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| Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft. Gegenstand der Klage ist nicht die Gültigkeit der Wahl, sondern der Einspruchsbescheid, also die Entscheidung über die beantragte Ungültigerklärung der Wahl (§ 31 Abs. 3 Alt. 2 KomWG). Die Verpflichtungsklage ist deshalb auf Ungültigerklärung der Wahl zu richten (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.12.1991 - 1 S 818/91 -, juris). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere bedurfte es nicht der Durchführung eines Vorverfahrens (§ 31 Abs. 3 KomWG i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO). |
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| Die Klage ist aber unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch darauf hat, die Wahl für ungültig erklären zu lassen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Ein solcher Anspruch setzte voraus, dass der Wahleinspruch des Klägers zulässig und begründet ist. Der Einspruch des Klägers gegen die Wahl ist aber bereits unzulässig (1.). Er wäre - bei unterstellter Zulässigkeit - auch unbegründet (2.). |
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| 1. Der Wahleinspruch des Klägers ist bereits unzulässig. |
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| a) Soweit der Kläger nicht die Verletzung eigener Rechte durch das fragliche Doppelwahlplakat geltend macht, ist der Einspruch bereits deshalb unzulässig, weil der Kläger nicht den Beitritt einer bestimmten Zahl von Wahlberechtigten zu seinem Einspruch nachgewiesen hat (§ 31 Abs. 1 Satz 3 KomWG). Dies betrifft die Rüge einer Verletzung Dritter in ihrer Wahlfreiheit und in ihrer aktiven und/oder passiven Wahlrechtsgleichheit (zur teilweisen Unzulässigkeit vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.05.1991 - 1 S 944/91 -, EKBW, KomWG § 31 E 15). Soweit der Kläger in seinen Schriftsätzen vom 11.04.2017 erstmals geltend macht, auch vor zwei anderen Wahllokalen sei am Wahltag in unzulässiger Weise Werbung der Beigeladenen zu Ziff. 2 angebracht gewesen, ist er mit diesen Einspruchsgründen gem. § 31 Abs. 1 Satz 2 KomWG auch im gerichtlichen Verfahren präkludiert. Selbst wenn man dies anders sehen wollte (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2007 - 1 S 567/07 -, juris), fehlte es jedenfalls an der eigenen Rechtsverletzung des Klägers, der in den diesen Wahllokalen zugeordneten Wahlbezirken nicht wahlberechtigt war, und an einem Beitrittsquorum, so dass der Einspruch jedenfalls aus diesen Gründen unzulässig ist. Eine Verletzung seiner Rechte als Bewerber hat der (wählbare) Kläger, der im Wahlbezirk 02 gem. § 19 Abs. 3 Satz 1 KomWG eine Stimme erhalten hat und damit auch als Bewerber formal einspruchsberechtigt gewesen wäre (vgl. Quecke/Gackenholz/Bock, Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 31 KomWG Rn. 14), nicht geltend gemacht. |
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| b) Der Einspruch wurde im Übrigen zwar frist- und formgerecht erhoben. Der Kläger ist als Wahlberechtigter auch formal einspruchsberechtigt. Die Zulässigkeit des Einspruchs setzt aber weiter voraus, dass der Kläger - der nicht den Beitritt einer bestimmten Zahl von Wahlberechtigten zu seinem Einspruch nachgewiesen hat - die Verletzung seiner Rechte als wahlberechtigter Bürger durch das fragliche Doppelwahlplakat geltend macht (§ 31 Abs. 1 Satz 3 KomWG). Hieran fehlt es. |
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| Der Kläger macht einen Verstoß gegen § 28 Abs. 2 KomWO geltend, der gem. §§ 1, 19 ff., 55 KomWG i.V.m. § 42 Abs. 1 KomWG i.d.F. vom 01.09.1983 (GBl. S. 429) auch für Bürgermeisterwahlen gilt. Danach sind während der Wahlzeit in und an dem Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet, sowie unmittelbar vor dem Zugang zu dem Gebäude jede Beeinflussung der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild sowie jede Unterschriftensammlung verboten. |
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| aa) Diese Vorschrift schützt nicht nur das öffentliche Interesse an einem ordnungsgemäßen Wahlverfahren, sondern bezweckt auch den Schutz des einzelnen Wahlberechtigten. § 28 Abs. 2 KomWO dient der Wahrung der freien Ausübung der Wahl, der Wahlfreiheit und der Sicherung des Prinzips der (aktiven) Wahlgleichheit i.S.v. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. Schreiber, BWahlG, 9. Aufl., § 32 Rn. 1). Diese Grundsätze finden auch bei Bürgermeisterwahlen Anwendung (45 Abs. 1 Satz 1 GemO) . Der Wähler darf während der Wahlhandlung nicht dem Einfluss einer Wahlpropaganda ausgesetzt werden, d.h. er soll ohne Einflüsse seine Stimme abgeben können (Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 19 KomWG Rn. 11; vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.03.1991 - 7 B 30.91 -; OVG Lüneburg, Urteil vom 19.10.1993 - 10 L 5553/91 -, beide juris). Die Freiheit und Gleichheit der Wahl sind aber nicht nur objektiv-rechtliche Grundsätze, sondern auch grundrechtsgleiche Rechte des wahlberechtigten Bürgers, die sich auch gegen Private richten (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl., Art. 38 Rn. 1, 18). Zwar sind die Freiheit und Gleichheit der Wahl für Bürgermeisterwahlen nicht ausdrücklich verfassungsrechtlich angeordnet. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, Artt. 26 Abs. 4, 72 Abs. 1 Satz 1 LV sehen dies nur für Gemeindevertretungen vor. Allerdings ergeben sich Freiheit und Gleichheit der Wahl - grundrechtsgleich ausgestaltet - als Anforderungen an die Wahl zu öffentlichen Ämtern aus dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und damit aus Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG (Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 28 Rn. 10). |
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| bb) Der Kläger kann eine Verletzung in diesem Recht nicht geltend machen. Die Geltendmachung einer Rechtsverletzung setzt voraus, dass der wahlberechtigte Bürger schlüssig darlegt, durch Maßnahmen, die mit der Wahl zusammenhängen, in seiner Wählerstellung beeinträchtigt worden zu sein (so VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.05.1976 - I 585/76 -, EKBW, KomWG § 31 E8 zu § 26 Abs. 1 Satz 3 KomWG a.F., der mit § 31 Abs. 1 Satz 3 KomWG inhaltlich identisch ist). Es müssen tatsächliche Behauptungen aufgestellt werden, die eine Rechtsverletzung zumindest möglich erscheinen lassen (Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 31 KomWG Rn. 35). |
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| Hieran fehlt es. Die vom Kläger angegriffene Wahlwerbung ist, wenn man ihre Unzulässigkeit unterstellt, nicht geeignet gewesen, ihn in seiner Rechtsstellung als wahlberechtigter Bürger zu beeinträchtigen. Denn der Kläger konnte durch die (unterstellte) Unzulässigkeit dieser Werbung schon nach seinem eigenen Vorbringen nicht in eine seine Wahlentscheidung beeinträchtigende Lage versetzt werden. Er hat das fragliche Plakat nicht nur bewusst wahrgenommen, sondern er hat daraus noch vor seiner Stimmabgabe auch den Schluss gezogen, dass das Plakat wegen des aus seiner Sicht zu geringen Abstands zum Wahllokal unzulässige Wahlwerbung darstellt. Entsprechend hat er sich noch vor Stimmabgabe gegenüber den Wahlhelfern im Wahllokal geäußert. Er ist sich also bei der Stimmabgabe der aus seiner Sicht unzulässigen Beeinflussungssituation bewusst gewesen und war damit in der Lage, diese für seine Person zu kompensieren, ohne dass es insoweit - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung meinte - auf eine exakte juristische Einordnung oder auf die objektive Unzulässigkeit des Plakats ankäme. Es fehlt mithin am Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der (unterstellten) Unzulässigkeit der Wahlwerbung und der Stimmabgabe, weil es schon an deren Beeinflussbarkeit durch die (unterstellt) unzulässige Wahlwerbung fehlt (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation VGH Baden-Württemberg, a.a.O.). Dabei geht es nicht, wie der Kläger (unter Bezugnahme auf Hamburgisches Verfassungsgericht, Urteil vom 14.12.2001 - HVerfG 3/10 -, Rn. 133, juris) meint, darum, dass man von ihm im Rahmen der Geltendmachung der Rechtsverletzung verlangen würde, darzulegen, dass die (unterstellte) Manipulation erfolgreich war, weil sie seine Stimmabgabe beeinflusst hat, sondern darum, dass bei Kenntnis der Manipulation die Stimmabgabe nicht Ausfluss der Manipulation sein kann. Sie kann allenfalls - zulässigerweise - durch die Kenntnis der Manipulation beeinflusst sein, aber nicht aufgrund der Manipulation erfolgen; diese setzt sich nicht in der Wahlentscheidung fort. |
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| Dem Kläger war auf seinen in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auch kein Schriftsatzrecht zur Stellungnahme zum Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 10.05.1976 einzuräumen. Nach § 283 Satz 1 ZPO i.V.m. § 173 VwGO ist einem Beteiligten, der sich in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihm nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist, das Recht zum Nachreichen eines Schriftsatzes einzuräumen. Diese Voraussetzungen lagen ersichtlich nicht vor. Auch wenn man diese Bestimmung, die die Funktion hat, den Anspruch auf rechtliches Gehör zu sichern, auf die Fallkonstellation anwendet, dass etwa die mündliche Verhandlung eine unvorhergesehene Wendung genommen hatte und sich deshalb ein Beteiligter nicht erklären konnte, so hat die Verhandlung ein in diesem Sinn unerwartetes Ergebnis nicht erbracht. Denn das Gericht hat den Kläger bereits mit Verfügung vom 16.03.2017 um Stellungnahme zum Vorliegen einer Rechtsverletzung in seiner Person gebeten. Insoweit lag es auf der Hand, dass dieser Punkt aus Sicht des Gerichts problematisch sein könnte. Das genannte, in diesem Zusammenhang in Bezug genommene Urteil ist auch - mit einem amtlichen Leitsatz zur Frage der geltend zu machenden Rechtsverletzung - veröffentlicht. Auch wurden Sachverhalt und Entscheidungsgründe des Urteils in der mündlichen Verhandlung wiedergegeben. Der Kläger hatte Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen und hat hiervon auch Gebrauch gemacht (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.02.2009 - 13 S 2588/08 -, juris). |
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| 2. Der Wahleinspruch des Klägers wäre - bei unterstellter Zulässigkeit - auch unbegründet. |
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| Nach §§ 1, 32 Abs. 1 KomWG ist eine Bürgermeisterwahl für ungültig zu erklären, wenn ihr Ergebnis dadurch beeinflusst werden konnte, dass (1.) der Bewerber oder Dritte bei der Wahl eine bestimmte strafbare Handlung oder eine andere gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben oder (2.) wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind. |
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| a) Die Kammer lässt hinsichtlich des Doppelwahlplakats vor dem Wahlgebäude ... offen, ob vorliegend eine wesentliche Vorschrift über die Wahlhandlung, nämlich § 28 Abs. 2 KomWO, unbeachtet geblieben ist (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG). |
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| aa) § 28 Abs. 2 KomWO ist (vgl. dazu die amtliche Überschrift des 2. Abschnitts der Kommunalwahlordnung) eine Vorschrift über die Wahlhandlung i.S.d. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KomWG. Es handelt sich auch um eine wesentliche Vorschrift i.S. dieser Bestimmung. Wesentlich sind alle Vorschriften, die entweder die tragenden Grundsätze des Wahlrechts, nämlich die allgemeine, unmittelbare, gleiche, freie und geheime Wahl sichern sollen (vgl. Artt. 38 Abs. 1 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 26 Abs. 4 LV, § 45 Abs. 1 Satz 1 GemO) oder solche, welche die Öffentlichkeit des Verfahrens und korrekte wahlrechtliche Entscheidungen sowie die richtige Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses gewährleisten sollen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.1997 - 1 S 1741/96 -, juris). § 28 Abs. 2 KomWO dient der Wahrung der Freiheit und Gleichheit der Wahl (s.o. unter 1.)b)aa)) und ist daher als wesentlich einzustufen. |
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| bb) Gegen § 28 Abs. 2 KomWO könnte dadurch verstoßen worden sein, dass das fragliche Plakat eine Beeinflussung der Wähler der Wahlbezirke 01 und 02 durch Schrift und Bild während der Wahlzeit unmittelbar vor dem Zugang zu dem Gebäude, in dem sich der Wahlraum befand, darstellte. |
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| (1) Verboten ist jede (versuchte) Beeinflussung der Wahl. Hierzu gehört auch das Anbringen von Wahlplakaten (Schreiber, a.a.O., 32 Rn. 3; Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 19 KomWG Rn. 11; vgl. VGH Kassel, Urteil vom 06.12.1990 - 6 UE 1488/90 -, juris). Das streitgegenständliche Plakat war auch während der Wahlzeit angebracht. |
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| (2) Als Zugang zu dem Gebäude ist grundsätzlich dessen Eingang anzusehen, ausnahmsweise aufgrund der örtlichen Verhältnisse auch der Zugang zu dem Grundstück, auf dem sich das Gebäude befindet (vgl. Schreiber, a.a.O., § 32 Rn. 1). |
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| (3) Wie der unmittelbare Zugang zum Gebäude abzugrenzen ist, hängt von den örtlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab. Maßgeblich ist, dass die Wahlberechtigten das Gebäude betreten können, ohne unmittelbar zuvor durch Wahlpropaganda massiv (Schreiber, a.a.O., § 32 Rn. 1) behindert oder beeinflusst zu werden (Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 19 Rn. 11). Die Wahlberechtigten dürfen sich nicht zu einem bestimmten politischen Bekenntnis veranlasst, zumindest nicht gezwungen sehen (Schreiber, a.a.O.). |
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| An einer gesetzlichen Festlegung eines bestimmten, strikt einzuhaltenden Bereichs, einer sogenannten Bannmeile, fehlt es. Soweit in einschlägigen Empfehlungen für Bundes- und Landtagswahlen (vgl. etwa Gemeinsame Hinweise der Landeswahlleiterin und des Innenministeriums zur Vorbereitung und Durchführung der Landtagswahl am 13. März 2016 vom 10.06.2015: I.d.R. ist von einem Umkreis von etwa 20 m um den Zugang auszugehen. Im Einzelfall kann auch ein weitergehender Schutzbereich geboten sein; Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages, BT-DrS 17/1000, S. 25 f.: Für den Zugangsbereich ist eine generell zu beachtende „befriedete Zone“ von etwa 10 - 20 m bis zum Wahllokal als nicht antastbarer Sperrbereich notwendig, aber auch ausreichend) ein Bereich von 10 bis 20 m genannt wird, hat dessen Einhaltung oder Nichteinhaltung indiziellen Charakter. |
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| Maßgeblich auch für die Auslösung der Indizwirkung ist nach Auffassung der Kammer nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Vorschrift, welche die Beeinflussung durch Schrift Bild usw. unmittelbar vor dem Zugang, nicht Schrift, Bild usw. unmittelbar vor dem Zugang untersagt, nicht zwangsläufig der Standort des Trägers der möglicherweise unerlaubten Werbung, sondern deren Einwirkungsort, der allerdings mit dem Standort des Werbeträgers zusammenfallen kann. Zu fragen ist im Zusammenhang mit der Indizwirkung also, ob der Einwirkungsort in einem Bereich von 10 bis 20 m vom Zugang zu dem Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet, liegt. Insofern ist folgendermaßen zu differenzieren: |
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| (a) Von Westen kommende Wähler gingen oder fuhren an dem Plakat vorbei. Der Standort des Plakats fällt hier mit dem Einwirkungsort zusammen. Legt man die von diesen Personen anschließend noch zurückzulegende Wegstrecke zugrunde, ist sowohl dann, wenn hinsichtlich des Zugangs zu dem Gebäude auf die Eingangstür abzustellen wäre als auch dann, wenn auf das Gatter abzustellen wäre, eine vom Kläger angenommene indizielle Wirkung eines Abstands von unter 20 m nicht gegeben. Denn die Wegstrecke beträgt unter Berücksichtigung der vor dem Wahlgebäude parkenden Autos mindestens - nämlich wenn der südliche Gehweg benutzt wurde - 22,50 m oder 24,40 m. Zu einem anderen Ergebnis käme man zum einen dann, wenn man ausnahmsweise auf den Zugang zu dem befriedeten Grundstück abstellen würde. Dann läge die zurückzulegende Wegstrecke nach Passieren des Plakats unter 20 m. Besondere örtliche Verhältnisse, die hierzu Anlass gäben, vermag die Kammer aber nicht zu erkennen. Insbesondere wird nicht schon durch das Aufstellen von zwei Blumenkübeln der Grundstückszugang quasi zum Gebäudeeingang. Zu einem anderen Ergebnis käme man zum anderen dann, wenn man auf die Luftlinie zwischen Plakatstandort und Gatter oder Eingangstür abstellte. Das ist aber in diesem Zusammenhang - anders als ggf. bei der Bestimmung des Einwirkungsbereichs (s. dazu sogleich) - nicht überzeugend. Die Bestimmung des Abstands von diesem Ort zum Zugang zu dem Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet, hat methodisch dem Zweck der Regelung, dem Schutz der Beeinflussung der Wähler vor Wahlwerbung kurz vor der Stimmabgabe, Rechnung zu tragen. Maßgeblich ist demnach, ob die Entfernung, die der Wähler noch zurücklegt, nachdem er mit der Werbung in Kontakt gekommen ist, so groß ist, dass eine Wahlbeeinflussung ausscheidet. Dies ist die tatsächlich zurückzulegende Entfernung, nicht die Luftlinie (vgl. auch Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages, BT-DrS 17/1000, S. 25 f.: „Wegstrecke“). Auch im Übrigen ergeben sich insoweit keine Anhaltspunkte für eine Wahlbeeinflussung. |
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| (b) Von Osten kommende Wähler können das fragliche Plakat auf dem Weg zum Wahllokal erblickt haben. Die kürzeste Distanz ergibt sich dabei unmittelbar vor dem Betreten des Grundstücks ... Die Sichtentfernung zum Plakat betrug von diesem Punkt - gemessen von der unterschiedlichen Augenhöhe der Wahlberechtigten zu dem in 3 m Höhe befindlichen Plakat - etwas mehr als 16,50 m. Es spricht einiges dafür, dass dieser Bereich vor dem Grundstück noch zum Einwirkungsbereich des Plakats gehört, also Einwirkungsort ist. Dann wäre die indizielle Wirkung eines Abstands zum Zugang des Wahlgebäudes (6 m bis zum Gatter, 7,90 m bis zur Eingangstür) von unter 10 m gegeben. Entscheidend wäre mithin, von welchem Einwirkungsbereich des Plakats man ausgeht (vgl. Wahlprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages, BT-DrS 17/1000, S. 25 f.: 15 m Sichtentfernung zwischen Eingangstür und Plakat als Wahlfehler; Wahlprüfungsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg, LT-DrS 15/646: Plakat 15 m vom Eingangsbereich entfernt auf der dem Wahlgebäude gegenüber liegenden Straßenseite: kein Wahlfehler). Ähnliches kann gelten, wenn von Westen kommende Wähler, etwa wenn sie ihr Auto benutzt und vor dem Wahllokal geparkt haben, aus welchen Gründen auch immer noch einmal nach Westen geblickt haben, bevor sie das Wahllokal betreten haben. Dies bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung, da auch wenn man insoweit von einem Verstoß gegen § 28 Abs. 2 KomWO ausginge, dieser Verstoß jedenfalls nicht das Wahlergebnis beeinflusst hat. |
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| b) Ein (6) andere Wahlbezirke betreffender Verstoß gegen § 28 Abs. 2 KomWO ist nicht gegeben. Es fehlt bereits am Vortrag konkreter Abstandsverhältnisse. Sie ergeben sich auch nicht aus den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen. Diese gehen im Übrigen ins Leere, soweit darin versichert wird, dass am Wahltag Plakate “im unmittelbaren Zugangsbereich“ der Wahllokale ... und ... vorhanden gewesen seien, weil damit nicht - wie erforderlich (§ 173 VwGO i.V.m. § 294 ZPO) - die Glaubhaftmachung tatsächlicher Behauptungen, sondern rechtlicher Schlussfolgerungen erfolgt. |
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| c) Unterstellt, es läge hinsichtlich der Wahlbezirke 01 und 02 ein Verstoß gegen § 28 Abs. 2 KomWO vor, wäre hierdurch jedenfalls das Ergebnis der Wahl nicht beeinflusst worden (§ 32 Abs. 1 KomWG). |
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| Das Gesetz verlangt hierfür keinen tatsächlichen, sondern nur einen möglichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis. Andererseits soll das Wahlergebnis aber möglichst weitgehend gesichert werden. Der erforderliche Zusammenhang ist deshalb nur gegeben, wenn sich aus dem in der Wahlanfechtung geltend gemachten und tatsächlich vorliegenden Gesetzesverstoß nicht nur eine theoretische, sondern nach den Umständen des Einzelfalls eine konkrete und nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Beeinflussung des Wahlergebnisses ergibt, dieses also anders ausgefallen wäre. Entscheidend ist nicht die abstrakt vorstellbare Auswirkung, sondern nur der unter den konkreten Verhältnissen mögliche Einfluss des Wahlfehlers. Dabei kann von Bedeutung sein, wie knapp oder eindeutig das mit dem Wahleinspruch in Zweifel gezogene Wahlergebnis ausgefallen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.1997, - 1 S 1741/96 -, EKBW, KomWG § 32 E 41; Urteil vom 02.12.1985, - 1 S 2083/85 -, EKBW, KomWG § 32 E 36: „greifbar nahe Möglichkeit“; vgl. zum Ganzen zuletzt VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.03.2017 - 1 S 1652/16 -, juris). |
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| Eine Vermutung zu Gunsten einer Wahlergebnisbeeinflussung und eine Beweislast der Wahlbehörde, diese zu widerlegen, so dass nur bei positivem Nachweis einer fehlenden Wahlergebnisbeeinflussung die Ungültigerklärung der Wahl vermieden werden kann, besteht somit entgegen der Annahme des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht. Sie folgt insbesondere nicht daraus, dass es an einer Wahlergebnisbeeinflussung nicht nur dann fehlt, wenn es hierfür keine Anhaltspunkte gibt, sondern auch dann, aber - was der Kläger verkennt - nicht nur, wenn der Verstoß mit Sicherheit oder größter Wahrscheinlichkeit das Wahlergebnis nicht beeinflusst hat (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.09.1967, - II 271/67 -, EKBW, KomWG § 32 E 14; so auch - vom Kläger in der mündlichen Verhandlung unzutreffend herangezogen - Schreiber, a.a.O., § 49 Rn. 14 für den Fall klarer Stimmenverhältnisse). |
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| Das Ergebnis einer erfolgreich verlaufenen Bürgermeisterwahl ist dann durch einen vorliegenden Wahlfehler beeinflusst, wenn ohne den Verstoß die konkrete Möglichkeit bestanden hätte, dass ein anderer Bewerber gewählt worden wäre oder keiner der Bewerber die erforderliche Mehrheit erreicht hätte (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.1959 - 4 F 171/58 -, EKBW, KomWG § 32 E 3; vom 26.04.1982 - 1 S 2416/81 -, EKBW, KomWG § 32 E 32). Allein fraglich im vorliegenden Fall ist, ob die Beigeladene zu Ziff. 2 ohne die (unterstellt) unzulässige Wahlwerbung im ersten Wahlgang nicht mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen (§ 45 Abs. 1 GemO) erreicht hätte und ein zweiter Wahlgang notwendig geworden wäre. |
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| Die Beigeladene zu Ziff. 2 hat in der Gesamtwahl 111 Stimmen mehr erhalten, als für die absolute Mehrheit der Stimmen erforderlich war. Der (unterstellt) unzulässigen Wahlwerbung waren nur die Wähler in den Wahlbezirken 01 und 02 ausgesetzt. Davon haben im Wahlbezirk 01 215 Wähler für die Beigeladene zu Ziff. 2 gestimmt, im Wahlbezirk 02 252 Wähler. Die Wahlentscheidung dieser 467 Wähler zu Gunsten der Beigeladenen zu Ziff. 2 könnte theoretisch durch die (unterstellt) unzulässige Wahlwerbung beeinflusst worden sein. Das Wahlergebnis wäre mithin durch die (unterstellt) unzulässige Wahlwerbung tatsächlich beeinflusst, wenn die Beigeladene zu Ziff. 2 in diesen Wahlbezirken ohne diese Werbung mindestens 112 Stimmen weniger erhalten hätte. |
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| Die konkrete Möglichkeit einer Wahlergebnisbeeinflussung setzt vor diesem Hintergrund das Vorliegen von Anhaltspunkten dafür voraus, dass für die Beigeladene zu Ziff. 2 ohne die (unterstellt) unzulässige Wahlwerbung in den Wahlbezirken 01 und 02 zumindest in einer solchen Größenordnung Wähler nicht gestimmt hätten, sie also ein knappes Viertel der Stimmen, die sie in den Wahlbezirken 01 und 02 erhalten hat, ohne diese Werbung nicht erhalten hätte. |
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| Solche Anhaltspunkte fehlen. Vielmehr liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die (unterstellt) unzulässige Wahlwerbung das Abstimmungsverhalten in den Wahlbezirken 01 und 02 kaum zu Gunsten der Beigeladenen zu Ziff. 2 beeinflusst hat. |
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| aa) Die vom Kläger angenommene Beeinflussung aller Wähler der Beigeladenen zu Ziff. 2 in den Wahlbezirken 01 und 02 durch den (unterstellten) Gesetzesverstoß ist durch nichts belegt. |
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| Auch bei der Ermittlung der möglicherweise durch eine unzulässige Wahlbeeinflussung angesprochenen oder durch eine Verletzung wesentlicher Vorschriften betroffenen Wähler zur Abschätzung einer Wahlergebnisbeeinflussung (vgl. - wie vom Kläger angeführt - Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 32 KomWG Rn. 111) ist im Blick zu behalten, dass nur auf konkret mögliche, nicht auf abstrakte Auswirkungen eines Wahlfehlers abzustellen ist, da ansonsten die hieraus abgeleitete Wahlergebnisbeeinflussung auch nur eine abstrakte Möglichkeit darstellt (ebenfalls auf eine konkrete Möglichkeit abstellend Quecke/Gackenholz/Bock, a.a.O., § 32 KomWG Rn. 104 ff.). |
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| Dagegen, dass die Beigeladene zu Ziff. 2 in den Wahlbezirken 01 und 02 ohne das fragliche Plakat gar keine Stimmen bekommen hätte, spricht im Übrigen, dass sie in allen anderen (Urnen-)Wahlbezirken, ohne dass unzulässige Wahlwerbung angebracht gewesen wäre (s. dazu oben 2.b)), erhebliche Stimmanteile von im Durchschnitt 53,21 % erhalten hat. |
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| bb) Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, außer ihm und einer weiteren Person, deren Beschwerde über das fragliche Plakat ebenfalls aktenkundig ist, hätten sich noch weitere Personen bei den Wahlvorständen der Wahlbezirke 01 und 02 beschwert und daraus abgeleitet hat, dass in der erforderlichen Größenordnung Wähler der Beigeladenen zu Ziff. 2 in den Wahlbezirken 01 und 02 durch den (unterstellten) Gesetzesverstoß beeinflusst worden seien, fehlt es hierfür an jeglicher Grundlage. Daraus, dass eine - nicht näher bezifferte - Anzahl von Wahlberechtigten sich über das Plakat beschwert hat, folgt noch nicht einmal, dass diese Personen für die Beigeladene zu Ziff. 2 gestimmt haben und auch nicht, dass dies Ausfluss einer (unterstellt) unzulässigen Beeinflussung durch das Plakat gewesen ist. Dies setzte weiterhin voraus, dass diese Personengruppe nicht in Kenntnis, sondern aufgrund der (unterstellt) unzulässigen Werbung ihre Stimme abgegeben hätte (s. dazu bereits oben 1.b)bb)). Auf die Frage, ob und wie viele Personen sich beschwert haben, kommt es mithin nicht entscheidungserheblich an. Der entsprechende Beweisantrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung war deshalb abzulehnen (vgl. dazu Bader u.a., VwGO, 6. Aufl., § 86 Rn. 33). |
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| cc) Es spricht bei Berücksichtigung der Wahlergebnisse in den übrigen (Urnen-) Wahlbezirken vielmehr vieles dafür, dass die Beigeladene zu Ziff. 2 in den Wahlbezirken 01 und 02 nicht in signifikanter Zahl Stimmen aufgrund des beanstandeten Plakats erhalten hat. |
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| Die Stimmenanteile in den Wahlbezirken 01 und 02 fügen sich unauffällig in das Bild der Stimmenanteile der Beigeladenen zu Ziff. 2 in den Wahlbezirken, in denen ohne die beanstandete Wahlwerbung gewählt werden konnte, ein. Signifikante Abweichungen gibt es demgegenüber in 3 anderen Wahlbezirken (Wahlbezirk 03 (Stimmenanteil der Beigeladenen zu Ziff. 2 43,52 %), 09 (61,71%) und 10 (43,80%)). |
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| Die Ergebnisse in den Wahlbezirken 01 und 02 sind insbesondere nicht besonders hoch zu Gunsten der Beigeladenen zu Ziff. 2 ausgefallen. Vielmehr hat sie in 5 der 12 Wahlbezirke, in denen ohne die beanstandete Wahlwerbung gewählt werden konnte, einen besseren Stimmenanteil als im Wahlbezirk 01 und in 6 dieser Bezirke einen besseren Stimmenanteil als im Wahlbezirk 02 erzielt. |
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| Die Beigeladene zu Ziff. 2 hat in den Wahlbezirken, in denen ohne die beanstandete Wahlwerbung gewählt werden konnte, einen durchschnittlichen Stimmenanteil von 53,21 % erzielt. Die Stimmenanteile in den einzelnen Wahlbezirken liegen auch nicht so weit auseinander, dass der Durchschnittswert nicht aussagekräftig wäre. Der genannte Stimmenanteil liegt etwas über ihrem Stimmenanteil im Wahlbezirk 01 und nur geringfügig unter ihrem Stimmenanteil im Wahlbezirk 02. |
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| Selbst in dem Wahlbezirk, in dem die Beigeladene zu Ziff. 2 am schlechtesten abgeschnitten hat (Wahlbezirk 03), hat sie ohne den in der Wahlanfechtung geltend gemachten Gesetzesverstoß noch einen Stimmenanteil von 43,52 % erhalten. Wenn man diesen Stimmenanteil für die Wahlbezirke 01 und 02 zu Grunde legte, entfielen im Wahlbezirk 01 auf die Beigeladene zu Ziff. 2 von den 385 abgegebenen gültigen Stimmen statt 215 Stimmen 167 Stimmen, also 48 Stimmen weniger, im Wahlbezirk 02 von 476 abgegebenen gültigen Stimmen statt 252 Stimmen 207 Stimmen, also 45 Stimmen weniger. Die Gesamtstimmenzahl für die Beigeladene zu Ziff. 2 würde sich damit um 93 Stimmen auf 2.585 verringern. Das wären immer noch 18 Stimmen mehr als die für die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang erforderlichen 2.567 Stimmen. Selbst in diesem Fall wäre also eine Wahlergebnisbeeinflussung noch nicht indiziert, ganz abgesehen davon, dass der Stimmenanteil im Wahlbezirk 03 nicht repräsentativ für die Wahlbezirke ist, in denen keine (unterstellt) unzulässige Wahlwerbung angebracht gewesen ist. |
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| Soweit der Kläger gegen einen Vergleich mit den übrigen Wahlbezirken einwendet, auch in diesen sei zum Teil unerlaubte Werbung erfolgt, dringt er damit nicht durch (s. oben 2.b)). Im Übrigen verkennt er, dass selbst dann, wenn ein solcher Vergleich nicht möglich wäre und es damit an Anhaltspunkten gegen eine Wahlergebnisbeeinflussung fehlte, immer noch keine Anhaltspunkte für eine Wahlergebnisbeeinflussung vorlägen. |
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| Beschluss vom 13. April 2017 |
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| Der Streitwert für das Verfahren wird gem. § 52 Abs. 2 GKG auf5.000,-- Euro festgesetzt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.03.2017 - 1 S 1652/16 -, juris). |
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| Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen diese Streitwertfestsetzung wird auf § 68 GKG verwiesen. |
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