Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 05. Nov. 2014 - 2 K 879/13

bei uns veröffentlicht am05.11.2014

Tenor

Der Bescheid vom 10. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2013 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 23. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Dezember 2013, soweit er entgegensteht, verurteilt, den Kläger zur mündlichen Prüfung der Schwerpunktbereichsprüfung zuzulassen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Exmatrikulation und begehrt die Fortführung der universitären Schwerpunktbereichsprüfung in der ersten Prüfung für Juristen durch Zulassung zur mündlichen Prüfung, hilfsweise durch Einräumung eines dritten Versuchs zur Anfertigung der Aufsichtsarbeit.

2

Der Kläger nahm zum Wintersemester 2002/2003 das Studium der Rechtswissenschaft an der beklagten Hochschule auf. Er wurde am 17. August 2007 zur universitären Schwerpunktbereichsprüfung zugelassen. Am 28. März 2008 nahm der Kläger im ersten Versuch an der Aufsichtsarbeit im Schwerpunktbereich „A.“ teil. Mit Bescheid des Schwerpunktbereichsprüfungsausschusses vom 25. April 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er die Aufsichtsarbeit nicht bestanden habe und die Arbeit mit der Note „mangelhaft“ (1,0 Punkte) bewertet werde. Am 5. September 2008 nahm der Kläger an einem Wiederholungsversuch der Aufsichtsarbeit teil. Mit Bescheid vom 8. Dezember 2008 teilte die Beklagte wiederum mit, dass er die Aufsichtsarbeit nicht bestanden habe und die Arbeit mit der Note „mangelhaft“ (1,0 Punkte) bewertet werde. In dem Bescheid folgt der Rechtsbehelfsbelehrung der Hinweis nach, dass der Kläger die in der Schwerpunktbereichsprüfungsordnung genannten Punktzahlen in zwei Versuchen nicht erreicht habe und die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung damit endgültig nicht bestanden sei.

3

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 8. Dezember 2008 mit Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2010 zurück. Die Kammer wies die Klage mit Urteil vom 21. Mai 2012, 2 K 1673/10, ab und führte aus: Die Klageanträge auf Neubewertung der Aufsichtsarbeit und Wiederholung der Aufsichtsarbeit im zweiten Versuch seien mangels Bewertungsfehlern unbegründet. Der Klageantrag auf Neubescheidung des Widerspruchs sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, der Klageantrag auf Wiederholung der Aufsichtsarbeit im dritten Versuch mangels vorprozessualen Antrags unzulässig. Der Klageantrag auf Aufhebung einer Feststellung des endgültigen Nichtbestehens sei unzulässig, da das endgültige Nichtbestehen der universitären Schwerpunktbereichsprüfung im Bescheid vom 8. Dezember 2008 lediglich nachrichtlich mitgeteilt werde und nicht am Regelungsgehalt teilhabe. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht stellte nach Rücknahme des Berufungszulassungsantrags durch den Kläger mit Beschluss vom 15. August 2012, 3 Bf 138/12.Z, das Verfahren ein.

4

Der Kläger beantragte mit einem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 10. Oktober 2012, die Zulassung zur mündlichen Prüfung auszusprechen, hilfsweise, ihm die Möglichkeit einzuräumen, eine dritte Klausur im Schwerpunktbereich zu schreiben.

5

Die Beklagte sprach mit Bescheid vom 10. Dezember 2012 die Exmatrikulation des Klägers mit Wirkung zum 31. März 2013 aus. Dies begründete sie damit, dass die Abschlussprüfung endgültig nicht bestanden und die Entscheidung darüber unanfechtbar sei. Den dagegen erhobenen Widerspruch vom 10. Januar 2013 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2013 zurück und führte aus, mit der endgültig nicht bestandenen Abschlussprüfung dürfe der Kläger das Studium der Rechtswissenschaft nicht fortsetzen.

6

Mit Bescheid vom 23. April 2013 lehnte die Beklagte die Anträge vom 10. Oktober 2012 auf Zulassung zur mündlichen Prüfung in der universitären Schwerpunktbereichsprüfung und hilfsweise auf Anfertigung einer dritten Klausur ab. Der Kläger habe in der Aufsichtsarbeit nicht die erforderliche Mindestpunktzahl von 3,0 erreicht. Die Zulassung zur mündlichen Prüfung sei daher ebenso wie die Möglichkeit der Anfertigung einer dritten Aufsichtsarbeit ausgeschlossen. Verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestehensregelung der Schwerpunktbereichsprüfungsordnung sei zu widersprechen. Die Beklagte verwies insoweit auf die obergerichtliche Rechtsprechung zur Studien- und Prüfungsordnung der Universität Mannheim. Den Widerspruch des Klägers vom 29. Mai 2013 gegen den Bescheid vom 23. April 2013 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2013 zurück.

7

Mit der bereits am 6. März 2013 erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Exmatrikulation und verfolgt die bei Klageerhebung behördlich noch nicht beschiedenen Anträge von 10. Dezember 2012 weiter. Er bezieht sich zur Begründung insbesondere auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur teilweisen Unvereinbarkeit der Studien- und Prüfungsordnung der Universität Mannheim mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit. Es werde in der Universitätsprüfung der Beklagten eine Mindestpunktzahl in der einzigen Aufsichtsarbeit vorausgesetzt. Bei der staatlichen Prüfung sei immerhin bei drei Aufsichtsarbeiten auch für schlechtere Ergebnisse ein Ausgleich möglich.

8

Der Kläger beantragt,

9

1. den Bescheid vom 10. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2013 aufzuheben,

10

2. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Dezember 2013, soweit er entgegensteht, zu verurteilen, ihn zuzulassen

11

a) zur mündlichen Prüfung der Schwerpunktbereichsprüfung,
b) hilfsweise zur Anfertigung einer Aufsichtsarbeit in der Schwerpunktbereichsprüfung im dritten Versuch.

12

Die Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Die Beklagte verteidigt die getroffenen Entscheidungen. Die zugrundeliegende Schwerpunktbereichsprüfungsordnung sei wirksam. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur teilweisen Unvereinbarkeit der Studien- und Prüfungsordnung der Universität Mannheim mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit sei vorliegend nicht übertragbar. Das Hamburgische Juristenausbildungsgesetz sehe für die staatliche Pflichtfachprüfung keine weitergehende Kompensationsmöglichkeit vor als die Schwerpunktbereichsprüfungsordnung.

15

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind die Gerichtsakten des vorausgegangenen Verfahrens, 2 K 1673/10 = 3 Bf 138/12.Z, sowie die aus vier Teilen bestehende Sachakte. Darauf sowie auf die Gerichtsakte wird wegen der Einzelheiten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

16

Die zulässige Klage hat in der Sache bereits in den Hauptanträgen Erfolg, mit denen der Kläger sich gegen die Exmatrikulation wendet (1.) und eine Zulassung zur mündlichen Prüfung in der universitären Schwerpunktbereichsprüfung begehrt (2.).

17

1. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2013 über die Exmatrikulation des Klägers mit Wirkung zum 31. März 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

18

Die Beklagte hat die Exmatrikulation zu Unrecht auf § 42 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 44 des Hamburgischen Hochschulgesetzes (v. 18.7.2001, in der bei Erlass der letzten behördlichen Entscheidung zwischen 1.10.2012 und 30.9.2013 gültigen Fassung – HmbHG) gestützt. Nach § 42 Abs. 2 Nr. 3 HmbHG sind Studierende zu exmatrikulieren, wenn sie das Studium nach § 44 HmbHG nicht fortsetzen können und den Studiengang nicht wechseln können oder wechseln. Nach § 44 Satz 1 HmbHG können Studierende das Studium an einer Hamburger Hochschule nicht in dem gleichen Studiengang fortsetzen, wenn sie eine nach der Prüfungsordnung vorgeschriebene Prüfung endgültig nicht bestanden haben. An dieser gesetzlichen Voraussetzung fehlt es. Der Kläger hat die den Studiengang Rechtswissenschaft abschließende erste Prüfung für Juristen nicht endgültig nicht bestanden.

19

Ein endgültiges Nichtbestehen der ersten Prüfung für Juristen folgt für den Kläger weder unmittelbar noch mittelbar aus dem Bescheid vom 8. Dezember 2008. Zwar ist dieser Bescheid durch Rücknahme des Berufungszulassungsantrags gegen das klageabweisende Urteil im vorausgegangenen Verfahren, 2 K 1673/10 = 3 Bf 138/12.Z, bestandskräftig geworden. Doch beschränkt sich der Regelungsgehalt des Bescheids auf das Nichtbestehen einer Aufsichtsarbeit und auf ihre Bewertung (a)). Der Kläger hat nicht bereits deshalb die Schwerpunktbereichsprüfung endgültig nicht bestanden, weil die Aufsichtsarbeit mit der Note „mangelhaft“ (1,0 Punkte) bewertet worden ist. Zwar würde diese Bewertung unter der uneingeschränkten Geltung der Schwerpunktbereichsprüfungsordnung (v. 1.9.2005, Amtl. Anz. S. 1751 – SPO 2005) zu einem endgültigen Nichtbestehen der Schwerpunktbereichsprüfung und damit der ersten Prüfung für Juristen führen (b)). Doch ist die einschlägige Bestimmung in § 14 Abs. 1 SPO 2005 nichtig, da sie mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1, Abs. 2 GG unvereinbar ist (c)).

20

a) Der Bescheid vom 8. Dezember 2008 stellt fest, dass der Kläger die Aufsichtsarbeit vom 5. September 2008 nicht bestanden und die Bewertung mit der Note „mangelhaft“ (1,0 Punkte) erzielt hat. Ein darüber hinausgehender Regelungsgehalt, der an der Bestandskraft teilhaben könnte, kommt dem Bescheid nicht zu.

21

Ein endgültiges Nichtbestehens der Schwerpunktbereichsprüfung gehört nicht zum Regelungsgehalt des Bescheids. Die Kammer nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in dem im vorausgegangenen Verfahren ergangenen Urteil vom 21. Mai 2012, 2 K 1673/10, UA S. 15. Danach wird das endgültige Nichtbestehen der universitären Schwerpunktbereichsprüfung im Bescheid vom 8. Dezember 2008 lediglich nachrichtlich mitgeteilt und nimmt nicht am Regelungsgehalt teil. Dies folgt aus einer Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont. Der Bescheid vom 8. Dezember 2008 trägt in der Betreffzeile die Überschrift „Aufsichtsarbeit im Rahmen der Schwerpunktbereichsprüfung“. Während das Nichtbestehen in der Aufsichtsarbeit und ihre Bewertung mit der Note „mangelhaft“ (1,0 Punkte) vor der Rechtsbehelfsbelehrung mitgeteilt werden, findet sich erst im Anschluss daran der Hinweis, dass der Kläger die in der Schwerpunktbereichsprüfungsordnung genannten Punktzahlen in zwei Versuchen nicht erreicht habe und die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung damit endgültig nicht bestanden sei. Entsprechend verhält sich der Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2010 nicht zum endgültigen Nichtbestehen der universitären Schwerpunktbereichsprüfung.

22

Ebenso wenig wie ein endgültiges Nichtbestehen der Schwerpunktbereichsprüfung ist dem Bescheid vom 8. Dezember 2008 überhaupt eine Entscheidung über das Nichtbestehen der durchgeführten Schwerpunktbereichsprüfung im zweiten Versuch zu entnehmen. Denn auch insoweit wird in dem Bescheid nicht erkennbar vor der Rechtsbehelfsbelehrung eine Rechtsfolge ausgesprochen.

23

Dem Bescheid vom 8. Dezember 2008, der ausdrücklich nur das Nichtbestehen und die Bewertung einer im zweiten Versuch gefertigten Aufsichtsarbeit betrifft, kann auch nicht durch Auslegung schlüssig der Regelungsgehalt entnommen werden, dass die Schwerpunktbereichsprüfung im ersten Versuch nicht bestanden sei. Zwar setzt der Bescheid vom 8. Dezember 2008 voraus, dass dem Kläger bereits anderweitig beschieden wurde, im ersten Versuch nicht bestanden zu haben. Denn ohne ein Nichtbestehen im ersten Versuch geht eine Bewertung der im zweiten Versuch unternommenen Aufsichtsarbeit ins Leere. Doch enthält der Bescheid vom 8. Dezember 2008 selbst keine verbindliche Feststellung im Hinblick auf den ersten Versuch.

24

Ein weitergehender Regelungsgehalt kommt dem Bescheid vom 8. Dezember 2008 auch nicht aufgrund des in Rechtskraft erwachsenen klageabweisenden Urteils vom 21. Mai 2012, 2 K 1673/10, zu. Aufgrund des Urteils ist ein Anspruch des Klägers auf Neubewertung oder Neudurchführung hinsichtlich der am 5. September 2008 durchgeführten Aufsichtsarbeit zu verneinen. Ein Nichtbestehen der Schwerpunktbereichsprüfung im ersten Versuch steht auch mit der Rechtskraft dieses Urteils nicht fest.

25

b) Eine uneingeschränkte Geltung der SPO 2005 unterstellt, hätte der Kläger allerdings wegen der in den Aufsichtsarbeiten erzielten Bewertungen die Schwerpunktbereichsprüfung endgültig nicht bestanden.

26

Die Schwerpunktbereichsprüfung ist nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SPO 2005 bestanden, wenn die nach § 16 Abs. 1, Abs. 2 SPO 2005 errechnete Durchschnittspunktzahl aus schriftlicher Wahlschwerpunktleistung, Aufsichtsarbeit und mündlicher Prüfung mindestens 4,0 Punkte beträgt. Der Kläger hatte zwar noch keine Gelegenheit, sich einer mündlichen Prüfung zu unterziehen. Doch ist ein Bestehen ausgeschlossen, wenn wegen § 14 Abs. 1 SPO 2005 keine Zulassung zur mündlichen Prüfung erfolgt. Nach dieser Vorschrift wird zur mündlichen Prüfung zugelassen, wer in der Wahlschwerpunktleistung die Punktzahl 4,0 und in der Aufsichtsarbeit die Punktzahl 3,0 erreicht hat. Endgültig nicht bestanden ist die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung unter Zugrundelegung dieser Regeln insbesondere dann, wenn die Aufsichtsarbeit – wie im Fall des Klägers – in den beiden möglichen Versuchen mit weniger als der Punktzahl 3,0 bewertet wird.

27

c) Die einschlägige Bestimmung des § 14 Abs. 1 SPO 2005 ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit unvereinbar und damit nichtig. Die Kammer hält an ihrer gegenteiligen Rechtsprechung (VG Hamburg, Urt. v. 1.11.2012, 2 K 2085/10, juris Rn. 56 ff.) nicht fest. Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 SPO 2005 greift als subjektive Berufszugangsregelung in die durch Art. 12 Abs. 1, Abs. 2 GG gewährleistete Berufsfreiheit ein. Der Eingriff ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu rechtfertigen. Dies folgt aus der Anwendung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus Anlass einer Entscheidung über die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung nach der Juristen-Studien- und Prüfungsordnung der Universität Mannheim entwickelten Maßstäbe (BVerwG, Urt. v. 29.5.2013, 6 C 18/12, DVBl. 2013, 1122, juris Rn. 25 ff.):

28

„(1) Ist die Durchführung einer Prüfung in mehreren Teilprüfungen vorgesehen, wird hierdurch die Beurteilungsgrundlage verbreitert und so die Treffsicherheit des Befähigungsurteils erhöht, das mit der Prüfungsentscheidung über den Prüfling ausgesprochen wird. Bestehensregelungen, die an den Misserfolg in einer Teilprüfung bereits das Nichtbestehen der Gesamtprüfung knüpfen, laufen Gefahr, die Treffsicherheit dieses Befähigungsurteils zu verringern. Denn danach reduziert sich unter Umständen - nämlich bei Nichtbestehen der Teilprüfung - seine empirische Basis auf eine bloße Teilmenge der im Prüfungsverfahren erbrachten Leistungen, während die übrigen erbrachten Leistungen im Rahmen der Prüfungsentscheidung gänzlich außer Betracht bleiben. Wie der Senat bereits früher entschieden hat, genügen solche Regeln den verfassungsrechtlichen Anforderungen nur, wenn die Teilprüfung, deren Nichtbestehen zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung führen soll, schon für sich genommen eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage bietet (Beschlüsse vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 3.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 347 S. 62 f. und vom 10. Oktober 1994 - BVerwG 6 B 73.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 338 S. 46 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82, 174/84 - BVerfGE 80, 1 <35>). Tut sie dies nicht, nimmt der Zufallsfaktor im Rahmen der Prüfungsentscheidung überhand und ist eine solche Regel daher schon nicht geeignet, den ihr zugedachten Zweck in rationaler Weise zu erfüllen, diejenigen Prüflinge zu ermitteln, die nicht die Tauglichkeit aufweisen, welche mit der Prüfung nachgewiesen werden sollen.

29

Eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage kann eine Teilprüfung dann bieten, wenn gerade durch sie eine Fähigkeit nachgewiesen wird, die als unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger Bestandteil derjenigen Qualifikation anzusehen ist, die mit der Prüfung insgesamt nachgewiesen werden soll. Eine solche Fähigkeit mag beispielsweise in der Beherrschung einer bestimmten Fachmaterie oder, gegebenenfalls hiermit kombiniert, einer bestimmten Bearbeitungs- oder Darstellungsmethode bestehen, die nur in der betroffenen Teilprüfung abgeprüft werden. Der Normgeber mag aber auch die Auffassung verfolgen, ein positives Befähigungsurteil sei überhaupt nur bei durchgängiger Erzielung mindestens ausreichender Einzelleistungen gerechtfertigt; dann soll jede Teilprüfung mittelbar auch dem Nachweis der Fähigkeit zur fachbezogenen Leistungskonstanz dienen.

30

Ob einer dieser Begründungsansätze im konkreten Fall sachlich verfängt, obliegt in erster Linie der Beurteilung durch den Normgeber, dem Art. 12 Abs. 1 GG insoweit beträchtliche Einschätzungsspielräume eröffnet. Mit der Entscheidung, die Beherrschung einer bestimmten Fachmaterie, einer bestimmten methodischen Fertigkeit oder die Fähigkeit zur Leistungskonstanz seien für den Prüfungserfolg unverzichtbar, wird zugleich über Zuschnitt und Niveau der Befähigung entschieden, die mit der Ausbildung erworben und mit der Prüfung belegt werden soll, d.h. es werden hiermit berufliche oder akademische Qualifikationsanforderungen festgelegt. Diesbezüglich beschränkt sich aber die grundrechtliche Bindung des Normgebers auf das Gebot der Wahrung eines sachlichen Zusammenhangs mit den Anforderungen des betreffenden Berufs (vgl. Urteil vom 17. Juli 1987 - BVerwG 7 C 118.86 - BVerwGE 78, 55 <57> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 242 S. 15). Sogar ein gewisser "Überschuss" an Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als zulässig zu erachten (vgl. Beschluss vom 1. Juli 1986 - 1 BvL 26/83 - BVerfGE 73, 301 <320> m.w.N.; aufgegriffen durch BVerwG, Urteil vom 17. Juli 1987 a.a.O. S. 57 bzw. 15). In dieser zurückhaltenden Linie kommt zum Ausdruck, dass die Definition beruflicher und akademischer Qualifikationsstandards vorwiegend Sache politisch wertender Gestaltung und durch die Verfassung im Kern nicht vorentschieden ist.

31

Zu verneinen ist die Frage, ob eine Teilprüfung eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage bietet und insofern den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG standhält, im Allgemeinen daher nur dann, wenn die Einschätzung, gerade durch sie werde eine als unerlässlich einzustufende Fähigkeit abgeprüft, sachlich nicht vertretbar erscheint, d.h. wenn offenkundig ist, dass keiner der vorgenannten Begründungsansätze und auch kein nachvollziehbarer sonstiger Begründungsansatz sich im konkreten Fall als tragfähig erweist. Diese Maßgabe, mit der die Einstufung einer Bestehensregelung nach dem Muster von §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO als ungeeignet im Ergebnis auf besonders gelagerte Ausnahmefälle beschränkt bleiben wird, steht im Einklang mit dem in der Grundrechtsjudikatur des Bundesverfassungsgerichts allgemein anerkannten Befund, dass die Verfassung dem Gesetzgeber für die Beurteilung der Eignung der von ihm für die Durchsetzung der gesetzgeberischen Regelungsziele gewählten Mittel einen Einschätzungsspielraum zubilligt (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 15. Januar 2002 - 1 BvR 1783/99 - BVerfGE 104, 337 <347 f.>). Sie fügt sich in die prüfungsrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insofern wertungssystematisch stimmig ein, als dort etwa im Hinblick auf die Zahl zugelassener Wiederholungsversuche, auf die Ausgestaltung von Gewichtungsregeln oder auf die Auswahl und Verteilung des Prüfungsstoffs - also im Hinblick auf Rahmenbedingungen, von denen die praktische Wirkungsschärfe einer Regel nach dem Muster von §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO entscheidend mitbestimmt wird - gleichfalls durchgängig die Gestaltungsfreiheit des Normgebers bzw. der Prüfungsverwaltung betont worden ist (vgl. Beschlüsse vom 7. März 1991 - BVerwG 7 B 178.90 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 285 S. 167, vom 16. August 1985 - BVerwG 7 B 51, 58 u. 59.85 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 218 S. 256 und vom 13. April 1983 - BVerwG 7 B 25.82 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 173 S. 121).

32

(2) Speziell im hier betroffenen Fall der juristischen Universitätsprüfung unterliegt der universitäre Normgeber allerdings engeren Bindungen als ein prüfungsrechtlicher Normgeber im Normalfall. Die Eignungsziele, an denen das Schwerpunktbereichsstudium und die Universitätsprüfung auszurichten sind, stehen in bestimmten Eckdaten nicht zu seiner Disposition. § 5 Abs. 1 Halbs. 2 DRiG legt fest, dass die Universitätsprüfung zusammen mit der staatlichen Pflichtfachprüfung die erste juristische Prüfung bildet. Die Bestimmung richtet hiermit beide gemeinsam in erster Linie auf den Zweck aus, die Befähigung für den anschließenden juristischen Vorbereitungsdienst festzustellen (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 JAPrO BW). Hierdurch wird der Gestaltungsspielraum des universitären Normgebers im Ergebnis eingeengt. Er darf keine Bestehensregelung für die Universitätsprüfung erlassen, in der Eignungsanforderungen zum Ausdruck kommen, die nicht hinreichend auf diesen bundesrechtlich vorgegebenen Prüfungszweck der Universitätsprüfung abgestimmt sind.

33

(a) Gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 DRiG dienen die Schwerpunktbereiche der Ergänzung des Studiums, der Vertiefung der mit ihnen zusammenhängenden - den Gegenstand der staatlichen Pflichtfachprüfung bildenden - Pflichtfächer sowie der Vermittlung interdisziplinärer und internationaler Bezüge des Rechts. Die Ergänzungsfunktion des Schwerpunktbereichs setzen die universitären Studien- und Prüfungsordnungen durch die Anreicherung des Ausbildungs- und Prüfungsstoffs der Pflichtfächer um zusätzliche Ausbildungs- und Prüfungsinhalte um. Die in § 5a Abs. 2 Satz 4 DRiG weiter angelegte Vertiefungsfunktion des Schwerpunktbereichs zielt ausweislich des Gesetzeswortlauts sowie auch der Gesetzesmaterialien demgegenüber insbesondere auf die Erweiterung und Verfeinerung des allgemeinen wissenschaftlich-methodischen Rüstzeugs der Studierenden (vgl. den Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 20. März 2002, BTDrucks 14/8629 S. 12, sowie die dortigen Bezugnahmen auf die Reformforderungen des sog. Ladenburger Manifests, NJW 1997, 2935 ff., und die Vorschläge von Ernst-Wolfgang Böckenförde im Rahmen eines erweiterten Berichterstattergesprächs; vgl. insoweit auch die Stellungnahme Böckenfördes im Rahmen einer Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses im Jahr 2001, Anhang zum Protokoll der 83. Sitzung des Rechtsausschusses vom 16. Mai 2001, S. 64 f.).

34

(b) Soweit der Schwerpunktbereich, im Rahmen seiner Ergänzungsfunktion, den Pflichtfachbereich lediglich fächerbezogen um weitere Inhalte des Ausbildungs- und Prüfungsstoffs ergänzt und diesem damit in seiner grundsätzlichen Anlage gleicht, hat sich der universitäre Normgeber bei Ausgestaltung der Bestehensregelungen an der Höhe derjenigen Eignungsanforderungen zu orientieren, die in der Ausgestaltung der Bestehensregelung der staatlichen Pflichtfachprüfung zum Ausdruck kommen. Wäre er dieser Pflicht ledig, würde in beiden Abschnitten der ersten juristischen Prüfung - und zwar dort, wo sie strukturell vergleichbar sind - ein jeweils unterschiedliches Maß an juristischer Qualifikation über den Prüfungserfolg entscheiden. Dies wäre mit ihrer prüfungsrechtlichen Verklammerung und ihrer gemeinsamen Ausrichtung auf die Feststellung der Eignung für den juristischen Vorbereitungsdienst nicht in Einklang zu bringen. Dass gerade dem staatlichen Normgeber im Hinblick auf die Definition der Eignungsstandards das Primat gegenüber dem universitären Normgeber zukommt, ist in der Ergänzungsfunktion des Schwerpunktbereichs bereits logisch angelegt. Dementsprechend verweist § 5d Abs. 6 DRiG hinsichtlich der prüfungsrechtlichen Ausgestaltung beider Prüfungsabschnitte auf das "Landesrecht". Hieraus folgt - wie oben bereits ausgeführt - zwar kein prinzipielles Verbot der Weiterdelegation an den universitären Normgeber, wohl aber die Maßgabe, dass es dem Landesgesetzgeber zukommt, diesem wesentliche prüfungsrechtliche Eckdaten verbindlich vorzugeben.

35

(c) Soweit der Schwerpunktbereich den Pflichtfachbereich nicht lediglich um zusätzliche Fachmaterien ergänzt, sondern in ihm - im Rahmen der Vertiefungsfunktion - qualitativ eigenständige bzw. weitergehende Qualifikationsziele verfolgt werden, eröffnen sich dem Normgeber konsequenterweise breitere prüfungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten. Den Regelungen der Pflichtfachprüfung sind insoweit keine bindenden Eignungsstandards zu entnehmen.

36

(3) Gemessen an den vorstehenden Maßstäben hat die Beklagte mit dem Erlass der §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO ihren prüfungsrechtlichen Gestaltungsspielraum überschritten und eine Bestehensregelung erlassen, die nicht hinreichend geeignet ist, den der Universitätsprüfung im Lichte von §§ 5, 5a Abs. 2 DRiG zugedachten Zweck zu erfüllen, (nur) die für den juristischen Vorbereitungsdienst ungeeigneten Kandidaten zu ermitteln.

37

(a) Im Rahmen der staatlichen Pflichtfachprüfung lässt die JAPrO BW - nur leicht modifiziert durch die Regelung in ihrem § 16 - eine Kompensation nicht bestandener Teilprüfungen durch die in anderen Teilprüfungen erzielten Ergebnisse - auch fächerübergreifend - zu. Der staatliche Normgeber bringt hiermit zum Ausdruck, dass den in einzelnen Teilprüfungen jeweils abgeprüften fachlichen Kenntnissen bzw. Fertigkeiten nicht bereits für sich genommen, sondern nur in ihrer Summe Ausschlag gebendes Gewicht für die Beurteilung der Befähigung der Prüflinge zukommen darf. Hieraus tritt als Maßstab zutage, dass die Eignung für den Vorbereitungsdienst nicht entfällt, wenn der Prüfling nur partielle Leistungsschwächen in einzelnen Fachmaterien offenbart.

38

(b) Hingegen ist bei Zugrundelegung von §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO einem Prüfling bereits wegen mangelhafter Beherrschung des Stoffs der obligatorischen Lehrveranstaltungen ("Allgemeiner Teil" - vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 JuSPO zur Aufsichtsarbeit) oder des Stoffs des Wahlbereichs ("Besonderer Teil" - vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 JuSPO zur mündlichen Prüfung) oder wegen des Nichtbestehens der Studienarbeit (vgl. § 13 JuSPO) der Erfolg in der Universitätsprüfung und hiermit - da das Bestehen der ersten juristischen Prüfung das Bestehen sowohl der Universitätsprüfung als auch der staatlichen Pflichtfachprüfung voraussetzt (§ 5d Abs. 2 Satz 4 DRiG) - der Eintritt in den Vorbereitungsdienst versagt. Einzelne Abschnitte des Prüfungsstoffs der Universitätsprüfung werden auf diese Weise hinsichtlich der ihnen vom universitären Normgeber beigemessenen Aussagekraft verabsolutiert. Von dem Ansatz der JAPrO BW, wonach zutage tretende partielle Leistungsschwächen die Eignung für den juristischen Vorbereitungsdienst noch nicht entfallen lassen, weicht dieser Ansatz ersichtlich ab.

39

(c) Im Lichte des oben Gesagten überschreitet der universitäre Normgeber mit diesem verabsolutierenden Ansatz seinen Gestaltungsspielraum nicht, soweit eine Teilprüfung in besonderer Weise auf die Ermittlung der wissenschaftlich-methodischen Fertigkeiten der Prüflinge ausgerichtet ist und sich mithin eindeutig der Vertiefungsfunktion des Schwerpunktbereichs zuordnen lässt. Dies ist hier im Hinblick auf die Studienarbeit der Fall, mit der nach § 13 Abs. 1 Satz 2 JuSPO der Prüfling zeigen soll, "dass er in der Lage ist, innerhalb der vorgesehenen Frist ein Thema (...) selbständig nach wissenschaftlichen Methoden zu bearbeiten". Hingegen tritt im Hinblick auf die Aufsichtsarbeit sowie im Hinblick auf die mündliche Prüfung schon aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der §§ 11 f. JuSPO hervor, dass in ihnen vorwiegend - in einer den entsprechenden Teilprüfungen der staatlichen Pflichtfachprüfung strukturell vergleichbaren Weise - der Grad an fachlicher Stoffbeherrschung abgeprüft wird ("Gegenstand ... ist der Stoff der ..."). Sie sind daher stärker der Ergänzungsfunktion als der Vertiefungsfunktion des Schwerpunktbereichs zuzuordnen. Folglich greift hier das Erfordernis einer Kongruenz der Eignungsstandards zwischen Pflichtfach- und Universitätsprüfung - mit der Folge für den universitären Normgeber, dass er partielle Leistungsschwächen, die zum Nichtbestehen dieser Teilprüfungen führen, nicht dafür heranziehen darf, dem Prüfling insgesamt die Eignung für den Eintritt in den juristischen Vorbereitungsdienst abzusprechen. Insofern bilden weder die Aufsichtsarbeit noch die mündliche Prüfung für sich genommen bereits eine zuverlässige Grundlage für das Urteil, dass derjenige, der sie nicht besteht, deshalb nicht die mit der Universitätsprüfung nachzuweisende Eignung aufweist.

40

(d) Nichts anderes darf daraus hergeleitet werden, dass in Aufsichtsarbeit und mündlicher Prüfung unterschiedliche Arbeits- und Präsentationstechniken gefordert sind. Denn auch diesem Gesichtspunkt wird in den Bestimmungen der JAPrO BW über die staatliche Pflichtfachprüfung kein absoluter Stellenwert beigemessen. Die in ihnen eröffneten Kompensationsmöglichkeiten schließen ein, unzureichende Leistungen im einen Segment durch zureichende Leistungen im anderen Segment ausgleichen zu können.

41

(4) Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass § 5d Abs. 2 Satz 2 DRiG vorschreibt, in der Universitätsprüfung sei "mindestens eine schriftliche Leistung zu erbringen". Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich hieraus für den vorliegenden Fall nichts herleiten. Der Regelungsgehalt der Vorschrift besteht darin, die Durchführung der Universitätsprüfung rein auf mündlicher Basis zu verwehren. Im Übrigen wollte der Bundesgesetzgeber den Regelungsspielraum der Länder bzw. Universitäten nicht einschränken, ging aber gleichwohl von der Annahme aus, dass von ihnen eine Aufteilung der Prüfung in mehrere Teilprüfungen vorgenommen werden würde (vgl. BTDrucks 14/7176 S. 13: "... hinsichtlich der zu erbringenden Leistungen ..."). Eine Aussage im Hinblick auf die Zulässigkeit prüfungsrechtlicher Ausschlussklauseln nach Art von §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO ist der Vorschrift vor diesem Hintergrund nicht zu entnehmen.

42

(5) Nichts anderes ergibt sich ferner aufgrund des Hinweises der Beklagten auf die grundrechtliche Lehrfreiheit, die nach ihrer Auffassung im vorliegenden Fall einen "zurückhaltenden Umgang mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes" gebietet. Verlagert der staatliche Normgeber die Regelung von Bestehensanforderungen bei Prüfungen, die in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG fallen, auf die Universitäten, verändert sich hierdurch grundsätzlich nichts am Umfang des grundrechtlichen Abwehrrechts der Prüfungsteilnehmer. Die oben aufgezeigten Anforderungen an die Zulässigkeit prüfungsrechtlicher Bestehensregeln könnten die Lehrfreiheit allenfalls dann beeinträchtigen - und so ausnahmsweise eine ausgleichsbedürftige grundrechtliche Kollisionslage herbeiführen -, wenn von ihnen Rückwirkungen auf die inhaltliche und methodische Gestaltung der Lehrveranstaltungen ausgingen (vgl. Beschlüsse vom 24. Mai 1991 - BVerwG 7 NB 5.90 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 134 S. 40 und vom 22. August 2005 - BVerwG 6 BN 1.05 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 263 S. 25). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern dies hier der Fall sein könnte. Der Hinweis der Beklagten, Bestehensregeln könnten den Studierenden mittelbar den Bedeutungsgrad von Fachmaterien signalisieren, mag sachlich zutreffen, macht aber nicht deutlich, inwiefern sich hieraus eine Einschränkung der inhaltlichen und methodischen Gestaltungsfreiheit von Hochschullehrern in Bezug auf die von ihnen angebotenen Lehrveranstaltungen ergeben könnte.

43

(6) Unerheblich ist schließlich, dass nach der Darstellung der Beklagten in der Vergangenheit nur eine geringe Zahl von Prüflingen in der Universitätsprüfung gescheitert sein soll. Die Maßgabe, wonach eine Teilprüfung, deren Nichtbestehen zum Misserfolg der gesamten Prüfung führen soll, eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage bieten muss, soll gewährleisten, dass die der Prüfung zugedachte Filterungsfunktion in rationaler, den Zufallsfaktor minimierender Weise erfüllt werden kann. Hierauf besteht - unter dem Aspekt der Eingriffsgeeignetheit - ein grundrechtlicher Anspruch auch im Falle einer niedrigen Durchfallquote.“

44

In Anwendung dieser Maßstäbe, die sich die Kammer zu Eigen macht, hat die Beklagte durch § 14 Abs. 1 SPO 2005 eine Bestehensregelung erlassen, die nicht hinreichend geeignet ist, den der Universitätsprüfung zugedachten Zweck zu erfüllen. Denn die Aufsichtsarbeit nach der SPO 2005 der Beklagten ist ebenso wie die Aufsichtsarbeit nach der Juristen-Studien- und Prüfungsordnung der Universität Mannheim der Ergänzungsfunktion der Schwerpunktbereichsprüfung zuzuordnen (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 37). Die universitäre Aufsichtsarbeit ergänzt den Pflichtfachbereich lediglich fächerbezogen um weitere Inhalte des Ausbildungs- und Prüfungsstoffs und gleicht diesem damit in seiner grundsätzlichen Anlage. Der universitäre Normgeber muss sich bei Ausgestaltung der Bestehensregelungen insoweit an der Höhe derjenigen Eignungsanforderungen orientieren, die in der Ausgestaltung der Bestehensregelung der staatlichen Pflichtfachprüfung zum Ausdruck kommen (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 32). Dies ist hier nicht der Fall. Denn die staatliche Pflichtfachprüfung lässt eine Kompensation nicht bestandener Teilprüfungen auch fächerübergreifend zu. Durch § 14 Abs. 1 SPO 2005 ist eine Kompensation demgegenüber ausgeschlossen. Werden in der Aufsichtsarbeit weniger als 3,0 Punkte erzielt, hindert der Misserfolg in der Aufsichtsarbeit nach § 14 Abs. 1 SPO 2005 die Zulassung zur mündlichen Prüfung und führt damit zum Nichtbestehen der universitären Schwerpunktbereichsprüfung und der ersten Prüfung für Juristen insgesamt. Im Einzelnen:

45

Im Rahmen der staatlichen Pflichtfachprüfung lässt das Hamburgische Juristenausbildungsgesetz (v. 11.6.2003, HmbGVBl. S. 156, in der vom 30.4.2005 bis 30.9.2007 gültigen Fassung – HmbJAG) die Kompensation nicht bestandener Teilprüfungen durch die in anderen Teilprüfungen erzielten Ergebnisse – auch fächerübergreifend – zu. Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 HmbJAG setzt die Zulassung zur mündlichen Prüfung der staatlichen Pflichtfachprüfung hinsichtlich der sechs Aufsichtsarbeiten nach § 15 HmbJAG lediglich voraus, dass der Prüfling eine durchschnittliche Punktzahl von mindestens 3,8 und in mindestens drei Aufsichtsarbeiten, davon in mindestens einer Aufsichtsarbeit aus dem Bereich des Bürgerlichen oder Handels- und Gesellschaftsrechts, die Punktzahl 4,0 erreicht hat. Eine Zulassung zur mündlichen Prüfung der staatlichen Pflichtfachprüfung ist insbesondere auch mit einer, zwei oder drei unter 3,0 Punkten bewerteten Aufsichtsarbeiten möglich, wenn die drei anderen Aufsichtsarbeiten, darunter eine im Bürgerlichen oder Handels- und Gesellschaftsrecht, mit wenigstens 4,0 Punkten bewertet worden sind und der Durchschnitt von 3,8 Punkten erreicht wird. Hat der Prüfling beispielsweise in den drei Aufsichtsarbeiten im Handels- und Gesellschaftsrecht und im Öffentlichen Recht ein-, zwei- oder auch dreimal lediglich 2,0 Punkte erhalten, so genügt es für die Zulassung zur mündlichen Prüfung, wenn er in den Aufsichtsarbeiten im Bürgerlichen Recht und im Strafrecht zweimal 5,5 und einmal 6,0 Punkte erzielt. Schwere Defizite im Handels- und Gesellschaftsrecht sowie im Öffentlichen Recht, die sich im Beispiel in durchgehend und deutlich mit der Note „mangelhaft“ bewerteten Leistungen zeigen, können durch Leistungen im Bereich der Note „ausreichend“ in anderen Rechtsgebieten kompensiert werden.

46

Auf diese Weise bringt der staatliche Normgeber für Hamburg – ebenso wie der staatliche Normgeber für Baden-Württemberg in dem der höchstrichterlichen Entscheidung zugrundeliegenden Fall (BVerwG, a.a.O., Rn. 35) – zum Ausdruck, dass den in einzelnen Teilprüfungen jeweils abgeprüften fachlichen Kenntnissen bzw. Fertigkeiten nicht bereits für sich genommen, sondern nur in ihrer Summe Ausschlag gebendes Gewicht für die Beurteilung der Befähigung der Prüflinge zukommen darf. Hieraus tritt als Maßstab zutage, dass die Eignung für den Vorbereitungsdienst nicht entfällt, wenn der Prüfling nur partielle Leistungsschwächen in einzelnen Fachmaterien offenbart. Hingegen wird unter der Geltung des § 14 Abs. 1 SPO 2005 einem Prüfling bereits dann der Erfolg in der Universitätsprüfung, der ersten Prüfung für Juristen und der Eintritt in den Vorbereitungsdienst versagt, wenn er den in der einzigen Aufsichtsarbeit geprüften Stoff – wenngleich deutlich – nicht beherrscht. In der universitären Aufsichtsarbeit wird in strukturell vergleichbarer Weise zu den Teilprüfungen der staatlichen Pflichtfachprüfung der Grad an fachlicher Stoffbeherrschung abgeprüft. Es werden nicht durch eine besondere Ausrichtung auf die Ermittlung der wissenschaftlich-methodischen Fertigkeiten der Prüflinge qualitativ eigenständige bzw. weitergehende Qualifikationsziele verfolgt. Die Aufsichtsarbeit ist daher stärker der Ergänzungsfunktion als der Vertiefungsfunktion zuzuordnen (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 37). Folglich greift hier das vom Bundesverwaltungsgericht hervorgehobene Erfordernis einer Kongruenz der Eignungsstandards zwischen Pflichtfach- und Universitätsprüfung mit der Folge für den universitären Normgeber, dass er partielle Leistungsschwächen, die zum Nichtbestehen dieser Teilprüfungen führen, nicht dafür heranziehen darf, dem Prüfling insgesamt die Eignung für den Eintritt in den juristischen Vorbereitungsdienst abzusprechen. Insofern bildet die Aufsichtsarbeit für sich genommen nicht bereits eine zuverlässige Grundlage für das Urteil, dass derjenige, der sie nicht besteht, deshalb nicht die mit der Universitätsprüfung nachzuweisende Eignung aufweist.

47

Unerheblich ist, dass die partielle Leistungsschwäche, an welche § 14 Abs. 1 SPO 2005 die Nichtzulassung zur mündlichen Prüfung knüpft und die damit zum Nichtbestehen der Prüfung insgesamt führt, in einer Bewertung der Aufsichtsarbeit unter 3,0 Punkten deutlich werden muss, während in dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschiedenen Fall jede unter 4,0 Punkten liegende Bewertung zum Nichtbestehen führen soll. Nach dem vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten und von der Kammer geteilten Ansatz, kann das Nichtbestehen der Gesamtprüfung nur dann bereits an den Misserfolg in einer Teilprüfung geknüpft werden, wenn die Teilprüfung eine hinreichende Beurteilungsgrundlage für die durch die Gesamtprüfung zu ermittelnde Eignung des Prüflings bietet (BVerwG, a.a.O., Rn. 26). Es kommt nicht darauf an, welchen Grad der Misserfolg in der Teilprüfung – oberes, mittleres oder unteres „mangelhaft“ oder „ungenügend“ – einnimmt. Den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nicht entnehmen, dass eine Vereinbarkeit der Bestehensregelung mit höherrangigem Recht in Betracht käme, wenn sich der Misserfolg in der einzigen Aufsichtsarbeit in einer deutlich im Bereich der Note „mangelhaft“ liegenden Bewertung zeigt. In dem der höchstrichterlichen Entscheidung unterliegenden Fall, in dem der Prüfling in den beiden Versuchen der Aufsichtsarbeit 1,0 Punkte und 2,0 Punkte erzielt hatte, hätte Anlass für diese Erwägung bestanden, wenn es nach dem vom Bundesverwaltungsgericht verfolgten Ansatz darauf angekommen wäre.

48

Nichts anderes folgt auch daraus, dass gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 HmbJAG im Durchschnitt der Aufsichtsarbeiten der staatlichen Pflichtfachprüfung 3,8 Punkte erzielt werden müssen, unter Geltung des § 14 Abs. 1 SPO 2005 in der einzigen Aufsichtsarbeit der universitären Schwerpunktbereichsprüfung hingegen 3,0 Punkte. Entscheidend ist die – da nur eine Aufsichtsarbeit gestellt wird – fehlende Kompensationsmöglichkeit partieller Leistungsschwächen. Einer solchen Kompensationsmöglichkeit bedürfte es nach dem in § 18 Abs. 1 Nr. 1 HmbJAG zum Ausdruck kommenden Maßstab, nach dem die Eignung für den Vorbereitungsdienst dem Prüfling nicht bereits dann abzusprechen ist, wenn er nur partielle Leistungsschwächen in einzelnen Fachmaterien offenbart.

49

2. Die durch Bescheid vom 23. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Dezember 2013 ausgesprochene Ablehnung, den Kläger zur mündlichen Prüfung der Schwerpunktbereichsprüfung zuzulassen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger kann eine – nicht den Erlass eines Verwaltungsaktes erfordernde – Zulassung zur mündlichen Prüfung der universitären Schwerpunktbereichsprüfung im ersten Versuch beanspruchen.

50

Dies gilt unabhängig davon, wie die Beklagte als Satzungsgeberin ihren diesbezüglichen Gestaltungsspielraum (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 28, 30) ausfüllen wird. Der erste Versuch des Klägers, die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung abzulegen, ist noch nicht abgeschlossen, da die Durchführung der mündlichen Prüfung noch aussteht. Die einer Zulassung zur mündlichen Prüfung entgegenstehende Vorschrift des § 14 Abs. 1 SPO 2005 ist nichtig (s.o. 1.).

51

In Ausfüllung des Gestaltungsspielraums wird die Beklagte die Bildung der Note in der universitären Schwerpunktbereichsprüfung in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht bestimmen müssen. Dabei erweist sich § 16 Abs. 2 SPO 2005 als mit den Vorgaben unvereinbar.

52

Bestimmt die Hochschule, dass die zu erbringenden Prüfungsleistungen nur eine Aufsichtsarbeit umfassen, muss diese gemäß § 33 Abs. 2 Satz 3 HmbJAG im Gewicht für die Bildung der Gesamtnote der ersten Prüfung dem Gewicht einer staatlichen Aufsichtsarbeit nach § 22 Abs. 2 Satz 2 HmbJAG entsprechen. Jeder der sechs staatlichen Aufsichtsarbeiten kommt für die Bildung der Gesamtnote der ersten Prüfung ein Gewicht von 8,75 v.H. zu. Dieses Gewicht errechnet sich daraus, dass jede der sechs Aufsichtsarbeiten gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 HmbJAG zu 12,5 v.H. in die staatliche Endnote eingeht und die staatliche Endnote ihrerseits gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 HmbJAG zu 70 v.H. in die Gesamtnote der ersten Prüfung eingeht. Die Gesetzesmaterialien bestätigen, dass dann, wenn die Hochschule in der Schwerpunktbereichsprüfung nur eine einzige Aufsichtsarbeit stellt, bezogen auf die Gesamtnote der ersten Prüfung eine Gewichtung von 8,75 v.H. zwingend ist. In der Begründung des Gesetzentwurfes (Bü-Drs. 17/2389, S. 28) heißt es ausdrücklich, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 3 HmbJAG, wenn nur eine Aufsichtsarbeit zu erbringen ist, diese mit 8,75 v.H. in die Gesamtnote der ersten Prüfung einbezogen wird.

53

Dem genügt die Gewichtungsregelung in § 16 Abs. 2 SPO 2005 nicht. Danach kommt der Bewertung in der universitären Aufsichtsarbeit ein Gewicht von 9 v.H. für die Gesamtnote der ersten Prüfung zu. Dieses Gewicht errechnet sich daraus, dass die Note in der Aufsichtsarbeit gemäß § 16 Abs. 2 SPO 2005 zu 30 v.H. in die universitäre Endnote eingeht und die universitäre Endnote ihrerseits gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 HmbJAG ebenfalls zu 30 v.H. in die Gesamtnote der ersten Prüfung.

II.

54

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO. Der Sinn des § 167 Abs. 2 VwGO, in die Amtsführung der Behörde nur mit rechtskräftigen Entscheidungen einzugreifen, rechtfertigt es – anders als bei der Verurteilung zu Geldleistungen – bei Leistungsklagen, die auf Vornahme oder Unterlassen einer schlichten Amtshandlung gerichtet sind, ebenso wie bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen lediglich den Kostenpunkt für vorläufig vollstreckbar zu erklären (Pietzner, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 167 Rn. 135 m.w.N.).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 05. Nov. 2014 - 2 K 879/13

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 05. Nov. 2014 - 2 K 879/13

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 05. Nov. 2014 - 2 K 879/13 zitiert 12 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Deutsches Richtergesetz - DRiG | § 5 Befähigung zum Richteramt


(1) Die Befähigung zum Richteramt erwirbt, wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung abschließt; die erste Prüfung besteht aus einer

Deutsches Richtergesetz - DRiG | § 5d Prüfungen; Verordnungsermächtigung


(1) Staatliche und universitäre Prüfungen berücksichtigen die inhaltlichen Vorgaben des § 5a Absatz 3 Satz 1; unbeschadet von § 5a Abs. 2 Satz 2 können die Prüfungen auch Fremdsprachenkompetenz berücksichtigen. Die Einheitlichkeit der Prüfungsanforde

Deutsches Richtergesetz - DRiG | § 5a Studium


(1) Die Studienzeit beträgt viereinhalb Jahre; diese Zeit kann unterschritten werden, sofern die jeweils für die Zulassung zur universitären Schwerpunktbereichsprüfung und zur staatlichen Pflichtfachprüfung erforderlichen Leistungen nachgewiesen sind

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 05. Nov. 2014 - 2 K 879/13 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 05. Nov. 2014 - 2 K 879/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 29. Mai 2013 - 6 C 18/12

bei uns veröffentlicht am 29.05.2013

Tatbestand 1 Das Revisionsverfahren betrifft die Frage, ob Bestimmungen der Studien- und Prüfungsordnung der Beklagten für den Studiengang Rechtswissenschaft vom 12. Aug

Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 14. Dez. 2011 - 2 K 2085/10

bei uns veröffentlicht am 14.12.2011

zum Seitenanfang Tenor I. Die Beklagte wird unter Aufhebung bzw. Abänderung der Bescheide vom 26. Mai 2010 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2010 verpflichtet, für die Zeit ab Mai 2010 Kindergeld in d
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 05. Nov. 2014 - 2 K 879/13.

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 16. Jan. 2017 - 2 K 1266/16

bei uns veröffentlicht am 16.01.2017

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.



Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung bzw. Abänderung der Bescheide vom 26. Mai 2010 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2010 verpflichtet, für die Zeit ab Mai 2010 Kindergeld in der vollen gesetzlichen Höhe festzusetzen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der von der Beklagten zu tragenden Kosten zugunsten des Klägers vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der noch festzusetzenden Kosten abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Beklagte die Auszahlung des Kindergeldes an den in Deutschland wohnhaften und erwerbstätigen Kläger mit der Begründung ablehnen durfte, dass der in Polen wohnhaften und erwerbstätigen Kindesmutter und geschiedenen Ehefrau des Klägers, in deren Haushalt das gemeinsame Kind aufgenommen ist, gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG der vorrangige Kindergeldanspruch zusteht.

2

Der seit November 2009 mit Hauptwohnung in O gemeldete Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und der leibliche Vater des am 27. Januar 1995 geborenen Kindes M. (nachfolgend kurz: M). Lt. Gewerbeanmeldung vom 23. November 2009 ist er in O im Bereich „Fliesen-, Platten- und Mosaikleger; Akustik und Trockenbau; Abrissarbeiten; Garten- und Landschaftsbau (ohne eintragungspflichtige handwerkliche Tätigkeiten); Handel mit Baustoffen“ gewerblich tätig (Bl. 7 d. KG-Akte); zuvor war er in Polen erwerbstätig. Die von ihm für den Zeitraum Januar 2010 bis Mai 2010 vorgelegte Einnahmen-Ausgaben-BWA weist ein vorläufiges betriebswirtschaftliches Ergebnis i.H. von 3.833,51 € aus (Bl. 39 ff. d. KG-Akte).

3

Der Kläger verfügt seit dem 23. September 2009 über eine bis zum 08. Februar 2011 gültige Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU (Bl. 22 d. KG-Akte). Er ist seit dem 01. Dezember 2009 in Deutschland krankenversichert (Bl. 12 d. KG-Akte). Lt. einer Bescheinigung der ZUS ist er seit dem 22. Dezember 2009 in Polen nicht mehr sozial-, kranken und arbeitslosenversichert (Bl. 25 d. KG-Akte).

4

M lebt gemeinsam mit der Kindesmutter, Frau E. R., die ebenfalls polnische Staatsangehörige ist, in K/Polen und geht dort zur Schule. Frau R ist in Polen unselbständig erwerbstätig. Lt. Bescheinigung der Städtischen Sozialhilfeanstalt in K vom 22. Dezember 2009 hat sie seit dem 01. September 2005 „bis zum heutigen Tag“ kein Kindergeld für M bezogen (Bl. 9 d. KG-Akte). Lt. Bescheinigung E 411 vom 14. April 2010 hat sie vom 01. November 2009 bis heute eine berufliche Tätigkeit ausgeübt und wegen zu hohen Familieneinkommens keinen Anspruch auf polnische Familienleistungen (Bl. 76 d. KG-Akte).

5

Die Ehe des Klägers und der Kindesmutter wurde im Jahre 1999 geschieden. Der Kläger ist seit September 2009 wieder verheiratet.

6

Mit am 25. Januar 2010 bei der Beklagten eingegangenem Vordruck beantragte der Kläger für M die Gewährung von Kindergeld (Bl. 4 f. d. KG-Akte).

7

Mit Bescheid vom 26. Mai 2010 setzte die Beklagte daraufhin ab Januar 2010 – unter Ablehnung der Kindergeldfestsetzung bis Dezember 2009 – vorläufig Kindergeld in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Bruttobetrag des Anspruchs der Kindesmutter auf polnische Familienleistungen und dem deutschen Kindergeld (161,64 €) fest. Zugleich hob sie die Festsetzung des Kindergeldes für M gemäß § 70 Abs. 2 EStG ab Mai 2010 mit der Begründung auf, die Kindesmutter habe aufgrund von Änderungen im EU-Recht ab 01. Mai 2010 den vorrangigen Anspruch auf Kindergeld, da das Kind in ihrem Haushalt lebe (Bl. 57 – 61 d. KG-Akte).

8

Hiergegen legte der Kläger mit am 10. Juni 2010 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten Einspruch ein. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers baten darum, den weiteren Schriftverkehr in dieser Sache ausschließlich über sie zu führen (Bl. 62 f. d. KG-Akte).

9

Mit Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2010 – an den Kläger persönlich adressiert, das Rubrum weist keinen Prozessbevollmächtigten aus – wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Nach den Rangfolgeregelungen der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 sei lediglich Differenzkindergeld zu gewähren. Hiervon unabhängig zu beurteilen sei, an wen die Familienleistungen auszubezahlen seien. Das Gemeinschaftsrecht regele nicht, an welche in Betracht kommenden Personen die Familienleistungen auszuzahlen seien. Dies bestimme sich ausschließlich nach dem nationalen Recht des jeweiligen Staates, in Deutschland somit im Bereich des steuerrechtlichen Kindergeldes nach § 64 EStG. Hiernach werde das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe (§ 64 Abs. 2 AO), im Streitfall also der Kindesmutter (vgl. Bl. 67 ff. d. KG-Akte).

10

Mit Schreiben vom 12. August 2010 übersandte die Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers einen Mehrabdruck der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2010, da diese „irrtümlich“ direkt an den Kläger versandt worden sei. Es werde gebeten, „das Versehen … zu entschuldigen“ (Bl. 80 d. KG-Akte).

11

Mit am 17. August 2010 bei Gericht eingegangenem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten hat der Kläger gegen die Einspruchsentscheidung Klage erhoben. Zur Begründung tragen die Prozessbevollmächtigten des Klägers zunächst vor, die auf den 14. Juni 2010 datierende Einspruchsentscheidung sei ihnen erst am 16. August 2010 zugestellt worden, obwohl sie sich bereits mit Anwaltsschriftsatz vom 09. Juni 2010 bei der Beklagten legitimiert hätten.

12

Weiter wird ausgeführt, der Kläger trete der Ansicht des Finanzgerichts Münster im Urteil vom 30. November 2009 bei. Eine Anrechnung fiktiven polnischen Kindergelds komme hiernach ebenso wenig in Betracht wie die hälftige Kürzung des inländischen Kindergeldanspruchs. Es sei unstreitig, dass der Kläger während des gesamten Streitzeitraums einen inländischen Wohnsitz i.S. von § 8 AO gehabt habe. Auch an der Kindeseigenschaft nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bestünden keine Zweifel. Der Kindergeldanspruch sei weder nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG noch nach den einschlägigen EU-Verordnungen zu kürzen. Der Kläger unterliege bereits nicht dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnungen. Zudem seien auch die sachlichen Voraussetzungen für eine Kürzung nicht erfüllt.

13

Mit Bescheid vom 18. Januar 2011 hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 26. Mai 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2010 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO dahingehend geändert, dass das Kindergeld für M für die Zeit von November 2009 bis Dezember 2009 in Höhe von 164,00 € monatlich und für die Zeit von Januar 2010 bis April 2010 in Höhe von 184,00 € monatlich festgesetzt wurde. Der Änderungsbescheid wurde nach § 68 FGO Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens (Bl. 50 d. PA).

14

Der Kläger beantragt nunmehr sinngemäß und schriftsätzlich, die Beklagte unter Aufhebung bzw. Abänderung der Bescheide vom 26. Mai 2010 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2010 zu verpflichten, für die Zeit ab Mai 2010 Kindergeld in der vollen gesetzlichen Höhe festzusetzen.

15

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

16

Sie verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, die Klage sei zwar zulässig, aber nach Erteilen des Änderungsbescheids unbegründet. Das Kindergeld müsse von der Kindesmutter bei der Familienkasse in Nürnberg neu beantragt werden und werde in diesem Fall nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) gewährt.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 90 Abs. 2 FGO), ist begründet.

18

1. Die Klage ist zulässig. Der Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass dem Kläger die Einspruchsentscheidung bereits am 14. Juni 2010 persönlich übersandt worden war, die Klage aber erst am 17. August 2010 und damit außerhalb der 1-monatigen Klagefrist des § 47 FGO bei Gericht eingegangen ist. Denn der Einspruch war durch den Prozessbevollmächtigten eingelegt worden, der sich mit dem Einspruchsschreiben vom 09. Juni 2010 ausdrücklich für den Kläger als Bevollmächtigter bestellt hatte. Dass zum damaligen Zeitpunkt noch keine schriftliche Vollmacht vorgelegt worden war, erachtet der Senat für unschädlich, da die beklagte Familienkasse von der Möglichkeit, eine schriftliche Vollmacht anzufordern (§ 80 Abs. 1 Satz 3 AO), keinen Gebrauch gemacht hat und auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich waren, dass entgegen der „anwaltlichen Zusicherung“ (vgl. Bl. 62 d. KG-Akte) tatsächlich keine Bevollmächtigung vorlag. Die Beklagte war demnach zwar nicht verpflichtet, die Einspruchsentscheidung an den Bevollmächtigten bekannt zu geben (§ 122 Abs. 1 Satz 3 AO). Sie hätte aber nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entscheiden müssen, ob sie die Einspruchsentscheidung dem Kläger persönlich oder seinem Bevollmächtigten bekannt gibt. Dies hat sie erkennbar versäumt. Der Senat geht davon aus, dass der Beklagten bei Übersendung der Einspruchsentscheidung überhaupt nicht bewusst war, dass sie diese auch dem Bevollmächtigten hätte bekannt geben können. Hierfür spricht zum einen, dass im Rubrum der Einspruchsentscheidung der Bevollmächtigte nicht aufgeführt ist, zum anderen aber auch das Schreiben vom 12. August 2010, in welchem die Beklagte wegen der „irrtümlichen“ bzw. „versehentlichen“ Übersendung der Einspruchsentscheidung an den Kläger um Entschuldigung bittet (vgl. Bl. 80 d. KG-Akte). Damit liegt ein Ermessensfehler (sog. Ermessensnichtgebrauch) vor mit der Folge, dass die Klagefrist nicht schon durch die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung an den Kläger, sondern erst durch die Bekanntgabe an den Bevollmächtigten in Lauf gesetzt wurde (vgl. zur Bedeutung von Ermessensfehlern bei der Bekanntgabe von Verwaltungsakten: BFH, Urteil vom 25. Oktober 1963, III 7/60 U, BStBl III 1963, 600).

19

2. Die Klage ist auch begründet. Die beklagte Familienkasse hat die Festsetzung des Kindergeldes für die Zeit ab Mai 2010 zu Unrecht aufgehoben. Die Auszahlung von Kindergeld an den Kläger kann nicht mit der Begründung versagt werden, der in Polen mit dem Kind lebenden Kindesmutter stehe nach Art. 67 der zum 01. Mai 2010 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (nachfolgend kurz: VO (EG) Nr. 883/2004) i.V. mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ein eigener und gegenüber dem Anspruch des Klägers nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG vorrangiger Kindergeldanspruch zu.

20

a) Auf den Kläger, die Kindesmutter und das Kind M als polnische Staatsangehörige finden in Bezug auf den streitigen Kindergeldanspruch die VO (EG) Nr. 883/2004 und die hierzu ergangene Durchführungs-Verordnung (EG) Nr. 987/2009 (nachfolgend kurz: DVO (EG) Nr. 987/2009) sowohl persönlich (Art. 2 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 883/2004) als auch sachlich (vgl. EuGH, Urteil vom 04. Mai 1999, C-262/96 „Sürül“; BFH, Urteil vom 13. August 2002, VIII R 54/00, BStBl II 2002, 869) Anwendung.

21

Nach Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a) der VO (EG) Nr. 883/2004 unterliegt der Kläger als in Deutschland selbständig erwerbstätige Person den deutschen Rechtsvorschriften. Dass er für M auch die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 62 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 63 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 32 Abs. 1 EStG erfüllt, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf keiner näheren Ausführungen.

22

b) Anders als der Kläger unterliegt die in Polen lebende Kindesmutter weder den deutschen Rechtsvorschriften noch stünde ihr nach deutschem Kindergeldrecht ein Anspruch auf Kindergeld zu.

23

Ausweislich der vorliegenden Bescheinigung E 411 vom 14. April 2010 hat die Kindesmutter in Polen vom 01. November 2009 „bis heute“ eine berufliche Tätigkeit ausgeübt. Dafür, dass sich die Verhältnisse in der Folgezeit geändert haben, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Damit unterlag die Kindesmutter im streitgegenständlichen Zeitraum nicht den deutschen, sondern den polnischen Rechtsvorschriften (Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a) der VO (EWG) Nr. 883/2004). Darüber hinaus wäre sie in Ermangelung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG) bzw. mangels Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 und 3 EStG bzw. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4 BKGG nach deutschem Kindergeldrecht auch nicht anspruchsberechtigt.

24

c) Gleichwohl meint die beklagte Familienkasse, der Kindesmutter stehe ein Anspruch auf deutsches Kindergeld zu, welcher den Kindergeldanspruch des Klägers nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG verdränge. Sie stützt ihre Ansicht auf die im Januar 2010 geänderte Durchführungsanweisung zum über- und zwischenstaatlichen Recht der Bundesagentur für Arbeit – Familienkasse Direktion (nachfolgend kurz: DA-üzV), wonach sich aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH (in diesem Zusammenhang zitiert wird insbesondere: Urteil vom 10. Oktober 1996, C-245/94, Hoever/Zachow, Slg. 1996, I-04895) zu Art. 73 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (nachfolgend kurz: VO (EWG) Nr. 1408/71) ergebe, dass das Kindergeld auch dann an den gemäß §§ 64 EStG, 3 BKGG kindergeldberechtigten Elternteil zu zahlen sei,wenn dieser selbst nicht den deutschen Rechtsvorschriften unterliege (vgl. DA-üzV 214.7, 214.2 Abs. 3).

25

Dieser Rechtsauffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Ein Kindergeldanspruch der in Polen lebenden Kindesmutter lässt sich aus Art. 67 der VO (EG) Nr. 883/2004 i.V. mit der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 73 der VO (EWG) Nr. 1408/71 nicht herleiten. Zudem wäre ein solcher Anspruch nach Ansicht des Senats nicht geeignet, den Kindergeldanspruch des Klägers zu verdrängen.

26

Im Einzelnen:

27

c 1) Gemäß Art. 67 der VO (EG) Nr. 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Eine ähnliche Regelung enthielt bereits Art. 73 der VO (EWG) Nr. 1408/71, wonach ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterlag, vorbehaltlich der Bestimmungen in Anhang VI, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnten, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates hatte, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten. Darüber hinaus bestimmt Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der DVO (EG) Nr. 987/2009, dass bei der Anwendung von Art. 67 und 68 der VO (EG) Nr. 883/2004, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen ist, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen (sog. Familienbetrachtung).

28

c 2) Der in DA-üzV 214.7 zitierten Rechtssache „Hoever/Zachow“ lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerinnen und ihre Ehegatten waren deutsche Staatsangehörige und lebten mit ihren Kindern in den Niederlanden. Die Ehemänner der Klägerinnen waren in Deutschland vollzeitbeschäftigt und hatten daher nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 i.V. mit § 1 Abs. 4 BErzGG keinen Anspruch auf Erziehungsgeld. Die Klägerinnen wiederum waren zwar nicht voll erwerbstätig; ein Anspruch auf Erziehungsgeld wäre bei ihnen jedoch daran gescheitert, dass sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland hatten (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 BErzGG).

29

Der EuGH hat vor diesem Hintergrund entschieden, dass es dem Sinn und Zweck des Art. 73 der VO (EWG) Nr. 1408/71 zuwider laufe, wenn dem Ehegatten eines Arbeitnehmers eine Leistung verweigert würde, die er hätte beanspruchen können, wenn er in dem die Leistung erbringenden Staat geblieben wäre. Der Ehegatte eines Arbeitnehmers, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliege und mit seiner Familie in einem anderen Mitgliedstaat lebe, habe daher aufgrund von Art. 73 der VO Nr. 1408/71 im Mitgliedstaat der Beschäftigung einen eigenen Anspruch auf eine im Beschäftigungsstaat vorgesehene Familienleistung (vgl. EuGH, Hoever/Zachow, aaO). Der EuGH legt die Vorschrift des Art. 73 der VO Nr. 1408/71, wonach ein Arbeitnehmer „für“ seine in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaften Familienangehörigen einen Anspruch auf die im Beschäftigungsstaat vorgesehenen Familienleistungen hat, demnach –für den Fall, dass anderenfalls die Familienleistung nicht gewährt werden könnte – dahingehend aus, dass der Familienangehörige selbst einen Anspruch auf die im Beschäftigungsstaat vorgesehenen Familienleistungen erlangt.

30

Nach Ansicht des Senats lassen sich die zugrunde liegenden Erwägungen des EuGH auf die vorliegende Fallgestaltung jedoch nicht übertragen. Denn es ist keine Notwendigkeit erkennbar, dem geschiedenen Ehegatten eines in Deutschland erwerbstätigen Elternteils einen eigenen Anspruch auf Kindergeld nach Art. 67 der VO (EG) Nr. 883/2004 zuzugestehen,wenn dem in Deutschland erwerbstätigen Elternteil bereits ein solcher Kindergeldanspruch zusteht. Der Zweck des Art. 67 der VO (EG) Nr. 883/2004, die Gewährung der nach den anwendbaren Rechtsvorschriften vorgesehenen Familienleistungen sicherzustellen (vgl. EuGH, Hoever/Zachow, C-245/94, Rn. 32, aaO), erfordert eine derart extensive Auslegung gerade nicht. Auch soweit der EuGH ausführt, Art. 73 der VO (EWG) Nr. 1408/71 (jetzt: Art. 67 der VO (EG) Nr. 883/2004) solle vor allem verhindern, dass ein Mitgliedstaat die Gewährung oder die Höhe von Familienleistungen davon abhängig machen könne, dass die Familienangehörigen des Erwerbstätigen in dem die Leistungen erbringenden Mitgliedstaat wohnten, wodurch wiederum verhindert werden solle, dass der EG-Erwerbstätige davon abgehalten werde, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen (vgl. EuGH, Hoever/Zachow, Tz. 32, aaO), erschließt sich dem Senat nicht, inwiefern der in Deutschland erwerbstätige Elternteil gehindert sein könnte, von seinen Grundfreiheiten nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Gebrauch zu machen, wenn nicht auch seinem geschiedenen Ehegatten ein eigener Anspruch auf Kindergeld zugestanden wird.

31

c 3) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache „Slanina“.

32

Der EuGH hat in der Rechtssache „Slanina“ – unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in der Rechtssache „Hoever/Zachow“ – zum Fall einer geschiedenen, nicht erwerbstätigen Klägerin, die mit ihrem Kind von Österreich nach Griechenland gezogen war, während der Kindesvater weiterhin in Österreich wohnte und dort eine Beschäftigung ausübte, entschieden, die Klägerin behalte gemäß Art. 73 der VO (EWG) Nr. 1408/71 ihren Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe auch nach dem Wegzug nach Griechenland, obwohl der Kindesvater die Familienbeihilfe in seinem Wohnmitgliedstaat beziehen könnte (vgl. EuGH, Urteil vom 26. November 2009, C-363/08, Slanina, Slg. 2009, I-11111).

33

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin in der Rechtsache „Slanina“ vor dem Wegzug nach Griechenland im vorrangig zuständigen Mitgliedstaat Österreich wohnhaft und dessen Rechtsvorschriften unterlegen war (Art. 13 Abs. 2 Buchstabe f der VO (EWG) Nr. 1408/71), während die in Polen erwerbstätige Kindesmutter im Streitfall weder den deutschen Rechtsvorschriften unterliegt noch ihnen in der Vergangenheit unterlegen war. Ein „Wegzugsfall“ i.S. der „Slanina“-Rechtsprechung des EuGH liegt dementsprechend nicht vor.

34

Zudem lag auch dem Urteil des EuGH in der Rechtssache „Slanina“ – ähnlich wie in der Rechtssache „Hoever/Zachow“ – eine Situation zugrunde, in der nur einer der beiden Elternteile – nämlich die Kindesmutter – die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der österreichischen Familienbeihilfe erfüllte. Denn nach österreichischem Familienbeihilferecht besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe nur für diejenige Person, zu deren Haushalt das Kind gehört (§ 2 Abs. 1 Satz 1 FLAG), während im Kindergeldrecht die Anspruchsvoraussetzungen ausschließlich in den §§ 62, 63 EStG geregelt sind und die Haushaltsaufnahme lediglich für die Rangfolgeregelung des § 64 Abs. 2 und 3 EStG maßgeblich ist.

35

Ohnedies erscheint zweifelhaft, ob die in Polen wohnhafte und vom Kläger geschiedene Kindesmutter überhaupt als Familienangehörige i.S. von Art. 67 der VO (EG) Nr. 883/2004 angesehen werden könnte. Nach Art. 1 Buchst. i) Nr. 1 Buchst. i) der VO (EG) Nr. 883/2004 richtet sich die Bestimmung des Begriffs „Familienangehöriger“ für Zwecke der Verordnung vorrangig nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, nach denen die betreffenden Leistungen gewährt werden. Da in den maßgeblichen deutschen Rechtsvorschriften der Begriff des „Familienangehörigen“ jedoch nicht definiert ist, kommt im Streitfall Art. 1 Buchst. i) Nr. 2 der VO (EG) Nr. 883/2004 zur Anwendung, wonach nur der Ehegatte, die minderjährigen Kinder und die unterhaltsberechtigten volljährigen Kinder, nicht jedoch der geschiedene Ehegatte, als Familienangehörige angesehen werden. Soweit der EuGH in der Rechtssache „Slanina“ ausgeführt hat, es lasse sich nicht rechtfertigen, Familiensituationen nach einer Scheidung vom Anwendungsbereich der VO auszunehmen, ist diese zur VO (EG) Nr. 1408/71 ergangene Rechtsprechung des EuGH nicht auf die VO (EG) Nr. 883/2004 übertragbar. Der Senat schließt sich der entsprechenden Auffassung des Niedersächsischen FG an (vgl. Urteil vom 08. Dezember 2011, 16 K 291/11, in juris).

36

c 4) Soweit z.T. die Rechtsansicht vertreten wird, nach der sog. Familienbetrachtung in Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der DVO (EG) Nr. 987/2009 sei zu fingieren, dass alle Familienangehörigen unter die deutschen Rechtsvorschriften fallen und demnach auch einen – den Anspruch des den deutschen Rechtsvorschriften unterliegenden Elternteils gegebenenfalls verdrängenden – Kindergeldanspruch erlangen (vgl. FG Bremen, Urteil vom 10. November 2011, 3 K 26/11, in juris), folgt der Senat dem nicht (a.A. wohl auch Reuß, EFG 2011, 1326). Ein eigener Anspruch des „Familienangehörigen“ der den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats unterliegenden „Person“ auf eine nach diesen Rechtsvorschriften vorgesehene Familienleistung ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Art. 67 der VO (EG) Nr. 883/2004 noch aus dem des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der DVO (EG) Nr. 987/2009. Soweit der EuGH in den Rechtssachen „Hoever/Zachow“ und „Slanina“ für bestimmte Ausnahmefälle einen eigenen Anspruch des Familienangehörigen aus dem Sinn und Zweck des Art. 73 der VO (EWG) Nr. 1408/71 (jetzt: Art. 67 der VO (EG) Nr. 883/2004) hergeleitet hat, liegt eine solche Ausnahme im Streitfall nicht vor. Für die hier vertretene Rechtsauffassung spricht im Übrigen auch Art. 60 Abs. 1 Satz3 der DVO (EG) Nr. 987/2009, wonach ein Antrag des anderen Elternteils auf Familienleistungen erst dann zu berücksichtigen ist, wenn die „Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben,“ dieses Recht nicht wahr nimmt.

37

d) Der Senat sieht gleichwohl von einer Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV ab. Denn es kann letztlich dahin stehen, ob dem geschiedenen Ehegatten einer nach den Vorschriften des EStG kindergeldberechtigten Person, der selbst nach den deutschen Kindergeldvorschriften nicht kindergeldberechtigt ist, gemäß Art. 67 der VO (EG) Nr. 883/2004 i.V. mit der Rechtsprechung des EuGH ein Anspruch auf deutsches Kindergeld zusteht. Selbst wenn ein solcher Anspruch bestünde, könnte das Kindergeld nur an den den Vorschriften des EStG unterliegenden und nach diesen Vorschriften kindergeldberechtigten Elternteil ausgezahlt werden. Der Rechtsprechung des EuGH lässt sich nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht entnehmen, dass ein etwaiger eigener Anspruch des im EU-Ausland wohnhaften Elternteils nach Art. 67 der VO (EG) Nr. 883/2004 den Anspruch des anderen Elternteils auf die Familienleistung verdrängen könnte. Die Frage, wie eine „interne“ Anspruchskonkurrenz im Falle mehrerer Anspruchsberechtigter aufzulösen ist, war durch den EuGH nicht zu klären und fällt auch nicht in den Regelungsbereich der VO (EG) Nr. 883/2004. Die Vorschriften der VO (EG) Nr. 883/2004 sollen die in den Mitgliedstaaten vorgesehenen Leistungen der sozialen Sicherheit aufeinander abstimmen und insbesondere festlegen, welche nationalen Rechtsvorschriften in grenzüberschreitenden Fällen zur Anwendung kommen. Darüber hinaus dienen sie dem Zweck, sekundärrechtlich zu gewährleisten, dass Unionsbürgern dadurch, dass sie von ihren Grundfreiheiten nach dem AEUV Gebrauch machen, keine Nachteile entstehen. In der VO (EG) Nr. 883/2004 ist hingegen nicht geregelt, welcher von mehreren Personen, denen ein Anspruch auf eine Familienleistung im zuständigen EU-Mitgliedstaat zusteht, diese Familienleistung auszuzahlen ist. Die Bestimmung einer Rangfolge für den Fall des Zusammentreffens mehrerer Ansprüche auf eine Leistung eines EU-Mitgliedstaats fällt vielmehr in die Regelungskompetenz des nationalen Gesetzgebers.

38

Für das deutsche Kindergeldrecht enthält § 64 Abs. 2 und 3 EStG eine solche Rangfolgeregelung, wonach das Kindergeld bei mehreren Berechtigten grundsätzlich demjenigen gezahlt wird, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Anspruchsberechtigt in diesem Sinne können nach Auffassung des Senats jedoch nur solche Personen sein, die selbst die Anspruchsvoraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG bzw. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 - 4 BKGG erfüllen. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschriften. Die Auszahlung von Kindergeld an eine Person kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn diese unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (§ 62 Abs. 1 EStG) oder aber einen durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 – 4 BKGG geregelten besonderen Bezug zur deutschen Sozialrechtsordnung aufweist.

39

Hierfür spricht – neben den erwähnten systematischen Überlegungen – auch, dass das Kindergeld in erster Linie der steuerlichen Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung dient (§ 31 Satz 1 EStG). Aus dieser gesetzlich ausdrücklich festgelegten Zielsetzung der Kindergeldgewährung erklärt sich die Anknüpfung der kindergeldrechtlichen Anspruchsberechtigung an die Steuerpflicht gemäß § 1 EStG (vgl. Felix, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 62, Rz. A 6). Mit dem hiernach durch die kindergeldrechtlichen Bestimmungen vorrangig verfolgten Zweck der steuerlichen Entlastung wäre es nicht vereinbar, Personen Kindergeld zu gewähren, die – wie die Kindesmutter im Streitfall – mit ihren Einkünften nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen (so bereits FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. März 2011, 2 K 2248/10, EFG 2011, 1323; ebenso FG München, Urteil vom 27. Oktober 2011, 5 K 3245/10, in juris; vgl. auch BFH, Beschluss vom 14. November 2008, III B 17/08, BFH/NV 2009, 380; vom 22. Dezember 2008, III B 156/07, BFH/NV 2009, 580, wonach die Anknüpfung der Kindergeldberechtigung an die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht gegen Europarecht verstößt).

40

Entgegen der Ansicht des FG Bremen (vgl. Urteil vom 10. November 2011, aaO) steht die sog. Familienbetrachtung des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 DVO (EG) Nr. 987/2009 der hier vertretenen Sichtweise nicht entgegen. Denn Art. 60 Abs. 1 Satz 2 DVO (EG) Nr. 987/2009, verhält sich nicht dazu, wie eine „interne“ Anspruchskonkurrenz zwischen mehreren Berechtigten aufzulösen ist. Dies beurteilt sich allein nach § 64 Abs. 2 und 3 EStG i.V. mit § 62 Abs. 1 EStG, für deren Durchführung Art. 60 Abs. 1 Satz 2 DVO (EG) Nr. 987/2009 jedoch nicht maßgeblich ist.

41

Im Übrigen erwächst dem Kind, dem das Kindergeld letztlich zugute kommen soll, mit der Auszahlung des Kindergeldes an den in Deutschland wohnhaften Elternteil auch kein Nachteil. Sollte dieser seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht nachkommen, kann das Kind die Abzweigung des Kindergeldes verlangen (§ 74 Abs. 1 Satz 1 EStG). Der Abzweigungsanspruch ist nicht davon abhängig, dass das Kind in Deutschland wohnt.

42

3. Der Bescheid über die Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes ab Mai 2010 vom 26. Mai 2010 (Bl. 61 d. KG-Akte) war aus den vorgenannten Gründen aufzuheben.

43

Zudem war der Bescheid über die Festsetzung von Kindergeld ab Januar 2010 vom 26. Mai 2010 (Bl. 57 d. KG-Akte), soweit er nicht bereits hinsichtlich des Zeitraums November 2009 bis April 2010 durch Bescheid vom 18. Januar 2011 geändert worden ist (Bl. 50 d. PA), dahingehend abzuändern, dass für die Zeit ab Mai 2010 Kindergeld in der vollen gesetzlichen Höhe festzusetzen ist. Die Festsetzung von Differenzkindergeld kommt nicht in Betracht, da die Kindesmutter lt. Bescheinigung E 411 vom 14. April 2010 wegen des zu hohen Familieneinkommens keinen Anspruch auf polnische Familienleistungen hat (Bl. 76 d. KG-Akte).

44

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit mit Abwendungsbefugnis auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

45

Die Revision war zuzulassen, da die Frage grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ob die Zahlung von Kindergeld an einen den deutschen Rechtsvorschriften unterliegenden und die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG erfüllenden Elternteil mit der Begründung versagt werden kann, das Kindergeld sei gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG an den im Ausland in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Kind lebenden geschiedenen Ehegatten und anderen Elternteil des Kindes, der weder den deutschen Rechtsvorschriften unterliegt noch die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG erfüllt, auszuzahlen. Außerdem war die Zulassung der Revision wegen der divergierenden Rechtsauffassung des FG Bremen im Urteil vom 10. November 2011 (3 K 26/11, in juris) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) geboten.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tatbestand

1

Das Revisionsverfahren betrifft die Frage, ob Bestimmungen der Studien- und Prüfungsordnung der Beklagten für den Studiengang Rechtswissenschaft vom 12. August 2003 (Juristen-Studien- und Prüfungsordnung - JuSPO) in der auf den Fall des Klägers anzuwendenden Fassung der 3. Änderungssatzung vom 5. Dezember 2007 über die Ausgestaltung der universitären Schwerpunktbereichsprüfung im Sinne von § 5 Abs. 1 Halbs. 2 DRiG - im Folgenden "Universitätsprüfung" - mit bundesrechtlichen Maßgaben im Einklang stehen. Der Kläger bestreitet dies insbesondere im Hinblick auf die Regelung in §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO, wonach die Universitätsprüfung nur besteht, wer sämtliche ihrer drei Teilprüfungen - Studienarbeit, Aufsichtsarbeit, mündliche Prüfung (vgl. § 10 Abs. 2 JuSPO) - bestanden hat.

2

Der Kläger studierte seit 2007 bei der Beklagten im Studiengang Rechtswissenschaft. Im Wintersemester 2008/2009 nahm er an der Universitätsprüfung im Schwerpunktbereich "Wirtschaftsrecht" teil. Seine Studienarbeit wurde mit fünf Punkten bewertet, seine Aufsichtsarbeit zunächst mit zwei Punkten und sodann in der Wiederholungsprüfung mit einem Punkt.

3

Anschließend exmatrikulierte sich der Kläger und schrieb sich an einer anderen Universität ein.

4

Das vom Kläger angerufene Verwaltungsgericht hat antragsgemäß festgestellt, der Kläger sei zur Fortsetzung der Universitätsprüfung bei der Beklagten berechtigt. Die Bestehensregelung in §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO sei wegen Verstoßes gegen höherrangiges Landesrecht unwirksam. Aufgrund von § 32 Abs. 1 der Verordnung des Justizministeriums über die Ausbildung und Prüfung der Juristen (Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung - JAPrO BW) dürfe es ausschließlich darauf ankommen, dass die Gesamtnote mindestens im Bereich der Notenstufe "ausreichend" liege. Dem universitären Normgeber sei es danach verwehrt, die weitergehende Bestehensanforderung aufzustellen, dass sämtliche Teilprüfungen bestanden sein müssten. Die Exmatrikulation des Klägers habe nicht zum Erlöschen seines Prüfungsanspruchs geführt.

5

Der Kläger legte in der Folgezeit bei der Beklagten die mündliche Prüfung ab und erzielte hierbei eine Benotung mit fünf Punkten.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem angefochtenen Urteil der Berufung der Beklagten stattgegeben. § 32 Abs. 1 JAPrO BW belasse den Universitäten die Befugnis, das Bestehen der Universitätsprüfung von der weiteren Voraussetzung abhängig zu machen, dass sämtliche ihrer Teilprüfungen bestanden sein müssen. Diese Maßgabe verstoße nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Zumindest im Fall des von der Beklagten eingerichteten Schwerpunktbereichs Wirtschaftsrecht rechtfertige das Versagen in einer der Teilprüfungen bereits den Schluss, der Prüfling sei nicht hinreichend qualifiziert, um das Gesamtziel des Studiums und den damit verbundenen berufsqualifizierenden Abschluss zu erreichen. Sämtliche Teilprüfungen würden große Teile des Stoffes abdecken. Jede der hierbei abgeprüften Fähigkeiten könne als für das Berufsbild des umfassend ausgebildeten Juristen auf der Stufe der Ersten Prüfung wesentlich angesehen werden. Der Kläger habe, nachdem er die im ersten Anlauf nichtbestandene Aufsichtsarbeit auch im zweiten Anlauf nicht bestanden habe, die Universitätsprüfung endgültig nicht bestanden, so dass sein Prüfungsanspruch erloschen sei. Für eine Wiederholung der Gesamtprüfung lasse die JuSPO keinen Raum.

7

Der Kläger verfolgt mit der Revision sein Feststellungsbegehren weiter. §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO verstoßen nach seiner Auffassung gegen § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG, gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 12 Abs. 1 GG.

8

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und hält §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO für bundesrechtskonform, insbesondere auch im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG: Sämtliche Teilprüfungen würden Kenntnisse und Fähigkeiten abfordern, die im Lichte des Studienziels des Schwerpunktstudiums als unabdingbar anzusehen seien und daher als für die Beurteilung der Qualifikation der Kandidaten ausschlaggebend behandelt werden dürften.

9

Der Beigeladene hat sich in der mündlichen Verhandlung der Auffassung der Beklagten im Wesentlichen angeschlossen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und erweist sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die durch die Vorinstanz getroffenen Tatsachenfeststellungen bieten für den Senat eine ausreichende Grundlage, um in der Sache selbst zu entscheiden (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO). Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils des Verwaltungsgerichts.

11

1. Die entscheidungstragende Annahme im angefochtenen Urteil, der Prüfungsanspruch des Klägers sei bereits infolge seines Scheiterns in der Aufsichtsarbeit erloschen, verletzt Bundesrecht. Denn die Bestehensregelung aus §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO, auf die der Verwaltungsgerichtshof diese Annahme gestützt hat, verstößt - legt man die durch §§ 5 f. DRiG mitgeprägte Zweckrichtung der Universitätsprüfung zugrunde - gegen Art. 12 Abs. 1 GG (unten c.). Hingegen verstößt sie weder gegen § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG (unten a.) noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG (unten b.).

12

a. § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG, der gebietet, die Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen und der Leistungsbewertung zu gewährleisten, steht §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO nicht entgegen.

13

Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der Kläger sich auf diese Bestimmung berufen kann. Ausweislich ihrer Entstehungsgeschichte zielt sie aus im Wesentlichen prüfungs- bzw. berufspolitischen Gründen darauf ab, die inhaltliche Gleichwertigkeit der Abschlüsse im Bundesgebiet zu sichern (Urteil vom 21. März 2012 - BVerwG 6 C 19.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 412 Rn. 29 m.w.N.). Dies lässt die Deutung zu, der Bundesgesetzgeber habe mit ihr rein objektiv-rechtliche Bindungen der Normgeber in den Ländern schaffen wollen, zumal zur Wahrung der subjektiven Belange der Prüfungsteilnehmer in Gestalt der insbesondere aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden allgemeinen Grundsätze des Prüfungsrechts bereits ein ebenso umfangreiches wie inhaltlich ausdifferenziertes Bündel an Vorgaben existiert, in dessen Licht für den Bundesgesetzgeber Bedarf am Erlass zusätzlicher einfachgesetzlicher Schutznormen kaum ersichtlich sein konnte. Reglementierungsbedarf dürfte der Bundesgesetzgeber ohnehin weniger im Hinblick auf vereinzelte Überhöhungen prüfungsrechtlicher Anforderungen gesehen haben, denen Betroffene regelmäßig schon durch Verlegung des Ausbildungs- und Prüfungsorts ausweichen können, als vielmehr im Hinblick auf die Gefahr regionaler Niveauabflachungen, welche die Wertigkeit andernorts erworbener Abschlüsse auszuhöhlen drohen und nicht hinreichend qualifizierten Personen den Zugang zum Richteramt (vgl. § 5 Abs. 1 Halbs. 1 DRiG) ebnen könnten. Dieser Gefahr kann bezeichnenderweise mit Mitteln subjektiven Rechtsschutzes nicht begegnet werden.

14

Zweifelhaft ist des Weiteren, ob eine prüfungsrechtliche Bestehensregelung der hier in Rede stehenden Art als "Prüfungsanforderung" im Sinne von § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG anzusehen ist. Der Wortsinn dieses Begriffs wie auch die prüfungs- bzw. berufspolitische Zweckrichtung der Vorschrift legen nahe, hierunter nur solche Vorgaben zu fassen, die den Prüfungsinhalt betreffen, d.h. Gegen-stand und Umfang der abgeforderten Prüfungsleistungen festlegen und so unmittelbar die inhaltliche Aussagekraft des Abschlusses prägen.

15

Beide Fragen können jedoch auf sich beruhen, da ein Verstoß gegen § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG jedenfalls aus anderen Gründen ausscheidet. § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG gebietet nach der Rechtsprechung des Senats keine strikte Uniformität. Die Vorschrift steht begrenzten Abweichungen zwischen verschiedenen Prüfungsordnungen nicht entgegen (Urteil vom 21. März 2012 a.a.O. Rn. 30; Beschluss vom 9. Juni 1995 - BVerwG 6 B 100.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 350 S. 80). Im Lichte der mit Einführung der Universitätsprüfung verfolgten Absichten gewinnt dies erhöhte Bedeutung. Dem Gesetzgeber stand hier vor Augen, die Variationsbreite im juristischen Ausbildungs- und Prüfungswesen zu erhöhen und den Fakultäten Spielräume zu eröffnen, um unter ihnen den "Qualitätswettbewerb" zu stärken (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 17. Oktober 2001, BTDrucks 14/7176 S. 1, 9; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 14/8629 S. 2, 11 f.). § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG bedarf daher gerade in Bezug auf Universitätsprüfungen einer zurückhaltenden Auslegung, zumal der Gesetzgeber eigens für diese eine Reihe prüfungsrechtlicher Vorgaben (§§ 5d Abs. 2 Satz 2 DRiG, § 5d Abs. 2 Satz 4 DRiG, § 5d Abs. 1 Satz 3 DRiG) geschaffen hat, welche die Spielräume der zuständigen Normgeber bereits zielgerichtet begrenzen. Die Vorschrift könnte daher, wäre sie überhaupt anzuwenden, allenfalls solchen universitären Bestehensregelungen entgegenstehen, die sich in gravierender Weise vom bundesüblichen Standard abheben, so dass sich in ihnen ein regelrechter Systembruch manifestiert. Diese Voraussetzung wird durch §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO nicht erfüllt. Im juristischen Prüfungswesen - auch auf universitärer Ebene - sind Bestimmungen, die für das Bestehen einer Prüfung nicht nur einen ausreichenden Gesamtdurchschnitt der erzielten Einzelnoten fordern, sondern darüber hinausgehende, auf das Bestehen einzelner Teilprüfungen bezogene Anforderungen aufstellen, vielfach verbreitet. Mögen §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO insoweit auch eine besonders weitreichende Gestaltung vornehmen, so manifestiert sich in ihnen zwar eine Abweichung vom bundesüblichen Standard, jedoch kein Systembruch.

16

b. §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO verstoßen entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie von den an anderen Universitäten in Baden-Württemberg für rechtswissenschaftliche Studiengänge geltenden Bestehensregelungen abweichen. Der Kläger verkennt, dass die Ausgestaltung der Prüfung durch andere Universitäten keinen im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG relevanten Vergleichsmaßstab abgibt. Der in Art. 3 Abs. 1 GG wurzelnde Gleichheitsanspruch richtet sich nur gegen den nach der Kompetenzverteilung zuständigen Träger öffentlicher Gewalt. Regeln verschiedene Hoheitsträger vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich, so liegt hierin keine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung der jeweiligen Normadressaten im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 <241>, vom 7. November 1995 - 2 BvR 413/88, 1300/93 - BVerfGE 93, 319 <351> und vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 - BVerfGE 79, 127 <158>; Kischel, in: Epping/Hillgruber, Beck-OK GG, Stand 01.01.2013, Art. 3 Rn. 95 f.).

17

c. §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO verstoßen jedoch gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Sie sind nicht hinreichend geeignet, den Zweck der Universitätsprüfung zu verwirklichen, und erweisen sich insofern als unverhältnismäßig. Der Zweck der Universitätsprüfung wird maßgeblich mit durch die in §§ 5 ff. DRiG vorgenommene Verklammerung von Universitätsprüfung und staatlicher Pflichtfachprüfung zur ersten juristischen Prüfung bestimmt. Danach dient auch die Universitätsprüfung der Feststellung, ob der Prüfling für den juristischen Vorbereitungsdienst (§ 5b DRiG) geeignet ist. Der universitäre Normgeber darf die Universitätsprüfung nicht an Qualifikationsmaßstäben ausrichten, die strukturell von den für die staatliche Pflichtfachprüfung geltenden Qualifikationsmaßstäben abweichen und denen insofern eine andere Vorstellung von der Eignung zugrunde liegt, die für den Eintritt in den Vorbereitungsdienst erforderlich sein soll. Tut er dies - wie hier durch Erlass der §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO - dennoch, wird die mit einer negativen Prüfungsentscheidung verbundene Aussage, der Prüfling weise nicht die mit der Prüfung nachzuweisende Befähigung auf, nicht auf einer durch den Prüfungszweck gedeckten Grundlage getroffen. Im Einzelnen:

18

aa. Regelungen, die für die Aufnahme eines Berufs den Nachweis erworbener Fähigkeiten durch Bestehen einer Prüfung verlangen, greifen in die Freiheit der Berufswahl ein und bedürfen daher einer den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG genügenden Rechtfertigung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 1529/84, 138/87 - BVerfGE 84, 59 <72>; BVerwG, Urteil vom 21. März 2012 a.a.O. Rn. 21, stRspr). Dies gilt auch für Bestimmungen, welche im Detail diejenigen Anforderungen festlegen, die erfüllt sein müssen, um eine solche Prüfung mit Erfolg abzulegen. Einzuschließen ist der Fall, dass eine Prüfung - so wie hier die Universitätsprüfung - zwar selbst noch nicht unmittelbar den Zugang zu einem reglementierten Beruf eröffnet, ihr Bestehen aber Voraussetzung für den Eintritt in weitere Ausbildungs- und Prüfungsetappen auf dem Weg dorthin bildet (vgl. etwa für studienbegleitende Leistungskontrollen: Beschluss vom 3. November 1986 - BVerwG 7 B 108.86 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 233 S. 297).

19

bb. Die Anforderung, dass Eingriffe in die Berufsfreiheit einer gesetzlichen Grundlage bedürfen (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG), ist im vorliegenden Fall erfüllt.

20

(1) Die für die Universitätsprüfung geltenden Bestehensregelungen musste der parlamentarische Gesetzgeber nicht selbst festlegen. Das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes verpflichten ihn zwar, in dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Grundrechtsbereich die wesentlichen Entscheidungen über die Ausbildung und Prüfung selbst zu treffen (stRspr; vgl. nur Beschluss vom 17. September 1987 - BVerwG 7 B 160.87 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 244 S. 28 m.w.N.; vgl. allgemein BVerfG, Urteil vom 3. März 2009 - 2 BvC 3/07, 4/07 - BVerfGE 123, 39 <78>). Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch geklärt, dass neben Vorschriften über den Prüfungsstoff, das Prüfungssystem und die Einzelheiten des Prüfungsverfahrens auch die Festlegung der Bestehensvoraussetzungen in aller Regel nicht zu diesen dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehaltenen Leitentscheidungen gehören (Beschluss vom 17. September 1987 a.a.O. m.w.N.). Insoweit wird den Anforderungen von Rechtsstaats- und Demokratieprinzip bereits dadurch hinreichend Genüge getan, dass der parlamentarische Gesetzgeber durch die Vorgabe von Ziel und Inhalt der Ausbildung - wie hier insbesondere in §§ 5 Abs. 1 Halbs. 2, 5a Abs. 2 Satz 4 DRiG geschehen - die Regelungen auf untergesetzlicher Ebene nach Tendenz und Programm begrenzt und berechenbar macht (vgl. Urteil vom 7. Oktober 1983 - BVerwG 7 C 54.82 - BVerwGE 68, 69 <72> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 186 S. 153), zumal die prüfungsrechtliche Rechtsetzung auch auf untergesetzlicher Ebene in weitreichendem Maße bereits durch Grundsätze gesteuert wird, die sich unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und aus dem Rechtsstaatsprinzip ergeben (vgl. Urteil vom 7. Oktober 1983 a.a.O. S. 74 bzw. 154).

21

(2) Auch Satzungsvorschriften weisen den von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geforderten Rechtssatzcharakter auf (BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1972 - 1 BvR 518/62, 308/64 - BVerfGE 33, 125 <155>; BVerwG, Beschluss vom 22. November 1994 - BVerwG 6 B 80.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 341). Ebenso gilt dies für Verordnungsvorschriften. Die vom Verwaltungsgerichtshof offen gelassene Frage, ob der Erlass der Prüfungsordnung dem Bereich der akademischen Selbstverwaltung zuzurechnen ist oder es sich um einen Fall der Rechtssetzung im staatlichen Aufgabenbereich auf der Grundlage einer entsprechenden Delegation staatlicher Befugnisse handelt - was dann dafür sprechen könnte, der JuSPO ungeachtet ihrer Bezeichnung Verordnungscharakter zuzusprechen - bedarf daher auch an dieser Stelle keiner Vertiefung.

22

(3) Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Regelung der Bestehensvoraussetzungen für die Universitätsprüfung hätte abschließend auf Ebene der JAPrO BW erfolgen und nicht der Beklagten überlassen werden dürfen.

23

Das Bundesrecht enthält keine Vorgaben, die dem Gesetz- oder Verordnungsgeber im Land generell verwehren würden, die nähere Ausgestaltung der Universitätsprüfung - wie hier durch § 26 Abs. 2 JAPrO BW ausdrücklich vorgesehen - der Regelung auf Universitätsebene zu überlassen. Der Verweis auf das Landesrecht in § 5d Abs. 6 DRiG enthält kein Verbot der Weiterdelegation. Dem Bundesgesetzgeber ging es - wie bereits angesprochen - bei Einführung der Universitätsprüfung gerade darum, den Universitäten eigene Gestaltungsräume zu eröffnen.

24

Bundesrechtlich gefordert ist - als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips - alleine, dass die universitäre Regelungsbefugnis hinreichend bestimmt sachlich umrissen wird (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, S. 9 Fn. 12). Hieran kann im vorliegenden Fall in Ansehung der zahlreichen Vorgaben der JAPrO BW zu Prüfungsziel (§ 1 Abs. 2 Satz 2), Prüfungsgegenstand und Umfang des Prüfungsstoffs (§§ 27 Abs. 1 und 2, 28, 29) sowie zur Zahl und Bewertung von Prüfungsleistungen (§ 33) kein Zweifel bestehen. Mit diesen Vorgaben hat der Verordnungsgeber entsprechend der - ihrerseits offenkundig den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügenden - Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes über die juristischen Prüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst (Juristenausbildungsgesetz - JAG BW) "Rahmenvorgaben für die Prüfung" erlassen, welche die Rechtssetzung auf Ebene der Universität eingrenzen und inhaltlich anleiten. Soweit der Universität noch Regelungsspielräume verbleiben, ergeben die engmaschigen prüfungsrechtlichen Grundsätze, die aus der Verfassung abzuleiten und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte näher ausgeformt sind, zusätzliche Orientierungspunkte; dies gilt namentlich auch - wie sich im Weiteren erweisen wird - in Bezug auf den Erlass von Bestehensregelungen der hier in Rede stehenden Art.

25

cc. Grundrechtseingriffe müssen, um verfassungsrechtlich gerechtfertigt zu sein, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Dieser verlangt, dass der Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07, 595/07 - BVerfGE 120, 274 <318 f.>; stRspr). Diesen Anforderungen genügen §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO nicht in jeder Hinsicht.

26

(1) Ist die Durchführung einer Prüfung in mehreren Teilprüfungen vorgesehen, wird hierdurch die Beurteilungsgrundlage verbreitert und so die Treffsicherheit des Befähigungsurteils erhöht, das mit der Prüfungsentscheidung über den Prüfling ausgesprochen wird. Bestehensregelungen, die an den Misserfolg in einer Teilprüfung bereits das Nichtbestehen der Gesamtprüfung knüpfen, laufen Gefahr, die Treffsicherheit dieses Befähigungsurteils zu verringern. Denn danach reduziert sich unter Umständen - nämlich bei Nichtbestehen der Teilprüfung - seine empirische Basis auf eine bloße Teilmenge der im Prüfungsverfahren erbrachten Leistungen, während die übrigen erbrachten Leistungen im Rahmen der Prüfungsentscheidung gänzlich außer Betracht bleiben. Wie der Senat bereits früher entschieden hat, genügen solche Regeln den verfassungsrechtlichen Anforderungen nur, wenn die Teilprüfung, deren Nichtbestehen zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung führen soll, schon für sich genommen eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage bietet (Beschlüsse vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 3.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 347 S. 62 f. und vom 10. Oktober 1994 - BVerwG 6 B 73.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 338 S. 46 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82, 174/84 - BVerfGE 80, 1 <35>). Tut sie dies nicht, nimmt der Zufallsfaktor im Rahmen der Prüfungsentscheidung überhand und ist eine solche Regel daher schon nicht geeignet, den ihr zugedachten Zweck in rationaler Weise zu erfüllen, diejenigen Prüflinge zu ermitteln, die nicht die Tauglichkeit aufweisen, welche mit der Prüfung nachgewiesen werden sollen.

27

Eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage kann eine Teilprüfung dann bieten, wenn gerade durch sie eine Fähigkeit nachgewiesen wird, die als unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger Bestandteil derjenigen Qualifikation anzusehen ist, die mit der Prüfung insgesamt nachgewiesen werden soll. Eine solche Fähigkeit mag beispielsweise in der Beherrschung einer bestimmten Fachmaterie oder, gegebenenfalls hiermit kombiniert, einer bestimmten Bearbeitungs- oder Darstellungsmethode bestehen, die nur in der betroffenen Teilprüfung abgeprüft werden. Der Normgeber mag aber auch die Auffassung verfolgen, ein positives Befähigungsurteil sei überhaupt nur bei durchgängiger Erzielung mindestens ausreichender Einzelleistungen gerechtfertigt; dann soll jede Teilprüfung mittelbar auch dem Nachweis der Fähigkeit zur fachbezogenen Leistungskonstanz dienen.

28

Ob einer dieser Begründungsansätze im konkreten Fall sachlich verfängt, obliegt in erster Linie der Beurteilung durch den Normgeber, dem Art. 12 Abs. 1 GG insoweit beträchtliche Einschätzungsspielräume eröffnet. Mit der Entscheidung, die Beherrschung einer bestimmten Fachmaterie, einer bestimmten methodischen Fertigkeit oder die Fähigkeit zur Leistungskonstanz seien für den Prüfungserfolg unverzichtbar, wird zugleich über Zuschnitt und Niveau der Befähigung entschieden, die mit der Ausbildung erworben und mit der Prüfung belegt werden soll, d.h. es werden hiermit berufliche oder akademische Qualifikationsanforderungen festgelegt. Diesbezüglich beschränkt sich aber die grundrechtliche Bindung des Normgebers auf das Gebot der Wahrung eines sachlichen Zusammenhangs mit den Anforderungen des betreffenden Berufs (vgl. Urteil vom 17. Juli 1987 - BVerwG 7 C 118.86 - BVerwGE 78, 55 <57> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 242 S. 15). Sogar ein gewisser "Überschuss" an Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als zulässig zu erachten (vgl. Beschluss vom 1. Juli 1986 - 1 BvL 26/83 - BVerfGE 73, 301 <320> m.w.N.; aufgegriffen durch BVerwG, Urteil vom 17. Juli 1987 a.a.O. S. 57 bzw. 15). In dieser zurückhaltenden Linie kommt zum Ausdruck, dass die Definition beruflicher und akademischer Qualifikationsstandards vorwiegend Sache politisch wertender Gestaltung und durch die Verfassung im Kern nicht vorentschieden ist.

29

Zu verneinen ist die Frage, ob eine Teilprüfung eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage bietet und insofern den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG standhält, im Allgemeinen daher nur dann, wenn die Einschätzung, gerade durch sie werde eine als unerlässlich einzustufende Fähigkeit abgeprüft, sachlich nicht vertretbar erscheint, d.h. wenn offenkundig ist, dass keiner der vorgenannten Begründungsansätze und auch kein nachvollziehbarer sonstiger Begründungsansatz sich im konkreten Fall als tragfähig erweist. Diese Maßgabe, mit der die Einstufung einer Bestehensregelung nach dem Muster von §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO als ungeeignet im Ergebnis auf besonders gelagerte Ausnahmefälle beschränkt bleiben wird, steht im Einklang mit dem in der Grundrechtsjudikatur des Bundesverfassungsgerichts allgemein anerkannten Befund, dass die Verfassung dem Gesetzgeber für die Beurteilung der Eignung der von ihm für die Durchsetzung der gesetzgeberischen Regelungsziele gewählten Mittel einen Einschätzungsspielraum zubilligt (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 15. Januar 2002 - 1 BvR 1783/99 - BVerfGE 104, 337 <347 f.>). Sie fügt sich in die prüfungsrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insofern wertungssystematisch stimmig ein, als dort etwa im Hinblick auf die Zahl zugelassener Wiederholungsversuche, auf die Ausgestaltung von Gewichtungsregeln oder auf die Auswahl und Verteilung des Prüfungsstoffs - also im Hinblick auf Rahmenbedingungen, von denen die praktische Wirkungsschärfe einer Regel nach dem Muster von §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO entscheidend mitbestimmt wird - gleichfalls durchgängig die Gestaltungsfreiheit des Normgebers bzw. der Prüfungsverwaltung betont worden ist (vgl. Beschlüsse vom 7. März 1991 - BVerwG 7 B 178.90 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 285 S. 167, vom 16. August 1985 - BVerwG 7 B 51, 58 u. 59.85 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 218 S. 256 und vom 13. April 1983 - BVerwG 7 B 25.82 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 173 S. 121).

30

(2) Speziell im hier betroffenen Fall der juristischen Universitätsprüfung unterliegt der universitäre Normgeber allerdings engeren Bindungen als ein prüfungsrechtlicher Normgeber im Normalfall. Die Eignungsziele, an denen das Schwerpunktbereichsstudium und die Universitätsprüfung auszurichten sind, stehen in bestimmten Eckdaten nicht zu seiner Disposition. § 5 Abs. 1 Halbs. 2 DRiG legt fest, dass die Universitätsprüfung zusammen mit der staatlichen Pflichtfachprüfung die erste juristische Prüfung bildet. Die Bestimmung richtet hiermit beide gemeinsam in erster Linie auf den Zweck aus, die Befähigung für den anschließenden juristischen Vorbereitungsdienst festzustellen (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 JAPrO BW). Hierdurch wird der Gestaltungsspielraum des universitären Normgebers im Ergebnis eingeengt. Er darf keine Bestehensregelung für die Universitätsprüfung erlassen, in der Eignungsanforderungen zum Ausdruck kommen, die nicht hinreichend auf diesen bundesrechtlich vorgegebenen Prüfungszweck der Universitätsprüfung abgestimmt sind.

31

(a) Gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 DRiG dienen die Schwerpunktbereiche der Ergänzung des Studiums, der Vertiefung der mit ihnen zusammenhängenden - den Gegenstand der staatlichen Pflichtfachprüfung bildenden - Pflichtfächer sowie der Vermittlung interdisziplinärer und internationaler Bezüge des Rechts. Die Ergänzungsfunktion des Schwerpunktbereichs setzen die universitären Studien- und Prüfungsordnungen durch die Anreicherung des Ausbildungs- und Prüfungsstoffs der Pflichtfächer um zusätzliche Ausbildungs- und Prüfungsinhalte um. Die in § 5a Abs. 2 Satz 4 DRiG weiter angelegte Vertiefungsfunktion des Schwerpunktbereichs zielt ausweislich des Gesetzeswortlauts sowie auch der Gesetzesmaterialien demgegenüber insbesondere auf die Erweiterung und Verfeinerung des allgemeinen wissenschaftlich-methodischen Rüstzeugs der Studierenden (vgl. den Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 20. März 2002, BTDrucks 14/8629 S. 12, sowie die dortigen Bezugnahmen auf die Reformforderungen des sog. Ladenburger Manifests, NJW 1997, 2935 ff., und die Vorschläge von Ernst-Wolfgang Böckenförde im Rahmen eines erweiterten Berichterstattergesprächs; vgl. insoweit auch die Stellungnahme Böckenfördes im Rahmen einer Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses im Jahr 2001, Anhang zum Protokoll der 83. Sitzung des Rechtsausschusses vom 16. Mai 2001, S. 64 f.).

32

(b) Soweit der Schwerpunktbereich, im Rahmen seiner Ergänzungsfunktion, den Pflichtfachbereich lediglich fächerbezogen um weitere Inhalte des Ausbildungs- und Prüfungsstoffs ergänzt und diesem damit in seiner grundsätzlichen Anlage gleicht, hat sich der universitäre Normgeber bei Ausgestaltung der Bestehensregelungen an der Höhe derjenigen Eignungsanforderungen zu orientieren, die in der Ausgestaltung der Bestehensregelung der staatlichen Pflichtfachprüfung zum Ausdruck kommen. Wäre er dieser Pflicht ledig, würde in beiden Abschnitten der ersten juristischen Prüfung - und zwar dort, wo sie strukturell vergleichbar sind - ein jeweils unterschiedliches Maß an juristischer Qualifikation über den Prüfungserfolg entscheiden. Dies wäre mit ihrer prüfungsrechtlichen Verklammerung und ihrer gemeinsamen Ausrichtung auf die Feststellung der Eignung für den juristischen Vorbereitungsdienst nicht in Einklang zu bringen. Dass gerade dem staatlichen Normgeber im Hinblick auf die Definition der Eignungsstandards das Primat gegenüber dem universitären Normgeber zukommt, ist in der Ergänzungsfunktion des Schwerpunktbereichs bereits logisch angelegt. Dementsprechend verweist § 5d Abs. 6 DRiG hinsichtlich der prüfungsrechtlichen Ausgestaltung beider Prüfungsabschnitte auf das "Landesrecht". Hieraus folgt - wie oben bereits ausgeführt - zwar kein prinzipielles Verbot der Weiterdelegation an den universitären Normgeber, wohl aber die Maßgabe, dass es dem Landesgesetzgeber zukommt, diesem wesentliche prüfungsrechtliche Eckdaten verbindlich vorzugeben.

33

(c) Soweit der Schwerpunktbereich den Pflichtfachbereich nicht lediglich um zusätzliche Fachmaterien ergänzt, sondern in ihm - im Rahmen der Vertiefungsfunktion - qualitativ eigenständige bzw. weitergehende Qualifikationsziele verfolgt werden, eröffnen sich dem Normgeber konsequenterweise breitere prüfungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten. Den Regelungen der Pflichtfachprüfung sind insoweit keine bindenden Eignungsstandards zu entnehmen.

34

(3) Gemessen an den vorstehenden Maßstäben hat die Beklagte mit dem Erlass der §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO ihren prüfungsrechtlichen Gestaltungsspielraum überschritten und eine Bestehensregelung erlassen, die nicht hinreichend geeignet ist, den der Universitätsprüfung im Lichte von §§ 5, 5a Abs. 2 DRiG zugedachten Zweck zu erfüllen, (nur) die für den juristischen Vorbereitungsdienst ungeeigneten Kandidaten zu ermitteln.

35

(a) Im Rahmen der staatlichen Pflichtfachprüfung lässt die JAPrO BW - nur leicht modifiziert durch die Regelung in ihrem § 16 - eine Kompensation nicht bestandener Teilprüfungen durch die in anderen Teilprüfungen erzielten Ergebnisse - auch fächerübergreifend - zu. Der staatliche Normgeber bringt hiermit zum Ausdruck, dass den in einzelnen Teilprüfungen jeweils abgeprüften fachlichen Kenntnissen bzw. Fertigkeiten nicht bereits für sich genommen, sondern nur in ihrer Summe Ausschlag gebendes Gewicht für die Beurteilung der Befähigung der Prüflinge zukommen darf. Hieraus tritt als Maßstab zutage, dass die Eignung für den Vorbereitungsdienst nicht entfällt, wenn der Prüfling nur partielle Leistungsschwächen in einzelnen Fachmaterien offenbart.

36

(b) Hingegen ist bei Zugrundelegung von §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO einem Prüfling bereits wegen mangelhafter Beherrschung des Stoffs der obligatorischen Lehrveranstaltungen ("Allgemeiner Teil" - vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 JuSPO zur Aufsichtsarbeit) oder des Stoffs des Wahlbereichs ("Besonderer Teil" - vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 JuSPO zur mündlichen Prüfung) oder wegen des Nichtbestehens der Studienarbeit (vgl. § 13 JuSPO) der Erfolg in der Universitätsprüfung und hiermit - da das Bestehen der ersten juristischen Prüfung das Bestehen sowohl der Universitätsprüfung als auch der staatlichen Pflichtfachprüfung voraussetzt (§ 5d Abs. 2 Satz 4 DRiG) - der Eintritt in den Vorbereitungsdienst versagt. Einzelne Abschnitte des Prüfungsstoffs der Universitätsprüfung werden auf diese Weise hinsichtlich der ihnen vom universitären Normgeber beigemessenen Aussagekraft verabsolutiert. Von dem Ansatz der JAPrO BW, wonach zutage tretende partielle Leistungsschwächen die Eignung für den juristischen Vorbereitungsdienst noch nicht entfallen lassen, weicht dieser Ansatz ersichtlich ab.

37

(c) Im Lichte des oben Gesagten überschreitet der universitäre Normgeber mit diesem verabsolutierenden Ansatz seinen Gestaltungsspielraum nicht, soweit eine Teilprüfung in besonderer Weise auf die Ermittlung der wissenschaftlich-methodischen Fertigkeiten der Prüflinge ausgerichtet ist und sich mithin eindeutig der Vertiefungsfunktion des Schwerpunktbereichs zuordnen lässt. Dies ist hier im Hinblick auf die Studienarbeit der Fall, mit der nach § 13 Abs. 1 Satz 2 JuSPO der Prüfling zeigen soll, "dass er in der Lage ist, innerhalb der vorgesehenen Frist ein Thema (...) selbständig nach wissenschaftlichen Methoden zu bearbeiten". Hingegen tritt im Hinblick auf die Aufsichtsarbeit sowie im Hinblick auf die mündliche Prüfung schon aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der §§ 11 f. JuSPO hervor, dass in ihnen vorwiegend - in einer den entsprechenden Teilprüfungen der staatlichen Pflichtfachprüfung strukturell vergleichbaren Weise - der Grad an fachlicher Stoffbeherrschung abgeprüft wird ("Gegenstand ... ist der Stoff der ..."). Sie sind daher stärker der Ergänzungsfunktion als der Vertiefungsfunktion des Schwerpunktbereichs zuzuordnen. Folglich greift hier das Erfordernis einer Kongruenz der Eignungsstandards zwischen Pflichtfach- und Universitätsprüfung - mit der Folge für den universitären Normgeber, dass er partielle Leistungsschwächen, die zum Nichtbestehen dieser Teilprüfungen führen, nicht dafür heranziehen darf, dem Prüfling insgesamt die Eignung für den Eintritt in den juristischen Vorbereitungsdienst abzusprechen. Insofern bilden weder die Aufsichtsarbeit noch die mündliche Prüfung für sich genommen bereits eine zuverlässige Grundlage für das Urteil, dass derjenige, der sie nicht besteht, deshalb nicht die mit der Universitätsprüfung nachzuweisende Eignung aufweist.

38

(d) Nichts anderes darf daraus hergeleitet werden, dass in Aufsichtsarbeit und mündlicher Prüfung unterschiedliche Arbeits- und Präsentationstechniken gefordert sind. Denn auch diesem Gesichtspunkt wird in den Bestimmungen der JAPrO BW über die staatliche Pflichtfachprüfung kein absoluter Stellenwert beigemessen. Die in ihnen eröffneten Kompensationsmöglichkeiten schließen ein, unzureichende Leistungen im einen Segment durch zureichende Leistungen im anderen Segment ausgleichen zu können.

39

(4) Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass § 5d Abs. 2 Satz 2 DRiG vorschreibt, in der Universitätsprüfung sei "mindestens eine schriftliche Leistung zu erbringen". Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich hieraus für den vorliegenden Fall nichts herleiten. Der Regelungsgehalt der Vorschrift besteht darin, die Durchführung der Universitätsprüfung rein auf mündlicher Basis zu verwehren. Im Übrigen wollte der Bundesgesetzgeber den Regelungsspielraum der Länder bzw. Universitäten nicht einschränken, ging aber gleichwohl von der Annahme aus, dass von ihnen eine Aufteilung der Prüfung in mehrere Teilprüfungen vorgenommen werden würde (vgl. BTDrucks 14/7176 S. 13: "... hinsichtlich der zu erbringenden Leistungen ..."). Eine Aussage im Hinblick auf die Zulässigkeit prüfungsrechtlicher Ausschlussklauseln nach Art von §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO ist der Vorschrift vor diesem Hintergrund nicht zu entnehmen.

40

(5) Nichts anderes ergibt sich ferner aufgrund des Hinweises der Beklagten auf die grundrechtliche Lehrfreiheit, die nach ihrer Auffassung im vorliegenden Fall einen "zurückhaltenden Umgang mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes" gebietet. Verlagert der staatliche Normgeber die Regelung von Bestehensanforderungen bei Prüfungen, die in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG fallen, auf die Universitäten, verändert sich hierdurch grundsätzlich nichts am Umfang des grundrechtlichen Abwehrrechts der Prüfungsteilnehmer. Die oben aufgezeigten Anforderungen an die Zulässigkeit prüfungsrechtlicher Bestehensregeln könnten die Lehrfreiheit allenfalls dann beeinträchtigen - und so ausnahmsweise eine ausgleichsbedürftige grundrechtliche Kollisionslage herbeiführen -, wenn von ihnen Rückwirkungen auf die inhaltliche und methodische Gestaltung der Lehrveranstaltungen ausgingen (vgl. Beschlüsse vom 24. Mai 1991 - BVerwG 7 NB 5.90 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 134 S. 40 und vom 22. August 2005 - BVerwG 6 BN 1.05 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 263 S. 25). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern dies hier der Fall sein könnte. Der Hinweis der Beklagten, Bestehensregeln könnten den Studierenden mittelbar den Bedeutungsgrad von Fachmaterien signalisieren, mag sachlich zutreffen, macht aber nicht deutlich, inwiefern sich hieraus eine Einschränkung der inhaltlichen und methodischen Gestaltungsfreiheit von Hochschullehrern in Bezug auf die von ihnen angebotenen Lehrveranstaltungen ergeben könnte.

41

(6) Unerheblich ist schließlich, dass nach der Darstellung der Beklagten in der Vergangenheit nur eine geringe Zahl von Prüflingen in der Universitätsprüfung gescheitert sein soll. Die Maßgabe, wonach eine Teilprüfung, deren Nichtbestehen zum Misserfolg der gesamten Prüfung führen soll, eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage bieten muss, soll gewährleisten, dass die der Prüfung zugedachte Filterungsfunktion in rationaler, den Zufallsfaktor minimierender Weise erfüllt werden kann. Hierauf besteht - unter dem Aspekt der Eingriffsgeeignetheit - ein grundrechtlicher Anspruch auch im Falle einer niedrigen Durchfallquote.

42

dd. Nach den in § 139 BGB und § 44 Abs. 4 VwVfG niedergelegten Rechtsgrundsätzen ist ein Rechtsakt insgesamt unwirksam, wenn die Unwirksamkeitsgründe einen nicht abgrenzbaren Teil erfassen oder, sofern sie einen abgrenzbaren Teil erfassen, wenn nicht feststeht, dass der übrige Rechtsakt gegebenenfalls auch ohne diesen Teil erlassen worden wäre (vgl. Beschluss vom 11. Juli 2002 - BVerwG 3 B 84.02 - juris Rn. 3). Hieraus ergeben sich im vorliegenden Fall folgende Konsequenzen:

43

(1) §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO sind insgesamt unwirksam. Es steht nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass die Beklagte die - nach dem oben Gesagten zulässige - Regelung, wonach ein Misserfolg in der Studienarbeit zum Misserfolg der Universitätsprüfung insgesamt führt, auch unter der Prämisse getroffen hätte, dass ihr entsprechende Regelungen in Bezug auf die Aufsichtsarbeit sowie in Bezug auf die mündliche Prüfung verwehrt sind.

44

(2) Die Unwirksamkeit der §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO zieht die Unwirksamkeit der Regelung zur Prüfungswiederholung in § 17 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 3 JuSPO nach sich, die nach der Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof die Wiederholungsmöglichkeit abschließend auf die im ersten Anlauf nichtbestandenen Teilprüfungen beschränkt. Diese Regelung hängt gesetzessystematisch untrennbar mit der in §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO getroffenen Anordnung zusammen, dass die Universitätsprüfung bereits bei endgültigem Nichtbestehen einer Teilprüfung nicht bestanden ist.

45

(3) Nicht von der Unwirksamkeit der §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO betroffen ist die in § 14 Abs. 2 JuSPO niedergelegte Gewichtungsregelung.

46

§ 14 Abs. 2 JuSPO ist von der Regelung der §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO logisch abgrenzbar. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Beklagte diese Bestimmung nicht getroffen hätte, wenn ihr die Unzulässigkeit von §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO bewusst gewesen wäre.

47

§ 14 Abs. 2 JuSPO verstößt nicht gegen Bundesrecht. In der prüfungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist wiederholt betont worden, dass es Sache der Beurteilung durch den Normgeber ist, welches Gewicht Einzelleistungen im Rahmen der Gesamtwertung zugewiesen wird. Solange die entsprechende Regelung von sachlichen Erwägungen getragen wird, ist sie gerichtlich nicht zu beanstanden, auch wenn sich eine andere Gewichtung denken ließe (vgl. etwa Beschlüsse vom 16. August 1985 a.a.O. S. 256 und vom 11. August 1980 - BVerwG 7 CB 81.79 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 130 S. 216). Ausgehend hiervon erheben sich dagegen, dass nach § 14 Abs. 2 JuSPO die Studienarbeit zu 30 %, die mündliche Prüfung zu 20 % und die Aufsichtsarbeit zu 50 % über die Gesamtnote der Universitätsprüfung bestimmen sollen, keine durchgreifenden Bedenken. Im Lichte dessen, dass der Schwerpunktbereich neben der fächerbezogenen Ergänzung des Pflichtfachstudiums insbesondere auch der vertieften Ausbildung wissenschaftlich-methodischer Kompetenz dient, hätte es zwar nicht ferngelegen, den Gewichtungsanteil der in besonderer Weise hierauf bezogenen Studienarbeit höher anzusetzen. Die Entscheidung der Beklagten bewegt sich aber noch innerhalb der Spannbreite vertretbarer Gestaltungen und beruht nicht auf offenkundig unsachlichen Erwägungen.

48

2. Das Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Beklagte darf dem Kläger nicht entgegenhalten, sein Prüfungsanspruch sei infolge der Exmatrikulation erloschen. Der Kläger hat sich zur Exmatrikulation vor dem Hintergrund der Rechtsauffassung der Beklagten veranlasst gesehen, sein Prüfungsanspruch sei durch den zweimaligen Misserfolg in der Aufsichtsarbeit erloschen. Er hat durch seine Klageerhebung zu verstehen gegeben, das Prüfungsverfahren bei der Beklagten fortsetzen und dieser Rechtsauffassung entgegentreten zu wollen. Die Beklagte hat sich hierauf insofern eingelassen, als sie den Kläger unter dem Vorbehalt des Ausgangs des gerichtlichen Verfahrens zur mündlichen Prüfung zugelassen hat. Unter diesen Gesamtumständen würde die Beklagte treuwidrig handeln, wenn sie sich nunmehr - nachdem sich im gerichtlichen Verfahren die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Klägers erwiesen hat - darauf berufen würde, das Prüfungsrechtsverhältnis sei infolge der Exmatrikulation erloschen.

49

3. Die Beklagte hat den danach nicht erloschenen Prüfungsanspruch des Klägers dadurch zu erfüllen, dass sie auf Grundlage einer rechtmäßigen, an die Stelle der §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 3 JuSPO tretenden Bestehensregelung ermittelt, ob der Kläger mit den von ihm erzielten Einzelnoten die Universitätsregelung mit Erfolg abgelegt hat. In Bezug auf den Kläger wie in Bezug auf andere Prüflinge ist die Beklagte im Interesse der Aufrechterhaltung des Prüfungsbetriebs übergangsweise berechtigt, hierfür auf die Regelung in § 32 Abs. 1 Satz 3 JAPrO BW zurückzugreifen, d.h. darauf abzustellen, ob in der Summe der Teilprüfungsergebnisse - unter Berücksichtigung der Gewichtungsregelung in § 14 Abs. 2 JuSPO - ein mindestens "ausreichendes" Ergebnis erzielt worden ist.

50

Sofern die Beklagte von dieser Möglichkeit in Bezug auf den Kläger Gebrauch machen sollte, würde sich erweisen, dass dieser die Universitätsprüfung im ersten Anlauf nicht bestanden hat. Denn ausgehend von der Gewichtungsregelung in § 14 Abs. 2 JuSPO hat der Kläger in den bereits abgelegten Teilprüfungen einen für die Note "ausreichend" nicht hinreichenden Punktedurchschnitt von 3,50 erzielt (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 JuSPO, §§ 19 Abs. 3 Satz 1, 32 Abs. 1 JAPrO BW). Demnach bliebe der Kläger auf eine Wiederholungsmöglichkeit verwiesen, die er durch die bereits erfolgte, jedoch auf unwirksamer Rechtsgrundlage vorgenommene Wiederholung der Aufsichtsarbeit nicht ausgeschöpft hat. Die Beklagte wäre in seinem Fall - wie in den Fällen anderer Prüflinge - übergangsweise berechtigt, zur Durchführung von Wiederholungsprüfungen auf die Regelung in § 33 Abs. 3 JAPrO BW zurückzugreifen. Danach hätten der Kläger bzw. im gegebenen Fall andere Betroffene die Möglichkeit, in einem zweiten Anlauf sämtliche Einzelprüfungen - unter Einschluss der Aufsichtsarbeit - ein weiteres Mal abzulegen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Die Studienzeit beträgt viereinhalb Jahre; diese Zeit kann unterschritten werden, sofern die jeweils für die Zulassung zur universitären Schwerpunktbereichsprüfung und zur staatlichen Pflichtfachprüfung erforderlichen Leistungen nachgewiesen sind. Mindestens zwei Jahre müssen auf ein Studium an einer Universität im Geltungsbereich dieses Gesetzes entfallen.

(2) Gegenstand des Studiums sind Pflichtfächer und Schwerpunktbereiche mit Wahlmöglichkeiten. Außerdem ist der erfolgreiche Besuch einer fremdsprachigen rechtswissenschaftlichen Veranstaltung oder eines rechtswissenschaftlich ausgerichteten Sprachkurses nachzuweisen; das Landesrecht kann bestimmen, dass die Fremdsprachenkompetenz auch anderweitig nachgewiesen werden kann. Pflichtfächer sind die Kernbereiche des Bürgerlichen Rechts, des Strafrechts, des Öffentlichen Rechts und des Verfahrensrechts einschließlich der europarechtlichen Bezüge, der rechtswissenschaftlichen Methoden und der philosophischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen; die Vermittlung der Pflichtfächer erfolgt auch in Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrecht und dem Unrecht der SED-Diktatur. Die Schwerpunktbereiche dienen der Ergänzung des Studiums, der Vertiefung der mit ihnen zusammenhängenden Pflichtfächer sowie der Vermittlung interdisziplinärer und internationaler Bezüge des Rechts.

(3) Die Inhalte des Studiums berücksichtigen die ethischen Grundlagen des Rechts und fördern die Fähigkeit zur kritischen Reflexion des Rechts; sie berücksichtigen ferner die rechtsprechende, verwaltende und rechtsberatende Praxis einschließlich der hierfür erforderlichen Schlüsselqualifikationen wie Verhandlungsmanagement, Gesprächsführung, Rhetorik, Streitschlichtung, Mediation, Vernehmungslehre und Kommunikationsfähigkeit. Während der vorlesungsfreien Zeit finden praktische Studienzeiten von insgesamt mindestens drei Monaten Dauer statt. Das Landesrecht kann bestimmen, daß die praktische Studienzeit bei einer Stelle und zusammenhängend stattfindet.

(4) Das Nähere regelt das Landesrecht.

(1) Staatliche und universitäre Prüfungen berücksichtigen die inhaltlichen Vorgaben des § 5a Absatz 3 Satz 1; unbeschadet von § 5a Abs. 2 Satz 2 können die Prüfungen auch Fremdsprachenkompetenz berücksichtigen. Die Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen und der Leistungsbewertung ist zu gewährleisten. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates eine Noten- und Punkteskala für die Einzel- und Gesamtnoten aller Prüfungen festzulegen.

(2) Der Stoff der universitären Schwerpunktbereichsprüfung und der staatlichen Pflichtfachprüfung ist so zu bemessen, dass das Studium nach fünf Studienjahren abgeschlossen werden kann. In der universitären Schwerpunktbereichsprüfung ist mindestens eine schriftliche Leistung zu erbringen. In der staatlichen Pflichtfachprüfung sind schriftliche und mündliche Leistungen zu erbringen; das Landesrecht kann bestimmen, dass Prüfungsleistungen während des Studiums erbracht werden, jedoch nicht vor Ablauf von zweieinhalb Studienjahren. Das Zeugnis über die erste Prüfung weist die Ergebnisse der bestandenen universitären Schwerpunktbereichsprüfung und der bestandenen staatlichen Pflichtfachprüfung sowie zusätzlich eine Gesamtnote aus, in die das Ergebnis der bestandenen staatlichen Pflichtfachprüfung mit 70 vom Hundert und das Ergebnis der bestandenen universitären Schwerpunktbereichsprüfung mit 30 vom Hundert einfließt; es wird in dem Land erteilt, in dem die staatliche Pflichtfachprüfung bestanden wurde.

(3) Die schriftlichen Leistungen in der zweiten Staatsprüfung sind frühestens im 18. und spätestens im 21. Ausbildungsmonat zu erbringen; bei Teilzeitausbildung nach § 5b Absatz 6 Satz 1 ist die Verlängerung des Vorbereitungsdienstes angemessen zu berücksichtigen. Die schriftlichen Leistungen beziehen sich mindestens auf die Ausbildung bei den Pflichtstationen. Sieht das Landesrecht neben Aufsichtsarbeiten auch eine häusliche Arbeit vor, kann bestimmt werden, dass diese Leistung nach Beendigung der letzten Station erbracht werden muss. Die mündlichen Leistungen beziehen sich auf die gesamte Ausbildung.

(4) In den staatlichen Prüfungen kann das Prüfungsorgan bei seiner Entscheidung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abweichen, wenn dies auf Grund des Gesamteindrucks den Leistungsstand des Kandidaten besser kennzeichnet und die Abweichung auf das Bestehen der Prüfung keinen Einfluss hat; hierbei sind bei der zweiten Staatsprüfung auch die Leistungen im Vorbereitungsdienst zu berücksichtigen. Die Abweichung darf ein Drittel des durchschnittlichen Umfangs einer Notenstufe nicht übersteigen. Der Anteil der mündlichen Prüfungsleistungen an der Gesamtnote darf 40 vom Hundert nicht übersteigen. Eine rechnerisch ermittelte Anrechnung von im Vorbereitungsdienst erteilten Noten auf die Gesamtnote der zweiten Staatsprüfung ist ausgeschlossen.

(5) Die staatliche Pflichtfachprüfung kann einmal wiederholt werden. Eine erfolglose staatliche Pflichtfachprüfung gilt als nicht unternommen, wenn der Bewerber sich frühzeitig zu dieser Prüfung gemeldet und die vorgesehenen Prüfungsleistungen vollständig erbracht hat. Das Nähere, insbesondere den Ablauf der Meldefrist, die Anrechnung von Zeiten des Auslandsstudiums, der Erkrankung und der Beurlaubung auf die Studiendauer sowie die Folgen einer Prüfungsunterbrechung regelt das Landesrecht. Das Landesrecht kann eine Wiederholung der staatlichen Prüfungen zur Notenverbesserung vorsehen.

(6) Das Nähere regelt das Landesrecht. Es kann auch bestimmen, dass in den staatlichen Prüfungen schriftliche Leistungen elektronisch erbracht werden dürfen.

(1) Die Befähigung zum Richteramt erwirbt, wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Prüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung abschließt; die erste Prüfung besteht aus einer universitären Schwerpunktbereichsprüfung und einer staatlichen Pflichtfachprüfung.

(2) Studium und Vorbereitungsdienst sind inhaltlich aufeinander abzustimmen.

(1) Die Studienzeit beträgt viereinhalb Jahre; diese Zeit kann unterschritten werden, sofern die jeweils für die Zulassung zur universitären Schwerpunktbereichsprüfung und zur staatlichen Pflichtfachprüfung erforderlichen Leistungen nachgewiesen sind. Mindestens zwei Jahre müssen auf ein Studium an einer Universität im Geltungsbereich dieses Gesetzes entfallen.

(2) Gegenstand des Studiums sind Pflichtfächer und Schwerpunktbereiche mit Wahlmöglichkeiten. Außerdem ist der erfolgreiche Besuch einer fremdsprachigen rechtswissenschaftlichen Veranstaltung oder eines rechtswissenschaftlich ausgerichteten Sprachkurses nachzuweisen; das Landesrecht kann bestimmen, dass die Fremdsprachenkompetenz auch anderweitig nachgewiesen werden kann. Pflichtfächer sind die Kernbereiche des Bürgerlichen Rechts, des Strafrechts, des Öffentlichen Rechts und des Verfahrensrechts einschließlich der europarechtlichen Bezüge, der rechtswissenschaftlichen Methoden und der philosophischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen; die Vermittlung der Pflichtfächer erfolgt auch in Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrecht und dem Unrecht der SED-Diktatur. Die Schwerpunktbereiche dienen der Ergänzung des Studiums, der Vertiefung der mit ihnen zusammenhängenden Pflichtfächer sowie der Vermittlung interdisziplinärer und internationaler Bezüge des Rechts.

(3) Die Inhalte des Studiums berücksichtigen die ethischen Grundlagen des Rechts und fördern die Fähigkeit zur kritischen Reflexion des Rechts; sie berücksichtigen ferner die rechtsprechende, verwaltende und rechtsberatende Praxis einschließlich der hierfür erforderlichen Schlüsselqualifikationen wie Verhandlungsmanagement, Gesprächsführung, Rhetorik, Streitschlichtung, Mediation, Vernehmungslehre und Kommunikationsfähigkeit. Während der vorlesungsfreien Zeit finden praktische Studienzeiten von insgesamt mindestens drei Monaten Dauer statt. Das Landesrecht kann bestimmen, daß die praktische Studienzeit bei einer Stelle und zusammenhängend stattfindet.

(4) Das Nähere regelt das Landesrecht.

(1) Staatliche und universitäre Prüfungen berücksichtigen die inhaltlichen Vorgaben des § 5a Absatz 3 Satz 1; unbeschadet von § 5a Abs. 2 Satz 2 können die Prüfungen auch Fremdsprachenkompetenz berücksichtigen. Die Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen und der Leistungsbewertung ist zu gewährleisten. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates eine Noten- und Punkteskala für die Einzel- und Gesamtnoten aller Prüfungen festzulegen.

(2) Der Stoff der universitären Schwerpunktbereichsprüfung und der staatlichen Pflichtfachprüfung ist so zu bemessen, dass das Studium nach fünf Studienjahren abgeschlossen werden kann. In der universitären Schwerpunktbereichsprüfung ist mindestens eine schriftliche Leistung zu erbringen. In der staatlichen Pflichtfachprüfung sind schriftliche und mündliche Leistungen zu erbringen; das Landesrecht kann bestimmen, dass Prüfungsleistungen während des Studiums erbracht werden, jedoch nicht vor Ablauf von zweieinhalb Studienjahren. Das Zeugnis über die erste Prüfung weist die Ergebnisse der bestandenen universitären Schwerpunktbereichsprüfung und der bestandenen staatlichen Pflichtfachprüfung sowie zusätzlich eine Gesamtnote aus, in die das Ergebnis der bestandenen staatlichen Pflichtfachprüfung mit 70 vom Hundert und das Ergebnis der bestandenen universitären Schwerpunktbereichsprüfung mit 30 vom Hundert einfließt; es wird in dem Land erteilt, in dem die staatliche Pflichtfachprüfung bestanden wurde.

(3) Die schriftlichen Leistungen in der zweiten Staatsprüfung sind frühestens im 18. und spätestens im 21. Ausbildungsmonat zu erbringen; bei Teilzeitausbildung nach § 5b Absatz 6 Satz 1 ist die Verlängerung des Vorbereitungsdienstes angemessen zu berücksichtigen. Die schriftlichen Leistungen beziehen sich mindestens auf die Ausbildung bei den Pflichtstationen. Sieht das Landesrecht neben Aufsichtsarbeiten auch eine häusliche Arbeit vor, kann bestimmt werden, dass diese Leistung nach Beendigung der letzten Station erbracht werden muss. Die mündlichen Leistungen beziehen sich auf die gesamte Ausbildung.

(4) In den staatlichen Prüfungen kann das Prüfungsorgan bei seiner Entscheidung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abweichen, wenn dies auf Grund des Gesamteindrucks den Leistungsstand des Kandidaten besser kennzeichnet und die Abweichung auf das Bestehen der Prüfung keinen Einfluss hat; hierbei sind bei der zweiten Staatsprüfung auch die Leistungen im Vorbereitungsdienst zu berücksichtigen. Die Abweichung darf ein Drittel des durchschnittlichen Umfangs einer Notenstufe nicht übersteigen. Der Anteil der mündlichen Prüfungsleistungen an der Gesamtnote darf 40 vom Hundert nicht übersteigen. Eine rechnerisch ermittelte Anrechnung von im Vorbereitungsdienst erteilten Noten auf die Gesamtnote der zweiten Staatsprüfung ist ausgeschlossen.

(5) Die staatliche Pflichtfachprüfung kann einmal wiederholt werden. Eine erfolglose staatliche Pflichtfachprüfung gilt als nicht unternommen, wenn der Bewerber sich frühzeitig zu dieser Prüfung gemeldet und die vorgesehenen Prüfungsleistungen vollständig erbracht hat. Das Nähere, insbesondere den Ablauf der Meldefrist, die Anrechnung von Zeiten des Auslandsstudiums, der Erkrankung und der Beurlaubung auf die Studiendauer sowie die Folgen einer Prüfungsunterbrechung regelt das Landesrecht. Das Landesrecht kann eine Wiederholung der staatlichen Prüfungen zur Notenverbesserung vorsehen.

(6) Das Nähere regelt das Landesrecht. Es kann auch bestimmen, dass in den staatlichen Prüfungen schriftliche Leistungen elektronisch erbracht werden dürfen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.