Verwaltungsgericht Köln Urteil, 30. Juli 2014 - 10 K 3558/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.0000 geborene Klägerin begehrt die Einbeziehung ihres am 00.00.1965 geborenen Sohnes X. Q. und ihrer am 00.00.1987 geborenen Enkelin F. Q. in ihren Aufnahmebescheid sowie die Einbeziehung ihrer am 00.00.1966 geborenen Schwiegertochter S. Q. und ihres am 00.00.1995 geborenen Enkels N. Q. in das Verteilungsverfahren.
3Die Klägerin ist seit dem 25. Februar 1993 im Besitz eines Aufnahmebescheides. Sie erhielt am 30. November 1993 eine Spätaussiedlerbescheinigung.
4Der Sohn der Klägerin (nunmehr auch: Herr Q.) und seine Familie (nunmehr: Familie Q.) beantragten erstmals am 3. Januar 1994 über die Klägerin die Aufnahme als Spätaussiedler. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 5. Februar 1996 im Wesentlichen mit der Begründung ab, Herr Q. verfüge nur über unzureichende Kenntnisse der deutschen Sprache. Familie Q. erhob dagegen am 8. Februar 1996 Widerspruch, den die Beklagte nach vorheriger Durchführung eines Sprachtests mit Herrn Q. mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 1997 zurückwies. Familie Q. erhob dagegen am 26. Juni 1997 Klage (Az.: 9 K 5815/97). In dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 8. November 2000 machte Herr Q. folgende Angaben: Er sei am 20. September 1999 mit seiner Frau und seinen Kindern mit einem Besuchsvisum in die Bundesrepublik eingereist. Er halte sich seitdem hier auf. Er sei hier geblieben, weil er Deutscher sei. Keiner seiner Verwandten halte sich noch im Aussiedlungsgebiet auf. Alle lebten in Deutschland. Insbesondere lebten hier seine Mutter, seine beiden Brüder und seine Schwester. Die 9. Kammer wies die Klage mit Urteil vom 8. November 2000 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Herr P. habe keinen Anspruch auf Erteilung auf Erteilung eines Aufnahmebescheides, weil er seinen Wohnsitz nicht mehr im Aussiedlungsgebiet habe. Die Voraussetzungen für ein Abweichen vom Erfordernis des Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet lägen nicht vor. Ein besonderer Härtefall sei nicht gegeben. Familie Q. habe auch keinen Anspruch auf Einbeziehung in den Aufnahmebescheid der Klägerin. Die Klägerin lebe nicht mehr im Aussiedlungsgebiet. Eine nachträgliche Einbeziehung scheitere daran, dass Familie Q. vor der Ausreise der Klägerin einen Antrag auf Einbeziehung nicht gestellt habe. Besondere Härtegründe für das vorzeitige Verlassen des Aussiedlungsgebiets lägen nicht vor. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Beiakte 1, Blatt 216 ff. verwiesen. Das OVG NRW lehnte den gegen das Urteil gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 29. Januar 2001 ab (Az.: 2 A 350/01).
5Während des vorgenannten Klageverfahrens und danach betrieb Herr Q., gerichtet auf den Verbleib seiner Familie in Deutschland, erfolglos zwei Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren, ein ausländerrechtliches Verfahren und ein asylrechtliches Verfahren. Anfang 2004 wurden er und seine Familie nach Kirgisistan abgeschoben.
6Mit Schreiben vom 19. April 2004 beantragte Familie Q. über die Klägerin das Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich des versagten Aufnahmebescheides. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19. Mai 2004 ab. Familie Q. erhob dagegen am 17. Juni 2004 Widerspruch. Im Rahmen der Widerspruchsbegründung legte sie ein Schreiben des Söderblom-Gymnasiums in Espelkamp vom 16. Juni 2004 zum Schulbesuch von F. und N. vor. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Beiakte 1, Blatt 305 f. verwiesen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2005 zurück. Familie Q. erhob dagegen am 12. März 2005 Klage (Az.: 13 K 1572/05 Köln, 5 K 1084/06 Minden), die das Verwaltungsgericht Minden mit Urteil vom 27. April 2007 abwies. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Herr P. habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides und auf Einbeziehung seiner Ehefrau und seiner beiden Kinder. Er sei kein Spätaussiedler. Er habe seinen Wohnsitz nicht seit seiner Geburt in den Aussiedlungsgebieten gehabt. Er sei vielmehr jedenfalls ab Beginn des Jahres 2000 bis zu seiner Abschiebung Anfang 2004 unter Aufgabe seines Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet in Deutschland wohnhaft gewesen. Für die Aufgabe seines Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet sprächen eine Reihe von Umständen, insbesondere die von ihm von Deutschland aus betriebenen, auf den Verbleib in Deutschland gerichteten Verfahren, die Einreise in die Bundesrepublik mit der gesamten Familie, der dauerhafte Aufenthalt bei der Klägerin und der – auf Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse abzielende – Schulbesuch der Kinder. Herr Q. könne sich nicht auf die Wohnsitzfiktion des § 27 Abs. 1 Satz 5 BVFG in der damals gültigen Fassung (nunmehr: § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG) berufen. Die Vorschrift greife nur zeitlich begrenzt bis zum rechtskräftigen Abschluss des ersten von Herrn Q. betriebenen Aufnahmeverfahrens (29. Januar 2001) ein. Für die Zeit danach sei die Bestimmung weder unmittelbar noch mittelbar anzuwenden. Insbesondere sei das von Herrn Q. betriebene Asylverfahren für die Fiktion des fortbestehenden Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet nicht zu berücksichtigen. Wegen der Einzelheiten des Urteils des Verwaltungsgerichts Minden wird auf Beiakte 1, Blatt 372 ff. verwiesen. Das OVG NRW lehnte den gegen das Urteil gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 23. September 2008 ab (Az.: 2 A 1746/07). Es führte in seiner Entscheidung u. a. aus: Nach Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG greife die Privilegierung der Fiktion des fortbestehenden Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet nur dann ein, wenn der Aufnahmebewerber jedenfalls nach Beendigung seines erfolglos betriebenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härtewege unverzüglich in die Aussiedlungsgebiete zurückkehre und dort vor Stellung eines (erneuten) Aufnahmeantrags wieder seinen Wohnsitz nehme. Kehre der Aufnahmebewerber nach der Beendigung seines Aufnahmeverfahrens nicht in die Aussiedlungsgebiete zurück, sondern ändere seinen aufenthaltsrechtlichen Status, indem er, wie hier Herr Q., zur Sicherung seines begründeten Wohnsitzes im Bundesgebiet eine vom Vertriebenenrecht unabhängige Aufenthaltsgenehmigung beantrage oder ein Asylverfahren durchführe, könne er die Wohnsitzfiktion nicht in Anspruch nehmen. Wegen der Einzelheiten des Beschlusses des OVG NRW wird auf Beiakte 1, Blatt 409 ff. verwiesen.
7Mit Schreiben vom 7. Juni 2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes, ihrer Schwiegertochter und ihrer beiden Enkelkinder in ihren Aufnahmebescheid.
8Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. November 2012 ab. Zur Begründung führte sie an: Die einzubeziehenden Familienangehörigen der Klägerin seien nicht im Sinne des § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG) im Aussiedlungsgebiet verblieben. Sie hätten seit der Aussiedlung der Klägerin ihren Wohnsitz nicht ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet gehabt. Sie seien vielmehr von September 1999 bis Anfang 2004 in der Bundesrepublik wohnhaft gewesen. Die Einbeziehung des Enkelkindes N. scheitere außerdem daran, dass er erst nach der Aussiedlung der Klägerin geboren sei.
9Die Klägerin erhob dagegen am 23. November 2012 Widerspruch und begründete diesen im Wesentlichen wie folgt: Ihre Familienangehörigen hätten in der Bundesrepublik keinen Wohnsitz genommen, sondern dies – mit Hilfe der von ihnen betriebenen Verfahren – lediglich versucht. Nach dem Urteil des OVG NRW vom 14. Juni 2012 (Az.: 11 A 2169/10) begründe selbst ein aus dem Aussiedlungsgebiet stammender Student mit einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt in Deutschland hier in der Regel keinen Wohnsitz. Im Übrigen greife zugunsten ihrer Familienangehörigen die Fiktionsvorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG.
10Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2013 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend an: Es könne dahinstehen, ob die Wohnsitzfiktion des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG überhaupt zum Tragen komme. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 27. April 2007 (Az.: 5 K 1084/06) und des Beschlusses des OVG NRW vom 23. September 2008 (Az.: 2 A 1746/07) stehe nämlich bereits fest, dass die Familienangehörigen der Klägerin jedenfalls seit Februar 2001 keinen durchgehenden ununterbrochenen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gehabt hätten. Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des OVG NRW sei nicht einschlägig.
11Die Klägerin hat dagegen am 12. Juni 2013 Klage erhoben.
12Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor:
13Das Einbeziehungsbegehren werde sowohl auf § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG als auch auf § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG gestützt.
14Ihre Familienangehörigen seien jedenfalls aufgrund der Rückkehr in das Aussiedlungsgebiet gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG im Aussiedlungsgebiet verblieben. Unabhängig davon sei nach dem Beschluss des OVG NRW vom 17. April 2013 (Az.: 11 E 37/13) selbst ein Wohnsitz der einzubeziehenden Personen im Bundesgebiet irrelevant, wenn, wie hier, ein Härtefall vorliege. Soweit die Kammer in ihrem Urteil vom 5. Februar 2014 (Az.: 10 K 3385/12) entschieden habe, dass nur diejenigen im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG im Aussiedlungsgebiet verblieben seien, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet gehabt hätten, teile sie diese rechtliche Einschätzung nicht. Wäre eine solche Einschränkung gewollt gewesen, hätte es nahe gelegen, dies im Gesetzeswortlaut entsprechend zum Ausdruck zu bringen, etwa durch die Formulierung „durchgängig im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Das einschränkende Verständnis des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG durch die Kammer widerspreche auch dem aus den Gesetzesmaterialien ableitbaren Sinn und Zweck der Vorschrift. Danach solle die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wiederhergestellt und die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen ermöglicht werden.
15Die Klägerin legt ein Goethe-Zertifikat A1 ihrer Enkelin F. vom 14. Juli 2014 vor. Sie reicht ferner eine Teilnahmebestätigung des Goethe-Instituts vom 14. Juli 2014 hinsichtlich ihres Sohnes X. ein, aus dem sich ergibt, dass er die A1-Prüfung nicht bestanden hat.
16Die Klägerin beantragt,
17die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2013 zu verpflichten, ihren Sohn X. und ihre Enkeltochter F. in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen sowie ihren Enkelsohn N. und ihre Schwiegertochter S. in das Verteilungsverfahren einzubeziehen,
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor:
21Die Fiktionsvorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG greife aus den vom OVG NRW in seinem Beschluss vom 23. September 2008 (Az.: 2 A 1746/07) genannten Gründen nicht. Die Bestimmung beziehe sich überdies nur auf potentielle Spätaussiedler.
22Der Sohn der Klägerin besitze nicht die für die Einbeziehung erforderlichen Grundkenntnisse der deutschen Sprache.
23Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt.
24Entscheidungsgründe:
25Mit Einverständnis der Beteiligten kann die Kammer durch den Berichterstatter entscheiden (§ 87a Abs. 2, 3 VwGO).
26Die Klage ist unbegründet.
27Der Bescheid der Beklagten vom 13. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Klageansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
28Sie hat keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes X. und ihrer Enkelin F. in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG. Danach kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
29Die Kammer hat zum grammatikalischen Verständnis der Formulierung „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ in ihrem Urteil vom 5. Februar 2014 – 10 K 3385/12 – juris Rdnr. 31 f. ausgeführt:
30„Verbleiben“ legt nach allgemeinem Sprachgebrauch am ehesten ein Verständnis im Sinne von „zurückbleiben“, „da bleiben“, „übrig bleiben“ oder „ausharren“ nahe. Nach seinem Wortlaut umfasst das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ daher nur solche Personen, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet haben. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen sind demnach Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet haben. Eine solche Wohnsitznahme liegt nicht vor bei Aufenthalten im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt ist, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibt.
31Dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG kommt besonderes Gewicht zu, weil es für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen wäre, die Norm so zu fassen, dass sie auch Rückkehrer ins Aussiedlungsgebiet umfasste. Er hätte etwa formulieren können: „Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene oder der aus der Bundesrepublik oder einem Drittstaat ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrte Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Alternativ hätte er – wie in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG – lediglich auf den aktuellen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet abstellen und z. B. formulieren können: Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) auch nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Von entsprechenden Formulierungen hat er aber abgesehen.“
32Die Kammer hält hieran nach nochmaliger Überprüfung fest. Sie teilt nicht die Auffassung der Klägerin, wonach ein Verständnis im zuvor zitierten Sinne nur bei einer Formulierung wie „durchgängig im Aussiedlungsgebiet verblieben“ geboten wäre. Des Zusatzes „durchgängig“ bedarf es für das vorgenannte Verständnis angesichts des bereits nach allgemeinem Sprachgebrauch am ehesten im Sinne von „zurückbleiben“, „da bleiben“, „übrig bleiben“ oder „ausharren“ zu verstehenden Begriffs „verbleiben“ nicht.
33Die Wortlautauslegung wird durch die systematische Auslegung bestätigt. Die Kammer hat hierzu in ihrem Urteil vom 5. Februar 2014 – 10 K 3385/12 – juris Rdnr. 34 ausgeführt:
34„Bei der Betrachtung der Systematik des Gesetzes zeigt der Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG, dass der Gesetzgeber es im Gesetzestext ausdrücklich kenntlich macht, wenn er über die Aufgabe des Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet hinwegsehen bzw. den Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet fingieren will. Nach dieser Bestimmung gilt der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.“
35Auch die Entstehungsgeschichte des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG bzw. der Vorgängervorschrift des früheren § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG belegt das vorstehende Normverständnis. Die Kammer hat hierzu in ihrem Urteil vom 5. Februar 2014 – 10 K 3385/12 juris Rdnr. 40-48 ausgeführt:
36„Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Er ging dabei seinerzeit offenbar davon aus, dass die nachträgliche Einbeziehung nur solchen Personen ermöglicht werden sollte, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz fortdauernd im Aussiedlungsgebiet hatten. Für ein solches Verständnis des Gesetzgebers spricht folgende Formulierung in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5515, Seite 1; vgl. auch BT-Drs. 17/7178, Seite 1):
37„Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben [Hervorhebung nur hier] oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.“
38Einem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion hat der Gesetzgeber damals nicht entsprochen.
39Vgl. zu dem Änderungsantrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
40Mit dem 10. Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Sinn und Zweck der Neuregelung ist es, verstärkt Familienzusammenführungen von Spätaussiedlern zu ermöglichen.
41Vgl. BT-Drs. 17/13937, Seite 6.
42Zu § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/13937, Seite 6 f.):
43„Die Vorschrift entspricht zu weiten Teilen dem § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG, wie er durch das 9. BVFG-Änderungsgesetz vom 4. Dezember 2011 eingeführt wurde, verzichtet aber auf das Tatbestandsmerkmal der Härte. Denn an der bisher für das Aufnahmeverfahren maßgeblichen Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Falle einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich) soll nicht weiter festgehalten werden. Die Praxis hat gezeigt, dass die hierdurch in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler nicht ausreichend beseitigt werden können. Selbst die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wiederherzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben. Dementsprechend lässt § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG fortan die nachträgliche Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalles und ohne zeitliche Einschränkungen zu. Die nachträgliche Einbeziehung wird so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG tritt; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten.“
44Diesem Absatz lässt sich nicht mit der notwendigen Deutlichkeit entnehmen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers unter das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ auch solche Personen fallen sollen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz aus dem Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben. Wäre ein solches Verständnis gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in den Gesetzesmaterialien bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ wird dort im Gegenteil überhaupt nicht näher behandelt. Einen neuerlichen Vorstoß im Gesetzgebungsverfahren, das Tatbestandsmerkmal zu streichen, hat es nicht gegeben.“
45Auch hieran hält die Kammer nach nochmaliger Überprüfung fest. Das Vorbringen der Klägerin, nach dem aus den Gesetzesmaterialien ableitbaren Sinn und Zweck des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG solle die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wiederhergestellt und die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen ermöglicht werden, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Kammer hat diese Argumentation bereits in ihrem Urteil vom 5. Februar 2014 – 10 K 3385/12 – juris Rdnr. 48 gewürdigt. Auf den zuletzt zitierten Absatz wird verwiesen.
46Vgl. zum Ganzen auch VG Köln, Urt. vom 9. April 2014 – 4 K 1743/13 – juris.
47Das zuvor dargelegte Verständnis des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG zugrunde gelegt scheidet eine nachträgliche Einbeziehung des Sohnes X. und der Enkelin F. der Klägerin in ihren Aufnahmebescheid aus, da die beiden nicht im Sinne der Vorschrift „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sind. Sie haben seit der Aussiedlung der Klägerin ihren Wohnsitz nicht ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet gehabt, sondern sind jedenfalls von Anfang 2000 bis Anfang 2004 in der Bundesrepublik wohnhaft gewesen. Für die Aufgabe des Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet sprechen, worauf das Verwaltungsgericht Minden in seinem Urteil vom 27. April 2007 (Az.: 5 K 1084/06) zutreffend hingewiesen hat, insbesondere die von dem Sohn der Klägerin von Deutschland aus betriebenen, auf den Verbleib in Deutschland gerichteten staatsangehörigkeitsrechtlichen, ausländerrechtlichen und asylrechtlichen Verfahren, die Einreise in die Bundesrepublik mit der gesamten Familie, der dauerhafte Aufenthalt bei der Klägerin und der auf Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse abzielende Schulbesuch der Enkelin und des Enkels. Anhaltspunkte dafür, dass der Aufenthalt des Sohnes und der Enkelin der Klägerin im Bundesgebiet klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt gewesen wäre, bestehen nicht.
48Der Sohn und die Enkelin der Klägerin können sich nicht auf die Wohnsitzfiktion des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG berufen. Sie betrifft lediglich Aufnahmebewerber. Dies folgt aus dem Verweis auf Satz 1, der ausschließlich das Aufnahmeverfahren betrifft. Außerdem spricht § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG vom „Antragsteller“. Einzubeziehende können aber keine Antragsteller sein. Der Antrag auf Einbeziehung kann vielmehr nur von der Bezugsperson geltend gemacht werden (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG). Eine analoge bzw. entsprechende Anwendung des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG auch auf einzubeziehende Personen scheidet aus. Hinweise auf eine planungswidrige Regelungslücke sind nicht ersichtlich.
49Vgl. VG Köln, Urt. vom 5. Februar 2014 – 10 K 3385/12 – juris Rdnr. 36.
50Aber selbst wenn die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG entgegen dem zuvor Gesagten auf einzubeziehende Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlern analog bzw. entsprechend anwendbar wäre, könnten der Sohn und die Enkelin der Klägerin hieraus nichts für sich herleiten. Denn die Privilegierung der Fiktion des fortbestehenden Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet greift jedenfalls nur dann ein, wenn der Aufnahmebewerber oder die einzubeziehende Person (zumindest) nach Beendigung des erfolglos betriebenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung im Härtewege unverzüglich in das Aussiedlungsgebiet zurückkehrt und dort vor Stellung eines erneuten Aufnahme- oder Einbeziehungsantrags wieder seinen Wohnsitz nimmt.
51Vgl. OVG NRW, Beschl. vom 23. September 2008 – 2 A 1746/07 – nicht veröffentlicht.
52Der Sohn und die Enkelin der Klägerin sind aber nicht unverzüglich nach Beendigung ihres erfolglos betriebenen Aufnahmeverfahrens am 29. Januar 2001 in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt, sondern erst Anfang 2004 dorthin abgeschoben worden.
53Eine Möglichkeit, wegen Vorliegens einer besonderen Härte von dem Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG abzusehen, besteht nicht. Die vom OVG NRW in seinem Beschluss vom 17. April 2013 (Az.: 11 E 37/13) aufgeworfene Frage, ob und inwieweit das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG) auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG) zu prüfen ist, ist zu verneinen.
54Näher dazu VG Köln, Urt. vom 5. Februar 2014 – 10 K 5417/12 – juris Rdnr. 36 ff.; Urt. vom 5. Februar 2014 – 10 K 6881/12 – juris Rdnr. 36 ff.; Urt. vom 15. April 2014 – 7 K 2829/13 – juris Rdnr. 28 ff.; Urt. vom 6. Mai 2014 – 7 K 5256/12 – juris Rdnr. 24 ff.
55Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes in ihren Aufnahmebescheid scheitert außerdem daran, dass dieser die für die Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BVFG erforderlichen Grundkenntnisse der deutschen Sprache nicht besitzt. Er hat die A1-Prüfung am 14. Juli 2014 nicht bestanden.
56Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Einbeziehung ihres Sohnes X. und ihrer Enkelin F. in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG. Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen [Hervorhebung nur hier] vorliegen. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BVFG werden der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmlingzum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung [Hervorhebung nur hier] in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 BVFG vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt.
57Diese Voraussetzungen sind für den Sohn und die Enkelin der Klägerin nicht gegeben.
58In der Rechtsprechung ist für die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige Voraussetzung“ unabhängig von einer gegebenenfalls im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht.
59Vgl. etwa BVerwG, Beschl. vom 28. Juli 2005 – 5 B 134/04 – juris Rdnr. 4; Beschl. vom 30. Oktober 2006 – 5 B 55/06 – juris Rdnr. 2; OVG NRW, Beschl. vom 26. Oktober 2005 – 2 A 2383/05 – juris Rdnr. 30; Beschl. vom 21. Februar 2006 – 2 A 4798/05 – juris Rdnr. 7; Beschl. vom 8. August 2006 – 12 A 4189/05 – juris Rdnr. 3; Beschl. vom 13. Februar 2008 – 12 A 4479/06 – juris Rdnr. 3 ff. m. w. N.
60Da der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, was die Härtefalleinbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ angeht, identisch ist mit dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F., ist die Rechtsprechung zum Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags weiterhin anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung fürim Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nachträglich in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden können. Die Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ ist damit nicht obsolet geworden. Vielmehr besteht nur eine „weitere Option“,
61so ausdrücklich BT-Drs. 17/13937, Seite 7,
62die Familienzusammenführung in den Fällen zu erleichtern, in denen Ehegatte oder Abkömmling des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind.
63Vgl. VG Köln, Urt. vom 5. Februar 2014 – 10 K 3385/14 – juris Rdnr. 51 ff.; Urt. vom 5. Februar 2014 – 10 K 6881/12 – juris Rdnr. 19 ff.; Urt. vom 6. Mai 2014 – 7 K 5256/12 – juris Rdnr. 42 ff.
64An einem von der Klägerin vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten Antrag auf Einbeziehung ihres Sohnes und ihrer Enkelin zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung fehlt es hier.
65Dem Einbeziehungsbegehren steht außerdem entgegen, dass eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nicht erkennbar ist. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin mit ihrer Aussiedlung in die Bundesrepublik nicht bis zur Einbeziehung ihres Sohnes und seiner Familie in ihren Aufnahmebescheid abgewartet hat.
66Vgl. zu einem ähnlichen Fall VG Köln, Urt. vom 5. Februar 2014 – 10 K 5417/12 – juris Rdnr. 50.
67Die Einbeziehung des Sohnes der Klägerin scheitert außerdem wiederum daran, dass er die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BVFG erforderlichen Grundkenntnisse der deutschen Sprache nicht besitzt.
68Hat die Klägerin nach dem zuvor Gesagten keinen Anspruch auf Einbeziehung ihres Sohnes und ihrer Enkelin in ihren Aufnahmebescheid, scheidet auch die von ihr beantragte Einbeziehung ihres Enkels N. und ihrer Schwiegertochter S. in das Verteilungsverfahren nach § 8 BVFG aus.
69Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Die Kammer hat die Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob Personen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben und sodann in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind, im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sind oder sein können.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 30. Juli 2014 - 10 K 3558/13
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 30. Juli 2014 - 10 K 3558/13
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Verwaltungsgericht Köln Urteil, 30. Juli 2014 - 10 K 3558/13 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren einge-stellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.0000 geborene Klägerin begehrt die Einbeziehung ihres am 00.00.0000 geborenen Sohnes S. N. (nunmehr N.) in ihren Aufnahmebescheid.
3Die Klägerin ist seit dem 19. April 1995 im Besitz eines Aufnahmebescheides. Sie reiste im November 1995 in die Bundesrepublik ein und wurde am 5. August 1996 in den deutschen Staatsverband eingebürgert.
4Herr N1. erhielt ebenfalls am 19. April 1995 einen Aufnahmebescheid. Er reiste am 10. Dezember 2007 mit seiner Ehefrau P. und den gemeinsamen Kindern L. (geboren am 00.00.1999 ) und L1. (geboren am 00.00.2001 ) mit einem Besuchsvisum in die Bundesrepublik ein. Gegenüber der Beklagten machte er am 12. Dezember 2007 folgende Angaben: Er sei mit seiner Familie nach Deutschland gekommen, weil er in Kasachstan nicht länger leben wolle. Die Familie habe dort seit etwa einem Jahr keine Wohnung. Sie habe bei Bekannten gelebt. Er und seine Familienangehörigen würden in der kasachischen Gesellschaft unterdrückt. Nachdem er in Deutschland angekommen sei, habe er den endgültigen Entschluss gefasst, nicht nach Kasachstan zurückzureisen und stattdessen hier bei seiner Mutter, der Klägerin, und seinen Geschwistern zu bleiben. Wegen der Einzelheiten der Angaben des Herrn N. wird auf Beiakte 2, Blatt 155 verwiesen. Die Klägerin legte gegenüber der Beklagen mit Schreiben vom 4. Dezember 2007 und 17. Dezember 2007 die Gründe für die – zum damaligen Zeitpunkt erfolgte – Einreise des Herrn N. und seiner Familie dar. Wegen der Einzelheiten ihrer Schreiben wird auf Beiakte 2, Blatt 150 ff., 216 f. verwiesen.
5Nachdem die Beklagte Herrn N1. am 1. November 2007 in Almaty/ Kasachstan und am 14. Dezember 2007 in Friedland zu seiner Sprachkompetenz angehört hatte, nahm sie mit Bescheid vom 18. Februar 2008 seinen Aufnahmebescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Zur Begründung führte sie u. a. an, Herr N. erfülle die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) nicht, weil er ein einfaches Gespräch auf Deutsch nicht führen könne. Nach Abwägung aller Umstände sei das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Aufnahmebescheides höherrangig anzusehen als das Interesse des Herrn N. an dem Bestand des Aufnahmebescheides. Herr N. habe im Aufnahmeantrag falsche Angaben zu seiner Sprachkompetenz gemacht [Anmerkung des Gerichts: Herr N. hatte angegeben, Deutsch sei seine Muttersprache und die aktuelle Umgangssprache in der Familie, vgl. Beiakte 2, Blatt 14]. Diese seien für die Erteilung des Aufnahmebescheides von maßgeblicher Bedeutung gewesen. Aufgrund der Angaben zur Sprachkompetenz sei nicht geprüft worden, ob Herr N. in den Aufnahmebescheid der Klägerin hätte einbezogen werden können. Sie, die Beklagte, habe Herrn N. im Anschluss an die Anhörung zur Sprachkompetenz in Almaty ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie hinsichtlich seines Aufnahmebescheides ein förmliches Rücknahmeverfahren einleiten werde und dass er seine Ausreisevorbereitungen zurückstellen möge. Die Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidung an. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 224 ff. verwiesen. Herr N. erhob gegen die Rücknahme seines Aufnahmebescheides am 28. Februar 2008 Widerspruch, den er u. a. wie folgt begründete: Er sei vor seiner Ausreise nach Deutschland Pastor bei der christlichen Gemeinde „Neues Leben“ in Almaty gewesen. Seine Ehefrau sei an der Wohltätigkeit der Gemeinde ebenfalls aktiv beteiligt gewesen. Die Familie sei deshalb verfolgt und ständig bedroht worden. Zuletzt habe man ihm und seiner Ehefrau sogar mit der Entführung der beiden Töchter gedroht. Sie seien deshalb gezwungen gewesen, Kasachstan sofort zu verlassen. Wegen der Einzelheiten der Widerspruchsbegründung wird auf Beiakte 2, Blatt 287 ff. verwiesen. Die Beklagte wies den Widerspruch des Herrn N1. mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurück. Herr N. erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3078/08), die das Gericht mit Urteil vom 4. August 2010 abwies. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Beiakte 2, Blatt 418 ff. verwiesen. Herr N. stellte gegen dieses Urteil Antrag auf Zulassung der Berufung, den das OVG NRW mit Beschluss vom 25. Oktober 2010 (Az.: 12 A 1960/10) verwarf.
6Die Klägerin beantragte erstmals am 31. Januar 2008 „rein vorsorglich“ die Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 BVFG in der damals geltenden Fassung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Februar 2008 ab. Zur Begründung führte sie an, es könne offen bleiben, ob eine besondere Härte im Sinne der vorgenannten Vorschrift vorliege. Denn es fehle jedenfalls an den sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung. Diese setze nicht nur einen ausdrücklichen Antrag der Bezugsperson voraus. Der Antrag müsse vielmehr auch vor der Ausreise der Bezugsperson „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ gestellt worden sein. Daran fehle es hier. Die Klägerin habe den Antrag nicht zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung, sondern erst zwölf Jahre später gestellt. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 254 f. verwiesen. Die Klägerin erhob dagegen am 26. Februar 2008 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurückwies. Die Klägerin erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3077/08) und stellte einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Nachdem das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 2. Mai 2009 abgelehnt und das OVG NRW die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 7. September 2009 (Az.: 2 E 804/09) zurückgewiesen hatte, nahm die Klägerin die Klage am 8. März 2010 zurück.
7Mit Schreiben vom 5. März 2012 stellte die Klägerin gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (nunmehr: BVFG a. F.) bei der Beklagten einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der beiden gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid. Im Rahmen der Antragstellung machte sie folgende Angaben: Sollten ihr Sohn und seine Familie ausgewiesen werden, würde dies für sie, die Klägerin, eine erhebliche Belastung bedeuten. Sie leide seit längerer Zeit an einer Vielzahl von Erkrankungen. Ihr Sohn und seine Familie seien ihr im Alltag behilflich. Sie hätten keinen Bezug mehr zu Kasachstan. Sollten sie dorthin zurück müssen, drohten ihnen erhebliche Gefahren.
8Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. März 2012 ab. Zur Begründung führte sie an, die Familienangehörigen seien nicht im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Sie lebten im Bundesgebiet.
9Die Klägerin erhob dagegen am 18. April 2012 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2012 zurückwies.
10Die Klägerin hat dagegen am 24. Mai 2012 Klage erhoben.
11Nachdem die Klägerin die Beklagte bereits mit Schreiben vom 13. April 2012, 11. Mai 2012 und 2. Juli 2012 um eine Bescheidung ihres Einbeziehungsantrags auch am Maßstab des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. gebeten hatte, stellte sie mit Schreiben vom 10. Juli 2012 ausdrücklich einen Wiederaufgreifensantrag nach § 27 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 BVFG a. F.
12Herr N., seine Ehefrau und die beiden Kinder reisten am 10. August 2012 nach Almaty aus, nachdem die Städteregion Aachen ihren Aufenthalt nicht länger geduldet hatte.
13Die Beklagte lehnte den Wiederaufgreifensantrag mit Bescheid vom 26. Oktober 2012 ab. Zur Begründung führte sie u. a. an, Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens lägen nicht vor. Die Versagung der Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei rechtmäßig gewesen, da die „sonstigen Voraussetzungen“ des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. nicht vorgelegen hätten. Hieran habe sich nach Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG nichts geändert.
14Die Klägerin erhob dagegen fristgerecht Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2012 zurückwies.
15Die Klägerin hat den Widerspruchsbescheid mit Schriftsatz vom 25. Januar 2013 in ihre Klage einbezogen.
16Sie macht zur Begründung der Klage geltend: Durch die Ausreise des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder habe sich die Sach- und Rechtslage zu ihren Gunsten geändert. Die Beklagte könne die Ablehnung des Einbeziehungsantrags nun nicht mehr auf den Aufenthalt ihrer Familienangehörigen im Bundesgebiet stützen. Dass die Rückkehr ihrer Familienangehörigen ins Aussiedlungsgebiet nach der gesetzlichen Konzeption des § 27 BVFG keinen Ablehnungsgrund darstellen könne, ergebe sich aus dessen Absatz 1 Satz 6 a. F. Danach gelte der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Absatz 2 a. F. abgelehnt worden sei und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet habe. Die Regelung sei auch auf Einbeziehungsanträge für Ehegatten und Abkömmlinge anwendbar. Eine andere Betrachtungsweise würde bedeuten, dass eine Einbeziehung nicht mehr möglich wäre, wenn die Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. abgelehnt worden sei. Sinn und Zweck des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. sei es nicht, solche Menschen von seinem Anwendungsbereich auszuschließen, die bereits einmal vergeblich versucht hätten, die die Härte begründende Trennung auf die eine oder andere Weise aufzuheben. Ziel des Gesetzgebers sei es vielmehr, durch das Tatbestandsmerkmal des Verbleibens solche Fälle tragischer Familientrennungen aus dem Anwendungsbereich auszunehmen, in denen sämtliche Familienangehörige bereits aus anderen Gründen in Deutschland lebten. Eine solche Situation liege hier aber gerade nicht vor. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sei nach dem zuvor Gesagten auch dann noch zu bejahen, wenn die Einzubeziehenden sich zwischenzeitlich fünf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hätten.
17Eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei unabhängig davon möglich, ob die Einzubeziehenden im Aussiedlungs- oder im Bundesgebiet lebten.
18Die Klägerin hat die Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung auf eine Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., beschränkt und hinsichtlich ihrer Schwiegertochter und der beiden Enkelkinder zurückgenommen.
19Die Klägerin beantragt,
20die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen,
21hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Die Rechtslage habe sich weder durch die Ausreise des Herrn N. noch durch das Inkrafttreten des Zehnten Gesetzes zur Änderung des BVFG zu Gunsten der Klägerin geändert. Denn „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F./ § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n. F. sei nur eine Person, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet habe. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen seien daher Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet hätten. Unschädlich seien allenfalls Aufenthalte im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt sei, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibe.
25Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
26Entscheidungsgründe:
27Das Gericht hat das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.
28Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
29Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Klageansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
30Dies gilt zunächst für den von ihr mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG.
31Nach dieser Bestimmung kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
32Herr N., der nach seinem Aufenthalt in der Bundesrepublik vom 10. Dezember 2007 bis zum 10. August 2012 in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt ist, ist nicht im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
33Dagegen, ihn als „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ anzusehen, spricht der Wortlaut der Formulierung. „Verbleiben“ legt nach allgemeinem Sprachgebrauch am ehesten ein Verständnis im Sinne von „zurückbleiben“, „da bleiben“, „übrig bleiben“ oder „ausharren“ nahe. Nach seinem Wortlaut umfasst das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ daher nur solche Personen, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet haben. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen sind demnach Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet haben. Eine solche Wohnsitznahme liegt nicht vor bei Aufenthalten im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt ist, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibt.
34Dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG kommt besonderes Gewicht zu, weil es für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen wäre, die Norm so zu fassen, dass sie auch Rückkehrer ins Aussiedlungsgebiet umfasste. Er hätte etwa formulieren können: „Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene oder der aus der Bundesrepublik oder einem Drittstaat ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrte Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Alternativ hätte er – wie in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG – lediglich auf den aktuellen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet abstellen und z. B. formulieren können: Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) auch nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Von entsprechenden Formulierungen hat er aber abgesehen.
35Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel daran, dass Herr N. unter Aufgabe seines Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich einen Wohnsitz in Deutschland begründet hatte. Dafür sprechen sein langer Aufenthalt in Deutschland (vier Jahre und acht Monate) und die von ihm zwei Tage nach seiner Einreise getätigte Äußerung gegenüber der Beklagten, er wolle in Kasachstan nicht länger leben und stattdessen mit seiner Ehefrau und seinen Kindern bei seiner Familie in Deutschland bleiben.
36Die Wortlautauslegung wird durch die systematische Auslegung bestätigt. Bei der Betrachtung der Systematik des Gesetzes zeigt der Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG, dass der Gesetzgeber es im Gesetzestext ausdrücklich kenntlich macht, wenn er über die Aufgabe des Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet hinwegsehen bzw. den Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet fingieren will. Nach dieser Bestimmung gilt der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
37Herr N. kann sich auf die Ausnahmevorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG nicht berufen.
38Sie betrifft lediglich Aufnahmebewerber. Dies folgt aus dem Verweis auf Satz 1, der ausschließlich das Aufnahmeverfahren betrifft. Außerdem spricht § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG vom „Antragsteller“. Einzubeziehende können aber keine Antragsteller sein. Der Antrag auf Einbeziehung kann vielmehr nur von der Bezugsperson geltend gemacht werden (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG). Eine analoge bzw. entsprechende Anwendung des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG auch auf einzubeziehende Personen scheidet aus. Hinweise auf eine planungswidrige Regelungslücke sind nicht ersichtlich. Soweit das OVG NRW in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 30. Mai 2001 (Az.: 2 A 1356/99) auf der Basis der damaligen Rechtslage eine entsprechende Anwendung der Fiktionsvorschrift (damals: § 27 Abs. 1 Satz 4 BVFG) befürwortet hat, bezog sich dies auf eine Konstellation, in der die Bezugsperson knapp drei Wochen nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt war, um die Einbeziehung ihrer Abkömmlinge in ihren Aufnahmebescheid zu ermöglichen. Hier ist aber nicht die Bezugsperson in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt, sondern haben die einzubeziehenden Personen sich dort wieder niedergelassen.
39Aber selbst wenn die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG entgegen dem zuvor Gesagten auf einzubeziehende Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlern analog bzw. entsprechend anwendbar wäre, griffe sie im vorliegenden Fall nicht zu Gunsten des Herrn N. ein. Denn er hat nicht nach Ablehnung des Einbeziehungsantrags der Klägerin gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.) für den Folgeantrag nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.) erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet. Er hat vielmehr zu dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gestellt hat (5. März 2012), seinen Wohnsitz noch immer in der Bundesrepublik gehabt und ist erst im Laufe des Klageverfahrens am 10. August 2012 nach Kasachstan ausgereist. Die Privilegierung der Fiktion des fortbestehenden Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet greift jedoch nur dann ein, wenn der Aufnahmebewerber (jedenfalls) nach Beendigung seines erfolglos betriebenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härtewege unverzüglich in das Aussiedlungsgebiet zurückkehrt und dort vor Stellung eines (erneuten) Aufnahmeantrags wieder seinen Wohnsitz nimmt.
40Vgl. OVG NRW, Beschl. vom 23. September 2008 – 2 A 1746/07 – nicht veröffentlicht; vgl. zu dem Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG allgemein BVerwG, Beschl. vom 26. August 2005 – 5 B 72/05 – juris Rdnr. 3.
41Die entstehungsgeschichtliche bzw. teleologische Auslegung führt zu keinem von dem zuvor Gesagten abweichenden Ergebnis. Sie bestätigt eher die vorherige Auslegung.
42Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Er ging dabei seinerzeit offenbar davon aus, dass die nachträgliche Einbeziehung nur solchen Personen ermöglicht werden sollte, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz fortdauernd im Aussiedlungsgebiet hatten. Für ein solches Verständnis des Gesetzgebers spricht folgende Formulierung in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5515, Seite 1; vgl. auch BT-Drs. 17/7178, Seite 1):
43„Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben [Hervorhebung nur hier] oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.“
44Einem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion hat der Gesetzgeber damals nicht entsprochen.
45Vgl. zu dem Änderungsantrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
46Mit dem 10. Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Sinn und Zweck der Neuregelung ist es, verstärkt Familienzusammenführungen von Spätaussiedlern zu ermöglichen.
47Vgl. BT-Drs. 17/13937, Seite 6.
48Zu § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/13937, Seite 6 f.):
49„Die Vorschrift entspricht zu weiten Teilen dem § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG, wie er durch das 9. BVFG-Änderungsgesetz vom 4. Dezember 2011 eingeführt wurde, verzichtet aber auf das Tatbestandsmerkmal der Härte. Denn an der bisher für das Aufnahmeverfahren maßgeblichen Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Falle einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich) soll nicht weiter festgehalten werden. Die Praxis hat gezeigt, dass die hierdurch in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler nicht ausreichend beseitigt werden können. Selbst die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wiederherzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben. Dem-entsprechend lässt § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG fortan die nachträgliche Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalles und ohne zeitliche Einschränkungen zu. Die nachträgliche Einbeziehung wird so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG tritt; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten.“
50Diesem Absatz lässt sich nicht mit der notwendigen Deutlichkeit entnehmen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers unter das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ auch solche Personen fallen sollen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz aus dem Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben. Wäre ein solches Verständnis gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in den Gesetzesmaterialien bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ wird dort im Gegenteil überhaupt nicht näher behandelt. Einen neuerlichen Vorstoß im Gesetzgebungsverfahren, das Tatbestandsmerkmal zu streichen, hat es nicht gegeben.
51Der Klägerin steht auch der von ihr mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Einbeziehung des Herrn N. in ihren Aufnahmebescheid im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nicht zu. Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen [Hervorhebung nur hier] vorliegen. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BVFG werden der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmlingzum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung [Hervorhebung nur hier] in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 BVFG vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt.
52Diese Voraussetzungen sind für Herrn N. nicht gegeben.
53In der Rechtsprechung ist für die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige Voraussetzung“ unabhängig von einer gegebenenfalls im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht.
54Vgl. etwa BVerwG, Beschl. vom 28. Juli 2005 – 5 B 134/04 – juris Rdnr. 4; Beschl. vom 30. Oktober 2006 – 5 B 55/06 – juris Rdnr. 2; OVG NRW, Beschl. vom 26. Oktober 2005 – 2 A 2383/05 – juris Rdnr. 30; Beschl. vom 21. Februar 2006 – 2 A 4798/05 – juris Rdnr. 7; Beschl. vom 8. August 2006 – 12 A 4189/05 – juris Rdnr. 3; Beschl. vom 13. Februar 2008 – 12 A 4479/06 – juris Rdnr. 3 ff. m. w. N.
55Wie die Beklagte bereits in ihren Bescheiden bzw. Widerspruchsbescheiden vom 18. Februar 2008, 25. September 2008, 26. Oktober 2012 und 27. Dezember 2012 ausgeführt hat und das Verwaltungsgericht Minden und das OVG NRW in ihren PKH-Beschlüssen vom 2. Mai 2009 (Az.: 8 K 3077/08 Minden) und 7. September 2009 (2 E 804/09 OVG NRW) bestätigt haben, fehlt es hier an einem solchen Antrag.
56Da der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, was die Härtefalleinbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ angeht, identisch ist mit dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F., ist die Rechtsprechung zum Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags weiterhin anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung fürim Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nachträglich in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden können. Die Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ ist damit nicht obsolet geworden. Vielmehr besteht nur eine „weitere Option“,
57so ausdrücklich BT-Drs. 17/13937, Seite 7,
58die Familienzusammenführung in den Fällen zu erleichtern, in denen Ehegatte oder Abkömmling des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind.
59Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Die Kammer hat die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob Personen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben und sodann in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind, im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sind oder sein können.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,
- 1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens; - 2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 4.
über den Streitwert; - 5.
über Kosten; - 6.
über die Beiladung.
(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.
(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren einge-stellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.0000 geborene Klägerin begehrt die Einbeziehung ihres am 00.00.0000 geborenen Sohnes S. N. (nunmehr N.) in ihren Aufnahmebescheid.
3Die Klägerin ist seit dem 19. April 1995 im Besitz eines Aufnahmebescheides. Sie reiste im November 1995 in die Bundesrepublik ein und wurde am 5. August 1996 in den deutschen Staatsverband eingebürgert.
4Herr N1. erhielt ebenfalls am 19. April 1995 einen Aufnahmebescheid. Er reiste am 10. Dezember 2007 mit seiner Ehefrau P. und den gemeinsamen Kindern L. (geboren am 00.00.1999 ) und L1. (geboren am 00.00.2001 ) mit einem Besuchsvisum in die Bundesrepublik ein. Gegenüber der Beklagten machte er am 12. Dezember 2007 folgende Angaben: Er sei mit seiner Familie nach Deutschland gekommen, weil er in Kasachstan nicht länger leben wolle. Die Familie habe dort seit etwa einem Jahr keine Wohnung. Sie habe bei Bekannten gelebt. Er und seine Familienangehörigen würden in der kasachischen Gesellschaft unterdrückt. Nachdem er in Deutschland angekommen sei, habe er den endgültigen Entschluss gefasst, nicht nach Kasachstan zurückzureisen und stattdessen hier bei seiner Mutter, der Klägerin, und seinen Geschwistern zu bleiben. Wegen der Einzelheiten der Angaben des Herrn N. wird auf Beiakte 2, Blatt 155 verwiesen. Die Klägerin legte gegenüber der Beklagen mit Schreiben vom 4. Dezember 2007 und 17. Dezember 2007 die Gründe für die – zum damaligen Zeitpunkt erfolgte – Einreise des Herrn N. und seiner Familie dar. Wegen der Einzelheiten ihrer Schreiben wird auf Beiakte 2, Blatt 150 ff., 216 f. verwiesen.
5Nachdem die Beklagte Herrn N1. am 1. November 2007 in Almaty/ Kasachstan und am 14. Dezember 2007 in Friedland zu seiner Sprachkompetenz angehört hatte, nahm sie mit Bescheid vom 18. Februar 2008 seinen Aufnahmebescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Zur Begründung führte sie u. a. an, Herr N. erfülle die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) nicht, weil er ein einfaches Gespräch auf Deutsch nicht führen könne. Nach Abwägung aller Umstände sei das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Aufnahmebescheides höherrangig anzusehen als das Interesse des Herrn N. an dem Bestand des Aufnahmebescheides. Herr N. habe im Aufnahmeantrag falsche Angaben zu seiner Sprachkompetenz gemacht [Anmerkung des Gerichts: Herr N. hatte angegeben, Deutsch sei seine Muttersprache und die aktuelle Umgangssprache in der Familie, vgl. Beiakte 2, Blatt 14]. Diese seien für die Erteilung des Aufnahmebescheides von maßgeblicher Bedeutung gewesen. Aufgrund der Angaben zur Sprachkompetenz sei nicht geprüft worden, ob Herr N. in den Aufnahmebescheid der Klägerin hätte einbezogen werden können. Sie, die Beklagte, habe Herrn N. im Anschluss an die Anhörung zur Sprachkompetenz in Almaty ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie hinsichtlich seines Aufnahmebescheides ein förmliches Rücknahmeverfahren einleiten werde und dass er seine Ausreisevorbereitungen zurückstellen möge. Die Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidung an. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 224 ff. verwiesen. Herr N. erhob gegen die Rücknahme seines Aufnahmebescheides am 28. Februar 2008 Widerspruch, den er u. a. wie folgt begründete: Er sei vor seiner Ausreise nach Deutschland Pastor bei der christlichen Gemeinde „Neues Leben“ in Almaty gewesen. Seine Ehefrau sei an der Wohltätigkeit der Gemeinde ebenfalls aktiv beteiligt gewesen. Die Familie sei deshalb verfolgt und ständig bedroht worden. Zuletzt habe man ihm und seiner Ehefrau sogar mit der Entführung der beiden Töchter gedroht. Sie seien deshalb gezwungen gewesen, Kasachstan sofort zu verlassen. Wegen der Einzelheiten der Widerspruchsbegründung wird auf Beiakte 2, Blatt 287 ff. verwiesen. Die Beklagte wies den Widerspruch des Herrn N1. mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurück. Herr N. erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3078/08), die das Gericht mit Urteil vom 4. August 2010 abwies. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Beiakte 2, Blatt 418 ff. verwiesen. Herr N. stellte gegen dieses Urteil Antrag auf Zulassung der Berufung, den das OVG NRW mit Beschluss vom 25. Oktober 2010 (Az.: 12 A 1960/10) verwarf.
6Die Klägerin beantragte erstmals am 31. Januar 2008 „rein vorsorglich“ die Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 BVFG in der damals geltenden Fassung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Februar 2008 ab. Zur Begründung führte sie an, es könne offen bleiben, ob eine besondere Härte im Sinne der vorgenannten Vorschrift vorliege. Denn es fehle jedenfalls an den sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung. Diese setze nicht nur einen ausdrücklichen Antrag der Bezugsperson voraus. Der Antrag müsse vielmehr auch vor der Ausreise der Bezugsperson „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ gestellt worden sein. Daran fehle es hier. Die Klägerin habe den Antrag nicht zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung, sondern erst zwölf Jahre später gestellt. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 254 f. verwiesen. Die Klägerin erhob dagegen am 26. Februar 2008 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurückwies. Die Klägerin erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3077/08) und stellte einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Nachdem das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 2. Mai 2009 abgelehnt und das OVG NRW die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 7. September 2009 (Az.: 2 E 804/09) zurückgewiesen hatte, nahm die Klägerin die Klage am 8. März 2010 zurück.
7Mit Schreiben vom 5. März 2012 stellte die Klägerin gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (nunmehr: BVFG a. F.) bei der Beklagten einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der beiden gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid. Im Rahmen der Antragstellung machte sie folgende Angaben: Sollten ihr Sohn und seine Familie ausgewiesen werden, würde dies für sie, die Klägerin, eine erhebliche Belastung bedeuten. Sie leide seit längerer Zeit an einer Vielzahl von Erkrankungen. Ihr Sohn und seine Familie seien ihr im Alltag behilflich. Sie hätten keinen Bezug mehr zu Kasachstan. Sollten sie dorthin zurück müssen, drohten ihnen erhebliche Gefahren.
8Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. März 2012 ab. Zur Begründung führte sie an, die Familienangehörigen seien nicht im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Sie lebten im Bundesgebiet.
9Die Klägerin erhob dagegen am 18. April 2012 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2012 zurückwies.
10Die Klägerin hat dagegen am 24. Mai 2012 Klage erhoben.
11Nachdem die Klägerin die Beklagte bereits mit Schreiben vom 13. April 2012, 11. Mai 2012 und 2. Juli 2012 um eine Bescheidung ihres Einbeziehungsantrags auch am Maßstab des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. gebeten hatte, stellte sie mit Schreiben vom 10. Juli 2012 ausdrücklich einen Wiederaufgreifensantrag nach § 27 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 BVFG a. F.
12Herr N., seine Ehefrau und die beiden Kinder reisten am 10. August 2012 nach Almaty aus, nachdem die Städteregion Aachen ihren Aufenthalt nicht länger geduldet hatte.
13Die Beklagte lehnte den Wiederaufgreifensantrag mit Bescheid vom 26. Oktober 2012 ab. Zur Begründung führte sie u. a. an, Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens lägen nicht vor. Die Versagung der Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei rechtmäßig gewesen, da die „sonstigen Voraussetzungen“ des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. nicht vorgelegen hätten. Hieran habe sich nach Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG nichts geändert.
14Die Klägerin erhob dagegen fristgerecht Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2012 zurückwies.
15Die Klägerin hat den Widerspruchsbescheid mit Schriftsatz vom 25. Januar 2013 in ihre Klage einbezogen.
16Sie macht zur Begründung der Klage geltend: Durch die Ausreise des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder habe sich die Sach- und Rechtslage zu ihren Gunsten geändert. Die Beklagte könne die Ablehnung des Einbeziehungsantrags nun nicht mehr auf den Aufenthalt ihrer Familienangehörigen im Bundesgebiet stützen. Dass die Rückkehr ihrer Familienangehörigen ins Aussiedlungsgebiet nach der gesetzlichen Konzeption des § 27 BVFG keinen Ablehnungsgrund darstellen könne, ergebe sich aus dessen Absatz 1 Satz 6 a. F. Danach gelte der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Absatz 2 a. F. abgelehnt worden sei und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet habe. Die Regelung sei auch auf Einbeziehungsanträge für Ehegatten und Abkömmlinge anwendbar. Eine andere Betrachtungsweise würde bedeuten, dass eine Einbeziehung nicht mehr möglich wäre, wenn die Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. abgelehnt worden sei. Sinn und Zweck des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. sei es nicht, solche Menschen von seinem Anwendungsbereich auszuschließen, die bereits einmal vergeblich versucht hätten, die die Härte begründende Trennung auf die eine oder andere Weise aufzuheben. Ziel des Gesetzgebers sei es vielmehr, durch das Tatbestandsmerkmal des Verbleibens solche Fälle tragischer Familientrennungen aus dem Anwendungsbereich auszunehmen, in denen sämtliche Familienangehörige bereits aus anderen Gründen in Deutschland lebten. Eine solche Situation liege hier aber gerade nicht vor. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sei nach dem zuvor Gesagten auch dann noch zu bejahen, wenn die Einzubeziehenden sich zwischenzeitlich fünf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hätten.
17Eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei unabhängig davon möglich, ob die Einzubeziehenden im Aussiedlungs- oder im Bundesgebiet lebten.
18Die Klägerin hat die Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung auf eine Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., beschränkt und hinsichtlich ihrer Schwiegertochter und der beiden Enkelkinder zurückgenommen.
19Die Klägerin beantragt,
20die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen,
21hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Die Rechtslage habe sich weder durch die Ausreise des Herrn N. noch durch das Inkrafttreten des Zehnten Gesetzes zur Änderung des BVFG zu Gunsten der Klägerin geändert. Denn „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F./ § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n. F. sei nur eine Person, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet habe. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen seien daher Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet hätten. Unschädlich seien allenfalls Aufenthalte im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt sei, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibe.
25Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
26Entscheidungsgründe:
27Das Gericht hat das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.
28Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
29Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Klageansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
30Dies gilt zunächst für den von ihr mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG.
31Nach dieser Bestimmung kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
32Herr N., der nach seinem Aufenthalt in der Bundesrepublik vom 10. Dezember 2007 bis zum 10. August 2012 in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt ist, ist nicht im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
33Dagegen, ihn als „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ anzusehen, spricht der Wortlaut der Formulierung. „Verbleiben“ legt nach allgemeinem Sprachgebrauch am ehesten ein Verständnis im Sinne von „zurückbleiben“, „da bleiben“, „übrig bleiben“ oder „ausharren“ nahe. Nach seinem Wortlaut umfasst das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ daher nur solche Personen, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet haben. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen sind demnach Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet haben. Eine solche Wohnsitznahme liegt nicht vor bei Aufenthalten im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt ist, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibt.
34Dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG kommt besonderes Gewicht zu, weil es für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen wäre, die Norm so zu fassen, dass sie auch Rückkehrer ins Aussiedlungsgebiet umfasste. Er hätte etwa formulieren können: „Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene oder der aus der Bundesrepublik oder einem Drittstaat ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrte Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Alternativ hätte er – wie in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG – lediglich auf den aktuellen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet abstellen und z. B. formulieren können: Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) auch nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Von entsprechenden Formulierungen hat er aber abgesehen.
35Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel daran, dass Herr N. unter Aufgabe seines Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich einen Wohnsitz in Deutschland begründet hatte. Dafür sprechen sein langer Aufenthalt in Deutschland (vier Jahre und acht Monate) und die von ihm zwei Tage nach seiner Einreise getätigte Äußerung gegenüber der Beklagten, er wolle in Kasachstan nicht länger leben und stattdessen mit seiner Ehefrau und seinen Kindern bei seiner Familie in Deutschland bleiben.
36Die Wortlautauslegung wird durch die systematische Auslegung bestätigt. Bei der Betrachtung der Systematik des Gesetzes zeigt der Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG, dass der Gesetzgeber es im Gesetzestext ausdrücklich kenntlich macht, wenn er über die Aufgabe des Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet hinwegsehen bzw. den Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet fingieren will. Nach dieser Bestimmung gilt der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
37Herr N. kann sich auf die Ausnahmevorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG nicht berufen.
38Sie betrifft lediglich Aufnahmebewerber. Dies folgt aus dem Verweis auf Satz 1, der ausschließlich das Aufnahmeverfahren betrifft. Außerdem spricht § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG vom „Antragsteller“. Einzubeziehende können aber keine Antragsteller sein. Der Antrag auf Einbeziehung kann vielmehr nur von der Bezugsperson geltend gemacht werden (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG). Eine analoge bzw. entsprechende Anwendung des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG auch auf einzubeziehende Personen scheidet aus. Hinweise auf eine planungswidrige Regelungslücke sind nicht ersichtlich. Soweit das OVG NRW in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 30. Mai 2001 (Az.: 2 A 1356/99) auf der Basis der damaligen Rechtslage eine entsprechende Anwendung der Fiktionsvorschrift (damals: § 27 Abs. 1 Satz 4 BVFG) befürwortet hat, bezog sich dies auf eine Konstellation, in der die Bezugsperson knapp drei Wochen nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt war, um die Einbeziehung ihrer Abkömmlinge in ihren Aufnahmebescheid zu ermöglichen. Hier ist aber nicht die Bezugsperson in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt, sondern haben die einzubeziehenden Personen sich dort wieder niedergelassen.
39Aber selbst wenn die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG entgegen dem zuvor Gesagten auf einzubeziehende Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlern analog bzw. entsprechend anwendbar wäre, griffe sie im vorliegenden Fall nicht zu Gunsten des Herrn N. ein. Denn er hat nicht nach Ablehnung des Einbeziehungsantrags der Klägerin gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.) für den Folgeantrag nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.) erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet. Er hat vielmehr zu dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gestellt hat (5. März 2012), seinen Wohnsitz noch immer in der Bundesrepublik gehabt und ist erst im Laufe des Klageverfahrens am 10. August 2012 nach Kasachstan ausgereist. Die Privilegierung der Fiktion des fortbestehenden Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet greift jedoch nur dann ein, wenn der Aufnahmebewerber (jedenfalls) nach Beendigung seines erfolglos betriebenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härtewege unverzüglich in das Aussiedlungsgebiet zurückkehrt und dort vor Stellung eines (erneuten) Aufnahmeantrags wieder seinen Wohnsitz nimmt.
40Vgl. OVG NRW, Beschl. vom 23. September 2008 – 2 A 1746/07 – nicht veröffentlicht; vgl. zu dem Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG allgemein BVerwG, Beschl. vom 26. August 2005 – 5 B 72/05 – juris Rdnr. 3.
41Die entstehungsgeschichtliche bzw. teleologische Auslegung führt zu keinem von dem zuvor Gesagten abweichenden Ergebnis. Sie bestätigt eher die vorherige Auslegung.
42Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Er ging dabei seinerzeit offenbar davon aus, dass die nachträgliche Einbeziehung nur solchen Personen ermöglicht werden sollte, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz fortdauernd im Aussiedlungsgebiet hatten. Für ein solches Verständnis des Gesetzgebers spricht folgende Formulierung in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5515, Seite 1; vgl. auch BT-Drs. 17/7178, Seite 1):
43„Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben [Hervorhebung nur hier] oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.“
44Einem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion hat der Gesetzgeber damals nicht entsprochen.
45Vgl. zu dem Änderungsantrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
46Mit dem 10. Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Sinn und Zweck der Neuregelung ist es, verstärkt Familienzusammenführungen von Spätaussiedlern zu ermöglichen.
47Vgl. BT-Drs. 17/13937, Seite 6.
48Zu § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/13937, Seite 6 f.):
49„Die Vorschrift entspricht zu weiten Teilen dem § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG, wie er durch das 9. BVFG-Änderungsgesetz vom 4. Dezember 2011 eingeführt wurde, verzichtet aber auf das Tatbestandsmerkmal der Härte. Denn an der bisher für das Aufnahmeverfahren maßgeblichen Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Falle einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich) soll nicht weiter festgehalten werden. Die Praxis hat gezeigt, dass die hierdurch in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler nicht ausreichend beseitigt werden können. Selbst die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wiederherzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben. Dem-entsprechend lässt § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG fortan die nachträgliche Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalles und ohne zeitliche Einschränkungen zu. Die nachträgliche Einbeziehung wird so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG tritt; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten.“
50Diesem Absatz lässt sich nicht mit der notwendigen Deutlichkeit entnehmen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers unter das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ auch solche Personen fallen sollen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz aus dem Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben. Wäre ein solches Verständnis gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in den Gesetzesmaterialien bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ wird dort im Gegenteil überhaupt nicht näher behandelt. Einen neuerlichen Vorstoß im Gesetzgebungsverfahren, das Tatbestandsmerkmal zu streichen, hat es nicht gegeben.
51Der Klägerin steht auch der von ihr mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Einbeziehung des Herrn N. in ihren Aufnahmebescheid im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nicht zu. Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen [Hervorhebung nur hier] vorliegen. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BVFG werden der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmlingzum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung [Hervorhebung nur hier] in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 BVFG vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt.
52Diese Voraussetzungen sind für Herrn N. nicht gegeben.
53In der Rechtsprechung ist für die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige Voraussetzung“ unabhängig von einer gegebenenfalls im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht.
54Vgl. etwa BVerwG, Beschl. vom 28. Juli 2005 – 5 B 134/04 – juris Rdnr. 4; Beschl. vom 30. Oktober 2006 – 5 B 55/06 – juris Rdnr. 2; OVG NRW, Beschl. vom 26. Oktober 2005 – 2 A 2383/05 – juris Rdnr. 30; Beschl. vom 21. Februar 2006 – 2 A 4798/05 – juris Rdnr. 7; Beschl. vom 8. August 2006 – 12 A 4189/05 – juris Rdnr. 3; Beschl. vom 13. Februar 2008 – 12 A 4479/06 – juris Rdnr. 3 ff. m. w. N.
55Wie die Beklagte bereits in ihren Bescheiden bzw. Widerspruchsbescheiden vom 18. Februar 2008, 25. September 2008, 26. Oktober 2012 und 27. Dezember 2012 ausgeführt hat und das Verwaltungsgericht Minden und das OVG NRW in ihren PKH-Beschlüssen vom 2. Mai 2009 (Az.: 8 K 3077/08 Minden) und 7. September 2009 (2 E 804/09 OVG NRW) bestätigt haben, fehlt es hier an einem solchen Antrag.
56Da der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, was die Härtefalleinbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ angeht, identisch ist mit dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F., ist die Rechtsprechung zum Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags weiterhin anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung fürim Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nachträglich in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden können. Die Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ ist damit nicht obsolet geworden. Vielmehr besteht nur eine „weitere Option“,
57so ausdrücklich BT-Drs. 17/13937, Seite 7,
58die Familienzusammenführung in den Fällen zu erleichtern, in denen Ehegatte oder Abkömmling des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind.
59Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Die Kammer hat die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob Personen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben und sodann in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind, im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sind oder sein können.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren einge-stellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.0000 geborene Klägerin begehrt die Einbeziehung ihres am 00.00.0000 geborenen Sohnes S. N. (nunmehr N.) in ihren Aufnahmebescheid.
3Die Klägerin ist seit dem 19. April 1995 im Besitz eines Aufnahmebescheides. Sie reiste im November 1995 in die Bundesrepublik ein und wurde am 5. August 1996 in den deutschen Staatsverband eingebürgert.
4Herr N1. erhielt ebenfalls am 19. April 1995 einen Aufnahmebescheid. Er reiste am 10. Dezember 2007 mit seiner Ehefrau P. und den gemeinsamen Kindern L. (geboren am 00.00.1999 ) und L1. (geboren am 00.00.2001 ) mit einem Besuchsvisum in die Bundesrepublik ein. Gegenüber der Beklagten machte er am 12. Dezember 2007 folgende Angaben: Er sei mit seiner Familie nach Deutschland gekommen, weil er in Kasachstan nicht länger leben wolle. Die Familie habe dort seit etwa einem Jahr keine Wohnung. Sie habe bei Bekannten gelebt. Er und seine Familienangehörigen würden in der kasachischen Gesellschaft unterdrückt. Nachdem er in Deutschland angekommen sei, habe er den endgültigen Entschluss gefasst, nicht nach Kasachstan zurückzureisen und stattdessen hier bei seiner Mutter, der Klägerin, und seinen Geschwistern zu bleiben. Wegen der Einzelheiten der Angaben des Herrn N. wird auf Beiakte 2, Blatt 155 verwiesen. Die Klägerin legte gegenüber der Beklagen mit Schreiben vom 4. Dezember 2007 und 17. Dezember 2007 die Gründe für die – zum damaligen Zeitpunkt erfolgte – Einreise des Herrn N. und seiner Familie dar. Wegen der Einzelheiten ihrer Schreiben wird auf Beiakte 2, Blatt 150 ff., 216 f. verwiesen.
5Nachdem die Beklagte Herrn N1. am 1. November 2007 in Almaty/ Kasachstan und am 14. Dezember 2007 in Friedland zu seiner Sprachkompetenz angehört hatte, nahm sie mit Bescheid vom 18. Februar 2008 seinen Aufnahmebescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Zur Begründung führte sie u. a. an, Herr N. erfülle die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) nicht, weil er ein einfaches Gespräch auf Deutsch nicht führen könne. Nach Abwägung aller Umstände sei das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Aufnahmebescheides höherrangig anzusehen als das Interesse des Herrn N. an dem Bestand des Aufnahmebescheides. Herr N. habe im Aufnahmeantrag falsche Angaben zu seiner Sprachkompetenz gemacht [Anmerkung des Gerichts: Herr N. hatte angegeben, Deutsch sei seine Muttersprache und die aktuelle Umgangssprache in der Familie, vgl. Beiakte 2, Blatt 14]. Diese seien für die Erteilung des Aufnahmebescheides von maßgeblicher Bedeutung gewesen. Aufgrund der Angaben zur Sprachkompetenz sei nicht geprüft worden, ob Herr N. in den Aufnahmebescheid der Klägerin hätte einbezogen werden können. Sie, die Beklagte, habe Herrn N. im Anschluss an die Anhörung zur Sprachkompetenz in Almaty ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie hinsichtlich seines Aufnahmebescheides ein förmliches Rücknahmeverfahren einleiten werde und dass er seine Ausreisevorbereitungen zurückstellen möge. Die Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidung an. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 224 ff. verwiesen. Herr N. erhob gegen die Rücknahme seines Aufnahmebescheides am 28. Februar 2008 Widerspruch, den er u. a. wie folgt begründete: Er sei vor seiner Ausreise nach Deutschland Pastor bei der christlichen Gemeinde „Neues Leben“ in Almaty gewesen. Seine Ehefrau sei an der Wohltätigkeit der Gemeinde ebenfalls aktiv beteiligt gewesen. Die Familie sei deshalb verfolgt und ständig bedroht worden. Zuletzt habe man ihm und seiner Ehefrau sogar mit der Entführung der beiden Töchter gedroht. Sie seien deshalb gezwungen gewesen, Kasachstan sofort zu verlassen. Wegen der Einzelheiten der Widerspruchsbegründung wird auf Beiakte 2, Blatt 287 ff. verwiesen. Die Beklagte wies den Widerspruch des Herrn N1. mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurück. Herr N. erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3078/08), die das Gericht mit Urteil vom 4. August 2010 abwies. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Beiakte 2, Blatt 418 ff. verwiesen. Herr N. stellte gegen dieses Urteil Antrag auf Zulassung der Berufung, den das OVG NRW mit Beschluss vom 25. Oktober 2010 (Az.: 12 A 1960/10) verwarf.
6Die Klägerin beantragte erstmals am 31. Januar 2008 „rein vorsorglich“ die Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 BVFG in der damals geltenden Fassung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Februar 2008 ab. Zur Begründung führte sie an, es könne offen bleiben, ob eine besondere Härte im Sinne der vorgenannten Vorschrift vorliege. Denn es fehle jedenfalls an den sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung. Diese setze nicht nur einen ausdrücklichen Antrag der Bezugsperson voraus. Der Antrag müsse vielmehr auch vor der Ausreise der Bezugsperson „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ gestellt worden sein. Daran fehle es hier. Die Klägerin habe den Antrag nicht zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung, sondern erst zwölf Jahre später gestellt. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 254 f. verwiesen. Die Klägerin erhob dagegen am 26. Februar 2008 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurückwies. Die Klägerin erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3077/08) und stellte einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Nachdem das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 2. Mai 2009 abgelehnt und das OVG NRW die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 7. September 2009 (Az.: 2 E 804/09) zurückgewiesen hatte, nahm die Klägerin die Klage am 8. März 2010 zurück.
7Mit Schreiben vom 5. März 2012 stellte die Klägerin gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (nunmehr: BVFG a. F.) bei der Beklagten einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der beiden gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid. Im Rahmen der Antragstellung machte sie folgende Angaben: Sollten ihr Sohn und seine Familie ausgewiesen werden, würde dies für sie, die Klägerin, eine erhebliche Belastung bedeuten. Sie leide seit längerer Zeit an einer Vielzahl von Erkrankungen. Ihr Sohn und seine Familie seien ihr im Alltag behilflich. Sie hätten keinen Bezug mehr zu Kasachstan. Sollten sie dorthin zurück müssen, drohten ihnen erhebliche Gefahren.
8Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. März 2012 ab. Zur Begründung führte sie an, die Familienangehörigen seien nicht im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Sie lebten im Bundesgebiet.
9Die Klägerin erhob dagegen am 18. April 2012 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2012 zurückwies.
10Die Klägerin hat dagegen am 24. Mai 2012 Klage erhoben.
11Nachdem die Klägerin die Beklagte bereits mit Schreiben vom 13. April 2012, 11. Mai 2012 und 2. Juli 2012 um eine Bescheidung ihres Einbeziehungsantrags auch am Maßstab des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. gebeten hatte, stellte sie mit Schreiben vom 10. Juli 2012 ausdrücklich einen Wiederaufgreifensantrag nach § 27 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 BVFG a. F.
12Herr N., seine Ehefrau und die beiden Kinder reisten am 10. August 2012 nach Almaty aus, nachdem die Städteregion Aachen ihren Aufenthalt nicht länger geduldet hatte.
13Die Beklagte lehnte den Wiederaufgreifensantrag mit Bescheid vom 26. Oktober 2012 ab. Zur Begründung führte sie u. a. an, Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens lägen nicht vor. Die Versagung der Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei rechtmäßig gewesen, da die „sonstigen Voraussetzungen“ des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. nicht vorgelegen hätten. Hieran habe sich nach Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG nichts geändert.
14Die Klägerin erhob dagegen fristgerecht Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2012 zurückwies.
15Die Klägerin hat den Widerspruchsbescheid mit Schriftsatz vom 25. Januar 2013 in ihre Klage einbezogen.
16Sie macht zur Begründung der Klage geltend: Durch die Ausreise des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder habe sich die Sach- und Rechtslage zu ihren Gunsten geändert. Die Beklagte könne die Ablehnung des Einbeziehungsantrags nun nicht mehr auf den Aufenthalt ihrer Familienangehörigen im Bundesgebiet stützen. Dass die Rückkehr ihrer Familienangehörigen ins Aussiedlungsgebiet nach der gesetzlichen Konzeption des § 27 BVFG keinen Ablehnungsgrund darstellen könne, ergebe sich aus dessen Absatz 1 Satz 6 a. F. Danach gelte der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Absatz 2 a. F. abgelehnt worden sei und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet habe. Die Regelung sei auch auf Einbeziehungsanträge für Ehegatten und Abkömmlinge anwendbar. Eine andere Betrachtungsweise würde bedeuten, dass eine Einbeziehung nicht mehr möglich wäre, wenn die Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. abgelehnt worden sei. Sinn und Zweck des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. sei es nicht, solche Menschen von seinem Anwendungsbereich auszuschließen, die bereits einmal vergeblich versucht hätten, die die Härte begründende Trennung auf die eine oder andere Weise aufzuheben. Ziel des Gesetzgebers sei es vielmehr, durch das Tatbestandsmerkmal des Verbleibens solche Fälle tragischer Familientrennungen aus dem Anwendungsbereich auszunehmen, in denen sämtliche Familienangehörige bereits aus anderen Gründen in Deutschland lebten. Eine solche Situation liege hier aber gerade nicht vor. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sei nach dem zuvor Gesagten auch dann noch zu bejahen, wenn die Einzubeziehenden sich zwischenzeitlich fünf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hätten.
17Eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei unabhängig davon möglich, ob die Einzubeziehenden im Aussiedlungs- oder im Bundesgebiet lebten.
18Die Klägerin hat die Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung auf eine Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., beschränkt und hinsichtlich ihrer Schwiegertochter und der beiden Enkelkinder zurückgenommen.
19Die Klägerin beantragt,
20die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen,
21hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Die Rechtslage habe sich weder durch die Ausreise des Herrn N. noch durch das Inkrafttreten des Zehnten Gesetzes zur Änderung des BVFG zu Gunsten der Klägerin geändert. Denn „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F./ § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n. F. sei nur eine Person, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet habe. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen seien daher Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet hätten. Unschädlich seien allenfalls Aufenthalte im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt sei, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibe.
25Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
26Entscheidungsgründe:
27Das Gericht hat das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.
28Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
29Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Klageansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
30Dies gilt zunächst für den von ihr mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG.
31Nach dieser Bestimmung kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
32Herr N., der nach seinem Aufenthalt in der Bundesrepublik vom 10. Dezember 2007 bis zum 10. August 2012 in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt ist, ist nicht im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
33Dagegen, ihn als „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ anzusehen, spricht der Wortlaut der Formulierung. „Verbleiben“ legt nach allgemeinem Sprachgebrauch am ehesten ein Verständnis im Sinne von „zurückbleiben“, „da bleiben“, „übrig bleiben“ oder „ausharren“ nahe. Nach seinem Wortlaut umfasst das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ daher nur solche Personen, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet haben. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen sind demnach Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet haben. Eine solche Wohnsitznahme liegt nicht vor bei Aufenthalten im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt ist, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibt.
34Dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG kommt besonderes Gewicht zu, weil es für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen wäre, die Norm so zu fassen, dass sie auch Rückkehrer ins Aussiedlungsgebiet umfasste. Er hätte etwa formulieren können: „Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene oder der aus der Bundesrepublik oder einem Drittstaat ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrte Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Alternativ hätte er – wie in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG – lediglich auf den aktuellen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet abstellen und z. B. formulieren können: Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) auch nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Von entsprechenden Formulierungen hat er aber abgesehen.
35Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel daran, dass Herr N. unter Aufgabe seines Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich einen Wohnsitz in Deutschland begründet hatte. Dafür sprechen sein langer Aufenthalt in Deutschland (vier Jahre und acht Monate) und die von ihm zwei Tage nach seiner Einreise getätigte Äußerung gegenüber der Beklagten, er wolle in Kasachstan nicht länger leben und stattdessen mit seiner Ehefrau und seinen Kindern bei seiner Familie in Deutschland bleiben.
36Die Wortlautauslegung wird durch die systematische Auslegung bestätigt. Bei der Betrachtung der Systematik des Gesetzes zeigt der Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG, dass der Gesetzgeber es im Gesetzestext ausdrücklich kenntlich macht, wenn er über die Aufgabe des Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet hinwegsehen bzw. den Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet fingieren will. Nach dieser Bestimmung gilt der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
37Herr N. kann sich auf die Ausnahmevorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG nicht berufen.
38Sie betrifft lediglich Aufnahmebewerber. Dies folgt aus dem Verweis auf Satz 1, der ausschließlich das Aufnahmeverfahren betrifft. Außerdem spricht § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG vom „Antragsteller“. Einzubeziehende können aber keine Antragsteller sein. Der Antrag auf Einbeziehung kann vielmehr nur von der Bezugsperson geltend gemacht werden (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG). Eine analoge bzw. entsprechende Anwendung des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG auch auf einzubeziehende Personen scheidet aus. Hinweise auf eine planungswidrige Regelungslücke sind nicht ersichtlich. Soweit das OVG NRW in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 30. Mai 2001 (Az.: 2 A 1356/99) auf der Basis der damaligen Rechtslage eine entsprechende Anwendung der Fiktionsvorschrift (damals: § 27 Abs. 1 Satz 4 BVFG) befürwortet hat, bezog sich dies auf eine Konstellation, in der die Bezugsperson knapp drei Wochen nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt war, um die Einbeziehung ihrer Abkömmlinge in ihren Aufnahmebescheid zu ermöglichen. Hier ist aber nicht die Bezugsperson in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt, sondern haben die einzubeziehenden Personen sich dort wieder niedergelassen.
39Aber selbst wenn die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG entgegen dem zuvor Gesagten auf einzubeziehende Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlern analog bzw. entsprechend anwendbar wäre, griffe sie im vorliegenden Fall nicht zu Gunsten des Herrn N. ein. Denn er hat nicht nach Ablehnung des Einbeziehungsantrags der Klägerin gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.) für den Folgeantrag nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.) erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet. Er hat vielmehr zu dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gestellt hat (5. März 2012), seinen Wohnsitz noch immer in der Bundesrepublik gehabt und ist erst im Laufe des Klageverfahrens am 10. August 2012 nach Kasachstan ausgereist. Die Privilegierung der Fiktion des fortbestehenden Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet greift jedoch nur dann ein, wenn der Aufnahmebewerber (jedenfalls) nach Beendigung seines erfolglos betriebenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härtewege unverzüglich in das Aussiedlungsgebiet zurückkehrt und dort vor Stellung eines (erneuten) Aufnahmeantrags wieder seinen Wohnsitz nimmt.
40Vgl. OVG NRW, Beschl. vom 23. September 2008 – 2 A 1746/07 – nicht veröffentlicht; vgl. zu dem Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG allgemein BVerwG, Beschl. vom 26. August 2005 – 5 B 72/05 – juris Rdnr. 3.
41Die entstehungsgeschichtliche bzw. teleologische Auslegung führt zu keinem von dem zuvor Gesagten abweichenden Ergebnis. Sie bestätigt eher die vorherige Auslegung.
42Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Er ging dabei seinerzeit offenbar davon aus, dass die nachträgliche Einbeziehung nur solchen Personen ermöglicht werden sollte, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz fortdauernd im Aussiedlungsgebiet hatten. Für ein solches Verständnis des Gesetzgebers spricht folgende Formulierung in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5515, Seite 1; vgl. auch BT-Drs. 17/7178, Seite 1):
43„Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben [Hervorhebung nur hier] oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.“
44Einem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion hat der Gesetzgeber damals nicht entsprochen.
45Vgl. zu dem Änderungsantrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
46Mit dem 10. Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Sinn und Zweck der Neuregelung ist es, verstärkt Familienzusammenführungen von Spätaussiedlern zu ermöglichen.
47Vgl. BT-Drs. 17/13937, Seite 6.
48Zu § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/13937, Seite 6 f.):
49„Die Vorschrift entspricht zu weiten Teilen dem § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG, wie er durch das 9. BVFG-Änderungsgesetz vom 4. Dezember 2011 eingeführt wurde, verzichtet aber auf das Tatbestandsmerkmal der Härte. Denn an der bisher für das Aufnahmeverfahren maßgeblichen Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Falle einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich) soll nicht weiter festgehalten werden. Die Praxis hat gezeigt, dass die hierdurch in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler nicht ausreichend beseitigt werden können. Selbst die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wiederherzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben. Dem-entsprechend lässt § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG fortan die nachträgliche Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalles und ohne zeitliche Einschränkungen zu. Die nachträgliche Einbeziehung wird so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG tritt; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten.“
50Diesem Absatz lässt sich nicht mit der notwendigen Deutlichkeit entnehmen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers unter das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ auch solche Personen fallen sollen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz aus dem Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben. Wäre ein solches Verständnis gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in den Gesetzesmaterialien bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ wird dort im Gegenteil überhaupt nicht näher behandelt. Einen neuerlichen Vorstoß im Gesetzgebungsverfahren, das Tatbestandsmerkmal zu streichen, hat es nicht gegeben.
51Der Klägerin steht auch der von ihr mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Einbeziehung des Herrn N. in ihren Aufnahmebescheid im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nicht zu. Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen [Hervorhebung nur hier] vorliegen. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BVFG werden der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmlingzum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung [Hervorhebung nur hier] in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 BVFG vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt.
52Diese Voraussetzungen sind für Herrn N. nicht gegeben.
53In der Rechtsprechung ist für die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige Voraussetzung“ unabhängig von einer gegebenenfalls im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht.
54Vgl. etwa BVerwG, Beschl. vom 28. Juli 2005 – 5 B 134/04 – juris Rdnr. 4; Beschl. vom 30. Oktober 2006 – 5 B 55/06 – juris Rdnr. 2; OVG NRW, Beschl. vom 26. Oktober 2005 – 2 A 2383/05 – juris Rdnr. 30; Beschl. vom 21. Februar 2006 – 2 A 4798/05 – juris Rdnr. 7; Beschl. vom 8. August 2006 – 12 A 4189/05 – juris Rdnr. 3; Beschl. vom 13. Februar 2008 – 12 A 4479/06 – juris Rdnr. 3 ff. m. w. N.
55Wie die Beklagte bereits in ihren Bescheiden bzw. Widerspruchsbescheiden vom 18. Februar 2008, 25. September 2008, 26. Oktober 2012 und 27. Dezember 2012 ausgeführt hat und das Verwaltungsgericht Minden und das OVG NRW in ihren PKH-Beschlüssen vom 2. Mai 2009 (Az.: 8 K 3077/08 Minden) und 7. September 2009 (2 E 804/09 OVG NRW) bestätigt haben, fehlt es hier an einem solchen Antrag.
56Da der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, was die Härtefalleinbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ angeht, identisch ist mit dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F., ist die Rechtsprechung zum Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags weiterhin anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung fürim Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nachträglich in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden können. Die Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ ist damit nicht obsolet geworden. Vielmehr besteht nur eine „weitere Option“,
57so ausdrücklich BT-Drs. 17/13937, Seite 7,
58die Familienzusammenführung in den Fällen zu erleichtern, in denen Ehegatte oder Abkömmling des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind.
59Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Die Kammer hat die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob Personen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben und sodann in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind, im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sind oder sein können.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren einge-stellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.0000 geborene Klägerin begehrt die Einbeziehung ihres am 00.00.0000 geborenen Sohnes S. N. (nunmehr N.) in ihren Aufnahmebescheid.
3Die Klägerin ist seit dem 19. April 1995 im Besitz eines Aufnahmebescheides. Sie reiste im November 1995 in die Bundesrepublik ein und wurde am 5. August 1996 in den deutschen Staatsverband eingebürgert.
4Herr N1. erhielt ebenfalls am 19. April 1995 einen Aufnahmebescheid. Er reiste am 10. Dezember 2007 mit seiner Ehefrau P. und den gemeinsamen Kindern L. (geboren am 00.00.1999 ) und L1. (geboren am 00.00.2001 ) mit einem Besuchsvisum in die Bundesrepublik ein. Gegenüber der Beklagten machte er am 12. Dezember 2007 folgende Angaben: Er sei mit seiner Familie nach Deutschland gekommen, weil er in Kasachstan nicht länger leben wolle. Die Familie habe dort seit etwa einem Jahr keine Wohnung. Sie habe bei Bekannten gelebt. Er und seine Familienangehörigen würden in der kasachischen Gesellschaft unterdrückt. Nachdem er in Deutschland angekommen sei, habe er den endgültigen Entschluss gefasst, nicht nach Kasachstan zurückzureisen und stattdessen hier bei seiner Mutter, der Klägerin, und seinen Geschwistern zu bleiben. Wegen der Einzelheiten der Angaben des Herrn N. wird auf Beiakte 2, Blatt 155 verwiesen. Die Klägerin legte gegenüber der Beklagen mit Schreiben vom 4. Dezember 2007 und 17. Dezember 2007 die Gründe für die – zum damaligen Zeitpunkt erfolgte – Einreise des Herrn N. und seiner Familie dar. Wegen der Einzelheiten ihrer Schreiben wird auf Beiakte 2, Blatt 150 ff., 216 f. verwiesen.
5Nachdem die Beklagte Herrn N1. am 1. November 2007 in Almaty/ Kasachstan und am 14. Dezember 2007 in Friedland zu seiner Sprachkompetenz angehört hatte, nahm sie mit Bescheid vom 18. Februar 2008 seinen Aufnahmebescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Zur Begründung führte sie u. a. an, Herr N. erfülle die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) nicht, weil er ein einfaches Gespräch auf Deutsch nicht führen könne. Nach Abwägung aller Umstände sei das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Aufnahmebescheides höherrangig anzusehen als das Interesse des Herrn N. an dem Bestand des Aufnahmebescheides. Herr N. habe im Aufnahmeantrag falsche Angaben zu seiner Sprachkompetenz gemacht [Anmerkung des Gerichts: Herr N. hatte angegeben, Deutsch sei seine Muttersprache und die aktuelle Umgangssprache in der Familie, vgl. Beiakte 2, Blatt 14]. Diese seien für die Erteilung des Aufnahmebescheides von maßgeblicher Bedeutung gewesen. Aufgrund der Angaben zur Sprachkompetenz sei nicht geprüft worden, ob Herr N. in den Aufnahmebescheid der Klägerin hätte einbezogen werden können. Sie, die Beklagte, habe Herrn N. im Anschluss an die Anhörung zur Sprachkompetenz in Almaty ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie hinsichtlich seines Aufnahmebescheides ein förmliches Rücknahmeverfahren einleiten werde und dass er seine Ausreisevorbereitungen zurückstellen möge. Die Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidung an. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 224 ff. verwiesen. Herr N. erhob gegen die Rücknahme seines Aufnahmebescheides am 28. Februar 2008 Widerspruch, den er u. a. wie folgt begründete: Er sei vor seiner Ausreise nach Deutschland Pastor bei der christlichen Gemeinde „Neues Leben“ in Almaty gewesen. Seine Ehefrau sei an der Wohltätigkeit der Gemeinde ebenfalls aktiv beteiligt gewesen. Die Familie sei deshalb verfolgt und ständig bedroht worden. Zuletzt habe man ihm und seiner Ehefrau sogar mit der Entführung der beiden Töchter gedroht. Sie seien deshalb gezwungen gewesen, Kasachstan sofort zu verlassen. Wegen der Einzelheiten der Widerspruchsbegründung wird auf Beiakte 2, Blatt 287 ff. verwiesen. Die Beklagte wies den Widerspruch des Herrn N1. mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurück. Herr N. erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3078/08), die das Gericht mit Urteil vom 4. August 2010 abwies. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Beiakte 2, Blatt 418 ff. verwiesen. Herr N. stellte gegen dieses Urteil Antrag auf Zulassung der Berufung, den das OVG NRW mit Beschluss vom 25. Oktober 2010 (Az.: 12 A 1960/10) verwarf.
6Die Klägerin beantragte erstmals am 31. Januar 2008 „rein vorsorglich“ die Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 BVFG in der damals geltenden Fassung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Februar 2008 ab. Zur Begründung führte sie an, es könne offen bleiben, ob eine besondere Härte im Sinne der vorgenannten Vorschrift vorliege. Denn es fehle jedenfalls an den sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung. Diese setze nicht nur einen ausdrücklichen Antrag der Bezugsperson voraus. Der Antrag müsse vielmehr auch vor der Ausreise der Bezugsperson „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ gestellt worden sein. Daran fehle es hier. Die Klägerin habe den Antrag nicht zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung, sondern erst zwölf Jahre später gestellt. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 254 f. verwiesen. Die Klägerin erhob dagegen am 26. Februar 2008 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurückwies. Die Klägerin erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3077/08) und stellte einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Nachdem das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 2. Mai 2009 abgelehnt und das OVG NRW die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 7. September 2009 (Az.: 2 E 804/09) zurückgewiesen hatte, nahm die Klägerin die Klage am 8. März 2010 zurück.
7Mit Schreiben vom 5. März 2012 stellte die Klägerin gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (nunmehr: BVFG a. F.) bei der Beklagten einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der beiden gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid. Im Rahmen der Antragstellung machte sie folgende Angaben: Sollten ihr Sohn und seine Familie ausgewiesen werden, würde dies für sie, die Klägerin, eine erhebliche Belastung bedeuten. Sie leide seit längerer Zeit an einer Vielzahl von Erkrankungen. Ihr Sohn und seine Familie seien ihr im Alltag behilflich. Sie hätten keinen Bezug mehr zu Kasachstan. Sollten sie dorthin zurück müssen, drohten ihnen erhebliche Gefahren.
8Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. März 2012 ab. Zur Begründung führte sie an, die Familienangehörigen seien nicht im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Sie lebten im Bundesgebiet.
9Die Klägerin erhob dagegen am 18. April 2012 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2012 zurückwies.
10Die Klägerin hat dagegen am 24. Mai 2012 Klage erhoben.
11Nachdem die Klägerin die Beklagte bereits mit Schreiben vom 13. April 2012, 11. Mai 2012 und 2. Juli 2012 um eine Bescheidung ihres Einbeziehungsantrags auch am Maßstab des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. gebeten hatte, stellte sie mit Schreiben vom 10. Juli 2012 ausdrücklich einen Wiederaufgreifensantrag nach § 27 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 BVFG a. F.
12Herr N., seine Ehefrau und die beiden Kinder reisten am 10. August 2012 nach Almaty aus, nachdem die Städteregion Aachen ihren Aufenthalt nicht länger geduldet hatte.
13Die Beklagte lehnte den Wiederaufgreifensantrag mit Bescheid vom 26. Oktober 2012 ab. Zur Begründung führte sie u. a. an, Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens lägen nicht vor. Die Versagung der Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei rechtmäßig gewesen, da die „sonstigen Voraussetzungen“ des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. nicht vorgelegen hätten. Hieran habe sich nach Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG nichts geändert.
14Die Klägerin erhob dagegen fristgerecht Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2012 zurückwies.
15Die Klägerin hat den Widerspruchsbescheid mit Schriftsatz vom 25. Januar 2013 in ihre Klage einbezogen.
16Sie macht zur Begründung der Klage geltend: Durch die Ausreise des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder habe sich die Sach- und Rechtslage zu ihren Gunsten geändert. Die Beklagte könne die Ablehnung des Einbeziehungsantrags nun nicht mehr auf den Aufenthalt ihrer Familienangehörigen im Bundesgebiet stützen. Dass die Rückkehr ihrer Familienangehörigen ins Aussiedlungsgebiet nach der gesetzlichen Konzeption des § 27 BVFG keinen Ablehnungsgrund darstellen könne, ergebe sich aus dessen Absatz 1 Satz 6 a. F. Danach gelte der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Absatz 2 a. F. abgelehnt worden sei und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet habe. Die Regelung sei auch auf Einbeziehungsanträge für Ehegatten und Abkömmlinge anwendbar. Eine andere Betrachtungsweise würde bedeuten, dass eine Einbeziehung nicht mehr möglich wäre, wenn die Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. abgelehnt worden sei. Sinn und Zweck des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. sei es nicht, solche Menschen von seinem Anwendungsbereich auszuschließen, die bereits einmal vergeblich versucht hätten, die die Härte begründende Trennung auf die eine oder andere Weise aufzuheben. Ziel des Gesetzgebers sei es vielmehr, durch das Tatbestandsmerkmal des Verbleibens solche Fälle tragischer Familientrennungen aus dem Anwendungsbereich auszunehmen, in denen sämtliche Familienangehörige bereits aus anderen Gründen in Deutschland lebten. Eine solche Situation liege hier aber gerade nicht vor. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sei nach dem zuvor Gesagten auch dann noch zu bejahen, wenn die Einzubeziehenden sich zwischenzeitlich fünf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hätten.
17Eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei unabhängig davon möglich, ob die Einzubeziehenden im Aussiedlungs- oder im Bundesgebiet lebten.
18Die Klägerin hat die Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung auf eine Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., beschränkt und hinsichtlich ihrer Schwiegertochter und der beiden Enkelkinder zurückgenommen.
19Die Klägerin beantragt,
20die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen,
21hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Die Rechtslage habe sich weder durch die Ausreise des Herrn N. noch durch das Inkrafttreten des Zehnten Gesetzes zur Änderung des BVFG zu Gunsten der Klägerin geändert. Denn „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F./ § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n. F. sei nur eine Person, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet habe. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen seien daher Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet hätten. Unschädlich seien allenfalls Aufenthalte im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt sei, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibe.
25Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
26Entscheidungsgründe:
27Das Gericht hat das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.
28Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
29Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Klageansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
30Dies gilt zunächst für den von ihr mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG.
31Nach dieser Bestimmung kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
32Herr N., der nach seinem Aufenthalt in der Bundesrepublik vom 10. Dezember 2007 bis zum 10. August 2012 in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt ist, ist nicht im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
33Dagegen, ihn als „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ anzusehen, spricht der Wortlaut der Formulierung. „Verbleiben“ legt nach allgemeinem Sprachgebrauch am ehesten ein Verständnis im Sinne von „zurückbleiben“, „da bleiben“, „übrig bleiben“ oder „ausharren“ nahe. Nach seinem Wortlaut umfasst das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ daher nur solche Personen, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet haben. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen sind demnach Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet haben. Eine solche Wohnsitznahme liegt nicht vor bei Aufenthalten im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt ist, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibt.
34Dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG kommt besonderes Gewicht zu, weil es für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen wäre, die Norm so zu fassen, dass sie auch Rückkehrer ins Aussiedlungsgebiet umfasste. Er hätte etwa formulieren können: „Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene oder der aus der Bundesrepublik oder einem Drittstaat ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrte Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Alternativ hätte er – wie in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG – lediglich auf den aktuellen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet abstellen und z. B. formulieren können: Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) auch nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Von entsprechenden Formulierungen hat er aber abgesehen.
35Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel daran, dass Herr N. unter Aufgabe seines Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich einen Wohnsitz in Deutschland begründet hatte. Dafür sprechen sein langer Aufenthalt in Deutschland (vier Jahre und acht Monate) und die von ihm zwei Tage nach seiner Einreise getätigte Äußerung gegenüber der Beklagten, er wolle in Kasachstan nicht länger leben und stattdessen mit seiner Ehefrau und seinen Kindern bei seiner Familie in Deutschland bleiben.
36Die Wortlautauslegung wird durch die systematische Auslegung bestätigt. Bei der Betrachtung der Systematik des Gesetzes zeigt der Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG, dass der Gesetzgeber es im Gesetzestext ausdrücklich kenntlich macht, wenn er über die Aufgabe des Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet hinwegsehen bzw. den Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet fingieren will. Nach dieser Bestimmung gilt der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
37Herr N. kann sich auf die Ausnahmevorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG nicht berufen.
38Sie betrifft lediglich Aufnahmebewerber. Dies folgt aus dem Verweis auf Satz 1, der ausschließlich das Aufnahmeverfahren betrifft. Außerdem spricht § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG vom „Antragsteller“. Einzubeziehende können aber keine Antragsteller sein. Der Antrag auf Einbeziehung kann vielmehr nur von der Bezugsperson geltend gemacht werden (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG). Eine analoge bzw. entsprechende Anwendung des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG auch auf einzubeziehende Personen scheidet aus. Hinweise auf eine planungswidrige Regelungslücke sind nicht ersichtlich. Soweit das OVG NRW in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 30. Mai 2001 (Az.: 2 A 1356/99) auf der Basis der damaligen Rechtslage eine entsprechende Anwendung der Fiktionsvorschrift (damals: § 27 Abs. 1 Satz 4 BVFG) befürwortet hat, bezog sich dies auf eine Konstellation, in der die Bezugsperson knapp drei Wochen nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt war, um die Einbeziehung ihrer Abkömmlinge in ihren Aufnahmebescheid zu ermöglichen. Hier ist aber nicht die Bezugsperson in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt, sondern haben die einzubeziehenden Personen sich dort wieder niedergelassen.
39Aber selbst wenn die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG entgegen dem zuvor Gesagten auf einzubeziehende Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlern analog bzw. entsprechend anwendbar wäre, griffe sie im vorliegenden Fall nicht zu Gunsten des Herrn N. ein. Denn er hat nicht nach Ablehnung des Einbeziehungsantrags der Klägerin gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.) für den Folgeantrag nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.) erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet. Er hat vielmehr zu dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gestellt hat (5. März 2012), seinen Wohnsitz noch immer in der Bundesrepublik gehabt und ist erst im Laufe des Klageverfahrens am 10. August 2012 nach Kasachstan ausgereist. Die Privilegierung der Fiktion des fortbestehenden Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet greift jedoch nur dann ein, wenn der Aufnahmebewerber (jedenfalls) nach Beendigung seines erfolglos betriebenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härtewege unverzüglich in das Aussiedlungsgebiet zurückkehrt und dort vor Stellung eines (erneuten) Aufnahmeantrags wieder seinen Wohnsitz nimmt.
40Vgl. OVG NRW, Beschl. vom 23. September 2008 – 2 A 1746/07 – nicht veröffentlicht; vgl. zu dem Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG allgemein BVerwG, Beschl. vom 26. August 2005 – 5 B 72/05 – juris Rdnr. 3.
41Die entstehungsgeschichtliche bzw. teleologische Auslegung führt zu keinem von dem zuvor Gesagten abweichenden Ergebnis. Sie bestätigt eher die vorherige Auslegung.
42Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Er ging dabei seinerzeit offenbar davon aus, dass die nachträgliche Einbeziehung nur solchen Personen ermöglicht werden sollte, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz fortdauernd im Aussiedlungsgebiet hatten. Für ein solches Verständnis des Gesetzgebers spricht folgende Formulierung in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5515, Seite 1; vgl. auch BT-Drs. 17/7178, Seite 1):
43„Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben [Hervorhebung nur hier] oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.“
44Einem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion hat der Gesetzgeber damals nicht entsprochen.
45Vgl. zu dem Änderungsantrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
46Mit dem 10. Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Sinn und Zweck der Neuregelung ist es, verstärkt Familienzusammenführungen von Spätaussiedlern zu ermöglichen.
47Vgl. BT-Drs. 17/13937, Seite 6.
48Zu § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/13937, Seite 6 f.):
49„Die Vorschrift entspricht zu weiten Teilen dem § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG, wie er durch das 9. BVFG-Änderungsgesetz vom 4. Dezember 2011 eingeführt wurde, verzichtet aber auf das Tatbestandsmerkmal der Härte. Denn an der bisher für das Aufnahmeverfahren maßgeblichen Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Falle einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich) soll nicht weiter festgehalten werden. Die Praxis hat gezeigt, dass die hierdurch in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler nicht ausreichend beseitigt werden können. Selbst die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wiederherzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben. Dem-entsprechend lässt § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG fortan die nachträgliche Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalles und ohne zeitliche Einschränkungen zu. Die nachträgliche Einbeziehung wird so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG tritt; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten.“
50Diesem Absatz lässt sich nicht mit der notwendigen Deutlichkeit entnehmen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers unter das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ auch solche Personen fallen sollen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz aus dem Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben. Wäre ein solches Verständnis gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in den Gesetzesmaterialien bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ wird dort im Gegenteil überhaupt nicht näher behandelt. Einen neuerlichen Vorstoß im Gesetzgebungsverfahren, das Tatbestandsmerkmal zu streichen, hat es nicht gegeben.
51Der Klägerin steht auch der von ihr mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Einbeziehung des Herrn N. in ihren Aufnahmebescheid im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nicht zu. Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen [Hervorhebung nur hier] vorliegen. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BVFG werden der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmlingzum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung [Hervorhebung nur hier] in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 BVFG vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt.
52Diese Voraussetzungen sind für Herrn N. nicht gegeben.
53In der Rechtsprechung ist für die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige Voraussetzung“ unabhängig von einer gegebenenfalls im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht.
54Vgl. etwa BVerwG, Beschl. vom 28. Juli 2005 – 5 B 134/04 – juris Rdnr. 4; Beschl. vom 30. Oktober 2006 – 5 B 55/06 – juris Rdnr. 2; OVG NRW, Beschl. vom 26. Oktober 2005 – 2 A 2383/05 – juris Rdnr. 30; Beschl. vom 21. Februar 2006 – 2 A 4798/05 – juris Rdnr. 7; Beschl. vom 8. August 2006 – 12 A 4189/05 – juris Rdnr. 3; Beschl. vom 13. Februar 2008 – 12 A 4479/06 – juris Rdnr. 3 ff. m. w. N.
55Wie die Beklagte bereits in ihren Bescheiden bzw. Widerspruchsbescheiden vom 18. Februar 2008, 25. September 2008, 26. Oktober 2012 und 27. Dezember 2012 ausgeführt hat und das Verwaltungsgericht Minden und das OVG NRW in ihren PKH-Beschlüssen vom 2. Mai 2009 (Az.: 8 K 3077/08 Minden) und 7. September 2009 (2 E 804/09 OVG NRW) bestätigt haben, fehlt es hier an einem solchen Antrag.
56Da der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, was die Härtefalleinbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ angeht, identisch ist mit dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F., ist die Rechtsprechung zum Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags weiterhin anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung fürim Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nachträglich in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden können. Die Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ ist damit nicht obsolet geworden. Vielmehr besteht nur eine „weitere Option“,
57so ausdrücklich BT-Drs. 17/13937, Seite 7,
58die Familienzusammenführung in den Fällen zu erleichtern, in denen Ehegatte oder Abkömmling des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind.
59Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Die Kammer hat die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob Personen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben und sodann in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind, im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sind oder sein können.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren einge-stellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.0000 geborene Klägerin begehrt die Einbeziehung ihres am 00.00.0000 geborenen Sohnes S. N. (nunmehr N.) in ihren Aufnahmebescheid.
3Die Klägerin ist seit dem 19. April 1995 im Besitz eines Aufnahmebescheides. Sie reiste im November 1995 in die Bundesrepublik ein und wurde am 5. August 1996 in den deutschen Staatsverband eingebürgert.
4Herr N1. erhielt ebenfalls am 19. April 1995 einen Aufnahmebescheid. Er reiste am 10. Dezember 2007 mit seiner Ehefrau P. und den gemeinsamen Kindern L. (geboren am 00.00.1999 ) und L1. (geboren am 00.00.2001 ) mit einem Besuchsvisum in die Bundesrepublik ein. Gegenüber der Beklagten machte er am 12. Dezember 2007 folgende Angaben: Er sei mit seiner Familie nach Deutschland gekommen, weil er in Kasachstan nicht länger leben wolle. Die Familie habe dort seit etwa einem Jahr keine Wohnung. Sie habe bei Bekannten gelebt. Er und seine Familienangehörigen würden in der kasachischen Gesellschaft unterdrückt. Nachdem er in Deutschland angekommen sei, habe er den endgültigen Entschluss gefasst, nicht nach Kasachstan zurückzureisen und stattdessen hier bei seiner Mutter, der Klägerin, und seinen Geschwistern zu bleiben. Wegen der Einzelheiten der Angaben des Herrn N. wird auf Beiakte 2, Blatt 155 verwiesen. Die Klägerin legte gegenüber der Beklagen mit Schreiben vom 4. Dezember 2007 und 17. Dezember 2007 die Gründe für die – zum damaligen Zeitpunkt erfolgte – Einreise des Herrn N. und seiner Familie dar. Wegen der Einzelheiten ihrer Schreiben wird auf Beiakte 2, Blatt 150 ff., 216 f. verwiesen.
5Nachdem die Beklagte Herrn N1. am 1. November 2007 in Almaty/ Kasachstan und am 14. Dezember 2007 in Friedland zu seiner Sprachkompetenz angehört hatte, nahm sie mit Bescheid vom 18. Februar 2008 seinen Aufnahmebescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Zur Begründung führte sie u. a. an, Herr N. erfülle die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) nicht, weil er ein einfaches Gespräch auf Deutsch nicht führen könne. Nach Abwägung aller Umstände sei das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Aufnahmebescheides höherrangig anzusehen als das Interesse des Herrn N. an dem Bestand des Aufnahmebescheides. Herr N. habe im Aufnahmeantrag falsche Angaben zu seiner Sprachkompetenz gemacht [Anmerkung des Gerichts: Herr N. hatte angegeben, Deutsch sei seine Muttersprache und die aktuelle Umgangssprache in der Familie, vgl. Beiakte 2, Blatt 14]. Diese seien für die Erteilung des Aufnahmebescheides von maßgeblicher Bedeutung gewesen. Aufgrund der Angaben zur Sprachkompetenz sei nicht geprüft worden, ob Herr N. in den Aufnahmebescheid der Klägerin hätte einbezogen werden können. Sie, die Beklagte, habe Herrn N. im Anschluss an die Anhörung zur Sprachkompetenz in Almaty ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie hinsichtlich seines Aufnahmebescheides ein förmliches Rücknahmeverfahren einleiten werde und dass er seine Ausreisevorbereitungen zurückstellen möge. Die Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidung an. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 224 ff. verwiesen. Herr N. erhob gegen die Rücknahme seines Aufnahmebescheides am 28. Februar 2008 Widerspruch, den er u. a. wie folgt begründete: Er sei vor seiner Ausreise nach Deutschland Pastor bei der christlichen Gemeinde „Neues Leben“ in Almaty gewesen. Seine Ehefrau sei an der Wohltätigkeit der Gemeinde ebenfalls aktiv beteiligt gewesen. Die Familie sei deshalb verfolgt und ständig bedroht worden. Zuletzt habe man ihm und seiner Ehefrau sogar mit der Entführung der beiden Töchter gedroht. Sie seien deshalb gezwungen gewesen, Kasachstan sofort zu verlassen. Wegen der Einzelheiten der Widerspruchsbegründung wird auf Beiakte 2, Blatt 287 ff. verwiesen. Die Beklagte wies den Widerspruch des Herrn N1. mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurück. Herr N. erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3078/08), die das Gericht mit Urteil vom 4. August 2010 abwies. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Beiakte 2, Blatt 418 ff. verwiesen. Herr N. stellte gegen dieses Urteil Antrag auf Zulassung der Berufung, den das OVG NRW mit Beschluss vom 25. Oktober 2010 (Az.: 12 A 1960/10) verwarf.
6Die Klägerin beantragte erstmals am 31. Januar 2008 „rein vorsorglich“ die Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 BVFG in der damals geltenden Fassung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Februar 2008 ab. Zur Begründung führte sie an, es könne offen bleiben, ob eine besondere Härte im Sinne der vorgenannten Vorschrift vorliege. Denn es fehle jedenfalls an den sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung. Diese setze nicht nur einen ausdrücklichen Antrag der Bezugsperson voraus. Der Antrag müsse vielmehr auch vor der Ausreise der Bezugsperson „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ gestellt worden sein. Daran fehle es hier. Die Klägerin habe den Antrag nicht zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung, sondern erst zwölf Jahre später gestellt. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 254 f. verwiesen. Die Klägerin erhob dagegen am 26. Februar 2008 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurückwies. Die Klägerin erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3077/08) und stellte einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Nachdem das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 2. Mai 2009 abgelehnt und das OVG NRW die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 7. September 2009 (Az.: 2 E 804/09) zurückgewiesen hatte, nahm die Klägerin die Klage am 8. März 2010 zurück.
7Mit Schreiben vom 5. März 2012 stellte die Klägerin gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (nunmehr: BVFG a. F.) bei der Beklagten einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der beiden gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid. Im Rahmen der Antragstellung machte sie folgende Angaben: Sollten ihr Sohn und seine Familie ausgewiesen werden, würde dies für sie, die Klägerin, eine erhebliche Belastung bedeuten. Sie leide seit längerer Zeit an einer Vielzahl von Erkrankungen. Ihr Sohn und seine Familie seien ihr im Alltag behilflich. Sie hätten keinen Bezug mehr zu Kasachstan. Sollten sie dorthin zurück müssen, drohten ihnen erhebliche Gefahren.
8Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. März 2012 ab. Zur Begründung führte sie an, die Familienangehörigen seien nicht im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Sie lebten im Bundesgebiet.
9Die Klägerin erhob dagegen am 18. April 2012 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2012 zurückwies.
10Die Klägerin hat dagegen am 24. Mai 2012 Klage erhoben.
11Nachdem die Klägerin die Beklagte bereits mit Schreiben vom 13. April 2012, 11. Mai 2012 und 2. Juli 2012 um eine Bescheidung ihres Einbeziehungsantrags auch am Maßstab des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. gebeten hatte, stellte sie mit Schreiben vom 10. Juli 2012 ausdrücklich einen Wiederaufgreifensantrag nach § 27 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 BVFG a. F.
12Herr N., seine Ehefrau und die beiden Kinder reisten am 10. August 2012 nach Almaty aus, nachdem die Städteregion Aachen ihren Aufenthalt nicht länger geduldet hatte.
13Die Beklagte lehnte den Wiederaufgreifensantrag mit Bescheid vom 26. Oktober 2012 ab. Zur Begründung führte sie u. a. an, Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens lägen nicht vor. Die Versagung der Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei rechtmäßig gewesen, da die „sonstigen Voraussetzungen“ des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. nicht vorgelegen hätten. Hieran habe sich nach Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG nichts geändert.
14Die Klägerin erhob dagegen fristgerecht Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2012 zurückwies.
15Die Klägerin hat den Widerspruchsbescheid mit Schriftsatz vom 25. Januar 2013 in ihre Klage einbezogen.
16Sie macht zur Begründung der Klage geltend: Durch die Ausreise des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder habe sich die Sach- und Rechtslage zu ihren Gunsten geändert. Die Beklagte könne die Ablehnung des Einbeziehungsantrags nun nicht mehr auf den Aufenthalt ihrer Familienangehörigen im Bundesgebiet stützen. Dass die Rückkehr ihrer Familienangehörigen ins Aussiedlungsgebiet nach der gesetzlichen Konzeption des § 27 BVFG keinen Ablehnungsgrund darstellen könne, ergebe sich aus dessen Absatz 1 Satz 6 a. F. Danach gelte der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Absatz 2 a. F. abgelehnt worden sei und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet habe. Die Regelung sei auch auf Einbeziehungsanträge für Ehegatten und Abkömmlinge anwendbar. Eine andere Betrachtungsweise würde bedeuten, dass eine Einbeziehung nicht mehr möglich wäre, wenn die Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. abgelehnt worden sei. Sinn und Zweck des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. sei es nicht, solche Menschen von seinem Anwendungsbereich auszuschließen, die bereits einmal vergeblich versucht hätten, die die Härte begründende Trennung auf die eine oder andere Weise aufzuheben. Ziel des Gesetzgebers sei es vielmehr, durch das Tatbestandsmerkmal des Verbleibens solche Fälle tragischer Familientrennungen aus dem Anwendungsbereich auszunehmen, in denen sämtliche Familienangehörige bereits aus anderen Gründen in Deutschland lebten. Eine solche Situation liege hier aber gerade nicht vor. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sei nach dem zuvor Gesagten auch dann noch zu bejahen, wenn die Einzubeziehenden sich zwischenzeitlich fünf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hätten.
17Eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei unabhängig davon möglich, ob die Einzubeziehenden im Aussiedlungs- oder im Bundesgebiet lebten.
18Die Klägerin hat die Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung auf eine Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., beschränkt und hinsichtlich ihrer Schwiegertochter und der beiden Enkelkinder zurückgenommen.
19Die Klägerin beantragt,
20die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen,
21hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Die Rechtslage habe sich weder durch die Ausreise des Herrn N. noch durch das Inkrafttreten des Zehnten Gesetzes zur Änderung des BVFG zu Gunsten der Klägerin geändert. Denn „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F./ § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n. F. sei nur eine Person, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet habe. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen seien daher Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet hätten. Unschädlich seien allenfalls Aufenthalte im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt sei, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibe.
25Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
26Entscheidungsgründe:
27Das Gericht hat das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.
28Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
29Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Klageansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
30Dies gilt zunächst für den von ihr mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG.
31Nach dieser Bestimmung kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
32Herr N., der nach seinem Aufenthalt in der Bundesrepublik vom 10. Dezember 2007 bis zum 10. August 2012 in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt ist, ist nicht im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
33Dagegen, ihn als „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ anzusehen, spricht der Wortlaut der Formulierung. „Verbleiben“ legt nach allgemeinem Sprachgebrauch am ehesten ein Verständnis im Sinne von „zurückbleiben“, „da bleiben“, „übrig bleiben“ oder „ausharren“ nahe. Nach seinem Wortlaut umfasst das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ daher nur solche Personen, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet haben. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen sind demnach Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet haben. Eine solche Wohnsitznahme liegt nicht vor bei Aufenthalten im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt ist, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibt.
34Dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG kommt besonderes Gewicht zu, weil es für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen wäre, die Norm so zu fassen, dass sie auch Rückkehrer ins Aussiedlungsgebiet umfasste. Er hätte etwa formulieren können: „Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene oder der aus der Bundesrepublik oder einem Drittstaat ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrte Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Alternativ hätte er – wie in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG – lediglich auf den aktuellen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet abstellen und z. B. formulieren können: Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) auch nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Von entsprechenden Formulierungen hat er aber abgesehen.
35Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel daran, dass Herr N. unter Aufgabe seines Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich einen Wohnsitz in Deutschland begründet hatte. Dafür sprechen sein langer Aufenthalt in Deutschland (vier Jahre und acht Monate) und die von ihm zwei Tage nach seiner Einreise getätigte Äußerung gegenüber der Beklagten, er wolle in Kasachstan nicht länger leben und stattdessen mit seiner Ehefrau und seinen Kindern bei seiner Familie in Deutschland bleiben.
36Die Wortlautauslegung wird durch die systematische Auslegung bestätigt. Bei der Betrachtung der Systematik des Gesetzes zeigt der Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG, dass der Gesetzgeber es im Gesetzestext ausdrücklich kenntlich macht, wenn er über die Aufgabe des Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet hinwegsehen bzw. den Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet fingieren will. Nach dieser Bestimmung gilt der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
37Herr N. kann sich auf die Ausnahmevorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG nicht berufen.
38Sie betrifft lediglich Aufnahmebewerber. Dies folgt aus dem Verweis auf Satz 1, der ausschließlich das Aufnahmeverfahren betrifft. Außerdem spricht § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG vom „Antragsteller“. Einzubeziehende können aber keine Antragsteller sein. Der Antrag auf Einbeziehung kann vielmehr nur von der Bezugsperson geltend gemacht werden (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG). Eine analoge bzw. entsprechende Anwendung des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG auch auf einzubeziehende Personen scheidet aus. Hinweise auf eine planungswidrige Regelungslücke sind nicht ersichtlich. Soweit das OVG NRW in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 30. Mai 2001 (Az.: 2 A 1356/99) auf der Basis der damaligen Rechtslage eine entsprechende Anwendung der Fiktionsvorschrift (damals: § 27 Abs. 1 Satz 4 BVFG) befürwortet hat, bezog sich dies auf eine Konstellation, in der die Bezugsperson knapp drei Wochen nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt war, um die Einbeziehung ihrer Abkömmlinge in ihren Aufnahmebescheid zu ermöglichen. Hier ist aber nicht die Bezugsperson in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt, sondern haben die einzubeziehenden Personen sich dort wieder niedergelassen.
39Aber selbst wenn die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG entgegen dem zuvor Gesagten auf einzubeziehende Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlern analog bzw. entsprechend anwendbar wäre, griffe sie im vorliegenden Fall nicht zu Gunsten des Herrn N. ein. Denn er hat nicht nach Ablehnung des Einbeziehungsantrags der Klägerin gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.) für den Folgeantrag nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.) erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet. Er hat vielmehr zu dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gestellt hat (5. März 2012), seinen Wohnsitz noch immer in der Bundesrepublik gehabt und ist erst im Laufe des Klageverfahrens am 10. August 2012 nach Kasachstan ausgereist. Die Privilegierung der Fiktion des fortbestehenden Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet greift jedoch nur dann ein, wenn der Aufnahmebewerber (jedenfalls) nach Beendigung seines erfolglos betriebenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härtewege unverzüglich in das Aussiedlungsgebiet zurückkehrt und dort vor Stellung eines (erneuten) Aufnahmeantrags wieder seinen Wohnsitz nimmt.
40Vgl. OVG NRW, Beschl. vom 23. September 2008 – 2 A 1746/07 – nicht veröffentlicht; vgl. zu dem Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG allgemein BVerwG, Beschl. vom 26. August 2005 – 5 B 72/05 – juris Rdnr. 3.
41Die entstehungsgeschichtliche bzw. teleologische Auslegung führt zu keinem von dem zuvor Gesagten abweichenden Ergebnis. Sie bestätigt eher die vorherige Auslegung.
42Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Er ging dabei seinerzeit offenbar davon aus, dass die nachträgliche Einbeziehung nur solchen Personen ermöglicht werden sollte, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz fortdauernd im Aussiedlungsgebiet hatten. Für ein solches Verständnis des Gesetzgebers spricht folgende Formulierung in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5515, Seite 1; vgl. auch BT-Drs. 17/7178, Seite 1):
43„Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben [Hervorhebung nur hier] oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.“
44Einem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion hat der Gesetzgeber damals nicht entsprochen.
45Vgl. zu dem Änderungsantrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
46Mit dem 10. Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Sinn und Zweck der Neuregelung ist es, verstärkt Familienzusammenführungen von Spätaussiedlern zu ermöglichen.
47Vgl. BT-Drs. 17/13937, Seite 6.
48Zu § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/13937, Seite 6 f.):
49„Die Vorschrift entspricht zu weiten Teilen dem § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG, wie er durch das 9. BVFG-Änderungsgesetz vom 4. Dezember 2011 eingeführt wurde, verzichtet aber auf das Tatbestandsmerkmal der Härte. Denn an der bisher für das Aufnahmeverfahren maßgeblichen Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Falle einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich) soll nicht weiter festgehalten werden. Die Praxis hat gezeigt, dass die hierdurch in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler nicht ausreichend beseitigt werden können. Selbst die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wiederherzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben. Dem-entsprechend lässt § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG fortan die nachträgliche Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalles und ohne zeitliche Einschränkungen zu. Die nachträgliche Einbeziehung wird so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG tritt; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten.“
50Diesem Absatz lässt sich nicht mit der notwendigen Deutlichkeit entnehmen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers unter das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ auch solche Personen fallen sollen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz aus dem Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben. Wäre ein solches Verständnis gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in den Gesetzesmaterialien bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ wird dort im Gegenteil überhaupt nicht näher behandelt. Einen neuerlichen Vorstoß im Gesetzgebungsverfahren, das Tatbestandsmerkmal zu streichen, hat es nicht gegeben.
51Der Klägerin steht auch der von ihr mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Einbeziehung des Herrn N. in ihren Aufnahmebescheid im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nicht zu. Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen [Hervorhebung nur hier] vorliegen. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BVFG werden der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmlingzum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung [Hervorhebung nur hier] in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 BVFG vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt.
52Diese Voraussetzungen sind für Herrn N. nicht gegeben.
53In der Rechtsprechung ist für die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige Voraussetzung“ unabhängig von einer gegebenenfalls im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht.
54Vgl. etwa BVerwG, Beschl. vom 28. Juli 2005 – 5 B 134/04 – juris Rdnr. 4; Beschl. vom 30. Oktober 2006 – 5 B 55/06 – juris Rdnr. 2; OVG NRW, Beschl. vom 26. Oktober 2005 – 2 A 2383/05 – juris Rdnr. 30; Beschl. vom 21. Februar 2006 – 2 A 4798/05 – juris Rdnr. 7; Beschl. vom 8. August 2006 – 12 A 4189/05 – juris Rdnr. 3; Beschl. vom 13. Februar 2008 – 12 A 4479/06 – juris Rdnr. 3 ff. m. w. N.
55Wie die Beklagte bereits in ihren Bescheiden bzw. Widerspruchsbescheiden vom 18. Februar 2008, 25. September 2008, 26. Oktober 2012 und 27. Dezember 2012 ausgeführt hat und das Verwaltungsgericht Minden und das OVG NRW in ihren PKH-Beschlüssen vom 2. Mai 2009 (Az.: 8 K 3077/08 Minden) und 7. September 2009 (2 E 804/09 OVG NRW) bestätigt haben, fehlt es hier an einem solchen Antrag.
56Da der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, was die Härtefalleinbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ angeht, identisch ist mit dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F., ist die Rechtsprechung zum Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags weiterhin anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung fürim Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nachträglich in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden können. Die Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ ist damit nicht obsolet geworden. Vielmehr besteht nur eine „weitere Option“,
57so ausdrücklich BT-Drs. 17/13937, Seite 7,
58die Familienzusammenführung in den Fällen zu erleichtern, in denen Ehegatte oder Abkömmling des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind.
59Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Die Kammer hat die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob Personen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben und sodann in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind, im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sind oder sein können.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Dem Kläger und seiner 1976 geborenen Tochter O. S. wurde unter dem 25. Juli 1996 ein Aufnahmebescheid erteilt, in den die Ehefrau des Klägers sowie seine 1982 und 1987 geborenen Söhne als Ehegatte bzw. Abkömmlinge einbezogen worden waren. Die Familie reiste gemeinsam am 29. November 1996 nach Deutschland ein. Die zwischenzeitlich am 17. August 1996 geborene Enkelin des Klägers U. S. , die ebenfalls mit einreiste, wurde mit Bescheid vom 20. Januar 1997 im Härtewege in den Aufnahmebescheid ihrer Mutter O. S. einbezogen. Am gleichen Tage wurde O. S. ein Registrierschein erteilt. Sie meldete sich daraufhin nach Verlassen der Aufnahmeeinrichtung mit Wirkung vom 22. Januar 1997 mit ihrer Tochter U. in der Gemeinde Marpingen im Saarland an, in der der Kläger mit der restlichen Familie bereits Wohnsitz genommen hatte.
3Dem Kläger wurde unter dem 2. Juni 1997 vom Landkreis St. Wendel antragsgemäß eine Bescheinigung als Spätaussiedler nach § 15 Abs. 1 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes (BVFG) erteilt. Seiner Tochter O. S. wurde eine auf ihren Antrag hin unter dem 7. Juli 1997 ausgestellte Bescheinigung als Spätaussiedlerin nach § 15 Abs. 1 BVFG am 24. September 1997 ausgehändigt.
4Am 2. Dezember 1997 meldete sich O. S. mit ihrer Tochter U. mit Wirkung zum 6. Dezember 1997 in der Gemeinde Marpingen ab und gab als neue Wohnung eine Anschrift in ihrer Geburtsstadt Batamschinsk in Kasachstan an. Mit Schreiben vom 20. Mai 1998 teilte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Almaty/Kasachstan der Gemeinde Marpingen – Passbehörde – mit, dass ihr vom Außenministerium der Republik Kasachstan die deutschen Ausweisdokumente (Reisepass und Kinderausweis) von O. und U. S. zugesandt worden seien. Das Außenministerium habe hierzu mitgeteilt, dass O. und U. S. zum ständigen Wohnsitz nach Kasachstan zurückgekehrt und die deutschen Dokumente anlässlich ihrer dortigen Anmeldung den kasachischen Behörden übergeben worden seien. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass O. und U. S. ihre mit der Aufnahme in Deutschland erworbene Rechtsstellung von Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit (sog. Statusdeutscheneigenschaft) durch freiwillige Rückkehr und dauernde Aufenthaltnahme im Vertreibungsgebiet wieder verloren hätten. Es sei daher beabsichtigt, die deutschen Ausweisdokumente nach Ablauf einer Frist von 6 Monaten zu vernichten.
5Am 6. November 1998 sprach O. S. in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Almaty vor und beantragte die Ausstellung eines Visums zur ständigen Wohnsitznahme in Deutschland sowie eines Reisepasses oder Reiseausweises zur Rückkehr nach Deutschland. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Almaty lehnte die Anträge mit Bescheid vom 9. November 1998 ab. Zur Begründung führte sie aus: Die Erteilung eines zweiten Visums auf der Grundlage des Aufnahmebescheides vom 25. Juli 1996 scheide aus, da die Ausreise im Wege des Aufnahmeverfahrens nur einmal möglich sei. Mit der Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland verliere der Aufnahmebescheid hinsichtlich der Visumserteilung seine Wirkung. Die Ausstellung eines deutschen Passes komme nicht in Betracht, da O. S. mangels Einbürgerung nicht deutsche Staatsangehörige (geworden) sei und die mit der Registrierung und Verteilung erworbene Rechtsstellung einer Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit mit dem freiwilligen Verlassen Deutschlands und der dauernden Aufenthaltnahme im Herkunftsgebiet wieder verloren habe.
6Mit Schreiben vom 29. Februar 2012 wandte sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers an das Bundesverwaltungsamt mit dem Anliegen, der Tochter des Klägers eine Rückkehr nach Deutschland zu ermöglichen. Sie trugen vor: Der – inzwischen geschiedene – Ehemann von O. S. sei bei der Ausreise der Familie des Klägers im Dezember 1996 zunächst in Kasachstan geblieben. Im August 1997 sei er besuchsweise nach Deutschland gekommen, habe sich danach jedoch nicht vorstellen können, hier zu wohnen. Aufgrund ihrer zwischenzeitlich eingetretenen zweiten Schwangerschaft sei O. S. mit ihrer Tochter U. im Dezember 1997 zu ihrem Ehemann nach Kasachstan zurückgekehrt. Im Mai 1998 sei ihre zweite Tochter F. geboren worden. Im Jahr 2008 sei ihre Ehe geschieden worden. Nachdem im Juli 2009 auch ihre Großmutter verstorben sei, bestehe für O. S. kein Grund mehr, in Kasachstan zu bleiben. Sie legten ferner ein Zertifikat des Goethe-Instituts vom 26. August 2009 vor, wonach O. S. den Sprachtest Start Deutsch 1 mit Erfolg abgelegt habe.
7Das Bundesverwaltungsamt teilte hierauf mit Schreiben vom 12. März 2012 mit, dass eine erneute Einreise mit dem Aufnahmebescheid von 1996 nicht möglich sei, da die dort enthaltene einmalige Einreiseerlaubnis verbraucht sei. Ob O. S. während ihres Aufenthalts in Deutschland ihre Einbürgerung beantragt habe, sei nicht erkennbar. Sofern es zu einer Einbürgerung gekommen sein sollte, könne sie als deutsche Staatsangehörige nach Deutschland einreisen. Deutsche Reisepapiere könnten bei der deutschen Auslandsvertretung beantragt werden.
8Am 25. April 2012 stellte der Kläger beim Bundesverwaltungsamt einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung seiner Tochter O. S. sowie seiner Enkelinnen U. D. und F. D. in seinen Aufnahmebescheid vom 25. Juli 1996 gemäß § 27 Abs. 3 BVFG. Er trug vor: Eine weitere Trennung von seiner Tochter und seinen Enkelinnen sei weder für ihn noch für seine Ehefrau hinnehmbar. Seine Ehefrau leide aufgrund der Trennung unter Depressionen. Seine Tochter wäre niemals nach Kasachstan zurückgekehrt, wenn sie seinerzeit nicht verheiratet und mit dem zweiten Kind schwanger gewesen wäre.
9Das Bundesverwaltungsamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 8. August 2012 ab. Zur Begründung führte es aus: Eine nachträgliche Einbeziehung von O. S. und U. D. in den Aufnahmebescheid des Klägers komme nicht in Betracht, da diese bereits 1997 im Wege des Aufnahmeverfahrens Aufnahme in Deutschland gefunden hätten. Für eine nachträgliche Einbeziehung von F. D. fehle die Rechtsgrundlage, weil sie erst nach der Aufnahme des Klägers als Spätaussiedler geboren worden sei.
10Der Kläger legte hiergegen rechtzeitig Widerspruch ein, mit dem er ergänzend geltend machte: Seine Tochter O. S. habe sich seinerzeit in einer Zwangslage befunden, in der sie sich letztlich für eine Rückkehr zu ihrem Ehemann nach Kasachstan entschieden habe. Ihre Situation sei die gleiche wie in den Fällen, in denen Familienangehörige von vornherein zur Erhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Aussiedlungsgebiet blieben und nunmehr wegen eines eingetretenen Härtefalles Anspruch auf nachträgliche Aufnahme bzw. Einbeziehung hätten. Sie dürfe gegenüber diesen Personen nicht schlechter gestellt werden.
11Das Bundesverwaltungsamt wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2013 – zugestellt am 7. Februar 2013 – zurück. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt: Die Angehörigen des Klägers, O. S. und U. D. , seien nicht im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG im Aussiedlungsgebiet verblieben. Sie seien vielmehr Ende 1996 im Rahmen des Aufnahmeverfahrens gemeinsam mit dem Kläger nach Deutschland gekommen und hier registriert worden. Dass sie im Dezember 1997 wieder nach Kasachstan zurückgekehrt seien, sei unerheblich. Die hierdurch entstandene Situation, die nunmehr im Wege der Härtefalleinbeziehung abgewendet werden solle, sei durch die Entscheidung von O. S. selbst herbeigeführt worden.
12Der Kläger hat am 5. März 2013 Klage erhoben, mit der er die nachträgliche Einbeziehung von F. D. allerdings nicht mehr weiter verfolgt. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor: Nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 3 BVFG komme eine nachträgliche Einbeziehung zwar nur in den Fällen in Betracht, in denen der Angehörige von Anfang an im Aussiedlungsgebiet geblieben sei. Die Interessen- und Sachlage seiner Tochter sei jedoch mit den vom Gesetz vorgesehenen Fällen vergleichbar. Mit der Regelung sollten familiäre Trennungen vermieden werden, die ohne Verschulden der Beteiligten zu einem Härtefall geführt hätten. O. S. hätte das Aussiedlungsgebiet erst gar nicht verlassen, wenn ihr Ehemann nicht beabsichtigt hätte, ihr nach Deutschland zu folgen. Sie habe sich in Kasachstan auch nicht abgemeldet. § 27 Abs. 3 BVFG müsse daher zumindest in analoger Anwendung zum Tragen kommen. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber Fälle wie den vorliegenden vom Anwendungsbereich des § 27 Abs. 3 BVFG habe ausschließen wollen, bestünden nicht.
13Der Kläger beantragt,
14die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 8. August 2012 und des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2013 zu verpflichten, seine Tochter O. S. , geboren am 00.00.1976 , und seine Enkelin U. D. , geboren am 00.00.1996 , nachträglich in seinen Aufnahmebescheid vom 25. Juli 1996 einzubeziehen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie nimmt Bezug auf den Inhalt der angegriffenen Bescheide. Ergänzend trägt sie vor: Die Tochter und die Enkelin des Klägers gehörten nicht zu dem nach § 27 Abs. 3 BVFG begünstigten Personenkreis, da sie nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ seien. „Im Aussiedlungsgebiet verblieben“ seien nur Personen, die seit der Ausreise des antragstellenden Spätaussiedlers ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet gehabt hätten. Unschädlich seien allenfalls Aufenthalte im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt sei, wie z.B. bei einem Urlaub, einem Verwandten- oder Geschäftsbesuch zwecks Erledigung von dienstlichen Angelegenheiten, einer Heilbehandlung, aber auch einer zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeit oder einem Studien- bzw. Montageaufenthalt, es sei denn, die räumlichen und persönlichen Beziehungen zum bisherigen Ort des ständigen Aufenthalts würden weitgehend gelöst oder völlig abgebrochen. Von einem befristet angelegten Aufenthalt im Bundesgebiet könne im Fall der Tochter und Enkelin des Klägers indessen nicht ausgegangen werden. Sie seien auf der Grundlage eines Aufnahme- bzw. Einbeziehungsbescheides zum Zweck der dauernden Wohnsitznahme gemeinsam mit dem Kläger nach Deutschland eingereist. Der Gesetzgeber der Härtefallvorschrift des § 27 Abs. 3 BVFG sei demgegenüber davon ausgegangen, dass es infolge der Ausreise des Spätaussiedlers ohne seine Angehörigen zu einer Trennung der Familie komme. Für eine analoge Anwendung des § 27 Abs. 3 BVFG sei kein Raum, da keine unbeabsichtigte Regelungslücke vorliege.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 8. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung seiner Tochter O. S. und seine Enkelin U. D. in seinen Aufnahmebescheid vom 25. Juli 1996 nicht zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
21Als Anspruchsgrundlage kommt nur die Vorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in der am 14. September 2013 in Kraft getretenen Fassung des 10. Änderungsgesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I 3554) in Betracht, die in Ermangelung einer Übergangsvorschrift auch auf noch nicht abgeschlossene Aufnahme- und Einbeziehungsverfahren Anwendung findet. Danach kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Vorschrift ersetzt damit – unter Verzicht auf das Erfordernis des Vorliegens eines Härtefalles – den bisherigen § 27 Abs. 3 BVFG.
221. Nach ihrem Wortlaut findet die Vorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nur auf solche Abkömmlinge (und Ehegatten) Anwendung, die „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sind.
23a) Zum grammatikalischen Verständnis dieser Formulierung hat die 10. Kammer des Gerichts mit Urteil vom 5. Februar 2014 – 10 K 3385/12 –, juris, Rn. 31 f., ausgeführt:
24„‘Verbleiben‘ legt nach allgemeinem Sprachgebrauch am ehesten ein Verständnis im Sinne von „zurückbleiben“, „da bleiben“, „übrig bleiben“ oder „ausharren“ nahe. Nach seinem Wortlaut umfasst das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ daher nur solche Personen, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet haben. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen sind demnach Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet haben. Eine solche Wohnsitznahme liegt nicht vor bei Aufenthalten im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt ist, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibt.
25Dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG kommt besonderes Gewicht zu, weil es für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen wäre, die Norm so zu fassen, dass sie auch Rückkehrer ins Aussiedlungsgebiet umfasste. Er hätte etwa formulieren können: „Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene oder der aus der Bundesrepublik oder einem Drittstaat ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrte Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Alternativ hätte er – wie in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG – lediglich auf den aktuellen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet abstellen und z. B. formulieren können: „Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) auch nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Von entsprechenden Formulierungen hat er aber abgesehen.“
26Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an.
27b) Das grammatikalische Verständnis des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG wird durch die systematische Auslegung des Gesetzes bestätigt. Zur Begründung schließt sich die erkennende Kammer wiederum den Ausführungen der 10. Kammer des Gerichts im Urteil vom 5. Februar 2014 – 10 K 3385/12 –, juris, Rn. 34, an:
28„Bei der Betrachtung der Systematik des Gesetzes zeigt der Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG, dass der Gesetzgeber es im Gesetzestext ausdrücklich kenntlich macht, wenn er über die Aufgabe des Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet hinwegsehen bzw. den Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet fingieren will. Nach dieser Bestimmung gilt der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.“
29c) Auch die Entstehungsgeschichte des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG bzw. der Vorgängervorschrift des früheren § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG belegt das vorstehende Normverständnis. Insoweit verweist die erkennende Kammer erneut auf die Ausführungen der 10. Kammer im Urteil vom 5. Februar 2014 – 10 K 3385/12 –, juris, Rn. 40 ff.:
30„Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Er ging dabei seinerzeit offenbar davon aus, dass die nachträgliche Einbeziehung nur solchen Personen ermöglicht werden sollte, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz fortdauernd im Aussiedlungsgebiet hatten. Für ein solches Verständnis des Gesetzgebers spricht folgende Formulierung in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5515, Seite 1; vgl. auch BT-Drs. 17/7178, Seite 1):
31‚Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben [Hervorhebung nur hier] oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.‘
32Einem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion hat der Gesetzgeber damals nicht entsprochen.
33Vgl. zu dem Änderungsantrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
34Mit dem 10. Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Sinn und Zweck der Neuregelung ist es, verstärkt Familienzusammenführungen von Spätaussiedlern zu ermöglichen.
35Vgl. BT-Drs. 17/13937, Seite 6.
36Zu § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/13937, Seite 6 f.):
37‚Die Vorschrift entspricht zu weiten Teilen dem § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG, wie er durch das 9. BVFG-Änderungsgesetz vom 4. Dezember 2011 eingeführt wurde, verzichtet aber auf das Tatbestandsmerkmal der Härte. Denn an der bisher für das Aufnahmeverfahren maßgeblichen Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Falle einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich) soll nicht weiter festgehalten werden. Die Praxis hat gezeigt, dass die hierdurch in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler nicht ausreichend beseitigt werden können. Selbst die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wiederherzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben. Dementsprechend lässt § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG fortan die nachträgliche Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalles und ohne zeitliche Einschränkungen zu. Die nachträgliche Einbeziehung wird so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG tritt; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten.‘
38Diesem Absatz lässt sich nicht mit der notwendigen Deutlichkeit entnehmen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers unter das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ auch solche Personen fallen sollen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz aus dem Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben. Wäre ein solches Verständnis gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in den Gesetzesmaterialien bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ wird dort im Gegenteil überhaupt nicht näher behandelt. Einen neuerlichen Vorstoß im Gesetzgebungsverfahren, das Tatbestandsmerkmal zu streichen, hat es nicht gegeben.“
392. Dies zugrundegelegt kommt eine nachträgliche Einbeziehung der Tochter des Klägers, O. S. , sowie seiner Enkelin U. D. in seinen Aufnahmebescheid vom 25. Juli 1996 nicht in Betracht, da sie nicht im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sind. Seine Tochter ist gemeinsam mit dem Kläger am 29. November 1996 auf der Grundlage eines eigenen, ihr erteilten Aufnahmebescheides in das Bundesgebiet eingereist. Seine Enkelin, die ebenfalls mit eingereist war, wurde im Härtewege unter dem 20. Januar 1997 in den Aufnahmebescheid seiner Tochter einbezogen. Dass der Aufenthalt seiner Tochter und seiner Enkelin in Deutschland von vornherein durch einen feststehenden Endzeitpunkt eindeutig begrenzt gewesen wäre, ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar. Vielmehr dient der Aufnahme- bzw. Einbeziehungsbescheid gerade der Einreise nach Deutschland zum Zwecke der ständigen Aufenthaltnahme (vgl. § 26 BVFG). Er wird gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, dienach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft ist der Tochter des Klägers unter dem 7. Juli 1997 ein Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG ausgestellt worden; seine Enkelin hat eine Bescheinigung als Abkömmling eines Spätaussiedlers nach § 15 Abs. 2 BVFG erhalten. Ob die Tochter des Klägers bei ihrer Einreise nach Deutschland innere Vorbehalte gegen eine ständige Wohnsitznahme hatte und ob sie sich vor ihrer Ausreise in Kasachstan ordnungsgemäß abgemeldet hatte, ist mit Blick auf den objektiven Regelungsgehalt von Aufnahmebescheid und Spätaussiedlerbescheinigung unerheblich.
40Dass die Tochter und die Enkelin des Klägers nach einem Jahr im Dezember 1997 wieder in das Aussiedlungsgebiet nach Kasachstan zurückgekehrt sind, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Dabei kann offen bleiben, ob Fallgestaltungen denkbar sind, in denen nach Sinn und Zweck des Gesetzes von dem Erfordernis eines (durchgängigen) Verbleibens im Aussiedlungsgebiet abgesehen werden kann. Denn jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Abkömmlinge zunächst gemeinsam mit dem Spätaussiedler im Wege des Aufnahmeverfahrens in das Bundesgebiet eingereist sind, kommt eine erneute Einreise der Abkömmlinge im Wege des Aufnahmeverfahrens auf der Grundlage eines nachträglichen Einbeziehungsbescheides nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG auch nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung nicht in Betracht. Dass eine Person mehrfach im Wege des Aufnahmeverfahrens in das Bundesgebiet einreisen kann, ist dem Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz nach seiner gesamten Regelungssystematik fremd.
41Aus diesem Grund kommt auch eine analoge Anwendung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG auf den Fall des Klägers und seiner Tochter und Enkelin mangels einer planwidrigen Regelungslücke nicht in Betracht.
42Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
43Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren einge-stellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.0000 geborene Klägerin begehrt die Einbeziehung ihres am 00.00.0000 geborenen Sohnes S. N. (nunmehr N.) in ihren Aufnahmebescheid.
3Die Klägerin ist seit dem 19. April 1995 im Besitz eines Aufnahmebescheides. Sie reiste im November 1995 in die Bundesrepublik ein und wurde am 5. August 1996 in den deutschen Staatsverband eingebürgert.
4Herr N1. erhielt ebenfalls am 19. April 1995 einen Aufnahmebescheid. Er reiste am 10. Dezember 2007 mit seiner Ehefrau P. und den gemeinsamen Kindern L. (geboren am 00.00.1999 ) und L1. (geboren am 00.00.2001 ) mit einem Besuchsvisum in die Bundesrepublik ein. Gegenüber der Beklagten machte er am 12. Dezember 2007 folgende Angaben: Er sei mit seiner Familie nach Deutschland gekommen, weil er in Kasachstan nicht länger leben wolle. Die Familie habe dort seit etwa einem Jahr keine Wohnung. Sie habe bei Bekannten gelebt. Er und seine Familienangehörigen würden in der kasachischen Gesellschaft unterdrückt. Nachdem er in Deutschland angekommen sei, habe er den endgültigen Entschluss gefasst, nicht nach Kasachstan zurückzureisen und stattdessen hier bei seiner Mutter, der Klägerin, und seinen Geschwistern zu bleiben. Wegen der Einzelheiten der Angaben des Herrn N. wird auf Beiakte 2, Blatt 155 verwiesen. Die Klägerin legte gegenüber der Beklagen mit Schreiben vom 4. Dezember 2007 und 17. Dezember 2007 die Gründe für die – zum damaligen Zeitpunkt erfolgte – Einreise des Herrn N. und seiner Familie dar. Wegen der Einzelheiten ihrer Schreiben wird auf Beiakte 2, Blatt 150 ff., 216 f. verwiesen.
5Nachdem die Beklagte Herrn N1. am 1. November 2007 in Almaty/ Kasachstan und am 14. Dezember 2007 in Friedland zu seiner Sprachkompetenz angehört hatte, nahm sie mit Bescheid vom 18. Februar 2008 seinen Aufnahmebescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Zur Begründung führte sie u. a. an, Herr N. erfülle die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) nicht, weil er ein einfaches Gespräch auf Deutsch nicht führen könne. Nach Abwägung aller Umstände sei das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Aufnahmebescheides höherrangig anzusehen als das Interesse des Herrn N. an dem Bestand des Aufnahmebescheides. Herr N. habe im Aufnahmeantrag falsche Angaben zu seiner Sprachkompetenz gemacht [Anmerkung des Gerichts: Herr N. hatte angegeben, Deutsch sei seine Muttersprache und die aktuelle Umgangssprache in der Familie, vgl. Beiakte 2, Blatt 14]. Diese seien für die Erteilung des Aufnahmebescheides von maßgeblicher Bedeutung gewesen. Aufgrund der Angaben zur Sprachkompetenz sei nicht geprüft worden, ob Herr N. in den Aufnahmebescheid der Klägerin hätte einbezogen werden können. Sie, die Beklagte, habe Herrn N. im Anschluss an die Anhörung zur Sprachkompetenz in Almaty ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie hinsichtlich seines Aufnahmebescheides ein förmliches Rücknahmeverfahren einleiten werde und dass er seine Ausreisevorbereitungen zurückstellen möge. Die Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidung an. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 224 ff. verwiesen. Herr N. erhob gegen die Rücknahme seines Aufnahmebescheides am 28. Februar 2008 Widerspruch, den er u. a. wie folgt begründete: Er sei vor seiner Ausreise nach Deutschland Pastor bei der christlichen Gemeinde „Neues Leben“ in Almaty gewesen. Seine Ehefrau sei an der Wohltätigkeit der Gemeinde ebenfalls aktiv beteiligt gewesen. Die Familie sei deshalb verfolgt und ständig bedroht worden. Zuletzt habe man ihm und seiner Ehefrau sogar mit der Entführung der beiden Töchter gedroht. Sie seien deshalb gezwungen gewesen, Kasachstan sofort zu verlassen. Wegen der Einzelheiten der Widerspruchsbegründung wird auf Beiakte 2, Blatt 287 ff. verwiesen. Die Beklagte wies den Widerspruch des Herrn N1. mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurück. Herr N. erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3078/08), die das Gericht mit Urteil vom 4. August 2010 abwies. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Beiakte 2, Blatt 418 ff. verwiesen. Herr N. stellte gegen dieses Urteil Antrag auf Zulassung der Berufung, den das OVG NRW mit Beschluss vom 25. Oktober 2010 (Az.: 12 A 1960/10) verwarf.
6Die Klägerin beantragte erstmals am 31. Januar 2008 „rein vorsorglich“ die Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 BVFG in der damals geltenden Fassung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Februar 2008 ab. Zur Begründung führte sie an, es könne offen bleiben, ob eine besondere Härte im Sinne der vorgenannten Vorschrift vorliege. Denn es fehle jedenfalls an den sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung. Diese setze nicht nur einen ausdrücklichen Antrag der Bezugsperson voraus. Der Antrag müsse vielmehr auch vor der Ausreise der Bezugsperson „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ gestellt worden sein. Daran fehle es hier. Die Klägerin habe den Antrag nicht zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung, sondern erst zwölf Jahre später gestellt. Wegen der Einzelheiten des Bescheides der Beklagten wird auf Beiakte 2, Blatt 254 f. verwiesen. Die Klägerin erhob dagegen am 26. Februar 2008 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurückwies. Die Klägerin erhob dagegen beim Verwaltungsgericht Minden am 21. Oktober 2008 Klage (Az.: 8 K 3077/08) und stellte einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Nachdem das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 2. Mai 2009 abgelehnt und das OVG NRW die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 7. September 2009 (Az.: 2 E 804/09) zurückgewiesen hatte, nahm die Klägerin die Klage am 8. März 2010 zurück.
7Mit Schreiben vom 5. März 2012 stellte die Klägerin gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (nunmehr: BVFG a. F.) bei der Beklagten einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn N., seiner Ehefrau und der beiden gemeinsamen Kinder in ihren Aufnahmebescheid. Im Rahmen der Antragstellung machte sie folgende Angaben: Sollten ihr Sohn und seine Familie ausgewiesen werden, würde dies für sie, die Klägerin, eine erhebliche Belastung bedeuten. Sie leide seit längerer Zeit an einer Vielzahl von Erkrankungen. Ihr Sohn und seine Familie seien ihr im Alltag behilflich. Sie hätten keinen Bezug mehr zu Kasachstan. Sollten sie dorthin zurück müssen, drohten ihnen erhebliche Gefahren.
8Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. März 2012 ab. Zur Begründung führte sie an, die Familienangehörigen seien nicht im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Sie lebten im Bundesgebiet.
9Die Klägerin erhob dagegen am 18. April 2012 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2012 zurückwies.
10Die Klägerin hat dagegen am 24. Mai 2012 Klage erhoben.
11Nachdem die Klägerin die Beklagte bereits mit Schreiben vom 13. April 2012, 11. Mai 2012 und 2. Juli 2012 um eine Bescheidung ihres Einbeziehungsantrags auch am Maßstab des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. gebeten hatte, stellte sie mit Schreiben vom 10. Juli 2012 ausdrücklich einen Wiederaufgreifensantrag nach § 27 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 BVFG a. F.
12Herr N., seine Ehefrau und die beiden Kinder reisten am 10. August 2012 nach Almaty aus, nachdem die Städteregion Aachen ihren Aufenthalt nicht länger geduldet hatte.
13Die Beklagte lehnte den Wiederaufgreifensantrag mit Bescheid vom 26. Oktober 2012 ab. Zur Begründung führte sie u. a. an, Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens lägen nicht vor. Die Versagung der Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei rechtmäßig gewesen, da die „sonstigen Voraussetzungen“ des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. nicht vorgelegen hätten. Hieran habe sich nach Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG nichts geändert.
14Die Klägerin erhob dagegen fristgerecht Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2012 zurückwies.
15Die Klägerin hat den Widerspruchsbescheid mit Schriftsatz vom 25. Januar 2013 in ihre Klage einbezogen.
16Sie macht zur Begründung der Klage geltend: Durch die Ausreise des Herrn N., seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder habe sich die Sach- und Rechtslage zu ihren Gunsten geändert. Die Beklagte könne die Ablehnung des Einbeziehungsantrags nun nicht mehr auf den Aufenthalt ihrer Familienangehörigen im Bundesgebiet stützen. Dass die Rückkehr ihrer Familienangehörigen ins Aussiedlungsgebiet nach der gesetzlichen Konzeption des § 27 BVFG keinen Ablehnungsgrund darstellen könne, ergebe sich aus dessen Absatz 1 Satz 6 a. F. Danach gelte der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Absatz 2 a. F. abgelehnt worden sei und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet habe. Die Regelung sei auch auf Einbeziehungsanträge für Ehegatten und Abkömmlinge anwendbar. Eine andere Betrachtungsweise würde bedeuten, dass eine Einbeziehung nicht mehr möglich wäre, wenn die Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. abgelehnt worden sei. Sinn und Zweck des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. sei es nicht, solche Menschen von seinem Anwendungsbereich auszuschließen, die bereits einmal vergeblich versucht hätten, die die Härte begründende Trennung auf die eine oder andere Weise aufzuheben. Ziel des Gesetzgebers sei es vielmehr, durch das Tatbestandsmerkmal des Verbleibens solche Fälle tragischer Familientrennungen aus dem Anwendungsbereich auszunehmen, in denen sämtliche Familienangehörige bereits aus anderen Gründen in Deutschland lebten. Eine solche Situation liege hier aber gerade nicht vor. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sei nach dem zuvor Gesagten auch dann noch zu bejahen, wenn die Einzubeziehenden sich zwischenzeitlich fünf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hätten.
17Eine Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. sei unabhängig davon möglich, ob die Einzubeziehenden im Aussiedlungs- oder im Bundesgebiet lebten.
18Die Klägerin hat die Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung auf eine Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., beschränkt und hinsichtlich ihrer Schwiegertochter und der beiden Enkelkinder zurückgenommen.
19Die Klägerin beantragt,
20die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. nachträglich nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen,
21hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2012 zu verpflichten, Herrn S. N. im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Die Rechtslage habe sich weder durch die Ausreise des Herrn N. noch durch das Inkrafttreten des Zehnten Gesetzes zur Änderung des BVFG zu Gunsten der Klägerin geändert. Denn „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F./ § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n. F. sei nur eine Person, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet habe. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen seien daher Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet hätten. Unschädlich seien allenfalls Aufenthalte im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt sei, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibe.
25Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
26Entscheidungsgründe:
27Das Gericht hat das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.
28Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
29Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Klageansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
30Dies gilt zunächst für den von ihr mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes, Herrn N., in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG.
31Nach dieser Bestimmung kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
32Herr N., der nach seinem Aufenthalt in der Bundesrepublik vom 10. Dezember 2007 bis zum 10. August 2012 in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt ist, ist nicht im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
33Dagegen, ihn als „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ anzusehen, spricht der Wortlaut der Formulierung. „Verbleiben“ legt nach allgemeinem Sprachgebrauch am ehesten ein Verständnis im Sinne von „zurückbleiben“, „da bleiben“, „übrig bleiben“ oder „ausharren“ nahe. Nach seinem Wortlaut umfasst das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ daher nur solche Personen, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ununterbrochen im Aussiedlungsgebiet haben. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen sind demnach Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder in einem Drittstaat begründet haben. Eine solche Wohnsitznahme liegt nicht vor bei Aufenthalten im Bundesgebiet oder in einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt ist, wie z. B. im Falle von Urlaub, Verwandten- oder Geschäftsbesuchen, Heilbehandlungen, zeitlich feststehenden Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- oder Montageaufenthalten, sofern der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet bestehen bleibt.
34Dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG kommt besonderes Gewicht zu, weil es für den Gesetzgeber ein Leichtes gewesen wäre, die Norm so zu fassen, dass sie auch Rückkehrer ins Aussiedlungsgebiet umfasste. Er hätte etwa formulieren können: „Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene oder der aus der Bundesrepublik oder einem Drittstaat ins Aussiedlungsgebiet zurückgekehrte Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Alternativ hätte er – wie in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG – lediglich auf den aktuellen Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet abstellen und z. B. formulieren können: Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers (...) auch nachträglich in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.“ Von entsprechenden Formulierungen hat er aber abgesehen.
35Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel daran, dass Herr N. unter Aufgabe seines Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich einen Wohnsitz in Deutschland begründet hatte. Dafür sprechen sein langer Aufenthalt in Deutschland (vier Jahre und acht Monate) und die von ihm zwei Tage nach seiner Einreise getätigte Äußerung gegenüber der Beklagten, er wolle in Kasachstan nicht länger leben und stattdessen mit seiner Ehefrau und seinen Kindern bei seiner Familie in Deutschland bleiben.
36Die Wortlautauslegung wird durch die systematische Auslegung bestätigt. Bei der Betrachtung der Systematik des Gesetzes zeigt der Vergleich mit § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG, dass der Gesetzgeber es im Gesetzestext ausdrücklich kenntlich macht, wenn er über die Aufgabe des Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet hinwegsehen bzw. den Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet fingieren will. Nach dieser Bestimmung gilt der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
37Herr N. kann sich auf die Ausnahmevorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG nicht berufen.
38Sie betrifft lediglich Aufnahmebewerber. Dies folgt aus dem Verweis auf Satz 1, der ausschließlich das Aufnahmeverfahren betrifft. Außerdem spricht § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG vom „Antragsteller“. Einzubeziehende können aber keine Antragsteller sein. Der Antrag auf Einbeziehung kann vielmehr nur von der Bezugsperson geltend gemacht werden (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG). Eine analoge bzw. entsprechende Anwendung des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG auch auf einzubeziehende Personen scheidet aus. Hinweise auf eine planungswidrige Regelungslücke sind nicht ersichtlich. Soweit das OVG NRW in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 30. Mai 2001 (Az.: 2 A 1356/99) auf der Basis der damaligen Rechtslage eine entsprechende Anwendung der Fiktionsvorschrift (damals: § 27 Abs. 1 Satz 4 BVFG) befürwortet hat, bezog sich dies auf eine Konstellation, in der die Bezugsperson knapp drei Wochen nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt war, um die Einbeziehung ihrer Abkömmlinge in ihren Aufnahmebescheid zu ermöglichen. Hier ist aber nicht die Bezugsperson in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt, sondern haben die einzubeziehenden Personen sich dort wieder niedergelassen.
39Aber selbst wenn die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG entgegen dem zuvor Gesagten auf einzubeziehende Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlern analog bzw. entsprechend anwendbar wäre, griffe sie im vorliegenden Fall nicht zu Gunsten des Herrn N. ein. Denn er hat nicht nach Ablehnung des Einbeziehungsantrags der Klägerin gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.) für den Folgeantrag nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.) erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet. Er hat vielmehr zu dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG gestellt hat (5. März 2012), seinen Wohnsitz noch immer in der Bundesrepublik gehabt und ist erst im Laufe des Klageverfahrens am 10. August 2012 nach Kasachstan ausgereist. Die Privilegierung der Fiktion des fortbestehenden Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet greift jedoch nur dann ein, wenn der Aufnahmebewerber (jedenfalls) nach Beendigung seines erfolglos betriebenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härtewege unverzüglich in das Aussiedlungsgebiet zurückkehrt und dort vor Stellung eines (erneuten) Aufnahmeantrags wieder seinen Wohnsitz nimmt.
40Vgl. OVG NRW, Beschl. vom 23. September 2008 – 2 A 1746/07 – nicht veröffentlicht; vgl. zu dem Sinn und Zweck des § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG allgemein BVerwG, Beschl. vom 26. August 2005 – 5 B 72/05 – juris Rdnr. 3.
41Die entstehungsgeschichtliche bzw. teleologische Auslegung führt zu keinem von dem zuvor Gesagten abweichenden Ergebnis. Sie bestätigt eher die vorherige Auslegung.
42Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Er ging dabei seinerzeit offenbar davon aus, dass die nachträgliche Einbeziehung nur solchen Personen ermöglicht werden sollte, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz fortdauernd im Aussiedlungsgebiet hatten. Für ein solches Verständnis des Gesetzgebers spricht folgende Formulierung in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/5515, Seite 1; vgl. auch BT-Drs. 17/7178, Seite 1):
43„Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden und mit ihm gemeinsam ins Bundesgebiet aussiedeln. Jedoch führt die Aussiedlung nach Deutschland zu einer Trennung von Familienangehörigen, wenn diese sich zunächst entscheiden, im Aussiedlungsgebiet zu bleiben [Hervorhebung nur hier] oder nicht die vertriebenenrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen. Im Bundesvertriebenenrecht fehlt bislang eine Regelung, die es dem Ehegatten oder Abkömmling eines Spätaussiedlers ermöglicht, bei Vorliegen eines Härtefalls nachträglich ins Bundesgebiet auszusiedeln.“
44Einem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion hat der Gesetzgeber damals nicht entsprochen.
45Vgl. zu dem Änderungsantrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
46Mit dem 10. Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Sinn und Zweck der Neuregelung ist es, verstärkt Familienzusammenführungen von Spätaussiedlern zu ermöglichen.
47Vgl. BT-Drs. 17/13937, Seite 6.
48Zu § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/13937, Seite 6 f.):
49„Die Vorschrift entspricht zu weiten Teilen dem § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG, wie er durch das 9. BVFG-Änderungsgesetz vom 4. Dezember 2011 eingeführt wurde, verzichtet aber auf das Tatbestandsmerkmal der Härte. Denn an der bisher für das Aufnahmeverfahren maßgeblichen Regelungsidee (die Aussiedlung hat grundsätzlich gemeinsam zu erfolgen, d. h. nur im Falle einer Härte ist eine nachträgliche Einbeziehung ausnahmsweise möglich) soll nicht weiter festgehalten werden. Die Praxis hat gezeigt, dass die hierdurch in wesentlichem Umfang verursachten Trennungen der Familien der Spätaussiedler nicht ausreichend beseitigt werden können. Selbst die neue Härtefallregelung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes hat bislang nicht die Hoffnungen erfüllt, die die Politik und die Verbände in sie gesetzt hatten. Eine praktikable Regelung, die es ermöglicht, die Einheit von Spätaussiedlerfamilien in möglichst vielen Fällen wiederherzustellen, muss daher die grundsätzlich jederzeitige Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erlauben. Dem-entsprechend lässt § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG fortan die nachträgliche Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalles und ohne zeitliche Einschränkungen zu. Die nachträgliche Einbeziehung wird so zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG tritt; wer letztere aus welchen Gründen auch immer nicht nutzt, muss daher für die Zukunft keine Nachteile mehr befürchten.“
50Diesem Absatz lässt sich nicht mit der notwendigen Deutlichkeit entnehmen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers unter das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ auch solche Personen fallen sollen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz aus dem Aussiedlungsgebiet zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben. Wäre ein solches Verständnis gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in den Gesetzesmaterialien bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ wird dort im Gegenteil überhaupt nicht näher behandelt. Einen neuerlichen Vorstoß im Gesetzgebungsverfahren, das Tatbestandsmerkmal zu streichen, hat es nicht gegeben.
51Der Klägerin steht auch der von ihr mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Einbeziehung des Herrn N. in ihren Aufnahmebescheid im Wiederaufgreifenswege nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nicht zu. Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen [Hervorhebung nur hier] vorliegen. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BVFG werden der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmlingzum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung [Hervorhebung nur hier] in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 BVFG vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt.
52Diese Voraussetzungen sind für Herrn N. nicht gegeben.
53In der Rechtsprechung ist für die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige Voraussetzung“ unabhängig von einer gegebenenfalls im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht.
54Vgl. etwa BVerwG, Beschl. vom 28. Juli 2005 – 5 B 134/04 – juris Rdnr. 4; Beschl. vom 30. Oktober 2006 – 5 B 55/06 – juris Rdnr. 2; OVG NRW, Beschl. vom 26. Oktober 2005 – 2 A 2383/05 – juris Rdnr. 30; Beschl. vom 21. Februar 2006 – 2 A 4798/05 – juris Rdnr. 7; Beschl. vom 8. August 2006 – 12 A 4189/05 – juris Rdnr. 3; Beschl. vom 13. Februar 2008 – 12 A 4479/06 – juris Rdnr. 3 ff. m. w. N.
55Wie die Beklagte bereits in ihren Bescheiden bzw. Widerspruchsbescheiden vom 18. Februar 2008, 25. September 2008, 26. Oktober 2012 und 27. Dezember 2012 ausgeführt hat und das Verwaltungsgericht Minden und das OVG NRW in ihren PKH-Beschlüssen vom 2. Mai 2009 (Az.: 8 K 3077/08 Minden) und 7. September 2009 (2 E 804/09 OVG NRW) bestätigt haben, fehlt es hier an einem solchen Antrag.
56Da der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, was die Härtefalleinbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ angeht, identisch ist mit dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a. F., ist die Rechtsprechung zum Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags weiterhin anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung fürim Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nachträglich in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden können. Die Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ ist damit nicht obsolet geworden. Vielmehr besteht nur eine „weitere Option“,
57so ausdrücklich BT-Drs. 17/13937, Seite 7,
58die Familienzusammenführung in den Fällen zu erleichtern, in denen Ehegatte oder Abkömmling des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind.
59Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 2, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Die Kammer hat die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage, ob Personen, die nach der Aussiedlung der Bezugsperson ihren Wohnsitz zwischenzeitlich in die Bundesrepublik oder einen Drittstaat verlegt haben und sodann in das Aussiedlungsgebiet zurückgekehrt sind, im Sinne des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sind oder sein können.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.0000 geborene Kläger begehrt die nachträgliche Einbeziehung seines Enkels, des am 00.00.0000 geborenen Herrn W. L. (nunmehr: L.), in seinen Aufnahmebescheid.
3Die Beklagte erteilte dem aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Kläger unter dem 10. September 1996 einen Aufnahmebescheid. Sie bezog mit Einbeziehungsbescheid vom selben Tage die Tochter des Klägers (Mutter des Herrn L.) und sieben Enkel des Klägers (Kinder der Tochter, Geschwister des Herrn L.) in den Aufnahmebescheid ein. In dem Einbeziehungsbegehren war ursprünglich auch Herr L. aufgeführt. Für ihn wurden jedoch trotz Erinnerung keine Personenstandsurkunden vorgelegt, so dass der Einbeziehungsbescheid ausdrücklich nicht unter seiner Einbeziehung erging. Der Kläger und seine Familie reisten Ende 1996 in die Bundesrepublik ein.
4Herr L. reiste im März 1999 mit einem Besuchsvisum nach. Er stellte am 6. April 2000 einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 4. Februar 2002 bestandskräftig ablehnte.
5Mit Schreiben vom 23. August 2000, der Beklagten erst im Jahre 2002 zugegangen, stellte Herr L. einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers. Zur Begründung führte er an: Er habe 1996 nicht mit seiner Familie ausreisen können, da er seinerzeit nicht über Papiere verfügt habe. Der fehlende Besitz der Papiere sei darauf zurückzuführen, dass er im Dezember 1991 aufgrund von schweren Misshandlungen von der sowjetischen Armee desertiert sei. Diese habe sein Armeebuch und seinen Inlandspass einbehalten. Er habe die Dokumente erst im Jahre 1998 gegen Zahlung eines Betrages von 800 DM durch seine Großmutter zurückbekommen. Nachdem er seinen Reisepass erhalten habe, habe ihm die Mafia aufgelauert, ihn zusammengeschlagen, ihm seine Papiere abgenommen, ihn auf einen Friedhof verschleppt und gedroht, ihn zu töten, falls er an sie nicht einen Betrag von 2.000 DM entrichte. Seine Mutter habe ihm das Geld von Deutschland aus geschickt, woraufhin er es der Mafia gezahlt habe. Er habe sodann erneut einen Reisepass beantragt und erhalten und sei im März 1999 mit einem Besuchsvisum nach Deutschland gereist. Er habe einen Asylantrag gestellt, um die Bundesrepublik nicht verlassen zu müssen. Seine gesamte Familie lebe hier und besitze die deutsche Staatsangehörigkeit. Er habe während seines Aufenthalts starke Herzprobleme und psychische Probleme bekommen, so dass er sich in psychiatrischer Behandlung befinde. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Beiakte 2, Blatt 17 ff. verwiesen.
6Unter dem 20. Januar 2003 stellte Herr L. bei der Beklagten einen Antrag auf Aufnahme nach dem BVFG. Im Rahmen der Antragstellung gab er u. a. an, Deutschunterricht in der Schule erhalten zu haben, fast alles in deutscher Sprache zu verstehen, ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen und Deutsch schreiben zu können.
7Die Beklagte lehnte den Aufnahmeantrag des Herrn L. mit Bescheid vom 20. Januar 2006 ab. Zur Begründung führte sie an, Herr L. habe sich nicht bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt.
8Mit Schreiben vom selben Tage teilte die Beklagte Herrn L. zugleich mit, eine Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers sei nicht möglich, da nach der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Rechtslage ein wirksamer Einbeziehungsantrag nicht vorliege. Der Antrag auf Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers hätte aber auch nach der alten Rechtslage abgelehnt werden müssen, da der Kläger bereits im November 1996 Aufnahme im Bundesgebiet gefunden habe. Herr L. möge mitteilen, wenn er im Hinblick auf seinen Einbeziehungsantrag einen rechtsmittelfähigen Bescheid wünsche.
9Herr L. legte gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines Aufnahmebescheides am 7. März 2006 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2006 zurückwies. Zur Begründung führte sie ergänzend an, die Versagung des Aufnahmebescheides stelle keine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) dar.
10Herr L. erhob dagegen vor dem Verwaltungsgericht Minden am 22. Mai 2006 Klage (Az.: 5 K 1888/06), die das Gericht mit Urteil vom 25. Mai 2007 rechtskräftig abwies. In den Entscheidungsgründen heißt es u. a.: Die Klage sei unzulässig, soweit Herr L. die nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers begehre. Herrn L. fehle insoweit die Klagebefugnis, da ein Anspruch auf Einbeziehung seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 1. Januar 2005 nur noch von der Bezugsperson, nicht hingegen von dem Einzubeziehenden geltend gemacht werden könne. Herr L. habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides. Eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) liege nicht vor. Unabhängig davon habe Herr L. sich auch nicht durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Beiakte 2, Blatt 156 ff. verwiesen.
11Der Kläger beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 21. März 2012 die nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (nunmehr: BVFG a. F.). Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen das Vorbringen des Herrn L. aus dem von ihm betriebenen Aufnahmeverfahren. Er reichte eine ärztliche Bescheinigung über gesundheitliche Einschränkungen seiner Tochter, der Mutter des Herrn L., ein, in der es u. a. heißt, „die Ausweisung eines Kindes wäre sicherlich eine starke emotionale Belastung für die Patientin.“ Wegen der Einzelheiten der Bescheinigung wird auf Beiakte 1, Blatt 12 verwiesen.
12Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 9. Juli 2012 ab. Zur Begründung führte sie an: Herr L. sei kein gemäß § 27 Abs. 3 BVFG a. F. im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling. Er sei bereits im März 1999 in die Bundesrepublik eingereist. Seit dieser Zeit halte er sich ununterbrochen in Deutschland auf und werde von der Ausländerbehörde der Stadt Rostock geduldet. Auch eine Härte im Sinne der Vorschrift sei nicht gegeben. Da Herr L. bereits im Bundesgebiet lebe, sei eine Einbeziehung zur Aufhebung der räumlichen Trennung nicht erforderlich.
13Der Kläger erhob dagegen am 26. Juli 2012 Widerspruch und begründete diesen wie folgt: Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ beziehe sich auf den Zeitpunkt der Aussiedlung. Zu diesem Zeitpunkt habe Herr L. seinen Wohnsitz noch im Aussiedlungsgebiet gehabt. Eine Härte sei gegeben. Herr L. sei unmittelbar von Abschiebung bedroht. Da er das Aussiedlungsgebiet als Deserteur verlassen habe, sei eine Wiederbegründung des Wohnsitzes nicht möglich bzw. zumutbar.
14Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2012 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend an: „Im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sei nur eine Person, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ohne Unterbrechung im Aussiedlungsgebiet habe. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen seien daher Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder einem Drittstaat begründet hätten. Unschädlich seien nur Aufenthalte im Bundesgebiet oder einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt sei, wie Urlaub, Verwandtenbesuche, Erledigung von Geschäftsangelegenheiten, Heilbehandlungen, zeitlich feststehende Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- bzw. Montageaufenthalte. Da Herr L. bereits seit 1999 im Bundesgebiet lebe und einen Wohnsitz in Deutschland habe, sei er nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
15Der Kläger hat dagegen am 18. September 2012 Klage erhoben.
16Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor:
17§ 27 Abs. 3 BVFG a. F. sei dahingehend auszulegen, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abgesehen werden könne, wenn diese Verpflichtung ihrerseits zu einer unzumutbaren Härte führen würde. Eine solche Härte sei hier gegeben. Es bestehe seit der Einreise des Herrn L. nach Deutschland im Jahre 1999 eine Beistandsgemeinschaft zwischen ihm und seinen Familienangehörigen, die mit Blick auf Art. 6 GG nicht auseinandergerissen werden dürfe. Die Situation stelle für ihn, den Kläger, und die gesamte Familie eine starke emotionale Belastung dar. Bleibe es bei der Ablehnung des Antrags auf Einbeziehung, sei Herr L. das einzige Familienmitglied, das – unter Bedrohung von Leben und Gesundheit – isoliert im Herkunftsgebiet sein Dasein fristen müsste.
18Unabhängig davon sei Herr L. durchaus gemäß § 27 Abs. 3 BVFG a. F. im Aussiedlungsgebiet verblieben. Er halte sich im Bundesgebiet nur geduldet auf. Die rechtliche Möglichkeit, einen Wohnsitz tatsächlich zu begründen, werde ihm verwehrt.
19Der Kläger reicht ein Zertifikat der Kreisvolkshochschule Vorpommern-Rügen vom 21. Januar 2014 ein, wonach Herr L. die Prüfung „Deutsch A1“ am 14. Januar 2014 mit „gut“ bestanden hat. Wegen der Einzelheiten des Zertifikats wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
20Der Kläger rügt, die Beklagte habe über Einbeziehungsanträge des Herrn L. aus den Jahren 1996 und 2000 noch nicht abschließend entschieden. Er erklärt, der Einbeziehungsantrag im vorliegenden Verfahren solle auch unter dem Gesichtspunkt des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG n. F.) geprüft werden.
21Der Kläger beantragt,
22die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2012 zu verpflichten, seinen Enkel, Herrn W. L. , nachträglich in seinen Aufnahmebescheid einzubeziehen,
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Herr L. sei nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben. Der Begründung des Wohnsitzes in Deutschland stehe nach der Rechtsprechung des OVG NRW (zitiert wird das Urteil vom 30. August 2012 – 11 A 2558/11) nicht der Umstand entgegen, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhänge. Würden diese nicht erteilt oder verlängert, führe dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließe aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich bestehe, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen und damit die Begründung des Wohnsitzes nicht aus. Neben der tatsächlichen Aufgabe der Niederlassung verlange die Aufhebung des Wohnsitzes einen Willensakt, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht am bisherigen Wohnsitz zu belassen. Dieser Aufgabewille sei anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln und könne häufig aus der Tatsache hergeleitet werden, dass die bisherige Niederlassung für lange Dauer verlassen und ein neuer Wohnsitz begründet worden sei. Gemessen daran habe Herr L. das Aussiedlungsgebiet unter Aufgabe seines Wohnsitzes im März 1999 endgültig verlassen. Dafür spreche insbesondere, dass er im Herkunftsgebiet keine familiären Bindungen mehr besitze und in seinem Einbeziehungsantrag vom 23. August 2000 angegeben habe, die Bundesrepublik nicht wieder verlassen zu wollen.
26Im Übrigen fehle es an der für die Einbeziehung erforderlichen (besonderen) Härte. Es sei insbesondere nicht erkennbar, dass es dem Kläger nicht möglich gewesen sei, bis Anfang 1999 im Herkunftsgebiet zu verbleiben und abzuwarten, bis Herr L. die für die Einbeziehungsentscheidung erforderlichen Unterlagen zusammengestellt habe.
27Die 2. Kammer hat den von dem Kläger gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 12. Dezember 2012 abgelehnt. Das OVG NRW hat diesen Beschluss auf die Beschwerde des Klägers geändert und dem Kläger mit Beschluss vom 17. April 2013 (Az.: 11 E 37/13 – juris) Prozesskostenhilfe bewilligt. Es hat die Frage als klärungsbedürftig angesehen, ob und inwieweit das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. zu prüfen ist. Wegen der Einzelheiten der PKH-Beschlüsse wird auf Blatt 30-32 und Blatt 65-66 der Gerichtsakte verwiesen.
28Entscheidungsgründe:
29Die Klage ist unbegründet.
30Die Ablehnung des Antrags auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in den Aufnahmebescheid des Klägers ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
31Der Kläger hat keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.).
32Danach kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
33Herr L. ist nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Er hält sich seit März 1999 ununterbrochen in Deutschland auf, will hier bleiben und hat nach eigenen Angaben im Aussiedlungsgebiet keine familiären Beziehungen.
34Soweit der Kläger demgegenüber geltend macht, Herr L. sei durchaus im Aussiedlungsgebiet verblieben, da er sich hier nur geduldet aufhalte und ihm die Möglichkeit, einen Wohnsitz zu begründen, verwehrt werde, teilt das Gericht diese Einschätzung nicht. Der Begründung eines Wohnsitzes steht nicht der Umstand entgegen, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen nicht aus.
35Vgl. OVG NRW, Urt. vom 30. August 2012 – 11 A 2558/11 – juris Rdnr. 46 m. w. N.; Beschl. vom 16. Juli 2013 – 11 A 2624/12 – nicht veröffentlicht.
36Auch das OVG NRW ist in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 davon ausgegangen, dass Herr L. nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist.
37Der Kläger dringt mit seinem Einwand nicht durch, § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.) sei dahingehend auszulegen, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abgesehen werden könne, wenn diese Verpflichtung ihrerseits zu einer unzumutbaren Härte führen würde.
38Die vom OVG NRW in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 aufgeworfene Frage, ob und inwieweit das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG) auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG) zu prüfen ist, ist nach Ansicht der Kammer zu verneinen.
39Die vom OVG NRW erwogene Prüfung ist im Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht angelegt. Dort ist nicht – etwa in Gestalt eines zweiten Halbsatzes – davon die Rede, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abzusehen ist oder abgesehen werden kann, wenn diese Verpflichtung eine besondere Härte bedeuten würde.
40Die systematische Auslegung der Norm spricht ebenfalls dagegen, eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG auch im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG zu berücksichtigen. Das Gesetz differenziert ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung – bei vor der Ausreise gestelltem Aufnahmeantrag – (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG). Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die ausschließlich in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erwähnte, auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung bezogene „besondere Härte“ – systemwidrig – in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG hineingelesen würde. Soweit das OVG NRW in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 ausgeführt hat, ein – indirekter – Hinweis auf die Berücksichtigung einer besonderen Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F. finde sich in § 27 Abs. 3 Satz 3 BVFG a. F., der ausdrücklich (auch) unanfechtbar abgeschlossene Einbeziehungsverfahren nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. benenne, ist dieser Überlegung durch das Inkrafttreten des Zehnten Gesetzes zur Änderung des BVFG die Grundlage entzogen. Denn seit der Gesetzesänderung ist das Wiederaufgreifensverfahren in Hinsicht auf sämtliche Aufnahme- bzw. Einbeziehungstatbestände separat in § 27 Abs. 3 BVFG geregelt.
41Die entstehungsgeschichtliche bzw. teleologische Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG führt zu keinem von dem zuvor Gesagten abweichenden Ergebnis. Sie bestätigt eher die vorherige Auslegung.
42Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Die gesetzliche Regelung ging zurück auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. April 2011 (BT-Drs. 17/5515). In dem Gesetzentwurf heißt es auf Seite 9:
43„Die Einbeziehung nach Absatz 1 soll die gemeinsame Aussiedlung der Familie ermöglichen und damit ein mögliches Ausreisehindernis für den Spätaussiedler beseitigen. Im Gegensatz hierzu erfolgt die nachträgliche Einbeziehung nach Absatz 3 ausnahmsweise nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers. Hierdurch soll in Härtefällen eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden. Die Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, besteht weiterhin. Von der Verpflichtung, die Erteilung des Aufnahmebescheides bzw. die Einbeziehung im Herkunftsgebiet abzuwarten, macht nur Absatz 2 im Fall einer besonderen Härte eine Ausnahme. Hierbei handelt es sich um den in der Praxis seltenen Fall, dass die Beachtung der Regelungen des Aufnahmeverfahrens zu einem in hohem Maße unbilligen Ergebnis führen würde.“
44Aus den beiden zuletzt zitierten Sätzen lässt sich nicht mit der notwendigen Sicherheit Schluss ziehen, die in § 27 Abs. 2 BVFG a. F. genannte „besondere Härte“ habe nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. Berücksichtigung finden sollen. Wäre dies gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in der Gesetzesbegründung bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Die Gesetzesbegründung befasst sich in der Folge lediglich relativ ausführlich mit den „sonstigen Voraussetzungen“ und der „(einfachen) Härte“ im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F.
45Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung eine Möglichkeit schaffen wollen, auch diejenigen Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehung zu erfassen, die – wie Herr L. – ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen haben und hier weder vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden noch ausländerrechtlich einen gesicherten Aufenthalt erlangt haben, spricht, dass er im Gesetzgebungsverfahren dem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion nicht entsprochen hat.
46Vgl. zu dem Antrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4 f.; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
47Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist von der Gesetzesänderung indes nicht betroffen gewesen. Den Gesetzesmaterialien,
48vgl. insbesondere den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 22. August 2012, Drs. 17/10511, und die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 12. Juni 2013, Drs. 17/13937,
49lässt sich nichts Substantielles dafür entnehmen, dass die jetzt in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG angesprochene besondere Härte im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG Berücksichtigung finden soll.
50Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.)
51Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
52Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls an einer besonderen Härte. Der Kläger trägt, was die Beklagte zutreffend rügt, nichts dazu vor, dass es ihm nicht möglich war, bis Anfang 1999 im Aussiedlungsgebiet zu verbleiben und abzuwarten, bis Herr. L. die für die Einbeziehungsentscheidung erforderlichen Unterlagen zusammengestellt hatte. Soweit der Kläger geltend macht, es bestehe seit der Einreise des Herrn L. nach Deutschland eine Beistandsgemeinschaft zwischen ihm und seinen Familienangehörigen, die mit Blick auf Art. 6 GG nicht auseinandergerissen werden dürfe, stellt dies keine besondere Härte im vertriebenenrechtlichen Sinne dar. Diesem Umstand mag allenfalls ausländerrechtlich durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen oder einer Duldung Rechnung getragen werden.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Dem 1943 in der ehemaligen Sowjetunion geborene Kläger, der 1944 durch die Einwandererzentralstelle (EWZ) in den deutschen Staatsverband eingebürgert worden war, erhielt unter dem 07.01.1957 zusammen mit seiner Mutter und seinen Schwestern eine vertriebenenrechtliche Übernahmegenehmigung im sog. D 1 -Verfahren. Mit Schreiben vom 25.03.1999 teilte das Bundesverwaltungsamt auf Anfrage einer der in Deutschland lebenden Schwestern des Klägers mit: Die seinerzeit erteilte Übernahmegenehmigung habe weiter Bestand. Sie berechtige jedoch lediglich zur einmaligen Einreise nach Deutschland, um hier ein Verfahren zur Anerkennung als Spätaussiedler zu betreiben. Die Übernahmegenehmigung könne nicht nach § 100 Abs. 4 BVFG einem Aufnahmebescheid gleichgesetzt werden. Mit Schreiben vom 06.07.2001 teilte die deutsche Botschaft in Moskau dem Bundesverwaltungsamt mit: Der Kläger habe ein Visum beantragt. Es werde davon ausgegangen, dass seine Ehefrau erst später im Rahmen der Familienzusammenführung einreisen könne. Es werde um Genehmigung des beantragten Visums gebeten.
3Mit Antwortschreiben vom 17.07.2001 teilte das Bundesverwaltungsamt der Deutschen Botschaft mit: Die dem Kläger 1957 erteilte Übernahmegenehmigung sei nach wie vor gültig. Umstände, die der Erteilung eines Visums entgegen stünden, seien nicht bekannt. Über die Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen nach dem BVFG entschieden nach Einreise ausschließlich die örtlich zuständigen Behörden.
4Der Kläger reiste am 12.09.2001 nach Deutschland ein und erhielt am 14.09.2001 einen Registrierschein. Die Stadt Oelde erteilte ihm unter dem 06.02.2002 eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG. In einem Vermerk der Stadt Oelde vom 06.02.2002 (Bl. 48 der Beiakte 2) heißt es dazu: Der Kläger stamme laut der vorliegenden Übernahmegenehmigung von einer deutschen Mutter ab. In vorgelegten sowjetischen Dokumenten sei die deutsche Nationalität eingetragen. Die deutsche Sprache werde beherrscht; mit dem Kläger hätten seit seinem Zuzug nach Oelde die Gespräche in deutscher Sprache ohne Übersetzer geführt werden können.
5Die Ehefrau des Klägers reiste nach seinen Angaben 2003 nach Deutschland ein und hält sich seitdem hier auf.
6Mit Schreiben vom 28.09.2012 beantragte der Kläger bei dem Bundesverwaltungsamt die Erteilung eines Aufnahmebescheides zum Zwecke der Einbeziehung seiner Ehefrau. Der Kläger gab an: Die Ehe bestehe seit 1964. Als sie die Ausreise nach Deutschland geplant hätten, hätten die Eheleute bei der Deutschen Auslandsvertretung in Moskau nachgefragt, ob die Ehefrau nicht einbezogen werden könne, weil er, der Kläger, eine Übernahmegenehmigung habe. Ihnen sei erklärt worden, der Ehemann solle zunächst nach Deutschland kommen, dann solle er für seine Ehefrau eine Nachzugsgenehmigung beantragen. Sie seien nicht darüber aufgeklärt worden, dass ihm, dem Kläger, ein Aufnahmebescheid zum Zwecke der Einbeziehung seiner Ehefrau hätte erteilt werden müssen. Falsch sei insbesondere die seinerzeit schriftlich geäußerte Auffassung des Bundesverwaltungsamtes, dass die Übernahme in die Genehmigung nicht einem Aufnahmebescheid nach § 100 Abs. 4 BVFG gleichgesetzt werden können. Er, der Kläger, habe deshalb einen Anspruch darauf, dass ihm jedenfalls nunmehr ein Aufnahmebescheid unter Einbeziehung seiner Ehefrau erteilt werde. Dies sei noch ein Fall des § 27 Abs. 2 BVFG (a.F.).
7Das Bundesverwaltungsamt teilte dem Kläger mit Schreiben vom 26.10.2012 formlos mit, eine nachträgliche Einbeziehung der im Bundesgebiet lebenden Ehefrau nach § 27 Abs. 2 BVFG komme nicht in Betracht.
8Der Kläger hat am 04.12.2012 Untätigkeitsklage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und macht ergänzend geltend: Nur durch ein grobes Verschulden des Bundesverwaltungsamtes und der Deutschen Botschaft in Moskau sei er daran gehindert worden, vor seiner Ausreise für seine Ehefrau einen förmlichen Einbeziehungsantrag zu stellen. Wenn sich die Beklagte nunmehr auf den fehlenden Einbeziehungsantrag vor der Ausreise berufe, so handele sie rechtsmissbräuchlich. Eine besondere Härte habe im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG schon wegen der seit 1964 bestehenden Ehe vorgelegen, im Übrigen aber auch deshalb, weil er, der Kläger, zum Zeitpunkt der Ausreise deutscher Staatsangehöriger gewesen sei. Abgesehen davon komme es nach Inkrafttreten des 10. BVFG-Änderungsgesetzes auf einen Härtefall nicht mehr an. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass eine nachträgliche Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalles und ohne zeitliche Beschränkung möglich sei. Die nachträgliche Einbeziehung werde zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung trete. Dabei spiele es keine Rolle, dass seine Ehefrau sich zum Zeitpunkt des Einbeziehungsantrags schon als Ausländerin in Deutschland aufgehalten habe.
9Der Kläger hat ferner eine unter dem 09.01.2006 für seine Ehefrau ausgestellte „Teilnahmebestätigung und Beurteilung Start Deutsch 1“ vorgelegt. Er macht geltend, nach der vorliegend anzuwendenden ausländerrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei ein Nachzug des Ehegatten im Übrigen auch ohne deutsche Sprachkenntnisse möglich.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Aufnahmebescheid zum Zwecke der Einbeziehung seiner Ehefrau, B. L. , zu erteilen,
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren ohne förmliche Bescheiderteilung geäußerten Auffassung fest, die Voraussetzungen für eine Härtefalleinbeziehung lägen nicht vor. Die Beklagte macht ferner geltend, eine nachträgliche Einbeziehung ohne Härtegründe nach der durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz neu eingeführten Vorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG komme nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben sei und damit bereits nicht unter den Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F. falle.
15Entscheidungsgründe
16Die Klage ist nach § 75 VwGO zulässig mit der Maßgabe, dass ein Rechtsschutzinteresse nur im Hinblick auf die angestrebte Einbeziehung der Ehefrau des Klägers besteht; seine eigene Rechtsposition als Spätaussiedler kann der Kläger, dem bereits eine Spätaussiedlerbescheinigung erteilt worden ist, durch einen nachträglichen Aufnahmebescheid nicht mehr verbessern.
17Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides zum Zwecke der Einbeziehung seiner Ehefrau. Soweit der Rechtskreis eines Spätaussiedlers auch die – insoweit von Art. 6 GG geschützte – Berechtigung umfasst, den Ehegatten in den eigenen Aufnahmebescheid einbeziehen zu lassen, kann dies hier nicht greifen, weil eine Einbeziehung der Ehefrau des Klägers aus den im Folgenden näher dargestellten Gründen nicht möglich ist. Die fehlende Einbeziehungsmöglichkeit hat zur Folge, dass bereits der Aufnahmebescheid („zum Zwecke der Einbeziehung“) - der die persönliche Stellung des bereits als Spätaussiedler anerkannten Klägers nicht verbessern würde - nicht beansprucht werden kann,
18vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 26.05.2009 – 12 A 3340/07 -, juris, Rn. 5.
19Die angestrebte Einbeziehung der Ehefrau ist zunächst nicht als Härtefalleinbeziehung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in der mit Wirkung vom 14.09.2013 in Kraft getretenen Fassung des 10. BVFG-Änderungsgesetzes vom 06.09.2013 (BGBl. I 3554) möglich. Die Vorschrift hat denselben Wortlaut wie § 27 Abs. 2 BVFG a.F. und ermöglicht ein Absehen vom Wohnsitzerfordernis des § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG alter wie neuer Fassung, „wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen“. Die sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen sind in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG n.F. geregelt, dort heißt es – insoweit bis auf das nunmehr auf volljährige Abkömmlinge beschränkte Spracherfordernis gleichlautend mit § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in der bis zum 13.09.2013 geltenden Fassung -:
20„Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe mindestens drei Jahre besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen.“
21Diese Voraussetzungen sind in der Person der Ehefrau des Klägers nicht erfüllt. In der Rechtsprechung ist für die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten, ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige“ Voraussetzung unabhängig von einer ggf. im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht,
22vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 28.07.2005 – 5 B 134.04 -, juris; Beschluss vom 30.10.2006 – 5 B 55/06 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2005 – 2 A 2383/05 -; Beschluss vom 21.02.2006 – 2 A 4798/05 -, juris; Beschluss vom 08.08.2006 - 12 A 4189/05 -, juris, Beschluss vom 13.02.2008 – 12 A 4479/06 -, juris, jeweils mit weiterem Nachweis.
23An einem solchen Antrag fehlt es hier. Da der Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG n.F., was die Härtefalleinbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ angeht, identisch mit dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F. ist, ist die Rechtsprechung zum Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags auf Härtefallanträge weiter anwendbar.
24Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der nachträglichen Einbeziehung – dies allerdings ausdrücklich nur für „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ – Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nachträglich in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden können. Die Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ ist damit nicht etwa obsolet geworden; vielmehr besteht nunmehr eine „weitere Option“,
25so ausdrücklich die Begründung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages zu seiner im Gesetzgebungsverfahren abgegebenen Beschlussempfehlung vom 12.06.2013, Bundestags-Drucksache 17/13937,
26die dem Ziel dient, die Familienzusammenführung in den Fällen zu erleichtern, in denen Ehegatte oder Abkömmling des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind. Sinn und Zweck der Gesetzesänderung ist es, der Trennung von Familien entgegenzuwirken. Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus den Materialien ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Status der bereits seit Jahren in Deutschland lebenden Ehegatten und Abkömmlingen von Spätaussiedlern verbessern wollte, die auf ausländerrechtlicher Grundlage und nicht als in den Aufnahmebescheid einbezogene Angehörige ihren Wohnsitz in Deutschland begründet haben.
27Ob die Stellung eines Aufnahme- und Einbeziehungsantrags vor der Ausreise hier aufgrund einer schuldhaft falsch erteilten Rechtsauskunft des Bundesverwaltungsamtes und der Deutschen Botschaft in Moskau - die u.a. von nicht ausreichenden Deutschkenntnissen des Klägers ausging - unterblieben ist und darin eine „besondere Härte“ liegt, kann dahinstehen, da dies allenfalls einen Amtshaftungsanspruch begründen, nicht aber die unterbliebene Antragstellung als notwendige „sonstige Voraussetzung“ ersetzen könnte.
28Unabhängig von dem Vorstehenden scheitert eine Härtefalleinbeziehung der Ehefrau des Klägers auch daran, dass die Übersiedlung der Ehefrau in das Bundesgebiet seit Jahren abgeschlossen ist. Das Bundesvertriebenengesetz enthält zwar keine Frist für die Stellung eines Härtefallantrags; aus dem Gesetzeszweck, die Einreise und Integration von Spätaussiedlern und ihrer Ehegatten und Abkömmlinge nach näher bestimmten Maßgaben zu regulieren, folgt aber, dass Anträge im Aufnahmeverfahren für Personen, die sich bereits im Bundesgebiet aufhalten, auch in den von § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG n.F. (§ 27 Abs. 2 BVFG a.F.) erfassten Härtefällen in zeitlichem Zusammenhang mit der Aussiedlung des Betreffenden - sei es des Spätaussiedlers selbst, sei es des Ehegatten oder Abkömmlings - gestellt werden müssen.
29Dies hat das Bundesverwaltungsgericht, dessen Rechtsprechung die Kammer folgt, für den originären Aufnahmeantrag des Spätaussiedlers bereits entschieden,
30vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 – 5 C 23.11 -, juris.
31Die in dem zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts angestellten Überlegungen gelten sinngemäß auch für den Fall, dass die Bezugsperson selbst mit einem Aufnahmebescheid oder - wie hier - mit einer Übernahmegenehmigung eingereist ist und die Einbeziehung des auf ausländerrechtlicher Grundlage mit eingereisten oder - wie hier - nachgereisten Ehegatten in den vorhandenen bzw. im Fall einer Übernahmegenehmigung zum Zeck der Einbeziehung ggfls. noch zu erteilenden Aufnahmebescheid beantragt. Jedenfalls mit Blick auf den einzubeziehenden Ehegatten oder Abkömmling würde der Gesetzeszweck verfehlt, wenn ein entsprechender Antrag - wie hier - erst mehrere Jahre nach der Einreise des Ehegatten oder Abkömmlings und damit zu einem Zeitpunkt gestellt wird, zu dem der Übersiedlungsvorgang längst abgeschlossen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der o.a. Entscheidung das Erfordernis der Antragstellung im zeitlichen Zusammenhang mit der Ausreise aus einer Reihe von Erwägungen hergeleitet und u.a. darauf abgestellt,
32- bereits der Gesetzeswortlaut, nämlich die Begriffe „Aufnahme“ und „Aufnahmebescheid“, lasse auf die Notwendigkeit eines zeitlichen Zusammenhangs schließen (BVerwG, Urteil vom 13.12.2012, - 5 C 23.11., juris Rn. 9),
33- in diese Richtung deute auch die Entstehungsgeschichte mit der erklärten Absicht des Gesetzgebers, die nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ vermehrt einsetzende Zuwanderung von Aussiedlern bzw. Spätaussiedlern aus Osteuropa zu regulieren und zu begrenzen (juris Rn. 10 f.),
34- auch die systematische Auslegung lege ein solches Verständnis nahe (juris, Rn. 12 ff., siehe hier insbesondere Rn. 16 mit der Erörterung des § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG betreffend die Einbeziehung von nach der Ausreise geborenen Abkömmlingen),
35- schließlich spreche auch der Zweck des Aufnahmeverfahrens und des Bundesvertriebenengesetzes – die Verstetigung und Kontrolle des Spätaussiedlerzuzugs – dafür, dass der Härtefallantrag zeitnah zur Aussiedlung geltend gemacht werde (juris, Rn. 21 f.),
36- ferner spreche auch die durch das Bundesvertriebenengesetz intendierte Integration der Betreffenden im Bundesgebiet, etwa durch Integrationskurse gemäß § 9 Abs. 1 BVFG, für eine solche Auslegung (juris, Rn. 23).
37Alle diese Erwägungen gelten nicht nur für den Spätaussiedler selbst, sondern auch für ebenfalls übersiedelnde Ehegatten oder Abkömmlinge. Durch die ausschließlich „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ – und nicht etwa bereits im Bundesgebiet lebende - Ehegatten und Abkömmlinge betreffende Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F. sind diese Überlegungen auch keineswegs gegenstandlos geworden, sondern für Härtefallanträge weiterhin relevant.
38Eine Einbeziehung der Ehefrau des Klägers in einen diesem noch zu erteilenden Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F. ist bereits nach dessen Wortlaut ausgeschlossen, weil die Ehefrau nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist. Auch der Sinn und Zweck der Regelung steht einer Anwendung auf die Ehefrau des Klägers entgegen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Danach ist für eine nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehene Härtefalleinbeziehung im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F.,
39erwogen und offengelassen in OVG NRW, Beschluss vom 17.04.2013 - 11 E 37/13 -, juris, Rn. 7, für die Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes vom 04.12.2011 (BGBl. I 2426),
40kein Raum, weil das Gesetz ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG n.F.) - bei vor der Ausreise gestelltem Einbeziehungsantrag - und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F.) differenziert. Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die ausschließlich in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG n.F. erwähnte, auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Ausreise bezogene „besondere Härte“ - systemwidrig - in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F. hineingelesen würde.
41Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO.
42Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt die Einbeziehung ihres Sohnes B. O. in ihren Aufnahmebescheid.
3Die 1953 geborene Klägerin beantragte am 20.08.2003 beim Bundesverwaltungsamt (BVA) die Erteilung eines Aufnahmebescheides. Zugleich beantragte sie die Einbeziehung ihres Ehemannes W. O. (geb. 1952) sowie ihrer Söhne B. (geb. 1986) und W. O. (geb. 1991). Ebenfalls beantragt wurde die Einbeziehung der Tochter der Klägerin, U. C. , und deren Ehemann und beiden Töchter.
4Unter dem 25.09.2006 erteilte das BVA den Aufnahmebescheid der Klägerin. Eine Einbeziehung des Ehemannes und der Söhne erfolgte nicht, da diese den Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache noch nicht erbracht hatten. In dem dazugehörigen Anschreiben wurde der Klägerin mitgeteilt, dass – solange sie noch nicht nach Deutschland ausgesiedelt sei – dieser Nachweis durch Vorlage des Zertifikates „Start Deutsch 1“ des Goethe-Instituts erbracht werden könne. Zusätzlich wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Einbeziehung nur möglich sei, solange sie noch nicht nach Deutschland ausgesiedelt sei. Den gleichen Hinweis enthielt das Übersendungsschreiben an den Sohn der Klägerin, H. O. , der bereits in Deutschland lebte und als Bevollmächtigter für das Aufnahmeverfahren benannt worden war.
5Im Juni 2007 reiste die Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland ein. Gegenüber dem BVA gab sie am 08.06.2007 zu Protokoll, dass sie sich entschlossen habe, bereits jetzt nach Deutschland überzusiedeln. Ihr russischer Ehemann und ihr Sohn W. würden im Rahmen der Familienzusammenführung als Ausländer nachreisen. Ihr Sohn B. und ihre Tochter U. würden zuerst in Russland bleiben wollen. Eine weitere Tochter, O1. , habe bis heute keinen Antrag gestellt. Von der Möglichkeit, ins Aussiedlungsgebiet zurück zu fahren, um dort das Einbeziehungsverfahren abzuwarten, wolle die Klägerin keinen Gebrauch machen. Sie sei darüber aufgeklärt worden, dass bei dieser Sach- und Rechtslage eine Einbeziehung von Abkömmlingen nicht mehr möglich sei.
6Unter dem 13.06.2007 lehnte das BVA die Einbeziehung des Ehegatten und der Abkömmlinge der Klägerin sowie deren Familienangehörigen ab, da die Klägerin als Bezugsperson nicht mehr über den erforderlichen Wohnsitz im Herkunftsgebiet verfüge. Auch ein Härtefall sei nicht anzunehmen, da die Klägerin über die Folgen einer vorzeitigen Ausreise unterrichtet worden sei. Eine durch die Entscheidung der Bezugsperson selbst herbeigeführte Situation erfülle per se nicht das Kriterium der besonderen Härte.
7Die Klägerin legte keine Rechtmittel gegen diese ablehnende Entscheidung ein.
8Im Oktober 2010 wandte sich zunächst der bereits in Deutschland lebende Sohn der Klägerin, H. O. , im September 2011 der damalige Verfahrensbevollmächtigte an das BVA. Sie wiesen darauf hin, dass der einzubeziehende Sohn der Klägerin, B. O. inzwischen das erforderliche Zertifikat „Start Deutsch 1“ vorweise könne. Das BVA verwies in beiden Antworten auf die seinerzeit absehbare Gesetzesänderung, die eine nachträgliche Einbeziehung im Härtefall vorsehen würde. Möglicherweise könne der Sohn der Klägerin davon profitieren.
9Unter dem 09.11.2010 wandte sich die Klägerin im Wege der Petition an die Bundesregierung. In ihrer Begründung legte sie dar, dass ihr Sohn B. bei der Geburt ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten habe, welches Auswirkungen auf sein zentrales Nervensystem habe. Deswegen habe er keinen Schulabschluss erreichen können und sei vom Wehrdienst befreit worden. Zum Nachweis fügte sie eine „Zusammenfassung der Ärztegutachterkommission“ vom 14.09.2010 bei, die eine Pflegschaft und Vormundschaft durch die Eltern und Verwandten als Empfehlung vorsieht.
10Der Sohn der Klägerin, B. O. , reiste im zweiten Halbjahr des Jahres 2011 mit einem Besuchs-Visum in die Bundesrepublik ein und wohnt seitdem bei der Klägerin.
11Im Januar 2012 beantragte die Klägerin durch ihren damaligen Bevollmächtigten die nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes B. gemäß § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (im Folgenden: BVFG a.F.).
12Mit Bescheid vom 05.11.2012 lehnte das BVA den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung ab. Der Sohn B. sei kein im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling, da er bereits in Deutschland wohne. Außerdem sei der Sohn der Klägerin unter ihrer Anschrift gemeldet, so dass die Einbeziehung zur Aufhebung der räumlichen Trennung offensichtlich nicht erforderlich sei.
13Der unter dem 09.11.2012 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2013 zurückgewiesen. Zur Begründung verwies das BVA auf den Wohnsitz des Sohnes der Klägerin im Bundesgebiet. Außerdem fehle es an einer Härte im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a.F..
14Die Klägerin hat am 02.05.2013 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass ihr Sohn B. in Deutschland keinen dauerhaften Aufenthalt begründet habe. Er sei mit einem Besuchsvisum eingereist und werde nur wegen des Einbeziehungsverfahrens geduldet. Zudem lasse sich dem Gesetz entnehmen, dass bei Vorliegen einer besonderen Härte von der Verpflichtung, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abgesehen werden könne.Im Übrigen könne dem Sohn der Klägerin nicht entgegengehalten werden, dass er sich in der Stadt Korbach angemeldet habe. Hierzu sei er seitens der Ausländerbehörde aufgefordert worden. Es liege auch ein Härtefall vor. Angesichts des Gesundheitszustandes des Sohnes der Klägerin hätte die Klägerin darauf hingewiesen werden müssen, dass für ihren Sohn ein Nachweis der Deutschkenntnisse entbehrlich gewesen sei. Außerdem bedürfe der Sohn der Klägerin einer Betreuung bei der Mutter und der weiteren Familie. Durch die häusliche Betreuung habe sich der Gesundheitszustand erheblich und wesentlich gebessert.
15Die Klägerin beantragt,
16die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des BVA vom 05.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2013 zu verpflichten, den Abkömmling der Klägerin, Herrn B. O. , geb. am 00.00.1986, in den Aufnahmebescheid der Klägerin nachträglich einzubeziehen;
17hilfsweise
18die Beklagte unter Aufhebung der vorgenannten Bescheide zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen die Gründe der ablehnenden Bescheide. Ergänzend führt sie aus, dass gegenüber der Klägerin keine Aufklärungspflichten verletzt worden seien. Die Erkrankung ihres Sohnes habe die Klägerin erstmals im Rahmen der Petition im Oktober 2010 erwähnt.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe
24Die zulässige Klage ist nicht begründet.
25Die Ablehnung des Antrags auf nachträgliche Einbeziehung des B. O. in den Aufnahmebescheid der Klägerin ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26Die Klägerin hat keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung ihres Sohnes B. in ihren Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a.F.).
27Nach dieser Vorschrift kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
28Daran fehlt es vorliegend. Der Sohn der Klägerin, B. O. , ist nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Er hält sich seit der zweiten Jahreshälfte 2011 ununterbrochen in Deutschland auf, will hier bleiben und verfügt nach Angaben der Klägerin im Herkunftsgebiet weder über Unterkunft noch über Versorgungsmöglichkeiten. Er lebt bei der Klägerin, ist dort gemeldet und erfährt dort „häusliche Betreuung“. Er hat mithin an seinem jetzigen Wohnort seinen Wohnsitz begründet. Der Annahme, dass er nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist, steht nicht entgegen, dass der Kläger zunächst mit einem Besuchsvisum eingereist ist und nach dessen Ablauf lediglich geduldet wird, sein dauernder Aufenthalt somit von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen nicht aus.
29Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.08.2012 – 11 A 2558/11 –, Juris Rn. 46 m.w.N.
30Soweit die Klägerin meint, im vorliegenden Fall könne von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, ausnahmsweise wegen Vorliegens einer (besonderen) Härte abgesehen werden, ist dem nicht zu folgen. Eine solche Berücksichtigung einer besonderen Härte sieht das Gesetz – anders als im Falle des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG – in den Fällen der nachträglichen Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht vor.
31Gegen die Anwendung der Härtefallregelung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG spricht bereits die Systematik der Vorschriften über die Einbeziehung. Das Gesetz differenziert ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung – bei vor der Ausreise gestelltem Aufnahmeantrag – (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG). Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die ausschließlich in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erwähnte, auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung bezogene „besondere Härte“ – systemwidrig – in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG hineingelesen würde.
32Auch die Entstehungsgeschichte der Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG rechtfertigt nicht die Berücksichtigung einer besonderen Härte bei der nachträglichen Einbeziehung. Der Gesetzgeber hat den Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Die gesetzliche Regelung ging zurück auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. April 2011 (BT-Drs. 17/5515). In dem Gesetzentwurf heißt es auf Seite 9:
33„Die Einbeziehung nach Absatz 1 soll die gemeinsame Aussiedlung der Familie ermöglichen und damit ein mögliches Ausreisehindernis für den Spätaussiedler beseitigen. Im Gegensatz hierzu erfolgt die nachträgliche Einbeziehung nach Absatz 3 ausnahmsweise nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers. Hierdurch soll in Härtefällen eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden. Die Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, besteht weiterhin. Von der Verpflichtung, die Erteilung des Aufnahmebescheides bzw. die Einbeziehung im Herkunftsgebiet abzuwarten, macht nur Absatz 2 im Fall einer besonderen Härte eine Ausnahme. Hierbei handelt es sich um den in der Praxis seltenen Fall, dass die Beachtung der Regelungen des Aufnahmeverfahrens zu einem in hohem Maße unbilligen Ergebnis führen würde.“
34Aus den beiden zuletzt zitierten Sätzen lässt sich nicht mit der notwendigen Sicherheit Schluss ziehen, die in § 27 Abs. 2 BVFG a.F. genannte „besondere Härte“ habe nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a.F. Berücksichtigung finden sollen. Wäre dies gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in der Gesetzesbegründung bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber.
35Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung eine Möglichkeit schaffen wollen, auch diejenigen Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehung zu erfassen, die – wie der hier einzubeziehende Sohn der Klägerin – ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen haben und hier weder vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden noch ausländerrechtlich einen gesicherten Aufenthalt erlangt haben, spricht, dass er im Gesetzgebungsverfahren dem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a.F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion nicht entsprochen hat.
36Vgl. zu dem Antrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4 f.; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
37Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist von der Gesetzesänderung indes nicht betroffen gewesen. Den Gesetzesmaterialien,
38vgl. insbesondere den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 22. August 2012, Drs. 17/10511, und die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 12. Juni 2013, Drs. 17/13937,
39lässt sich nichts Substantielles dafür entnehmen, dass die jetzt in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG angesprochene besondere Härte im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG Berücksichtigung finden soll.
40Vgl. zum Ganzen: VG Köln, Urteile vom 05.02.2014 – 10 K 5417/12 – und – 10 K 6881/12 –.
41Die Klägerin hat schließlich keinen Anspruch auf Einbeziehung ihres Sohnes B. in ihren Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a.F.).
42Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
43Vorliegend ist bereits zu berücksichtigen, dass der in formeller Hinsicht erforderliche, vor der Ausreise der Bezugsperson von ihr gestellte Einbeziehungsantrag nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F.),
44vgl. zu dieser weiterhin geltenden Voraussetzung VG Köln, Urteil vom 05.02.2014 – 10 K 6881/12 – mit ausführlicher Begründung und w.N.,
45bereits bestandskräftig mit Bescheid vom 13.06.2007 abgelehnt worden ist.
46Darüber hinaus fehlt es an einer besonderen Härte. Die Klägerin trägt, was die Beklagte zutreffend rügt, nichts dazu vor, dass es ihr nicht möglich war, bis zum Abschluss des Einbeziehungsverfahrens im Aussiedlungsgebiet zu verbleiben und abzuwarten, bis ihr Sohn B. die erforderlichen Deutschkenntnisse nachweise konnte. Hinzu kommt, dass die Klägerin mehrfach auf die Folgen ihrer Ausreise vor Abschluss des Einbeziehungsverfahrens hingewiesen worden ist. Stichhaltige Gründe für diesen Schritt hat die Klägerin bis zuletzt nicht vorgetragen.
47Soweit die Klägerin geltend macht, ihr Sohn B. bedürfe der Betreuung durch sie und die weitere Familie, stellt dies keine besondere Härte im vertriebenenrechtlichen Sinne dar. Diesem Umstand mag allenfalls ausländerrechtlich durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen oder einer Duldung Rechnung getragen werden.
48Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin begehrt die Einbeziehung ihrer Tochter H. T. in ihren Aufnahmebescheid.
3Der 1939 geborenen, aus Kasachstan stammenden Klägerin hatte die Beklagte unter dem 13.05.2003 einen Aufnahmebescheid erteilt. Gleichzeitig waren ihr Sohn T1. und dessen Kinder in den Aufnahmebescheid einbezogen worden. Für die Tochter H. der Klägerin war eine Einbeziehung nicht beantragt worden. Mit der Erteilung des Aufnahmebescheides war die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass nach ihrer Ausreise grundsätzlich keine Möglichkeit mehr bestehe, Angehörige in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen. Die Klägerin war im Oktober 2003 in das Bundesgebiet eingereist und hatte im Februar 2004 eine Spätaussiedlerbescheinigung erhalten.
4Im November 2004 reiste die Tochter H. der Klägerin mit einem Besuchsvisum in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihre im März 2005 in Bochum geschlossene Ehe mit W. T. wurde im Dezember 2006 geschieden.
5Die Klägerin stellte im Mai 2012 den Antrag, das Verfahren gemäß § 27 Abs. 3 Bundesvertriebenengesetz in der mit Gesetz vom 04.12.2011 geänderten Fassung - BVFG a.F. - wieder aufzunehmen mit dem Ziel, ihre Tochter H. nachträglich in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen. Sie habe seinerzeit keinen förmlichen Einbeziehungsantrag für H. gestellt, die mit einem russischen Staatsangehörigen verheiratet gewesen, jedoch später geschieden worden sei. Seit ihrer Trennung von Herrn T. , einem deutschen Staatsbürger, wohne ihre Tochter mit ihr zusammen. Sie, die Klägerin, sei aufgrund zunehmenden Alters und verschiedener Erkrankungen dringend auf die Unterstützung ihrer Tochter angewiesen. Nach der Scheidung habe H. zunächst mit Duldung ihren Aufenthalt im Bundesgebiet fortgesetzt und ab Januar 2010 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erhalten. Der noch unsichere Aufenthaltsstatus ihrer Tochter belaste sie, die Klägerin, psychisch schwer. Eine Abschiebung widerspreche dem Sinn und Zweck des BVFG, dessen Novellierung gerade dazu diene, dauernde Familientrennungen auch im Nachhinein zu vermeiden. Die Klägerin legte ein Zertifikat „Deutsch-Test für Einwanderer“ vor, wonach ihre Tochter H. über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 verfügt. Zum Nachweis ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen übersandte die Klägerin verschiedene ärztliche Bescheinigungen.
6Mit Bescheid vom 12.06.2012 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung ab. Die seit 2004 ununterbrochen in Deutschland lebende Tochter H. der Klägerin sei kein im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling. Ihre Einbeziehung sei offensichtlich nicht zur Aufhebung einer räumlichen Trennung erforderlich.
7Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, mit der Regelung des § 27 Abs. 3 BVFG a.F. sollten Aussiedlerfamilien auf möglichst unbürokratische Weise zusammengeführt werden. Diesem Anliegen werde die Beklagte nicht gerecht, wenn sie die Einbeziehung einer Person, die wie ihre Tochter die sonstigen Voraussetzungen als Härtefall erfülle, allein wegen des formalen Gesichtspunkts ihres Aufenthaltsorts verweigere und sie auf den schwierigeren ausländerrechtlichen Weg verweise. Bei wörtlicher Auslegung wäre auch die nachträgliche Einbeziehung von Personen ausgeschlossen, die sich weder im Aussiedlungsgebiet noch im Bundesgebiet aufhielten, was der Zielsetzung der Vorschrift widerspreche.
8Den Widerspruch wies das Bundesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2012 zurück; es wiederholte dabei die im Ausgangsbescheid angeführte Begründung.
9Die Klägerin hat am 08.09.2012 Klage erhoben.
10Zur Klagebegründung vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen. Ihre zunehmende Pflegebedürftigkeit erfordere einen dauerhaften und rechtlich gesicherten Aufenthaltsstatus für ihre Tochter, so wie ihn das BVFG für den Abkömmling einer Spätaussiedlerin vorsehe.
11Die Klägerin beantragt,
12die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamts vom 12.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.08.2012 zu verpflichten, ihre Tochter H. T. in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide.
16Mit Beschluss vom 20.11.2013 hat die Kammer der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Die zulässige Klage ist nicht begründet.
20Der ablehnende Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 12.06.2012 und sein Widerspruchsbescheid vom 27.08.2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einbeziehung ihrer Tochter H. T. in ihren Aufnahmebescheid.
22Die Voraussetzungen für die begehrte nachträgliche Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in der maßgeblichen, durch Gesetz vom 06.09.2013 geänderten Fassung (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a.F.) liegen nicht vor.
23Nach dieser Vorschrift kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
24Die Tochter der Klägerin, H. T. , ist nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Wie die Klägerin selbst vorträgt, hält sich Frau T. seit November 2004 in Deutschland auf, um hier dauerhaft zu bleiben und in familiärer Gemeinschaft zunächst mit ihrem Ehemann bzw. seit 2006 mit der Klägerin zu leben. Sie hat mithin ihren Wohnsitz spätestens zum Zeitpunkt der Eheschließung im März 2005 vom Aussiedlungsgebiet an ihren jetzigen Wohnort verlagert. Der Annahme, dass H. T. nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist, steht nicht entgegen, dass sie seit der Scheidung von Herrn T. keinen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt, die weitere Fortsetzung ihres Aufenthalts somit von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen nicht aus,
25vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.08.2012 - 11 A 2558/11 -, m.w.N., juris.
26Soweit die Klägerin meint, im vorliegenden Fall könne von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, ausnahmsweise wegen Vorliegens einer (besonderen) Härte abgesehen werden, ist dem nicht zu folgen. Eine solche Berücksichtigung einer besonderen Härte sieht das Gesetz – anders als im Falle des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG – in den Fällen der nachträglichen Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht vor.
27§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG selbst enthält keine Regelung dahin, dass von der Verpflichtung des Einzubeziehenden, die nachträgliche Einbeziehung im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, im Falle einer besonderen Härte abgesehen werden kann.
28Gegen die Anwendung der Härtefallregelung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG
29- erwogen und offen gelassen für die Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 3 BVFG a.F.: OVG NRW, Beschluss vom 17.04.2013 - 11 E 37/13 -, juris -
30sprechen der Wortlaut des § 27 Abs.1 Satz 2 BVFG, der ausschließlich auf § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG Bezug nimmt und die Systematik der Vorschriften über die Einbeziehung. Das Gesetz differenziert ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung – bei vor der Ausreise gestelltem Aufnahmeantrag – (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG). Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erwähnte, ausschließlich auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung bezogene „besondere Härte“ – systemwidrig – in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG hineingelesen würde.
31Auch die Entstehungsgeschichte der Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG rechtfertigt nicht die Berücksichtigung einer besonderen Härte bei der nachträglichen Einbeziehung. Der Gesetzgeber hat den Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem im Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Die gesetzliche Regelung ging zurück auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13.04.2011 (BT-Drs. 17/5515). In dem Gesetzentwurf heißt es auf Seite 9:
32„Die Einbeziehung nach Absatz 1 soll die gemeinsame Aussiedlung der Familie ermöglichen und damit ein mögliches Ausreisehindernis für den Spätaussiedler beseitigen. Im Gegensatz hierzu erfolgt die nachträgliche Einbeziehung nach Absatz 3 ausnahmsweise nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers. Hierdurch soll in Härtefällen eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden. Die Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, besteht weiterhin. Von der Verpflichtung, die Erteilung des Aufnahmebescheides bzw. die Einbeziehung im Herkunftsgebiet abzuwarten, macht nur Absatz 2 im Fall einer besonderen Härte eine Ausnahme. Hierbei handelt es sich um den in der Praxis seltenen Fall, dass die Beachtung der Regelungen des Aufnahmeverfahrens zu einem in hohem Maße unbilligen Ergebnis führen würde.“
33Aus den beiden zuletzt zitierten Sätzen lässt sich nicht mit der notwendigen Sicherheit der Schluss ziehen, die in § 27 Abs. 2 BVFG a.F. genannte „besondere Härte“ habe nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a.F. Berücksichtigung finden sollen. Wäre dies gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in der Gesetzesbegründung bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber.
34Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung eine Möglichkeit schaffen wollen, auch diejenigen Familienmitglieder mit der nachträglichen Einbeziehung zu erfassen, die – wie die Tochter der Klägerin – ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen und hier nicht vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden haben, spricht, dass er im Gesetzgebungsverfahren dem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a.F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion nicht entsprochen hat,
35vgl. zu dem Antrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4 f.; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
36Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten im September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche, nach der Aussiedlung der Bezugsperson erfolgende Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist von der Gesetzesänderung indes nicht betroffen gewesen. Den Gesetzesmaterialien,
37vgl. insbesondere den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 22.08.2012, Drs. 17/10511, und die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 12.06.2013, Drs. 17/13937,
38lässt sich nichts Substantielles dafür entnehmen, dass die jetzt in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG angesprochene besondere Härte im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG Berücksichtigung finden soll,
39vgl. zum Ganzen: VG Köln, Urteile vom 05.02.2014 - 10 K 5417/12 - und - 10 K 6881/12 -; Urteil vom 15.04.2014 - 7 K 2829/13 -.
40Schließlich lässt auch der Umstand, dass der Gesetzgeber es unterlassen hat, besondere Regelungen für die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen zu schaffen, die sich in Drittstaaten aufhalten, nicht die Annahme zu, er wolle an dem Erfordernis des Verbleibens im Aussiedlungsgebiet generell nicht mehr festhalten.
41Der geltend gemachte Einbeziehungsanspruch lässt sich auch nicht auf § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a.F.) stützen.
42Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung von Abkömmlingen sind in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG geregelt. Nach dieser Bestimmung wird der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmlinge zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen.
43Diese Voraussetzungen sind für Frau T. nicht vollständig erfüllt, weil die Klägerin vor ihrer Ausreise keinen Antrag auf Einbeziehung ihrer Tochter zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung gestellt hat.
44In der Rechtsprechung ist für die im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten, ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige“ Voraussetzung unabhängig von einer ggf. im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht,
45vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.07.2005 - 5 B 134.04 - und vom 30.10.2006 - 5 B 55/06 -; OVG NRW, Beschluss vom 13.02.2008 -12 A 4479/06 -, jeweils m.w.N., abgedruckt in juris.
46Da der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nicht von dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F. abweicht, soweit es um die Härtefalleinbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung geht, ist an dem Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags weiterhin festzuhalten. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung für im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nach der Aussiedlung der Bezugsperson nachträglich in deren Aufnahmebescheid einbezogen werden können. Die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung ist damit nicht obsolet geworden. Neben ihr ist nur eine „weitere Option“ geschaffen worden,
47so ausdrücklich die Begründung des Innenausschusses zu seiner im Gesetzgebungsverfahren abgegebenen Beschlussempfehlung vom 12.06.2013, BT-Drs. 17/13937,
48die die Familienzusammenführung in den Fällen erleichtern soll, in denen der Ehegatte oder Abkömmlinge des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind. Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus den Materialien ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Status von seit Jahren in Deutschland lebenden Ehegatten und Abkömmlingen von Spätaussiedlern verbessern wollte, die auf ausländerrechtlicher Grundlage und nicht als in den Aufnahmebescheid einbezogene Angehörige ihren Wohnsitz in Deutschland begründet haben,
49vgl. zum Ganzen VG Köln, Urteil vom 05.02.2014 - 10 K 6881/12 -.
50Unabhängig hiervon scheitert eine Härtefalleinbeziehung der Tochter der Klägerin auch daran, dass die Übersiedlung der Tochter in das Bundesgebiet schon seit Jahren abgeschlossen ist. Das BVFG knüpft das Stellen eines Härtefallantrags zwar nicht an die Einhaltung einer bestimmten Frist; aus dem Gesetzeszweck, die Einreise und Integration von Spätaussiedlern und ihrer Ehegatten sowie Abkömmlingen nach näher bestimmten Maßgaben zu regulieren, folgt aber, dass Anträge im Aufnahmeverfahren für Personen, die sich bereits im Bundesgebiet aufhalten, auch in den von § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erfassten Härtefällen in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Aussiedlung des Betreffenden – sei es des Spätaussiedlers selbst, sei es des Ehegatten oder Abkömmlings – gestellt werden müssen; dieser zeitliche Zusammenhang ist jedenfalls mehr als vier Jahre nach der endgültigen Wohnsitznahme im Bundesgebiet nicht mehr gegeben.
51Dies hat das Bundesverwaltungsgericht, dessen Rechtsprechung die Kammer folgt, für den originären Aufnahmeantrag des Spätaussiedlers bereits entschieden,
52vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 5 C 23.11 -, juris, zu dem insoweit gleichlautenden § 27 Abs.2 Satz 1 BVFG a.F.; ebenso OVG NRW, Urteil vom 10.03.2014 - 11 A 1966/13 -, juris, Beschluss vom 02.04.2014 - 11 A 1070/13 -für § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG
53Die dabei angestellten Überlegungen greifen auch für den Fall, dass die Bezugsperson selbst mit einem Aufnahmebescheid eingereist ist und die Einbeziehung des auf ausländerrechtlicher Grundlage eingereisten Abkömmlings in den vorhandenen Aufnahmebescheid beantragt. Jedenfalls mit Blick auf den einzubeziehenden Ehegatten oder Abkömmling würde der Gesetzeszweck verfehlt, wenn ein entsprechender Antrag - wie hier - erst mehrere Jahre nach der Einreise Abkömmlings und damit zu einem Zeitpunkt gestellt wird, zu dem der Übersiedlungsvorgang längst abgeschlossen ist. Insbesondere ist der Hinweis des BVerwG auf die Entstehungsgeschichte mit der erklärten Absicht des Gesetzgebers, die nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ vermehrt einsetzende Zuwanderung von Aussiedlern bzw. Spätaussiedlern aus Osteuropa zu regulieren und zu begrenzen, auf den Zuzug von Ehegatten und Abkömmlingen dieser Personen übertragbar. Dasselbe gilt für das aus § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG abgeleitete Argument. Diese Norm, die nach Abschluss des Aussiedlungsvorgangs geborene Kinder von der Einbeziehung ausschließt, unterstreicht den temporären Bezug zum Aussiedlungsvorgang gerade auch für die Einbeziehung. Schließlich gilt auch die Erwägung, dass die durch das BVFG intendierte Integration der Betreffenden im Bundesgebiet, etwa durch Integrationskurse gemäß § 9 Abs. 1 BVFG, für eine solche Auslegung spreche, gleichermaßen für den übersiedelnden Ehegatten oder Abkömmling,
54vgl. VG Köln, Urteil vom 05.02.2014 - 10 K 6881/12 -.
55An dem Erfordernis des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Aussiedlung und Härtefallantrag ändert auch die Bestimmung des § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG nichts. Nach dieser Regelung ist der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheids oder auf Einbeziehung nicht an eine Frist gebunden. Sie ist nach der Gesetzesbegründung zugeschnitten auf Verfahren von Personen, die noch im Aussiedlungsgebiet leben und soll ihnen ermöglichen, nach einer Rechtsänderung ohne zeitlichen Druck eine Entscheidung über die Aussiedlung zu treffen; (unanfechtbar abgeschlossene) Härtefallanträge bleiben von dieser Regelung unberührt,
56vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.03.2014 - 11 A 1966713 -, juris.
57Hier kann der erforderliche zeitliche Zusammenhang mit der Übersiedlung nicht festgestellt werden, weil seit der Begründung des dauernden Aufenthalts von Frau T. im Bundesgebiet bis zum Stellen des Einbeziehungsantrags mehr als sieben Jahre vergangen sind.
58Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Die Rechtsstellung nach § 4 Abs. 1, 2 oder Abs. 3 Satz 2 erwirbt nicht, wer
- 1.
- a)
in den Aussiedlungsgebieten der nationalsozialistischen oder einer anderen Gewaltherrschaft erheblich Vorschub geleistet hat, - b)
in den Aussiedlungsgebieten durch sein Verhalten gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat, - c)
in den Aussiedlungsgebieten in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht hat, - d)
eine rechtswidrige Tat begangen hat, die im Inland als Verbrechen im Sinne des § 12 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs anzusehen wäre, es sei denn, die Tat wäre nach deutschem Recht verjährt oder eine Verurteilung deswegen nach dem Bundeszentralregistergesetz zu tilgen, oder - e)
nach einer durch tatsächliche Anhaltspunkte gerechtfertigten Schlussfolgerung - aa)
einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, - bb)
bei der Verfolgung politischer Ziele sich an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufgerufen oder mit Gewaltanwendung gedroht hat oder - cc)
Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind,
es sei denn, er macht glaubhaft, dass er sich von den früheren Handlungen abgewandt hat, oder
- 2.
- a)
die Aussiedlungsgebiete wegen einer drohenden strafrechtlichen Verfolgung auf Grund eines kriminellen Delikts verlassen oder - b)
in den Aussiedlungsgebieten eine Funktion ausgeübt hat, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam galt oder auf Grund der Umstände des Einzelfalles war, oder - c)
wer für mindestens drei Jahre mit dem Inhaber einer Funktion im Sinne von Buchstabe b in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Dem 1943 in der ehemaligen Sowjetunion geborene Kläger, der 1944 durch die Einwandererzentralstelle (EWZ) in den deutschen Staatsverband eingebürgert worden war, erhielt unter dem 07.01.1957 zusammen mit seiner Mutter und seinen Schwestern eine vertriebenenrechtliche Übernahmegenehmigung im sog. D 1 -Verfahren. Mit Schreiben vom 25.03.1999 teilte das Bundesverwaltungsamt auf Anfrage einer der in Deutschland lebenden Schwestern des Klägers mit: Die seinerzeit erteilte Übernahmegenehmigung habe weiter Bestand. Sie berechtige jedoch lediglich zur einmaligen Einreise nach Deutschland, um hier ein Verfahren zur Anerkennung als Spätaussiedler zu betreiben. Die Übernahmegenehmigung könne nicht nach § 100 Abs. 4 BVFG einem Aufnahmebescheid gleichgesetzt werden. Mit Schreiben vom 06.07.2001 teilte die deutsche Botschaft in Moskau dem Bundesverwaltungsamt mit: Der Kläger habe ein Visum beantragt. Es werde davon ausgegangen, dass seine Ehefrau erst später im Rahmen der Familienzusammenführung einreisen könne. Es werde um Genehmigung des beantragten Visums gebeten.
3Mit Antwortschreiben vom 17.07.2001 teilte das Bundesverwaltungsamt der Deutschen Botschaft mit: Die dem Kläger 1957 erteilte Übernahmegenehmigung sei nach wie vor gültig. Umstände, die der Erteilung eines Visums entgegen stünden, seien nicht bekannt. Über die Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen nach dem BVFG entschieden nach Einreise ausschließlich die örtlich zuständigen Behörden.
4Der Kläger reiste am 12.09.2001 nach Deutschland ein und erhielt am 14.09.2001 einen Registrierschein. Die Stadt Oelde erteilte ihm unter dem 06.02.2002 eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG. In einem Vermerk der Stadt Oelde vom 06.02.2002 (Bl. 48 der Beiakte 2) heißt es dazu: Der Kläger stamme laut der vorliegenden Übernahmegenehmigung von einer deutschen Mutter ab. In vorgelegten sowjetischen Dokumenten sei die deutsche Nationalität eingetragen. Die deutsche Sprache werde beherrscht; mit dem Kläger hätten seit seinem Zuzug nach Oelde die Gespräche in deutscher Sprache ohne Übersetzer geführt werden können.
5Die Ehefrau des Klägers reiste nach seinen Angaben 2003 nach Deutschland ein und hält sich seitdem hier auf.
6Mit Schreiben vom 28.09.2012 beantragte der Kläger bei dem Bundesverwaltungsamt die Erteilung eines Aufnahmebescheides zum Zwecke der Einbeziehung seiner Ehefrau. Der Kläger gab an: Die Ehe bestehe seit 1964. Als sie die Ausreise nach Deutschland geplant hätten, hätten die Eheleute bei der Deutschen Auslandsvertretung in Moskau nachgefragt, ob die Ehefrau nicht einbezogen werden könne, weil er, der Kläger, eine Übernahmegenehmigung habe. Ihnen sei erklärt worden, der Ehemann solle zunächst nach Deutschland kommen, dann solle er für seine Ehefrau eine Nachzugsgenehmigung beantragen. Sie seien nicht darüber aufgeklärt worden, dass ihm, dem Kläger, ein Aufnahmebescheid zum Zwecke der Einbeziehung seiner Ehefrau hätte erteilt werden müssen. Falsch sei insbesondere die seinerzeit schriftlich geäußerte Auffassung des Bundesverwaltungsamtes, dass die Übernahme in die Genehmigung nicht einem Aufnahmebescheid nach § 100 Abs. 4 BVFG gleichgesetzt werden können. Er, der Kläger, habe deshalb einen Anspruch darauf, dass ihm jedenfalls nunmehr ein Aufnahmebescheid unter Einbeziehung seiner Ehefrau erteilt werde. Dies sei noch ein Fall des § 27 Abs. 2 BVFG (a.F.).
7Das Bundesverwaltungsamt teilte dem Kläger mit Schreiben vom 26.10.2012 formlos mit, eine nachträgliche Einbeziehung der im Bundesgebiet lebenden Ehefrau nach § 27 Abs. 2 BVFG komme nicht in Betracht.
8Der Kläger hat am 04.12.2012 Untätigkeitsklage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und macht ergänzend geltend: Nur durch ein grobes Verschulden des Bundesverwaltungsamtes und der Deutschen Botschaft in Moskau sei er daran gehindert worden, vor seiner Ausreise für seine Ehefrau einen förmlichen Einbeziehungsantrag zu stellen. Wenn sich die Beklagte nunmehr auf den fehlenden Einbeziehungsantrag vor der Ausreise berufe, so handele sie rechtsmissbräuchlich. Eine besondere Härte habe im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG schon wegen der seit 1964 bestehenden Ehe vorgelegen, im Übrigen aber auch deshalb, weil er, der Kläger, zum Zeitpunkt der Ausreise deutscher Staatsangehöriger gewesen sei. Abgesehen davon komme es nach Inkrafttreten des 10. BVFG-Änderungsgesetzes auf einen Härtefall nicht mehr an. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass eine nachträgliche Einbeziehung unabhängig vom Nachweis eines Härtefalles und ohne zeitliche Beschränkung möglich sei. Die nachträgliche Einbeziehung werde zu einer weiteren Option, die neben die Möglichkeit der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung trete. Dabei spiele es keine Rolle, dass seine Ehefrau sich zum Zeitpunkt des Einbeziehungsantrags schon als Ausländerin in Deutschland aufgehalten habe.
9Der Kläger hat ferner eine unter dem 09.01.2006 für seine Ehefrau ausgestellte „Teilnahmebestätigung und Beurteilung Start Deutsch 1“ vorgelegt. Er macht geltend, nach der vorliegend anzuwendenden ausländerrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei ein Nachzug des Ehegatten im Übrigen auch ohne deutsche Sprachkenntnisse möglich.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Aufnahmebescheid zum Zwecke der Einbeziehung seiner Ehefrau, B. L. , zu erteilen,
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hält an ihrer im Verwaltungsverfahren ohne förmliche Bescheiderteilung geäußerten Auffassung fest, die Voraussetzungen für eine Härtefalleinbeziehung lägen nicht vor. Die Beklagte macht ferner geltend, eine nachträgliche Einbeziehung ohne Härtegründe nach der durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz neu eingeführten Vorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG komme nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben sei und damit bereits nicht unter den Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F. falle.
15Entscheidungsgründe
16Die Klage ist nach § 75 VwGO zulässig mit der Maßgabe, dass ein Rechtsschutzinteresse nur im Hinblick auf die angestrebte Einbeziehung der Ehefrau des Klägers besteht; seine eigene Rechtsposition als Spätaussiedler kann der Kläger, dem bereits eine Spätaussiedlerbescheinigung erteilt worden ist, durch einen nachträglichen Aufnahmebescheid nicht mehr verbessern.
17Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides zum Zwecke der Einbeziehung seiner Ehefrau. Soweit der Rechtskreis eines Spätaussiedlers auch die – insoweit von Art. 6 GG geschützte – Berechtigung umfasst, den Ehegatten in den eigenen Aufnahmebescheid einbeziehen zu lassen, kann dies hier nicht greifen, weil eine Einbeziehung der Ehefrau des Klägers aus den im Folgenden näher dargestellten Gründen nicht möglich ist. Die fehlende Einbeziehungsmöglichkeit hat zur Folge, dass bereits der Aufnahmebescheid („zum Zwecke der Einbeziehung“) - der die persönliche Stellung des bereits als Spätaussiedler anerkannten Klägers nicht verbessern würde - nicht beansprucht werden kann,
18vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 26.05.2009 – 12 A 3340/07 -, juris, Rn. 5.
19Die angestrebte Einbeziehung der Ehefrau ist zunächst nicht als Härtefalleinbeziehung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in der mit Wirkung vom 14.09.2013 in Kraft getretenen Fassung des 10. BVFG-Änderungsgesetzes vom 06.09.2013 (BGBl. I 3554) möglich. Die Vorschrift hat denselben Wortlaut wie § 27 Abs. 2 BVFG a.F. und ermöglicht ein Absehen vom Wohnsitzerfordernis des § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG alter wie neuer Fassung, „wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen“. Die sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen sind in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG n.F. geregelt, dort heißt es – insoweit bis auf das nunmehr auf volljährige Abkömmlinge beschränkte Spracherfordernis gleichlautend mit § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in der bis zum 13.09.2013 geltenden Fassung -:
20„Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe mindestens drei Jahre besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen.“
21Diese Voraussetzungen sind in der Person der Ehefrau des Klägers nicht erfüllt. In der Rechtsprechung ist für die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten, ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige“ Voraussetzung unabhängig von einer ggf. im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht,
22vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 28.07.2005 – 5 B 134.04 -, juris; Beschluss vom 30.10.2006 – 5 B 55/06 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2005 – 2 A 2383/05 -; Beschluss vom 21.02.2006 – 2 A 4798/05 -, juris; Beschluss vom 08.08.2006 - 12 A 4189/05 -, juris, Beschluss vom 13.02.2008 – 12 A 4479/06 -, juris, jeweils mit weiterem Nachweis.
23An einem solchen Antrag fehlt es hier. Da der Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG n.F., was die Härtefalleinbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ angeht, identisch mit dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F. ist, ist die Rechtsprechung zum Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags auf Härtefallanträge weiter anwendbar.
24Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der nachträglichen Einbeziehung – dies allerdings ausdrücklich nur für „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ – Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nachträglich in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen werden können. Die Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ ist damit nicht etwa obsolet geworden; vielmehr besteht nunmehr eine „weitere Option“,
25so ausdrücklich die Begründung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages zu seiner im Gesetzgebungsverfahren abgegebenen Beschlussempfehlung vom 12.06.2013, Bundestags-Drucksache 17/13937,
26die dem Ziel dient, die Familienzusammenführung in den Fällen zu erleichtern, in denen Ehegatte oder Abkömmling des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind. Sinn und Zweck der Gesetzesänderung ist es, der Trennung von Familien entgegenzuwirken. Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus den Materialien ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Status der bereits seit Jahren in Deutschland lebenden Ehegatten und Abkömmlingen von Spätaussiedlern verbessern wollte, die auf ausländerrechtlicher Grundlage und nicht als in den Aufnahmebescheid einbezogene Angehörige ihren Wohnsitz in Deutschland begründet haben.
27Ob die Stellung eines Aufnahme- und Einbeziehungsantrags vor der Ausreise hier aufgrund einer schuldhaft falsch erteilten Rechtsauskunft des Bundesverwaltungsamtes und der Deutschen Botschaft in Moskau - die u.a. von nicht ausreichenden Deutschkenntnissen des Klägers ausging - unterblieben ist und darin eine „besondere Härte“ liegt, kann dahinstehen, da dies allenfalls einen Amtshaftungsanspruch begründen, nicht aber die unterbliebene Antragstellung als notwendige „sonstige Voraussetzung“ ersetzen könnte.
28Unabhängig von dem Vorstehenden scheitert eine Härtefalleinbeziehung der Ehefrau des Klägers auch daran, dass die Übersiedlung der Ehefrau in das Bundesgebiet seit Jahren abgeschlossen ist. Das Bundesvertriebenengesetz enthält zwar keine Frist für die Stellung eines Härtefallantrags; aus dem Gesetzeszweck, die Einreise und Integration von Spätaussiedlern und ihrer Ehegatten und Abkömmlinge nach näher bestimmten Maßgaben zu regulieren, folgt aber, dass Anträge im Aufnahmeverfahren für Personen, die sich bereits im Bundesgebiet aufhalten, auch in den von § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG n.F. (§ 27 Abs. 2 BVFG a.F.) erfassten Härtefällen in zeitlichem Zusammenhang mit der Aussiedlung des Betreffenden - sei es des Spätaussiedlers selbst, sei es des Ehegatten oder Abkömmlings - gestellt werden müssen.
29Dies hat das Bundesverwaltungsgericht, dessen Rechtsprechung die Kammer folgt, für den originären Aufnahmeantrag des Spätaussiedlers bereits entschieden,
30vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 – 5 C 23.11 -, juris.
31Die in dem zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts angestellten Überlegungen gelten sinngemäß auch für den Fall, dass die Bezugsperson selbst mit einem Aufnahmebescheid oder - wie hier - mit einer Übernahmegenehmigung eingereist ist und die Einbeziehung des auf ausländerrechtlicher Grundlage mit eingereisten oder - wie hier - nachgereisten Ehegatten in den vorhandenen bzw. im Fall einer Übernahmegenehmigung zum Zeck der Einbeziehung ggfls. noch zu erteilenden Aufnahmebescheid beantragt. Jedenfalls mit Blick auf den einzubeziehenden Ehegatten oder Abkömmling würde der Gesetzeszweck verfehlt, wenn ein entsprechender Antrag - wie hier - erst mehrere Jahre nach der Einreise des Ehegatten oder Abkömmlings und damit zu einem Zeitpunkt gestellt wird, zu dem der Übersiedlungsvorgang längst abgeschlossen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der o.a. Entscheidung das Erfordernis der Antragstellung im zeitlichen Zusammenhang mit der Ausreise aus einer Reihe von Erwägungen hergeleitet und u.a. darauf abgestellt,
32- bereits der Gesetzeswortlaut, nämlich die Begriffe „Aufnahme“ und „Aufnahmebescheid“, lasse auf die Notwendigkeit eines zeitlichen Zusammenhangs schließen (BVerwG, Urteil vom 13.12.2012, - 5 C 23.11., juris Rn. 9),
33- in diese Richtung deute auch die Entstehungsgeschichte mit der erklärten Absicht des Gesetzgebers, die nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ vermehrt einsetzende Zuwanderung von Aussiedlern bzw. Spätaussiedlern aus Osteuropa zu regulieren und zu begrenzen (juris Rn. 10 f.),
34- auch die systematische Auslegung lege ein solches Verständnis nahe (juris, Rn. 12 ff., siehe hier insbesondere Rn. 16 mit der Erörterung des § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG betreffend die Einbeziehung von nach der Ausreise geborenen Abkömmlingen),
35- schließlich spreche auch der Zweck des Aufnahmeverfahrens und des Bundesvertriebenengesetzes – die Verstetigung und Kontrolle des Spätaussiedlerzuzugs – dafür, dass der Härtefallantrag zeitnah zur Aussiedlung geltend gemacht werde (juris, Rn. 21 f.),
36- ferner spreche auch die durch das Bundesvertriebenengesetz intendierte Integration der Betreffenden im Bundesgebiet, etwa durch Integrationskurse gemäß § 9 Abs. 1 BVFG, für eine solche Auslegung (juris, Rn. 23).
37Alle diese Erwägungen gelten nicht nur für den Spätaussiedler selbst, sondern auch für ebenfalls übersiedelnde Ehegatten oder Abkömmlinge. Durch die ausschließlich „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ – und nicht etwa bereits im Bundesgebiet lebende - Ehegatten und Abkömmlinge betreffende Regelung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F. sind diese Überlegungen auch keineswegs gegenstandlos geworden, sondern für Härtefallanträge weiterhin relevant.
38Eine Einbeziehung der Ehefrau des Klägers in einen diesem noch zu erteilenden Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F. ist bereits nach dessen Wortlaut ausgeschlossen, weil die Ehefrau nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ ist. Auch der Sinn und Zweck der Regelung steht einer Anwendung auf die Ehefrau des Klägers entgegen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Danach ist für eine nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehene Härtefalleinbeziehung im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F.,
39erwogen und offengelassen in OVG NRW, Beschluss vom 17.04.2013 - 11 E 37/13 -, juris, Rn. 7, für die Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des 9. BVFG-Änderungsgesetzes vom 04.12.2011 (BGBl. I 2426),
40kein Raum, weil das Gesetz ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG n.F.) - bei vor der Ausreise gestelltem Einbeziehungsantrag - und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F.) differenziert. Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die ausschließlich in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG n.F. erwähnte, auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Ausreise bezogene „besondere Härte“ - systemwidrig - in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F. hineingelesen würde.
41Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO.
42Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin begehrt die Einbeziehung ihrer Tochter H. T. in ihren Aufnahmebescheid.
3Der 1939 geborenen, aus Kasachstan stammenden Klägerin hatte die Beklagte unter dem 13.05.2003 einen Aufnahmebescheid erteilt. Gleichzeitig waren ihr Sohn T1. und dessen Kinder in den Aufnahmebescheid einbezogen worden. Für die Tochter H. der Klägerin war eine Einbeziehung nicht beantragt worden. Mit der Erteilung des Aufnahmebescheides war die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass nach ihrer Ausreise grundsätzlich keine Möglichkeit mehr bestehe, Angehörige in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen. Die Klägerin war im Oktober 2003 in das Bundesgebiet eingereist und hatte im Februar 2004 eine Spätaussiedlerbescheinigung erhalten.
4Im November 2004 reiste die Tochter H. der Klägerin mit einem Besuchsvisum in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihre im März 2005 in Bochum geschlossene Ehe mit W. T. wurde im Dezember 2006 geschieden.
5Die Klägerin stellte im Mai 2012 den Antrag, das Verfahren gemäß § 27 Abs. 3 Bundesvertriebenengesetz in der mit Gesetz vom 04.12.2011 geänderten Fassung - BVFG a.F. - wieder aufzunehmen mit dem Ziel, ihre Tochter H. nachträglich in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen. Sie habe seinerzeit keinen förmlichen Einbeziehungsantrag für H. gestellt, die mit einem russischen Staatsangehörigen verheiratet gewesen, jedoch später geschieden worden sei. Seit ihrer Trennung von Herrn T. , einem deutschen Staatsbürger, wohne ihre Tochter mit ihr zusammen. Sie, die Klägerin, sei aufgrund zunehmenden Alters und verschiedener Erkrankungen dringend auf die Unterstützung ihrer Tochter angewiesen. Nach der Scheidung habe H. zunächst mit Duldung ihren Aufenthalt im Bundesgebiet fortgesetzt und ab Januar 2010 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erhalten. Der noch unsichere Aufenthaltsstatus ihrer Tochter belaste sie, die Klägerin, psychisch schwer. Eine Abschiebung widerspreche dem Sinn und Zweck des BVFG, dessen Novellierung gerade dazu diene, dauernde Familientrennungen auch im Nachhinein zu vermeiden. Die Klägerin legte ein Zertifikat „Deutsch-Test für Einwanderer“ vor, wonach ihre Tochter H. über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 verfügt. Zum Nachweis ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen übersandte die Klägerin verschiedene ärztliche Bescheinigungen.
6Mit Bescheid vom 12.06.2012 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung ab. Die seit 2004 ununterbrochen in Deutschland lebende Tochter H. der Klägerin sei kein im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling. Ihre Einbeziehung sei offensichtlich nicht zur Aufhebung einer räumlichen Trennung erforderlich.
7Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, mit der Regelung des § 27 Abs. 3 BVFG a.F. sollten Aussiedlerfamilien auf möglichst unbürokratische Weise zusammengeführt werden. Diesem Anliegen werde die Beklagte nicht gerecht, wenn sie die Einbeziehung einer Person, die wie ihre Tochter die sonstigen Voraussetzungen als Härtefall erfülle, allein wegen des formalen Gesichtspunkts ihres Aufenthaltsorts verweigere und sie auf den schwierigeren ausländerrechtlichen Weg verweise. Bei wörtlicher Auslegung wäre auch die nachträgliche Einbeziehung von Personen ausgeschlossen, die sich weder im Aussiedlungsgebiet noch im Bundesgebiet aufhielten, was der Zielsetzung der Vorschrift widerspreche.
8Den Widerspruch wies das Bundesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2012 zurück; es wiederholte dabei die im Ausgangsbescheid angeführte Begründung.
9Die Klägerin hat am 08.09.2012 Klage erhoben.
10Zur Klagebegründung vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen. Ihre zunehmende Pflegebedürftigkeit erfordere einen dauerhaften und rechtlich gesicherten Aufenthaltsstatus für ihre Tochter, so wie ihn das BVFG für den Abkömmling einer Spätaussiedlerin vorsehe.
11Die Klägerin beantragt,
12die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamts vom 12.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.08.2012 zu verpflichten, ihre Tochter H. T. in ihren Aufnahmebescheid einzubeziehen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide.
16Mit Beschluss vom 20.11.2013 hat die Kammer der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Die zulässige Klage ist nicht begründet.
20Der ablehnende Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 12.06.2012 und sein Widerspruchsbescheid vom 27.08.2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einbeziehung ihrer Tochter H. T. in ihren Aufnahmebescheid.
22Die Voraussetzungen für die begehrte nachträgliche Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG in der maßgeblichen, durch Gesetz vom 06.09.2013 geänderten Fassung (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a.F.) liegen nicht vor.
23Nach dieser Vorschrift kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
24Die Tochter der Klägerin, H. T. , ist nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Wie die Klägerin selbst vorträgt, hält sich Frau T. seit November 2004 in Deutschland auf, um hier dauerhaft zu bleiben und in familiärer Gemeinschaft zunächst mit ihrem Ehemann bzw. seit 2006 mit der Klägerin zu leben. Sie hat mithin ihren Wohnsitz spätestens zum Zeitpunkt der Eheschließung im März 2005 vom Aussiedlungsgebiet an ihren jetzigen Wohnort verlagert. Der Annahme, dass H. T. nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist, steht nicht entgegen, dass sie seit der Scheidung von Herrn T. keinen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt, die weitere Fortsetzung ihres Aufenthalts somit von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen nicht aus,
25vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.08.2012 - 11 A 2558/11 -, m.w.N., juris.
26Soweit die Klägerin meint, im vorliegenden Fall könne von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, ausnahmsweise wegen Vorliegens einer (besonderen) Härte abgesehen werden, ist dem nicht zu folgen. Eine solche Berücksichtigung einer besonderen Härte sieht das Gesetz – anders als im Falle des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG – in den Fällen der nachträglichen Einbeziehung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht vor.
27§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG selbst enthält keine Regelung dahin, dass von der Verpflichtung des Einzubeziehenden, die nachträgliche Einbeziehung im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, im Falle einer besonderen Härte abgesehen werden kann.
28Gegen die Anwendung der Härtefallregelung des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG
29- erwogen und offen gelassen für die Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 3 BVFG a.F.: OVG NRW, Beschluss vom 17.04.2013 - 11 E 37/13 -, juris -
30sprechen der Wortlaut des § 27 Abs.1 Satz 2 BVFG, der ausschließlich auf § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG Bezug nimmt und die Systematik der Vorschriften über die Einbeziehung. Das Gesetz differenziert ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung – bei vor der Ausreise gestelltem Aufnahmeantrag – (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG). Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erwähnte, ausschließlich auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung bezogene „besondere Härte“ – systemwidrig – in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG hineingelesen würde.
31Auch die Entstehungsgeschichte der Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG rechtfertigt nicht die Berücksichtigung einer besonderen Härte bei der nachträglichen Einbeziehung. Der Gesetzgeber hat den Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem im Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Die gesetzliche Regelung ging zurück auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13.04.2011 (BT-Drs. 17/5515). In dem Gesetzentwurf heißt es auf Seite 9:
32„Die Einbeziehung nach Absatz 1 soll die gemeinsame Aussiedlung der Familie ermöglichen und damit ein mögliches Ausreisehindernis für den Spätaussiedler beseitigen. Im Gegensatz hierzu erfolgt die nachträgliche Einbeziehung nach Absatz 3 ausnahmsweise nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers. Hierdurch soll in Härtefällen eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden. Die Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, besteht weiterhin. Von der Verpflichtung, die Erteilung des Aufnahmebescheides bzw. die Einbeziehung im Herkunftsgebiet abzuwarten, macht nur Absatz 2 im Fall einer besonderen Härte eine Ausnahme. Hierbei handelt es sich um den in der Praxis seltenen Fall, dass die Beachtung der Regelungen des Aufnahmeverfahrens zu einem in hohem Maße unbilligen Ergebnis führen würde.“
33Aus den beiden zuletzt zitierten Sätzen lässt sich nicht mit der notwendigen Sicherheit der Schluss ziehen, die in § 27 Abs. 2 BVFG a.F. genannte „besondere Härte“ habe nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a.F. Berücksichtigung finden sollen. Wäre dies gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in der Gesetzesbegründung bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber.
34Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung eine Möglichkeit schaffen wollen, auch diejenigen Familienmitglieder mit der nachträglichen Einbeziehung zu erfassen, die – wie die Tochter der Klägerin – ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen und hier nicht vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden haben, spricht, dass er im Gesetzgebungsverfahren dem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a.F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion nicht entsprochen hat,
35vgl. zu dem Antrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4 f.; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
36Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten im September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche, nach der Aussiedlung der Bezugsperson erfolgende Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist von der Gesetzesänderung indes nicht betroffen gewesen. Den Gesetzesmaterialien,
37vgl. insbesondere den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 22.08.2012, Drs. 17/10511, und die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 12.06.2013, Drs. 17/13937,
38lässt sich nichts Substantielles dafür entnehmen, dass die jetzt in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG angesprochene besondere Härte im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG Berücksichtigung finden soll,
39vgl. zum Ganzen: VG Köln, Urteile vom 05.02.2014 - 10 K 5417/12 - und - 10 K 6881/12 -; Urteil vom 15.04.2014 - 7 K 2829/13 -.
40Schließlich lässt auch der Umstand, dass der Gesetzgeber es unterlassen hat, besondere Regelungen für die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen zu schaffen, die sich in Drittstaaten aufhalten, nicht die Annahme zu, er wolle an dem Erfordernis des Verbleibens im Aussiedlungsgebiet generell nicht mehr festhalten.
41Der geltend gemachte Einbeziehungsanspruch lässt sich auch nicht auf § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a.F.) stützen.
42Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die sonstigen Voraussetzungen für die Einbeziehung von Abkömmlingen sind in § 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG geregelt. Nach dieser Bestimmung wird der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmlinge zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen.
43Diese Voraussetzungen sind für Frau T. nicht vollständig erfüllt, weil die Klägerin vor ihrer Ausreise keinen Antrag auf Einbeziehung ihrer Tochter zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung gestellt hat.
44In der Rechtsprechung ist für die im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F. geklärt, dass die Einbeziehung in formeller Hinsicht einen von der Bezugsperson vor ihrer Ausreise aus dem Aussiedlungsgebiet gestellten, ausdrücklichen Antrag auf Einbeziehung „zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung“ voraussetzt und diese „sonstige“ Voraussetzung unabhängig von einer ggf. im Übrigen bestehenden besonderen Härte Geltung beansprucht,
45vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.07.2005 - 5 B 134.04 - und vom 30.10.2006 - 5 B 55/06 -; OVG NRW, Beschluss vom 13.02.2008 -12 A 4479/06 -, jeweils m.w.N., abgedruckt in juris.
46Da der Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG nicht von dem des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG a.F. abweicht, soweit es um die Härtefalleinbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung geht, ist an dem Erfordernis eines vor der Ausreise gestellten Einbeziehungsantrags weiterhin festzuhalten. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung für im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge geschaffen hat, die ohne Härtegründe nach der Aussiedlung der Bezugsperson nachträglich in deren Aufnahmebescheid einbezogen werden können. Die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung ist damit nicht obsolet geworden. Neben ihr ist nur eine „weitere Option“ geschaffen worden,
47so ausdrücklich die Begründung des Innenausschusses zu seiner im Gesetzgebungsverfahren abgegebenen Beschlussempfehlung vom 12.06.2013, BT-Drs. 17/13937,
48die die Familienzusammenführung in den Fällen erleichtern soll, in denen der Ehegatte oder Abkömmlinge des Spätaussiedlers im Aussiedlungsgebiet verblieben sind. Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus den Materialien ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Status von seit Jahren in Deutschland lebenden Ehegatten und Abkömmlingen von Spätaussiedlern verbessern wollte, die auf ausländerrechtlicher Grundlage und nicht als in den Aufnahmebescheid einbezogene Angehörige ihren Wohnsitz in Deutschland begründet haben,
49vgl. zum Ganzen VG Köln, Urteil vom 05.02.2014 - 10 K 6881/12 -.
50Unabhängig hiervon scheitert eine Härtefalleinbeziehung der Tochter der Klägerin auch daran, dass die Übersiedlung der Tochter in das Bundesgebiet schon seit Jahren abgeschlossen ist. Das BVFG knüpft das Stellen eines Härtefallantrags zwar nicht an die Einhaltung einer bestimmten Frist; aus dem Gesetzeszweck, die Einreise und Integration von Spätaussiedlern und ihrer Ehegatten sowie Abkömmlingen nach näher bestimmten Maßgaben zu regulieren, folgt aber, dass Anträge im Aufnahmeverfahren für Personen, die sich bereits im Bundesgebiet aufhalten, auch in den von § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erfassten Härtefällen in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Aussiedlung des Betreffenden – sei es des Spätaussiedlers selbst, sei es des Ehegatten oder Abkömmlings – gestellt werden müssen; dieser zeitliche Zusammenhang ist jedenfalls mehr als vier Jahre nach der endgültigen Wohnsitznahme im Bundesgebiet nicht mehr gegeben.
51Dies hat das Bundesverwaltungsgericht, dessen Rechtsprechung die Kammer folgt, für den originären Aufnahmeantrag des Spätaussiedlers bereits entschieden,
52vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 5 C 23.11 -, juris, zu dem insoweit gleichlautenden § 27 Abs.2 Satz 1 BVFG a.F.; ebenso OVG NRW, Urteil vom 10.03.2014 - 11 A 1966/13 -, juris, Beschluss vom 02.04.2014 - 11 A 1070/13 -für § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG
53Die dabei angestellten Überlegungen greifen auch für den Fall, dass die Bezugsperson selbst mit einem Aufnahmebescheid eingereist ist und die Einbeziehung des auf ausländerrechtlicher Grundlage eingereisten Abkömmlings in den vorhandenen Aufnahmebescheid beantragt. Jedenfalls mit Blick auf den einzubeziehenden Ehegatten oder Abkömmling würde der Gesetzeszweck verfehlt, wenn ein entsprechender Antrag - wie hier - erst mehrere Jahre nach der Einreise Abkömmlings und damit zu einem Zeitpunkt gestellt wird, zu dem der Übersiedlungsvorgang längst abgeschlossen ist. Insbesondere ist der Hinweis des BVerwG auf die Entstehungsgeschichte mit der erklärten Absicht des Gesetzgebers, die nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ vermehrt einsetzende Zuwanderung von Aussiedlern bzw. Spätaussiedlern aus Osteuropa zu regulieren und zu begrenzen, auf den Zuzug von Ehegatten und Abkömmlingen dieser Personen übertragbar. Dasselbe gilt für das aus § 27 Abs. 2 Satz 2 BVFG abgeleitete Argument. Diese Norm, die nach Abschluss des Aussiedlungsvorgangs geborene Kinder von der Einbeziehung ausschließt, unterstreicht den temporären Bezug zum Aussiedlungsvorgang gerade auch für die Einbeziehung. Schließlich gilt auch die Erwägung, dass die durch das BVFG intendierte Integration der Betreffenden im Bundesgebiet, etwa durch Integrationskurse gemäß § 9 Abs. 1 BVFG, für eine solche Auslegung spreche, gleichermaßen für den übersiedelnden Ehegatten oder Abkömmling,
54vgl. VG Köln, Urteil vom 05.02.2014 - 10 K 6881/12 -.
55An dem Erfordernis des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Aussiedlung und Härtefallantrag ändert auch die Bestimmung des § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG nichts. Nach dieser Regelung ist der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheids oder auf Einbeziehung nicht an eine Frist gebunden. Sie ist nach der Gesetzesbegründung zugeschnitten auf Verfahren von Personen, die noch im Aussiedlungsgebiet leben und soll ihnen ermöglichen, nach einer Rechtsänderung ohne zeitlichen Druck eine Entscheidung über die Aussiedlung zu treffen; (unanfechtbar abgeschlossene) Härtefallanträge bleiben von dieser Regelung unberührt,
56vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.03.2014 - 11 A 1966713 -, juris.
57Hier kann der erforderliche zeitliche Zusammenhang mit der Übersiedlung nicht festgestellt werden, weil seit der Begründung des dauernden Aufenthalts von Frau T. im Bundesgebiet bis zum Stellen des Einbeziehungsantrags mehr als sieben Jahre vergangen sind.
58Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.0000 geborene Kläger begehrt die nachträgliche Einbeziehung seines Enkels, des am 00.00.0000 geborenen Herrn W. L. (nunmehr: L.), in seinen Aufnahmebescheid.
3Die Beklagte erteilte dem aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Kläger unter dem 10. September 1996 einen Aufnahmebescheid. Sie bezog mit Einbeziehungsbescheid vom selben Tage die Tochter des Klägers (Mutter des Herrn L.) und sieben Enkel des Klägers (Kinder der Tochter, Geschwister des Herrn L.) in den Aufnahmebescheid ein. In dem Einbeziehungsbegehren war ursprünglich auch Herr L. aufgeführt. Für ihn wurden jedoch trotz Erinnerung keine Personenstandsurkunden vorgelegt, so dass der Einbeziehungsbescheid ausdrücklich nicht unter seiner Einbeziehung erging. Der Kläger und seine Familie reisten Ende 1996 in die Bundesrepublik ein.
4Herr L. reiste im März 1999 mit einem Besuchsvisum nach. Er stellte am 6. April 2000 einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 4. Februar 2002 bestandskräftig ablehnte.
5Mit Schreiben vom 23. August 2000, der Beklagten erst im Jahre 2002 zugegangen, stellte Herr L. einen Antrag auf nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers. Zur Begründung führte er an: Er habe 1996 nicht mit seiner Familie ausreisen können, da er seinerzeit nicht über Papiere verfügt habe. Der fehlende Besitz der Papiere sei darauf zurückzuführen, dass er im Dezember 1991 aufgrund von schweren Misshandlungen von der sowjetischen Armee desertiert sei. Diese habe sein Armeebuch und seinen Inlandspass einbehalten. Er habe die Dokumente erst im Jahre 1998 gegen Zahlung eines Betrages von 800 DM durch seine Großmutter zurückbekommen. Nachdem er seinen Reisepass erhalten habe, habe ihm die Mafia aufgelauert, ihn zusammengeschlagen, ihm seine Papiere abgenommen, ihn auf einen Friedhof verschleppt und gedroht, ihn zu töten, falls er an sie nicht einen Betrag von 2.000 DM entrichte. Seine Mutter habe ihm das Geld von Deutschland aus geschickt, woraufhin er es der Mafia gezahlt habe. Er habe sodann erneut einen Reisepass beantragt und erhalten und sei im März 1999 mit einem Besuchsvisum nach Deutschland gereist. Er habe einen Asylantrag gestellt, um die Bundesrepublik nicht verlassen zu müssen. Seine gesamte Familie lebe hier und besitze die deutsche Staatsangehörigkeit. Er habe während seines Aufenthalts starke Herzprobleme und psychische Probleme bekommen, so dass er sich in psychiatrischer Behandlung befinde. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Beiakte 2, Blatt 17 ff. verwiesen.
6Unter dem 20. Januar 2003 stellte Herr L. bei der Beklagten einen Antrag auf Aufnahme nach dem BVFG. Im Rahmen der Antragstellung gab er u. a. an, Deutschunterricht in der Schule erhalten zu haben, fast alles in deutscher Sprache zu verstehen, ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen und Deutsch schreiben zu können.
7Die Beklagte lehnte den Aufnahmeantrag des Herrn L. mit Bescheid vom 20. Januar 2006 ab. Zur Begründung führte sie an, Herr L. habe sich nicht bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt.
8Mit Schreiben vom selben Tage teilte die Beklagte Herrn L. zugleich mit, eine Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers sei nicht möglich, da nach der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Rechtslage ein wirksamer Einbeziehungsantrag nicht vorliege. Der Antrag auf Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers hätte aber auch nach der alten Rechtslage abgelehnt werden müssen, da der Kläger bereits im November 1996 Aufnahme im Bundesgebiet gefunden habe. Herr L. möge mitteilen, wenn er im Hinblick auf seinen Einbeziehungsantrag einen rechtsmittelfähigen Bescheid wünsche.
9Herr L. legte gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines Aufnahmebescheides am 7. März 2006 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2006 zurückwies. Zur Begründung führte sie ergänzend an, die Versagung des Aufnahmebescheides stelle keine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) dar.
10Herr L. erhob dagegen vor dem Verwaltungsgericht Minden am 22. Mai 2006 Klage (Az.: 5 K 1888/06), die das Gericht mit Urteil vom 25. Mai 2007 rechtskräftig abwies. In den Entscheidungsgründen heißt es u. a.: Die Klage sei unzulässig, soweit Herr L. die nachträgliche Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Klägers begehre. Herrn L. fehle insoweit die Klagebefugnis, da ein Anspruch auf Einbeziehung seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 1. Januar 2005 nur noch von der Bezugsperson, nicht hingegen von dem Einzubeziehenden geltend gemacht werden könne. Herr L. habe keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides. Eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG (in der damals geltenden Fassung) liege nicht vor. Unabhängig davon habe Herr L. sich auch nicht durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Beiakte 2, Blatt 156 ff. verwiesen.
11Der Kläger beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 21. März 2012 die nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 3 BVFG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des BVFG (nunmehr: BVFG a. F.). Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen das Vorbringen des Herrn L. aus dem von ihm betriebenen Aufnahmeverfahren. Er reichte eine ärztliche Bescheinigung über gesundheitliche Einschränkungen seiner Tochter, der Mutter des Herrn L., ein, in der es u. a. heißt, „die Ausweisung eines Kindes wäre sicherlich eine starke emotionale Belastung für die Patientin.“ Wegen der Einzelheiten der Bescheinigung wird auf Beiakte 1, Blatt 12 verwiesen.
12Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 9. Juli 2012 ab. Zur Begründung führte sie an: Herr L. sei kein gemäß § 27 Abs. 3 BVFG a. F. im Aussiedlungsgebiet verbliebener Abkömmling. Er sei bereits im März 1999 in die Bundesrepublik eingereist. Seit dieser Zeit halte er sich ununterbrochen in Deutschland auf und werde von der Ausländerbehörde der Stadt Rostock geduldet. Auch eine Härte im Sinne der Vorschrift sei nicht gegeben. Da Herr L. bereits im Bundesgebiet lebe, sei eine Einbeziehung zur Aufhebung der räumlichen Trennung nicht erforderlich.
13Der Kläger erhob dagegen am 26. Juli 2012 Widerspruch und begründete diesen wie folgt: Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verblieben“ beziehe sich auf den Zeitpunkt der Aussiedlung. Zu diesem Zeitpunkt habe Herr L. seinen Wohnsitz noch im Aussiedlungsgebiet gehabt. Eine Härte sei gegeben. Herr L. sei unmittelbar von Abschiebung bedroht. Da er das Aussiedlungsgebiet als Deserteur verlassen habe, sei eine Wiederbegründung des Wohnsitzes nicht möglich bzw. zumutbar.
14Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2012 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend an: „Im Aussiedlungsgebiet verblieben“ sei nur eine Person, die seit der Ausreise der Bezugsperson ihren Wohnsitz ohne Unterbrechung im Aussiedlungsgebiet habe. Von einer nachträglichen Einbeziehung ausgeschlossen seien daher Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – einen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder einem Drittstaat begründet hätten. Unschädlich seien nur Aufenthalte im Bundesgebiet oder einem Drittstaat, deren Dauer klar und eindeutig durch einen feststehenden Endzeitpunkt begrenzt sei, wie Urlaub, Verwandtenbesuche, Erledigung von Geschäftsangelegenheiten, Heilbehandlungen, zeitlich feststehende Au-Pair-Tätigkeiten oder Studien- bzw. Montageaufenthalte. Da Herr L. bereits seit 1999 im Bundesgebiet lebe und einen Wohnsitz in Deutschland habe, sei er nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“.
15Der Kläger hat dagegen am 18. September 2012 Klage erhoben.
16Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor:
17§ 27 Abs. 3 BVFG a. F. sei dahingehend auszulegen, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abgesehen werden könne, wenn diese Verpflichtung ihrerseits zu einer unzumutbaren Härte führen würde. Eine solche Härte sei hier gegeben. Es bestehe seit der Einreise des Herrn L. nach Deutschland im Jahre 1999 eine Beistandsgemeinschaft zwischen ihm und seinen Familienangehörigen, die mit Blick auf Art. 6 GG nicht auseinandergerissen werden dürfe. Die Situation stelle für ihn, den Kläger, und die gesamte Familie eine starke emotionale Belastung dar. Bleibe es bei der Ablehnung des Antrags auf Einbeziehung, sei Herr L. das einzige Familienmitglied, das – unter Bedrohung von Leben und Gesundheit – isoliert im Herkunftsgebiet sein Dasein fristen müsste.
18Unabhängig davon sei Herr L. durchaus gemäß § 27 Abs. 3 BVFG a. F. im Aussiedlungsgebiet verblieben. Er halte sich im Bundesgebiet nur geduldet auf. Die rechtliche Möglichkeit, einen Wohnsitz tatsächlich zu begründen, werde ihm verwehrt.
19Der Kläger reicht ein Zertifikat der Kreisvolkshochschule Vorpommern-Rügen vom 21. Januar 2014 ein, wonach Herr L. die Prüfung „Deutsch A1“ am 14. Januar 2014 mit „gut“ bestanden hat. Wegen der Einzelheiten des Zertifikats wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
20Der Kläger rügt, die Beklagte habe über Einbeziehungsanträge des Herrn L. aus den Jahren 1996 und 2000 noch nicht abschließend entschieden. Er erklärt, der Einbeziehungsantrag im vorliegenden Verfahren solle auch unter dem Gesichtspunkt des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG n. F.) geprüft werden.
21Der Kläger beantragt,
22die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2012 zu verpflichten, seinen Enkel, Herrn W. L. , nachträglich in seinen Aufnahmebescheid einzubeziehen,
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Herr L. sei nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben. Der Begründung des Wohnsitzes in Deutschland stehe nach der Rechtsprechung des OVG NRW (zitiert wird das Urteil vom 30. August 2012 – 11 A 2558/11) nicht der Umstand entgegen, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhänge. Würden diese nicht erteilt oder verlängert, führe dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließe aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich bestehe, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen und damit die Begründung des Wohnsitzes nicht aus. Neben der tatsächlichen Aufgabe der Niederlassung verlange die Aufhebung des Wohnsitzes einen Willensakt, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht am bisherigen Wohnsitz zu belassen. Dieser Aufgabewille sei anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln und könne häufig aus der Tatsache hergeleitet werden, dass die bisherige Niederlassung für lange Dauer verlassen und ein neuer Wohnsitz begründet worden sei. Gemessen daran habe Herr L. das Aussiedlungsgebiet unter Aufgabe seines Wohnsitzes im März 1999 endgültig verlassen. Dafür spreche insbesondere, dass er im Herkunftsgebiet keine familiären Bindungen mehr besitze und in seinem Einbeziehungsantrag vom 23. August 2000 angegeben habe, die Bundesrepublik nicht wieder verlassen zu wollen.
26Im Übrigen fehle es an der für die Einbeziehung erforderlichen (besonderen) Härte. Es sei insbesondere nicht erkennbar, dass es dem Kläger nicht möglich gewesen sei, bis Anfang 1999 im Herkunftsgebiet zu verbleiben und abzuwarten, bis Herr L. die für die Einbeziehungsentscheidung erforderlichen Unterlagen zusammengestellt habe.
27Die 2. Kammer hat den von dem Kläger gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 12. Dezember 2012 abgelehnt. Das OVG NRW hat diesen Beschluss auf die Beschwerde des Klägers geändert und dem Kläger mit Beschluss vom 17. April 2013 (Az.: 11 E 37/13 – juris) Prozesskostenhilfe bewilligt. Es hat die Frage als klärungsbedürftig angesehen, ob und inwieweit das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. zu prüfen ist. Wegen der Einzelheiten der PKH-Beschlüsse wird auf Blatt 30-32 und Blatt 65-66 der Gerichtsakte verwiesen.
28Entscheidungsgründe:
29Die Klage ist unbegründet.
30Die Ablehnung des Antrags auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in den Aufnahmebescheid des Klägers ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
31Der Kläger hat keinen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.).
32Danach kann abweichend von Satz 1 der im Aussiedlungsgebiet verbliebene [Hervorhebung nur hier] Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
33Herr L. ist nicht „im Aussiedlungsgebiet verblieben“. Er hält sich seit März 1999 ununterbrochen in Deutschland auf, will hier bleiben und hat nach eigenen Angaben im Aussiedlungsgebiet keine familiären Beziehungen.
34Soweit der Kläger demgegenüber geltend macht, Herr L. sei durchaus im Aussiedlungsgebiet verblieben, da er sich hier nur geduldet aufhalte und ihm die Möglichkeit, einen Wohnsitz zu begründen, verwehrt werde, teilt das Gericht diese Einschätzung nicht. Der Begründung eines Wohnsitzes steht nicht der Umstand entgegen, dass die Verwirklichung des Willens zum dauernden Aufenthalt von ausländerrechtlichen Genehmigungen abhängig ist. Werden sie nicht erteilt oder verlängert, so führt dies zwar notwendig zur Aufgabe der Niederlassung und damit zum Wegfall der Voraussetzungen eines Wohnsitzes. Die insoweit in der Regel bestehenbleibende rechtliche Ungewissheit schließt aber, solange die mit der Verlegung des räumlichen Lebensmittelpunktes verbundene Niederlassung tatsächlich besteht, den auf dauernde Aufenthaltnahme gerichteten Niederlassungswillen nicht aus.
35Vgl. OVG NRW, Urt. vom 30. August 2012 – 11 A 2558/11 – juris Rdnr. 46 m. w. N.; Beschl. vom 16. Juli 2013 – 11 A 2624/12 – nicht veröffentlicht.
36Auch das OVG NRW ist in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 davon ausgegangen, dass Herr L. nicht im Aussiedlungsgebiet verblieben ist.
37Der Kläger dringt mit seinem Einwand nicht durch, § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG (§ 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F.) sei dahingehend auszulegen, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abgesehen werden könne, wenn diese Verpflichtung ihrerseits zu einer unzumutbaren Härte führen würde.
38Die vom OVG NRW in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 aufgeworfene Frage, ob und inwieweit das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG) auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. (nunmehr: § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG) zu prüfen ist, ist nach Ansicht der Kammer zu verneinen.
39Die vom OVG NRW erwogene Prüfung ist im Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG nicht angelegt. Dort ist nicht – etwa in Gestalt eines zweiten Halbsatzes – davon die Rede, dass von der Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, abzusehen ist oder abgesehen werden kann, wenn diese Verpflichtung eine besondere Härte bedeuten würde.
40Die systematische Auslegung der Norm spricht ebenfalls dagegen, eine besondere Härte im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG auch im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG zu berücksichtigen. Das Gesetz differenziert ausdrücklich zwischen der Einbeziehung zum Zwecke der gemeinsamen Aussiedlung – bei vor der Ausreise gestelltem Aufnahmeantrag – (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG) und der nachträglichen Einbeziehung der im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Ehegatten und Abkömmlinge (§ 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG). Diese unterschiedlichen Einbeziehungstatbestände würden unzulässig vermengt, wenn die ausschließlich in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG erwähnte, auf die Einbeziehung zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung bezogene „besondere Härte“ – systemwidrig – in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG hineingelesen würde. Soweit das OVG NRW in seinem PKH-Beschluss vom 17. April 2013 ausgeführt hat, ein – indirekter – Hinweis auf die Berücksichtigung einer besonderen Härte im Sinne des § 27 Abs. 2 BVFG a. F. auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG a. F. finde sich in § 27 Abs. 3 Satz 3 BVFG a. F., der ausdrücklich (auch) unanfechtbar abgeschlossene Einbeziehungsverfahren nach § 27 Abs. 2 BVFG a. F. benenne, ist dieser Überlegung durch das Inkrafttreten des Zehnten Gesetzes zur Änderung des BVFG die Grundlage entzogen. Denn seit der Gesetzesänderung ist das Wiederaufgreifensverfahren in Hinsicht auf sämtliche Aufnahme- bzw. Einbeziehungstatbestände separat in § 27 Abs. 3 BVFG geregelt.
41Die entstehungsgeschichtliche bzw. teleologische Auslegung des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG führt zu keinem von dem zuvor Gesagten abweichenden Ergebnis. Sie bestätigt eher die vorherige Auslegung.
42Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen erstmals mit dem am 4. Dezember 2011 in Kraft getretenen Neunten Gesetz zur Änderung des BVFG geschaffen. Die gesetzliche Regelung ging zurück auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. April 2011 (BT-Drs. 17/5515). In dem Gesetzentwurf heißt es auf Seite 9:
43„Die Einbeziehung nach Absatz 1 soll die gemeinsame Aussiedlung der Familie ermöglichen und damit ein mögliches Ausreisehindernis für den Spätaussiedler beseitigen. Im Gegensatz hierzu erfolgt die nachträgliche Einbeziehung nach Absatz 3 ausnahmsweise nach der Aussiedlung des Spätaussiedlers. Hierdurch soll in Härtefällen eine dauerhafte Familientrennung vermieden und so auch die Integration des Spätaussiedlers in Deutschland weiter gefördert werden. Die Verpflichtung für den Einzubeziehenden, das Einbeziehungsverfahren im Aussiedlungsgebiet abzuwarten, besteht weiterhin. Von der Verpflichtung, die Erteilung des Aufnahmebescheides bzw. die Einbeziehung im Herkunftsgebiet abzuwarten, macht nur Absatz 2 im Fall einer besonderen Härte eine Ausnahme. Hierbei handelt es sich um den in der Praxis seltenen Fall, dass die Beachtung der Regelungen des Aufnahmeverfahrens zu einem in hohem Maße unbilligen Ergebnis führen würde.“
44Aus den beiden zuletzt zitierten Sätzen lässt sich nicht mit der notwendigen Sicherheit Schluss ziehen, die in § 27 Abs. 2 BVFG a. F. genannte „besondere Härte“ habe nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch im Rahmen des § 27 Abs. 3 BVFG a. F. Berücksichtigung finden sollen. Wäre dies gewollt gewesen, hätte es dazu klarerer und eingehenderer Darlegungen in der Gesetzesbegründung bedurft. An solchen Darlegungen fehlt es aber. Die Gesetzesbegründung befasst sich in der Folge lediglich relativ ausführlich mit den „sonstigen Voraussetzungen“ und der „(einfachen) Härte“ im Sinne des § 27 Abs. 3 BVFG a. F.
45Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung eine Möglichkeit schaffen wollen, auch diejenigen Familienmitglieder von der nachträglichen Einbeziehung zu erfassen, die – wie Herr L. – ohne einen Einbeziehungsbescheid das Herkunftsland verlassen haben und hier weder vertriebenenrechtlich Aufnahme gefunden noch ausländerrechtlich einen gesicherten Aufenthalt erlangt haben, spricht, dass er im Gesetzgebungsverfahren dem auf Streichung der Wörter „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 3 BVFG a. F. gerichteten Änderungsantrag einer Minderheitsfraktion nicht entsprochen hat.
46Vgl. zu dem Antrag BT-Drs. 17/7178, Seite 4 f.; vgl. überdies Plenarprotokoll 17/130, Seite 15368.
47Mit dem Zehnten Gesetz zur Änderung des BVFG, in Kraft getreten am 14. September 2013, hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen herabgesenkt. Die nachträgliche Einbeziehung ist nun nicht mehr vom Vorliegen einer Härte abhängig. Außerdem besteht eine erweiterte Möglichkeit, vom Nachweis der Grundkenntnisse der deutschen Sprache abzusehen. Das Tatbestandsmerkmal „im Aussiedlungsgebiet verbliebene“ in § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist von der Gesetzesänderung indes nicht betroffen gewesen. Den Gesetzesmaterialien,
48vgl. insbesondere den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 22. August 2012, Drs. 17/10511, und die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 12. Juni 2013, Drs. 17/13937,
49lässt sich nichts Substantielles dafür entnehmen, dass die jetzt in § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG angesprochene besondere Härte im Rahmen des § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG Berücksichtigung finden soll.
50Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Einbeziehung des Herrn L. in seinen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG (§ 27 Abs. 2 Satz 1 BVFG a. F.)
51Danach kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
52Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls an einer besonderen Härte. Der Kläger trägt, was die Beklagte zutreffend rügt, nichts dazu vor, dass es ihm nicht möglich war, bis Anfang 1999 im Aussiedlungsgebiet zu verbleiben und abzuwarten, bis Herr. L. die für die Einbeziehungsentscheidung erforderlichen Unterlagen zusammengestellt hatte. Soweit der Kläger geltend macht, es bestehe seit der Einreise des Herrn L. nach Deutschland eine Beistandsgemeinschaft zwischen ihm und seinen Familienangehörigen, die mit Blick auf Art. 6 GG nicht auseinandergerissen werden dürfe, stellt dies keine besondere Härte im vertriebenenrechtlichen Sinne dar. Diesem Umstand mag allenfalls ausländerrechtlich durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen oder einer Duldung Rechnung getragen werden.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
(1) Die Länder nehmen die Spätaussiedler und ihre Ehegatten und Abkömmlinge, soweit sie die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 erfüllen, auf. Das Bundesverwaltungsamt legt das aufnehmende Land fest (Verteilungsverfahren). Bis zu dieser Festlegung werden die Personen vom Bund untergebracht. Spätaussiedler und in den Aufnahmebescheid einbezogene Ehegatten oder Abkömmlinge sind verpflichtet, sich nach der Einreise in den Geltungsbereich des Gesetzes in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Bundes registrieren zu lassen.
(2) Familienangehörige des Spätaussiedlers, die, ohne die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 zu erfüllen, gemeinsam mit dem Spätaussiedler eintreffen, können in das Verteilungsverfahren einbezogen werden.
(3) Die Länder können durch Vereinbarung einen Schlüssel zur Verteilung festlegen. Bis zum Zustandekommen dieser Vereinbarung oder bei deren Wegfall richten sich die Verteilungsquoten für das jeweilige Kalenderjahr nach dem von der Geschäftsstelle der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung im Bundesanzeiger veröffentlichten Schlüssel, der für das vorangegangene Kalenderjahr entsprechend Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl der Länder errechnet worden ist (Königsteiner Schlüssel).
(4) Das Bundesverwaltungsamt hat den Schlüssel einzuhalten. Zu diesem Zweck kann ein von den Wünschen des Spätaussiedlers abweichendes Land zur Aufnahme verpflichtet werden.
(5) Wer abweichend von der Festlegung oder ohne Festlegung des Bundesverwaltungsamtes in einem Land ständigen Aufenthalt nimmt, muss dort nicht aufgenommen werden.
(6) (weggefallen)
(7) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) gilt nicht für Einrichtungen zur Aufnahme von Spätaussiedlern.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.