Zusammenhang wäre auch ggf. zu klären, ob im Fall einer Überstellung etwa festgestellte, an sich bestehende Mängel durch konkrete Absprachen zwischen den für die Aufenthaltsbeendigung zuständigen deutschen Ausländerbehörden und den bulgarischen Behörden in einer Weise kompensiert werden können, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vermieden werden kann (vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12; BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 - jeweils juris).
62 
3. Sonstige Mängel des angegriffenen Bescheids sind nicht gegeben. Allerdings hat die Beklagte die Ziffer 1 in der Weise formuliert, dass (nur) eine Feststellung getroffen wurde mit der Folge, dass auf den ersten Blick möglicherweise formal betrachtet nicht den Anforderungen des § 31 Abs. 6 AsylVfG genügt wird und deshalb die Gestattungswirkung des § 55 Abs. 1 AsylVfG nicht gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG zum Erlöschen gebracht werden konnte, weshalb dann in Ermangelung einer bestehenden Ausreisepflicht die Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylVfG nicht erfüllt wären. Die angegriffene Verfügung ist jedoch auch im Hinblick auf den maßgeblichen Empfängerhorizont (vgl. §§ 133, 157 BGB entspr.) in der Weise auszulegen, dass der Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde und auch werden sollte (a.A. VG Frankfurt, Urteil vom 21.07.2014 - 7 K 352/14.F.A - juris). Denn es ist auch aus der Sicht des Klägers offensichtlich, dass die Beklagte mit ihrer Verfügung die Grundlage für den Erlass der Überstellungsentscheidung legen wollte, was aber, wie gezeigt, zwingend voraussetzt, dass die Ausreisepflicht begründet werden muss. Es wäre sinnwidrig, der Beklagten zu unterstellen, dass sie etwas verfügen wollte und in letzter Konsequenz verfügt hat, was ersichtlich insoweit ungeeignet ist (vgl. noch zu der Frage, ob trotz Erlass einer Abschiebungsanordnung eine freiwillige oder kontrollierte Ausreise ermöglicht werden muss, Senatsurteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - juris).
63 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die es rechtfertigen würden, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 17.3.2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31.7.2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 17.3.2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31.7.2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 17.3.2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31.7.2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 14.10.2013 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich dagegen, dass sich die Beklagte für seinen Asylantrag als unzuständig erklärt und seine Abschiebung nach Ungarn angeordnet hat.
Der Kläger reiste am 29.07.2013 zusammen mit weiteren Personen in einem Kleintransporter bei Piding in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er hatte eine Eintrittskarte für ein ungarisches Asyl-Camp bei sich und gab an: Er sei am 31.12.1987 in Adetikope/Togo geboren und ledig. Sein Reisepass sei in Togo. Sein Vater habe von ihm verlangt, Muslim zu werden. Das habe er abgelehnt. Sein Vater habe ihn deshalb geschlagen. Schon im Jahr 2002 sei er von zuhause nach Ghana und von dort nach Benin gegangen. Per Schiff sei er in die Türkei gelangt. Von dort sei er am 02.09.2011 zu Fuß nach Griechenland eingereist. Dort habe er sich fast zwei Jahre aufgehalten. Die griechische Polizei habe ihn festgenommen und ihm Fingerabdrücke abgenommen. In Griechenland habe er vom Verkauf von Sachen gelebt. Am 26.06.2013 sei er nach Mazedonien aufgebrochen und von dort über Serbien nach Ungarn gereist. Die ungarische Polizei habe ihn am 07.07.2013 festgenommen und seine Fingerabdrücke abgenommen. In einem Internetcafé habe er jemanden kennengelernt, der ihm gesagt habe, wie er nach Deutschland kommen könne. Genaues könne er dazu nicht sagen. Die Person sei vielleicht aus Afghanistan gewesen. Sie habe ihm gesagt, wo er den Kleinbus antreffen könne, mit dem er nach Deutschland gefahren sei. Geld habe er dafür nicht gezahlt. Ein anderer habe bezahlt. In Ungarn habe er keine Arbeit gefunden. Es habe auch nur wenig oder gar nichts zu essen gegeben.
Der Asylantrag des Klägers wurde am 21.08.2013 aufgenommen. Am 02.10.2013 stellte das Bundesamt ein Übernahmeersuchen an Ungarn. Die zuständige ungarische Stelle teilte am 08.10.2013 mit, sie akzeptiere die Überstellung des Klägers gemäß Art. 16 Abs. 1e EU-VO 343/2003; der Kläger habe am 11.07.2013 in Ungarn Asyl beantragt; der Antrag sei am 23.08.2013 als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden.
Mit Bescheid vom 14.10.2013 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Ungarn ein. Dem Bescheid war eine in französischer Sprache gehaltene Rechtsmittelbelehrung beigefügt, in der als örtlich zuständiges Gericht das Verwaltungsgericht Karlsruhe genannt war; in der ebenfalls beigefügten Rechtsmittelbelehrung in deutscher Sprache wurde das Verwaltungsgericht Freiburg als örtlich zuständiges Gericht bezeichnet. Der Bescheid wurde dem Kläger am 30.10.2013 zugestellt.
Der Kläger hat am 11.11.2013 Klage erhoben und zugleich - mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist - vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat die Kammer mit Beschluss vom 19.12.2013 stattgegeben (A 5 K 2329/13).
Der Kläger trägt vor: Er befürchte, bei einer Rückkehr nach Ungarn ohne rechtfertigenden Grund verhaftet zu werden. Im Mai 2014 sei er am grauen Star operiert worden. Danach habe er vier Wochen lang starke Schmerzen gehabt. Im März 2015 sei er wegen erneuter starker Schmerzen in der Augenklinik des Universitätsklinikums Freiburg untersucht worden. Laut einem Attest des Universitäts-Klinikums vom 04.03.2015 wurde bei ihm eine Amaurose bei vollständiger Ischämie der Netzhaut unklarer Genese, Zustand nach Kataraktoperation 5/14, diagnostiziert. Ein zuletzt vorgelegtes augenärztliches Attest vom 25.09.2015 bescheinigt als Dauerdiagnose eine Ischämische Optikusneuropathie rechts (H 47.0) mit einem Grad der Behinderung von 25.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 14.10.2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid.
12 
Die Kammer hat am 20.06.2014 das Auswärtige Amt und den UNHCR um Auskünfte gebeten. Der UNHCR hat diese am 30.09.2014, das Auswärtige Amt hat sie am 12.03.2015 erteilt und am 31.03.2015 ergänzt. Unter dem 02.09.2015 hat die Kammer das Bundesamt gebeten, eine Reihe von Fragen zur Überstellungspraxis nach Ungarn zu beantworten. Das Bundesamt hat diese Fragen nicht beantwortet und auch keinen Vertreter in die mündliche Verhandlung entsandt.

Entscheidungsgründe

 
13 
Über die Klage kann die Kammer entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war; denn auf diese Möglichkeit ist die Beklagte in der Ladung zur mündlichen Verhandlung hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.04.2015 - A 11 S 121/15 - juris) und auch sonst zulässig. Insbesondere hat der Kläger mit der Erhebung der Klage am 11.11.2013 die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG von zwei Wochen ab der am 30.10.2013 erfolgten Zustellung des angefochtenen Bescheids gewahrt. Die Klagefrist betrug nicht etwa nur eine Woche (gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG); denn der Asylantrag ist weder als unbeachtlich noch als offensichtlich unbegründet im Sinne von § 36 AsylVfG zurückgewiesen worden; vielmehr beruht die angefochtene Entscheidung auf §§ 27a, 34a AsylVfG (Funke-Kaiser, in: GK AsylVfG, Stand: Juni 2014, § 74 Rdnr. 5 m.w.N). Im Übrigen betrug die Klagefrist hier ohnehin ein Jahr; denn die dem angefochtenen Bescheid beigefügte Rechtsmittelbelehrung in französischer Sprache war unrichtig (§ 58 Abs. 2 VwGO), weil dort als zuständiges Gericht das Verwaltungsgericht Karlsruhe genannt war; diese Unrichtigkeit war geeignet, dem Antragsteller die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren. Dass die ebenfalls beigefügte Rechtsmittelbelehrung in deutscher Sprache diesen Fehler nicht aufwies, ändert daran nichts (so schon VG Freiburg, Urt. v. 19.06.2013 - A 3 K 482/11 -).
15 
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16 
Die Entscheidung unter Ziffer 1 des Bescheids ("Der Asylantrag ist unzulässig.") ist als Ablehnung des Asylantrags als unzulässig und nicht als feststellender Verwaltungsakt auszulegen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77). Sie folgt aus § 27a AsylVfG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
17 
Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats für die Prüfung des Asylantrags des Klägers richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (Dublin II-VO). Da der Kläger bereits im Juli 2013 einen Asylantrag im Bundesgebiet gestellt und die Bundesrepublik Deutschland am 02.10.2013 ein Übernahmeersuchen an Ungarn gerichtet hat, ist nach der Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (Dublin III-VO) noch die Dublin II-Verordnung zugrunde zu legen.
18 
Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Krite-rien des Kapitels III der Verordnung als zuständiger Staat bestimmt wird.
19 
Danach ist von einer Zuständigkeit Ungarns für die Prüfung des in Deutschland gestellten Antrags des Klägers auszugehen. Denn nach den Angaben aus Ungarn wurde der Kläger dort am 11.07.2013 als Asylantragsteller registriert. Die Zuständigkeit Ungarns folgt damit aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO. Da der Kläger in Ungarn im zeitlichen Anschluss an den illegalen Grenzübertritt einen Asylantrag gestellt hatte, bevor er im Bundesgebiet erneut um internationalen Schutz nachgesucht hat, ergibt sich eine Verpflichtung Ungarns, ihn wieder aufzunehmen, aus Art. 16 Abs. 1 Satz 1e Dublin II-VO.
20 
Die Zuständigkeit Ungarns ist nicht wegen Ablaufs der Überstellungsfrist entfallen.
21 
Ungarn hat am 08.10.2013 dem Übernahmeersuchen entsprochen. Die mit der Abgabe der Zustimmung beginnende sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO ist wegen des erfolgreichen Antrags des Klägers auf vorläufigen Rechtsschutz noch nicht abgelaufen (Art. 20 Abs. 1d Dublin II-VO; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293). Im Übrigen würde allein der Ablauf der Überstellungsfrist bei weiter bestehender Übernahmebe-reitschaft des ersuchten Mitgliedstaats den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris).
22 
Allerdings kommt in Betracht, dass eine Zuständigkeit Ungarn hier deshalb schon jetzt nicht mehr besteht, weil Vieles dafür spricht, dass die Beklagte nach Eintritt der Rechtskraft eines klagabweisenden Urteils die Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO verstreichen lassen wird und Ungarn danach nicht mehr zu einer Aufnahme des Klägers bereit wäre. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt hätte der Kläger einen Anspruch darauf, dass die Beklagte das Asylverfahren doch durchführt (Urt. v. 29.04.2015 - A 11 S 121/15 - InfAuslR 2015, 363). Ist schon jetzt - wie hier, was noch darzulegen ist - offenkundig, dass es aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen zu keiner Überstellung eines Klägers nach Ungarn kommen wird, dürfte es dem Sinn und Zweck des Dublin-Verfahrens widersprechen, ihn gleichwohl für die Dauer eines Jahres gewissermaßen im Wartestand zu belassen, und dürfte er den Selbsteintritt der Beklagten auch schon jetzt beanspruchen können.
23 
Diese Frage kann die Kammer jedoch offenlassen; denn der Kläger hat jedenfalls wegen der aktuell bestehenden Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn einen Anspruch darauf, dass die Beklagte gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO in die Zuständigkeit eintritt (sofern sie nicht rechtmäßig noch einen anderen Mitgliedstaat als Ungarn nach den Dublin-Regeln als zuständiger Staat für das Asylbegehren des Klägers bestimmt).
24 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Dublin-II-Verordnung (Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417, vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129, v. 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) und dem folgend des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293, v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77, v. 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris sowie Urt. v. 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris) hat ein Asylbewerber - sofern spezialgesetzlich keine besonderen Ausnahmen geregelt sind (vgl. etwa Art. 7 Dublin II-VO) - grundsätzlich kein subjektives Recht auf Prüfung seines Antrags in einem bestimmten Mitglied- oder Vertragsstaat, so dass Fehler bei der Auslegung und bei der Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der Verordnung grundsätzlich unerheblich sind. Grundsätzlich kann ein Antragsteller mit Aussicht auf Erfolg nur einwenden, dass in dem in der Abschiebungsanordnung bezeichneten Staat systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gegeben sind, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O.)
25 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht eine - allerdings - widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genügt. Diese Vermutung ist widerlegt, wenn in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und diese zur absehbaren Folge haben, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
26 
Insoweit stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin II-VO (bzw. nunmehr der Dublin III-VO) und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts, wie von Art. 4 GRCh, durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Denn dann stünde nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417). Das Dublin-Zuständigkeitssystem ist deshalb nur dann (teilweise) zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel oder Schwachstellen (vgl. jetzt auch Art. 3 Abs. 2 UA. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 = Dublin III-VO) des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O. und v. 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129).
27 
Systemische Schwachstellen sind solche, die entweder bereits im Asyl- und Aufnah-meregime selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorher-sehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu füh-ren, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitge-hend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1093, und v. 06.06.2014 - 10 B 35.14 - NVwZ 2014, 1677). Dabei ist der Begriff der systemischen Schwachstelle nicht in einer engen Weise derart zu ver-stehen, dass er geeignet sein muss, sich auf eine unüberschaubare Vielzahl von An-tragstellern auszuwirken. Vielmehr kann ein systemischer Mangel auch dann vorlie-gen, wenn er von vornherein lediglich eine geringe Zahl von Asylbewerbern betreffen kann, sofern er sich nur vorhersehbar und regelhaft realisieren wird und nicht gewis-sermaßen dem Zufall oder einer Verkettung unglücklicher Umstände bzw. Fehlleis-tungen von in das Verfahren involvierten Akteuren geschuldet ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77).
28 
Wesentliche Kriterien für die zu entscheidende Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende (bzw. "entwürdigende") Behandlung vorliegt, finden sich in der Recht-sprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (vgl. Urt. v. 21.01.2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien - NVwZ 2011, 413, v. 04.11.2014 - Nr. 29217/12, Tarakhel/Schweiz - juris, und E. v. 05.02.2015 - Nr. 51428/10, A.M.E./Niederlande - juris), der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77, m.w.N.). Die Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh muss durch wesentliche Gründe (so nunmehr Art. 3 Abs. 2 UA. 2 Dublin III-VO; vgl. auch EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417: "ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe") gestützt werden. Das bedeutet, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sein müssen; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936; Beschl. v. 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
29 
Anhand dieser Grundsätze sind hinreichende Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland angenommen worden (EGMR - Große Kammer, Urt. v. 21.01.2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413 und weitere, vgl. dazu, auch zum Folgenden, BVerwG, Beschl. v. v. 19.03.2014 a.a.O. und v. 06.06.2014 - 10 B 35/14 - juris).
30 
Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zu-ständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktions-störungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.
31 
Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus gefolgert (Beschl. v. 06.06.2014 - 10 B 35.14 - a.a.O.): Aus der dargelegten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergebe sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten könne und es nicht darauf ankomme, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen könne und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt gewesen sei. Derartige individuelle Erfahrungen seien vielmehr (allein) in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers (dort: Italien) vorliegen. In diesem begrenzten Umfang seien individuelle Erfahrungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei sei allerdings zu beachten, dass persönliche Erlebnisse Betroffener, die - wie in dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Grunde liegenden Fall - einige Jahre zurücklägen, durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein könnten. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 GRCh verstoßenden Behandlung führten hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel.
32 
Nach der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (zu Italien) ist dabei stets auch zu fragen, ob die gesetzliche Vermutung des Fehlens systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen zumindest für einzelne Gruppen besonders verletzlicher Antragsteller erschüttert bzw. widerlegt ist. Eine Überstellung sogenannter vulnerabler Personen kommt nur in Betracht, wenn der Aufnahme-Mitgliedschaft eine entsprechende individuelle Garantieerklärung abgibt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.07.2015 - 2 BvR 746/15 - m.w.N.)
33 
Die Kammer hat allerdings in mehreren Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. etwa VG Freiburg, Beschl. v. 30.07.2014 - A 5 K 418/14 - juris) zu Grunde gelegt, dass eine Beweislastumkehr ausnahmsweise dann angezeigt ist, wenn erwiesen ist, dass in einem Mitgliedstaat systemimmanente Schwachstellen bestanden haben, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung des jeweiligen Klägers als beachtlich wahrscheinlich haben erscheinen lassen (das dürfte in Ungarn in den Jahren 2011 und 2012 der Fall gewesen sein). In einem solchen Fall sollte ein durchgreifender Wandel der Verhältnisse erst dann zu Grunde gelegt werden können, wenn er nachgewiesen ist. Mit anderen Worten: Eine Verbesserung der Verhältnisse hinsichtlich der Asylverfahren und der Aufnahmebedingungen, etwa durch Änderungen der einschlägigen mitgliedstaatlichen Vorschriften oder durch Bereitstellung weiterer personeller und sächlicher Mittel, sollte erst dann zu Lasten des jeweiligen Schutzsuchenden angenommen werden, wenn die angestrebten Verbesserungen in der Anwendung der verbesserten Vorschriften auch nachweislich eingetreten sind; dass in den Monaten nach der Verbesserung der rechtlichen Grundlagen noch keine aktuellen Beschwerden oder keine aktuelle Kritik des UNHCR oder anderer Menschenrechtsorganisationen bekannt geworden ist, sollte für die Annahme einer nachhaltigen Verbesserung der Verhältnisse nicht ohne Weiteres ausreichen. Dem entspräche es im Übrigen auch, dass die Mitgliedstaaten bei Griechenland tatsächlich wohl so verfahren und mit einer Wiederaufnahme von Überstellungen nach Griechenland erst wieder begonnen werden dürfte, wenn dort entsprechende Verfahren und Aufnahmebedingungen gewährleistet sind.
34 
Weiter erscheint der Kammer fraglich, ob bei der Feststellung systemischer Mängel im Asylverfahren und bei den Aufnahmebedingungen eine vom jeweiligen Asylbewerber selbst erfahrene menschenrechtswidrige Behandlung, etwa eine längere, unbegründete Haft, eine längere unfreiwillige Obdachlosigkeit oder ein langjähriges Fernhalten vom Asylverfahren, erst dann von Bedeutung sein soll, wenn sich hieraus eine anhaltende, im Aufnahmestaat nicht zu behandelnde Gesundheitsstörung (insbesondere posttraumatische Belastungsstörung) ergeben hat.
35 
Denn auch wenn solche Erfahrungen Einzelner für sich noch kein systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen begründen können, es sei denn, sie sind zahlreich und repräsentativ für eine (vulnerable) Gruppe, der der jeweilige Antragsteller angehört, könnte eine selbst erlittene menschenrechtswidrige Behandlung doch bei der Frage, ob die Beklagte in das Asylverfahren als zuständiger Staat eintritt, jedenfalls aber bei der Prüfung, ob eine Abschiebungsanordnung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erlassen wird, zu berücksichtigen sein (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, Art. 4 GRCh). Davon scheint etwa das Schweizerische Bundesgericht auszugehen, das auch Umstände berücksichtigt, welche die Schutzsuchenden bei ihrem Aufenthalt im Erstaufnahmestaat individuell erlitten haben (z.B. sexuelle Übergriffe, Suizidversuch, Therapiebedürftigkeit). (vgl. Urt. v. 09.10.2013 - E 2093/2012 - und v. 30.10.2013 - E 3837/2012 -; zuletzt auch Urt. v. 23.07.2015 - D 2408/2015).
36 
Unabhängig davon steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass jedenfalls gegenwärtig in Ungarn systembedingte Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestehen, welche jeden Schutzsuchenden, der dorthin zurücküberstellt wird, der beachtlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung aussetzt. Dabei geht die Kammer von Folgendem aus:
37 
Die Zahl der nach Ungarn einreisenden Schutzsuchenden ist zuletzt sehr stark angestiegen. Im Jahr 2012 wurden noch 2.155 Asylbewerber, im Jahr 2013 18.900 und im Jahr 2014 42.777 Schutzsuchende registriert. Im Jahr 2015 war zunächst von 150.000 nach Ungarn einreisenden Schutzsuchenden bis zum 01.09.2015 die Rede (bei einer Gesamtbevölkerung Ungarns von etwa 10 Millionen Einwohnern); zuletzt wurden Zahlen von weit mehr als 300.000 Schutzsuchenden genannt, von denen die meisten, nur zum wohl geringeren Teil registriert, nach Österreich weiterreisten. Ob die Errichtung eines Zauns an der Grenze zu Serbien und nun auch zu Kroatien und überhaupt die restriktiv wirkende Flüchtlingspolitik Ungarns jetzt zu einer Minderung der Zahl der nach Ungarn einreisenden Schutzsuchenden führen, ist unklar.
38 
Im März 2015 verfügte Ungarn über 2500 Plätze zur Aufnahme von Flüchtlingen (vgl., auch zum Folgenden: EASO, Beschreibungen des ungarischen Asylsystems, Stand März 2015); das Auswärtige Amt hatte in seiner Auskunft an die Kammer vom 12.03.2015 im Verfahren A 5 K 2328/13 noch von 1.500 Plätzen in offenen Aufnahmeeinrichtungen und von weiteren 400 Plätzen in Asylhafteinrichtungen und der geplanten Eröffnung einer weiteren Aufnahmeeinrichtung in Kiskunhalas gesprochen. Zur Anhörung von Schutzsuchenden und zur Entscheidung über ihre Schutzanträge standen 56 Sachbearbeiter in ganz Ungarn bereit. Neue Mitarbeiter waren eingestellt, aber noch nicht geschult. Schutzsuchende werden an der Grenze registriert und einem der vier Empfangszentren zugewiesen; sie können auch auf eigene Kosten im ganzen Land Unterkunft suchen, erhalten dafür aber keine Unterstützung. Wenn sie an einer ihnen bezeichneten Stelle zur Stellung des Asylantrags oder zur später angeordneten Anhörung nicht erscheinen, wird das Schutzgesuch entweder, auf der Grundlage von hinreichenden Angaben bei der Registrierung abgelehnt, oder das Verfahren wird wegen angenommener Rücknahme des Schutzgesuchs eingestellt. Für einen Schutzsuchenden, der später sein Schutzgesuch erneuert, wird ein nichtbeendetes Verfahren fortgesetzt, ein durch Ablehnung des Schutzgesuchs beendetes Verfahren kann innerhalb der Rechtsmittelfrist von acht Tagen im Rechtsbehelfsverfahren fortgesetzt werden. Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist hat der Schutzsuchende das Recht, einen Folgeantrag zu stellen. Nach den Angaben des ungarischen Büros für Einwanderung und Staatsangehörigkeit (OIN) werden auch Dublin-Rückkehrer stets als Schutzsuchende behandelt. Gibt der Schutzsuchende aber im Folgeverfahren die gleichen Gründe an wie im ersten Verfahren, kann der Folgeantrag als unzulässig behandelt werden.
39 
Zur Rücküberstellung nach Ungarn hat das Auswärtige gegenüber der Kammer (Auskunft v. 12.03.2015 im Verfahren A 5 K 2328/13) erläutert: Die per Flug Überstellten würden zur Zentrale des ungarischen Amts für Staatsbürgerschaft und Einwanderung gebracht und informiert, dass sie als Asylbewerber behandelt würden. Wenn ein erstes Asylverfahren in Ungarn ohne Entscheidung in der Sache oder durch Rücknahme beendet worden sei, werde es fortgesetzt, sonst werde ein Zweitantrag angenommen. Bei einem Zweitantrag würden (nur) nachträglich entstandene Umstände berücksichtigt. Die Klagefrist betrage drei Tage nach Bekanntgabe/Zustellung der Entscheidung. Bis zur unanfechtbaren Entscheidung im Asylverfahren hätten Asylbewerber Anspruch auf Sozialleistungen, es sei denn, der Asylantrag sei als offensichtlich unbegründet oder unzulässig abgelehnt worden. Ausgeschlossen von den im Asylgesetz geregelten Sozialleistungen seien auch Zweitantragsteller, deren Erstverfahren eingestellt oder abgelehnt worden sei oder bei denen das refoulement-Verbot einer Abschiebung nicht entgegen stehe. Ausreisepflichtige müssten die Unterkunft verlassen, der Aufenthalt sei auf einen bestimmten Regierungsbezirk (Komitat) beschränkt. Sie könnten in öffentlichen Notunterkunftsplätzen des jeweiligen Regierungsbezirks unterkommen und eine kostenlose medizinische Notfallversorgung in Anspruch nehmen. Bei Zuerkennung eines Schutzstatus könnten sie Integrationsleistungen beanspruchen. Seit Januar 2014 würden diese auf örtlicher Ebene (dezentral) durchgeführt. Dabei wirke ein örtlich zuständiger Dienst für Familienförderung mit (auch für Personen ohne Schutzstatus). Es würden individuelle Integrationsvereinbarungen geschlossen. Bei der Förderung der sozialen Integration leiste der Dienst neben finanziellen Hilfen u.a. auch Hilfe bei der Arbeitssuche. In der Flüchtlingshilfe engagierten sich u.a. die Flüchtlingsmission der Reformierten Kirche, die Ungarische Gesellschaft für Migranten und das Helsinki-Komitee. In den Jahren von 2012 bis 2014 habe es 335, 850 bzw. 827 Rücküberstellungen im Dublin-Verfahren gegeben.
40 
Der UNHCR hat in seiner Auskunft an die Kammer vom 30.09.2014 im Verfahren A 5 K 2328/13 weitgehend entsprechende Angaben gemacht. Die am 01.07.2013 in Kraft gesetzten neuen Bestimmungen zur Inhaftierung von Schutzsuchenden bis zu sechs Monaten hat er kritisch beurteilt. Nach seiner Ansicht würden praktisch alle Dublin-Rückkehrer in Haft genommen, ausgenommen Familien oder besonders vulnerable Asylsuchende. Beim damaligen Stand hat der UNHCR für den August 2014 dank Unterstützung der Europäischen Union eine Verbesserung der Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge gesehen. Anerkannte Flüchtlinge müssten mehrere Monate warten, bis sie Integrationshilfen beanspruchen könnten. Hinsichtlich der medizinischen, psychologischen und psychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen gebe es aus allen Aufnahmeeinrichtungen Beschwerden. Drogen- und andere Abhängige hätten keinen Zugang zu medizinischen Diensten. Ein psychisches Problem seien auch fehlende tägliche Beschäftigung und Abwechslung. Wer keine permanente Adresskarte habe, habe Probleme beim Zugang zu medizinischen Diensten. Zum 01.01.2014 seien Regelungen zur Integration von Personen mit Schutzstatus eingeführt worden. Es gebe systemische Probleme, die einer Integration von Flüchtlingen entgegen stünden. Das System der gesetzlichen Hilfen sei unter anderem bei weitem nicht genügend finanziert. Obdachlose, die auf öffentlichen Plätzen nächtigten, würden kriminalisiert. Im Juni 2013 seien unter Hinweis auf diese Bedingungen etwa 70 und im August 2013 nochmals etwa 20 afghanische Staatsangehörige nach Deutschland weitergereist. Pro Asyl und bordermonitoring hätten berichtet, dass Inhaber eines Schutzstatus nach der Rückkehr nach Ungarn sich in einer besonders verletzlichen Lage befunden hätten. Deren finanzielle Unterstützung sei zu gering gewesen, um eine Wohnung zu finden. Auch in Obdachlosenunterkünften habe es nicht genügend Plätze für Flüchtlinge gegeben. Eine im Jahr 2012 erfolgte Befragung habe ergeben, dass fast die Hälfte der Personen mit Schutzstatus keine Arbeit gehabt hätten, was u.a. auf den Mangel an Ausbildung und Berufserfahrung und den Mangel an ungarischen Sprachkenntnissen zurückgeführt werden könne. Die Inhaftierungspraxis und deren gerichtliche Kontrolle sei mangelhaft. Die Ernährung der Flüchtlinge in Haft sei nach deren Angaben unzureichend, seitens des Personals in den Haftanstalten gebe es Rassismus und Missbrauch. Neu eingestelltes Personal in den Aufnahmeeinrichtungen habe keine Berufserfahrung und auch keine entsprechende Ausbildung durchlaufen. Es gebe keine Vorkehrungen, verletzliche Personen zu erkennen. Die Hygiene-Einrichtungen in den Aufnahmeeinrichtungen seien unzureichend. Über private Organisationen, die Flüchtlinge unterstützen und dabei vom ungarischen Staat unterstützt würden, lägen keine Auskünfte vor.
41 
Am 23.09.2015 hat die Europäische Kommission gegen Ungarn zwei Vertragsverletzungsverfahren wegen ausstehender Berichte zur Einhaltung von Asylverfahrensbestimmungen und zur Einhaltung der Standards für Aufnahmebedingungen anerkannter Flüchtlinge eingeleitet. Auch gegen zahlreiche andere Mitgliedstaaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland, wurden Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Zugleich hat die Kommission umfangreiche unmittelbare, operative, budgetäre und rechtliche Maßnahmen im Rahmen der Europäischen Migrationsagenda angekündigt, wozu auch eine Ausweitung der finanziellen und personellen Unterstützung der am stärksten von der Flüchtlingsmigration betroffenen Mitgliedstaaten gehören.
42 
Wegen der im Lauf des ersten Halbjahres 2015 stark angestiegenen Zahl an Schutzsuchenden hat Ungarn im Juli 2015 entlang der 174 km langen Grenze zu Serbien einen festen bzw. aus übereinander liegenden Rollen von sogenanntem Nato-Draht gefertigten durchgehenden Zaun errichtet, um die Schutzsuchenden zu veranlassen, die serbisch-ungarische Grenzen nur an den Grenzübergängen zu überschreiten und um diese nahe der Grenze registrieren zu können. Geplant war (und noch nicht verwirklicht ist), Schutzsuchende nicht weiter ins Land einreisen zu lassen, und grenznahe Unterkünfte und Einrichtungen zur Aufnahme zu errichten. Um auch das Militär einsetzen zu können, wurde an die Ausrufung eines "Migrationsnotstands‘“ gedacht.
43 
Die ungarische Bevölkerung ist nach vielen Pressemeldungen gegenüber den Schutzsuchenden überwiegend ablehnend eingestellt. Die Regierung greift diese Stimmung nicht nur auf, sondern befördert sie. Laut Pester Lloyd vom 12.06.2015 hat der ungarische Ministerpräsident etwa geäußert: „Wir müssen alles versuchen, um Ungarn das Zusammenleben mit Menschen verschiedener Kulturen zu ersparen“. Im Juli 2015 beharrte er darauf, dass Ungarn ein ungarisches Land bleiben solle. Bei einer vom UNHCR deutlich kritisierten landesweiten Regierungskampagne wurde plakatiert: "Wenn du nach Ungarn kommst, darfst du den Ungarn nicht die Arbeit wegnehmen!“ (Spiegel-online v. 02.09.2015). Auch empfindet die ungarische Regierung die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen als Einmischung und behindert deren Arbeit (Spiegel-online v. 12.09.2014).
44 
In einem Interview (FAZ vom 03.09.2015, S. 10) hat der ungarische Ministerpräsident geäußert, Europa müsse verstehen, dass man nicht aufnehmen könne, wenn man überrannt werde. Deshalb sei der Zaun, den Umgarn baue, wichtig. Er folge aus dem Schengener Abkommen. Das ungarische Volk sei konsultiert worden. Von acht Millionen Wählern hätten eine Million geantwortet. 85 % von ihnen meinten, die Union sei bei der Bewältigung der Einwanderung gescheitert. Europa könne nicht gegen den Willen der Bürger sein. Nur wenn die Grenzen beschützt würden, könnten Fragen gestellt werden nach der Anzahl der Menschen, die Europa aufnehmen wolle oder ob es Quoten geben solle. Die Menschen, die kämen, seien meistens keine Christen, sondern Muslime. Wenn das aus den Augen verloren würde, könne der europäische Gedanke auf dem eigenen Kontinent in die Minderheit geraten. Die erwähnte Umfrage hatte die Mitteleuropa-Vertretung des UNHCR zum Anlass genommen, ihre „zutiefste“ Besorgnis zum Ausdruck zu bringen, dass die ungarische Regierung Flüchtlinge als Gefahr für das Land darstelle (Salzburger Nachrichten v. 08.05.2015 - online), und eine Gegenkampagne gestartet, in deren Rahmen ab dem 01.07.2015 500 Plakate im ganzen Land aufgehängt werden sollten. Eine Sprecherin des UNHCR habe dazu gesagt, die Lage in Ungarn sei eine besondere, weil nicht, wie in kleinen Ländern, kleine Gruppen Fremdenhass schürten, sondern die Regierung; ein positives Zeichen sei, dass die Reaktionen in der ungarischen Öffentlichkeit gespalten seien (euronews v. 17.06.2015). Die ungarische Regierung sieht, wie auch die Errichtung von Grenzzäunen zu Serbien und Kroatien zeigt, die ein- und durchreisenden Flüchtlinge ausdrücklich als Gefahr an (Handelsblatt v. 02.10.2015: Orban: „Das Land ist von einer Flüchtlingsarmee bedroht“). Gemeldet wurde auch, ein Sprecher der Partei Fidesz habe gesagt, das größte Aufnahmelager Debrecen (das Platz für 930 Menschen bietet, aber nur mit derzeit 260 Menschen belegt sei), solle mit Rücksicht auf die Bewohner der Umgebung geschlossen werden; der UNHCR habe das Vorgehen Ungarns gegenüber den Flüchtlingen u.a. deshalb als sehr besorgniserregend bezeichnet (DLF v. 02.10.2015).
45 
Es gibt nur wenige Hilfsorganisationen, welche sich um Schutzsuchende bzw. anerkannte Schutzsuchende kümmern. Über bürgerschaftliche Hilfe wird berichtet. Wie wirksam diese bei der großen Zahl der Schutzsuchenden sein kann, lässt sich nicht einschätzen.
46 
Insbesondere hinsichtlich der jüngsten Änderungen der ungarischen Asylgesetze und sonstiger neuerer Entwicklungen hat die Beklagte in keinem der am 13.10.2015 verhandelten Verfahren substantiiert dargelegt, wie sich die Aufnahmebedingungen und das Asylverfahren rechtlich und tatsächlich in den letzten Monaten entwickelt haben.
47 
Die Kammer konnte auch nicht unmittelbar von dem Verbindungsbeamten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge bei der ungarischen Asylbehörde Erkenntnisse erhalten. Dieser hat auf eine - außerhalb dieses Verfahrens erfolgte - Anfrage per e-mail nach den letzten Änderungen im ungarischen Asylrecht mitgeteilt, er könne nicht (mehr) unmittelbar Auskunft erteilen, Auskünfte erteilten die Dublin-Referate des Bundesamts. Der Informationsaustausch der Dublin-Referate des Bundesamts mit den Vertretern des Bundesamts vor den Verwaltungsgerichten scheint allerdings zur Zeit nicht gewährleistet zu sein; denn diese haben sich nicht in der Lage gesehen, aktuelle Erkenntnisse mitzuteilen.
48 
Die Kammer stützt sich daher, was die Entwicklung in den letzten Monaten betrifft, in tatsächlicher Hinsicht in erster Linie auf den Bericht des European Asylum Support Office (EASO) im Anschluss an eine Bereisung vom 16. bis 20.03.2015 sowie auf zahlreiche Internet-Veröffentlichungen des Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles etc. sowie insbesondere auf die in der Rechtsprechung des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts umfassend wiedergegebenen und laufend aktualisierten Berichte des österreichischen Verbindungsbeamten bei der ungarischen Asylbehörde (vgl. zuletzt öster. BVwG, Urt. v. 24.09.2015 - W 1442114716-1/3 E -, Internet-Seite des österreichischen Bundeskanzleramts, dort Rechtsinformationssystem -RIS-; dort finden sich im Einzelnen insbesondere Ausführungen zum Asylverfahren allgemein (2.), zur Haft (3.), zur Lage von Dublin-Rückkehrern (4.), zu vulnerablen Gruppen (5.), zur Versorgung, insbesondere Unterbringung (7.) und zur Lage von Schutzberechtigten (8.), auf die die Kammer Bezug nimmt).
49 
Danach hat Ungarn im Juli 2015 mit Wirkung ab dem 01.08.2015 das Asylrechtsgesetz in erheblichem Umfang geändert und eine entsprechende Durchführungsverordnung erlassen. Als sicherer Drittstaat wurden u.a. auch die Beitrittskandidaten zur Europäischen Union benannt, also auch Serbien. Zahlreiche Beschleunigungs- und Darlegungspflichten wurden eingeführt bzw. verschärft. 160 ungarische Rechtsanwälte haben daraufhin die neuen Regelungen, darunter auch Behandlung Minderjähriger ab 14 Jahren als Grenzverletzer mit einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren, keine zwingende Übersetzung von Anklage und Urteil, als Verstoß gegen Völkerrecht gewertet (spiegel-online v. 03.10.2015: „Ungarn urteilt Flüchtlinge im Schnellverfahren ab“). Für die Inhaftierung von Asylsuchenden gibt es seit dem 01.07.2015 geänderte Bestimmungen. Asylhaft wird insbesondere verhängt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass der Antragsteller das Asylverfahren verzögern oder sich diesem entziehen wird. Dann bleibt die Haft für die Dauer des gesamten Asylverfahrens aufrecht erhalten. Im Jahr 2014 wurden insgesamt 4.806 Personen in Asylhaft genommen, am häufigsten Asylsuchende aus dem Kosovo und aus Afghanistan (1.038). Im Jahr 2015 gingen die Zahlen möglicherweise zurück. Ab September 2014 wurden wieder Familien mit Kindern in Asylhaft genommen. Mitte März 2015 soll diese Praxis aufgrund eines Berichts des ungarischen Ombudsmanns für Menschenrechte wieder eingestellt worden sein; aktuelle Informationen dazu gibt es nicht.
50 
Für das Vorliegen systembedingter Mängel mit der Folge, dass aktuell jeder Asylbewerber in Ungarn Gefahr liefe, dort menschenrechtswidrig behandelt zu werden, spricht bereits der Umstand, dass seit September 2015 die Bundesrepublik Deutschland wie auch Österreich davon ausgehen, dass Ungarn nicht in der Lage ist, die große Zahl an einreisenden Flüchtlingen nach den unionsrechtlichen Regeln durch ein Asylverfahren zu führen und - bei Erreichen eines Schutzstatus - auch auf Dauer hinreichende Aufnahmebedingungen zur Verfügung zu stellen.
51 
Dem entspricht es, dass eine zunehmende Zahl von Verwaltungsgerichten in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wie auch in Urteilen aus unterschiedlichen Erwägungen zur Auffassung gelangt, dass Ungarn zur Zeit nicht als zuständiger Staat betrachtet werden darf (u.a. VG Hannover, Beschl. v. 29.07.2015 - 10 B 2196/15 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 21.08.2015 - 8 L 2811/15.A -; VG München, Beschl. v. 21.05.2015 - M 16 S 15.50329 -; VG Köln, Urt. v. 15.07.2015 - 3 K 2005/15.A - und v. 08.09.2015 - 18 K 4584/15.A -; VG Bremen, Urt. v. 30.06.2015 - 3 K 296/15 -; VG Saarland, Beschl. v. 12.08.2015 - 3 L 776/15; VG Münster, Beschl. v. 07.07.2015 - 2 L 858/15.A -, alle juris).
52 
In der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte ist die Frage nicht geklärt. Wenigen ablehnenden Entscheidungen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 06.08.2013 - 12 S 675/13 - InfAuslR 2014, 29 OVG Sachs.-Anh., Beschl. v. 31.05.2013 - 4 L 169/12 -, Bayer.VGH, Beschl. v. 12.06.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris; alle juris) steht gegenüber, dass etwa das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die Berufung gegen eine klagabweisende Entscheidung zugelassen hat (Beschl. v. 15.05.2015 - 8 LA 85/15 - a.a.O.).
53 
Zwar hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2014 (E. v. 03.07.2014 - Nr. 71932/12 - gestützt auf Stellungnahmen des UNHCR, des Ungarischen Helsinki-Kommitees und des Berichts einer UN-Arbeitsgruppe, die sich mit den Haftbedingungen in Ungarn befasst hat, entschieden, dass im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2014 mit Blick auf die signifikanten Änderungen der ungarischen Asylgesetze weder die Inhaftierungspraxis noch die Haftbedingungen den dortigen Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) einer menschenrechtswidrigen Behandlung in Ungarn als Asylsuchender aussetzen würde; gleiches gelte für die Gefahr einer Überstellung des Klägers nach Serbien. Auch der Europäische Gerichtshof hatte noch im Jahr 2013 (Urt. v. 10.12.2013 a.a.O.) systemische Mängel im ungarischen Asylsystem verneint.
54 
Demgegenüber haben sich die Verhältnisse aber - auch für sog. Dublin-Rückkehrer - in Folge der sehr stark gestiegenen Zahl der Flüchtlinge und der hierauf erlassenen Gesetzesverschärfungen in Ungarn aber in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht wesentlich verschlechtert (vgl., insbesondere zur Inhaftierungspraxis, zu den Haftbedingungen und zur gerichtlichen Kontrolle, VG Köln, Urt. v. 30.07.2015 a.a.O.; VG Saarland, Beschl. v. 12.08.2015 a.a.O.; vgl. auch schon VG Berlin, Beschl. v. 23.01.2015 – 23 L 717.14 A – juris; auch VG München, Urt. v. 29.08.2014 - M 24 K 13.31294 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 27.08.2014 - 14 L 1786/14.A - juris). Zudem sieht Ungarn seit dem 01.09.2015 Serbien wieder als sicheren Drittstaat an, wobei noch nicht klar ist, ob und unter welchen Voraussetzungen es tatsächlich zu Überstellungen nach Serbien kommen wird, insbesondere auch von Personen, welche nach den Dublin-Regeln nach Ungarn zurücküberstellt werden und die dort möglicherweise als Folgeantragsteller behandelt würden (vgl. öster. BVwG, Urt. v. 24.09.2015 a.a.O.).
55 
Ob die neuen Vorschriften zur Beschleunigung der Asylverfahren in jeder Hinsicht dem Unionsrecht genügen, ist zumindest sehr zweifelhaft. Das gilt insbesondere für die Frage, ob und in welchen Fällen Dublin-Rückkehrer bei Fortsetzung des Asylverfahrens bzw. in einem Zweitverfahren in ihrem Vorbringen beschränkt sind, ferner auch für die Frage, ob es zulässig ist, dass ein Asylverfahren eingestellt wird, wenn der Antragsteller für die Dauer von 48 Stunden nicht in der Aufnahmeeinrichtung angetroffen werden kann, der er zugewiesen ist (so VG Köln a.a.O.).
56 
Schließlich kann es nicht zu Lasten der Betroffenen ausschlagen, dass es aktuell keine verlässlichen Berichte über die tatsächliche Lage von Asylbewerbern und Inhabern von internationalem Schutz in Ungarn gibt und dass Ungarn selbst gegenüber der Europäischen Kommission nicht berichtet, inwieweit es - unter der augenscheinlichen Überlastung - die Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben bewältigen kann.
57 
Vielmehr muss bei der Beurteilung einer Gefahrenlage für nach Ungarn rücküberstellte Asylbewerber vor allem das oben geschilderte innenpolitische Klima berücksichtigt werden. Indem die Regierung in der öffentlichen Debatte einseitig die Abwehr von Flüchtlingen betont und Ängste in der Bevölkerung schürt, trägt sie erheblich dazu bei, dass bei es der Anwendung der gesetzlichen Regelungen, auch soweit diese dem europäischen Flüchtlingsrecht zweifellos entsprechen, zu Menschenrechtsverletzungen kommen kann.
58 
Insbesondere lässt die ungarische Politik keine hinreichende Bereitschaft erkennen, von Ungarn als schutzbedürftig anerkannten Personen bei der Integration in die Gesellschaft beizustehen. Die dafür geschaffenen Regeln und die dafür bereit gestellten Mittel sind nach der Auskunft des UNHCR offensichtlich unzureichend. So erscheint als nicht gesichert, dass Menschen, die in Ungarn internationalen Schutz erhalten haben, insbesondere auch Dublin-Rückkehrer, in den Genuss der ohnehin deutlich unterfinanzierten gesetzlichen Integrationsangebote kommen können. Für die zuletzt genannte Gruppe dürfte dies schon an den verstrichenen Antragsfristen scheitern. Auch die Bereitstellung von Wohnraum für diesen Personenkreis ist völlig ungewiss. Eine Verweisung in die staatlichen bzw. kommunalen Obdachlosenunterkünfte scheitert an den Kapazitäten und für Familien auch daran, dass dort keine Kinder aufgenommen werden; in zahlreichen Verfahren ist der Kammer von den Klägern überzeugend vorgetragen worden, dass es ihnen nicht gelungen ist, Wohnung und Arbeit zu finden.
59 
Aus diesen Gründen ordnet das österreichische Bundesverwaltungsgericht seit September 2015 in Dublin-Ungarn-Fällen die aufschiebende Wirkung der Klagen regelmäßig an. Von ihm gibt es auch schon stattgebende Hauptsachentscheidungen. Diese sind allerdings - wohl mangels einer Pflicht, Spruchreife selbst herbeizuführen - damit begründet, dass die Veränderung der Sachlage weiterer Aufklärung durch die österreichische Asylbehörde bedarf (vgl. Urt. v. 24.09.2015 a.a.O.).
60 
Der Feststellung von systembedingten Mängeln des ungarischen Asylsystems im oben dargelegten Sinn lässt sich nicht - wie dies die Beklagte tut - entgegen halten, dass weitaus die meisten Schutzsuchenden gar nicht in Ungarn bleiben, sondern, entgegen dem ungarischen Flüchtlingsrecht auf allen möglichen Wegen nach Österreich und von dort insbesondere in die Bundesrepublik Deutschland, aber etwa auch weiter nach Schweden, reisen wollen. Denn der Andrang von Flüchtlingen auch an den ungarischen Grenzen dauert weiter an. Außerdem wäre Ungarn jedenfalls dann, wenn, wie im Fall des Klägers, die anderen Dublin-Staaten auf einer Rücküberstellung dorthin bestehen würden, wiederum mit der Zahl der Antragsteller überfordert.
61 
Soweit in zahlreichen Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte darauf abgehoben wird, dass der UNHCR, anders als bei Griechenland und - eingeschränkt - Bulgarien, aktuell keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, Asylsuchende nicht nach Ungarn zu überstellen, vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Der UNHCR selbst hält einer solchen Interpretation entgegen, dass das Fehlen einer solchen generellen Empfehlung keineswegs bedeute, er sei der Auffassung, dass keine solchen einer Überstellung entgegenstehenden Umstände vorlägen oder im Einzelfall vorliegen könnten. Aus seiner Sicht ist es Sache der Behörden und Gerichte, im Einzelfall zu prüfen, ob drohende Verletzungen von Art. 3 EMRK eine Überstellung in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausschlössen. Der UNHCR weist insoweit auch darauf hin, dass der Supreme Court des Vereinigten Königreichs diese Auffassung ausdrücklich bestätigt habe (vgl. UNHCR an VG Bremen v. 30.09.2014). Auch hat der UNHCR angesichts der jüngsten Entwicklung wiederholt vor einer „weiteren Verschlechterung der Lage“ gewarnt und betont, es sei wichtig, dass die Umsetzung der neuen asyl- und haftrechtlichen Vorschriften gut durchdacht werde, andernfalls „das zu Chaos“ führen würde (heute.de v. 05.10.2015). Im Übrigen bedürfte es gegenwärtig entsprechender Warnungen des UNHCR nicht, weil Überstellungen nach Ungarn wohl seit einigen Monaten gar nicht mehr stattfinden. Das ergibt sich aus Folgendem:
62 
Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage aus dem Deutschen Bundestag vom 18.08.2015 (BT-Drucksache 18/5785, S. 18 ff., noch mit dem Vermerk "Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt") ergibt sich, dass das Bundesamt im ersten Quartal 2015 2952 und im zweiten Quartal 2015 3565 Übernahmeersuchen an Ungarn gerichtet hatte. Etwa 80 % der Ersuchen (2.304 bzw. 2.665 akzeptierte Ungarn. Im ersten Quartal 2015 gab es 30 Selbsteintritte oder faktische Überstellungshindernisse in Bezug auf Ungarn, im zweiten Quartal 2015 171. Tatsächlich überstellt wurden nach Ungarn (nach der Dublin-Verordnung) im ersten Quartal 2015 aber nur 42 Personen und im zweiten Quartal 2015 nur 61 Personen, also nur etwa 2 Prozent bezogen auf die Zahl der akzeptierten Übernahmeersuchen. Die Gründe dafür sind nicht bekannt und auch auf Nachfrage vom Bundesamt nicht zu erfahren. Sie dürften einerseits in einer begrenzten Aufnahmebereitschaft Ungarns (Kontingentierung der Aufnahme), andererseits aber auch in der beschränkten Kapazität der zuständigen deutschen Behörden liegen. Ein ähnliches Bild bietet die schweizerische Asylstatistik. Die Schweiz hatte im ersten Halbjahr 2015 407 Ersuchen an Ungarn gestellt, die Ungarn in 333 Fällen akzeptierte; tatsächlich überstellt wurden im gleichen Zeitraum nur 54 Personen, also etwa 16 % der akzeptierten Übernahmeersuchen.
63 
Seit mehreren Monaten finden auf Bitten Ungarns wohl überhaupt keine Rücküberstellungen von Deutschland aus mehr statt (vgl. die Nachweise bei VG Hannover, Beschl. v. 29.07.2015 - 10 B 2196/15 - juris). Nachfragen der Kammer dazu hat das Bundesamt nicht beantwortet.
64 
Auch deshalb ist die angefochtene Abschiebungsanordnung rechtswidrig. Denn § 34a Abs. 1 AsylVfG erfordert, dass die Abschiebung tatsächlich durchgeführt werden kann. Dafür reicht eine Übernahmeerklärung Ungarns aber nicht aus, wenn anschließend seitens des ungarischen Staats keine oder nur eine ganz geringe Bereitschaft und so gut wie keine Kapazität besteht, Erst- und Folgeantragsteller sowie überstellte Schutzsuchende und Inhaber internationalen Schutzes tatsächlich aufzunehmen. Zumindest erscheint es als völlig fernliegend, dass bei einer evtl. Wiederaufnahme von Überstellungen nach Ungarn in einigen Monaten oder einem Jahr ausgerechnet diejenigen Schutzsuchenden zurücküberstellt würden, welche sich nun schon seit mehreren Jahren im Bundesgebiet aufhalten. Dies gilt umso mehr für Schutzsuchende, die in Ungarn oder nach Zurückschiebung nach Serbien bzw. Griechenland Menschenrechtsverletzungen in erheblichem Umfang, insbesondere eine langdauernde Asylhaft, erfahren haben, wenn dies zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt hat. Daraus kann sich - wie oben dargelegt - sogar ein Abschiebungsverbot in rechtlicher Hinsicht ergeben (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK).
65 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.

Gründe

 
13 
Über die Klage kann die Kammer entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war; denn auf diese Möglichkeit ist die Beklagte in der Ladung zur mündlichen Verhandlung hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
14 
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.04.2015 - A 11 S 121/15 - juris) und auch sonst zulässig. Insbesondere hat der Kläger mit der Erhebung der Klage am 11.11.2013 die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG von zwei Wochen ab der am 30.10.2013 erfolgten Zustellung des angefochtenen Bescheids gewahrt. Die Klagefrist betrug nicht etwa nur eine Woche (gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG); denn der Asylantrag ist weder als unbeachtlich noch als offensichtlich unbegründet im Sinne von § 36 AsylVfG zurückgewiesen worden; vielmehr beruht die angefochtene Entscheidung auf §§ 27a, 34a AsylVfG (Funke-Kaiser, in: GK AsylVfG, Stand: Juni 2014, § 74 Rdnr. 5 m.w.N). Im Übrigen betrug die Klagefrist hier ohnehin ein Jahr; denn die dem angefochtenen Bescheid beigefügte Rechtsmittelbelehrung in französischer Sprache war unrichtig (§ 58 Abs. 2 VwGO), weil dort als zuständiges Gericht das Verwaltungsgericht Karlsruhe genannt war; diese Unrichtigkeit war geeignet, dem Antragsteller die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren. Dass die ebenfalls beigefügte Rechtsmittelbelehrung in deutscher Sprache diesen Fehler nicht aufwies, ändert daran nichts (so schon VG Freiburg, Urt. v. 19.06.2013 - A 3 K 482/11 -).
15 
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16 
Die Entscheidung unter Ziffer 1 des Bescheids ("Der Asylantrag ist unzulässig.") ist als Ablehnung des Asylantrags als unzulässig und nicht als feststellender Verwaltungsakt auszulegen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77). Sie folgt aus § 27a AsylVfG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
17 
Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats für die Prüfung des Asylantrags des Klägers richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (Dublin II-VO). Da der Kläger bereits im Juli 2013 einen Asylantrag im Bundesgebiet gestellt und die Bundesrepublik Deutschland am 02.10.2013 ein Übernahmeersuchen an Ungarn gerichtet hat, ist nach der Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (Dublin III-VO) noch die Dublin II-Verordnung zugrunde zu legen.
18 
Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Krite-rien des Kapitels III der Verordnung als zuständiger Staat bestimmt wird.
19 
Danach ist von einer Zuständigkeit Ungarns für die Prüfung des in Deutschland gestellten Antrags des Klägers auszugehen. Denn nach den Angaben aus Ungarn wurde der Kläger dort am 11.07.2013 als Asylantragsteller registriert. Die Zuständigkeit Ungarns folgt damit aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO. Da der Kläger in Ungarn im zeitlichen Anschluss an den illegalen Grenzübertritt einen Asylantrag gestellt hatte, bevor er im Bundesgebiet erneut um internationalen Schutz nachgesucht hat, ergibt sich eine Verpflichtung Ungarns, ihn wieder aufzunehmen, aus Art. 16 Abs. 1 Satz 1e Dublin II-VO.
20 
Die Zuständigkeit Ungarns ist nicht wegen Ablaufs der Überstellungsfrist entfallen.
21 
Ungarn hat am 08.10.2013 dem Übernahmeersuchen entsprochen. Die mit der Abgabe der Zustimmung beginnende sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO ist wegen des erfolgreichen Antrags des Klägers auf vorläufigen Rechtsschutz noch nicht abgelaufen (Art. 20 Abs. 1d Dublin II-VO; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293). Im Übrigen würde allein der Ablauf der Überstellungsfrist bei weiter bestehender Übernahmebe-reitschaft des ersuchten Mitgliedstaats den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris).
22 
Allerdings kommt in Betracht, dass eine Zuständigkeit Ungarn hier deshalb schon jetzt nicht mehr besteht, weil Vieles dafür spricht, dass die Beklagte nach Eintritt der Rechtskraft eines klagabweisenden Urteils die Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO verstreichen lassen wird und Ungarn danach nicht mehr zu einer Aufnahme des Klägers bereit wäre. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt hätte der Kläger einen Anspruch darauf, dass die Beklagte das Asylverfahren doch durchführt (Urt. v. 29.04.2015 - A 11 S 121/15 - InfAuslR 2015, 363). Ist schon jetzt - wie hier, was noch darzulegen ist - offenkundig, dass es aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen zu keiner Überstellung eines Klägers nach Ungarn kommen wird, dürfte es dem Sinn und Zweck des Dublin-Verfahrens widersprechen, ihn gleichwohl für die Dauer eines Jahres gewissermaßen im Wartestand zu belassen, und dürfte er den Selbsteintritt der Beklagten auch schon jetzt beanspruchen können.
23 
Diese Frage kann die Kammer jedoch offenlassen; denn der Kläger hat jedenfalls wegen der aktuell bestehenden Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn einen Anspruch darauf, dass die Beklagte gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO in die Zuständigkeit eintritt (sofern sie nicht rechtmäßig noch einen anderen Mitgliedstaat als Ungarn nach den Dublin-Regeln als zuständiger Staat für das Asylbegehren des Klägers bestimmt).
24 
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Dublin-II-Verordnung (Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417, vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129, v. 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208) und dem folgend des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293, v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77, v. 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris sowie Urt. v. 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris) hat ein Asylbewerber - sofern spezialgesetzlich keine besonderen Ausnahmen geregelt sind (vgl. etwa Art. 7 Dublin II-VO) - grundsätzlich kein subjektives Recht auf Prüfung seines Antrags in einem bestimmten Mitglied- oder Vertragsstaat, so dass Fehler bei der Auslegung und bei der Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der Verordnung grundsätzlich unerheblich sind. Grundsätzlich kann ein Antragsteller mit Aussicht auf Erfolg nur einwenden, dass in dem in der Abschiebungsanordnung bezeichneten Staat systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gegeben sind, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - a.a.O.)
25 
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht eine - allerdings - widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genügt. Diese Vermutung ist widerlegt, wenn in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und diese zur absehbaren Folge haben, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
26 
Insoweit stellt nicht jeder vereinzelte Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin II-VO (bzw. nunmehr der Dublin III-VO) und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts, wie von Art. 4 GRCh, durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Denn dann stünde nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417). Das Dublin-Zuständigkeitssystem ist deshalb nur dann (teilweise) zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel oder Schwachstellen (vgl. jetzt auch Art. 3 Abs. 2 UA. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 = Dublin III-VO) des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O. und v. 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129).
27 
Systemische Schwachstellen sind solche, die entweder bereits im Asyl- und Aufnah-meregime selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorher-sehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu füh-ren, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitge-hend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1093, und v. 06.06.2014 - 10 B 35.14 - NVwZ 2014, 1677). Dabei ist der Begriff der systemischen Schwachstelle nicht in einer engen Weise derart zu ver-stehen, dass er geeignet sein muss, sich auf eine unüberschaubare Vielzahl von An-tragstellern auszuwirken. Vielmehr kann ein systemischer Mangel auch dann vorlie-gen, wenn er von vornherein lediglich eine geringe Zahl von Asylbewerbern betreffen kann, sofern er sich nur vorhersehbar und regelhaft realisieren wird und nicht gewis-sermaßen dem Zufall oder einer Verkettung unglücklicher Umstände bzw. Fehlleis-tungen von in das Verfahren involvierten Akteuren geschuldet ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77).
28 
Wesentliche Kriterien für die zu entscheidende Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende (bzw. "entwürdigende") Behandlung vorliegt, finden sich in der Recht-sprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (vgl. Urt. v. 21.01.2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien - NVwZ 2011, 413, v. 04.11.2014 - Nr. 29217/12, Tarakhel/Schweiz - juris, und E. v. 05.02.2015 - Nr. 51428/10, A.M.E./Niederlande - juris), der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77, m.w.N.). Die Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh muss durch wesentliche Gründe (so nunmehr Art. 3 Abs. 2 UA. 2 Dublin III-VO; vgl. auch EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417: "ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe") gestützt werden. Das bedeutet, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sein müssen; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936; Beschl. v. 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris).
29 
Anhand dieser Grundsätze sind hinreichende Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland angenommen worden (EGMR - Große Kammer, Urt. v. 21.01.2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413 und weitere, vgl. dazu, auch zum Folgenden, BVerwG, Beschl. v. v. 19.03.2014 a.a.O. und v. 06.06.2014 - 10 B 35/14 - juris).
30 
Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zu-ständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktions-störungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.
31 
Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus gefolgert (Beschl. v. 06.06.2014 - 10 B 35.14 - a.a.O.): Aus der dargelegten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergebe sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten könne und es nicht darauf ankomme, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen könne und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt gewesen sei. Derartige individuelle Erfahrungen seien vielmehr (allein) in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers (dort: Italien) vorliegen. In diesem begrenzten Umfang seien individuelle Erfahrungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei sei allerdings zu beachten, dass persönliche Erlebnisse Betroffener, die - wie in dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Grunde liegenden Fall - einige Jahre zurücklägen, durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein könnten. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 GRCh verstoßenden Behandlung führten hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel.
32 
Nach der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (zu Italien) ist dabei stets auch zu fragen, ob die gesetzliche Vermutung des Fehlens systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen zumindest für einzelne Gruppen besonders verletzlicher Antragsteller erschüttert bzw. widerlegt ist. Eine Überstellung sogenannter vulnerabler Personen kommt nur in Betracht, wenn der Aufnahme-Mitgliedschaft eine entsprechende individuelle Garantieerklärung abgibt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.07.2015 - 2 BvR 746/15 - m.w.N.)
33 
Die Kammer hat allerdings in mehreren Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. etwa VG Freiburg, Beschl. v. 30.07.2014 - A 5 K 418/14 - juris) zu Grunde gelegt, dass eine Beweislastumkehr ausnahmsweise dann angezeigt ist, wenn erwiesen ist, dass in einem Mitgliedstaat systemimmanente Schwachstellen bestanden haben, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung des jeweiligen Klägers als beachtlich wahrscheinlich haben erscheinen lassen (das dürfte in Ungarn in den Jahren 2011 und 2012 der Fall gewesen sein). In einem solchen Fall sollte ein durchgreifender Wandel der Verhältnisse erst dann zu Grunde gelegt werden können, wenn er nachgewiesen ist. Mit anderen Worten: Eine Verbesserung der Verhältnisse hinsichtlich der Asylverfahren und der Aufnahmebedingungen, etwa durch Änderungen der einschlägigen mitgliedstaatlichen Vorschriften oder durch Bereitstellung weiterer personeller und sächlicher Mittel, sollte erst dann zu Lasten des jeweiligen Schutzsuchenden angenommen werden, wenn die angestrebten Verbesserungen in der Anwendung der verbesserten Vorschriften auch nachweislich eingetreten sind; dass in den Monaten nach der Verbesserung der rechtlichen Grundlagen noch keine aktuellen Beschwerden oder keine aktuelle Kritik des UNHCR oder anderer Menschenrechtsorganisationen bekannt geworden ist, sollte für die Annahme einer nachhaltigen Verbesserung der Verhältnisse nicht ohne Weiteres ausreichen. Dem entspräche es im Übrigen auch, dass die Mitgliedstaaten bei Griechenland tatsächlich wohl so verfahren und mit einer Wiederaufnahme von Überstellungen nach Griechenland erst wieder begonnen werden dürfte, wenn dort entsprechende Verfahren und Aufnahmebedingungen gewährleistet sind.
34 
Weiter erscheint der Kammer fraglich, ob bei der Feststellung systemischer Mängel im Asylverfahren und bei den Aufnahmebedingungen eine vom jeweiligen Asylbewerber selbst erfahrene menschenrechtswidrige Behandlung, etwa eine längere, unbegründete Haft, eine längere unfreiwillige Obdachlosigkeit oder ein langjähriges Fernhalten vom Asylverfahren, erst dann von Bedeutung sein soll, wenn sich hieraus eine anhaltende, im Aufnahmestaat nicht zu behandelnde Gesundheitsstörung (insbesondere posttraumatische Belastungsstörung) ergeben hat.
35 
Denn auch wenn solche Erfahrungen Einzelner für sich noch kein systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen begründen können, es sei denn, sie sind zahlreich und repräsentativ für eine (vulnerable) Gruppe, der der jeweilige Antragsteller angehört, könnte eine selbst erlittene menschenrechtswidrige Behandlung doch bei der Frage, ob die Beklagte in das Asylverfahren als zuständiger Staat eintritt, jedenfalls aber bei der Prüfung, ob eine Abschiebungsanordnung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erlassen wird, zu berücksichtigen sein (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, Art. 4 GRCh). Davon scheint etwa das Schweizerische Bundesgericht auszugehen, das auch Umstände berücksichtigt, welche die Schutzsuchenden bei ihrem Aufenthalt im Erstaufnahmestaat individuell erlitten haben (z.B. sexuelle Übergriffe, Suizidversuch, Therapiebedürftigkeit). (vgl. Urt. v. 09.10.2013 - E 2093/2012 - und v. 30.10.2013 - E 3837/2012 -; zuletzt auch Urt. v. 23.07.2015 - D 2408/2015).
36 
Unabhängig davon steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass jedenfalls gegenwärtig in Ungarn systembedingte Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestehen, welche jeden Schutzsuchenden, der dorthin zurücküberstellt wird, der beachtlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung aussetzt. Dabei geht die Kammer von Folgendem aus:
37 
Die Zahl der nach Ungarn einreisenden Schutzsuchenden ist zuletzt sehr stark angestiegen. Im Jahr 2012 wurden noch 2.155 Asylbewerber, im Jahr 2013 18.900 und im Jahr 2014 42.777 Schutzsuchende registriert. Im Jahr 2015 war zunächst von 150.000 nach Ungarn einreisenden Schutzsuchenden bis zum 01.09.2015 die Rede (bei einer Gesamtbevölkerung Ungarns von etwa 10 Millionen Einwohnern); zuletzt wurden Zahlen von weit mehr als 300.000 Schutzsuchenden genannt, von denen die meisten, nur zum wohl geringeren Teil registriert, nach Österreich weiterreisten. Ob die Errichtung eines Zauns an der Grenze zu Serbien und nun auch zu Kroatien und überhaupt die restriktiv wirkende Flüchtlingspolitik Ungarns jetzt zu einer Minderung der Zahl der nach Ungarn einreisenden Schutzsuchenden führen, ist unklar.
38 
Im März 2015 verfügte Ungarn über 2500 Plätze zur Aufnahme von Flüchtlingen (vgl., auch zum Folgenden: EASO, Beschreibungen des ungarischen Asylsystems, Stand März 2015); das Auswärtige Amt hatte in seiner Auskunft an die Kammer vom 12.03.2015 im Verfahren A 5 K 2328/13 noch von 1.500 Plätzen in offenen Aufnahmeeinrichtungen und von weiteren 400 Plätzen in Asylhafteinrichtungen und der geplanten Eröffnung einer weiteren Aufnahmeeinrichtung in Kiskunhalas gesprochen. Zur Anhörung von Schutzsuchenden und zur Entscheidung über ihre Schutzanträge standen 56 Sachbearbeiter in ganz Ungarn bereit. Neue Mitarbeiter waren eingestellt, aber noch nicht geschult. Schutzsuchende werden an der Grenze registriert und einem der vier Empfangszentren zugewiesen; sie können auch auf eigene Kosten im ganzen Land Unterkunft suchen, erhalten dafür aber keine Unterstützung. Wenn sie an einer ihnen bezeichneten Stelle zur Stellung des Asylantrags oder zur später angeordneten Anhörung nicht erscheinen, wird das Schutzgesuch entweder, auf der Grundlage von hinreichenden Angaben bei der Registrierung abgelehnt, oder das Verfahren wird wegen angenommener Rücknahme des Schutzgesuchs eingestellt. Für einen Schutzsuchenden, der später sein Schutzgesuch erneuert, wird ein nichtbeendetes Verfahren fortgesetzt, ein durch Ablehnung des Schutzgesuchs beendetes Verfahren kann innerhalb der Rechtsmittelfrist von acht Tagen im Rechtsbehelfsverfahren fortgesetzt werden. Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist hat der Schutzsuchende das Recht, einen Folgeantrag zu stellen. Nach den Angaben des ungarischen Büros für Einwanderung und Staatsangehörigkeit (OIN) werden auch Dublin-Rückkehrer stets als Schutzsuchende behandelt. Gibt der Schutzsuchende aber im Folgeverfahren die gleichen Gründe an wie im ersten Verfahren, kann der Folgeantrag als unzulässig behandelt werden.
39 
Zur Rücküberstellung nach Ungarn hat das Auswärtige gegenüber der Kammer (Auskunft v. 12.03.2015 im Verfahren A 5 K 2328/13) erläutert: Die per Flug Überstellten würden zur Zentrale des ungarischen Amts für Staatsbürgerschaft und Einwanderung gebracht und informiert, dass sie als Asylbewerber behandelt würden. Wenn ein erstes Asylverfahren in Ungarn ohne Entscheidung in der Sache oder durch Rücknahme beendet worden sei, werde es fortgesetzt, sonst werde ein Zweitantrag angenommen. Bei einem Zweitantrag würden (nur) nachträglich entstandene Umstände berücksichtigt. Die Klagefrist betrage drei Tage nach Bekanntgabe/Zustellung der Entscheidung. Bis zur unanfechtbaren Entscheidung im Asylverfahren hätten Asylbewerber Anspruch auf Sozialleistungen, es sei denn, der Asylantrag sei als offensichtlich unbegründet oder unzulässig abgelehnt worden. Ausgeschlossen von den im Asylgesetz geregelten Sozialleistungen seien auch Zweitantragsteller, deren Erstverfahren eingestellt oder abgelehnt worden sei oder bei denen das refoulement-Verbot einer Abschiebung nicht entgegen stehe. Ausreisepflichtige müssten die Unterkunft verlassen, der Aufenthalt sei auf einen bestimmten Regierungsbezirk (Komitat) beschränkt. Sie könnten in öffentlichen Notunterkunftsplätzen des jeweiligen Regierungsbezirks unterkommen und eine kostenlose medizinische Notfallversorgung in Anspruch nehmen. Bei Zuerkennung eines Schutzstatus könnten sie Integrationsleistungen beanspruchen. Seit Januar 2014 würden diese auf örtlicher Ebene (dezentral) durchgeführt. Dabei wirke ein örtlich zuständiger Dienst für Familienförderung mit (auch für Personen ohne Schutzstatus). Es würden individuelle Integrationsvereinbarungen geschlossen. Bei der Förderung der sozialen Integration leiste der Dienst neben finanziellen Hilfen u.a. auch Hilfe bei der Arbeitssuche. In der Flüchtlingshilfe engagierten sich u.a. die Flüchtlingsmission der Reformierten Kirche, die Ungarische Gesellschaft für Migranten und das Helsinki-Komitee. In den Jahren von 2012 bis 2014 habe es 335, 850 bzw. 827 Rücküberstellungen im Dublin-Verfahren gegeben.
40 
Der UNHCR hat in seiner Auskunft an die Kammer vom 30.09.2014 im Verfahren A 5 K 2328/13 weitgehend entsprechende Angaben gemacht. Die am 01.07.2013 in Kraft gesetzten neuen Bestimmungen zur Inhaftierung von Schutzsuchenden bis zu sechs Monaten hat er kritisch beurteilt. Nach seiner Ansicht würden praktisch alle Dublin-Rückkehrer in Haft genommen, ausgenommen Familien oder besonders vulnerable Asylsuchende. Beim damaligen Stand hat der UNHCR für den August 2014 dank Unterstützung der Europäischen Union eine Verbesserung der Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge gesehen. Anerkannte Flüchtlinge müssten mehrere Monate warten, bis sie Integrationshilfen beanspruchen könnten. Hinsichtlich der medizinischen, psychologischen und psychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen gebe es aus allen Aufnahmeeinrichtungen Beschwerden. Drogen- und andere Abhängige hätten keinen Zugang zu medizinischen Diensten. Ein psychisches Problem seien auch fehlende tägliche Beschäftigung und Abwechslung. Wer keine permanente Adresskarte habe, habe Probleme beim Zugang zu medizinischen Diensten. Zum 01.01.2014 seien Regelungen zur Integration von Personen mit Schutzstatus eingeführt worden. Es gebe systemische Probleme, die einer Integration von Flüchtlingen entgegen stünden. Das System der gesetzlichen Hilfen sei unter anderem bei weitem nicht genügend finanziert. Obdachlose, die auf öffentlichen Plätzen nächtigten, würden kriminalisiert. Im Juni 2013 seien unter Hinweis auf diese Bedingungen etwa 70 und im August 2013 nochmals etwa 20 afghanische Staatsangehörige nach Deutschland weitergereist. Pro Asyl und bordermonitoring hätten berichtet, dass Inhaber eines Schutzstatus nach der Rückkehr nach Ungarn sich in einer besonders verletzlichen Lage befunden hätten. Deren finanzielle Unterstützung sei zu gering gewesen, um eine Wohnung zu finden. Auch in Obdachlosenunterkünften habe es nicht genügend Plätze für Flüchtlinge gegeben. Eine im Jahr 2012 erfolgte Befragung habe ergeben, dass fast die Hälfte der Personen mit Schutzstatus keine Arbeit gehabt hätten, was u.a. auf den Mangel an Ausbildung und Berufserfahrung und den Mangel an ungarischen Sprachkenntnissen zurückgeführt werden könne. Die Inhaftierungspraxis und deren gerichtliche Kontrolle sei mangelhaft. Die Ernährung der Flüchtlinge in Haft sei nach deren Angaben unzureichend, seitens des Personals in den Haftanstalten gebe es Rassismus und Missbrauch. Neu eingestelltes Personal in den Aufnahmeeinrichtungen habe keine Berufserfahrung und auch keine entsprechende Ausbildung durchlaufen. Es gebe keine Vorkehrungen, verletzliche Personen zu erkennen. Die Hygiene-Einrichtungen in den Aufnahmeeinrichtungen seien unzureichend. Über private Organisationen, die Flüchtlinge unterstützen und dabei vom ungarischen Staat unterstützt würden, lägen keine Auskünfte vor.
41 
Am 23.09.2015 hat die Europäische Kommission gegen Ungarn zwei Vertragsverletzungsverfahren wegen ausstehender Berichte zur Einhaltung von Asylverfahrensbestimmungen und zur Einhaltung der Standards für Aufnahmebedingungen anerkannter Flüchtlinge eingeleitet. Auch gegen zahlreiche andere Mitgliedstaaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland, wurden Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Zugleich hat die Kommission umfangreiche unmittelbare, operative, budgetäre und rechtliche Maßnahmen im Rahmen der Europäischen Migrationsagenda angekündigt, wozu auch eine Ausweitung der finanziellen und personellen Unterstützung der am stärksten von der Flüchtlingsmigration betroffenen Mitgliedstaaten gehören.
42 
Wegen der im Lauf des ersten Halbjahres 2015 stark angestiegenen Zahl an Schutzsuchenden hat Ungarn im Juli 2015 entlang der 174 km langen Grenze zu Serbien einen festen bzw. aus übereinander liegenden Rollen von sogenanntem Nato-Draht gefertigten durchgehenden Zaun errichtet, um die Schutzsuchenden zu veranlassen, die serbisch-ungarische Grenzen nur an den Grenzübergängen zu überschreiten und um diese nahe der Grenze registrieren zu können. Geplant war (und noch nicht verwirklicht ist), Schutzsuchende nicht weiter ins Land einreisen zu lassen, und grenznahe Unterkünfte und Einrichtungen zur Aufnahme zu errichten. Um auch das Militär einsetzen zu können, wurde an die Ausrufung eines "Migrationsnotstands‘“ gedacht.
43 
Die ungarische Bevölkerung ist nach vielen Pressemeldungen gegenüber den Schutzsuchenden überwiegend ablehnend eingestellt. Die Regierung greift diese Stimmung nicht nur auf, sondern befördert sie. Laut Pester Lloyd vom 12.06.2015 hat der ungarische Ministerpräsident etwa geäußert: „Wir müssen alles versuchen, um Ungarn das Zusammenleben mit Menschen verschiedener Kulturen zu ersparen“. Im Juli 2015 beharrte er darauf, dass Ungarn ein ungarisches Land bleiben solle. Bei einer vom UNHCR deutlich kritisierten landesweiten Regierungskampagne wurde plakatiert: "Wenn du nach Ungarn kommst, darfst du den Ungarn nicht die Arbeit wegnehmen!“ (Spiegel-online v. 02.09.2015). Auch empfindet die ungarische Regierung die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen als Einmischung und behindert deren Arbeit (Spiegel-online v. 12.09.2014).
44 
In einem Interview (FAZ vom 03.09.2015, S. 10) hat der ungarische Ministerpräsident geäußert, Europa müsse verstehen, dass man nicht aufnehmen könne, wenn man überrannt werde. Deshalb sei der Zaun, den Umgarn baue, wichtig. Er folge aus dem Schengener Abkommen. Das ungarische Volk sei konsultiert worden. Von acht Millionen Wählern hätten eine Million geantwortet. 85 % von ihnen meinten, die Union sei bei der Bewältigung der Einwanderung gescheitert. Europa könne nicht gegen den Willen der Bürger sein. Nur wenn die Grenzen beschützt würden, könnten Fragen gestellt werden nach der Anzahl der Menschen, die Europa aufnehmen wolle oder ob es Quoten geben solle. Die Menschen, die kämen, seien meistens keine Christen, sondern Muslime. Wenn das aus den Augen verloren würde, könne der europäische Gedanke auf dem eigenen Kontinent in die Minderheit geraten. Die erwähnte Umfrage hatte die Mitteleuropa-Vertretung des UNHCR zum Anlass genommen, ihre „zutiefste“ Besorgnis zum Ausdruck zu bringen, dass die ungarische Regierung Flüchtlinge als Gefahr für das Land darstelle (Salzburger Nachrichten v. 08.05.2015 - online), und eine Gegenkampagne gestartet, in deren Rahmen ab dem 01.07.2015 500 Plakate im ganzen Land aufgehängt werden sollten. Eine Sprecherin des UNHCR habe dazu gesagt, die Lage in Ungarn sei eine besondere, weil nicht, wie in kleinen Ländern, kleine Gruppen Fremdenhass schürten, sondern die Regierung; ein positives Zeichen sei, dass die Reaktionen in der ungarischen Öffentlichkeit gespalten seien (euronews v. 17.06.2015). Die ungarische Regierung sieht, wie auch die Errichtung von Grenzzäunen zu Serbien und Kroatien zeigt, die ein- und durchreisenden Flüchtlinge ausdrücklich als Gefahr an (Handelsblatt v. 02.10.2015: Orban: „Das Land ist von einer Flüchtlingsarmee bedroht“). Gemeldet wurde auch, ein Sprecher der Partei Fidesz habe gesagt, das größte Aufnahmelager Debrecen (das Platz für 930 Menschen bietet, aber nur mit derzeit 260 Menschen belegt sei), solle mit Rücksicht auf die Bewohner der Umgebung geschlossen werden; der UNHCR habe das Vorgehen Ungarns gegenüber den Flüchtlingen u.a. deshalb als sehr besorgniserregend bezeichnet (DLF v. 02.10.2015).
45 
Es gibt nur wenige Hilfsorganisationen, welche sich um Schutzsuchende bzw. anerkannte Schutzsuchende kümmern. Über bürgerschaftliche Hilfe wird berichtet. Wie wirksam diese bei der großen Zahl der Schutzsuchenden sein kann, lässt sich nicht einschätzen.
46 
Insbesondere hinsichtlich der jüngsten Änderungen der ungarischen Asylgesetze und sonstiger neuerer Entwicklungen hat die Beklagte in keinem der am 13.10.2015 verhandelten Verfahren substantiiert dargelegt, wie sich die Aufnahmebedingungen und das Asylverfahren rechtlich und tatsächlich in den letzten Monaten entwickelt haben.
47 
Die Kammer konnte auch nicht unmittelbar von dem Verbindungsbeamten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge bei der ungarischen Asylbehörde Erkenntnisse erhalten. Dieser hat auf eine - außerhalb dieses Verfahrens erfolgte - Anfrage per e-mail nach den letzten Änderungen im ungarischen Asylrecht mitgeteilt, er könne nicht (mehr) unmittelbar Auskunft erteilen, Auskünfte erteilten die Dublin-Referate des Bundesamts. Der Informationsaustausch der Dublin-Referate des Bundesamts mit den Vertretern des Bundesamts vor den Verwaltungsgerichten scheint allerdings zur Zeit nicht gewährleistet zu sein; denn diese haben sich nicht in der Lage gesehen, aktuelle Erkenntnisse mitzuteilen.
48 
Die Kammer stützt sich daher, was die Entwicklung in den letzten Monaten betrifft, in tatsächlicher Hinsicht in erster Linie auf den Bericht des European Asylum Support Office (EASO) im Anschluss an eine Bereisung vom 16. bis 20.03.2015 sowie auf zahlreiche Internet-Veröffentlichungen des Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles etc. sowie insbesondere auf die in der Rechtsprechung des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts umfassend wiedergegebenen und laufend aktualisierten Berichte des österreichischen Verbindungsbeamten bei der ungarischen Asylbehörde (vgl. zuletzt öster. BVwG, Urt. v. 24.09.2015 - W 1442114716-1/3 E -, Internet-Seite des österreichischen Bundeskanzleramts, dort Rechtsinformationssystem -RIS-; dort finden sich im Einzelnen insbesondere Ausführungen zum Asylverfahren allgemein (2.), zur Haft (3.), zur Lage von Dublin-Rückkehrern (4.), zu vulnerablen Gruppen (5.), zur Versorgung, insbesondere Unterbringung (7.) und zur Lage von Schutzberechtigten (8.), auf die die Kammer Bezug nimmt).
49 
Danach hat Ungarn im Juli 2015 mit Wirkung ab dem 01.08.2015 das Asylrechtsgesetz in erheblichem Umfang geändert und eine entsprechende Durchführungsverordnung erlassen. Als sicherer Drittstaat wurden u.a. auch die Beitrittskandidaten zur Europäischen Union benannt, also auch Serbien. Zahlreiche Beschleunigungs- und Darlegungspflichten wurden eingeführt bzw. verschärft. 160 ungarische Rechtsanwälte haben daraufhin die neuen Regelungen, darunter auch Behandlung Minderjähriger ab 14 Jahren als Grenzverletzer mit einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren, keine zwingende Übersetzung von Anklage und Urteil, als Verstoß gegen Völkerrecht gewertet (spiegel-online v. 03.10.2015: „Ungarn urteilt Flüchtlinge im Schnellverfahren ab“). Für die Inhaftierung von Asylsuchenden gibt es seit dem 01.07.2015 geänderte Bestimmungen. Asylhaft wird insbesondere verhängt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass der Antragsteller das Asylverfahren verzögern oder sich diesem entziehen wird. Dann bleibt die Haft für die Dauer des gesamten Asylverfahrens aufrecht erhalten. Im Jahr 2014 wurden insgesamt 4.806 Personen in Asylhaft genommen, am häufigsten Asylsuchende aus dem Kosovo und aus Afghanistan (1.038). Im Jahr 2015 gingen die Zahlen möglicherweise zurück. Ab September 2014 wurden wieder Familien mit Kindern in Asylhaft genommen. Mitte März 2015 soll diese Praxis aufgrund eines Berichts des ungarischen Ombudsmanns für Menschenrechte wieder eingestellt worden sein; aktuelle Informationen dazu gibt es nicht.
50 
Für das Vorliegen systembedingter Mängel mit der Folge, dass aktuell jeder Asylbewerber in Ungarn Gefahr liefe, dort menschenrechtswidrig behandelt zu werden, spricht bereits der Umstand, dass seit September 2015 die Bundesrepublik Deutschland wie auch Österreich davon ausgehen, dass Ungarn nicht in der Lage ist, die große Zahl an einreisenden Flüchtlingen nach den unionsrechtlichen Regeln durch ein Asylverfahren zu führen und - bei Erreichen eines Schutzstatus - auch auf Dauer hinreichende Aufnahmebedingungen zur Verfügung zu stellen.
51 
Dem entspricht es, dass eine zunehmende Zahl von Verwaltungsgerichten in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wie auch in Urteilen aus unterschiedlichen Erwägungen zur Auffassung gelangt, dass Ungarn zur Zeit nicht als zuständiger Staat betrachtet werden darf (u.a. VG Hannover, Beschl. v. 29.07.2015 - 10 B 2196/15 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 21.08.2015 - 8 L 2811/15.A -; VG München, Beschl. v. 21.05.2015 - M 16 S 15.50329 -; VG Köln, Urt. v. 15.07.2015 - 3 K 2005/15.A - und v. 08.09.2015 - 18 K 4584/15.A -; VG Bremen, Urt. v. 30.06.2015 - 3 K 296/15 -; VG Saarland, Beschl. v. 12.08.2015 - 3 L 776/15; VG Münster, Beschl. v. 07.07.2015 - 2 L 858/15.A -, alle juris).
52 
In der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte ist die Frage nicht geklärt. Wenigen ablehnenden Entscheidungen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 06.08.2013 - 12 S 675/13 - InfAuslR 2014, 29 OVG Sachs.-Anh., Beschl. v. 31.05.2013 - 4 L 169/12 -, Bayer.VGH, Beschl. v. 12.06.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris; alle juris) steht gegenüber, dass etwa das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die Berufung gegen eine klagabweisende Entscheidung zugelassen hat (Beschl. v. 15.05.2015 - 8 LA 85/15 - a.a.O.).
53 
Zwar hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 2014 (E. v. 03.07.2014 - Nr. 71932/12 - gestützt auf Stellungnahmen des UNHCR, des Ungarischen Helsinki-Kommitees und des Berichts einer UN-Arbeitsgruppe, die sich mit den Haftbedingungen in Ungarn befasst hat, entschieden, dass im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2014 mit Blick auf die signifikanten Änderungen der ungarischen Asylgesetze weder die Inhaftierungspraxis noch die Haftbedingungen den dortigen Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) einer menschenrechtswidrigen Behandlung in Ungarn als Asylsuchender aussetzen würde; gleiches gelte für die Gefahr einer Überstellung des Klägers nach Serbien. Auch der Europäische Gerichtshof hatte noch im Jahr 2013 (Urt. v. 10.12.2013 a.a.O.) systemische Mängel im ungarischen Asylsystem verneint.
54 
Demgegenüber haben sich die Verhältnisse aber - auch für sog. Dublin-Rückkehrer - in Folge der sehr stark gestiegenen Zahl der Flüchtlinge und der hierauf erlassenen Gesetzesverschärfungen in Ungarn aber in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht wesentlich verschlechtert (vgl., insbesondere zur Inhaftierungspraxis, zu den Haftbedingungen und zur gerichtlichen Kontrolle, VG Köln, Urt. v. 30.07.2015 a.a.O.; VG Saarland, Beschl. v. 12.08.2015 a.a.O.; vgl. auch schon VG Berlin, Beschl. v. 23.01.2015 – 23 L 717.14 A – juris; auch VG München, Urt. v. 29.08.2014 - M 24 K 13.31294 -; VG Düsseldorf, Beschl. v. 27.08.2014 - 14 L 1786/14.A - juris). Zudem sieht Ungarn seit dem 01.09.2015 Serbien wieder als sicheren Drittstaat an, wobei noch nicht klar ist, ob und unter welchen Voraussetzungen es tatsächlich zu Überstellungen nach Serbien kommen wird, insbesondere auch von Personen, welche nach den Dublin-Regeln nach Ungarn zurücküberstellt werden und die dort möglicherweise als Folgeantragsteller behandelt würden (vgl. öster. BVwG, Urt. v. 24.09.2015 a.a.O.).
55 
Ob die neuen Vorschriften zur Beschleunigung der Asylverfahren in jeder Hinsicht dem Unionsrecht genügen, ist zumindest sehr zweifelhaft. Das gilt insbesondere für die Frage, ob und in welchen Fällen Dublin-Rückkehrer bei Fortsetzung des Asylverfahrens bzw. in einem Zweitverfahren in ihrem Vorbringen beschränkt sind, ferner auch für die Frage, ob es zulässig ist, dass ein Asylverfahren eingestellt wird, wenn der Antragsteller für die Dauer von 48 Stunden nicht in der Aufnahmeeinrichtung angetroffen werden kann, der er zugewiesen ist (so VG Köln a.a.O.).
56 
Schließlich kann es nicht zu Lasten der Betroffenen ausschlagen, dass es aktuell keine verlässlichen Berichte über die tatsächliche Lage von Asylbewerbern und Inhabern von internationalem Schutz in Ungarn gibt und dass Ungarn selbst gegenüber der Europäischen Kommission nicht berichtet, inwieweit es - unter der augenscheinlichen Überlastung - die Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben bewältigen kann.
57 
Vielmehr muss bei der Beurteilung einer Gefahrenlage für nach Ungarn rücküberstellte Asylbewerber vor allem das oben geschilderte innenpolitische Klima berücksichtigt werden. Indem die Regierung in der öffentlichen Debatte einseitig die Abwehr von Flüchtlingen betont und Ängste in der Bevölkerung schürt, trägt sie erheblich dazu bei, dass bei es der Anwendung der gesetzlichen Regelungen, auch soweit diese dem europäischen Flüchtlingsrecht zweifellos entsprechen, zu Menschenrechtsverletzungen kommen kann.
58 
Insbesondere lässt die ungarische Politik keine hinreichende Bereitschaft erkennen, von Ungarn als schutzbedürftig anerkannten Personen bei der Integration in die Gesellschaft beizustehen. Die dafür geschaffenen Regeln und die dafür bereit gestellten Mittel sind nach der Auskunft des UNHCR offensichtlich unzureichend. So erscheint als nicht gesichert, dass Menschen, die in Ungarn internationalen Schutz erhalten haben, insbesondere auch Dublin-Rückkehrer, in den Genuss der ohnehin deutlich unterfinanzierten gesetzlichen Integrationsangebote kommen können. Für die zuletzt genannte Gruppe dürfte dies schon an den verstrichenen Antragsfristen scheitern. Auch die Bereitstellung von Wohnraum für diesen Personenkreis ist völlig ungewiss. Eine Verweisung in die staatlichen bzw. kommunalen Obdachlosenunterkünfte scheitert an den Kapazitäten und für Familien auch daran, dass dort keine Kinder aufgenommen werden; in zahlreichen Verfahren ist der Kammer von den Klägern überzeugend vorgetragen worden, dass es ihnen nicht gelungen ist, Wohnung und Arbeit zu finden.
59 
Aus diesen Gründen ordnet das österreichische Bundesverwaltungsgericht seit September 2015 in Dublin-Ungarn-Fällen die aufschiebende Wirkung der Klagen regelmäßig an. Von ihm gibt es auch schon stattgebende Hauptsachentscheidungen. Diese sind allerdings - wohl mangels einer Pflicht, Spruchreife selbst herbeizuführen - damit begründet, dass die Veränderung der Sachlage weiterer Aufklärung durch die österreichische Asylbehörde bedarf (vgl. Urt. v. 24.09.2015 a.a.O.).
60 
Der Feststellung von systembedingten Mängeln des ungarischen Asylsystems im oben dargelegten Sinn lässt sich nicht - wie dies die Beklagte tut - entgegen halten, dass weitaus die meisten Schutzsuchenden gar nicht in Ungarn bleiben, sondern, entgegen dem ungarischen Flüchtlingsrecht auf allen möglichen Wegen nach Österreich und von dort insbesondere in die Bundesrepublik Deutschland, aber etwa auch weiter nach Schweden, reisen wollen. Denn der Andrang von Flüchtlingen auch an den ungarischen Grenzen dauert weiter an. Außerdem wäre Ungarn jedenfalls dann, wenn, wie im Fall des Klägers, die anderen Dublin-Staaten auf einer Rücküberstellung dorthin bestehen würden, wiederum mit der Zahl der Antragsteller überfordert.
61 
Soweit in zahlreichen Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte darauf abgehoben wird, dass der UNHCR, anders als bei Griechenland und - eingeschränkt - Bulgarien, aktuell keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, Asylsuchende nicht nach Ungarn zu überstellen, vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Der UNHCR selbst hält einer solchen Interpretation entgegen, dass das Fehlen einer solchen generellen Empfehlung keineswegs bedeute, er sei der Auffassung, dass keine solchen einer Überstellung entgegenstehenden Umstände vorlägen oder im Einzelfall vorliegen könnten. Aus seiner Sicht ist es Sache der Behörden und Gerichte, im Einzelfall zu prüfen, ob drohende Verletzungen von Art. 3 EMRK eine Überstellung in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausschlössen. Der UNHCR weist insoweit auch darauf hin, dass der Supreme Court des Vereinigten Königreichs diese Auffassung ausdrücklich bestätigt habe (vgl. UNHCR an VG Bremen v. 30.09.2014). Auch hat der UNHCR angesichts der jüngsten Entwicklung wiederholt vor einer „weiteren Verschlechterung der Lage“ gewarnt und betont, es sei wichtig, dass die Umsetzung der neuen asyl- und haftrechtlichen Vorschriften gut durchdacht werde, andernfalls „das zu Chaos“ führen würde (heute.de v. 05.10.2015). Im Übrigen bedürfte es gegenwärtig entsprechender Warnungen des UNHCR nicht, weil Überstellungen nach Ungarn wohl seit einigen Monaten gar nicht mehr stattfinden. Das ergibt sich aus Folgendem:
62 
Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage aus dem Deutschen Bundestag vom 18.08.2015 (BT-Drucksache 18/5785, S. 18 ff., noch mit dem Vermerk "Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt") ergibt sich, dass das Bundesamt im ersten Quartal 2015 2952 und im zweiten Quartal 2015 3565 Übernahmeersuchen an Ungarn gerichtet hatte. Etwa 80 % der Ersuchen (2.304 bzw. 2.665 akzeptierte Ungarn. Im ersten Quartal 2015 gab es 30 Selbsteintritte oder faktische Überstellungshindernisse in Bezug auf Ungarn, im zweiten Quartal 2015 171. Tatsächlich überstellt wurden nach Ungarn (nach der Dublin-Verordnung) im ersten Quartal 2015 aber nur 42 Personen und im zweiten Quartal 2015 nur 61 Personen, also nur etwa 2 Prozent bezogen auf die Zahl der akzeptierten Übernahmeersuchen. Die Gründe dafür sind nicht bekannt und auch auf Nachfrage vom Bundesamt nicht zu erfahren. Sie dürften einerseits in einer begrenzten Aufnahmebereitschaft Ungarns (Kontingentierung der Aufnahme), andererseits aber auch in der beschränkten Kapazität der zuständigen deutschen Behörden liegen. Ein ähnliches Bild bietet die schweizerische Asylstatistik. Die Schweiz hatte im ersten Halbjahr 2015 407 Ersuchen an Ungarn gestellt, die Ungarn in 333 Fällen akzeptierte; tatsächlich überstellt wurden im gleichen Zeitraum nur 54 Personen, also etwa 16 % der akzeptierten Übernahmeersuchen.
63 
Seit mehreren Monaten finden auf Bitten Ungarns wohl überhaupt keine Rücküberstellungen von Deutschland aus mehr statt (vgl. die Nachweise bei VG Hannover, Beschl. v. 29.07.2015 - 10 B 2196/15 - juris). Nachfragen der Kammer dazu hat das Bundesamt nicht beantwortet.
64 
Auch deshalb ist die angefochtene Abschiebungsanordnung rechtswidrig. Denn § 34a Abs. 1 AsylVfG erfordert, dass die Abschiebung tatsächlich durchgeführt werden kann. Dafür reicht eine Übernahmeerklärung Ungarns aber nicht aus, wenn anschließend seitens des ungarischen Staats keine oder nur eine ganz geringe Bereitschaft und so gut wie keine Kapazität besteht, Erst- und Folgeantragsteller sowie überstellte Schutzsuchende und Inhaber internationalen Schutzes tatsächlich aufzunehmen. Zumindest erscheint es als völlig fernliegend, dass bei einer evtl. Wiederaufnahme von Überstellungen nach Ungarn in einigen Monaten oder einem Jahr ausgerechnet diejenigen Schutzsuchenden zurücküberstellt würden, welche sich nun schon seit mehreren Jahren im Bundesgebiet aufhalten. Dies gilt umso mehr für Schutzsuchende, die in Ungarn oder nach Zurückschiebung nach Serbien bzw. Griechenland Menschenrechtsverletzungen in erheblichem Umfang, insbesondere eine langdauernde Asylhaft, erfahren haben, wenn dies zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt hat. Daraus kann sich - wie oben dargelegt - sogar ein Abschiebungsverbot in rechtlicher Hinsicht ergeben (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK).
65 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31.7.2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.