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| Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, da ihm kein Anspruch auf Teilnahme an einem weiteren Wiederholungsversuch im Fach „Mathematische und naturwissenschaftliche Grundlagen“ für die Prüfung zum „Geprüften Meister für Lagerwirtschaft“ zusteht (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). |
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| Die am 30.11.2012 durchgeführte Wiederholungsprüfung im Fach „Mathematische und naturwissenschaftliche Grundlagen“ ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht mit Verfahrensfehlern behaftet, die zur Rechtswidrigkeit des Nichtbestehensbescheids vom 27.12.2012 führen. Es ergeben sich insbesondere keine beachtlichen Störungen des eigentlichen Verfahrens der Leistungserbringung, die einen Anspruch auf nochmalige Durchführung der Prüfung begründen könnten. |
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| Das durch die Zulassung zu einer Prüfung begründete Prüfungsrechtsverhältnis zwischen dem Prüfungsbewerber bzw. -teilnehmer einerseits und der Prüfungsbehörde sowie den Prüfern andererseits richtet sich zunächst nach den Bestimmungen der einschlägigen Prüfungsordnung. Daneben ist es geprägt vom Grundsatz der Chancengleichheit, der vor allem die Prüfungsbehörde verpflichtet, insbesondere durch äußerlich gleiche Bedingungen während des eigentlichen Verfahrens der Leistungserbringung für ein faires Verfahren und gleiche Startchancen zu sorgen (Niehues/ Fischer/ Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Auflage 2014, Rn. 402 f; Zimmerling/ Brehm, Prüfungsrecht, 3. Auflage 2007, Rn. 87). Damit der Grundsatz der Chancengleichheit gewahrt wird, treffen aber auch den Prüfling Mitwirkungspflichten bzw. Mitwirkungsobliegenheiten (BVerwG, Urt. v. 22.06.1994 - 6 C 37/92 - BVerwGE 96, 126) sowohl im Vorfeld der Prüfung als auch während des Verfahrens der Leistungserbringung. Kommt es im Verlauf des eigentlichen Prüfungsgeschehens zu Störungen, die den Prüfungsteilnehmer in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, hat er dies grundsätzlich unverzüglich zu rügen; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine objektiv nicht ohne Weiteres erkennbare persönliche Betroffenheit handelt (Niehues/ Fischer/ Jeremias, aaO, Rn. 478). |
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| Mit dem Einwand, dass die Wiederholungsprüfung vom 30.11.2012 aufgrund der zunächst fehlenden Angaben bei der Aufgabe Nr. 2 und der hierfür gewährten - und nach Auffassung des Klägers nicht ausreichenden - Nachbearbeitungszeit von 15 Minuten verfahrensfehlerhaft und daher rechtswidrig gewesen sei, dringt der Kläger nicht durch. Offensichtliche Fehler in der Darstellung von Prüfungsaufgaben - wozu auch erkennbar fehlende Angaben zählen - sind vom Prüfer beziehungsweise der Prüfungsbehörde umgehend zu berichtigen (Niehues/ Fischer/ Jeremias, aaO, Rn. 495). Zwar war die Aufgabe Nr. 2 zunächst wegen der nicht angegebenen elektrischen Widerstandsstärken nicht lösbar, jedoch wurden auf diesbezügliche Rüge des Klägers hin die fehlenden Angaben durch die Prüfungsaufsicht in Erfahrung gebracht und dem Kläger nach ca. 20 Minuten mitgeteilt. Der Kläger war daraufhin in der Lage, die Aufgabe Nr. 2 zu lösen und erhielt hierfür 8 von 8 erreichbaren Punkten. Für die entstandene Verzögerung beziehungsweise Störung des Prüfungsablaufs wurde dem Kläger eine Nachbearbeitungszeit von 15 Minuten gewährt. |
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| Bei der Entscheidung darüber, welche Abhilfemaßnahmen nach einer Störung des Prüfungsablaufs zur Wiederherstellung der Chancengleichheit geeignet und erforderlich sind, steht der Prüfungsbehörde grundsätzlich kein Ermessensspielraum zu. Es kommt darauf an, ob der Ausgleich angesichts der tatsächlich festzustellenden Dauer und Intensität der Störungen gelungen ist. Dies ist gerichtlich voll überprüfbar (BVerfG, Beschl. v. 21.12.1992 - 1 BvR 1295/90 - NJW 1993, 917; Niehues/ Fischer/ Jeremias, aaO, Rn. 476). Im vorliegenden Fall kommt es jedoch nicht darauf an, ob die dem Kläger zugestandene Nachbearbeitungszeit von 15 Minuten ausreichend war. Denn der Kläger hat die seiner Auffassung nach unzureichende Schreibzeitverlängerung nicht rechtzeitig gerügt. Ein Prüfling, der eine gewährte Ausgleichsmaßnahme für nicht ausreichend erachtet, ist grundsätzlich verpflichtet, dies unverzüglich zu rügen. Denn der Prüfling hat durch seine Rüge den Anstoß zu schnellstmöglichen (weiteren) Abhilfemaßnahmen zu geben, die sonst möglicherweise unterbleiben würden (Niehues/Fischer/ Jeremias, aaO, Rn. 480; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 26.02.1986 - 2 A 71/85 - NVwZ 1988, 457). Es ist daher einem Prüfling grundsätzlich zumutbar, Verfahrensmängel noch während einer schriftlichen Prüfung dem Aufsichtsführenden zu melden. Eine solche Obliegenheit dient gerade der Chancengleichheit, da sie verhindern soll, dass sich ein Prüfling durch nachträgliche Geltendmachung des Verfahrensmangels eine weitere Prüfungschance und damit eine Bevorzugung vor anderen Prüflingen verschafft (BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 - 7 C 67/82 - BVerwGE 69, 46). Im vorliegenden Fall hat der Kläger das Nichtausreichen der gewährten Nachbearbeitungszeit erstmals mit seinem am 25.01.2013 erhobenen Widerspruch geltend gemacht und mithin nach der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses und dem Ergehen des Nichtbestehensbescheids vom 27.12.2012. Die Rüge von Verfahrensfehlern ist jedoch jedenfalls dann nicht mehr unverzüglich erfolgt, wenn die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses abgewartet wird, da sich der Prüfling sonst im Falle des Misslingens der Prüfung unter Verstoß gegen die Chancengleichheit eine zusätzliche Prüfungsmöglichkeit verschaffen könnte (Niehues/ Fischer/ Jeremias, aaO, Rn. 282 u. 485 m.w.N. d. Rspr.). |
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| Die unverzügliche Rüge einer möglicherweise nicht ausreichenden Schreibzeitverlängerung war im vorliegenden Fall auch nicht entbehrlich. Die unverzügliche Geltendmachung von Verfahrensfehlern kann dann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn die Mängel des Prüfungsverfahrens offensichtlich und zweifelsfrei vorliegen; denn die Prüfungsbehörde ist grundsätzlich nicht gehalten, die von ihr gewählte Ausgleichsmaßnahme in Frage zu stellen, sondern kann mangels gegenteiliger Anhaltspunkte von ihrer Wirksamkeit ausgehen (VGH Bad.-Württ, Beschl. v. 16.08.2006 - 9 S 675/06 - VBlBW 2007, 65; Niehues/ Fischer/ Jeremias, aaO, Rn. 475). Die dem Kläger gewährte Nachbearbeitungszeit von 15 Minuten war nicht offensichtlich unangemessen kurz. Denn die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass sie die gewährte Schreibzeitverlängerung in Anbetracht der auf die Aufgabe Nr. 2 entfallenden anteiligen Bearbeitungszeit von ca. 8 Minuten und der Möglichkeit des Klägers, während der „Wartezeit“, in der die notwendigen Angaben nicht zur Verfügung standen, andere Aufgaben zu bearbeiten, für ausreichend erachtet. Diese Überlegungen der Beklagten zur Bestimmung einer angemessenen Nachbearbeitungszeit sind jedenfalls nicht offensichtlich unzutreffend. |
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| Auch der Umstand, dass die zur Lösung der Aufgabe Nr. 3 notwendigen Formeln nicht in der dem Kläger zur Verfügung gestellten Formelsammlung enthalten waren, stellt keinen Mangel des Prüfungsverfahrens dar, der zur Rechtswidrigkeit der Wiederholungsprüfung vom 30.11.2012 führen würde. Denn der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Kenntnis der benötigten Formeln nicht Teil des Prüfungsstoff gewesen sei und die Formeln daher hätten angegeben werden müssen. |
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| Den generell zulässigen Inhalt der Prüfung zu bestimmen und damit auch zu begrenzen, ist nicht Aufgabe der Prüfungsbehörden oder des einzelnen Prüfers, sondern dafür ist - jedenfalls bei berufsbezogenen Prüfungen - ein normativ vorgegebener Rahmen erforderlich. Dabei muss der parlamentarische Gesetzgeber nicht regeln, welche Themen und Inhalte in bestimmten Prüfungen zugelassen sind, sondern kann das Ziel und den Zweck der Ausbildung und anschließenden Leistungskontrolle angeben und die Umschreibung des zulässigen Prüfungsstoffs einer als Rechtsverordnung oder Hochschulsatzung auszugestaltenden Prüfungsordnung überlassen (Niehues/ Fischer/ Jeremias, aaO, Rn. 374). In dem damit vorgegebenen Rahmen steht es der zuständigen Prüfungsbehörde frei, die Prüfungsthemen zu bestimmen und Prüfungsaufgaben zu stellen. Dementsprechend ist der zulässige Prüfungsstoff nicht auf die in der Prüfungsvorbereitung behandelten Teile oder in Übungen durchgeführten Experimente beziehungsweise praktischen Arbeiten begrenzt. Er wird vielmehr allein durch die Prüfungsordnung bestimmt (Bay. VGH, Urt. v. 04.12.1991 - 7 B 91.975 - NVwZ 1992, 693; Zimmerling/ Brehm, aaO, Rn. 348 f). |
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| Der von der hier einschlägigen Prüfungsordnung vorgegebene Umfang des Prüfungsstoffs für die Prüfung zum „Geprüften Meister für Lagerwirtschaft“ wird nicht überschritten, wenn die Beklagte die Kenntnis der für die Lösung der Aufgabe Nr. 3 erforderlichen Formeln als Bestandteil der zu erbringenden Prüfungsleistung ansieht. Gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 bis 3 PO soll der Prüfungsteilnehmer im Prüfungsfach „Mathematische und naturwissenschaftliche Grundlagen“ nachweisen, dass er grundlegende mathematische, physikalische und chemische Kenntnisse zur Lösung praxisbezogener Aufgabenstellungen anwenden kann. Hierzu gehört, dass er die Grundbegriffe und elementaren Gesetzmäßigkeiten der Physik und der allgemeinen Chemie kennt und ihre Auswirkungen auf die berufliche Praxis beurteilen kann. Außerdem soll er deutlich machen, dass er die mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Berechnungen unter Nutzung der entsprechenden Gleichungen ausführen kann. Gemäß § 5 Abs. 2 S. 4 Nr. 2 b) PO kann in diesem Rahmen das Berechnen von Kräften, Momenten, Arbeit, Leistung und Wirkungsgrad geprüft werden. Im Rahmenstoffplan des Deutschen Industrie- und Handelskammertags für die Prüfung zum Meister für Lagerwirtschafts werden unter Nr. 1.2.2.1 zum Lernziel „Beherrschung der Grundbegriffe der Dynamik“ folgende Lerninhalte aufgeführt: Statische und dynamische Definition des Kraftbegriffs, Rollen- und Flaschenzüge, Definition des Drehmoments, Hebelarten und Hebelgesetze, Standmoment und Kippmoment, Lineares Kraftgesetz, Zentrifugal- und Zentripedalkraft, Reibungskräfte. |
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| Bei der hier streitgegenständlichen Aufgabe Nr. 3 war die Kraft zu berechnen, die zum Anheben eines entgleisten Güterwaggons mit Hilfe eines Flaschenzugs benötigt wird. Gemäß den Lösungshinweisen der Beklagten zur Wiederholungsprüfung im Fach „Mathematische und naturwissenschaftliche Grundlagen“ waren zur Lösung der Aufgabe Nr. 3 die Formel zur Berechnung der Gewichtskraft (f=m×g), die Formel zum Hebelgesetz (f1×l1=f2×l2) sowie die Formel zur Berechnung der effektiv benötigten Zugkraft bei Verwendung eines Flaschenzugs (fr=f÷n) nacheinander anzuwenden. Sowohl bei der Gewichtskraft als auch beim Hebelgesetz und der Wirkung von Flaschenzügen handelt es sich um Grundbegriffe und elementare Gesetzmäßigkeiten der Physik, insbesondere der Mechanik. Folglich hat die Beklagte den durch § 5 Abs. 2 S. 4 Nr. 2 b) PO vorgegebenen Rahmen des zulässigen Prüfungsstoffs nicht verlassen und durfte zulässigerweise die Kenntnis der oben genannten Formeln als Teil der zu erbringenden Prüfungsleistung erwarten. |
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| Auch der Einwand des Klägers, er sei mangelhaft auf die Prüfung vorbereitet worden und die abgeprüften Inhalten hätten nicht mit dem im Vorbereitungslehrgang behandelten Stoff übereingestimmt, greift nicht durch. Wie bereits ausgeführt, kommt es für eine rechtmäßige Auswahl des Prüfungsstoffs durch die Prüfungsbehörde nicht auf den Inhalt der prüfungsvorbereitenden Lehrveranstaltungen, sondern auf die Vorgaben der einschlägigen Prüfungsordnung an. Folglich wäre die Rechtmäßigkeit der Wiederholungsprüfung vom 30.11.2012 selbst dann nicht berührt, wenn der Vortrag des Klägers zuträfe, dass die in der Prüfung abgefragten Inhalte zuvor im Vorbereitungskurs nicht behandelt worden seien (Bay. VGH, Urt. v. 04.12.1991 - aaO.; Zimmerling/ Brehm, aaO, Rn. 349 f). Danach kommt es auch nicht darauf an, inwiefern die Beklagte für die Inhalte des von der IHK Bildungszentrum K. GmbH abgehaltenen Vorbereitungslehrgangs verantwortlich ist bzw. auf diese Einfluss nehmen kann. |
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| Die Aufgabe Nr. 3 der Wiederholungsprüfung vom 30.11.2012 und insbesondere die zur Lösung dieser Aufgabe notwendige Kenntnis mehrerer Formeln verlassen nicht den Rahmen des zulässigen Prüfungsstoffs (s.o.). Dass durch die übrigen Aufgaben der Prüfung außerhalb des zulässigen Prüfungsstoffs liegende Kenntnisse abgefragt wurden, ist weder ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen. |
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| Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf EUR 5.000 festgesetzt (in Anlehnung an Nr. 36.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der zuletzt beschlossenen Änderung vom 18.07.2013). |
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