Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 18. Apr. 2016 - 3 K 2926/15

bei uns veröffentlicht am18.04.2016

Tenor

1. Hinsichtlich Ziffer 4 der Verfügung vom 13.05.2015 wird das Verfahren eingestellt.

2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Der Streitwert wird auf 100.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine sofort vollziehbare Nutzungsuntersagung.
Der Antragsteller ist Eigentümer von Beherbergungs- und Gastronomiebetrieben im Geviert zwischen der B...-, der S...- und der ... Straße in Karlsruhe. Der umfangreiche Gebäudekomplex der sog. ..., deren Geschäftsführer der Antragsteller ist, erstreckt sich mit einer Länge von ca. 120 - 130 m von der B... Straße zur ... Straße und besteht im Wesentlichen aus dem Stammhaus Hotel ... sowie zwei weiteren Beherbergungsbetrieben in der B... Straße sowie einem Gebäudekomplex in der S... Straße, bestehend aus dem Hotel A... in den Obergeschossen und dem als Gaststätte und Veranstaltungsraum genutzten Gastronomiebereich „B...“ in den Unter- und Sockelgeschossen. Alle Gebäude sind durch eine mehrstöckige Tiefgarage miteinander verbunden; die Einfahrt befindet sich in der B... Straße, die Ausfahrt erfolgt über die S... Straße. Soweit ersichtlich hat der gesamte Gebäudekomplex drei Untergeschosse, das Hotel K. fünf Obergeschosse (einschließlich zweier Dachgeschosse) und das Hotel A. vier Obergeschosse.
Am 22.01., 28.03. und 23.05.2014 führte die Antragsgegnerin Brandverhütungsschauen durch, bei denen die Branddirektion zahlreiche brandschutzrechtliche Mängel beanstandete. Am 22.05.2015 erfolgte eine weitere brandschutzrechtliche Begehung.
Mit Verfügung vom 13.05.2015 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Nutzung der Tiefgarage (Ziffer 1), die Nutzung der Hotelzimmer des Hotels A. als Aufenthaltsräume (Ziffer 2), die Nutzung der Hotelhalle und des Gastronomiebereichs B. in den Erd-, Sockel- und Untergeschossen (Ziffer 3) sowie die Nutzung des Zimmers 501 im Hotel K. (Ziffer 4). Ferner forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, Bestandspläne und ein Brandschutzkonzept für die Gebäude in der B... Straße bis zum 19.06.2015 vorzulegen (Ziffer 5) sowie Bestandspläne und ein Brandschutzkonzept für den Gebäudekomplex in der S... Straße (Ziffer 6) und für die Tiefgarage (Ziffer 7) vorzulegen. Die sofortige Vollziehung von Ziffern 1 - 5 wurde angeordnet (Ziffer 8). Für den Fall, das Ziffern 1 - 5 nicht Folge geleistet werde, wurde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 30.000 EUR angedroht (Ziffer 9).
Der Antragsteller hat am 19.05.2015 Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist. Am 28.05.2015 stellte er beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes. Er macht im Wesentlichen geltend, die beanstandeten brandschutztechnischen Mängel seien - sofern sie überhaupt vorgelegen hätten - mittlerweile beseitigt. Es bestehe keine Gefahr für Leib und Leben. Insbesondere habe er einen weiteren Rettungsweg zum öffentlichen Verkehrsraum geschaffen, Wände, Türen, Stützen und Decken umfangreich ertüchtigt und eine neue Brandmeldeanlage installiert. Zur Glaubhaftmachung legte der Antragsteller unter anderem ein Brandschutzkonzept von Dr.-Ing. M. vom 26.10.2015 nebst Ergänzungsgutachten vom 19.01.2016, vier Stellungnahmen des Bausachverständigen Dipl.-Ing. (FH) H. vom 19.06.2015 und vom 14.01.2016 zur Entrauchung, Stellungnahmen des Baustatikers Dr.-Ing. S. vom 29.05.2015 und 17.01.2016 zur Statik, Prüfberichte von Dipl.-Ing (FH) H. zur Sicherheitsbeleuchtung und zur Brandmeldeanlage, Übersichtspläne der Unter-, Sockel- und Erdgeschosse sowie einen Gebäudeschnitt, Rettungsweg- und Feuerwehrpläne, technische Merkblätter zu den verwendeten Baumaterialien und eine umfangreiche Fotodokumentation vor.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung vom 13.05.2015 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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Sie trägt im Wesentlichen vor, das Vorhaben genüge nach wie vor nicht den brandschutzrechtlichen Vorgaben, wie sich auch aus den vorgelegten sachverständigen Stellungnahmen ergebe. Das Brandschutzkonzept sei noch nicht umgesetzt. Es fehlten immer noch aussagekräftige Bestandspläne, Verwendungsnachweise für Bauart und Bauprodukte und entsprechende Bauleitererklärungen. Die Feststellung der Brandsicherheit des Gebäudekomplexes sei daher nicht möglich.
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Die Kammer hat am 07.04.2016 einen Augenschein eingenommen und die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
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Im Erörterungstermin haben die Beteiligten den Rechtsstreit bezüglich Ziffer 4 der Verfügung vom 13.05.2015 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
13 
Wegen der Einzelheiten wird auf die dem Gericht vorliegenden einschlägigen Akten der Antragsgegnerin (81 Bände, Ordner oder Hefte) und auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
14 
1. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich Ziffer 4 der Verfügung vom 13.05.2015 in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und nur noch über die Kosten zu entscheiden.
15 
2.1 Der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ist statthaft und auch sonst zulässig. Die Antragsgegnerin hat in Ziffer 8 der Verfügung vom 13.05.2015 die sofortige Vollziehung von Ziffern 1 - 5 angeordnet (§ 80 Abs. 2 S.1 Nr. 4 VwGO). Die Zwangsgeldandrohung ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, S. 2 VwGO i.V.m. § 12 LVwVG).
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2.2 Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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2.2.1 Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einem gesonderten Abschnitt der Verfügung schriftlich begründet (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO). Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit der Nutzer trotz des damit verbundenen erheblichen Eingriffs in das Eigentumsrecht sofort beseitigt werden müsse und der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden könne. Aufgrund der in der Verfügung dargelegten, scheinbar prekären Situation im Bereich der B.-Straße sei auch die Vorlage der Bestandspläne zwingend erforderlich; denn wenn sich die Einschätzung des Bauordnungsamts bestätige, bestünde eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit der Nutzer. Bei Abwägung der Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit mit dem Eigentumsrecht des Antragstellers aus Art. 14 GG müsse das Recht auf Eigentum zurückstehen.
18 
Diese Begründung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Die Antragsgegnerin hat dargelegt, aus welchen Gründen ihrer Ansicht nach das öffentliche Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung gegenüber den privaten Interessen des Antragstellers überwiegt, und zu erkennen gegeben, dass sie sich des prinzipiellen Ausnahmecharakters einer Anordnung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO bewusst ist. Auf die Frage, ob die Begründung in der Sache zutrifft, kommt es im Rahmen des formellen Begründungserfordernisses nach § 80 Abs. 3 VwGO nicht an.
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2.2.2 Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht begegnet die Anordnung der sofortigen Vollziehung keinen rechtlichen Bedenken.
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Die gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergeht im Wege einer Interessenabwägung. Maßgeblich ist, ob das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs oder das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Für das Interesse des Antragstellers, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Hat die Behörde die sofortige Vollziehung abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gesondert angeordnet, bedarf es zusätzlich eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts, das über das allgemeine öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände, wie es jedem Verwaltungsakt innewohnt, hinausgeht. Das schließt allerdings nicht aus, dass sich dieses Vollziehungsinteresse im Einzelfall - auch - aus dem allgemeinen Erlassinteresse ergibt bzw. mit diesem identisch ist, etwa wenn bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr die begründete Besorgnis besteht, die mit dem Verwaltungsakt bekämpfte Gefahr werde sich bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren, oder wenn ein Verwaltungsakt ohne sofortige Vollziehung seinen Zweck verfehlt. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren andererseits an; der Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist abzulehnen, wenn das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs und einer eventuell nachfolgenden Klage überwiegt. Der Rechtsschutzanspruch des Betroffenen ist umso stärker und muss umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt (ständige Rspr., vgl. zum Ganzen VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.03.1997 - 13 S 1132/96 -, juris m.w.N.).
21 
Gemessen an diesem Maßstab überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
22 
2.2.3. Die Nutzungsuntersagungen in Ziffern 1 - 3 der Verfügung vom 13.05.2015 dürften sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen. Allenfalls sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache derzeit offen (2.2.3.1). Die unter dieser Prämisse durchzuführende Interessenabwägung fällt zum Nachteil des Antragstellers aus (2.2.3.2).
23 
2.2.3.1. Die Antragsgegnerin stützt Ziffern 1 - 3 der angefochtenen Verfügung auf § 47 Abs. 1 LBO und § 65 Satz 2 LBO.
24 
2.2.3.1.1 Nach der spezielleren Regelung des § 65 Satz 2 LBO kann die Baurechtsbehörde die Nutzung von Anlagen untersagen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Ein solcher Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Rücksicht auf das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) voraus, dass die Nutzung nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist (formelle Illegalität) und seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht verstößt (materielle Illegalität; vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 22.01.1996 - 8 S 2964/95 -, juris, m.w.N; str.). Soll eine Nutzungsuntersagung nur vorläufig, das heißt bis zur endgültigen Klärung der Genehmigungsfähigkeit im Baugenehmigungsverfahren gelten, reicht allein eine formelle Baurechtswidrigkeit aus (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 01.02.2007 - 8 S 2606/06 -, juris). Da es sich bei der angefochtenen Nutzungsuntersagung um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt, ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebend auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.07.2002 - 5 S 149/01 -, juris).
25 
Bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung kann nicht abschließend geklärt werden, in welchem Umfang die Errichtung und Nutzung des Vorhabens in seiner heutigen Ausführung von Baugenehmigungen gedeckt ist. In der komplexen und unübersichtlichen Gesamtanlage findet seit Anfang/Mitte der 90er Jahre eine stetige Bautätigkeit statt, für die abschnittsweise zahlreiche Baugenehmigungen erteilt worden sind. Eine Gesamtplanung wurde nicht zur Genehmigung gestellt. Allein für den Neubau der Tiefgarage in der B.-Straße (Hotel K.) wurden - soweit ersichtlich - mittlerweile fünf Nachtragsgenehmigungen zur Baugenehmigung vom 16.09.1996 erteilt. Für den Hotel- und Gaststättenbereich in der S.-Straße (Hotel A. sowie Gaststätte B. in den drei Unter- bzw. Sockelgeschossen) liegt mittlerweile die 7. Nachtragsbaugenehmigung zur Baugenehmigung vom 03.05.1993 („Umbau, Erweiterung und Neubau eines Hotels mit Tiefgarage“) vor. Daneben gibt es eine Anzahl weiterer Baugenehmigungen zu einzelnen Baumaßnahmen wie etwa den Dachgeschossausbau in der B.-Straße und die Errichtung eines Biergartens im Innenbereich der Hotelanlage. Nach dem - allerdings bestrittenen - Vortrag der Baurechtsbehörde ist teilweise ohne bzw. abweichend von den genehmigten Bauvorlagen gebaut worden. Die Beantwortung der Frage, inwieweit die Anlage in ihrem gegenwärtigen Zustand durch Baugenehmigungen gedeckt ist, bedarf daher einer eingehenden Prüfung der umfangreichen Behördenakten, die im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu leisten ist. Zumindest im Bereich der Tiefgarage spricht aber vieles dafür, dass diese entgegen der Ansicht des Antragstellers abweichend von den Bauvorlagen errichtet wurde. Genehmigt wurde jeweils eine Tiefgarage von der B.-Straße bis zur südlichen Grundstücksgrenze (Flst.-Nrn. ... und ...) sowie eine Tiefgarage von der S.-Straße bis zur nördlichen Grundstücksgrenze (Flst.-Nrn. ... und ...). Zwar hat der Antragsteller geltend gemacht, dass der Antragsgegnerin bekannt gewesen sei, dass eine über eine gemeinsame Ein- und Ausfahrt verbundene Großgarage entstehen sollte. Dies dürfte zumindest insoweit zutreffen, als schon durch die isolierte Genehmigung der Tiefgarage in der B.-Straße eine Großgarage im Sinne der Garagenverordnung entstanden ist und die Antragsgegnerin deshalb entsprechende Anforderungen gestellt hat. Auch scheint die Ein- und Ausfahrtssituation mit Ämtern der Antragsgegnerin besprochen worden zu sein. Allerdings ist sowohl in den Bauvorlagen der - soweit ersichtlich - letzten einschlägigen 4. Nachtragsbaugenehmigung vom 23.10.1998 zur Tiefgarage in der B.-Straße als auch in den Bauvorlagen zur insoweit maßgeblichen 6. Nachtragsbaugenehmigung vom 19.05.2010 zur Tiefgarage in der S.-Straße zwischen beiden Garagen an den südlichen bzw. nördlichen Grundstücksgrenzen eine Wand neben den Stellplätzen eingezeichnet. Ferner ergibt sich aus den genannten Nachtragbaugenehmigungen, dass zwar ein Durchgang zwischen beiden Garagen genehmigt ist, dieser aber mit einem Tor in T 30-Qualität verschließbar sein muss. Insbesondere die 6. Nachtragsbaugenehmigung vom 19.05.2010 enthält an dieser Stelle den Grüneintrag „T-30-Tor mit Fluchttür“. Wie der von der Kammer eingenommene Augenschein ergeben hat, ist kein verschließbares Tor mit Fluchttür zwischen beiden Garagen vorhanden. Ob die in den Bauvorlagen enthaltene Wand zwischen beiden Garagen im 3. und 2. UG besteht, ist aufgrund des fließenden, nicht genau abgrenzbaren Übergangs zwischen den einzelnen Ebenen und Geschossen der Tiefgarage zumindest zweifelhaft. Da der gesamte Gebäudekomplex als einheitlicher Brandabschnitt ausgebildet ist, dürfte das Fehlen eines Tores und einer Wand erhebliche Auswirkungen auf die brandschutzrechtliche Gesamtbeurteilung haben.
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Weiter dürften im Hotel- und Gaststättenbereich an der S.-Straße das neu errichtete Treppenhaus N 5 und der Ausgang vom Innenhof nach Osten einschließlich des Sammelplatzes und der Steg vom Treppenhaus West - jedenfalls in seiner jetzigen Ausgestaltung - nicht in den genehmigten Bauvorlagen enthalten sein. Inwieweit die umfangreichen Bauarbeiten im zukünftigen Sauna- und Wellness-Bereich von Baugenehmigungen gedeckt sind, ist zumindest fraglich.
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Hinzu kommt, dass in den Baugenehmigungen umfangreiche Grüneinträge und brandschutzrechtliche Nebenbestimmungen enthalten sind, die die Bauvorlagen maßgeblich modifiziert haben und - soweit ersichtlich - zumindest im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung nicht vollständig umgesetzt worden sind. So sind zum Beispiel in den Baugenehmigungen der Tiefgarage an der B.-Straße vom 16.09.1996 und vom 23.10.1998 Bestimmungen zur Feuerwiderstandsklasse der tragenden Teile (F 90), zu den sicherheitstechnischen Einrichtungen der Garage (etwa Sicherheitsbeleuchtung, CO-Warnanlage, Lüftungsanlage) und zu Zahl und Qualität der Rettungswege enthalten. Auch die Baugenehmigungen zum Komplex an der S.-Straße enthielten Grüneinträge und zahlreiche Nebenbestimmungen zum Brandschutz, etwa zur Herstellung der notwendigen Rettungswege u.a. durch Sicherheitsbeleuchtung und Fluchtwegpiktogramme, zur F 90-Abtrennung zur Tiefgarage und Abschottung der technischen Betriebsräume, zur Herstellung der Brandmeldeanlage und vieles mehr (vgl. etwa Baugenehmigung vom 06.04.2001, Anlage I Ziff. 4 ff). Besonders umfangreiche brandschutzrechtliche Anforderungen, etwa im Hinblick auf die Feuerbeständigkeit der Trennwände und Türen und der tragenden Wände, Decken und Stützen sowie die Ausgestaltung der Rettungswege, werden ferner in der 6. Nachtragsbaugenehmigung zum Hotelkomplex A. gestellt (Ziff. 14 ff.).
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Wie sich aus einer Vielzahl von Bauabnahmen und Brandverhütungsschauen ergibt, wurden diese Nebenbestimmungen und Grüneinträge nicht vollständig umgesetzt (dazu sogleich). Auch deshalb kann davon ausgegangen werden, dass die Gesamtanlage so, wie sie tatsächlich errichtet wurde, voraussichtlich nicht den erteilten Baugenehmigungen entspricht und daher formell illegal ist.
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Bei summarischer Prüfung steht die Anlage in ihrem derzeitigen baulichen Zustand daher nicht unter Bestandsschutz im Sinne des § 65 Satz 2 LBO. Da die Nutzung bereits aufgenommen wurde, dürfte deshalb - auch im Hinblick auf die unvollständige Umsetzung der brandschutzrechtlichen Grüneinträge und Nebenbestimmungen - die Regelung des § 65 Satz 2 LBO einschlägig sein. Allerdings verkennt die Kammer nicht, dass die Nutzung der baulichen Anlage ihr Art nach grundsätzlich genehmigt ist. Selbst wenn man aber die Auffassung vertritt, dass eine abweichende Bauausführung und die Nichterfüllung brandschutzrechtlicher Grüneinträge und Nebenbestimmungen nicht dazu führt, dass die Nutzung der baulichen Anlage als solche formell illegal ist, dürfte jedenfalls die allgemeine Ermächtigungsgrundlage des § 47 Abs. 1 Satz 2 LBO einschlägig sein. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 LBO haben die Baurechtsbehörden darauf zu achten, dass die baurechtlichen Vorschriften sowie die anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Errichtung und den Abbruch von Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 LBO eingehalten und die auf Grund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen befolgt werden. Sie haben zur Wahrnehmung dieser Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich sind (Satz 2). Die öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Brandschutz und die darauf gestützten Anordnungen der Baurechtsbehörde sind bei der Errichtung der Anlage voraussichtlich nicht eingehalten worden (dazu sogleich 2.2.3.1.2). Diese Abweichungen sind jedenfalls nicht von den jeweiligen Baugenehmigungen gedeckt.
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Ergänzend weist die Kammer im Hinblick auf das noch ausstehende Widerspruchsverfahren darauf hin, dass sich eine hoheitliche Anordnung unter bestimmten Voraussetzungen auch dann als rechtmäßig erweisen kann, wenn sie zwar nicht auf der Grundlage der von der Behörde genannten Vorschrift erlassen werden durfte, eine andere Ermächtigungsgrundlage jedoch die Befugnis zum Erlass einer entsprechenden Verfügung verleiht, die Behörde sich also nur bei der Nennung der maßgeblichen Vorschrift geirrt hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.10.1992 - 8 S 2007/92 - juris). Gemäß § 58 Abs. 6 LBO können auch nach Erteilung der Baugenehmigung Anforderungen gestellt werden, u.a. um Gefahren für Leben oder Gesundheit von der Allgemeinheit oder den Benutzern der baulichen Anlage abzuwenden (Satz 1). Bei Gefahr im Verzug kann unter den genannten Voraussetzungen auch eine bestandsgeschützte Nutzung untersagt werden (Satz 2). Die Antragsgegnerin hat in Ziffern 6 und 7 der angegriffenen Verfügung die Vorlage von Bestandsplänen und Brandschutzkonzepten für die in Ziffer 1 - 3 genannten Gebäudekomplexe gefordert. Diese Anforderung hat sie auf § 58 Abs. 6 Satz 1 LBO gestützt. Die in Ziffern 1 - 3 ausgesprochenen Nutzungsuntersagungen und ihr Sofortvollzug werden mit konkreten Gefahren für Leib und Leben der Hotel-, Gaststätten- und Garagennutzer begründet. Es spricht daher vieles dafür, dass die Nutzungsuntersagungen in Ziffern 1 - 3 in der Sache auch auf der Annahme beruhen, dass Gefahr im Verzug ist, und damit ihre Ermächtigungsgrundlage (auch) in § 58 Abs. 6 Satz 2 LBO finden können.
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Schließlich ermächtigt auch § 76 LBO dazu, die Anpassung bestehender Anlagen an neue Vorschriften zu verlangen, wenn Leben oder Gesundheit bedroht sind, und dies wohl auch mit einer Nutzungsuntersagung zu verbinden (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 04.07.2014 - 2 B 666/14 - juris). Allerdings dürfte die genannte Regelung voraussetzen, dass zunächst konkrete Anforderungen an die bauliche Anlage in Bezug auf neue Bauvorschriften gestellt werden; diese Voraussetzung liegt bislang noch nicht vor.
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2.2.3.1.2 Die Errichtung bzw. Nutzung der Anlage steht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne der §§ 65 Satz 2, 47 Abs. 1 Satz 1 LBO. Nach § 15 Abs. 1 LBO, der die allgemeine bauordnungsrechtliche Gefahrenvermeidungspflicht nach § 3 Abs. 1 LBO konkretisiert, sind bauliche Anlagen so anzuordnen und zu errichten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Nach § 15 Abs. 3 LBO muss jede Nutzungseinheit in jedem Geschoß mit Aufenthaltsräumen über mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege erreichbar sein; beide Rettungswege dürfen jedoch innerhalb eines Geschosses über denselben notwendigen Flur führen. Die Anforderungen an den ersten und zweiten Rettungsweg werden in § 15 Abs. 4 und 5 LBO konkretisiert. Die Anforderungen an das Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen ergeben sich aus §§ 26 ff. LBO in Verbindung §§ 4 ff. der Allgemeinen Ausführungsverordnung zur Landesbauordnung (LBOAVO). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um Gebäude der Gebäudeklasse 5 (§ 2 Abs. 4 Nr. 5 LBO) sowie um Sonderbauten (§ 38 Abs. 2 Nr. 7, Nr. 13, Nr. 15 LBO) handelt, an die besondere Anforderungen im Hinblick auf den Brandschutz zu stellen sind bzw. gestellt werden können. Ferner gelten die erhöhten Anforderungen der Garagenverordnung (GaVO) für geschlossene, unterirdische Großgaragen sowie die Anforderungen der Versammlungsstättenverordnung (VStättVO) für den Gastronomiebereich B. an der S.-Straße (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VStättVO).
33 
Bei den Brandverhütungsschauen vom 22.01., 28.03. und 23.05.2014 wurden zahlreiche und zum Teil gravierende brandschutzrechtliche Mängel im gesamten Gebäudekomplex festgestellt; diese werden in den Protokollen der Brandschutzdirektion vom 13.03.2014 und 23.05.2014 ausführlich dargelegt und durch eine Fotodokumentation belegt. Gravierende Mängel waren auch bei dem Ortstermin vom 22.05.2015 noch vorhanden (vgl. Aktenvermerk des Bauordnungsamts vom 28.05.2015, Fotodokumentation vom 22.05.2015). Insbesondere wurden im Bereich der Großgarage Verstöße festgestellt gegen § 13 Abs. 1 LBO, § 6 Abs. 3 Nr. 3 GaVO (Feuerbeständigkeit von Wänden, Decken und Stützen) und gegen § 15 Abs. 3 LBO, § 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GaVO (zwei voneinander unabhängige, in einer Entfernung von 30 m erreichbare Rettungswege) sowie im Bereich der sonstigen Nutzungen (Werkstätten und Lager) gegen § 6 Abs. 5 Nr. 2, § 8 Abs. 3 Nr. 2 GaVO (Feuerwiderstandsfähigkeit F 90 von Trennwänden, T 30 - Qualität der Türen), gegen § 14 Abs. 2 S. 2 GaVO (Lagerungen erheblicher Brandlasten) sowie gegen §§ 10 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 11 Abs. 4 - 7 GaVO (Fehlen der bereits mit Baugenehmigung vom 23.10.1998 angeordneten sicherheitstechnischen Einrichtungen wie etwa mechanische Zu- und Abluftanlage, CO-Warnanlage und Sicherheitsbeleuchtung). Im Gebäudekomplex an der S.-Straße wurden vor allem Verstöße gegen § 15 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 5 LBO i.V.m. § 28 Abs. 2 S. 1 LBO, § 11 LBOAVO festgestellt, weil die Treppenräume Ost und West aufgrund verschiedener baulicher Mängel nicht die Anforderungen an einen sicheren ersten Rettungsweg erfüllten und zudem nicht ins Freie auf öffentliche Verkehrsflächen, sondern in den umbauten Innenraum des Gebäudekomplexes führten. Ferner wurden in der Hotelanlage K. zahlreiche brandschutzrechtliche Mängel festgestellt, die im Schwerpunkt auf der fehlenden brandschutztechnischen Abtrennung des Hotelbereichs von den Untergeschossen herrührten, in denen umfangreiche Baumaßnahmen stattfinden (vgl. Aktenvermerk der Brandschutzdirektion v. 13.03.2014,S. 4).
34 
Nach derzeitigem Sachstand kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Mängel weitestgehend behoben sind. Zwar verkennt die Kammer nicht, dass der Antragsteller weitreichende Anstrengungen zur Mängelbeseitigung unternommen hat, insbesondere hat er einen weiteren Treppenraum (N5) errichtet, der als notwendiger Rettungsweg aus der Tiefgarage und den Untergeschossen der Gaststätte B. dienen soll, und einen weiteren Ausgang geschaffen, der in östliche Richtung aus dem Innenraum des Gebäudekomplexes über ein weiteres, in seinem Eigentum stehendes Grundstück in den öffentlichen Verkehrsraum führt. Ferner hat er die Wände in den notwendigen Treppenräumen und die brandschutzrechtlich beanstandeten Bauteile der Tiefgarage ertüchtigt. Ob damit den brandschutzrechtlichen Anforderungen in einem Umfang Genüge getan ist, der jedenfalls eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der Nutzer ausschließt, kann aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit beurteilt werden. Nach wie vor fehlt eine belastbare, als Brandschutznachweis für den gesamten Gebäudekomplex geeignete Dokumentation darüber, dass die brandschutzrechtlichen Anforderungen erfüllt sind. Die Antragsgegnerin hat im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage mehrfach darauf hingewiesen, dass es ihr aufgrund der bislang vorgelegten Einzelnachweise und technischen Merkblätter nicht möglich ist zu prüfen, ob die verwendeten Baustoffe und Materialien den brandschutzrechtlichen Anforderungen entsprechen, und ob sie fachgerecht eingebaut worden sind. Die Beibringung dieses Nachweises liegt in der Verantwortlichkeit des Bauherrn (VG München, Urt. v. 15.12.2015 - M 1 K 15.4034 - juris). Auch die nach dem Erörterungstermin dem Gericht vorgelegte, völlig allgemein gehaltene Bauleitererklärung vom 04.04.2016 dürfte insoweit nicht hinreichend aussagekräftig sein, zumal der Unterzeichnende bei summarischer Prüfung im Bauverfahren zwar als Planverfasser, aber noch nicht als Bauleiter in Erscheinung getreten sein dürfte. Soweit der Antragsteller nunmehr vorträgt, im Besitz aller erforderlichen Nachweise zu sein, obliegt es ihm, diese den zuständigen Ämtern zur Prüfung vorzulegen, wozu angesichts des Zeitablaufs hinreichend Gelegenheit bestanden hat. Mangels entsprechender Verwendbarkeitsnachweise von Bauprodukten und Bauarten und entsprechender Erklärungen konnte die Antragsgegnerin insbesondere noch nicht prüfen, ob die Standsicherheit der Garage und der Untergeschosse im Brandfall nunmehr gewährleistet ist, ob also die bei den Brandverhütungsschauen im Jahr 2014 und 2015 noch offenen Stahlstützen nunmehr mit der erforderlichen Feuerwiderstandsdauer verkleidet bzw. mit einem Brandschutzanstrich versehen worden sind.
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Entscheidungserheblich kommt hinzu, dass nach wie vor keine ausreichenden Bestandspläne der Gesamtanlage vorliegen, Diese sind für die Prüfung und Bestätigung der brandschutzrechtlichen Unbedenklichkeit der Gesamtanlage aber unabdingbar. Unter anderem erfordern die Prüfung der Rettungswegführung einschließlich der inzwischen vorgelegten Fluchtweg- und Feuerwehrpläne, der Länge der Rettungswege in der Tiefgarage (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GaVO) und der nach der Versammlungsstättenverordnung erforderlichen Breite der Rettungswege (§ 7 VStättVO) sowie die Prüfung eventuell erforderlicher Anleitermöglichkeiten bei den 2. Rettungswegen (etwa im Treppenhaus Ost) maßstabsgerechte Übersichtspläne und Schnitte. Diese sind auch erforderlich, um die Bildung der Rauchabschnitte in der Tiefgarage und die sonstigen Vorgaben des § 7 Abs. 2 GaVO zu prüfen, denn diese Regelung stellt besondere Anforderungen, wenn Fußböden von Garagengeschossen im Mittel mehr als 4 m unter der Geländeoberfläche liegen. Zwar hat der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren Übersichtpläne der Unter- und Erdgeschosse als Anlagen A 12 und A 13 vorgelegt. Die Antragsgegnerin bestreitet aber, dass diese Pläne maßstäblich sind. Auch nach der Einschätzung der Kammer ist der auf den Plänen genannte Maßstab 1:100 jedenfalls nicht durchgehend eingehalten. Darüber hinaus handelt es sich auch nach dem Vortrag des Antragstellers nicht nur um Baubestand; vielmehr sind auch zukünftige Baumaßnahmen und Nutzungen enthalten. Ungeachtet der Qualität der vorgelegten Übersichten fehlen jedenfalls die Grundrisse der Obergeschosse und aussagekräftige Schnitte; bislang wurde nur ein Schnitt in Nord-Süd-Richtung vorgelegt.
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Danach ist auch das während des gerichtlichen Verfahrens vorgelegte Brandschutzkonzept von Dr.-Ing. M. nicht geeignet, die brandschutzrechtlichen Bedenken auszuräumen. Auch insoweit konnte sich der Gutachter nicht auf ausreichende aktuelle Bestandspläne stützen; dem Brandschutzkonzept liegen erkennbar lediglich die oben genannten, voraussichtlich nicht belastbaren Übersichtspläne der Unter- und Erdgeschosse zugrunde. Feuerwehrpläne und Rettungswegpläne fehlten. Darüber hinaus bezieht sich das Brandschutzkonzept, worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist, in Teilen auf einen künftigen Zustand (vgl. etwa Seite 13 Nr. 3.4, Seite 16 Nr. 3.4.4.1, Seite 17 Nr. 3.4.5.1, S. 21 Tabelle, S. 23 Nr. 3.5.5.) bzw. auf noch ausstehende Prüfungen. Dies mag in einem Baugenehmigungsverfahren in der Natur der Sache liegen; um die Aufhebung einer Nutzungsuntersagung zu rechtfertigen, müsste das Konzept aber tatsächlich umgesetzt sein. Im Übrigen weist auch der Sachverständige Dr.-Ing. M. darauf hin, dass die erforderlichen Nachweise über die feuerbeständige Ausführung der Bauteile von Tragwerk und Anschlüsse noch vorzulegen sind und Stahlbauteile noch geschützt werden müssen (Seite 16, 17).
37 
Auch die im Gerichtsverfahren vorgelegten sachverständigen Stellungnahmen und Prüfberichte vermögen die brandschutzrechtlichen Bedenken nicht hinreichend auszuräumen. So hat der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) H. in seiner Stellungnahme vom 14.01.2016 ausgeführt, dass die Tiefgarage im Hinblick auf die Entrauchung nicht den Vorgaben der Garagenverordnung entspricht und kurzfristig maschinelle Entrauchungsanlagen für jede Ebene einzubauen sind. Der fachgerechte Einbau ist bislang nicht erfolgt und wäre der Antragsgegnerin nachzuweisen. Auch die erforderliche Entrauchung des Gastronomiebereichs in den Untergeschossen der Gaststätte B. erscheint nach dieser Stellungnahme zweifelhaft, weil nicht sichergestellt ist, dass die Schiebe- und Verbindungstüren in den einzelnen Ebenen im Brandfall geöffnet werden. Auch die Stellungnahme des Prüfstatikers Dr.-Ing. S. vom 17.01.2016 über die Standsicherheit vermag nicht zu überzeugen. In seiner Stellungnahme wird ausgeführt, dass bei Formstahlkonstruktionen Verkleidungen und Anstriche erst im Zuge des Ausbaus angebracht werden (S. 1) und diese teilweise noch zu ergänzen sind (S. 3). Auch im Erörterungstermin hat er auf Frage des Gerichts erklärt, dass die Prüfung, ob tragende Stahlteile tatsächlich feuerbeständig ausgeführt sind, nicht durch den Prüfstatiker erfolgt. Die Bedenken der zuständigen Ämter betreffen aber in erster Linie die Statik im Brandfall, nicht die Statik als solche.
38 
Hinzu kommt der von der Kammer im Augenschein gewonnene Eindruck von der Gesamtanlage. Nach den Feststellungen im Augenschein und den Erklärungen des Vertreters der Brandschutzdirektion sind zwar etliche Beanstandungen mittlerweile behoben. Insbesondere sind die offenen Stahlstützen mit Ausnahme des lichten Bereichs im Hof des Hotels B. nunmehr verkleidet. Die Frage, ob diese Verkleidungen die erforderliche Feuerwiderstandsdauer aufweisen, entzieht sich jedoch einer Beurteilung im Wege des Augenscheins. Bedenken hat der Kammer jedenfalls im Hinblick auf die zweiten Rettungswege im Westflügel des Hotels A., die über eine Metallleiter ohne Rückenschutz von einem ungesicherten Dach in einen Baustellenbereich bzw. über eine Dachluke ohne Feststellvorrichtung geführt werden. Auch der neugeschaffene Fluchtweg vom Innenhof nach Osten in die S. Straße dürfte noch einige brandschutztechnische Mängel aufweisen; so ist dieser Notausgang nur provisorisch gekennzeichnet, der Boden ist nicht befestigt, ein Luftschacht an der Hauswand neben dem Weg nur mit einem Holzbrett abgedeckt und das Offenhalten der Tür vom Sammelplatz zum Nachbargrundstück nicht sichergestellt. Weiterer Prüfung bedarf nach Auffassung der Kammer auch die Holzkonstruktion, auf der sich der sog. Sammelplatz befindet, angesichts des Umstands, dass sich hier die Rettungswege aus der Versammlungsstätte für mehr als 600 Personen treffen dürften. Darüber hinaus befindet sich nach den Feststellungen im Augenschein in den Untergeschossen der B.-Straße eine - offenbar bisher nicht vorhandene - Schreinerei mit erheblichen Brandlasten. Ob die Trennwände und Türen zum notwendigen Treppenraum N 6 die erforderliche Feuerwiderstandsdauer aufweisen, kann im Wege des Augenscheins nicht festgestellt werden. In diesem Treppenraum wurden jedenfalls offene, augenscheinlich stromführende Kabel und stehendes Wasser festgestellt. Im künftigen Wellness-Bereich befindet zudem sich ein offener, nur notdürftig abgesicherter großer Schacht bis zum Untergeschoss, der nach den Erläuterungen des Vertreters der Brandschutzdirektion im Brandfall erhebliche Gefahren für die Feuerwehrleute in sich birgt.
39 
Entgegen seinem Vortrag wird der Antragsteller nach Ansicht der Kammer nicht dadurch entlastet, dass es sich vielfach, insbesondere im künftigen Wellness-Bereich, noch um Baustellen handelt. Denn die Baumaßnahmen finden während des laufenden Hotel- und Gaststättenbetriebs statt; auch die Tiefgarage wird augenscheinlich genutzt. Ein Brand in den Baustellenbereichen in den Untergeschossen würde daher die Gäste der Hotels und der Gaststätte gefährden.
40 
Schließlich sind in dem Verfahren noch zahlreiche weitere brandschutzrechtliche Fragen aufgeworfen, die sich einer Beantwortung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entziehen und einer eingehenden Prüfung im Hauptsacheverfahren bedürfen, etwa die erforderliche Feuerwiderstandsklasse der Glasüberdachung im Bereich des Biergartens oder die Anforderungen an die neu installierte Brandmeldeanlage, die zwar sachverständig geprüft wurde (Stellungnahme Dipl.-Ing. W. H. vom 14.01.2016), aber noch nicht von der Branddirektion abgenommen und nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragsgegnerin im Bereich des Hotels A. noch nicht auf die Feuerwehr aufgeschaltet worden ist; zudem ist zwischen den Beteiligten umstritten, ob in Teilen des Gebäudekomplexes eine Brandmeldeanlage der Kategorie 2 ausreicht.
41 
Angesichts der beim Augenschein festgestellten Unübersichtlichkeit und der teilweise beengten Verhältnisse des Gesamtkomplexes einschließlich der Tiefgarage ist es nach Ansicht der Kammer jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin im Interesse eines effektiven Brandschutzes Kompensationsmaßnahmen verlangt und besondere Anforderungen im Sinne des § 38 LBO stellt.
42 
Nach alledem konnte die Kammer bei summarischer Prüfung trotz unbestrittener Fortschritte beim Brandschutz nicht zu der Feststellung gelangen, dass die Gesamtanlage nunmehr den brandschutzrechtlichen gesetzlichen Vorgaben entspricht.
43 
2.2.3.1.3 Unabhängig davon, ob Ziffern 1 - 3 der angegriffenen Verfügung in § 65 Satz 2 LBO, in § 47 Abs. 1 Satz 2 LBO oder in § 58 Abs. 6 LBO ihre Ermächtigungsgrundlage finden, leidet die Nutzungsuntersagung auch nicht an einem Ermessensfehler im Sinne des § 114 VwGO, insbesondere ist sie auch nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht unverhältnismäßig. Im Hinblick auf die extreme Gefährdung hochrangiger Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit einer unbestimmten Vielzahl von Menschen im Brandfall ist die ordnungsbehördliche Eingriffsschwelle tendenziell niedrig. Die Baubehörde darf Anordnungen treffen, die ohne Eingehung von Kompromissen in jeder Hinsicht auf der sicheren Seite liegen. Dies gilt insbesondere für Sonderbauten im Sinne des § 38 LBO wie die Beherbergungsbetriebe und Gaststätten des Antragstellers, in denen eine Vielzahl von Personen ein- und ausgehen. Ein milderes, aber gleich effektives Mittel als die Untersagung der Nutzung der in Ziffern 1 - 3 genannten Anlagenteile ist im Hinblick auf die Brandgefahren nicht ersichtlich. Lassen sich die erkannten Brandschutzmängel nicht umgehend beheben, so kann die Nutzungsuntersagung eine geeignete und erforderliche Maßnahme sein, den mit Brandschutzmängeln einhergehenden Gefahren zu begegnen. Finanzielle Interessen des betroffenen Eigentümers müssen dabei gegenüber den Interessen an der Minimierung von Brandrisiken und der damit bezweckten Vermeidung von Schäden an Leib und Leben der Benutzer der baulichen Anlage grundsätzlich zurücktreten. Maßgeblich für diese Einschätzung ist die zugrundeliegende Erkenntnis, dass mit der Entstehung eines Brandes praktisch jederzeit gerechnet werden muss, selbst wenn in dem betreffenden Gebäude jahrzehntelang kein Brand ausgebrochen ist (vgl. OVG NRW, Urt. v. 28.08.2001 - 10 A 3051/99 -, juris). Darüber hinaus sind gegen den Antragsteller bereits in der Vergangenheit Verfügungen mit Teilnutzungsuntersagungen oder mit brandschutzrechtlichen Auflagen ergangen, die ohne durchgreifenden Erfolg geblieben sind (vgl. etwa die Verfügungen vom 10.05.2002 (teilweise Nutzungsuntersagung), Verfügung vom 18.03.2009 (teilweise Nutzungsuntersagung), vom 18.05.2009 (47 brandschutzrechtliche Auflagen)). Im Hinblick auf die Vorgeschichte dürfte daher eine Verfügung, mit der dem Antragsteller wiederum lediglich brandschutzrechtliche Auflagen gemacht werden, uneffektiv und zum Zwecke einer effektiven Gefahrenabwehr nicht in gleicher Weise wie die ausgesprochene Nutzungsuntersagung geeignet sein. Auch eine weitere Beschränkung der Nutzungsuntersagung auf einzelne Teile des Gebäudekomplexes erscheint untunlich, da sich brandschutzrechtliche Mängel nach wie vor in allen in Ziffern 1 - 3 genannten Bereichen finden und aufgrund der gemeinsamen Rettungswegführung und der Verbindung der Untergeschosse über die Tiefgarage nicht getrennt betrachtet werden können. Auch nach dem vom Antragsteller vorgelegten Brandschutzkonzept handelt es sich bei der Gesamtanlage um einen Brandabschnitt.
44 
Hinzu kommt, dass es der Antragsteller in der Hand hat, die festgestellten Mängel zu beseitigen und künftig zu vermeiden und deren Behebung nachzuweisen. Die Kammer weist aber darauf hin, dass es zwar in den Pflichtenkreis des Antragstellers fällt, den vollständigen Brandschutznachweis zu erbringen; die Behörde hat aber die Nutzungsuntersagungen wegen ihres Charakters als Dauerverwaltungsakt unter Kontrolle zu halten (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.01.1998 - 3 C 6/97 - juris Rn. 18; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.02.2011 - 5 S 2285/09 - juris Rn. 32; BayVGH, Urt. v. 15.03.1999 - 14 B 93.1542 - juris Rn. 26). Es fällt daher in den Pflichtenkreis der Antragsgegnerin zu prüfen, ob die brandschutzrechtlichen Vorgaben erfüllt worden sind.
45 
Im Hinblick auf die jahrelangen Beanstandungen der Anlage bei Brandverhütungsschauen und Bauabnahmen (vgl. etwa Bandverhütungsschau 17.04.1996, Anschreiben 30.05.1996 und vom 13.07.1997, Nachschau vom 30.10.1997, Verfügung vom 19.11.1997, Nachschau vom 01.02.2000, Verfügung vom 14.02.2000, Brandverhütungsschau vom 05.03.2002, Ortstermin vom 23.09.2009, Verfügungen vom 10.05.2002, vom 18.03.2009 und vom 18.05.2009 sowie die jeweiligen Bauabnahme-Protokolle) kann sich der Antragsteller auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, zumal dieser Grundsatz im Gefahrenabwehrrecht ohnehin nur eingeschränkt Geltung hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.04.208 - 10 S 1388/06 - juris Rn. 50).
46 
Nach alledem dürften die Nutzungsuntersagungen in Ziffern 1 - 3 der Verfügung voraussichtlich rechtmäßig sein, allenfalls kann infolge der noch ausstehenden brandrechtlichen Prüfungen und Abnahmen der vom Antragsteller durchgeführten Maßnahmen und vorgelegten Nachweisen von offenen Erfolgsaussichten ausgegangen werden.
47 
2.2.3.2 Auch bei einer von den Erfolgsaussichten weitgehend unabhängigen Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem Suspensivinteresse des Antragstellers. Insoweit stehen das elementare öffentliche Interesse an einem effektiven Brandschutz in einem von einer Vielzahl von Personen aufgesuchten Hotel- und Gaststättenkomplex auf der einen und das wirtschaftliche Betriebsinteresse des Antragstellers auf der anderen Seite gegenüber. Da Brandschutzmängel eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen darstellen, können sie nicht aus rein wirtschaftlichen Erwägungen zurückgestellt werden. Bestehen wie hier konkrete Anhaltspunkte für Brandgefahren, die sich jederzeit realisieren können, ist ein sofortiges bauaufsichtsbehördliches Tätigwerden geboten; daher ist regelmäßig auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerechtfertigt. Auch in einer Situation, in der unter den Beteiligten streitig ist, ob Brandschutzvorschriften beachtet wurden, dürfen etwaige Zweifel an der Berechtigung einer Nutzungsuntersagung einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 08.05.2007 - 10 B 2555/06 -, juris). Im Übrigen muss sich der Antragsteller entgegenhalten lassen, dass er genügend Zeit hatte, sich auf diese Sachlage und den daraus resultierenden Handlungsbedarf einzustellen; gleichwohl hat er der Antragsgegnerin Anlass zum Einschreiten gegeben.
48 
2.2.3.3 Danach kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO vorliegt.
49 
2.2.4 Auch im Hinblick auf Ziffer 5 der angefochtenen Verfügung ist die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht geboten.
50 
2.2.4.1 Die Anforderung von Bestandsplänen und eines Brandschutzkonzepts für das Hotel K. dürfte sich voraussichtlich als rechtmäßig erweisen. Nach § 58 Abs. 6 Satz 1 LBO können auch nach Erteilung der Baugenehmigung Anforderungen gestellt werden, um Gefahren von Leib und Leben abzuwenden. Besondere Anforderungen können gemäß § 38 Abs. 1 LBO an die hier streitgegenständlichen Sonderbauten gestellt werden. Wie in der angefochtenen Verfügung zutreffend dargelegt wird, dürfte nach heutiger Rechtslage im Baugenehmigungsverfahren ein Brandschutzkonzept gemäß Ziff. 4 und Ziff. 5 VwV-Brandschutzprüfung vom 17.09.2012 (GABl. 2012, 865) i.V.m. der Anlage zu Ziff. 5 verlangt werden. Wie ausgeführt, haben sich bei der Brandverhütungsschau vom 22.01.2014 auch im Bereich des Hotels K., insbesondere in den Untergeschossen, erhebliche brandschutztechnische Mängel gezeigt. Aufgrund der erheblichen Gefahren für Leib und Leben der Hotelgäste im Brandfall ist es deshalb gerechtfertigt, den Antragsteller Bestandspläne und ein Brandschutzkonzept erstellen zu lassen, um Brandgefahren prüfen und ggf. entsprechende Anordnungen zur effektiven Gefahrenabwehr treffen zu können. Ermessenfehler sind insoweit nicht ersichtlich, insbesondere stellt diese Anordnung das mildere Mittel zu einer sofortigen Nutzungsuntersagung dar und ist geeignet, den zuständigen Ämtern einen Überblick über das Gesamtvorhaben und eine Basis für weitere Entscheidungen zu verschaffen. Zwar macht der Antragsteller geltend, dass für alle Bestandteile des Gebäudekomplexes Baugenehmigungen vorlägen. Die bau- und brandschutzrechtliche Beurteilung der verschiedenen baulichen Ebenen, Gebäude und Nutzungen des umfangreichen Gebäudekomplexes und deren Beziehung zueinander erfordert aber bei dem heutigen Bau- und Planungsstand eine einheitliche Bewertung.
51 
Der Antragsteller hat die Anordnung in Ziffer 5 der Verfügung auch noch nicht erfüllt. Wie ausgeführt, dürften die vorgelegten Übersichtspläne und das Brandschutzkonzept noch unzureichend sein. Abgesehen von der Frage der Maßstäblichkeit hat der Antragsteller noch keine Übersichtspläne und Grundrisse der Obergeschosse und keine Schnitte in ausreichender Zahl vorgelegt. Insoweit wäre es für das weitere Verfahren allerdings hilfreich, wenn eine weitere Konkretisierung der Anforderungen an die vorzulegenden Pläne durch die Antragsgegnerin erfolgt. Denn der gewählte Begriff „Bestandspläne“ mag zwar hinreichend bestimmt sein; zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten wäre es aber sachdienlich, wenn die Antragsgegnerin - wie schon in ihrer Verfügung vom 30.06.2004 - zum Beispiel festlegt, welche Einzelpläne (Übersichtslageplan, Grundrisse, Schnitte, Ansichten) für welche Geschosse bzw. Gebäudeabschnitte bzw. für welche Himmelsrichtung vorzulegen sind, welchen Maßstab die Einzelpläne jeweils haben sollen, ob besondere Darstellungen enthalten sein müssen, etwa im Hinblick auf die Kennzeichnung vorhandener bzw. genehmigter, aber noch nicht ausgeführter Bauteile, ob die Pläne der Bauvorlagenverordnung entsprechen müssen und ob sie durch einen zugelassenen Planverfasser i.S.d. § 43 LBO zu erstellen sind.
52 
2.2.4.2 Auch das besondere öffentliche Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO liegt vor. Im Interesse der effektiven Gefahrenabwehr ist es dringend geboten, den zuständigen Ämtern eine rasche Beurteilung eventuell bestehender Brandschutzmängel zu ermöglichen und eine Basis für weitere Entscheidungen zu verschaffen. Der damit verbundene Kostenaufwand für den Antragsteller ist demgegenüber zumutbar, zumal eine gesicherte Planungsgrundlage auch für weitere baurechtliche Entscheidungen von Nutzen sein kann.
53 
2.2.5 Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf die Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 9 der Verfügung ist ebenfalls nicht geboten. Die Zwangsgeldandrohungen entsprechen den gesetzlichen Voraussetzungen nach § 2, § 19 Abs. 1, Abs. 2, § 20 LVwVG. Zwar ist dem Antragsteller im Hinblick auf Ziffern 1 - 3 der Verfügung keine Frist gesetzt worden; einer solchen bedarf es aber bei Unterlassungen nicht (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 LVwVG). Selbst wenn angenommen wird, dass die Nutzungsuntersagung keine reine Unterlassungspflicht beinhaltet, weil bestimmte Vorbereitungsmaßnahmen wie etwa Buchungsstornierungen erforderlich sind, so ist dem Antragsteller jedenfalls faktisch eine großzügige Frist zur Erfüllung der Anordnung eingeräumt worden, weil die Antragsgegnerin auf die Festsetzung von Zwangsgeldern bis zur Entscheidung des Gerichts im vorliegenden Verfahren ausdrücklich verzichtet hat.
54 
3. Soweit die Beteiligten im Hinblick auf Ziffer 4 der Verfügung die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entsprach es der Billigkeit, dem Antragsteller die Kosten aufzuerlegen. Zwar hat die Antragsgegnerin Ziffer 4 im Erörterungstermin mit einer Erklärung zu Protokoll des Gerichts aufgehoben. Sie hat sich damit aber nicht in die Rolle der Unterlegenen begeben, sondern dem Umstand Rechnung getragen, dass der Antragsteller im Augenscheintermin die Funktionsfähigkeit des beanstandeten, bei Erlass der Verfügung noch nicht ordnungsgemäß hergestellten zweiten Rettungswegs aus dem Zimmer 501 des Hotels K. nachgewiesen hat.
55 
Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.2, Nr. 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 18. Apr. 2016 - 3 K 2926/15

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 18. Apr. 2016 - 3 K 2926/15

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas
Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 18. Apr. 2016 - 3 K 2926/15 zitiert 9 §§.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 92


(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

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Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 18. Apr. 2016 - 3 K 2926/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 18. Apr. 2016 - 3 K 2926/15 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht München Urteil, 15. Dez. 2015 - M 1 K 15.4034

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Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht München Aktenzeichen: M 1 K 15.4034 Im Namen des Volkes Urteil vom 15. Dezember 2015 1. Kammer Sachgebiets-Nr. 920 Hauptpunkte: Nutzungsuntersagung für Ferienw

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 04. Juli 2014 - 2 B 666/14

bei uns veröffentlicht am 04.07.2014

Tenor Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 15.000,

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Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 08. Oktober 2008 - 4 K 1514/08 - geändert. Das vom Landratsamt Karlsruhe 1991 oder 1992 im Kreuzungsbereich Karlsruher Straße/Albgaustraße auf Gemarkung der Bek

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 01. Feb. 2007 - 8 S 2606/06

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Tenor Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 20. Oktober 2006 - 9 K 790/06 - werden zurückgewiesen. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das B

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Tenor

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 20. Oktober 2006 - 9 K 790/06 - werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässigen Beschwerden haben keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, auf Antrag der Antragsteller die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die baurechtliche Verfügung der Antragsgegnerin vom 20.02.2006 wiederherzustellen, mit der ihnen unter Anordnung des Sofortvollzugs die Nutzung der gemieteten Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Gebäudes ... als Wettbüro untersagt wird. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die eingehende und überzeugende Begründung des angefochtenen Beschlusses verwiesen, die sich der Senat zu Eigen macht (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Die von den Antragstellern mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass zur Änderung des angefochtenen Beschlusses.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Nutzugsuntersagung aller Voraussicht nach rechtmäßig, weil das Wettbüro als Vergnügungsstätte betrieben werde, obwohl der Bebauungsplan „Marktplatz/Innenstadt II“ vom 15.12.2005 eine solche ausschließe. Wettbüros seien im Allgemeinen nicht nur darauf ausgerichtet, dass die Wette eingereicht und ein eventueller Gewinn kassiert werde, wie das etwa bei Toto-Lotto-Annahmestellen in Ladengeschäften der Fall sei. Vielmehr würden Wettbüros gerade auch dazu aufgesucht, um sich dort bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses laufender Wetten zu unterhalten und die Zeit auf angenehme Weise zu verbringen. Sie lockten damit - ähnlich wie Spielhallen - ein auf Unterhaltung und Zeitvertreib ausgerichtetes Publikum an. Dass auch das Wettbüro der Antragsteller diesen „Vergnügungscharakter“ aufweise, zeigten die Fotos der Räumlichkeiten in der Bauakte, die Aufschluss über deren Ausstattung gäben. Danach sei ein großer Bildschirm vorhanden, auf dem etwa Fußballspiele oder Pferderennen verfolgt werden könnten, sowie mindestens ein Spielgerät. Außerdem gebe es verschiedene Tische und Stühle und einen Tresen.
Die Antragsteller greifen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht an, wonach Wettbüros dann Vergnügungsstätten sind, wenn sie nicht nur Gelegenheit zur Abgabe von Wetten und zur Entgegennahme von Gewinnen, sondern zu einem wesentlichen Teil auch zur Unterhaltung und zum Spiel in der Zeit bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses aktueller Wetten bieten (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 28.11.2006 - 3 S 2377/06 -, m.w.N. [juris]; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.09.1994 - 11 A 3309/92 -, BRS 56 Nr. 137; VG Minden, Beschluss vom 10.02.2006 - 1 L 69/06 - [juris]). Sie stellen auch nicht die Feststellung des Verwaltungsgerichts in Abrede, dass es sich bei ihrem Wettbüro mit der sich aus den Fotos in der Bauakte ergebenden Ausstattung um eine solche - den bauplanerischen Festsetzungen widersprechende - Vergnügungsstätte handle. Mit der Beschwerde machen sie vielmehr geltend, diese Ausstattung sei inzwischen so verändert worden, dass das Wettbüro einer Toto-Lotto-Annahmestelle ohne Unterhaltungscharakter vergleichbar sei. Tische und Stühle sowie der Bildschirm seien entfernt worden. Es gebe lediglich noch vier hohe Tische im Raum, die Besuchern als Schreibunterlagen dienten. Der Verkauf von Erfrischungsgetränken sei eingestellt worden. Der noch verbliebene Tresen diene nur dazu, die Wetten entgegen zu nehmen. Auf die Erwiderung der Antragsgegnerin, bei einem Ortstermin am 30.11.2006 sei festgestellt worden, dass zwar der große Flachbildschirm entfernt worden sei, jedoch nach wie vor zwei Bildschirme vorhanden seien, auf denen sich das aktuelle Wettgeschehen (aktuelle Gewinnquoten der laufenden Wetten) verfolgen lasse, und dass ferner Gewinnspielautomaten, ein Getränkeautomat und eine Kaffeemaschine installiert seien, erklärten die Antragsteller mit Schriftsatz vom 20.12.2006, dass ein Getränkeausschank nicht mehr stattfinde und der auf der Theke befindliche Bildschirm nur noch die Ergebnisse von Hunderennen - ohne Übertragung des Rennens selbst - zeige. Daneben seien nur noch drei PC’s für die Internetnutzung sowie drei Spielautomaten vorhanden, die nur der Unterhaltung dienten, aber keine Glücksspiele zuließen. Mit Ausnahme der Stühle zur Internet- und Automatenbenutzung seien keine weiteren Stühle mehr vorhanden; die Kunden, die eine Sportwette abgeben wollten, könnten die Wettscheine an den Stehtischen ausfüllen.
Dieses Vorbringen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Einschätzung des Charakters des Wettbüros als Vergnügungsstätte. Dies gilt auch dann, wenn davon abgesehen wird, die Antragsteller hinsichtlich der erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist vorgebrachten neuen Tatsachen zu einer - nochmaligen - Veränderung der Ausstattung des Wettbüros auf einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO zu verweisen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 8.6.2006 - 11 S 2135/05 -, NVwZ-RR 2006, 849). Denn es ist nicht erkennbar, dass das Wettbüro infolge dieser Veränderungen bei der Ausstattung seinen Unterhaltungscharakter verloren hat. Während das Verwaltungsgericht nur von (mindestens) einem Spielgerät ausgegangen ist, sind nunmehr nach Angaben der Antragsteller selbst drei Spielgeräte vorhanden. Diese dienen der Befriedigung der Spielleidenschaft auch dann, wenn sie keine Gewinnmöglichkeiten bieten. Hinzu kommt, dass auch die drei PC´s zu Spielzwecken genutzt werden können (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 09.03.2005  - 6 C 11.04 -, DVBl. 2005, 1256: Internet-Café als Spielhalle); die Antragsteller haben nicht dargetan, welche Funktion diese Geräte sonst haben sollten. Ihr Wettbüro ist mithin nach wie vor wesentlich darauf ausgerichtet, dem „Wettpublikum“ Gelegenheit zu Spiel und Unterhaltung zu geben. Nach dem Maßstab, den das Verwaltungsgericht zur Einordnung von Wettbüros als Vergnügungsstätten angewandt und den die Antragsteller nicht mit der Beschwerde angegriffen haben, sprechen allein die zwischenzeitlich vorgenommenen Veränderungen bei der Ausstattung nicht dagegen, das Wettbüro der Antragsteller nach wie vor als Vergnügungsstätte zu qualifizieren.
Unabhängig davon ist die Nutzungsuntersagung hier aller Voraussicht nach (auch) deshalb rechtmäßig, weil die Antragsteller noch keine konkrete Beschreibung der geplanten Nutzung vorgelegt und deren Genehmigung beantragt haben. Eine genehmigungsbedürftige bauliche Nutzung, deren Genehmigungsfähigkeit nicht ohne weiteres, sondern erst aufgrund weiterer Ermittlungen festgestellt werden kann, darf gemäß § 65 Satz 2 LBO wegen formeller Baurechtswidrigkeit vorläufig bis zur endgültigen Klärung der Zulässigkeit der Nutzung im Baugenehmigungsverfahren untersagt werden. Mit dieser Zielrichtung erfüllt die vorläufige Nutzungsuntersagung dieselben Aufgaben, wie sie der Baueinstellung zukommt. Sie verschafft der gesetzlich vorgeschriebenen Präventivkontrolle Geltung und verhindert, dass der rechtsuntreue Bürger Nutzungsvorteile gegenüber den Bürgern erhält, die das Genehmigungsverfahren betreiben. Diese öffentlichen Belange überwiegen das private Nutzungsinteresse, weil im Unterschied zur endgültigen Nutzungsuntersagung keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.07.1991 - 3 S 1777/91 -, VGH BW-Ls, Beilage 10, B 3 und Urteil vom 22.09.1989 - 5 S 3086/88 -, NVwZ 1990, 480; Sauter, LBO, 3. Aufl., § 65 RdNr. 100 ff.; vgl. auch Beschluss des Senats vom 22.01.1996 - 8 S 2964/95 -, VBlBW 1996, 300 und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.07.2002 - 5 S 149/01 -, ESVGH 53, 30 zur Voraussetzung materieller Illegalität bei endgültiger Nutzungsuntersagung). Eine solche vorläufige Nutzungsuntersagung ist zur Sicherung der oben genannten öffentlichen Belange auch in aller Regel für sofort vollziehbar zu erklären (vgl. Beschl. des Senats vom 10.02.2005 - 8 S 2834/04 -, VBlBW 2005, 238 zum Sofortvollzug von Baueinstellungen).
Diesen Anforderungen dürfte die Nutzungsuntersagung hier genügen. Es spricht alles dafür, dass die vorgesehene Nutzung der Räume im Erdgeschoss des Gebäudes ... als Wettbüro eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung darstellt. Sie ist nicht von der Baugenehmigung vom 14.02.1979 gedeckt, welche die Nutzung der Räumlichkeiten als Ladengeschäft (Bäckerei) zulässt. Die Annahme von Sportwetten und das vorgesehene Unterhaltungs- und Spielangebot überschreitet die Variationsbreite eines typischen Ladengeschäfts. Für diese andersartige Nutzung gelten weitergehende oder jedenfalls andere baurechtliche Anforderungen als für ein Bäckereigeschäft (§ 50 Abs. 2 Nr. 1 LBO). Sie wirft etwa die Frage der notwendigen Stellplätze im Sinne des § 37 Abs. 2 LBO neu auf (vgl. VV-Stellplätze, B, Ziffern 3.1 und 6.3: Spielhallen lösen einen höheren Stellplatzbedarf aus als Verkaufsstätten bis 700 m²). Außerdem zielt das Wettbüro der Antragsteller auf ein anderes Publikum als ein Ladengeschäft, in dem Lebensmittel verkauft werden. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht angenommen, dass eine Nutzung, die - wie hier - allein der Befriedigung der Spiel- und Wettleidenschaft dient, geeignet ist, bodenrechtliche Spannungen mit Blick auf eine Verschlechterung der Gebietsqualität („Trading-down-Effekt“) auszulösen. Die Nutzungsänderung ist folglich genehmigungspflichtig. Ihre Genehmigungsfähigkeit kann auch nicht ohne weitere Ermittlungen bejaht werden, so dass eine Präventivkontrolle nicht verzichtbar ist. Die Zulässigkeit des Wettbüros kann hier schon deshalb nicht abschließend beurteilt werden, weil sie wesentlich von der konkreten Ausgestaltung der Räumlichkeiten abhängt und die Antragsteller der Baurechtsbehörde bislang - trotz Aufforderung - keine detaillierte Beschreibung ihres Vorhabens vorgelegt haben. Wie das Beschwerdeverfahren gezeigt hat, kann die Ausstattung des Wettbüros jederzeit ohne größeren Aufwand verändert werden. Der verbindlichen Klärung der baurechtlichen Situation im Baugenehmigungsverfahren auf der Grundlage konkreter Angaben zur beabsichtigten Nutzung kommt hier also besondere Bedeutung zu. Schließlich hat die Antragsgegnerin die Nutzungsuntersagung auch ausdrücklich darauf gestützt, dass die Antragsteller noch keine konkrete Beschreibung der geplanten Nutzung zur Prüfung vorgelegt hätten. Es handelt sich somit nicht um eine endgültige, sondern um eine vorläufige, an die Klärung der Zulässigkeit der Nutzung in einem Baugenehmigungsverfahren gekoppelte Nutzungsuntersagung. Die Antragsteller können sich demgegenüber nicht auf ein überwiegendes Nutzungsinteresse berufen. Sie haben hier nicht nur ohne die erforderliche Genehmigung eine Nutzung aufgenommen, deren Zulässigkeit nur auf der Grundlage weiterer Ermittlungen beurteilt und festgestellt werden kann, sondern eine solche Prüfung von vornherein dadurch verhindert, dass sie der Baurechtsbehörde keine prüffähige Beschreibung ihres Vorhabens vorlegen. Das Angebot der Antragsteller gegenüber der Baurechtsbehörde, eine Baulast zu übernehmen, um die rechtmäßige Nutzung sicherzustellen, ist schon deshalb untauglich, weil sie nicht Grundstückseigentümer sind (vgl. § 71 Abs. 1 LBO).
Der am 02.02.2007 per Fax eingegangene Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 29.01.2007 gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Einschätzung der Sach- und Rechtslage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 63 Abs. 3, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 15.000,- € festgesetzt.


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Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

Aktenzeichen: M 1 K 15.4034

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 15. Dezember 2015

1. Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte:

Nutzungsuntersagung für Ferienwohnungen;

Brandschutzrechtliche Mängel

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...gesellschaft ... KG vertreten durch den Geschäftsführer ...

- Klägerin -

bevollmächtigt: Rechtsanwalt ...

gegen

Freistaat Bayern vertreten durch: Regierung von Oberbayern Vertreter des öffentlichen Interesses Bayerstr. 30, 80335 München

- Beklagter -

wegen Nutzungsuntersagung, FlNr. 912/5 Gem. ...

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer,

durch die Richterin am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichterin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine zwangsgeldbewehrte Nutzungsuntersagung für Ferienwohnungen.

Auf dem Grundstück FlNr. 912/5 der Gemarkung ... befindet sich ein circa 25 x 25 m großes Gebäude mit Erdgeschoss, 1. bis 3. Obergeschoss und Dachgeschoss. Baurechtlich genehmigt ist dort das Erholungsheim ... mit 29 Appartements, einer Wohnung, fünf Zimmern (insgesamt 65 Betten) sowie im Erdgeschoss ein Saal und eine Gaststätte mit Biergartenbetrieb (Behördenakte = BA Bl. 197). Das Grundstück liegt im Geltungsbereich der Satzung über die Sicherung der Zweckbestimmung für den Fremdenverkehr der Gemeinde ... und im Landschaftsschutzgebiet.

Mit E-Mail vom ... März 2015 teilte die Gemeinde ... dem Landratsamt Rosenheim mit, dass an dem Gebäude Bauarbeiten stattfänden. Bei einer Baukontrolle des Landratsamts am ... April 2015 wurde festgestellt, dass im nördlichen Teil des Erdgeschosses ein ...museum und ein ...verkauf betrieben sowie im südwestlichen Teil Bauarbeiten vorgenommen wurden. In den 1. bis 3. Obergeschossen befinden sich jeweils drei Ferienwohnungen (zwei mit jeweils 130 qm, eine mit 75 qm; BA Bl. 10 f.). Im Dachgeschoss wurden Bauarbeiten durchgeführt. Laut Auskunft der Klägerin sollten im Erdgeschoss und im Dachgeschoss ebenfalls Ferienwohnungen entstehen

Bei einer weiteren Baukontrolle am ... August 2015 ergaben sich Mängel an den Flucht- und Rettungswegen, die in einem Aktenvermerk des Landratsamts vom ... August 2015 aufgelistet sind (BA Bl. 22 ff.)

Mit Bescheid vom ... August 2015 bestätigte das Landratsamt die am Vortag mündlich ausgesprochene Untersagung der Nutzung des gesamten 3. Obergeschosses als Aufenthaltsraum (Nr. 1). Weiter forderte es die Klägerin auf, die Brandlasten in den Fluren des Erdgeschosses und der Obergeschosse sofort zu entfernen (Nr. 3), sowie binnen sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids einen der Bauvorlagenverordnung entsprechenden Bauantrag einzureichen (Nr. 4). Für den Fall, dass die Nutzungsuntersagung in Nr. 1 nicht befolgt werden sollte, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- Euro angedroht (Nr. 6). Weiter wurden Zwangsgelder in Höhe von jeweils 1.000,- Euro für den Fall der Nichtbefolgung der Nrn. 3 und 4 angedroht (Nr. 7 und 8). Der Klägerin wurden die Kosten für diesen Bescheid in Höhe von insgesamt 202,32 Euro auferlegt (Nrn. 9 und 10). Zur Begründung ist auf Art. 54 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie auf Art. 76 Satz 2 Bayerische Bauordnung (BayBO) verwiesen. Der Umbau der als Erholungsheim genehmigten ... und die Nutzungsänderung in Ferienwohnungen seien ohne Genehmigung durchgeführt worden. Das Vorhaben sei wegen Verstoßes gegen brandschutzrechtliche Vorschriften auch materiell rechtswidrig. Aufgrund der fehlenden bzw. mangelhaften Ausbildung von Rettungswegen und der erheblichen Brandlasten durch Teppichböden und herumstehende Einrichtungsgegenstände bestehe für sämtliche Ferienwohnungen im 3. Obergeschoss erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit der Nutzer. Von einer vorherigen Anhörung habe wegen Gefahr im Verzug abgesehen werden können. Die Nutzungsuntersagung sei für die Einhaltung der Anforderungen aus Art. 54 Abs. 2 Sätze 1 und 2 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 BayBO geeignet, erforderlich und stehe zum erwarteten Erfolg nicht außer Verhältnis.

Mit E-Mails vom ... und ... August 2015 teilte die Klägerin dem Landratsamt mit, sie habe die Brandlasten aus den Fluren entfernt und einen Gerüstturm als zweiten Rettungsweg errichten lassen. Sie sei bereit, die rechte Ferienwohnung im dritten Stock nur zusammen mit der linken zu vermieten, so dass auf diese Weise ein zweiter Rettungsweg sichergestellt sei.

Am ... September 2015 reichte die Klägerin bei der Gemeinde ... einen Bauantrag für die Modernisierung und Nutzungsänderung eines Erholungsheims mit Gaststätte und Biergarten in ein Gebäude mit 14 Ferienwohnungen und Gastronomie ein; vorgesehen ist weiter die Errichtung einer Dachgaube und einer Außentreppe als zweiter Fluchtweg.

Mit Schreiben vom ... September 2015 teilte die Klägerin dem Landratsamt mit, sie habe seit 19. August 2015 einen Gerüstturm als zweiten Rettungsweg errichtet, daneben die Brandlasten beseitigt, einen Bauantrag eingereicht, vom Erdgeschoss bis ins Dachgeschoss zum ersten Fluchtweg Brandschutztüren eingebaut, keine nennenswerten Hohlräume in der Wand des Treppenhauses festgestellt, die Treppe mit einem Teppichboden in Brandklasse B1 belegt und den Zugang zum Dachgeschoss mit einer Rauchabschlusstüre ausgeführt. Die Aufhebung der Nutzungsuntersagung werde deshalb beantragt.

Am ... November 2015 erhob die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München letztendlich mit dem Antrag,

den Bescheid des Landratsamts Rosenheim vom ... August 2015 in Nrn. 1, 6, 9 und 10 aufzuheben.

Sie führt aus, die Nutzungsuntersagung sei ab dem 18. August 2015 aufzuheben, weil die hierfür im Bescheid aufgeführten Gründe durch bauliche Maßnahmen beseitigt worden seien, insbesondere sei ein zweiter Rettungsweg geschaffen worden. Das Landratsamt habe signalisiert, dass aufgrund der durchgeführten Maßnahmen keine Gefahr für Leib und Leben mehr bestehe.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt aus, die Nutzung erfolge im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Formelle Illegalität liege vor, weil das ursprünglich als Erholungsheim genehmigte Vorhaben ohne die notwendige Baugenehmigung umgebaut und einer neuen Nutzung zugeführt worden sei. Weiter liege die Nutzungsuntersagung im sogenannten Regelermessen; hier rechtfertigten keine atypischen Umstände eine andere Sichtweise, insbesondere sei die Nutzung nicht offensichtlich genehmigungsfähig, weil gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften verstoßen worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte und der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg. Der Bescheid des Landratsamts Rosenheim vom ... August 2015 ist in den angefochtenen Nrn. 1, 6, 9 und 10 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die übrigen in dem Bescheid getroffenen Anordnungen (Nrn. 2 bis 5 sowie 6 und 7) sind nicht Gegenstand der vorliegenden Anfechtungsklage.

1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der Prüfung der angefochtenen Nutzungsuntersagung ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Dies ergibt sich aus der Einstufung der Nutzungsuntersagung als Dauerverwaltungsakt (BVerwG, B.v. 23.1.1998 - 4 B 132/88 - juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 16.2.2015 - 1 B 13.648 - juris Rn. 24; Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Feb. 2015, Art. 76 Rn. 294).

2. Rechtsgrundlage für die Nutzungsuntersagung ist Art. 76 Satz 2 BayBO. Nach dieser Vorschrift kann die Nutzung untersagt werden, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden.

Hinter der Spezialregelung des Art. 76 Satz 2 BayBO hat die allgemeine Rechtsgrundlage des Art. 54 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BayBO, nach der die Bauaufsichtsbehörde in Wahrnehmung ihrer Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen kann und die das Landratsamt in der Begründung des angefochtenen Bescheids ebenfalls angeführt hat, zurückzutreten (Dirnberger in Simon/Busse, a. a. O., Art. 54 BayBO Rn. 37; Decker/Konrad, Bayerisches Baurecht, 3. Aufl. 2011, S. 129).

3. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere konnte nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) wegen Gefahr im Verzug von einer Anhörung abgesehen werden. Die bauaufsichtlichen Mängel der ... waren erst seit der Baukontrolle am ... August 2015 bekannt.

4. Die Nutzung des 3. Obergeschosses der ... für Ferienwohnungen erfolgt im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften, weil eine baurechtliche Genehmigung hierfür nicht vorliegt. Das Gebäude wurde als Erholungsheim mit kleinteiligerer Raumaufteilung genehmigt. Die vorhandene Baugenehmigung deckt weder die derzeitige Raumaufteilung noch die Nutzung des 3. Obergeschosses für Ferienwohnungen.

Für die Rechtmäßigkeit einer Nutzungsuntersagung genügt regelmäßig die formale Illegalität (Decker in Simon/Busse, a. a. O., Art. 76 BayBO Rn. 282 m. w. N.). Ob die Nutzung dagegen materiell-rechtlich genehmigungsfähig ist, spielt grundsätzlich nur dann eine Rolle, wenn die Genehmigungsfähigkeit offensichtlich ist. Dann scheidet eine Nutzungsuntersagungsverfügung im Rahmen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung aus (Decker in Simon/Busse, a. a. O.).

5. Die Nutzung des 3. Obergeschosses für Ferienwohnungen ist nicht offensichtlich genehmigungsfähig.

Eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit scheitert insbesondere an der Frage des Brandschutzes. Der Beklagte hat im Aktenvermerk vom ... August 2015 ausführlich dargelegt, dass und welche brandschutzrechtlichen Mängel am gesamten Gebäude bestehen. Diese betreffen die Rettungswege (Art. 31 BayBO), die notwendigen Treppen (Art. 32 BayBO) und den notwendigen Treppenraum (Art. 33 BayBO). Die Mängel wirken sich insbesondere bei den drei Wohnungen im 3. Obergeschoss aus, weil dieses auf einer Fußbodenhöhe von 10 m liegt und die Feuerwehr nicht über ein geeignetes Hubrettungsfahrzeug verfügt (vgl. Art. 31 Abs. 3 Satz 1 BayBO). Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass die genannten Mängel inzwischen durch Vornahme baulicher Maßnahmen weitestgehend behoben erscheinen. Eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit - selbst in brandschutzrechtlicher Hinsicht - ist dennoch nicht zu bejahen, weil ein Brandschutznachweis als belastbare Dokumentation der erfüllten brandschutzrechtlichen Anforderungen für das Gesamtgebäude (vgl. Art. 62 Abs. 1 Satz 1 Halbs.1, Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 BayBO) auch im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vorlag. Die Beibringung dieses Nachweises liegt in der Eigenverantwortlichkeit des Bauherrn. Das Landratsamt hat überdies nicht schriftlich nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG zugesichert, die Nutzungsuntersagung nach Errichtung eines zweien Rettungswegs aufzuheben; eine Äußerung dieses Inhalts findet sich nicht in der Behördenakte und wurde auch von der Klägerin nicht vorgelegt.

Hinzu kommt, dass eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit derzeit auch daran scheitert, dass offen ist, ob die Nutzungsänderung bauplanungsrechtlich zulässig ist, im Landschaftsschutzgebiet vorgenommen werden darf und der gemeindlichen Satzung über die Sicherung der Zweckbestimmung für den Fremdenverkehr entspricht. Auch wenn diese Umstände bislang keinen Eingang in die Ermessensausübung gefunden haben, stehen sie einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit entgegen.

6. Die vom Landratsamt vorgenommenen Ermessenserwägungen sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung ist der Ausspruch eines Nutzungsverbots grundsätzlich eine ermessensgerechte Entscheidung (BayVGH, U.v. 13.3.2012 - 9 ZB 11.769 - juris Rn. 12); insoweit liegt sogenanntes intendiertes oder Regelermessen vor. Das Landratsamt hat die Nutzungsuntersagung hier auf die Ferienwohnungen im 3. Obergeschoss beschränkt, weil dort wegen des seinerzeit fehlenden zweiten Rettungswegs die Gefahr für die Bewohner am greifbarsten erschien. In fehlerfreier Weise hat es dem öffentlichen Interesse am Ausschluss einer Gefährdungslage für Bewohner der Ferienwohnungen Vorrang vor dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin eingeräumt. Im Rahmen der Ermessensausübung ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt die Nutzungsuntersagung aufrecht erhält, obwohl die festgestellten brandschutzrechtlichen Mängel nunmehr weitestgehend beseitigt erscheinen; ohne Vorlage eines Brandschutznachweises für das baulich und in seiner Nutzung geänderte Gebäude ist die Frage der Einhaltung der brandschutzrechtlichen Anforderungen nicht zweifelsfrei geklärt.

7. Die Auswahl der Klägerin als Adressatin der Nutzungsuntersagungsverfügung begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Sie ist Inhaberin der tatsächlichen Gewalt über das Gebäude.

8. Die Verfügung ist auch hinreichend bestimmt. Es ist eindeutig, dass von ihr alle Ferienwohnungen im 3. Obergeschoss betroffen sind.

9. Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 6 des Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig. Das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-Euro erscheint unter Berücksichtigung der Einnahmemöglichkeit der Klägerin aus der Vermietung der Ferienwohnungen angemessen (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz - VwZVG). Bedenken gegen die gesetzte Frist (sofort nach Zustellung; vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) hat die Klägerin nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich. Auch hinsichtlich der Bestimmtheit der Zwangsgeldandrohung (vgl. Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG) bestehen keine Bedenken; eine Aufteilung des Zwangsgeldes hinsichtlich der einzelnen im 3. Obergeschoss befindlichen Ferienwohnungen war nicht erforderlich, weil die Klägerin erkennen konnte, dass jede Nutzung ein Fälligwerden des angedrohten Zwangsgeldes auslösen kann.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz - GKG - i. V. m. Nr. 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

...

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 08. Oktober 2008 - 4 K 1514/08 - geändert. Das vom Landratsamt Karlsruhe 1991 oder 1992 im Kreuzungsbereich Karlsruher Straße/Albgaustraße auf Gemarkung der Beklagten angeordnete Verkehrsverbot für Radfahrer und der dieses aufrechterhaltende Teil des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17. April 2008 werden aufgehoben. Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt und das Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit es darüber hinaus angefochten war, für unwirksam erklärt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich nur mehr gegen die straßenverkehrsrechtliche Anordnung eines Verkehrsverbots für Radfahrer bzw. Fahrräder (Zeichen 254) im Kreuzungsbereich Karlsruher Straße/Albgaustraße auf Gemarkung der Beklagten.
Im Zuge der Ausweitung des S-Bahnnetzes und der Inbetriebnahme der Straßenbahnstrecke von Karlsruhe nach Rheinstetten wurde 1991 auch der Verkehrsraum der durch den dortigen Stadtteil Forchheim verlaufenden Karlsruher Straße umgestaltet. 1991 oder 1992 – Akten hierüber finden sich nicht mehr - ordnete das Landratsamt Karlsruhe als seinerzeit zuständige Straßenverkehrsbehörde für den westlich der Karlsruher Straße zwischen Leichtsand- und Albgaustraße entlang führenden Radweg eine Radwegebenutzungspflicht sowie für den Kreuzungsbereich mit der Albgaustraße ein Verkehrsverbot für Radfahrer an. Wenig später wurden die Verkehrszeichen 241 und 254 aufgestellt. Zum 01.01.2005 wurde die Beklagte mit der Folge zur Großen Kreisstadt erklärt, dass von ihr als unterer Verwaltungsbehörde fortan auch die Aufgaben der unteren Straßenverkehrsbehörde wahrzunehmen waren.
Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 21./25.07.2007 legte der Kläger gegen die durch das Zeichen 241 angeordnete Radwegebenutzungspflicht zwischen Leichtsand- und Jahnstraße Widerspruch ein. Mit dieser sei er erstmals am 30.12.2006 konfrontiert gewesen, als er auf dem Weg zum „Silvesterlauf“ gewesen bzw. von diesem zurückgekehrt sei. Insofern sei die Widerspruchsfrist gewahrt. Die Anordnung verstoße gegen § 45 Abs. 9 StVO, weil keine entsprechende Gefahrenlage bestehe. Außerdem seien die nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) erforderlichen Maße, zumal für einen Zweirichtungsradweg, nicht eingehalten.
Mit ebenfalls an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 30./31.07.2007 erweiterte der Kläger seinen Widerspruch auf den Straßenabschnitt zwischen Jahn- und Albgaustraße. Mit der auch dort angeordneten Radwegebenutzungspflicht sei er erst konfrontiert gewesen, als er zum Start der 16. Radtourenfahrt „Durchs Badnerland“ unterwegs gewesen bzw. wieder zurückgekehrt sei. Gleichzeitig erhob er Widerspruch gegen das nördlich der Albgaustraße in nördlicher Richtung (auf gemeinsamer Trägertafel mit dem Hinweis „Halt Radfahrer! Sturzgefahr am Gleis“) angebrachte Verkehrsverbotszeichen, dessen Regelungsgehalt nicht klar erkennbar, widersinnig, jedenfalls aber im Hinblick auf das Zeichen 241 redundant sei. Im Übrigen hätte im Hinblick auf die dort zu querenden Straßenbahngleise ein Warnhinweis zur Abwehr einer Sturzgefahr bei zu spitzwinkligem Überfahren genügt.
Mit Schreiben vom 10.09.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die angefochtenen verkehrsrechtlichen Anordnungen inzwischen bestandskräftig geworden seien, weshalb empfohlen werde, den Widerspruch bis zum 10.10.2007 zurückzunehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2008 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch zurück. Dieser sei schon nicht fristgerecht erhoben, da die hier maßgebliche Jahresfrist für alle Verkehrsteilnehmer bereits mit Aufstellen der Verkehrszeichen in Lauf gesetzt worden sei.
Am 16.05.2008 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben. Hierzu hat er geltend gemacht, die streitgegenständliche Beschilderung sei rechtswidrig. Der Radweg weise nicht die nach der Verwaltungsvorschrift VwV-StVO zumal für einen Zweirichtungsradweg erforderliche Mindestbreite auf. Auch fehle es an einer baulichen Trennung zwischen Rad- und Fußweg oder einer Trennung durch Zeichen 295. Schließlich seien die angefochtenen Anordnungen auch nicht durch § 45 Abs. 9 StVO gedeckt. Nicht ersichtlich sei, inwiefern bei einer Straßenbreite von 5,50 m bzw. einem gewissen seitlichen Gefälle eine Gefährdung entstehen sollte. Beim Bahnübergang hätte auch ein Warnhinweis als milderes Mittel genügt. Die von der Beklagten vorgelegten Verkehrszählungsergebnisse seien nur schwer verständlich, ließen indes keine übermäßige Verkehrsbelastung der Karlsruher Straße erkennen. Inwiefern das Vorhandensein von Schule, Kindergarten, Altenheim etc. eine Radwegebenutzungspflicht unverzichtbar machen sollte, sei ebenso wenig zu erkennen. Real sei demgegenüber die Gefahr, dass ein Radfahrer auf dem viel zu schmalen Zweirichtungsradweg bei Gegenverkehr auf die Fahrbahn stürze. Da der Radweg teilweise in einer Tempo-30-Zone verlaufe, liege darüber hinaus ein Verstoß gegen § 45 Abs. 1c Satz 3 StVO vor. Ob und ggf. welche Ermessenserwägungen seinerzeit angestellt worden seien, lasse sich ohne Akten nicht mehr feststellen. Hinsichtlich der rechtsseitigen Kennzeichnung des Radweges dürften solche jedenfalls nicht angestellt worden sein, da Radfahrer bis 1998 rechtsseitige Radwege ohnehin hätten benutzen müssen. Ermessenserwägungen müssten sich jedoch an der geltenden Rechtslage messen lassen. Im Klageverfahren könnten solche nach § 114 VwGO nur ergänzt werden. Die Widerspruchsfrist sei schließlich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gewahrt, da sie erst zu laufen beginne, wenn sich der jeweilige Verkehrsteilnehmer der Regelung des Verkehrszeichens erstmalig gegenübersehe und nicht schon für jeden (noch) nicht betroffenen Verkehrsteilnehmer mit dessen Aufstellung. Die streitgegenständlichen Straßenabschnitte habe er tatsächlich erst im Dezember 2006 bzw. Juli 2007 befahren. Nicht zuletzt hat der Kläger noch die Höhe der Widerspruchsgebühr beanstandet.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Hierzu hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Die Anfechtungsklage sei bereits unzulässig, da die angefochtenen, bereits 1991/1992 aufgestellten Verkehrszeichen auch gegenüber dem Kläger bestandskräftig seien. Im Übrigen sei nicht glaubhaft, dass der Kläger, der seit dem 02.09.2002 in Karlsruhe wohnhaft und „Sportradfahrer“ sei, erst zu den von ihm behaupteten Zeitpunkten Kenntnis von den nunmehr angefochtenen Verkehrszeichen erhalten haben wolle. Hilfsweise werde vorgetragen, dass die Aufstellung des Zeichens 241 zur Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs dringend erforderlich gewesen sei. So sei das Verkehrsaufkommen auf der lediglich ca. 5,50 m breiten Karlsruher Straße hoch. Bei Gegenverkehr sei ein gefahrloses Überholen eines Radfahrers nicht möglich. In nördlicher Richtung bestehe zudem die Gefahr, dass Radfahrer in den Bereich der lediglich durch einen schmalen Grasstreifen abgegrenzten Straßenbahn gerieten. Auch weise die Karlsruher Straße ab dem Schwimmbad bis zur Leichtsandstraße ein einseitiges Gefälle nach Westen auf. Es bestehe insofern - zumal bei entgegenkommenden Lkw und auf der Gegenseite längsparkenden Autos - die Gefahr, an den relativ hohen Bordstein zur Straßenbahn hin zu stoßen. Das Verkehrsverbotszeichen mit Warnhinweis sei schließlich keineswegs überflüssig, da es beim notwendigen Wechsel auf den westlich verlaufenden Radweg erfahrungsgemäß zu Unfällen komme und dieser aufgrund der niveaugleichen Straßenbahngleise für Radfahrer gefährlich sei. In der Vergangenheit sei es dort auch schon zu Unfällen gekommen. Im unmittelbaren Bereich der Karlsruher Straße befänden sich u. a. auch die Schwarzwaldschule, ein Kindergarten und ein Altenheim, sodass das Aufstellen der Verkehrszeichen gerade auch im Hinblick auf Rad fahrende Schüler geboten gewesen sei. Für einen Verpflichtungsantrag fehle es dem in Karlsruhe wohnenden Kläger schon an der erforderlichen Klagebefugnis. Die unter dem 31.07.2008 vorgelegten Ergebnisse einer aktuellen Verkehrszählung belegten, dass es sich bei der Karlsruher Straße um eine stark befahrene Erschließungsstraße für den gesamten Ortsteil Forchheim handle.
Mit Urteil vom 08.10.2008 – 4 K 1514/08 – hat das Verwaltungsgericht die festgesetzte Widerspruchgebühr teilweise aufgehoben und die Anfechtungsklage im Übrigen abgewiesen; einen Verpflichtungsantrag hatte der Kläger ausweislich des Tatbestandes und der Sitzungsniederschrift nicht mehr gestellt. Die Anfechtungsklage sei im Wesentlichen bereits unzulässig, da es an einem zulässigerweise erhobenen Widerspruch fehle. Dieser sei nicht innerhalb der Widerspruchsfrist erhoben worden, da Verkehrszeichen bereits durch ihre Anbringung öffentlich bekanntgegeben würden. Darauf, dass sich der Einzelne erst dem Schild nähern und dieses subjektiv wahrnehmen müsse, komme es nicht mehr an. Die gegenteilige Auffassung führte dazu, dass kaum je die Bestandskraft eines Verkehrszeichens angenommen werden könnte. Die Rechtsmittelfrist gegen ein Verkehrszeichen beginne daher bereits allgemein mit dessen Aufstellung zu laufen und ende nach § 58 Abs. 2 VwGO nach Ablauf eines Jahres unabhängig davon, ob der Einzelne überhaupt die Möglichkeit zur Wahrnehmung und zur Einlegung eines Widerspruchs gehabt habe. Danach sei der Widerspruch des Klägers eindeutig nicht mehr fristgerecht erhoben. Soweit sich die Klage gegen die im Widerspruchsbescheid festgesetzte Gebühr richte, sei sie jedoch zulässig und teilweise auch begründet.
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Gegen den klageabweisenden Teil dieses, ihm am 16.10.2008 zugestellten Urteils hat der Kläger am 16.11.2008 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt.
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Mit Beschluss vom 02.03.2009 – 5 S 3047/08 – hatte der Senat den Antrag zunächst abgelehnt. Nachdem der Beschluss auf die Verfassungsbeschwerde des Klägers mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.09.2009 - 1 BvR 814/09 - aufgehoben wurde, hat der Senat nunmehr mit – dem Kläger am 26.10.2009 zugestelltem - Beschluss vom 16.10.2010 – 5 S 2142/09 – die Berufung zugelassen.
12 
Der Kläger hat die zugelassene Berufung am 24.11.2009 im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Verwaltungsgericht habe seine (Anfechtungs-)Klage zu Unrecht wegen angeblich eingetretener Bestandskraft der angefochtenen Verkehrszeichen als unzulässig abgewiesen. Tatsächlich habe die Jahresfrist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts frühestens an dem Tage zu laufen begonnen, als er sich als Radfahrer das erste Mal der streitgegenständlichen Regelung genähert habe. Die Klage sei auch begründet, da die angefochtenen Anordnungen gegen § 45 Abs. 9 StVO und die Verwaltungsvorschrift VwV-StVO verstießen. Eine besondere Gefahrenlage liege nicht vor. Bei der Karlsruher Straße handle es sich um eine gewöhnliche Innerortsstraße, die zudem nur mäßig befahren sei. Nach den vorgelegten Verkehrszählungsergebnissen komme sie nach den technischen Regelwerken (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen , Ausgabe 1995) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) noch nicht einmal für den Bau eines Radwegs in Betracht. Der Straßenquerschnitt ermögliche durchaus ein harmonisches Miteinander der Fahrzeugführer und provoziere auch keineswegs straßenverkehrsordnungswidrige Verhaltensweisen überholungswilliger Kraftfahrer. Geringfügige Verzögerungen im Verkehrsablauf rechtfertigten – zumal vor dem Hintergrund des § 45 Abs. 9 StVO - ohnehin noch kein straßenverkehrsbehördliches Einschreiten. Letztlich führe die Regelung nur zu einer Verlagerung etwaiger Gefahren in den Gehwegbereich. Dies sei auch nicht aufgrund des mangelnden Raumangebots zur sicheren Trennung der Verkehre gerechtfertigt. Auf die Gefahr für Radfahrer bei den Straßenbahngleisen müssten sich die Verkehrsteilnehmer einstellen. Insoweit werde vom Radfahrer eine angemessene, unfallvermeidende Reaktion erwartet. So müsse dieser eben mit entsprechender Vorsicht oder stumpfwinklig über die Gleise fahren. Auch mit dem Hinweis auf das Vorhandensein einer Schule etc. würden letztlich nur gewöhnliche innerörtliche Verhältnisse beschrieben. Kinder unterlägen ohnehin einer Sonderregelung. Eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers dürfe schließlich nicht ausgehebelt und in ihr Gegenteil verkehrt werden. Nach der Verwaltungsvorschrift VwV-StVO sei die Anordnung linker Radwegbenutzungspflichten mit besonderen Gefahren verbunden und daher grundsätzlich verboten. Auch seien die für Radwege vorgesehenen kumulativen qualitativen Mindestvoraussetzungen nicht erfüllt. Die in Rede stehenden Radwege seien weit untermaßig, nicht frei von Hindernissen, nicht eindeutig erkennbar, stetig und sicher in der Linienführung. So stünden zahlreiche Bäume, Schilder und andere Hindernisse auf dem deutlich weniger als 2,40 m breiten Radweg. Auch wechsle er unvermutet die Richtung in eine gänzlich unklare Richtung. Schließlich seien die angefochtenen Verbote unverhältnismäßig, insbesondere nicht erforderlich. Radwegebenutzungspflichten seien nach der Unfallforschung generell ungeeignet, Gefahren für den Radverkehr zu vermindern. Dass es sich hier anders verhielte, sei nicht ersichtlich. Die Radwegebenutzungspflicht betreffe zudem eine Tempo-30-Zone und sei daher schon nach § 45 Abs. 1c Satz 3 StVO rechtswidrig. Die linksseitige Benutzungspflicht verstoße darüber hinaus gegen Rn. 33 VwV-StVO zu § 2. Nachdem die gefährlichen Einbauten und Hindernisse auf dem Radweg nach wie vor nicht beseitigt seien, stünden auch diese nach Rn. 17 VwV-StVO zu § 2 der Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht entgegen.
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Die Beklagte hat unter dem 22.09.2010 mitteilen lassen, dass die Verkehrsführung im streitgegenständlichen Abschnitt der Karlsruher Straße nunmehr - wie bereits im Schriftsatz vom 16.12.2009 angekündigt - geändert worden sei. Danach sei die Anordnung getrennter Fuß- und Radwege aufgehoben und das bisherige Zeichen 241 durch das Zeichen 239 mit dem Zusatz „Für Radfahrer frei“ ersetzt worden. Auch die bisherige Aufteilung des Weges durch Markierungen oder einen farblich unterschiedlichen Pflasterbelag sei entfernt worden. Radfahrern sei es damit unbenommen, die Karlsruher Straße zu befahren. Mit Rücksicht auf die besondere Gefahrensituation im Kreuzungsbereich Karlsruher Straße/Albgaustraße (Verschwenkung der Karlsruher Straße über die Straßenbahngleise) sei das dortige Durchfahrtsverbot wegen erheblicher Sturzgefahr für Radfahrer beibehalten worden. Aus diesem Grund sei auch die Radwegebenutzungspflicht hinsichtlich des gegenläufigen Radweges zwischen Albgau- und Kraichgaustraße (auf ca. 50 m) aufrechterhalten worden. Radfahrer könnten den gesperrten Bereich allerdings auch ohne Umweg umfahren, indem sie auf der östlichen Seite der Karlsruher Straße den parallel zu dieser verlaufenden verkehrsberuhigten Bereich nach Norden benutzten.
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Unter dem 28.10.2010 hat die Beklagte darüber hinaus mitteilen lassen, dass das vom Kläger beanstandete Zeichen 241 nun auch im Bereich zwischen Kraichgau- und Albgaustraße entfernt und durch das Zeichen 239 mit dem Zusatz „Radfahrer frei“ ersetzt werde. Das Durchfahrtsverbot in Fahrtrichtung Norden bleibe (bis zur Einmündung der Kraichgaustraße) demgegenüber im Hinblick auf die gefährliche Verkehrssituation bestehen. Der Vorlage von Unfallstatistiken bedürfe es nicht. - Das zunächst verbliebene Verkehrszeichen 241 wurde in der Folge wie angekündigt ersetzt.
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Der Kläger hat vor diesem Hintergrund den Rechtsstreit teilweise in der Hauptsache für erledigt erklärt. Er beantragt nur mehr,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 08. Oktober 2008 - 4 K 1514/08 - zu ändern und das noch vom Landratsamt Karlsruhe 1991 oder 1992 an der Kreuzung Karlsruher Straße/Albgaustraße angeordnete Verkehrsverbot für Radfahrer und den dieses aufrechterhaltenden Teil des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17. April 2008 aufzuheben.
17 
Er weist daraufhin, dass auch hinsichtlich der verbliebenen Reglung nach wie vor keine konkrete, weit überdurchschnittliche Gefahr i. S. des § 45 Abs. 9 StVO dargetan sei.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Im Übrigen hat sie den Rechtsstreit ebenfalls teilweise in der Hauptsache für erledigt.
21 
Dem Senat liegen die Akten der Beklagten, des Regierungspräsidiums Karlsruhe und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor, auf die ebenso wie auf die Schriftsätze der Beteiligten ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die vom Senat zugelassene Berufung gegen das die Anfechtungsklage abweisende verwaltungsgerichtliche Urteil ist zulässig; sie wurde beim Verwaltungsgerichtshof am 24.11.2009, mithin noch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet.
23 
Sie hat auch Erfolg, soweit der weiter geführte Rechtsstreit während des Berufungsverfahrens noch nicht seine Erledigung gefunden hat. Insoweit war das Verfahren, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend teilweise für erledigt erklärt haben, entsprechend §§ 125 Abs. 1, 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und das angefochtene Urteil für unwirksam zu erklären.
24 
Die Anfechtungsklage (vgl. § 42 Abs. 1 VwGO) gegen das nur mehr im Streit stehende, im Kreuzungsbereich der Karlsruher Straße/Albgaustraße in nördlicher Richtung aufgestellte Verkehrsverbot für Radfahrer bzw. Fahrräder (Zeichen 254) ist statthaft und auch sonst zulässig.
25 
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war der hiergegen am 31.07.2007 erhobene Widerspruch des Klägers nicht schon verfristet. Die wegen Fehlens einer Rechtsmittelbelehrung einjährige Widerspruchsfrist (vgl. §§ 70 Abs. 1 Satz 1, 58 Abs. 2 VwGO) hatte gegenüber dem Kläger nicht schon mit dem Aufstellen dieses Verkehrszeichens, sondern erst am 30.07.2007 zu laufen begonnen, als der Kläger sich diesem nach eigenem Bekunden erstmals gegenübersah. Dass er auf dieses tatsächlich bereits (viel) früher, nämlich bereits vor mehr als einem Jahr, getroffen wäre, lässt sich nicht feststellen. Solches folgt entgegen der Auffassung der Beklagten insbesondere nicht schon daraus, dass der Kläger seit 2002 in Karlsruhe wohnt und „Sportradfahrer“ ist.
26 
Das Verkehrsverbot für Radfahrer bzw. Fahrräder (Zeichen 254), das wie andere Verkehrsverbote und -gebote ein Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG ist (stRspr seit BVerwG, Urt. v. 09.06.1967 - 7 C 18.66 -, BVerwGE 27, 181 <182> u. v. 13.12.1979 - 7 C 46.78 - BVerwGE 59, 221 <224>), wird gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gegenüber demjenigen, für den es bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem es ihm bekannt gegeben wird. Die Bekanntgabe erfolgt nach den bundesrechtlichen (Spezial-)Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung durch Aufstellen des Verkehrsschildes (vgl. insbesondere § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 4 StVO). Sind Verkehrszeichen so aufgestellt oder angebracht, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon „mit einem raschen und beiläufigen Blick" erfassen kann (vgl. BGH, Urt. v. 08.04.1970 - III ZR 167/68 -, NJW 1970, 1126 f.), äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1996 - 11 C 15.95 -, BVerwGE 102, 316 <318>).
27 
Dies bedeutet nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts indes nicht, dass die Anfechtungsfrist gegenüber jedermann bereits mit dem Aufstellen des Verkehrszeichens in Gang gesetzt würde. Diese Frist werde vielmehr erst dann in Lauf gesetzt, wenn sich der betreffende Verkehrsteilnehmer erstmals der Regelung des Verkehrszeichens gegenübersehe. Dass in seinem Urteil vom 11.12.1996 die Bekanntgabe nach den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung als eine besondere Form der öffentlichen Bekanntmachung bezeichnet werde, zwinge nicht zu dem Schluss, dass auch die Anfechtungsfrist für jedermann mit dem Aufstellen des Verkehrszeichens zu laufen beginne (vgl. Urt. v. 23.09.2010 – 3 C 32.09 -; anders noch Senat, Beschl. v. 02.03.2009 - 5 S 3047/08 -, JZ 2009, 738; ebenso HessVGH, Urt. v. 31.03.1999 - 2 UE 2346/96 -, NJW 1999, 2057; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, 7. A. 2008, § 41 Rn.139 ff.; Stelkens, NJW 2010, 1184). Denn es handele sich um eine „besondere" Form der öffentlichen Bekanntmachung, die von der Wirkung anderer Formen öffentlicher Bekanntmachung durchaus abweichen könne. Dieser Auffassung schließt sich der Senat im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung nunmehr an.
28 
Entgegen der Auffassung des Klägers hätte die gemäß § 58 Abs. 2 VwGO einjährige Rechtsbehelfsfrist allerdings nicht erneut zu laufen begonnen, sollte er sich dem Verkehrsverbot ein weiteres Mal gegenübergesehen haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.09.2010, a.a.O.). Das Verkehrsge- oder -verbot, das einem Verkehrsteilnehmer bei seinem ersten Herannahen bekannt gemacht wurde, gilt diesem gegenüber fort, solange Anordnung und Bekanntgabe aufrechterhalten bleiben. Kommt der Verkehrsteilnehmer erneut an diese Stelle, hat das Verkehrszeichen für ihn nur eine erinnernde Funktion. Daraus, dass Verkehrszeichen gleichsam an die Stelle von Polizeivollzugsbeamten treten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.11.1977 - 7 B 135.77 -, NJW 1978, 656), folgt nichts anderes. Trotz der Funktionsgleichheit und wechselseitigen Vertauschbarkeit einer Verkehrsregelung durch Verkehrszeichen einerseits und durch Polizeibeamte andererseits unterscheiden sie sich dadurch, dass Verkehrszeichen die örtliche Verkehrssituation regelmäßig dauerhaft regeln (vgl. bereits BVerwG, Urt. v. 13.12.1979, a.a.O., S. 225).
29 
Der Klage fehlt auch nicht die erforderliche Klagebefugnis (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO). Bereits durch sein einmaliges Befahren der Karlsruher Straße mit dem Fahrrad nach Norden war der Kläger Adressat des Verkehrsverbots geworden, wodurch er in rechtlich beachtlicher Weise belastet wurde. Insofern kommt zumindest eine Verletzung der allgemeinen Freiheitsgewährleistung nach Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.08.2003 - 3 C 15.03 -, Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 19).
30 
Der Klage fehlt im Hinblick darauf, dass der Kläger weiterhin seinen Wohnsitz in Karlsruhe hat, ersichtlich auch nicht deshalb das erforderliche Rechtsschutzinteresse, weil auszuschließen wäre, dass er jemals wieder mit der angefochtenen Verkehrsregelung konfrontiert würde (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 21.08.2003, a.a.O.).
31 
Die Anfechtungsklage ist auch begründet.
32 
Diese richtet sich ungeachtet dessen, dass das streitgegenständliche Verkehrsverbot im Jahre 1991 oder 1992 noch vom Landratsamt Karlsruhe als der vormals zuständigen unteren Straßenverkehrsbehörde erlassen worden war, zu Recht gegen die Beklagte, auf die zum 01.01.2005 die Aufgaben der unteren Straßenverkehrsbehörde übergegangen waren. Kommt es nach Erlass einer Sachentscheidung, aber noch vor Klageerhebung zu einem vollständigen Zuständigkeitswechsel, ist die Klage abweichend von § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen den Rechtsträger der nunmehr zuständigen Behörde zu richten (vgl. Ehlers, Der Beklagte im Verwaltungsprozess, in: Festschrift für Chr.-Friedr. Menger, 1985, S. 379 <395>; zum in einem solchen Fall im Verwaltungsstreitverfahren entspr. §§ 173 VwGO, 239 ff. ZPO stattfindenden gesetzlichen Parteiwechsel VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.1969 - II 708/67 -, ESVGH 20, 145 <146>; OVG Münster, Urt. v. Beschl. v. 06.03.1975 - IV B 1150/74 -, OVGE 31, 8 f.; BayVGH, Beschl. v. 24.07.1978 - 60 VIII 77 -, BayVBl. 1978, 763; auch BVerwG, Urt. v. 02.11.1973 – IV C 55.70 -, BVerwGE 44, 148, Beschl. v. 28.02.2002 – 5 C 25.01 -, BVerwGE 116, 78; zust. Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO <20. Erg.lfg. 2010>, § 78 Rn. 61). Dies gilt auch für eine Anfechtungsklage, da die bisher zuständige Behörde (hier: Landratsamt Karlsruhe) von dem Zuständigkeitswechsel an nicht mehr in der Lage ist, dem geltend gemachten Aufhebungsanspruch im Wege einer Abhilfeentscheidung zu entsprechen bzw. einem entsprechenden Urteil nachzukommen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.1969, a.a.O., S. 147; BayVGH, Beschl. v. 24.07.1978, a.a.O.; OVG Münster, Beschl. v. 06.03.1975, a.a.O., S. 9; Ehlers, a.a.O.; Meissner, a.a.O.). Eine Klage gegen den Rechtsträger der nunmehr zuständigen Behörde erscheint umso mehr bei einem Dauerverwaltungsakt angezeigt, wie er hier mit dem angefochtenen Verkehrsverbot in Rede steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 3 C 42.09 -). Denn ein solcher ist von dem Zuständigkeitswechsel an nur mehr von der neu zuständig gewordenen Behörde „unter Kontrolle“ zu halten. Für die hier vertretene Auffassung spricht nicht zuletzt die in § 3 Abs. 3 LVwVfG getroffene Regelung, wonach bei einer Änderung der örtlichen Zuständigkeit im Laufe des (auch das Abhilfe- bzw. Widerspruchsverfahren umfassenden § 3 vwgo nr. 2>) Verwaltungsverfahrens eine Weiterführung durch die bisher zuständige Behörde nur ausnahmsweise vorgesehen ist.
33 
Das nur mehr angefochtene Verkehrsverbot für Radfahrer bzw. Fahrräder (Zeichen 254) ist – ebenso wie der entsprechende Teil des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17.04.2008 - rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
34 
Maßgeblich für den Erfolg einer Anfechtungsklage gegen verkehrsbezogene Ge- und Verbote, die regelmäßig den Dauerverwaltungsakten zuzurechnen sind (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 21.08.2003 , a.a.O. m.w.N.), ist regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung (stRspr; vgl. für verkehrsbeschränkende Anordnungen u.a. BVerwG, Urt. v. 27.01.1993 - 11 C 35.92 -, BVerwGE 92, 32 <35 f.> u. v. 14.12.1994 - 1 C 25.93 -, BVerwGE 97, 214 <220>, v. 21.08.2003 , a.a.O., Urte. v. 23.09.2010 - 3 C 32.09 - u. 3 C 37.09 -, v. 18.11.2010 - 3 C 42.09 -), hier also der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
35 
Danach ergibt sich der rechtliche Maßstab für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verkehrsverbots aus der Straßenverkehrs-Ordnung in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung und der Bußgeldkatalog-Verordnung vom 01.12.2010 (BGBI I S. 1737). Ob hierbei die durch die 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 05.08.2009 (BGBl. 2631) eingeführten Änderungen außer Betracht zu bleiben haben und stattdessen auf die entsprechenden Vorschriften in der Fassung der Verordnung vom 26.03.2009 (BGBl. S. 734) abzustellen ist, weil jene wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG insgesamt nichtig sei (vgl. hierzu die Verlautbarung des BMVBS v. 13.04.2010, www.fahrradakademie.de/stvo-novelle/index.phtml bzw. www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/Artikel/StB-LA/strassenverkehrsordnung.html; BT-Drs. 17/2611 v. 20.07.2010; auch BVerwG. Urt. v. 18.11.2010, a.a.O.), kann dahinstehen, da die hier maßgeblichen Rechtsgrundlagen durch die 46. Änderungsverordnung keine materielle Veränderung erfahren haben. Allerdings heißt das Zeichen 254 statt „Verbot für Radfahrer“ nunmehr „Verbot für Fahrräder“ und ist nicht mehr in § 41 Abs. 2 Nr.6 StVO, sondern in lfd. Nr. 31 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO geregelt.
36 
Dass das angefochtene Verkehrsverbot im Hinblick auf seinen konkreten Aufstellungsort seinen Regelungsgehalt nicht eindeutig erkennen ließe (vgl. § 37 Abs. 1 LVwVfG), vermag der Senat entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu erkennen.
37 
Nach dem hier ohne weiteres anwendbaren § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dürfen - abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen - insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter - also etwa der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs - erheblich übersteigt. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO, der durch die Anfügung von § 45 Abs. 9 StVO zwar modifiziert und ergänzt, nicht aber ersetzt worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.04.2001 - 3 C 23.00 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 41), können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten.
38 
Das Verkehrsverbot für Radfahrer bzw. Fahrräder nach Zeichen 254 ist - ebenso wie bei Zeichen 241 (getrennter Rad- und Fußweg) - eine Beschränkung des fließenden Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO und eine Beschränkung der Benutzung der Straße im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO.
39 
Es untersagt die Verkehrsteilnahme für Radfahrer bzw. Fahrräder (vgl. § 41 Abs. 1 StVO n.F. i.V.m. lfd. Nrn. 26 u. 31 der Anl. 2 bzw. § 41 Abs. 1 u. 2 Nr. 6 Zeichen 254).
40 
Als in Bezug auf Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs speziellere Regelung konkretisiert und verdrängt § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO in seinem Anwendungsbereich die allgemeine Regelung in § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.09.2010, a.a.O.). § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO setzt für Verbote und Beschränkungen des fließenden Verkehrs eine Gefahrenlage voraus, die - erstens - auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und - zweitens - das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter (hier insbesondere: Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern sowie öffentliches und privates Sacheigentum) erheblich übersteigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.04.2001, a.a.O. u. v. 23.09.2010, a.a.O.). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, unterliegt in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung.
41 
Besondere örtliche Verhältnisse im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO können bei verkehrsbehördlichen Maßnahmen insbesondere in der Streckenführung, dem Ausbauzustand der Strecke, witterungsbedingten Einflüssen (z.B. Nebel, Schnee- und Eisglätte), der dort anzutreffenden Verkehrsbelastung und den daraus resultierenden Unfallzahlen begründet sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.09.2010, a.a.O.).
42 
Besondere örtliche Verhältnisse dürften hier zwar noch nicht bereits im Hinblick auf eine Fahrbahnbreite von 5,50 m und die in der Nähe vorhandenen öffentlichen Einrichtungen (u. a. Schule), jedoch – dies ist der Beklagten zuzugeben – insofern vorliegen, als die Karlsruher Straße und die Straßenbahngleise - zudem im Kreuzungsbereich mit der Albgaustraße - gegeneinander verschwenkt sind, sodass jene statt bisher rechts nunmehr links von den Straßenbahngleisen verläuft. Daraus ergibt sich für Radfahrer, die die Gleise in nördlicher Richtung queren, auch eine Sturzgefahr sowie für den Fall ihres Eintritts ein Kollisionsrisiko mit dem nachfolgenden Kfz-Verkehr.
43 
Eine das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung von Leben und Gesundheit der Radfahrer erheblich übersteigende Gefahrenlage ergibt sich daraus indessen nicht. Zwar ist bei den hier betroffenen hochrangigen Rechtsgütern ein Einschreiten bereits bei einer geringeren Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zulässig und geboten. § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO setzt lediglich eine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts voraus. Erforderlich ist somit eine entsprechende konkrete Gefahr, die auf besonderen örtlichen Verhältnissen beruht (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.09.2010 – 3 C 37.09 -). Eine solche Gefahrenlage lässt sich jedoch nach der gebotenen sorgfältigen Prüfung der Verkehrssituation (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.04.2001 – 3 C 23.00 -, Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 41) nicht feststellen. Der Einnahme eines Augenscheins bedurfte es hierzu nicht, nachdem die von den Beteiligten vorgelegten Lichtbilder und der unter dem 09.02.2011 von der Beklagten vorgelegte Lageplan die örtlichen Verhältnisse hinreichend klar erkennen lassen.
44 
Danach müssten Radfahrer, so sie sich konsequent am rechten Fahrbahnrand orientieren, die Gleise zwar in einem für sie ungünstigen spitzen Winkel von unter 50 gon (= 50 x 360 °/400 = 45°), nämlich von ca. 30° (= 33 1/3 gon) überqueren (vgl. zu einem solchen Fall auch VG Freiburg, Urt. v.15.03.2007 - 4 K 2130/05 -), sodass nach den in Rn. 13 der VwV-StVO 2009 zu § 2 (noch) in Bezug genommenen Empfehlungen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FSGV) für Radverkehrsanlagen (ERA), Ausgabe 2010, deren Anwendung als Stand der Technik empfohlen wird, durchaus von einer erheblichen Sturzgefahr ausgegangen werden kann (vgl. S. 80 Abschn. 11.1.9). Allein dies führt jedoch noch auf keine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. So können Radfahrer bei Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit das für sie infolge der verschwenkten Gleise bestehende Sturzrisiko - zumal im Hinblick auf den durch das aufgestellte Andreaskreuz (Zeichen 201) angeordneten Vorrang von Schienenfahrzeugen (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. Satz 2 StVO) und die angebrachte Leiteinrichtung (vgl. § 43 Abs. 1 u. 3 Nr. 3. b) Zeichen 625 bzw. lfd. Nr. 8 der Anl. 4 zu § 43 Abs. 3 StVO n.F.) - ohne weiteres erkennen und sich darauf einstellen. Insbesondere können sie notfalls anhalten, um die Gleise, sobald es die Verkehrslage zulässt, in einem für sie günstigeren Winkel zu überqueren. Hierauf hat der Kläger zu Recht hingewiesen. Inwiefern der Querungsbereich - etwa aufgrund vorhandener Bäume - unübersichtlich und damit die Sturzgefahr nicht vorhersehbar wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA), denen ungeachtet dessen, dass ihnen keine Verbindlichkeit zukommt, als fachlich anerkannte Regelwerke entsprechender Sachverstand bzw. Erfahrungswissen entnommen werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 11.08.2009 - 11 B 08.186 -; VG Göttingen, Urt. v. 27.11.2003 – 1 A 1228/01 -), sehen in ihrer neuesten Fassung weder bei der Überquerung von Schienen noch bei der Radverkehrsführung im Zuge von Straßen mit straßenbündigem Bahnkörper als Regellösung eine Trennung vom Kfz-Verkehr vor (vgl. S. 30 f. Abschn. 3.10 mit Tabelle, S. 35 Abschn. 3.13 u. S. 80 Abschn. 11.1.9). Vielmehr soll lediglich bei der Führung des Radverkehrs die spitzwinklige Überquerung von Straßenbahngleisen vermieden werden.
45 
Dass die Überquerungsstelle noch im Kreuzungsbereich mit der Albgaustraße liegt, führt auch im Hinblick auf nachfolgenden oder überholenden Kraftfahrzeugverkehr auf keine andere Beurteilung. So weist die Karlsruher Straße im Abschnitt zwischen Kastenwörth- und Hauptstraße auch nach den von der Beklagten vorgelegten Verkehrszählungsergebnissen für die Hauptverkehrszeiten zwischen 06.00 bis 10.00 Uhr und 15 bis 19 Uhr mit insgesamt 3.413 bzw. 4.606 in die beiden Knotenpunkte einfahrenden Kraftfahrzeugen kein hohes, eine Trennung des Rad- vom Kraftfahrzeug-Verkehr indizierendes Verkehrsaufkommen auf. Bei geringeren Fahrbahnbreiten als zwischen 6,00 und 7,00 m soll Mischverkehr bis zu einer Kraftfahrzeugverkehrsstärke von 700 Kfz/h verträglich sein, da der Radverkehr im Begegnungsfall Kraftfahrzeug - Kraftfahrzeug nicht überholt werden kann (vgl. ERA 2010, S. 18 f. Abschn. 2.3 mit Bild 7 u. S. 22 Abschn. 3.1). Schließlich liegt der Kreuzungsbereich in einer Tempo-30-Zone, die nach den vorgenannten Empfehlungen ebenfalls in den Regeleinsatzbereich für einen Mischverkehr auf der Fahrbahn fällt (vgl. S. 19 Bild 7), und darf sich der Straßenverkehr dem Bahnübergang auch aufgrund des hier angeordneten Vorrangs des Schienenverkehrs nur mit mäßiger Geschwindigkeit nähern (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 StVO). Insofern können nachfolgende bzw. überholende Kraftfahrzeugfahrer das für Radfahrer bestehende Sturzrisiko bzw. deren etwa unternommene ausweichende Lenkbewegungen erkennen und sich darauf einstellen. Davon, dass der Radverkehr Straßenbahnschienen im Winkel von unter 50 gon für nachfolgende Kraftfahrzeuge u n e r w a r t e t queren müsste, was nach den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen bereits im Straßenentwurf auszuschließen wäre (vgl. ERA 2010, S. 80 Abschn. 11.1.9), kann hiernach nicht die Rede sein.
46 
Dass gleichwohl eine erhöhte Unfallhäufigkeit in dem von dem Verbot betroffenen Bereich bestünde, hat die Beklagte auch vor dem Hintergrund, dass es insoweit nicht der Ermittlung eines Unfallhäufigkeits-Prozentsatzes bedürfte (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.04.2001, a.a.O.), nicht nachvollziehbar dargetan. Von Unfallgefahren war zunächst auch nur im Hinblick auf den bislang notwendigen Wechsel auf den linksseitigen Radweg die Rede.
47 
Vor diesem Hintergrund wäre das angefochtene Verkehrsverbot auch nicht zwingend geboten bzw. erschiene unverhältnismäßig, zumal die Überquerungsstelle und der Überquerungswinkel durch Markierungen weiter verdeutlicht oder Streifenrillen-Dichteprofile aus Hartgummi in den Gleisabschnitt eingebaut werden könnten, welche die Sturzgefahr bis zu einem Winkel von minimal 30 gon (= 27°) erheblich minderten, ohne die betrieblichen Anforderungen der Bahn zu beinträchtigen (vgl. ERA 2010, S. 30 Abschn. 3.10 u. S. 80 Abschn. 11.1.9). Gegen die Zweckmäßigkeit gerade dieser letzteren Maßnahme mag freilich einzuwenden sein, dass die Straßenbahngleise, worauf die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, stark befahren sein dürften, was zu einer zu geringen Lebensdauer der Dichteprofile führen könnte (vgl. ERA 2010, S. 80 Abschn. 11.1.9) .
48 
Die Anordnung des in Rede stehenden Verkehrsverbots, welches Radfahrern die Verkehrsteilnahme auf dem nachfolgenden Fahrbahnabschnitt untersagt, erscheint umso weniger gerechtfertigt, als schon Gefahrenzeichen i. S. des § 40 Abs. 1 StVO (vgl. etwa Abs. 6 Zeichen 101 StVO mit Zusatzschild bzw. lfd. Nr. 1 Zeichen 101 der Anl. 1 zu § 40 Abs. 6 u. 7 StVO n. F.; § 39 Abs. 8 StVO n.F.), welche als milderes Mittel in Betracht kämen, nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO nur dort angebracht werden dürfen, wo es für die Sicherheit des Verkehrs unbedingt erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muss.
49 
Indem § 45 Abs. 9 StVO die Straßenverkehrsbehörden verpflichtet, bei der Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen restriktiv zu verfahren, soll letztlich - entsprechend dem Grundsatz „nur so viele Verkehrszeichen wie nötig - so wenige Verkehrszeichen wie möglich“ einer „Überbeschilderung“ entgegengewirkt und die Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer gestärkt werden (vgl. BR-Drs. 153/09 v. 12.02.09 zur 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften; VwV-StVO zu § 45 Absatz 9 Rn. 72 i.V.m. VwV-StVO zu §§ 39 bis 43 I. Rn. 1). Dem entsprechen durchaus auch die von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Kriterien zur Verkehrsregelungspflicht der Straßenverkehrsbehörden. Diese brauchen nur insoweit Maßnahmen zu ergreifen, als dies objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar ist. Sie haben daher regelmäßig dann keine weiteren Pflichten, wenn die Verkehrsteilnehmer bei zweckgerechter Benutzung der Straße und Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit etwaige Schäden selbst abwenden können (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.1988 - III ZR 104/87 -, VersR 1988, 697).
50 
Von einem ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit führenden Ermessensausfall (§ 40 LVwVfG) wäre freilich nicht auszugehen gewesen. Abgesehen davon, dass es bei einem Dauerverwaltungsakt auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ankommt und das ggf. noch auszuübende Entschließungsermessen ohnehin reduziert wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.09.2010, a.a.O.), kann davon ausgegangen werden, dass seinerzeit Ermessenserwägungen angestellt wurden, welche auch nachträglich ergänzt werden konnten (vgl. § 114 Satz 2 VwGO). Zwar sind die beim Landratsamt angefallenen Akten, die möglicherweise entsprechende Erwägungen enthielten, nicht mehr auffindbar, doch lässt der auf der Trägertafel aufgebrachte Warnhinweis „Halt Radfahrer! Sturzgefahr am Gleis!“ ohne weiteres erkennen, dass und welche Ermessenserwägungen seinerzeit angestellt worden waren. Inwiefern schließlich das Auswahlermessen im Hinblick auf durchaus in Betracht zu ziehende mildere Maßnahmen (Gefahrenzeichen i. S. des § 40 Abs. 1 StVO, Markierung der Überquerungsstelle und des Überquerungswinkels, Streifenrillen-Dichteprofile aus Hartgummi) fehlerhaft ausgeübt sein könnte (vgl. hierzu VwV-StVO zu §§ 39 bis 43 I. Rn. 1), mag hier aufgrund der bereits fehlenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dahinstehen.
51 
Nach alledem war das angefochtene Urteil zu ändern und dem zuletzt noch gestellten Anfechtungsantrag stattzugeben.
52 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Der Beklagten sind auch insoweit die Kosten aufzuerlegen, als die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Denn die Teilerledigung des Rechtsstreits war darauf zurückzuführen, dass die Beklagte den Kläger hinsichtlich der von ihm zunächst noch angegriffenen Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht klaglos gestellt hat.
53 
Der Senat sieht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
54 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
55 
Beschluss vom 10. Februar 2011
56 
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren gemäß den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 u. 2 GKG i.V.m. Nr. 46.14 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf EUR 5.000,00 festgesetzt.
57 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
22 
Die vom Senat zugelassene Berufung gegen das die Anfechtungsklage abweisende verwaltungsgerichtliche Urteil ist zulässig; sie wurde beim Verwaltungsgerichtshof am 24.11.2009, mithin noch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet.
23 
Sie hat auch Erfolg, soweit der weiter geführte Rechtsstreit während des Berufungsverfahrens noch nicht seine Erledigung gefunden hat. Insoweit war das Verfahren, nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend teilweise für erledigt erklärt haben, entsprechend §§ 125 Abs. 1, 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und das angefochtene Urteil für unwirksam zu erklären.
24 
Die Anfechtungsklage (vgl. § 42 Abs. 1 VwGO) gegen das nur mehr im Streit stehende, im Kreuzungsbereich der Karlsruher Straße/Albgaustraße in nördlicher Richtung aufgestellte Verkehrsverbot für Radfahrer bzw. Fahrräder (Zeichen 254) ist statthaft und auch sonst zulässig.
25 
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war der hiergegen am 31.07.2007 erhobene Widerspruch des Klägers nicht schon verfristet. Die wegen Fehlens einer Rechtsmittelbelehrung einjährige Widerspruchsfrist (vgl. §§ 70 Abs. 1 Satz 1, 58 Abs. 2 VwGO) hatte gegenüber dem Kläger nicht schon mit dem Aufstellen dieses Verkehrszeichens, sondern erst am 30.07.2007 zu laufen begonnen, als der Kläger sich diesem nach eigenem Bekunden erstmals gegenübersah. Dass er auf dieses tatsächlich bereits (viel) früher, nämlich bereits vor mehr als einem Jahr, getroffen wäre, lässt sich nicht feststellen. Solches folgt entgegen der Auffassung der Beklagten insbesondere nicht schon daraus, dass der Kläger seit 2002 in Karlsruhe wohnt und „Sportradfahrer“ ist.
26 
Das Verkehrsverbot für Radfahrer bzw. Fahrräder (Zeichen 254), das wie andere Verkehrsverbote und -gebote ein Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG ist (stRspr seit BVerwG, Urt. v. 09.06.1967 - 7 C 18.66 -, BVerwGE 27, 181 <182> u. v. 13.12.1979 - 7 C 46.78 - BVerwGE 59, 221 <224>), wird gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gegenüber demjenigen, für den es bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem es ihm bekannt gegeben wird. Die Bekanntgabe erfolgt nach den bundesrechtlichen (Spezial-)Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung durch Aufstellen des Verkehrsschildes (vgl. insbesondere § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 4 StVO). Sind Verkehrszeichen so aufgestellt oder angebracht, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon „mit einem raschen und beiläufigen Blick" erfassen kann (vgl. BGH, Urt. v. 08.04.1970 - III ZR 167/68 -, NJW 1970, 1126 f.), äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1996 - 11 C 15.95 -, BVerwGE 102, 316 <318>).
27 
Dies bedeutet nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts indes nicht, dass die Anfechtungsfrist gegenüber jedermann bereits mit dem Aufstellen des Verkehrszeichens in Gang gesetzt würde. Diese Frist werde vielmehr erst dann in Lauf gesetzt, wenn sich der betreffende Verkehrsteilnehmer erstmals der Regelung des Verkehrszeichens gegenübersehe. Dass in seinem Urteil vom 11.12.1996 die Bekanntgabe nach den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung als eine besondere Form der öffentlichen Bekanntmachung bezeichnet werde, zwinge nicht zu dem Schluss, dass auch die Anfechtungsfrist für jedermann mit dem Aufstellen des Verkehrszeichens zu laufen beginne (vgl. Urt. v. 23.09.2010 – 3 C 32.09 -; anders noch Senat, Beschl. v. 02.03.2009 - 5 S 3047/08 -, JZ 2009, 738; ebenso HessVGH, Urt. v. 31.03.1999 - 2 UE 2346/96 -, NJW 1999, 2057; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, 7. A. 2008, § 41 Rn.139 ff.; Stelkens, NJW 2010, 1184). Denn es handele sich um eine „besondere" Form der öffentlichen Bekanntmachung, die von der Wirkung anderer Formen öffentlicher Bekanntmachung durchaus abweichen könne. Dieser Auffassung schließt sich der Senat im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung nunmehr an.
28 
Entgegen der Auffassung des Klägers hätte die gemäß § 58 Abs. 2 VwGO einjährige Rechtsbehelfsfrist allerdings nicht erneut zu laufen begonnen, sollte er sich dem Verkehrsverbot ein weiteres Mal gegenübergesehen haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.09.2010, a.a.O.). Das Verkehrsge- oder -verbot, das einem Verkehrsteilnehmer bei seinem ersten Herannahen bekannt gemacht wurde, gilt diesem gegenüber fort, solange Anordnung und Bekanntgabe aufrechterhalten bleiben. Kommt der Verkehrsteilnehmer erneut an diese Stelle, hat das Verkehrszeichen für ihn nur eine erinnernde Funktion. Daraus, dass Verkehrszeichen gleichsam an die Stelle von Polizeivollzugsbeamten treten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.11.1977 - 7 B 135.77 -, NJW 1978, 656), folgt nichts anderes. Trotz der Funktionsgleichheit und wechselseitigen Vertauschbarkeit einer Verkehrsregelung durch Verkehrszeichen einerseits und durch Polizeibeamte andererseits unterscheiden sie sich dadurch, dass Verkehrszeichen die örtliche Verkehrssituation regelmäßig dauerhaft regeln (vgl. bereits BVerwG, Urt. v. 13.12.1979, a.a.O., S. 225).
29 
Der Klage fehlt auch nicht die erforderliche Klagebefugnis (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO). Bereits durch sein einmaliges Befahren der Karlsruher Straße mit dem Fahrrad nach Norden war der Kläger Adressat des Verkehrsverbots geworden, wodurch er in rechtlich beachtlicher Weise belastet wurde. Insofern kommt zumindest eine Verletzung der allgemeinen Freiheitsgewährleistung nach Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.08.2003 - 3 C 15.03 -, Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 19).
30 
Der Klage fehlt im Hinblick darauf, dass der Kläger weiterhin seinen Wohnsitz in Karlsruhe hat, ersichtlich auch nicht deshalb das erforderliche Rechtsschutzinteresse, weil auszuschließen wäre, dass er jemals wieder mit der angefochtenen Verkehrsregelung konfrontiert würde (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 21.08.2003, a.a.O.).
31 
Die Anfechtungsklage ist auch begründet.
32 
Diese richtet sich ungeachtet dessen, dass das streitgegenständliche Verkehrsverbot im Jahre 1991 oder 1992 noch vom Landratsamt Karlsruhe als der vormals zuständigen unteren Straßenverkehrsbehörde erlassen worden war, zu Recht gegen die Beklagte, auf die zum 01.01.2005 die Aufgaben der unteren Straßenverkehrsbehörde übergegangen waren. Kommt es nach Erlass einer Sachentscheidung, aber noch vor Klageerhebung zu einem vollständigen Zuständigkeitswechsel, ist die Klage abweichend von § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen den Rechtsträger der nunmehr zuständigen Behörde zu richten (vgl. Ehlers, Der Beklagte im Verwaltungsprozess, in: Festschrift für Chr.-Friedr. Menger, 1985, S. 379 <395>; zum in einem solchen Fall im Verwaltungsstreitverfahren entspr. §§ 173 VwGO, 239 ff. ZPO stattfindenden gesetzlichen Parteiwechsel VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.1969 - II 708/67 -, ESVGH 20, 145 <146>; OVG Münster, Urt. v. Beschl. v. 06.03.1975 - IV B 1150/74 -, OVGE 31, 8 f.; BayVGH, Beschl. v. 24.07.1978 - 60 VIII 77 -, BayVBl. 1978, 763; auch BVerwG, Urt. v. 02.11.1973 – IV C 55.70 -, BVerwGE 44, 148, Beschl. v. 28.02.2002 – 5 C 25.01 -, BVerwGE 116, 78; zust. Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO <20. Erg.lfg. 2010>, § 78 Rn. 61). Dies gilt auch für eine Anfechtungsklage, da die bisher zuständige Behörde (hier: Landratsamt Karlsruhe) von dem Zuständigkeitswechsel an nicht mehr in der Lage ist, dem geltend gemachten Aufhebungsanspruch im Wege einer Abhilfeentscheidung zu entsprechen bzw. einem entsprechenden Urteil nachzukommen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.03.1969, a.a.O., S. 147; BayVGH, Beschl. v. 24.07.1978, a.a.O.; OVG Münster, Beschl. v. 06.03.1975, a.a.O., S. 9; Ehlers, a.a.O.; Meissner, a.a.O.). Eine Klage gegen den Rechtsträger der nunmehr zuständigen Behörde erscheint umso mehr bei einem Dauerverwaltungsakt angezeigt, wie er hier mit dem angefochtenen Verkehrsverbot in Rede steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 - 3 C 42.09 -). Denn ein solcher ist von dem Zuständigkeitswechsel an nur mehr von der neu zuständig gewordenen Behörde „unter Kontrolle“ zu halten. Für die hier vertretene Auffassung spricht nicht zuletzt die in § 3 Abs. 3 LVwVfG getroffene Regelung, wonach bei einer Änderung der örtlichen Zuständigkeit im Laufe des (auch das Abhilfe- bzw. Widerspruchsverfahren umfassenden § 3 vwgo nr. 2>) Verwaltungsverfahrens eine Weiterführung durch die bisher zuständige Behörde nur ausnahmsweise vorgesehen ist.
33 
Das nur mehr angefochtene Verkehrsverbot für Radfahrer bzw. Fahrräder (Zeichen 254) ist – ebenso wie der entsprechende Teil des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17.04.2008 - rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
34 
Maßgeblich für den Erfolg einer Anfechtungsklage gegen verkehrsbezogene Ge- und Verbote, die regelmäßig den Dauerverwaltungsakten zuzurechnen sind (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 21.08.2003 , a.a.O. m.w.N.), ist regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung (stRspr; vgl. für verkehrsbeschränkende Anordnungen u.a. BVerwG, Urt. v. 27.01.1993 - 11 C 35.92 -, BVerwGE 92, 32 <35 f.> u. v. 14.12.1994 - 1 C 25.93 -, BVerwGE 97, 214 <220>, v. 21.08.2003 , a.a.O., Urte. v. 23.09.2010 - 3 C 32.09 - u. 3 C 37.09 -, v. 18.11.2010 - 3 C 42.09 -), hier also der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
35 
Danach ergibt sich der rechtliche Maßstab für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verkehrsverbots aus der Straßenverkehrs-Ordnung in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung und der Bußgeldkatalog-Verordnung vom 01.12.2010 (BGBI I S. 1737). Ob hierbei die durch die 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 05.08.2009 (BGBl. 2631) eingeführten Änderungen außer Betracht zu bleiben haben und stattdessen auf die entsprechenden Vorschriften in der Fassung der Verordnung vom 26.03.2009 (BGBl. S. 734) abzustellen ist, weil jene wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG insgesamt nichtig sei (vgl. hierzu die Verlautbarung des BMVBS v. 13.04.2010, www.fahrradakademie.de/stvo-novelle/index.phtml bzw. www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/Artikel/StB-LA/strassenverkehrsordnung.html; BT-Drs. 17/2611 v. 20.07.2010; auch BVerwG. Urt. v. 18.11.2010, a.a.O.), kann dahinstehen, da die hier maßgeblichen Rechtsgrundlagen durch die 46. Änderungsverordnung keine materielle Veränderung erfahren haben. Allerdings heißt das Zeichen 254 statt „Verbot für Radfahrer“ nunmehr „Verbot für Fahrräder“ und ist nicht mehr in § 41 Abs. 2 Nr.6 StVO, sondern in lfd. Nr. 31 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO geregelt.
36 
Dass das angefochtene Verkehrsverbot im Hinblick auf seinen konkreten Aufstellungsort seinen Regelungsgehalt nicht eindeutig erkennen ließe (vgl. § 37 Abs. 1 LVwVfG), vermag der Senat entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu erkennen.
37 
Nach dem hier ohne weiteres anwendbaren § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dürfen - abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen - insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter - also etwa der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs - erheblich übersteigt. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO, der durch die Anfügung von § 45 Abs. 9 StVO zwar modifiziert und ergänzt, nicht aber ersetzt worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.04.2001 - 3 C 23.00 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 41), können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten.
38 
Das Verkehrsverbot für Radfahrer bzw. Fahrräder nach Zeichen 254 ist - ebenso wie bei Zeichen 241 (getrennter Rad- und Fußweg) - eine Beschränkung des fließenden Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO und eine Beschränkung der Benutzung der Straße im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO.
39 
Es untersagt die Verkehrsteilnahme für Radfahrer bzw. Fahrräder (vgl. § 41 Abs. 1 StVO n.F. i.V.m. lfd. Nrn. 26 u. 31 der Anl. 2 bzw. § 41 Abs. 1 u. 2 Nr. 6 Zeichen 254).
40 
Als in Bezug auf Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs speziellere Regelung konkretisiert und verdrängt § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO in seinem Anwendungsbereich die allgemeine Regelung in § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.09.2010, a.a.O.). § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO setzt für Verbote und Beschränkungen des fließenden Verkehrs eine Gefahrenlage voraus, die - erstens - auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und - zweitens - das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter (hier insbesondere: Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern sowie öffentliches und privates Sacheigentum) erheblich übersteigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.04.2001, a.a.O. u. v. 23.09.2010, a.a.O.). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, unterliegt in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung.
41 
Besondere örtliche Verhältnisse im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO können bei verkehrsbehördlichen Maßnahmen insbesondere in der Streckenführung, dem Ausbauzustand der Strecke, witterungsbedingten Einflüssen (z.B. Nebel, Schnee- und Eisglätte), der dort anzutreffenden Verkehrsbelastung und den daraus resultierenden Unfallzahlen begründet sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.09.2010, a.a.O.).
42 
Besondere örtliche Verhältnisse dürften hier zwar noch nicht bereits im Hinblick auf eine Fahrbahnbreite von 5,50 m und die in der Nähe vorhandenen öffentlichen Einrichtungen (u. a. Schule), jedoch – dies ist der Beklagten zuzugeben – insofern vorliegen, als die Karlsruher Straße und die Straßenbahngleise - zudem im Kreuzungsbereich mit der Albgaustraße - gegeneinander verschwenkt sind, sodass jene statt bisher rechts nunmehr links von den Straßenbahngleisen verläuft. Daraus ergibt sich für Radfahrer, die die Gleise in nördlicher Richtung queren, auch eine Sturzgefahr sowie für den Fall ihres Eintritts ein Kollisionsrisiko mit dem nachfolgenden Kfz-Verkehr.
43 
Eine das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung von Leben und Gesundheit der Radfahrer erheblich übersteigende Gefahrenlage ergibt sich daraus indessen nicht. Zwar ist bei den hier betroffenen hochrangigen Rechtsgütern ein Einschreiten bereits bei einer geringeren Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zulässig und geboten. § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO setzt lediglich eine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts voraus. Erforderlich ist somit eine entsprechende konkrete Gefahr, die auf besonderen örtlichen Verhältnissen beruht (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.09.2010 – 3 C 37.09 -). Eine solche Gefahrenlage lässt sich jedoch nach der gebotenen sorgfältigen Prüfung der Verkehrssituation (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.04.2001 – 3 C 23.00 -, Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 41) nicht feststellen. Der Einnahme eines Augenscheins bedurfte es hierzu nicht, nachdem die von den Beteiligten vorgelegten Lichtbilder und der unter dem 09.02.2011 von der Beklagten vorgelegte Lageplan die örtlichen Verhältnisse hinreichend klar erkennen lassen.
44 
Danach müssten Radfahrer, so sie sich konsequent am rechten Fahrbahnrand orientieren, die Gleise zwar in einem für sie ungünstigen spitzen Winkel von unter 50 gon (= 50 x 360 °/400 = 45°), nämlich von ca. 30° (= 33 1/3 gon) überqueren (vgl. zu einem solchen Fall auch VG Freiburg, Urt. v.15.03.2007 - 4 K 2130/05 -), sodass nach den in Rn. 13 der VwV-StVO 2009 zu § 2 (noch) in Bezug genommenen Empfehlungen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FSGV) für Radverkehrsanlagen (ERA), Ausgabe 2010, deren Anwendung als Stand der Technik empfohlen wird, durchaus von einer erheblichen Sturzgefahr ausgegangen werden kann (vgl. S. 80 Abschn. 11.1.9). Allein dies führt jedoch noch auf keine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. So können Radfahrer bei Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit das für sie infolge der verschwenkten Gleise bestehende Sturzrisiko - zumal im Hinblick auf den durch das aufgestellte Andreaskreuz (Zeichen 201) angeordneten Vorrang von Schienenfahrzeugen (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. Satz 2 StVO) und die angebrachte Leiteinrichtung (vgl. § 43 Abs. 1 u. 3 Nr. 3. b) Zeichen 625 bzw. lfd. Nr. 8 der Anl. 4 zu § 43 Abs. 3 StVO n.F.) - ohne weiteres erkennen und sich darauf einstellen. Insbesondere können sie notfalls anhalten, um die Gleise, sobald es die Verkehrslage zulässt, in einem für sie günstigeren Winkel zu überqueren. Hierauf hat der Kläger zu Recht hingewiesen. Inwiefern der Querungsbereich - etwa aufgrund vorhandener Bäume - unübersichtlich und damit die Sturzgefahr nicht vorhersehbar wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA), denen ungeachtet dessen, dass ihnen keine Verbindlichkeit zukommt, als fachlich anerkannte Regelwerke entsprechender Sachverstand bzw. Erfahrungswissen entnommen werden kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 11.08.2009 - 11 B 08.186 -; VG Göttingen, Urt. v. 27.11.2003 – 1 A 1228/01 -), sehen in ihrer neuesten Fassung weder bei der Überquerung von Schienen noch bei der Radverkehrsführung im Zuge von Straßen mit straßenbündigem Bahnkörper als Regellösung eine Trennung vom Kfz-Verkehr vor (vgl. S. 30 f. Abschn. 3.10 mit Tabelle, S. 35 Abschn. 3.13 u. S. 80 Abschn. 11.1.9). Vielmehr soll lediglich bei der Führung des Radverkehrs die spitzwinklige Überquerung von Straßenbahngleisen vermieden werden.
45 
Dass die Überquerungsstelle noch im Kreuzungsbereich mit der Albgaustraße liegt, führt auch im Hinblick auf nachfolgenden oder überholenden Kraftfahrzeugverkehr auf keine andere Beurteilung. So weist die Karlsruher Straße im Abschnitt zwischen Kastenwörth- und Hauptstraße auch nach den von der Beklagten vorgelegten Verkehrszählungsergebnissen für die Hauptverkehrszeiten zwischen 06.00 bis 10.00 Uhr und 15 bis 19 Uhr mit insgesamt 3.413 bzw. 4.606 in die beiden Knotenpunkte einfahrenden Kraftfahrzeugen kein hohes, eine Trennung des Rad- vom Kraftfahrzeug-Verkehr indizierendes Verkehrsaufkommen auf. Bei geringeren Fahrbahnbreiten als zwischen 6,00 und 7,00 m soll Mischverkehr bis zu einer Kraftfahrzeugverkehrsstärke von 700 Kfz/h verträglich sein, da der Radverkehr im Begegnungsfall Kraftfahrzeug - Kraftfahrzeug nicht überholt werden kann (vgl. ERA 2010, S. 18 f. Abschn. 2.3 mit Bild 7 u. S. 22 Abschn. 3.1). Schließlich liegt der Kreuzungsbereich in einer Tempo-30-Zone, die nach den vorgenannten Empfehlungen ebenfalls in den Regeleinsatzbereich für einen Mischverkehr auf der Fahrbahn fällt (vgl. S. 19 Bild 7), und darf sich der Straßenverkehr dem Bahnübergang auch aufgrund des hier angeordneten Vorrangs des Schienenverkehrs nur mit mäßiger Geschwindigkeit nähern (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 StVO). Insofern können nachfolgende bzw. überholende Kraftfahrzeugfahrer das für Radfahrer bestehende Sturzrisiko bzw. deren etwa unternommene ausweichende Lenkbewegungen erkennen und sich darauf einstellen. Davon, dass der Radverkehr Straßenbahnschienen im Winkel von unter 50 gon für nachfolgende Kraftfahrzeuge u n e r w a r t e t queren müsste, was nach den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen bereits im Straßenentwurf auszuschließen wäre (vgl. ERA 2010, S. 80 Abschn. 11.1.9), kann hiernach nicht die Rede sein.
46 
Dass gleichwohl eine erhöhte Unfallhäufigkeit in dem von dem Verbot betroffenen Bereich bestünde, hat die Beklagte auch vor dem Hintergrund, dass es insoweit nicht der Ermittlung eines Unfallhäufigkeits-Prozentsatzes bedürfte (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.04.2001, a.a.O.), nicht nachvollziehbar dargetan. Von Unfallgefahren war zunächst auch nur im Hinblick auf den bislang notwendigen Wechsel auf den linksseitigen Radweg die Rede.
47 
Vor diesem Hintergrund wäre das angefochtene Verkehrsverbot auch nicht zwingend geboten bzw. erschiene unverhältnismäßig, zumal die Überquerungsstelle und der Überquerungswinkel durch Markierungen weiter verdeutlicht oder Streifenrillen-Dichteprofile aus Hartgummi in den Gleisabschnitt eingebaut werden könnten, welche die Sturzgefahr bis zu einem Winkel von minimal 30 gon (= 27°) erheblich minderten, ohne die betrieblichen Anforderungen der Bahn zu beinträchtigen (vgl. ERA 2010, S. 30 Abschn. 3.10 u. S. 80 Abschn. 11.1.9). Gegen die Zweckmäßigkeit gerade dieser letzteren Maßnahme mag freilich einzuwenden sein, dass die Straßenbahngleise, worauf die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, stark befahren sein dürften, was zu einer zu geringen Lebensdauer der Dichteprofile führen könnte (vgl. ERA 2010, S. 80 Abschn. 11.1.9) .
48 
Die Anordnung des in Rede stehenden Verkehrsverbots, welches Radfahrern die Verkehrsteilnahme auf dem nachfolgenden Fahrbahnabschnitt untersagt, erscheint umso weniger gerechtfertigt, als schon Gefahrenzeichen i. S. des § 40 Abs. 1 StVO (vgl. etwa Abs. 6 Zeichen 101 StVO mit Zusatzschild bzw. lfd. Nr. 1 Zeichen 101 der Anl. 1 zu § 40 Abs. 6 u. 7 StVO n. F.; § 39 Abs. 8 StVO n.F.), welche als milderes Mittel in Betracht kämen, nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO nur dort angebracht werden dürfen, wo es für die Sicherheit des Verkehrs unbedingt erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muss.
49 
Indem § 45 Abs. 9 StVO die Straßenverkehrsbehörden verpflichtet, bei der Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen restriktiv zu verfahren, soll letztlich - entsprechend dem Grundsatz „nur so viele Verkehrszeichen wie nötig - so wenige Verkehrszeichen wie möglich“ einer „Überbeschilderung“ entgegengewirkt und die Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer gestärkt werden (vgl. BR-Drs. 153/09 v. 12.02.09 zur 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften; VwV-StVO zu § 45 Absatz 9 Rn. 72 i.V.m. VwV-StVO zu §§ 39 bis 43 I. Rn. 1). Dem entsprechen durchaus auch die von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Kriterien zur Verkehrsregelungspflicht der Straßenverkehrsbehörden. Diese brauchen nur insoweit Maßnahmen zu ergreifen, als dies objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar ist. Sie haben daher regelmäßig dann keine weiteren Pflichten, wenn die Verkehrsteilnehmer bei zweckgerechter Benutzung der Straße und Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit etwaige Schäden selbst abwenden können (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.1988 - III ZR 104/87 -, VersR 1988, 697).
50 
Von einem ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit führenden Ermessensausfall (§ 40 LVwVfG) wäre freilich nicht auszugehen gewesen. Abgesehen davon, dass es bei einem Dauerverwaltungsakt auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ankommt und das ggf. noch auszuübende Entschließungsermessen ohnehin reduziert wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.09.2010, a.a.O.), kann davon ausgegangen werden, dass seinerzeit Ermessenserwägungen angestellt wurden, welche auch nachträglich ergänzt werden konnten (vgl. § 114 Satz 2 VwGO). Zwar sind die beim Landratsamt angefallenen Akten, die möglicherweise entsprechende Erwägungen enthielten, nicht mehr auffindbar, doch lässt der auf der Trägertafel aufgebrachte Warnhinweis „Halt Radfahrer! Sturzgefahr am Gleis!“ ohne weiteres erkennen, dass und welche Ermessenserwägungen seinerzeit angestellt worden waren. Inwiefern schließlich das Auswahlermessen im Hinblick auf durchaus in Betracht zu ziehende mildere Maßnahmen (Gefahrenzeichen i. S. des § 40 Abs. 1 StVO, Markierung der Überquerungsstelle und des Überquerungswinkels, Streifenrillen-Dichteprofile aus Hartgummi) fehlerhaft ausgeübt sein könnte (vgl. hierzu VwV-StVO zu §§ 39 bis 43 I. Rn. 1), mag hier aufgrund der bereits fehlenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dahinstehen.
51 
Nach alledem war das angefochtene Urteil zu ändern und dem zuletzt noch gestellten Anfechtungsantrag stattzugeben.
52 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Der Beklagten sind auch insoweit die Kosten aufzuerlegen, als die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Denn die Teilerledigung des Rechtsstreits war darauf zurückzuführen, dass die Beklagte den Kläger hinsichtlich der von ihm zunächst noch angegriffenen Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht klaglos gestellt hat.
53 
Der Senat sieht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
54 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
55 
Beschluss vom 10. Februar 2011
56 
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren gemäß den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 u. 2 GKG i.V.m. Nr. 46.14 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf EUR 5.000,00 festgesetzt.
57 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.