Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 13. Mai 2015 - 2 K 189/14

bei uns veröffentlicht am13.05.2015

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 15. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2013 verurteilt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Ladung des Klägers zur mündlichen Prüfung zu entscheiden nach erneuter Bewertung der Klausur ZR I durch dieselben Prüfer.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Fortführung der zweiten Staatsprüfung für Juristen.

2

Nach Zulassung zur zweiten Staatsprüfung für Juristen fertigte der Kläger im Wiederholungsversuch die Aufsichtsarbeiten an. Diese wurden jeweils von zwei Prüfern bewertet, im arithmetischen Mittel wie folgt:

3

ZR I   

        

5,0 Punkte

ZR II 

        

3,0 Punkte

ZR III

        

1,5 Punkte

ZHG     

        

2,0 Punkte

StR I 

        

6,0 Punkte

StR II

        

4,0 Punkte

ÖR I   

        

2,0 Punkte

ÖR II 

        

4,0 Punkte

4

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Bescheid vom 15. März 2012 mit, dass er die zweite Staatsprüfung für Juristen nicht bestanden habe, da er aufgrund der in den Aufsichtsarbeiten gezeigten Leistungen von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen sei. Eine Ladung des Klägers zur mündlichen Prüfung nahm die Beklagte nicht vor.

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Der Kläger legte gegen den Bescheid vom 15. März 2012 Widerspruch ein und erhob gegen die Bewertung in den drei Aufsichtsarbeiten ZR I, ZR III und ÖR II Einwendungen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Widerspruchsbegründung (Bl. 16 ff., 53 ff., 65 ff. des Widerspruchsvorgangs) Bezug genommen. Auf diese Einwendungen hin nahmen die jeweiligen Prüfer ergänzend Stellung. Dabei blieben die Prüfer der Aufsichtsarbeit ZR I und der Aufsichtsarbeit ZR III im Ergebnis bei ihren Bewertungen (Bl. 34 ff., 45 ff. und Bl. 41, 44 R des Widerspruchsvorgangs). Die Prüfer der Aufsichtsarbeit ÖR II hoben ihre Bewertungen jeweils auf 5 Punkte an (Bl. 37, 38 ff. des Widerspruchsvorgangs). Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2013 unter Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Klägers zurück.

6

Zur Begründung der am 20. Januar 2014 erhobenen Klage führt der Kläger im Einzelnen aus, dass die Prüfer in den Aufsichtsarbeiten ZR I und ZR III befangen seien, dass die Bewertungen in den Aufsichtsarbeiten ZR I, ZR III und ÖR II fehlerhaft und die Überdenkung der Bewertung der Aufsichtsarbeiten ZR I und ZR II durch beide Prüfer und der Aufsichtsarbeit ÖR II durch den Erstprüfer nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden seien.

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Der Kläger beantragt,

8

1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2013 zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über seine Ladung zur mündlichen Prüfung zu entscheiden nach

9

a) aa) erneuter Bewertung der Klausur ZR I durch zwei andere Prüfer,
bb) hilfsweise erneuter Bewertung der Klausur ZR I durch dieselben Prüfer,
cc) hilfsweise erneuter Überdenkung durch zwei andere Prüfer,
dd) hilfsweise erneuter Überdenkung durch dieselben Prüfer,
b) aa) erneuter Bewertung der Klausur ÖR II durch dieselben Prüfer,
bb) hilfsweise erneuter Überdenkung durch den Erstprüfer,
c) aa) erneuter Bewertung der Klausur ZR III durch zwei andere Prüfer,
bb) hilfsweise erneuter Bewertung der Klausur ZR III durch dieselben Prüfer,
cc) hilfsweise erneuter Überdenkung durch zwei andere Prüfer,
dd) hilfsweise erneuter Überdenkung durch dieselben Prüfer,

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2. hilfsweise, für den Fall, dass der Antrag zu 1. a) oder 1. b) oder 1. c) vollständig abgewiesen wird, den Widerspruchsbescheid vom 27. November 2013 aufzuheben.

11

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung tritt sie den erhobenen Einwendungen entgegen.

14

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind die Prüfungsakte einschließlich der Aufsichtsarbeiten, der Widerspruchsvorgang und das Konvolut der Aufgabentexte der Aufsichtsarbeiten. Darauf sowie auf die Schriftsätze wird wegen der Einzelheiten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

15

Die Klage hat nur in dem Umfang Erfolg, der sich aus dem Urteilsausspruch ergibt.

16

Hinsichtlich der Aufsichtsarbeit ZR I hat die im Hauptantrag zu 1. a) aa) zulässige Klage auf eine erneute Bewertung durch zwei andere Prüfer in der Sache keinen Erfolg (1.). Hingegen kann der Kläger mit dem zulässigen Hilfsantrag zu 1. a) bb) beanspruchen, dass die Beklagte nach erneuter Bewertung der Klausur ZR I durch dieselben Prüfer unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über seine Ladung zur mündlichen Prüfung entscheidet, wobei der einer erneuten Entscheidung über die Ladung zur mündlichen Prüfung entgegenstehende Bescheid über das Nichtbestehen der zweiten Staatsprüfung für Juristen vom 15. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2013 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (2.). Wegen des Erfolgs des vorrangigen Hilfsantrags ist über die nachrangigen Hilfsanträge zu 1. a) cc) und dd) auf erneute Überdenkung durch andere oder dieselben Prüfer nicht zu entscheiden.

17

Hinsichtlich der Aufsichtsarbeit ÖR II hat die Klage weder im zulässigen Hauptantrag zu 1. b) aa) auf eine erneute Bewertung durch dieselben Prüfer (3.) noch im zulässigen Hilfsantrag zu 1. b) bb) auf eine erneute Überdenkung durch den Erstprüfer in der Sache Erfolg (4.).

18

Hinsichtlich der Aufsichtsarbeit ZR III bleibt die Klage in der Sache ohne Erfolg sowohl im zulässigen Hauptantrag zu 1. c) aa) auf eine erneute Bewertung durch zwei andere Prüfer (5.) als auch in den zulässigen Hilfsanträgen zu 1. c) bb) auf eine erneute Bewertung durch dieselben Prüfer (6.), zu 1. c) cc) auf eine erneute Überdenkung durch zwei andere Prüfer (7.) und zu 1. c) dd) auf eine erneute Überdenkung durch dieselben Prüfer (8.).

19

Der höchsthilfsweise gestellte Antrag zu 2., über den wegen der vollständigen Abweisung der Anträge zu 1. b) und 1. c) zu entscheiden ist, und mit dem der Kläger isoliert den Widerspruchsbescheid anficht, ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg (9.).

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1. Die Klage hat im Hauptantrag zu 1. a) aa) keinen Erfolg.

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Zwar ist die Klage insoweit als eine Verbindung einer allgemeinen Leistungsklage mit einem Anfechtungsannex statthaft. Die begehrte neue Entscheidung über die Ladung zur mündlichen Prüfung nach erneuter Bewertung oder erneuter Überdenkung hinsichtlich dreier Klausuren kann nicht mit der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO erreicht werden, da die Entscheidung über die Ladung kein Verwaltungsakt nach § 35 HmbVwVfG ist. Sie zielt nicht unmittelbar auf Rechtswirkung nach außen ab, da im Fall einer Durchführung der mündlichen Prüfung erst abhängig von ihrem Ausgang eine der Bestandskraft fähige Entscheidung über das Ergebnis der zweiten Staatsprüfung für Juristen ergeht. Zusätzlich zur allgemeinen Leistungsklage erstrebt der Kläger im Zuge einer Anfechtung nach § 42 Abs.1 Alt. 1 VwGO die gerichtliche Aufhebung des einer erneuten Entscheidung über die Ladung entgegenstehenden Nichtbestehensbescheids.

22

Doch bleibt die Klage insoweit in der Sache ohne Erfolg. Dem Kläger steht der mit dem Antrag zu 1. a) aa) geltend gemachte Anspruch auf eine erneute Bewertung der Aufsichtsarbeit ZR I durch zwei andere Prüfer nicht zu.

23

Grundlage der Prüfungsentscheidung sind die für juristische Prüfungen einschlägigen Vorschriften im Deutschen Richtergesetz (i.d.F. der Bekanntmachung v. 19.4.1972, BGBl. I S. 713, m. spät. Änd. – DRiG), die hinsichtlich der zweiten Staatsprüfung für Juristen in den beteiligten Ländern durch die Übereinkunft der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein über ein Gemeinsames Prüfungsamt und die Prüfungsordnung für die zweite Staatsprüfung für Juristen (ratifiziert durch Gesetz v. 26.6.1972, HmbGVBl. S. 119; letzte Änderung ratifiziert durch Gesetz v. 19.2.2008, HmbGVBl. S. 71 – LÜ) umgesetzt worden sind (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 8.9.2004, 9 A 34/04, juris Rn. 23 ff.).

24

Die Bewertung der Aufsichtsarbeiten in der zweiten Staatsprüfung für Juristen durch je zwei Votanten findet ihre Grundlage in § 11 Abs. 1 LÜ. Bei der Bewertung der Leistungen in berufsbezogenen Prüfungen ist ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum anzuerkennen (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 54; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 877 ff.). Das Gebot der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG erfordert eine Bewertung der Leistungen aller Prüflinge nach den Maßstäben der Prüfer. Das Gericht kann sich nicht an die Stelle der Prüfer setzen. Das Gericht kann nur überprüfen, ob das Verfahren eingehalten wurde, anzuwendendes Recht verkannt wurde, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzt wurden oder sachfremde Erwägungen ausschlaggebend waren (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 56). Es obliegt dem Prüfling, konkrete und substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung zu benennen (BVerwG, Beschl. v. 23.12.1993, 6 B 19/93, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 326, juris Rn. 8; Urt. v. 4.5.1999, 6 C 13/98, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 395, juris Rn. 35; OVG Hamburg, Beschl. v. 17.7.2008, 3 Bf 351/07.Z, NVwZ-RR 2008, 851, juris Rn. 23). Der prüfungsrechtliche Bewertungsspielraum ist jedoch auf prüfungsspezifische Wertungen beschränkt, erstreckt sich also nicht auf alle fachlichen Fragen, die den Gegenstand der Prüfung bilden (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 49). Unter fachlichen Fragen sind sowohl Fragen, die fachwissenschaftlich geklärt sind, als auch solche zu verstehen, die in der Fachwissenschaft kontrovers behandelt werden (BVerwG, Urt. v. 17.12.1997, 6 B 55/97, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 385). Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar sind, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden; eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, Rn. 57).

25

Weist die ursprüngliche Bewertung einer Prüfungsleistung erhebliche Fehler auf, so ist wegen des Grundsatzes der Chancengleichheit der Prüflinge grundsätzlich der ursprüngliche Prüfer mit der Neubewertung zu befassen. Denn dadurch lässt sich am besten gewährleisten, dass dieselben Maßstäbe, Vorstellungen und Erfahrungen zugrunde gelegt werden wie bei der ursprünglichen Bewertung (BVerwG, Urt. v. 24.2.1993, 6 C 38/92, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 314, juris Rn. 20). Eine Bewertung durch andere Prüfer kann nur dann beansprucht werden, wenn in der Bewertung der Prüfungsleistung Fehler solcher Art aufgetreten sind, die nicht durch die bisherigen Prüfer behoben werden können. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der Aufsichtsarbeit ZR I nicht vor. Die bisherige Bewertung der vom Kläger erbrachten Prüfungsleistung leidet zwar an erheblichen Fehlern, doch können die bisherigen Prüfer eine erneute, beurteilungsfehlerfreie Bewertung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erstellen (s.u. 2. a) und b)). Der Erst- und der Zweitvotant der Aufsichtsarbeit ZR I sind insbesondere nicht als befangen anzusehen und deshalb von einer erneuten Bewertung ausgeschlossen. Im Einzelnen:

26

Eine Befangenheit von Prüfern kann sich zunächst aus einem Verstoß gegen das Gebot der Sachlichkeit ergeben. Nach diesem Gebot haben die Prüfer die Prüfungsleistung mit innerer Distanz und frei von Emotionen zur Kenntnis zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 24.2.1993, 6 C 35/92, BVerwGE 92, 132, juris Rn. 19). Unsachlich wird die Bewertung dann, wenn der Prüfer seiner Verärgerung über schwache Prüfungsleistungen freien Lauf lässt und dadurch die Gelassenheit und emotionale Distanz verliert, ohne die eine gerechte Beurteilung schwerlich gelingen kann (BVerwG, Beschl. v. 8.3.2012, 6 B 36/11, juris Rn. 16; Urt. v. 20.9.1984, 7 C 57/83, juris Rn. 36). Allein aus einer drastischen Ausdrucksweise des Prüfers wird man aber regelmäßig nicht auf eine unsachliche Bewertung der Prüfungsleistung schließen können (BVerwG, Urt. v. 28.4.1978, VII C 50/75, BVerwGE 55, 355, juris Rn. 17). Eine Befangenheit von Prüfern kann sich ferner daraus ergeben, wenn diese sich von vornherein darauf festgelegt haben, ihre Benotung nicht zu ändern oder ihnen die Fähigkeit fehlt, eigene Fehler zu erkennen und einzuräumen oder diese mit dem ihnen objektiv gebührenden Gewicht zu bereinigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.5.1999, 6 C 13/98, juris Rn. 58).

27

Nach diesen Maßstäben sind keine Umstände dargelegt, die hinsichtlich der Votanten der Aufsichtsarbeit ZR I eine Besorgnis der Befangenheit begründen. Die Kammer teilt nicht die Einschätzung des Klägers, die Korrektoren seien offenkundig im Ansatz nicht dazu bereit gewesen, eine angemessene Begründung vor allem ihrer prüfungsspezifischen Bewertungen zu geben. Zwar trifft es zu, dass die im Erst- und Zweitvotum gegebenen Begründungen nicht hinreichend substantiiert sind und im Zuge einer Neubewertung nachgeholt werden müssen (s.u. 2. a)). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Neubewertung nicht durch die bisherigen Prüfer durchgeführt werden kann. Den bisherigen Prüfern kann nicht die Bereitschaft abgesprochen werden, den Begründungsanspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erfüllen. Soweit das Verwaltungsgericht Dresden in einer vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung (VG Dresden, Urt. v. 10.11.2004, 5 K 1034/02, juris Rn. 48) angenommen haben sollte, aus einer mangelhaften Begründung sei auf einen mangelhaften Begründungswillen zu schließen, wird dem nicht gefolgt. Denn die Chancengleichheit unter den Prüflingen gebietet, wie im Ansatz auch das Verwaltungsgericht Dresden anerkennt, dass die Neubewertung grundsätzlich von dem bisherigen Prüfer vorgenommen wird. Da ein vor Gericht zu erstreitender Anspruch auf Neubewertung voraussetzt, dass der Prüfer seine Bewertung nicht tragfähig begründet und diesen Fehler auch in einem Überdenkungsverfahren nicht behoben hat, kann in einem solchen Fehler allein kein Grund für einen Austausch des Prüfers gesehen werden. Soweit der Kläger meint, der Zweitkorrektor habe im Rahmen des Überdenkungsverfahrens keine nähere Begründung der Bewertung, sondern eher den Versuch eines „humoristischen Verrisses“ der Prüfungsleistung unternommen, teilt die Kammer diese Einschätzung nicht. Der Zweitprüfer hat sich im Überdenkungsverfahren eingehend und kritisch mit der Prüfungsleistung des Klägers auseinandergesetzt. Er hat damit den Versuch unternommen, sehr deutlich die aus seiner Sicht bestehenden Schwächen der Prüfungsleistung herauszuarbeiten. Die notwendige emotionale Distanz ist ihm dabei nicht abzusprechen, da die Kritik nicht unsachlich ist. Der Zweitvotant hat seine Ausführungen nach sachlichen Gesichtspunkten gegliedert (Rubrum, Tatbestand, innerhalb der Entscheidungsgründe Zulässigkeit und Begründetheit und innerhalb der Begründetheit nach Blattzahlen der Klausurbearbeitung). Dabei hat er mehrfach Fragezeichen – auch Doppelfragezeichen, auch kombiniert mit Ausrufezeichen – gesetzt. Damit ist eine Stilfrage aufgeworfen, die jedoch offen bleiben kann, da sie keinen Bewertungsfehler aufzeigt. Denn es wird an jeder Stelle ein sachlicher Bezug ersichtlich in dem Bemühen, die fachliche Fragwürdigkeit der Klausurbearbeitung an den betreffenden, vom Zweitprüfer jeweils mit Blattzahl angegebenen Stellen der Aufsichtsarbeit zu kennzeichnen. Soweit der Zweitvotant im Überdenkungsverfahren äußerte, sich weiterer „Ausführungen zu dieser völlig misslungenen, unstrukturierten Darstellung“ zu versagen, hat er sich einer drastischen Ausdrucksweise bedient, die aber nach den vorstehenden Maßstäben regelmäßig nicht auf eine unsachliche Bewertung schließen lässt. Während die Prüfungsleistung stark abwertende Äußerungen des Prüfers in der mündlichen Prüfung geeignet sein können, den Prüfling abzulenken und seine weitere Prüfungsleistung zu beeinträchtigen, besteht diese Gefahr bei schriftlichen Prüfungen nicht. Auch lässt die Äußerung des Zweitvotanten, die erst am Ende einer dreiseitigen Stellungnahme nach einer bis dahin eingehenden Auseinandersetzung mit der Prüfungsleistung des Klägers erfolgte, nicht auf einen mangelnden Willen zur Begründung schließen.

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2. Der Kläger kann hingegen mit dem zulässigen Hilfsantrag zu 1. a) bb) eine erneute Bewertung der Klausur ZR I durch dieselben Prüfer beanspruchen.

29

In der Aufsichtsarbeit hatte der Prüfling ein zivilgerichtliches Urteil zu entwerfen ausgehend von folgendem Sachverhalt: In einem notariellen Vertrag wurde ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück verkauft, dem Verkäufer aber unter § 7 ein seiner Rechtsnatur nach zweifelhaftes Recht auf „Mitbenutzung“ an dem Treppenhaus eines auf dem Grundstück zu errichtenden Hauses eingeräumt. Dieses Recht wurde nicht als Belastung ins Grundbuch eingetragen. Der Verkäufer erhob später Klage u.a. auf dingliche Einigung über die Einräumung einer Grunddienstbarkeit zugunsten seines unmittelbar benachbarten Grundstücks. Den angekündigten Klageantrag stellt er um, nachdem er das herrschende Grundstück veräußert hatte.

30

Die vom Erstvotanten und vom Zweitvotanten vorgenommenen Bewertungen der Aufsichtsarbeit mit 5 Punkten erweisen sich als fehlerhaft. Die Bewertung ist im Erst- und Zweitvotum unzureichend begründet (a)) Die Randbemerkung zu den Voraussetzungen einer Zwischenveräußerung ist beurteilungsfehlerhaft (b)). Keinen Beurteilungsfehler erkennen lassen hingegen die Randbemerkungen zur Nennung des Vertragsparagrafen (c)) und der für die Formgerechtigkeit des Vertrags maßgebenden Norm (d)).

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a) Die vorgelegten Bewertungen sind deshalb fehlerhaft, da es an einer abschließenden substantiierten Prüferkritik in den Voten fehlt.

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Die im Erstvotum gegebene Begründung ist unzureichend. Das Erstvotum nimmt auf die vereinzelten Randbemerkungen Bezug und gibt sodann ausführlich auf vier Seiten als „Zielvorgaben und Lösungskriterien“ einen Erwartungshorizont wieder. Dem folgt ein „Bewertungsraster“, in dem einzelnen Abschnitten des zu entwerfenden Urteils, etwa Rubrum/Tenor/Tatbestand, örtliche/sachliche Zuständigkeit, Inhalt der Vereinbarung, ein bestimmtes Gewicht an der Gesamtbewertung und dem Abschnitt in der Bearbeitung durch den Prüfling eine bestimmte Punktzahl von 0 bis 18 zugeordnet wird. Das Ergebnis der Bewertung durch den Erstvotanten für die Aufsichtsarbeit ergibt sich ausgehend davon allein durch Rechenoperationen. Im Überdenkungsverfahren führte der Erstvotant ergänzend aus: „Bei der jeweiligen Einzelbeurteilung nach diesem Bewertungsraster ziehe ich – so auch im vorliegenden Fall – sämtliche maßgeblichen Kriterien einer 'prüfungsspezifischen Bewertung' heran, wie Geordnetheit der Darlegung, Überzeugungskraft der Argumente, de[n] sprachliche[n] Ausdruck bzw. die Länge der sprachlichen Darstellungen zur Lösung der einzelnen Probleme dieser Klausur. […] Entscheidend in meinem Bewertungsmaßstab ist vielmehr berücksichtigt worden, dass insbesondere der Tatbestand nicht die gebotene komprimierte Darstellung des Sach- und Streitstandes enthielt. Vielmehr stellt – in Übereinstimmung mit dem Zweitvotanten – der Tatbestand den Sach- und Streitstand zu breit dar und ist teilweise auch mit Mängeln behaftet.“

33

Der Kläger dringt mit seiner Rüge durch, dass aus dem im Erstvotum verwendeten Bewertungsraster nicht hervor geht, warum er bei den Teilleistungen nur diese oder jene Punktzahl erhalten habe.

34

Die Rüge dringt deshalb durch, weil das Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG eine Begründung der Bewertung durch eine substantiierte Kritik der Prüfer an der jeweiligen Prüfungsleistung verlangt. Denn will der Prüfling einen materiellen Mangel in der Bewertung geltend machen, so muss er, wie bereits ausgeführt (s.o. 1.), konkrete substantiierte Einwendungen benennen. Dies kann aber nur gelingen, wenn der Prüfer die Bewertung begründet hat. Diese Begründung muss ihrem Inhalt nach so beschaffen sein, dass das Recht des Prüflings, Einwände gegen die Abschlussnote wirksam vorzubringen, ebenso gewährleistet ist wie das Recht auf gerichtliche Kontrolle des Prüfungsverfahrens unter Beachtung des Beurteilungsspielraums der Prüfer; daher müssen die maßgeblichen Gründe, die den Prüfer zu der abschließenden Bewertung veranlasst haben, zwar nicht in den Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein (BVerwG, Urt. v. 16.3.1994, 6 C 5/93, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 329, juris Rn. 30). Aus der Prüferkritik muss in groben Zügen hervorgehen, welche Stärken und welche Schwächen in der Prüfungsleistung gesehen werden. Die gebotene substantiierte Prüferkritik an einer juristischen Prüfungsleistung kann sich auf unterschiedliche Aspekte wie die Sachverhaltserfassung, Norminterpretation, Subsumtion, Methodik, Logik sowie die Sprache beziehen (VG Hamburg, Urt. v. 11.12.2014, 2 K 1285/11, juris Rn. 138). Die maßgeblichen Kriterien einer prüfungsspezifischen Bewertung hat der Erstprüfer zwar in seiner ergänzenden Stellungnahme abstrakt benannt, aber allein für den zu entwerfenden Urteilstatbestand konkret zugeordnet, unter welchem Aspekt er eine Schwäche der Prüfungsleistung sieht. Im Übrigen fehlt, wie der Kläger zu Recht rügt, ausgehend vom abstrakten Anforderungsprofil die erforderliche Subsumtionsleistung in Bezug auf die konkrete Prüfungsleistung des Klägers. Da die konkrete Einschätzung der Stärken und Schwächen der Prüfungsleistung dem Prüfer obliegt, kann nicht dem Prüfling oder dem Gericht überlassen bleiben, selbst die Konkretisierung eines abstrakt vorgegebenen Erwartungshorizonts vorzunehmen. Gerade diese Konkretisierung erfordert eine, allein dem Prüfer vorbehaltene, prüfungsspezifische Wertung. Die vom Erstvotanten in dem „Bewertungsraster“ ohne Begründung vorgenommene Zuordnung von Punktzahlen zu einzelnen Abschnitten der Prüfungsleistung genügt nicht, da die konkreten Stärken und Schwächen daraus nicht hervorgehen.

35

Das Zweitvotum macht sich das unzureichend begründete Erstvotum zu Eigen. Seine ergänzende Stellungnahme im Überdenkungsverfahren hebt diese Verweisung nicht auf und ist nicht auf eine vom Erstvotum unabhängige, allein tragende Begründung angelegt. Denn dort heißt es über die Prüfungsleistung des Klägers abschließend, dass der Zweitprüfer sich weitere Ausführungen versage.

36

b) Die Randbemerkung zu den Voraussetzungen einer Zwischenveräußerung, die sich das Erstvotum und über die Verweisung auf das Erstvotum auch das Zweitvotum zu Eigen macht, ist beurteilungsfehlerhaft.

37

Auf Seite 17 der Klausurbearbeitung erörterte der Kläger die Klageänderung und Zwischenveräußerung und führte aus: „Maßgeblicher Akt einer Veräußerung im Sinne des § 265 I ZPO ist der letzte nach materiellem Recht nötige Teilakt, hier die Eintragung ins Grundbuch.“ Dieser Satz wurde vom Erstprüfer am Rand mit einem senkrechten Strich und der Bemerkung „zw.“ versehen.

38

Die vom Kläger erhobene Einwendung dringt durch, der von den Prüfern kritisierte Satz gebe den Rechtsstandpunkt des Bundesgerichtshofs wieder und könne daher in seiner inhaltlichen Aussage nicht beanstandet werden. Zwar ist zweifelhaft, ob eine Veräußerung der streitbefangenen Sache vorliegt, wenn mit der Klage ein Anspruch aus Vertrag auf Einräumung einer Grunddienstbarkeit an dem veräußerten herrschenden Grundstück geltend gemacht wird. Doch hätten die Prüfer, wenn sie es so gemeint hätten, spätestens im Überdenkungsverfahren klarstellen müssen, dass sich ihre Zweifel darauf beziehen und nicht darauf, zu welchem Zeitpunkt sich eine Zwischenveräußerung vollzieht. Es genügt nicht, dass sich im abstrakten Erwartungshorizont im Erstvotum Ausführungen zur Frage der Zwischenveräußerung finden. Diese hätten die Prüfer vielmehr konkret auf die Prüfungsleistung des Klägers beziehen müssen, wenn sie damit eine die Bewertung tragende Prüferkritik verbinden hätten wollen. Die Prüferkritik muss aus sich heraus verständlich sein. Es kann weder dem Gericht noch dem Prüfling überlassen bleiben, der Prüferkritik tragfähige Gründe zu unterlegen. Die im Erstvotum angebrachte Prüferkritik betrifft Ausführungen des Klägers, die im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung stehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Beurteilung, zu welchem Zeitpunkt der rechtshängige Anspruch i.S.d. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgetreten worden ist, auf den für den Rechtserwerb notwendigen letzten Teilakt an (BGH, Urt. v. 13.3.1997, I ZR 215/94, juris Rn. 28). Der Sache nach entspricht dies in Bezug auf die Veräußerung eines Grundstücks dem mit der Randbemerkung bemängelten Satz in der Klausurbearbeitung durch den Kläger.

39

c) Der Bewertungsspielraum der Prüfer ist nicht überschritten, soweit sie in einer Randbemerkung die Nennung des Vertragsparagrafen anmahnten.

40

In der Klausurbearbeitung auf Seite 19 oben leitete der Kläger die Begründetheitsprüfung ein: „Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf die Abgabe einer Einigungserklärung für die Treppenhausbenutzung des streitgegenständlichen Gebäudes in Gera zugunsten der neuen Eigentümer D. aus dem am 16.02.2009 geschlossenen notariellen Vertrag. Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, daß die Parteien seinerzeit eine Grunddienstbarkeit i.S.d. §§ 1018 f. BGB vereinbar haben, […].“ Zwischen dem ersten und dem zweiten zitierten Satz findet sich die Randbemerkung „=> § 7 d. Vertrages“.

41

Ohne damit einen Bewertungsfehler aufzuzeigen, wendet der Kläger ein, dass er auf Seite 20 der Bearbeitung „§ 7 des Vertrages“ ausdrücklich benannt habe. Die Kritik der Prüfer an der Darstellungsweise ist nachvollziehbar. Die Prüfer überschreiten den ihnen zukommenden prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum nicht, wenn sie verlangen, bereits mit Einstieg in die Erörterung die vertragliche Anspruchsgrundlage möglichst genau zu nennen, d.h. hier nach den Gegebenheiten des Sachverhalts unter Angabe des Paragrafen des Vertrags.

42

d) Nicht zu beanstanden ist ferner, dass die Prüfer eine Nennung der für den Vertrag einschlägigen Formvorschrift anmahnten.

43

In der Klausurbearbeitung auf Seite 20 führte der Kläger aus: „In dem am 16.02.2009 formgerecht geschlossenen Grundstücksverkaufsvertrag…“ Die Prüfer markierten das Wort „formgerecht“ mit einer Schlangenlinie und bemerkten am Rand „Norm?“.

44

Der Kläger wendet ein, dass die Nennung der maßgeblichen Rechtsvorschriften entbehrlich erscheine, wenn – wie hier – die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes außer Streit stehe. Die Ausführungen des Klägers in der Aufsichtsarbeit konnte von den Prüfer kritisiert werden, ohne dass sie dadurch ihren Beurteilungsspielraum überschritten haben. Denn dann, wenn der Prüfling es für erforderlich hält, einen Vertrag als „formgerecht“ zu bezeichnen, mithin die Frage der Wirksamkeit unter formellen Gesichtspunkten aufwirft, dürfen die Prüfer vom Prüfling erwarten, dass er die insoweit einschlägige Norm nennt.

45

3. Der Kläger kann hinsichtlich der Aufsichtsarbeit ÖR II nicht gemäß dem zulässigen Hauptantrag zu 1. b) aa) eine erneute Bewertung durch dieselben Prüfer beanspruchen.

46

In der Aufsichtsarbeit waren ein Gutachten aus anwaltlicher Sicht und ein Schriftsatz bzw. ein Mandantenschreiben zu entwerfen ausgehend von folgendem Sachverhalt: Der Landrat genehmigte auf Antrag der Gemeinde einen „Kinderspielplatz“ von 1.700 m² mit Bolzplatz und befestigter Streetballanlage. Der Mandant S als Grundstücksnachbar widersprach dem Vorhaben nach seiner Fertigstellung. Der Landrat teilte dem Mandanten mit, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen werde, da das Widerspruchsrecht verwirkt sei. Der Mandant beauftragte den Rechtsanwalt zur Klageerhebung. Der Aufgabenstellung im Auszug beigefügt war ein ministerielles Rundschreiben „Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche", das bestimmte Immissionsrichtwerte ausweist.

47

Die Bewertung der Aufsichtsarbeit ÖR II mit 5 Punkten durch den Erst- und den Zweitvotanten hat Bestand. Die vom Kläger erhobenen Einwendungen im Hinblick auf das Vorverfahren (a)), die Klagefrist (b)), die formelle Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung (c)), den Gebietserhaltungsanspruch (d)), den Erst-Recht-Schluss (e)), die prinzipielle Zulässigkeit des Vorhabens (f)), die Lärmbewertung (g)) und die Verkennung des Naturschutzschutzes (h)) zeigen keinen Bewertungsfehler auf.

48

a) Die Prüferkritik an der Erörterung des Vorverfahrens ist nicht zu beanstanden.

49

Der Kläger führte auf Seite 5 der Klausurbearbeitung aus: „Fraglich ist jedoch, wie es sich verhält, dass gemäß § 68 I VwGO ein Vorverfahren vor Erhebung der Anfechtungsklage durchzuführen ist, welches vorliegend gegenüber dem S seitens der Behörde bereits am 8.8.2011 als unzulässig beschieden wurde. […] Da § 68 VwGO keine Aussagekraft über den Ausgang des jeweiligen Vorverfahrens, vgl. § 68, und der Wertung des § 75 VwGO zu entnehmen ist, daß bei einer Weigerung der Behörde in einem solchen Fall zu entscheiden, die Anfechtungsklage gegeben ist, steht das als unzulässig beschiedene Vorverfahren im Wege des Widerspruchs des S einer Klage nicht entgegen.“

50

Im Erstvotum ist ausgeführt: „Etwas unglücklich geraten und an einer mangelnden klaren Struktur leidend sind dann die Ausführungen zu dem Vorverfahren und [zur] Einhaltung der Klagefrist. Zu § 68 meint Verfasser, dass der Widerspruch als unzulässig beschieden worden sei. Tatsächlich ist hier aber nur von einer Nichtabhilfeentscheidung auszugehen. Erkennbar handelt es sich nicht um einen Widerspruchsbescheid. Hierzu hätte Verfasser das Schreiben näher auslegen müssen. Unterstellt, es handelt sich um einen Widerspruchsbescheid, wäre natürlich auch bei der Begründung, der Widerspruch sei unzulässig, von einem Vorverfahren auszugehen.“

51

Der Kläger dringt mit seiner gegen diese Prüferkritik im Widerspruchsverfahren erhobenen Einwendung nicht durch. Der Kläger bringt vor, ausgehend von der in der Klausur gewählten falschen Prämisse, das Schreiben der Behörde sei ein Widerspruchsbescheid, erschienen seine weiteren Ausführungen „entgegen der Kritik des Votanten aber durchaus konsequent, wobei sich dies aber erst nach mehrmaliger Lektüre der verwirrenden Ausführungen“ erschließe. Zurückzuweisen sei der Kritikpunkt, er, der Kläger, sei „von einem nicht ordnungsgemäß durchgeführten Vorverfahren ausgegangen, die wohl der Bemerkung des Erstvotanten entnommen werden müsse ,[u]nterstellt, es handelt sich um einen Widerspruchsbescheid, wäre natürlich auch bei der Begründung, der Widerspruch sei unzulässig, von einem Vorverfahren auszugehen.‘“

52

Die erhobene Einwendung zeigt deshalb keinen Bewertungsfehler auf, weil dem vom Kläger monierten Satz im Erstvotum die vom Kläger unterstellte Prüferkritik nicht entnommen werden kann. Der Erstvotant hat sich in dem monierten Satz auf die vom Kläger gewählte falsche Weichenstellung eingelassen und dargestellt, dass die Annahme eines Widerspruchsbescheids nicht dazu führen könne, die Durchführung eines Vorverfahrens zu verneinen. Dem monierten Satz lässt sich nicht die Prüferkritik entnehmen, dass der Kläger dies getan hätte. Die deutlich werdende Prüferkritik hinsichtlich des Vorverfahrenserfordernis nach § 68 VwGO beschränkt sich vielmehr darauf, dass die Darstellung „unglücklich geraten und an einer mangelnden klaren Struktur leidend“ sei. Gegen diese Einschätzung hat der Kläger keine substantiierten Einwendungen erhoben.

53

b) Keine Bewertungsfehler erkennen lässt auch die Prüferkritik an der Erörterung der Klagefrist.

54

Der Kläger führte in seiner Bearbeitung auf den Seiten 6 f. aus: „Eine Klage des S könnte verfristet sein, vgl. § 74 I VwGO, wonach eine Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides zu erheben ist. Mithin wäre die Monatsfrist des S zur Einlegung am 8.9.2011 abgelaufen. Aus dem gleichen Grund hatte die Behörde dem S bereits den Widerspruch als unzulässig versagt. Fraglich ist jedoch, wie es sich verhält, daß im Falle von Baugenehmigungserteilungen wie dem vorliegenden, dem S überhaupt nicht mitgeteilt worden [ist], daß entsprechende Fristen gegen ihn zu laufen beginnen. Die Behörde war vorliegend gemäß § 211 BauGB verpflichtet, den S als Beteiligten i.S.d. § 211 BauGB entsprechend über die Fristen zu belehren. Gemäß § 70 I, II i.V.m. § 58 II VwGO gilt in solchen Fällen die Jahresfrist des § 58 II VwGO, sowohl für die Erhebung des Widerspruchs, wie der Klageerhebung.“

55

Der Erstvotant kritisierte, wie bereits wiedergegeben (s.o. a)), auch hinsichtlich der Einhaltung der Klagefrist die mangelnde klare Struktur und führte weiter aus: „Zu § 74 stützt Verfasser die Rechtzeitigkeit der Klage letztlich auf § 70 in Verbindung mit § 58 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Das vermag nun überhaupt nicht zu überzeugen. Ausgehend von dem Schreiben vom 8. August war doch mangels fehlender Rechtsmittelbelehrung auf jeden Fall von der Rechtzeitigkeit der Klage auszugehen. Verfasser hätte innerhalb der ordnungsgemäßen Durchführung des Vorverfahrens sich mit § 70 auseinandersetzen müssen.“

56

Ohne Erfolg wendet der Kläger gegen diese Prüferkritik ein, seinen einschlägigen Ausführungen in der Aufsichtsarbeit lasse sich nicht entnehmen, dass er die Rechtzeitigkeit der Klage letztlich auf § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO stütze. Denn in der Klausurbearbeitung vermengte der Kläger das Erfordernis einer ordnungsgemäßen Durchführung des Vorverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO, in dessen Rahmen es auch auf die Widerspruchsfrist nach § 70 VwGO ankam, und das Erfordernis einer Einhaltung der Klagefrist nach § 74 VwGO. Es ist fehlerhaft und kann von den Prüfern beanstandet werden, die Einhaltung der Klagefrist über § 58 Abs. 2 VwGO, so wie es der Kläger in seiner Bearbeitung getan hat, daraus herzuleiten, dass über die nach § 70 VwGO laufende Widerspruchsfrist nicht belehrt worden war.

57

c) Das Vorbringen des Klägers hinsichtlich seiner Ausführungen zur formellen Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung enthält keine substantiierte Einwendung gegen die von den Votanten vorgenommene Bewertung seiner Prüfungsleistung.

58

Der Kläger befasste sich in der Klausurbearbeitung mit der Begründetheit der vom Mandanten zu erhebenden Klage und untersuchte auf den Seiten 9 f. zunächst die formelle Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung sowie die Konsequenzen, die sich daraus ergäben, dass die Baubeschreibung nicht mit dem Vermerk „bauaufsichtlich genehmigt“ versehen worden war.

59

Der Kläger zeigt mit seinem Vorbringen keinen Bewertungsfehler auf. Er räumt ein, dass der gewählte Prüfungsstandort nicht richtig und eine drittschützende Wirkung nicht ersichtlich sei. Dennoch sei seine Prüfung „nicht ohne Wert, da dieser auch die Reichweite der erteilten Baugenehmigung“ untersucht habe. Der Kläger wendet sich damit nicht gegen eine Prüferkritik, sondern macht einen „Wert“ seiner Prüfungsleistung geltend, den zu ermessen jedoch den Prüfern im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums vorbehalten ist. Ein den Beurteilungsspielraum begrenzender allgemein gültiger Bewertungsmaßstab, von dem ausgehend die Erörterung der „Reichweite der Baugenehmigung“ im Ergebnis zu einer positiveren Bewertung hätte führen müssen, ist nicht ersichtlich.

60

d) Die Prüferkritik an der Erörterung des Gebietserhaltungsanspruchs lässt keinen Beurteilungsfehler erkennen.

61

In der Klausurbearbeitung ab Seite 11 unten führte der Kläger aus: „Die Baugenehmigung könnte gegen den sogenannten Gebietserhaltungsanspruch verstoßen, welcher dem S einen Drittschutz gewährt gegenüber Verstößen durch Genehmigungserteilungen wie im vorliegenden Fall. […] Gemäß § 4 II BauNVO sind in allgemeinen Wohngebieten gemäß § 4 II Nr. 3 BauNVO Anlagen für kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke zulässig. Zwar ist in dem Katalog der Vorschrift ein Kinderspielplatz nicht genannt, jedoch wendet sich S vorliegend gegen einen Kinderspielplatz auf welchem auch Sportplätze – wie hier ein Bolzplatz sowie ein steinerner ‚Streetballplatz‘ integriert sind. Es muss einerseits davon ausgegangen werden, daß ein Kinderspielplatz einerseits bereits vom Normzweck des § 4 II BauNVO umfaßt ist, andererseits die allgemeine Zulässigkeit von Sportplätzen im Sinne eines erst-Recht-Schlusses auch Kinderspielplätze umfaßt.“

62

Im Zweitvotum heißt es dazu: „Verf. prüft dann aber nicht ausreichend, ob es sich bei dem konkreten Vorhaben um eine im allgemeinen Wohngebiet zulässige Anlage handelt. Das war angesichts der Besonderheiten dieser [A]nlage, die Verf. später bei der Freizeitlärmrichtlinie auch sieht, kaum zu begründen mit der Folge, dass bereits der Plangewährleistungsanspruch verletzt ist.“

63

Der Kläger räumt ein, dem Kritikpunkt, er habe nicht ausreichend begründet, warum es sich bei dem konkreten Vorhaben noch um eine im allgemeinen Wohngebiet zulässige Anlage handele, sei grundsätzlich nichts entgegenzusetzen. Der Kläger wendet jedoch gegen die weitere Kritik ein, dass das Verwaltungsgericht Trier (Urt. v. 7.7.2010, 5 K 47/10.TR, juris) einen Spielplatz, der wie die Anlage im Klausursachverhalt 1.700 m² umfasste, einen Bolzplatz und eine Streetballanlage beinhaltete, letztlich ohne Weiteres unter § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO subsumiert und die Besonderheiten der Anlage, wie er in der von ihm in der Aufsichtsarbeit entworfenen Lösung, im Verlaufe der weiteren Prüfung einer Verletzung des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots herausgestellt habe. Selbst wenn man die Lösung dieses Verwaltungsgerichts nicht für vertretbar halte, so könne nicht vorausgesetzt werden, dass der Prüfling intelligenter ist als die drei Berufsrichter einer Kammer. In jedem Fall sei zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass seine Ausführungen in Ergebnis wie Begründung weitgehend denjenigen dieses Verwaltungsgerichts entsprächen.

64

Die Kritik des Zweitvotanten, es sei „kaum zu begründen“, dass es sich bei dem konkreten Vorhaben um eine im allgemeinen Wohngebiet zulässige Anlage handele, ist nachvollziehbar. Es dürfte eine eingehende Begründung erfordern, um die Anlage der Art nach gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO für zulässig zu halten, wenn doch auch aus Sicht des Klägers in der Klausurbearbeitung Besonderheiten gegenüber einem typischen Kinderspielplatz bestehen. Bei der Anlage in ihrer konkreten Gestalt muss es sich um eine solche für soziale Zwecke handeln. Der Bezug zur angrenzenden Wohnnutzung und damit die Grundlage für eine Zulässigkeit im allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO erscheinen vorliegend durch die Größe der Anlage und ihre Ausgestaltung mit einer befestigten Streetballanlage und einem Bolzplatz in Frage gestellt zu sein. Ausgehend davon erscheint es nicht beurteilungsfehlerhaft, eine Erörterung der Besonderheiten des konkreten Spielplatzes bereits bei der Frage eines Gebietserhaltungsanspruchs nach § 4 BauNVO für vorzugswürdig zu halten und zu beanstanden, dass die Besonderheiten erst bei der Frage eines Anspruchs aus § 15 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BauNVO angesprochen werden.

65

Eine Vertretbarkeit der vom Kläger entworfenen Lösung ergibt sich auch nicht aus einem Vergleich mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts Trier in der in Bezug genommenen Entscheidung. Im Einzelnen:

66

Es kann dahinstehen, ob die Ausführungen in der benannten Gerichtsentscheidung in jeder Hinsicht fachlich vertretbar sind. Eine fachliche Vertretbarkeit mag zwar bereits durch ein einzelnes höchstrichterliches Urteil vermittelt werden (OVG Saarlouis, Beschl. v. 22.11.2000, 3 V 26/00 und 3 W 6/03 W 6/00, NVwZ 2001, 942, juris Rn. 28). Erstinstanzliche Urteile des Verwaltungsgerichts, auch solche der Kammer, prägen den rechtlichen Diskurs aber nicht in einer solchen Weise, dass sie als solche stets in jeder Hinsicht vertretbar sind. Sofern die vom Prüfling entworfene Lösung fachlich nicht vertretbar ist, kann der Prüfer ihm dies entgegenhalten. Dies gilt auch für untere Notenstufen. Denn die Frage der fachlichen Vertretbarkeit ist für alle Prüflinge gleich und unabhängig davon zu beurteilen, welche Notenstufe die Prüfungsleistung erzielt.

67

Denn zumindest entspricht die vom Kläger entworfene Lösung nicht derjenigen des Verwaltungsgerichts Trier im Bezugsfall (VG Trier, Urt. v. 7.7.2010, 5 K 47/10.TR, juris Rn. 37, 39, 41). Dieses hat, anders als der Kläger in der Klausurbearbeitung, an keiner Stelle die Aussage getroffen, eine Zulässigkeit des konkreten Vorhabens sei nach § 4 BauNVO gegeben. Insbesondere hat es nicht, wie der Kläger in seiner Bearbeitung, „ohne weiteres“ eine Zulässigkeit der Anlage im allgemeinen Wohngebiet angenommen, sondern differenziert. Es hat zunächst ausgeführt, dass „ein Kinderspielplatz für soziale Zwecke im Sinne des Abs. 2 Nr. 3 der Norm grundsätzlich zulässig“ sei, „ohne dass insoweit eine Überprüfung der Zulässigkeit nach immissionsschutzrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen hätte.“ Sodann hat es jedoch in dem von ihm zu entscheidenden Fall dafürgehalten, dass „ausnahmsweise eine besondere Prüfung der Zumutbarkeit der von der Spielplatzanlage ausgehenden Lärmemissionen geboten“ sei. Es handele sich zwar nicht um einen sog. Abenteuerspielplatz/Aktivspielplatz/Robinsonspielplatz, aber auch nicht um einen herkömmlichen Kinderspielplatz. Die Ballspielfläche und die Streetballanlage gingen über die üblichen Anlagen eines Kinderspielplatzes hinaus, so dass eine Überprüfung nach immissionsschutzrechtlichen Gesichtspunkten vorzunehmen sei.

68

e) Die vom Kläger im Widerspruchsverfahren erhobene Einwendung dagegen, dass der Zweitprüfer in einer Randbemerkung und in seinem ursprünglichen Zweitvotum bemängelte, ein Erst-Recht-Schluss sei unhaltbar, hat sich erledigt.

69

Diese Prüferkritik bezog sich auf die Ausführungen des Klägers auf Seite 13 der Bearbeitung: „Es muss einerseits davon ausgegangen werden, daß ein Kinderspielplatz einerseits bereits vom Normzweck des § 4 II BauNVO umfaßt ist, andererseits die allgemeine Zulässigkeit von Sportplätzen im Sinne eines erst-Recht-Schlusses auch Kinderspielplätze umfaßt.“

70

Auf die Entgegnung des Klägers, es entspreche seiner Annahme in der Klausurbearbeitung, dass Sportplätze viel weniger wohnverträglich seien, was die Grundlage für den von ihm vorgenommenen Erst-Recht-Schluss auf die Zulässigkeit der wohnverträglicheren Kinderspielplätze bilde, nahm der Zweitprüfer insoweit seine Kritik im Überdenkungsverfahren in der ergänzenden Stellungnahme vom 26. April 2013 zurück und räumte ein, dass er die Ausführungen in der Tat nicht richtig verstanden gehabt habe. Damit zeigt die erhobene Einwendung keinen Bewertungsfehler mehr auf. Denn Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle der Bewertung einer Aufsichtsarbeit ist die prüferische Entscheidung in der Fassung, wie sie von den Prüfern im Rahmen ihrer Überdenkungsentscheidung getroffen worden ist (VG Hamburg, Urt. v. 23.12.2014, 2 K 1285/11, juris Rn. 44; vgl. OVG Münster, Urt. v. 12.6.2013, 14 A 1600/11, NWVBl 2014, 68, juris Rn. 40). Die Voraussetzung, dass die Heilung eines Bewertungsfehlers im Überdenkungsverfahren dessen ordnungsgemäße Durchführung voraussetzt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9.10.2012, 6 B 39/12, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 417), ist erfüllt. Der Kläger hat gegen die vom Zweitprüfer angebrachte ergänzende Stellungnahme keine Bedenken erhoben. Unabhängig davon, ob die im Überdenkungsverfahren zu erstellende ergänzende Stellungnahme ausdrücklich auf jede vom Prüfling substantiiert erhobene Einwendung eingehen muss (dazu s.u. 4.), hat der Zweitvotant dies in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. April 2013 hinsichtlich aller vom Kläger substantiiert erhobenen Einwendungen (dazu s.o. a) bis d)) und s.u. f)) geleistet.

71

f) Die Einwendung des Klägers gegen die Prüferkritik an seinen Ausführungen in der Aufsichtsarbeit, den Kinderspielplatz „im Prinzip als bauplanungsrechtlich zulässig“ anzusehen und das ministerielle Rundschreiben zu Freizeitanlagen unerörtert zu lassen, dringt nicht durch.

72

In der Klausurbearbeitung erörterte der Kläger zunächst auf den Seiten 11 ff. einen „Verstoß gegen § 15 I S. 1 BauNVO i.V.m. § 4 I, II Nr. 3“ und verneinte auf den Seiten 14 f. eine Verletzung im Gebietserhaltungsanspruch. Sodann erörterte er ab der Seite 15 einen „Verstoß gegen § 15 I S. 2 BauNVO“ und in einem Einschub auf den Seiten 16a bis 16c, ob Kinderlärm immer zumutbar sei. Dabei ging er auf die Freizeitanlagen-Richtlinie ein, nach der Sozialadäquanz bestehe. Ferner stellte er auf Seite 15 unten und weiter auf Seite 17 die Frage, ob „das BImSchG überhaupt anzuwenden“ sei „auf Kinderlärm“.

73

Der Erstvotant führte dazu aus: „Verfasser meint nun zu Recht, dass inzidenter das Bundes-Immissionsschutzgesetz herangezogen werden könne, um dann wohl zunächst quasi vorab die Frage zu stellen, ob § 15 überhaupt auf Spielplätze zur Anwendung kommen könne. Gemeint ist wohl die Frage der Sozialadäquanz des Lärmes. Verfasser scheint hier zu prüfen, ob die Anlage unter die Freizeitrichtlinie fällt, was im Ergebnis bejaht wird, weil es sich eben wohl dann doch nicht um einen Spielplatz handelt, der typisch sei für ein allgemeines Wohngebiet. Hier stellen sich dann doch zwei Fragen: zum einen dürfte das de[m] vorherigen Ergebnis zum Gebietserhaltungsanspruch widersprechen, zum anderen wäre doch die Frage der Bindung der Freizeitrichtlinie zu stellen gewesen gerade im Hinblick auf das Gericht.“

74

Der Kläger wendet ein, es liege kein Widerspruch darin, den Kinderspielplatz „im Prinzip als bauplanungsrechtlich zulässig“ anzusehen, dann aber aufgrund von dessen Ausstattung und den sich daraus ergebenden Emissionen diesen als ausnahmsweise unzulässig anzusehen. Das Verwaltungsgericht Trier habe dies ebenso gehandhabt. Ausführungen zur Verbindlichkeit der Freizeitanlagen-Richtlinie könnten nicht verlangt werden, da auch das Verwaltungsgericht Trier diese nicht erbracht habe.

75

Ein Bewertungsfehler ist mit dieser Einwendung nicht aufgezeigt. Das Verwaltungsgericht Trier hat, wie dargelegt (s.o. d)), anders als der Kläger in seiner Klausurbearbeitung nicht angenommen, das konkrete Vorhaben sei am Maßstab des § 4 BauNVO zulässig. Bereits bei der Erörterung des Gebietserhaltungsanspruchs war die Frage aufgeworfen, ob die Besonderheiten des konkreten Spielplatzes noch der Gebietsbeschreibung für das Allgemeine Wohngebiet entsprechen. Nach der Aufgabenstellung der Aufsichtsarbeit, der im Auszug das ministerielle Rundschreiben „Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche“ beigefügt war, drängte sich auf, die Bindungswirkung der dort angenommenen Immissionsrichtwerte für das Gericht zu erörtern.

76

g) Die Prüferkritik an der Stringenz der zur Lärmbewertung erbrachten Darstellung ist nicht zu beanstanden.

77

Der Kläger erörterte, wie dargelegt (s.o. f)), in der Klausurbearbeitung im Einschub zu Seite 16 auf den Seiten 16a bis 16c, ob Kinderlärm immer zumutbar sei. Auf der Seite 16 unten und daran anschließend auf Seite 17 führte er dazu aus, ob „das BImSchG überhaupt anzuwenden“ sei „auf Kinderlärm“, der Lärm entstehe „erst durch die Kinder (als Menschen), wenn sie die Anlage benutzen“. Ein Ergebnis zur Frage der Anwendbarkeit des Bundes-Immissionsschutzgesetzes stellte der Kläger nicht dar.

78

Im Zweitvotum ist dazu bemerkt: „Nicht stringent sind die Ausführungen zur Lärmbewertung. So enthalten die Ausführungen im Einschub auf Seite 16 (S. 16a ff.) durchaus brauchbare Ansätze, doch scheinen die Ausführungen auf Seite 17 hierzu im Widerspruch zu stehen, da hiernach offenbar Kinderlärm doch nicht unzumutbar sein soll.“ Im Überdenkungsverfahren ergänzte der Zweitvotant: „Die Ausführungen auf Seite 17 halte ich nach mehrfachem Lesen weiterhin für äußerst unklar, was für sich genommen bereits negativ zu werten ist.“

79

Der Kläger wendet gegen die Prüferkritik ein, es liege kein Widerspruch vor zwischen den Ausführungen auf den Seiten 16 ff. und denen auf Seite 17. Denn er habe dort nicht behauptet, dass Kinderlärm nicht unzumutbar sei, sondern nur Ausführungen zu Anwendung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gemacht.

80

Diese Einwendung zeigt keinen Bewertungsfehler auf. Die Kritik des Zweitvotanten zielte auf die Darstellungsweise („scheinen… im Widerspruch zu stehen“, „äußerst unklar“). Die Darstellungsweise ist zu Recht der Kritik ausgesetzt. Die vom Kläger erbrachte Bearbeitung auf Seite 17 bettet die dort erörterte, dann aber nicht beantwortete Frage der Anwendbarkeit des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nicht hinreichend in den Gutachtenaufbau ein. Die Ausführungen zur Einschlägigkeit des Gesetzes sind auch nicht aus sich heraus tragfähig. Obwohl das anlagenbezogene Immissionsschutzrecht nur für anlagenbedingte schädliche Umwelteinwirkungen gilt, werden der Anlage auch die erst durch Menschen, Tiere oder Pflanzen hervorgerufenen Immissionen zugerechnet, die in einem betriebstechnischen bzw. funktionalen Zusammenhang mit dem Anlagenbetrieb stehen bzw. hierbei typischerweise verursacht werden (Jarass, BImSchG, 10. Aufl. 2013, § 22 Rn. 6b m.w.N.), wie etwa der durch Gäste auf dem Weg von und zu einer Gastwirtschaft verursachte Lärm (BVerwG, Urt. v. 7.5.1996, 1 C 10/95, BVerwGE 101, 157, juris Rn. 35).

81

h) Soweit der Kläger sich dagegen wendet, dass es im Erstvotum heißt: „In dem […] Ergebnis kommt Verfasser dann dazu, dass […] die Erteilung der Baugenehmigung in Verkennung des Naturschutzes erfolgt sei […].“, ist ein bloßer offensichtlicher Schreibfehler des Erstprüfers aufgezeigt, kein für das Ergebnis der Bewertung erheblicher Fehler, da ersichtlich der Nachbarschutz gemeint ist.

82

4. Der Kläger kann ebenso wenig mit dem zulässigen Hilfsantrag zu 1. b) bb) eine erneute Überdenkung der Aufsichtsarbeit ÖR II durch den Erstprüfer verlangen.

83

Es kann dahinstehen, ob ein Fehler im Verfahren der Überdenkung der Bewertung einer Prüfungsleistung dann einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch zu begründen vermag, wenn die Bewertung der Prüfungsleistung, wie vorliegend die Bewertung der Aufsichtsarbeit ÖR II (s.o. 3.), keinen Fehler erkennen lässt. So hat das Bundesverwaltungsgericht zwar in einer vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung (BVerwG, Beschl. v. 9.10.2012, 6 B 39/12, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 417, juris Rn. 6, dazu Anm. Neumann, jurisPR-BVerwG 10/2013 Anm. 5; vorausgehend OVG Münster, Urt. v. 18.4.2012, 14 A 2687/09, dazu Aufsatz Barton, NVwZ 2013, 555) die Bedeutung des Überdenkungsverfahrens in seiner Funktion für den Grundrechtsschutz durch entsprechende Verfahrensgestaltung hervorgehoben. Doch hat das Bundesverwaltungsgericht aus Anlass einer Entscheidung zu einem isolierten, nicht in das Widerspruchsverfahren eingebetteten Überdenkungsverfahren ausgeführt, dass der Prüfling bei berufsbezogenen Prüfungen keinen Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz gegen das Ergebnis eines durchgeführten verwaltungsinternen Kontrollverfahrens zur Überdenkung der Bewertungen seiner Prüfungsleistungen durch den Prüfer hat, da das verwaltungsinterne Kontrollverfahren bei der Bewertung von Prüfungsleistungen nur ein verfahrensrechtliches Instrument der Fehlerkontrolle ist (BVerwG, Urt. v. 9.8.2012, 6 B 19/12, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 415, juris Rn. 8, dazu Anm. Neumann, jurisPR-BVerwG 4/2013 Anm. 2).

84

Denn jedenfalls hat der Erstvotant der Aufsichtsarbeit ÖR II seine Bewertung ordnungsgemäß überdacht. Dies ergibt sich aus den an das Überdenkungsverfahren ausgehend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzulegenden Maßstäben. Damit das Verfahren des Überdenkens der Prüfungsentscheidung seinen Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings effektiv zu schützen, konkret erfüllen kann, muss nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gewährleistet sein, dass die Prüfer ihre Bewertungen hinreichend begründen, dass der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Korrekturbemerkungen der Prüfer einsehen kann, dass die daraufhin vom Prüfling erhobenen substantiierten Einwände den beteiligten Prüfern zugeleitet werden, dass die Prüfer sich mit den Einwänden des Prüflings auseinandersetzen und, soweit diese berechtigt sind, ihre Bewertung der betroffenen Prüfungsleistung korrigieren sowie alsdann auf dieser – möglicherweise veränderten – Grundlage erneut über das Ergebnis der Prüfung entscheiden (BVerwG, Beschl. v. 9.10.2012, 6 B 39/12, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 417, juris Rn. 6).

85

Das erkennende Gericht folgt der vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in einer Eilentscheidung vertretenen Auffassung nicht, dass es nicht ausreiche, wenn die Prüfer in ihren Stellungnahmen im Überdenkungsverfahren allein pauschal die erhobenen Einwendungen zurückwiesen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 1.7.2008, 2 ME 324/08, juris Rn. 9). Denn die Forderung, dass die Stellungnahme im Überdenkungsverfahren ausdrücklich auf jede erhobene Einwendung eingehen muss, kann der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entnommen werden. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung ausgeführt, dass dann, wenn die Prüfer zu dem Ergebnis kommen, dass ihre erste Bewertung weiterhin zutreffend ist, sie die dafür maßgeblichen Gründe mitzuteilen haben, wobei die Gründe erkennbar aus dem Bewertungsvorgang und der Kritik des Prüflings an ihm hergeleitet sein und aus Gründen der Chancengleichheit weiterhin den bisherigen Bewertungskriterien entsprechen müssen (BVerwG, Beschl. v. 15.7.2010, 2 B 104/09, juris Rn. 10). Diese Ausführungen ergingen jedoch in Beantwortung der Frage, ob das Nachschieben von wesentlich neuen Begründungsteilen im Widerspruchsverfahren zulässig ist (BVerwG, a.a.O., Rn. 9), d.h. inwieweit sich die ergänzende Stellungnahme von dem ursprünglichen Votum entfernen darf. Das Bundesverwaltungsgericht begnügte sich in dem ihm zur Entscheidung vorliegenden Einzelfall damit, dass nach den zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts die Stellungnahmen der Prüfungskommission über eine Konkretisierung der ursprünglichen Begründung nicht hinausgingen (BVerwG, a.a.O., Rn. 11). Die umgekehrte Frage, inwieweit ein bloßes Festhalten an einer – beurteilungsfehlerfreien – Bewertung im Überdenkungsverfahren zulässig ist, wird dadurch nicht beantwortet. Die Kammer nimmt an, dass die vom Prüfer im Überdenkungsverfahren zu erstellende ergänzende Stellungnahme nicht ausdrücklich auf jede der vom Prüfling erhobenen Einwendungen eingehen muss. Im Einzelnen:

86

Aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG folgt, dass der Prüfer sich im Überdenkungsverfahren wegen der hohen Bedeutung für den Grundrechtsschutz der Prüflinge mit den gegen seine Bewertung substantiiert erhobenen Einwendungen auseinandersetzen und seine eigene Bewertung selbstkritisch überprüfen muss. Sieht der Prüfer davon ab, in der ergänzenden Stellungnahme Einzelheiten seiner selbstkritischen Auseinandersetzung mit den erhobenen Einwendungen niederzulegen, so begibt er sich der Gelegenheit, seine Prüferkritik anhand der erhobenen Einwendungen in einzelnen Punkten zu erläutern oder zurückzunehmen und dadurch etwaige Bewertungsfehler im Überdenkungsverfahren zu heilen, die gegebenenfalls aus einer bislang nicht tragfähigen Prüferkritik folgen. Gleichwohl unterliegt die im Überdenkungsverfahren zu erbringende ergänzende Stellungnahme als solche nicht dem gleichen Begründungserfordernis wie die Bewertung der Prüfungsleistung selbst. Das Erfordernis einer substantiierten Prüferkritik in der Bewertung einer Prüfungsleistung folgt daraus, dass der Prüfling in der Lage sein muss, gegen sie substantiierte Einwendungen zu erheben (s.o. 2. a)). Die Bewertung ist sodann vom Prüfer auf substantiierte Einwendungen des Prüflings hin zu überdenken. Demgegenüber findet eine Überdenkung der Überdenkung nicht statt, wenn der Prüfer in seiner ergänzenden Stellungnahme seiner bisherigen Prüferkritik nichts hinzufügt und an seiner Bewertung auch im Ergebnis festhält. Insoweit bedarf es auch keiner substantiierten Begründung der Stellungnahme im Überdenkungsverfahren.

87

Damit in Übereinstimmung steht die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dem ebenso wie dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Zuständigkeit die letztinstanzliche fachgerichtliche Konkretisierung der aus den Grundrechten folgenden Vorgaben für das Prüfungsrecht obliegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist es nicht erforderlich, dass die Prüfer in ihrer Überdenkungsentscheidung auf jeden Aspekt der Einwendungen des Prüflings schriftlich eingehen (BFH, Urt. v. 3.2.2004, VII R 1/03, BFHE 204, 546 m.w.N.).

88

An die ergänzende Stellungnahme im Überdenkungsverfahren sind, entgegen der Auffassung des Klägers, nicht die Anforderungen zu erheben, die an die Begründung einer gerichtlichen Entscheidung gestellt sind. Zwar fordert das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, dass ein Berufungsgericht darauf inhaltlich eingeht, wenn ein Beteiligter die entscheidungserhebliche tatsächliche oder rechtliche Würdigung eines erstinstanzlichen Gerichts substantiiert in Frage stellt (BVerwG, Beschl. v. 4.8.2005, 2 B 5/05, DÖV 2006, 1046, juris Rn. 4 m.w.N.). Auch bietet das eigenständige verwaltungsinterne Kontrollverfahren zur Überprüfung der Einwände des Prüflings einen unerlässlichen Ausgleich für die unvollkommene Kontrolle von Prüfungsentscheidungen durch die Verwaltungsgerichte und erfüllt damit – in Ergänzung des gerichtlichen Rechtsschutzes – eine Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit (BVerwG, Beschl. v. 9.10.2012, 6 B 39/12, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 417, juris Rn. 6, in Anknüpfung an die Verfassungsrechtsprechung). Doch ergibt sich daraus gerade nicht, dass das Überdenkungsverfahren nach der Art und Weise gerichtlichen Rechtsschutzes durchzuführen ist. Die Stellungnahme des Prüfers im Überdenkungsverfahren zu den gegen seine eigene Bewertung erhobenen Einwendungen ist nicht mit der Entscheidung durch ein Verwaltungsgericht über eine Klage gegen eine Maßnahme der Beklagten oder mit der Entscheidung eines Oberverwaltungsgerichts über ein Rechtsmittel gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts vergleichbar. Das Gericht trifft eine objektive Entscheidung nach Recht und Gesetz, durch unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Richter nach § 1 GVG, Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG. Die Überdenkung als selbstkritische und selbständige Überprüfung der eigenen Beurteilung (OVG Münster, Urt. v. 18.4.2012, 14 A 2687/09, juris Rn. 73) ist demgegenüber durch die prüfungsspezifischen Wertungen geprägt, denen die Maßstäbe, Vorstellungen und Erfahrungen der Prüfer ebenso wie bei der ursprünglichen Bewertung zugrunde liegen (dazu BVerwG, Urt. v. 24.2.1993, 6 C 38/92, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 314, juris Rn. 20). Das Überdenkungsverfahren als verwaltungsinternes Kontrollverfahren findet seine Berechtigung gerade darin, dass eine gerichtsförmliche Kontrolle der prüfungsspezifischen Wertungen innerhalb des dem Prüfer zukommenden Beurteilungsspielraums nicht möglich ist.

89

Nach diesen Maßstäben belegt die vom Erstvotanten erbrachte Stellungnahme eine ordnungsgemäße Überdenkung. Der Erstvotant hat unter dem 15. April 2013 ausgeführt: „nach nochmaliger Überprüfung meiner Bewertung unter Zugrundelegung der Begründung des Widerspruchs des Kandidaten A. muss ich leider feststellen, dass ich grundsätzlich an meiner Bewertung festhalte, dass es sich um eine schwache Arbeit handelt […] Die Schwächen der Arbeit – hier nehme ich Bezug auf meine Ausführungen im Erstvotum – wiegen doch so stark, dass auch unter Berücksichtigung der Begründung des Widerspruchs und auch der dort hervorgehobenen positiven Ansätze der Arbeit meines Erachtens nach wie vor nur von einer knappen ausreichenden Leistung ausgegangen werden kann. Allerdings scheint mir dann der vom Widersprechenden zu Recht betonte hohe Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellung trotz aller inhaltlichen Bedenken eine Anhebung der Arbeit auf ausreichend (5 Punkte) wohl zu rechtfertigen.“ Die Äußerung bestätigt eine selbstkritische und selbständige Auseinandersetzung mit den vom Kläger erhobenen Einwendungen, die in diesem Fall zu einer Anhebung der Bewertung auf 5 Punkte geführt hat.

90

5. Der Kläger hat hinsichtlich der Aufsichtsarbeit ZR III nicht den mit dem zulässigen Hauptantrag zu 1. c) aa) geltend gemachten Anspruch auf erneute Bewertung durch zwei andere Prüfer.

91

Die Kammer teilt nicht die Einschätzung des Klägers, dass die Votanten im Ansatz nicht dazu bereit gewesen seien, den ihm als Prüfling zukommenden Begründungsanspruch zu erfüllen, so dass sie als befangen angesehen werden müssten und die gebotene Neubewertung der Prüfungsleistung von anderen Prüfern vorgenommen werden müsse.

92

Der Erstvotant legte unter dem 26. Januar 2012 eine substantiierte Begründung seiner Bewertung der Aufsichtsarbeit mit der Note mangelhaft (1 Punkt) vor. Der Zweitvotant nahm unter dem 5. Februar 2012 auf die Gründe des Erstvotums Bezug, die er teile, wenngleich er insgesamt die Note mangelhaft (2 Punkte) vergab. Erst- und Zweitvotant haben sich dadurch willens gezeigt, die von ihnen vorgenommenen Bewertungen zu begründen. Eine Befangenheit kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass Erst- und Zweitvotant im Überdenkungsverfahren an ihren Bewertungen und an den gegebenen Begründungen festgehalten haben. Im Überdenkungsverfahren nahm der Erstvotant am 30. April 2013 ergänzend Stellung und führte aus, dass er nach nochmaliger Durchsicht der Klausur und der Voten auch unter Beachtung der Widerspruchsbegründung bei der Bewertung in seinem Erstvotum verbleibe; der erhebliche Schwierigkeitsgrad der Aufgabe sei dabei berücksichtigt. Der Zweitvotant nahm unter dem 8. Mai 2013 dahingehend ergänzend Stellung, dass er, auch unter Berücksichtigung der Widerspruchsbegründung, seinem Votum nichts hinzuzufügen und die Punktzahl nicht zu verändern habe; insbesondere habe er den Schwierigkeitsgrad berücksichtigt.

93

Ausgehend von der damit dargelegten Bereitschaft, sich mit dem Widerspruchsvorbringen auseinanderzusetzen, kann auch aus dem vom Zweitprüfer in seiner ergänzenden Stellungnahme angebrachten Zusatz nicht auf seine Befangenheit geschlossen werden. Der Zweitvotant führte aus, dass er sich im Grunde durch die wortreiche „Begründung“ im Widerspruchsverfahren bestätigt fühle, denn es handele sich eigentlich nicht um die Begründung eines eventuell anderen Ergebnisses, sondern „eher um eine Art Gnadengesuch“; hierfür fühle er sich, auch aus Gleichheitsgründen, nicht zuständig. Diese Äußerung muss im Zusammenhang mit der Widerspruchsbegründung gesehen werden, auf die sie sich bezieht. In der Widerspruchsbegründung erhob der Kläger zwar auch substantiierte Einwendung gegen die Bewertung (dazu s.u. 6.). Doch räumte der Kläger zugleich ein, dass „der Kritik des Erstvotanten in ihren wesentlichen Punkten zugestimmt werden“ könne und müsse. Das gelte hinsichtlich der Prüfung des § 985 BGB und des Monitums der nicht erkennbaren Beachtung des Abstraktionsprinzips. Der Erstvotant hatte bemängelt, dass der Kläger einen Anspruch aus § 985 BGB auf 20 Seiten der Aufsichtsarbeit erörterte. Der Kläger gestand in der Widerspruchsbegründung ein, dass der Anspruch ohne größeren Begründungsaufwand zu verneinen war. Der Erstvotant hatte weiter dargelegt, dass wegen des Abstraktionsprinzips die Anfechtung des Kaufvertrags die dingliche Einigung nicht tangieren könne und, entgegen den Erörterungen des Klägers in der Aufsichtsarbeit, in diesem Anspruchskontext irrelevant sei. Als Ziel der Widerspruchsbegründung benannte der Kläger, in erster Linie den Erstvotanten davon zu überzeugen, dass seine Leistung zumindest entsprechend dem Zweitvotum mit 2 Punkten zu bewerten sei. Im Hinblick auf den erheblichen Schwierigkeitsgrad der Klausur erscheine aber auch die Vergabe von 3 Punkten noch vertretbar. Davon ausgehend lässt sich die Einschätzung des Zweitvotanten, seine Bewertung durch die Widerspruchsbegründung im Grunde bestätigt zu sehen, nicht beanstanden. Eine Höherstufung hat der Zweitvotant, unter Verweis auf Gleichheitsgesichtspunkte, die wegen der Chancengleichheit der Prüflinge ein sachliches Kriterium bilden, abgelehnt.

94

6. Der Kläger kann auch nicht mit dem zulässigen Hilfsantrag zu 1. c) bb) eine erneute Bewertung der Aufsichtsarbeit ZR III durch dieselben Prüfer verlangen.

95

In der Aufsichtsarbeit waren ein Gutachten aus anwaltlicher Sicht und ein Schriftsatz an das Gericht zu entwerfen, ausgehend von folgendem Sachverhalt: Die Mandantin G kaufte und erwarb bei dem Schmuckgeschäft der R u.a. ein Collier zum Preis von 12.000,-- Euro, das aufgrund seines Materials Platin einen Wert von 20.000,-- Euro hatte. Später beauftragte sie R mit der Kürzung des Colliers. Daraufhin teilte ihr R mit, die Verkaufsgehilfin habe sich über das Material des Colliers geirrt und denjenigen für Weißgold zugrunde gelegt. Der Kauf könne deshalb nicht aufrechterhalten werden, das Collier werde einbehalten. Nachdem W das Geschäft von R übernommen und das Platin-Collier an eine unbekannte Kundin verkauft hatte, erteilte G dem Rechtsanwalt folgenden Auftrag: „Ich möchte natürlich in erster Linie mein Platin-Collier wiederbekommen oder zumindest dessen Wert ersetzt haben, der ja deutlich höher ist als der Kaufpreis. […] Wenn das nicht geht, soll man mir eben den Kaufpreis zurückzahlen, und zwar in bar. […] Nur wenn es gar keine andere Möglichkeit gibt, würde ich auch wieder mit einer Gutschrift vorlieb nehmen. […] Mir ist allerdings gar nicht mehr so recht klar, gegen wen ich überhaupt gerichtlich vorgehen kann, nachdem das Geschäft einen neuen Inhaber hat. […] Bitte unternehmen Sie alles, was Sie für erforderlich und sinnvoll halten, ich lasse Ihnen da ganz freie Hand, solange Sie nur das Maximum für mich herausholen.“

96

Die Bewertungen der Aufsichtsarbeit ZR III durch den Erstvotanten mit 1 Punkt und durch den Zweitvotanten mit 2 Punkten haben Bestand. Der Kläger wendet sich ohne Erfolg gegen die Erwartung der Prüfer, einen Schadenersatzanspruch aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (a)), einen Rückübereignungsanspruch gegen G (b)), Ansprüche gegen R (c)) und einen vertraglichen Herausgabeanspruch zu erörtern (d)).

97

a) Es überschreitet den Beurteilungsspielraum nicht, dass der Erstprüfer im Erstvotum ausführte: „Auch über Ansprüche gegen R und gegen W aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 989, 990 I BGB) hätte man nachdenken können; dazu findet sich aber nichts.“

98

Ohne Erfolg wendet der Kläger gegen diese Prüferkritik ein, da Ansprüche aus §§ 989, 990 BGB nicht auf Wertersatz gerichtet seien, dürfe es in den dem Prüfling zukommenden Antwortspielraum fallen, diese Vorschriften unerörtert zu lassen.

99

Die Einwendung zeigt keinen Bewertungsfehler auf. Denn es ist nicht ersichtlich, dass es der Mandantin G darauf ankam, ob ihr Begehren im Wege des Schadenersatzes oder auf anderer Grundlage Erfolg hatte. Die Mandantin G ist nicht Juristin. Sie möchte ausweislich des dem Rechtsanwalt gegebenen Auftrags in zweiter Linie hinsichtlich des Platin-Colliers den „Wert ersetzt“ bekommen. Die Prüfer halten sich im prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum, wenn sie verlangen, etwaige Ansprüche zu erörtern, die der Mandantin den dem Wert entsprechenden Betrag verschaffen könnten.

100

b) Beurteilungsfehlerfrei ist auch die Prüferkritik im Erstvotum: „Aus der allzu vereinfachenden Sicht d. Bearb. ergibt sich der Anspruch der G gegen den W[…] auf Herausgabe des Erlöses von € 20.000 gemäß § 816 I BGB dann unproblematisch (S. 20-21). Bei Annahme einer wirksamen Anfechtung wäre in dem Kontext dann noch der Rückübereignungsanspruch gegen die G (§ 812 I S. 1 1. Alt. BGB) zu beleuchten und die Frage einer Entreicherung des W aufgrund dessen Weiterveräußerung zu erörtern ge[…]wesen.“

101

Die vom Kläger erhobene Einwendung, eine Erörterungslücke hinsichtlich des Rückübereignungsanspruchs gegen G liege nicht vor, da er in der Klausurbearbeitung zur Unwirksamkeit der Anfechtung gelangt sei, dringt nicht durch. Nach dem Sachverhalt der Aufsichtsarbeit kam ernsthaft in Betracht, dass der Rechtsgrund der Übereignung dadurch gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend entfallen war, dass der Kaufvertrag wegen Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB wirksam angefochten war. Das vom Kläger – nach ausgiebiger Erörterung der Anfechtungsfrist auf den Seiten 8 bis 14 – gefundene Ergebnis, die Anfechtung sei unwirksam, ist zumindest nicht unproblematisch. Davon ausgehend entsprach es anwaltlicher Vorsicht, in dem zu erstellenden Gutachten auch die Rechtsfolgen erörtern, die sich bei Annahme einer zum Nachteil der Mandantin wirksamen Anfechtung des Kaufvertrages ergäben. Unter der Hypothese einer wirksamen Anfechtung war zu erörtern, ob ein gegen die Mandantin G gerichteter, aus der etwaigen Rechtsgrundlosigkeit folgender Anspruch auf Rückübereignung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB den Ansprüchen der G hätte entgegengehalten werden können. Dies zu verlangen, überschreitet nicht den prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum der Prüfer.

102

c) Die Prüferkritik im Erstvotum, dass der Kläger die „Anspruchsgrundlagen für die G gegen die R“ nicht gesehen und „nur über eine Streitverkündung an diese“ nachgedacht habe, ist nicht zu beanstanden.

103

Der Kläger wendet ohne Erfolg ein, es stelle keinen Erörterungsmangel dar, Ansprüche gegen „R nicht explizit“ erörtert zu haben, da diese ohnehin nicht weiterreichen könnten als gegen W. Dass R gesamtschuldnerisch nach § 25 HGB hafte, darauf habe er in den Zweckmäßigkeitserwägungen über eine Streitverkündung hingewiesen.

104

Der prüfungsspezifische Spielraum ist eingehalten. Die Prüfer durften eine Erörterung der Ansprüche gegen R im materiellen Gutachten erwarten. Die Mandantin G hatte den Rechtsanwalt umfassend beauftragt, das „Maximum“ herauszuholen. Insbesondere wegen des Insolvenzrisikos ist es grundsätzlich vorteilhaft, mehrere Gesamtschuldner zur Auswahl zu haben und gegen die leistungsfähigen Klage zu erheben.

105

d) Soweit im Erstvotum eine „bedeutsame Bearbeitungslücke“ darin gesehen wird, dass der Kläger an keiner Stelle die Frage eines vertraglichen Herausgabeanspruchs aufwerfe und erörterte, lässt dies keinen Bewertungsfehler erkennen.

106

Der Kläger wendet ein, in dem Fehlen der im Prinzip gebotenen Prüfung eines vertraglichen Herausgabeanspruchs könne nicht ein schwerer Mangel gesehen werden. Er verweist auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart (VG Stuttgart, Urt. v. 12.8.2009, 12 K 4675/08, juris Rn. 35). Danach liegt ein Verstoß gegen allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe vor, soweit vom Prüfling in einer juristischen Prüfung verlangt wird, auch bereits für das Erreichen einer unteren Notenstufe fern liegende Gesichtspunkte zu erörtern bzw. soweit solche ebenso wie naheliegende und zum juristischen Grundwissen zählende Gesichtspunkte gleichgewichtig in die Bewertung mit einfließen.

107

Die Einwendung zeigt keinen Bewertungsfehler auf. Der Kläger greift nicht an, dass in dem Fehlen der Erörterung vertraglicher Herausgabeansprüche ein Mangel liegt. Die Beurteilung der Schwere des Mangels obliegt grundsätzlich der prüfungsspezifischen Wertung der Prüfer. Zwar mag ein Verstoß gegen allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe vorliegen, wenn bereits zum Erreichen einer unteren Notenstufe Ausführungen zu einer speziellen Problematik gefordert werden (insoweit auch VGH Mannheim, Urt. v. 10.11.2010, 9 S 624/10, juris Rn. 56 f., unter Aufhebung der vorgenannten Entscheidung des VG Stuttgart). Dies ist hier jedoch nicht zu erkennen. Wegen des Vorrangs vertraglicher Ansprüche und der nach dem Sachverhalt gegebenen vertraglichen Beziehungen zwischen der Mandantin G und der Vorinhaberin des Schmuckgeschäfts R liegt es im Beurteilungsspielraum der Prüfer, im Fehlen einer Diskussion vertraglicher Herausgabeansprüche einen schweren Mangel zu sehen. Der grundsätzliche Vorrang vertraglicher Ansprüche gehört zu den Grundkenntnissen, die allgemein, auch zur Erreichen der Notenstufe „ausreichend“, erwartet werden dürfen.

108

7. Dem Kläger steht ebenso wenig der mit dem zulässigen zweitrangigen Hilfsantrag zu 1. c) cc) geltend gemachte Anspruch auf Überdenkung der Bewertung der Aufsichtsarbeit ZR III durch zwei andere Prüfer zu. Unabhängig von der Frage, welche Folgen ein Fehler im Überdenkungsverfahren hat, und unabhängig davon, dass das vorliegende Überdenkungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde (s.u. 8.), ist es ausgeschlossen, die Überdenkung der Bewertung einer Prüfungsleistung durch eine andere Person durchzuführen, als den Prüfer, der die Bewertung abgegeben hat. Eine Überdenkung als selbstkritische und selbständige Überprüfung der eigenen Beurteilung (OVG Münster, Urt. v. 18.4.2012, 14 A 2687/09, juris Rn. 73) ist nur den betreffenden Prüfern möglich (BFH, Urt. v. 28.11.2002, VII R 27/02, BFHE 201, 471, juris Rn. 6 ff., VG Hamburg, Urt. v. 11.12.2014, 2 K 1285/11, juris Rn. 126).

109

8. Der Kläger kann auch nicht mit dem zulässigen drittrangigen Hilfsantrag zu 1. c) dd) eine Überdenkung der Bewertung der Aufsichtsarbeit ZR III durch dieselben Prüfer beanspruchen. Es kann dahinstehen, welche Folgen ein Fehler im Überdenkungsverfahren nach sich zöge. Denn die Votanten der Aufsichtsarbeit ZR III haben ihre Bewertungen zumindest ordnungsgemäß überdacht.

110

Im Überdenkungsverfahren haben der Erstvotant am 30. April 2013 und der Zweitvotant am 8. Mai 2013 ergänzend Stellung genommen (s.o. 5.). Sie haben dabei an ihren Bewertungen festgehalten, aber zum Ausdruck gebracht, dass sie sich mit den klägerischen Einwendungen auseinandergesetzt haben. Dies ist hinreichend. Denn nach den vorstehend aufgezeigten Maßstäben muss der Prüfer sich im Überdenkungsverfahren mit den erhobenen Einwendungen selbstkritisch auseinandersetzen, die zu erstellende ergänzende Stellungnahme aber nicht ausdrücklich auf jede der vom Prüfling erhobenen Einwendungen eingehen (s.o. 4.).

111

9. Die Klage ist im höchsthilfsweise gestellten Antrag zu 2., mit dem der Kläger im Wege einer Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 VwGO eine durch diesen eingetretene eigene Beschwer geltend macht, zulässig. Die Klage hat aber insoweit in der Sache keinen Erfolg. Unabhängig von der Frage, welche Folgen ein Fehler in dem in das Widerspruchsverfahren eingebetteten Überdenkungsverfahren hat, liegt ein beachtlicher Fehler nicht vor. Das Überdenkungsverfahren ist hinsichtlich der Aufsichtsarbeit ÖR II (s.o. 4.) und der Aufsichtsarbeit ZR III (s.o. 8.) ordnungsgemäß durchgeführt worden. Ein etwaiger Fehler im Überdenkungsverfahren über die Bewertungen der Aufsichtsarbeit ZR I wäre zumindest deshalb unbeachtlich, weil die Prüfer ohnehin eine Neubewertung vornehmen müssen (s.o. 2.).

II.

112

Die Kostenentscheidung durch verhältnismäßige Teilung der Kosten nach § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO berücksichtigt, dass die Klage nur im Hinblick auf die Bewertung von einer der drei benannten Aufsichtsarbeiten Erfolg hat. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

III.

113

Die teilweise Zulassung der Berufung durch das erkennende Gericht folgt aus § 124a Abs. 1 Nr. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Frage nach den Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Überdenkungsverfahrens sowie die sich daran anschließende Frage nach den Folgen eines Fehlers im Überdenkungsverfahrens, das in das Widerspruchsverfahren eingebettet ist, weisen grundsätzliche Bedeutung auf. Die Abweisung der Klage in den Anträgen zu 1. b) bb), c) dd) und 2. (s.o. 4., 8. und 9.) beruht auf der Annahme des erkennenden Gerichts, dass der Prüfer sich im Überdenkungsverfahren mit den erhobenen Einwendungen selbstkritisch auseinandersetzen, die zu erstellende ergänzende Stellungnahme aber nicht ausdrücklich auf jede der vom Prüfling erhobenen Einwendungen eingehen muss.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 13. Mai 2015 - 2 K 189/14

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 13. Mai 2015 - 2 K 189/14

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 13. Mai 2015 - 2 K 189/14 zitiert 33 §§.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

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Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von d

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 119 Anfechtbarkeit wegen Irrtums


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(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu e

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 142 Wirkung der Anfechtung


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 265 Veräußerung oder Abtretung der Streitsache


(1) Die Rechtshängigkeit schließt das Recht der einen oder der anderen Partei nicht aus, die in Streit befangene Sache zu veräußern oder den geltend gemachten Anspruch abzutreten. (2) Die Veräußerung oder Abtretung hat auf den Prozess keinen Einf

Handelsgesetzbuch - HGB | § 25


(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des frühere

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 990 Haftung des Besitzers bei Kenntnis


(1) War der Besitzer bei dem Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben, so haftet er dem Eigentümer von der Zeit des Erwerbs an nach den §§ 987, 989. Erfährt der Besitzer später, dass er zum Besitz nicht berechtigt ist, so haftet er in gleicher Weis

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 989 Schadensersatz nach Rechtshängigkeit


Der Besitzer ist von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an dem Eigentümer für den Schaden verantwortlich, der dadurch entsteht, dass infolge seines Verschuldens die Sache verschlechtert wird, untergeht oder aus einem anderen Grunde von ihm nicht herau

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 1


Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Gerichte ausgeübt.

Baugesetzbuch - BBauG | § 211 Belehrung über Rechtsbehelfe


Den nach diesem Gesetzbuch ergehenden Verwaltungsakten ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Stelle, bei der der Rechtsbehelf einzulegen ist, und über die Fri

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Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 23. Dez. 2014 - 2 K 1285/11

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Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 09. Okt. 2012 - 6 B 39/12

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Gründe 1 1. Die auf die Revisionsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie des Vorlie

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 09. Aug. 2012 - 6 B 19/12

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bei uns veröffentlicht am 10.11.2010

Tenor Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. August 2009 - 12 K 4675/08 - geändert.Die Klage wird abgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.Die Revision wird nicht

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 15. Juli 2010 - 2 B 104/09

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Gründe 1 Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Neubewertung zweier Aufsichtsarbeiten in der zweiten Staatsprüfung für Juristen, die Neuabnahme und Bewertung des Aktenvortrags in der mündlichen Prüfung sowie die Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote.

2

Der Kläger schloss sein rechtwissenschaftliches Studium durch die erste Prüfung für Juristen mit der Note „vollbefriedigend“ (10,90 Punkte) ab. Seine Leistungen als Referendar in den Stationen des juristischen Vorbereitungsdienstes wurden wie folgt bewertet:

3

Strafrechtsstation

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Zivilrechtsstation

„gut“ 

(14 Punkte)

Wahlstation

„gut“ 

(15 Punkte)

Verwaltungsstation

„befriedigend“

(9 Punkte)

Anwaltsstation (zweigeteilt, jeweils)

„gut“ 

(15 Punkte)

Wahlstation

„sehr gut“

(17 Punkte)

4

In der zweiten Staatsprüfung für Juristen fertigte der Kläger vom 7. bis 19. Februar 2008 die Aufsichtsarbeiten, welche zunächst wie folgt bewertet wurden:

5

Zivilrecht I

„gut“ 

(13 Punkte)

Zivilrecht II

„befriedigend“

(9 Punkte)

Zivilrecht III

„mangelhaft“

(3 Punkte)

ZHG     

„ausreichend“

(5 Punkte)

Strafrecht I

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Strafrecht II

„befriedigend“

(7 Punkte)

Öffentliches Recht I

„gut“ 

(14 Punkte)

Öffentliches Recht II

„mangelhaft“

(3 Punkte)

6

Am 26. Juni 2008 unterzogen sich der Kläger und seine Mitprüflinge, darunter die Zeugen A. und B., der mündlichen Prüfung, die von der Zeugin C. als Vorsitzende und Prüferin im Pflichtfach Öffentliches Recht, dem Zeugen D. als Prüfer im Pflichtfach Strafrecht, dem Zeugen Dr. E. als Prüfer im Wahlfach Öffentliches Recht sowie den Rechtsanwalt Dr. G. als Prüfer im Pflichtfach Zivilrecht abgenommen wurde. Der Aktenvortrag und die vier Abschnitte des Prüfungsgesprächs wurden wie folgt bewertet:

7

Aktenvortrag

„ausreichend“

(6 Punkte)

Pflichtfach Zivilrecht

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Pflichtfach Öffentliches Recht

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Pflichtfach Strafrecht

„befriedigend“

(8 Punkte)

Wahlfach Öffentliches Recht

„gut“ 

(14 Punkte)

8

Der Prüfungsausschuss sah von einer Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote ab. Der Kläger erreichte ausweislich des Ergebnisbescheids vom selben Tag in der zweiten Staatsprüfung für Juristen die Note „befriedigend“ (8,78 Punkte).

9

Der Kläger legte gegen den Bescheid mit einem auf den 30. Juni 2008 datierten und beim Gemeinsamen Prüfungsamt am 1. Juli 2008 eingegangenen Schreiben Widerspruch ein. Er führte aus, die Schlussentscheidung sei fehlerhaft, da eine Anhebung über das rechnerisch ermittelte Ergebnis hinaus nicht „ernsthaft erwogen“ worden sei und der Prüfungsausschuss darüber erneut zu entscheiden habe. Dazu nahmen die Prüfer Stellung und hielten an ihrer Entscheidung fest. Der Kläger begründete den Widerspruch unter dem 26. November 2008 weiter. In einer zusätzlichen Widerspruchsbegründung vom 22. März 2009 führte der Kläger dazu aus, dass er die Promotion und einen Master-Abschluss erworben habe und als […] tätig sei. In den beiden auf den 23. Juli 2010 datierten ergänzenden Widerspruchsbegründungen wandte sich der Kläger im Einzelnen gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeiten ZR III und ZHF. Die Gutachter der Aufsichtsarbeit ZR III blieben in ihren ergänzenden Stellungnahmen vom 3. August 2010 und 7. September 2010 bei ihrer Bewertung. Die Gutachter der Aufsichtsarbeit ZHG hoben mit ihren ergänzenden Stellungnahmen vom 24. August 2010 und 6. September 2010 ihre Bewertung auf die Note „ausreichend“ (6 Punkte) an. Mit einer zusätzlichen Widerspruchsbegründung vom 24. September 2010 brachte der Kläger vor, der Prüfungsausschuss sei „zumindest teilweise befangen“ und müsste die Entscheidung über die Abweichung überdenken. Das Gemeinsame Prüfungsamt der Beklagten schrieb die Zeugin C., den Zeugen D. und den Zeugen Dr. E. unter dem 30. September 2010 an und bat um Stellungnahme; der Prüfer Dr. G. war mittlerweile verstorben. Die Zeugin C. teilte mit Schreiben vom 29. November 2011 „nach Rücksprache mit Herrn D. und Herrn Dr. E. und im Einverständnis mit diesen“ mit, dass die erzielte Notenanhebung nicht zu einer – gegenüber der bisherigen – anderslautenden Entscheidung über die Vergabe von Zusatzpunkten führe. Nach einer weiteren Widerspruchsbegründung vom 23. Dezember 2010 änderte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2011 die Gesamtnote auf „befriedigend“ (8,87 Punkte) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.

10

Zur Begründung der am 7. Juni 2011 erhobenen Klage bringt der Kläger vor, er habe wegen der von ihm erhobenen Bewertungsrügen Anspruch auf Neubewertung der zwei angegriffenen Klausuren durch jeweils beide Votanten. Er könne eine Neuentscheidung über die Vergabe von Zusatzpunkten beanspruchen. Ferner habe er Anspruch auf eine erneute Abnahme des Aktenvortrags, da die Zeugin C. und der Zeuge D. befangen gewesen seien. Die Zeugin C. habe im Zuge der Eröffnung des Gesamtergebnisses geäußert, sie habe sich während des Aktenvortrags des Klägers gefühlt wie in einer seiner Unterrichtsstunden und sie selbst habe in einem der beiden Examina das Prädikat knapp verfehlt. Der Zeuge D. habe ebenfalls geäußert, dass er selbst in einem der beiden Examina das Prädikat knapp verfehlt habe. Ferner habe der Zeuge D. ihn, den Kläger, während der Strafrechtsprüfung angeschrien mit den Worten „Sind Sie wahnsinnig?“ und nach Eröffnung des Ergebnisses der mündlichen Prüfung mitgeteilt, er sei bei Betreten des Prüfungsraums durch den Kläger von dessen Erscheinungsbild enttäuscht gewesen. Der Kläger trägt weiter vor, er habe der für das Gemeinsame Prüfungsamt tätigen Zeugin F. in einem Gespräch einige Tage nach der mündlichen Prüfung die „persönlichen Dinge“ eröffnet, aber auf ihr Anraten hin nicht in seinen Widerspruch einbezogen.

11

Der Kläger beantragt,

12

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2011, soweit entgegenstehend, zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über das Ergebnis der zweiten Staatsprüfung für Juristen neu zu bescheiden

13

1. nach Neubewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III,
2. nach Neubewertung der Aufsichtsarbeit ZHG,
3. nach Neuabnahme und Bewertung des Kurzvortrags,
4. nach Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote.

14

Die Beklagte beantragt

15

die Klage abzuweisen.

16

Die Beklagte verteidigt die getroffene Prüfungsentscheidung, tritt den Rügen gegen die Bewertung der beiden bezeichneten Aufsichtsarbeiten, den gegen zwei Prüfer erhobenen Rügen der Befangenheit und den gegen die Entscheidung über die Abweichung vom rechnerischen Ergebnis erhobenen Rügen entgegen.

17

Das Gericht hat den Kläger in Person angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C., D., Dr. E., A., B. und F.. Einen Beweisantrag des Klägers im Hinblick auf Äußerungen der Zeugin C. im Zusammenhang mit der mündlichen Prüfung hat das Gericht abgelehnt.

18

Die Sachakten der Beklagten, bestehend aus der Prüfungsakte, dem Widerspruchsvorgang und einem Hefter mit den Aufgabenstellungen der Aufsichtsarbeiten, sind beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Auf diese sowie auf die Gerichtsakte wird wegen der Einzelheiten einschließlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die Entscheidung trifft die Kammer gemäß § 112 VwGO in der sich nach einem Wechsel in der Zusammensetzung zwischen Eröffnung der mündlichen Verhandlung am 23. Januar 2014 und Schluss der mündlichen Verhandlung am 11. Dezember 2014 ergebenden geschäftsplanmäßigen Besetzung (vgl. Clausing, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 112 Rn. 4).

I.

20

Die zulässige Klage hat in der Sache gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO keinen Erfolg. Der Bescheid vom 26. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat den Kläger frei von Rechtsfehlern über das Ergebnis der zweiten Staatsprüfung für Juristen mit der Note „befriedigend“ (8,87 Punkte) beschieden.

21

Grundlage der Prüfungsentscheidung sind die für juristische Prüfungen einschlägigen Vorschriften im Deutschen Richtergesetz (i.d.G. der Bekanntmachung v. 19.4.1972, BGBl. I S. 713, in den maßgebenden Bestimmungen zuletzt geändert durch Gesetz v. 11.7.2002, BGBl. I S. 2592 – DRiG), die hinsichtlich der zweiten Staatsprüfung für Juristen in den beteiligten Ländern durch die Übereinkunft der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein über ein Gemeinsames Prüfungsamt und die Prüfungsordnung für die zweite Staatsprüfung für Juristen (ratifiziert durch Gesetz v. 26.6.1972, HmbGVBl. S. 119; letzte Änderung ratifiziert durch Gesetz v. 19.2.2008, HmbGVBl. S. 71 – LÜ) umgesetzt worden sind (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 8.9.2004, 9 A 34/04, juris Rn. 23 ff.).

22

Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass die Beklagte ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bescheidet. Im Einzelnen kann der Kläger weder eine Neubewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III (1.) oder der Aufsichtsarbeit ZHG (2.) noch eine Neuabnahme und Bewertung des Kurzvortrags (3.) noch eine Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote (4.) verlangen.

23

1. Der Kläger kann keine Neubewertungen der Aufsichtsarbeit ZHG beanspruchen. Ausgehend von den Maßstäben der gerichtlichen Kontrolle (a)) hat die übereinstimmende Bewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III durch Erst- und Zweitvotanten mit der Note „mangelhaft“ (3 Punkte) Bestand (b)).

24

a) Die Bewertung der Aufsichtsarbeiten in der zweiten Prüfung für Juristen durch je zwei Votanten findet ihre Grundlage in § 11 Abs. 1 LÜ. Bei der Bewertung der Leistungen in berufsbezogenen Prüfungen ist ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum anzuerkennen (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 54; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 877 ff.). Das Gebot der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG erfordert eine Bewertung der Leistungen aller Prüflinge nach den Maßstäben der Prüfer. Das Gericht kann sich nicht an die Stelle der Prüfer setzen. Das Gericht kann nur überprüfen, ob das Verfahren eingehalten wurde, anzuwendendes Recht verkannt wurde, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzt wurden oder sachfremde Erwägungen ausschlaggebend waren (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, Rn. 56). Es obliegt dem Prüfling, konkrete und substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung zu benennen (BVerwG, Beschl. v. 23.12.1993, 6 B 19/93, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 326, juris Rn. 8; OVG Hamburg, Beschl. v. 17.7.2008, 3 Bf 351/07.Z, NVwZ-RR 2008, 851, juris Rn. 23). Der prüfungsrechtliche Bewertungsspielraum ist jedoch auf prüfungsspezifische Wertungen beschränkt, erstreckt sich also nicht auf alle fachlichen Fragen, die den Gegenstand der Prüfung bilden (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, Rn. 49). Unter fachlichen Fragen fallen sowohl Fragen, die fachwissenschaftlich geklärt sind, als auch solche, die in der Fachwissenschaft kontrovers behandelt werden (BVerwG, Urt. v. 17.12.1997, 6 B 55/97, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 385). Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar sind, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden; eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, Rn. 57).

25

b) Daran gemessen zeigen die vom Kläger erhobenen Einwendungen keinen für das Ergebnis erheblichen Fehler in der Bewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III auf.

26

In der Aufsichtsarbeit waren gemäß dem Bearbeitervermerk aus Anwaltssicht die Erfolgsaussichten einer bereits erhobenen Klage sowie das Bestehen sonstiger Ansprüche in einem Gutachten darzustellen. Bei Unzulässigkeit der Klage war in einem Hilfsgutachten zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen. Nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatten die Eigentümer eines Vorderlieger-Grundstücks die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zugunsten eines Hinterlieger-Grundstücks übernommen, eine Baulastfläche als ständig freizuhaltenden Zugang in einer Breite von mindestens 2,75 m zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich bestand eine Zufahrt über das Vorderlieger-Grundstück jedoch nur in einer Breite von 2,35 m. Die Mandanten kauften das Hinterlieger-Grundstück in der Annahme, die Breite betrage tatsächlich 2,75 m. Im Kaufvertrag wurde eine Grunddienstbarkeit vereinbart, nach welcher der Eigentümer des Hinterlieger-Grundstücks die mit der Baulast belastete Teilfläche zum Begehen und Befahren als Zugang nutzen könne. Die Gewährleistung wurde ausgeschlossen. Die Mandanten hatten bereits Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises erhoben, dabei Anfechtung und hilfsweise Rücktritt erklärt. Sie begehrten den Kaufpreis nebst Zinsen zurück und erstrebten die Erstattung weiterer Kosten.

27

Die vom Kläger gegen die Prüferkritik erhobenen Rüge betreffend die Prüfungsreihenfolge einzelner Ansprüche (aa)), die Prüfungsreihenfolge von Zulässigkeit und Begründetheit der zivilgerichtlichen Klage (bb)) sowie die Abgrenzung eines Mangels und eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (cc)) dringen nicht durch.

28

aa) Der Einwand des Klägers gegen die Prüferkritik an der Reihenfolge, in der die Ansprüche geprüft wurden, dringt nicht durch.

29

Der Kläger begann die Prüfung mit Ansprüchen aus Rückgewährschuldverhältnis nach Rücktritt (S. 1 der Bearbeitung).

30

Der Erstvotant merkte am Rand der Bearbeitung sowie im Erstvotum an, es sei wegen der erklärten Anfechtung besser mit Bereicherungsansprüchen zu beginnen. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte der Erstvotant aus, die Prüfungsreihenfolge sei aus seiner Sicht kein für die Beurteilung wichtiger Umstand. Der Zweitvotant hielt im Zweitvotum die Anfechtung für vorrangig und bekräftigte in seiner ergänzenden Stellungnahme, es stünden nach dem Wunsch des Mandanten die Anfechtung und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen im Vordergrund. Deshalb sei es geboten gewesen, mit der Anfechtung materiell-rechtlich zu beginnen.

31

Der Kläger hat gegen die Prüferkritik eingewandt, die Reihenfolge der Prüfung sei vertretbar und lediglich eine Frage der Zweckmäßigkeit.

32

Damit ist kein Fehler in der Bewertung der vom Kläger erbrachten Prüfungsleistung aufgezeigt. Der Antwortspielraum des Prüflings umfasst es nicht, eine erkennbar unzweckmäßige Prüfungsreihenfolge zu wählen. Zwar dürften nach der Grundregel die einen wirksamen Vertrag voraussetzenden Ansprüche auf Rückgewähr vor gesetzlichen Ansprüchen auf Herausgabe der Bereicherung zu prüfen sein. Wenn ein Mandant jedoch bereits vorrangig Anfechtung und hilfsweise Rücktritt erklärt hat, drängt sich auf, zunächst die sich aufgrund des durchdringenderen Gestaltungsrechts der Anfechtung etwaig ergebenden gesetzlichen Bereicherungsansprüche zu prüfen. Ansonsten käme es bei der Prüfung eines Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises aus Rückgewährschuldverhältnis zu einer leicht vermeidbaren Inzidentprüfung, ob der nach § 346 Abs. 1 BGB vorausgesetzte Vertrag durch Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend vernichtet ist. Darüber hinaus umfasst der aus einer Anfechtung wegen Arglist folgende Bereicherungsanspruch gemäß §§ 818 Abs. 2, Abs. 4, 819 Abs. 1, 142 Abs. 2 BGB auch den Wert der gezogenen Nutzungen.

33

bb) Ebenso hat die Prüferkritik an der Prüfungsreihenfolge von Zulässigkeit und Begründetheit Bestand.

34

Der Kläger prüfte die Zulässigkeit (S. 21 der Bearbeitung) nach einer die Prüfung in der Sache beinhaltenden Schlüssigkeitsstation (S. 1 ff. der Bearbeitung).

35

Der Erstvotant übte an dieser Reihenfolge keine Kritik. Der Zweitvotant bemerkte im Zweitvotum, es sei geboten, mit der Zulässigkeit der Klage zu beginnen. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte er aus, es sei nach seinem Verständnis vorweg die Zulässigkeit kurz zu prüfen, da in diesem Fall der Anwalt das Mandat von einem Kollegen übernommen habe.

36

Der Kläger hat gegen die Prüferkritik eingewandt, die gewählte Reihenfolge sei vertretbar. Etliche Voraussetzungen der Zulässigkeit richteten sich nach der materiellen Rechtslage.

37

Zu Recht hat der Zweitvotant einen dem Einzelfall nicht angemessen Prüfungsaufbau gerügt. Wie im Widerspruchsbescheid ausgeführt, hat der Kläger in der Bearbeitung die Besonderheit des Einzelfalls übersehen, die darin liegt, dass nach Erhebung der Klage ein Anwaltswechsel stattgefunden hat. Für den Fall, dass der Mandant die Erhebung einer Klage erst noch beabsichtigt und der Bearbeitervermerk nichts anderes anordnet, mag in einer Anwaltsklausur üblicherweise die materielle Rechtslage vor der Zulässigkeit eines sich auf Grundlage der Prüfung in der Sache erst zu bestimmenden Rechtsbehelfs zu erörtern sein. Gemäß Bearbeitervermerk waren aber die Erfolgsaussichten der erhobenen Klage zu prüfen. Dies impliziert die Prüfung von Zulässigkeit und Begründetheit in dieser Reihenfolge. Bei Unzulässigkeit der Klage war in einem Hilfsgutachten zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen, was ebenfalls eine Prüfung der Zulässigkeit vor einem Einstieg in die Sachprüfung voraussetzt.

38

cc) Desgleichen ist die Prüferkritik hinsichtlich der Abgrenzung zwischen einem dem Kaufgegenstand anhaftenden Mangel und einem Wegfall der Geschäftsgrundlage des Kaufvertrags nicht zu beanstanden.

39

Der Kläger führte aus (S. 4 f. der Bearbeitung), ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB, d.h. ein Abweichen von der vereinbarten Beschaffenheit, scheide aus, weil eine Zufahrt zum Grundstück vereinbart sei, nicht aber eine Breite von 2,75 m. Ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB sei gegeben, da keine Eignung zur Bebauung als vorausgesetzter Verwendung bestehe. Der Kläger prüfte und bejahte sodann einen Anspruch aus Rückgewährschuldverhältnis wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (S. 10 ff. der Bearbeitung).

40

Der Erstvotant bemerkte am Rand der vom Kläger vorgenommenen Erörterung eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (S. 11 der Bearbeitung): „Dies begründet doch den Mangel“. Im Erstvotum führte er aus, es werde übersehen, dass wegen der Überwegung eine Grunddienstbarkeit bewilligt worden sei. Diese Grunddienstbarkeit habe sich auf eine Zuwegung mit einer ganz bestimmten Breite bezogen. Eine Verneinung der Beschaffenheitsvereinbarung sei kaum vertretbar. In seiner ergänzenden Stellungnahme setzte der Erstvotant hinzu, zur Beschaffenheit des Grundstücks dürfte eine mindestens 2,75 breite Zuwegung gehören. Der Zweitvotant legte im Zweitvotum dar, ein Wegfall der Geschäftsgrundlage liege sicherlich nicht vor. Die Baulast über die Grunddienstbarkeit sei Vertragsbestandteil geworden. In seiner ergänzenden Stellungnahme bezog der Zweitvotant sich auf die ergänzende Stellungnahme des Erstvotanten.

41

Der Kläger hat eingewandt, die Annahme eines Rechtsbindungswillens für eine Beschaffenheitsvereinbarung widerspreche dem im Kaufvertrag enthaltenen Gewährleistungsausschluss. Die Prüfung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage müsse vertretbar sein. Eine als vertretbar eingestufte Entscheidung dürfe nicht an anderer Stelle als falsch bewertet werden.

42

Die Votanten haben zu Recht kritisiert, dass der Kläger eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB verneint und einen Wegfall der Geschäftsgrundlage bejaht hat. Die in § 7 des Kaufvertrages enthaltenen Regelungen über die Folgen von Mängeln und Pflichtverletzungen beinhalten einen Haftungsausschluss und betreffen nicht die logisch vorrangige Frage, wann tatbestandlich Mängel vorliegen, also insbesondere die Frage einer Beschaffenheitsvereinbarung. Dieser Unterschied zeigt sich insbesondere darin, dass ein tatbestandlicher Ausschluss von Mängeln notwendig Gewährleistungsansprüchen entgegenstünde, ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss jedoch nach § 444 Alt. 1 BGB nicht wirksam ist, falls der Verkäufer arglistig gehandelt hat, was in der Aufsichtsarbeit in Betracht zu ziehen war. Es ist widersprüchlich, wenn der Kläger wegen der Breite der Zufahrt einen Sachmangel (S. 5 der Bearbeitung) und zugleich einen Wegfall der Geschäftsgrundlage (S. 11 der Bearbeitung) bejaht. Die Geschäftsgrundlage kann keine Überdeckung mit dem Inhalt des Geschäfts aufweisen. Geschäftsgrundlage sind gemäß § 313 Abs. 1, Abs. 2 BGB wesentliche Umstände und wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nicht der Inhalt des Vertrags selbst.

43

2. Der Kläger kann auch keine Neubewertung der Aufsichtsarbeit ZHG beanspruchen. Nach dem anzulegenden Maßstab (a)) hat die im Überdenkungsverfahren von beiden Votanten auf die Note „ausreichend“ (6 Punkte) angehobene Bewertung der Aufsichtsarbeit ZHG Bestand (b)).

44

a) Die Bewertung obliegt den Prüfern in den Grenzen ihres Beurteilungsspielraums (s.o. 1. a)). Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist dabei die prüferische Entscheidung in der Fassung, wie sie von den Prüfern im Rahmen ihrer Überdenkungsentscheidung getroffen worden ist (OVG Münster, Urt. v. 12.6.2013, 14 A 1600/11, NWVBl 2014, 68, juris Rn. 40; vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.3.2001, 6 B 6/01, NVwZ 2001, 922, juris Rn. 4).

45

b) Die vom Kläger gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeit ZHG erhobenen Bedenken zeigen keinen Beurteilungsfehler auf.

46

Nach dem Bearbeitervermerk war eine Entscheidung des Gerichts über eine Klage zu entwerfen. Die Klägerin in der Aufsichtsarbeit hatte Klage erhoben mit den angekündigten Klageanträgen, die Zwangsvollstreckung aus einem vorangegangenen Urteil des Beklagten gegen ihren Ehemann für unzulässig zu erklären 1. in bestimmte, näher bezeichnete Gegenstände und 2. in eine angebliche Forderung des Ehemanns der Klägerin gegen die Hausbank auf Rückgewähr einer Sicherungsgrundschuld an einem Grundstück, das im Miteigentum beider Eheleute stand. In der Aufsichtsarbeit erklärte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor Stellung der Anträge den Rechtsstreit hinsichtlich des angekündigten Antrags zu 2. für erledigt.

47

Die klägerischen Einwände gegen die Prüferkritik im Hinblick auf den Verkündungsvermerk (aa)), die Bezeichnung der Drittwiderspruchsklage im Urteilstatbestand (bb)), die Darstellung des erledigten Klageantrags (cc)), die Darstellung des Miteigentums (dd)), die Datumsangabe für eine Darlehensrückzahlung (ee)), die Bezeichnung des betreffenden Kraftfahrzeugs (ff)) sowie die Schlüsselgewalt (gg)) dringen nicht durch.

48

aa) Der – zunächst berechtigte – Einwand des Klägers hinsichtlich des Verkündungsvermerks hat sich durch die von den Votanten im Überdenkungsverfahren vorgelegten ergänzenden Stellungnahmen erledigt.

49

In der Bearbeitung zeigte der vom Kläger erstellte Urteilsentwurf keinen Verkündungsvermerk.

50

Dies wurde im ursprünglichen Erstvotum als Fehler moniert. Das ursprüngliche Zweitvotum schloss sich dem ursprünglichen Erstvotum an. In seiner ergänzenden Stellungnahme räumte der Erstvotant auf den Einwand des Klägers hin ein, dass der Verkündungsvermerk nicht vom Richter, sondern vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auf das Urteil gesetzt werde. Der Zweitvotant verhielt sich in seiner ergänzenden Stellungnahme nicht ausdrücklich zu diesem Punkt, schloss sich jedoch der durch die ergänzende Stellungnahme des Erstvotanten auf „ausreichend“ (6 Punkte) erhöhten Bewertung an.

51

Hinsichtlich des Verkündungsvermerks ist nunmehr keine Prüferkritik mehr geübt. Der Erstvotant hat seine im ursprünglichen Erstvotum geübte unberechtigte Kritik zurückgenommen. Der Zweitvotant hatte zunächst im ursprünglichen Zweitvotum durch Inbezugnahme des ursprünglichen Erstvotums die unberechtigte Kritik geteilt. Für den Zweitvotanten bestand, nachdem er von der ergänzenden Stellungnahme des Erstvotanten Kenntnis genommen und sich die Notenanhebung zu Eigen gemacht hatte, keine Veranlassung mehr zu weiteren Ausführungen zu der hinsichtlich des Verkündungsvermerks erledigten Prüferkritik.

52

bb) Der Einwand des Klägers hinsichtlich der Bezeichnung der Drittwiderspruchsklage im Urteilstatbestand zeigt keinen Bewertungsfehler auf.

53

Der Kläger führte im Einleitungssatz des Urteilstatbestandes ausdrücklich aus, es werde mit einer „Drittwiderspruchsklage“ vorgegangen (S. 3 der Bearbeitung), und begründete in der Zulässigkeitsprüfung die Statthaftigkeit einer Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 Abs. 1 ZPO (S. 9 der Bearbeitung)

54

In den Randbemerkungen (S. 3 und S. 9 der Bearbeitung) monierten die Votanten die Vornahme einer Bewertung im Urteilstatbestand. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte der Erstvotant aus, die Einordnung als Drittwiderspruchsklage sei erst im Rahmen der Zulässigkeit vorzunehmen. Der Zweitvotant bekräftigte in seiner ergänzenden Stellungnahme, die rechtliche Qualifizierung als Drittwiderspruchsklage habe im Tatbestand nichts zu suchen.

55

Der Kläger hat dagegen eingewandt, „unstreitige Rechtsbegriffe“, wie hier derjenige der Drittwiderspruchsklage, dürften im Tatbestand Verwendung finden.

56

Zu Recht hat der Kläger in den Entscheidungsgründen die rechtliche Einordnung als „Drittwiderspruchsklage“ normativ begründet. Denn, wie in der Klageerwiderung hervorgehoben, war in der Aufsichtsarbeit insoweit kein „unstreitiger Rechtsbegriff“ gegeben. Der Begriff „Drittwiderspruchsklage“ wurde von den Parteien im Sachverhalt der Aufsichtsarbeit nicht verwendet, so dass er vom Kläger im Urteilstatbestand nicht hätte zugrunde gelegt werden dürfen.

57

cc) Die Prüferkritik hinsichtlich der Darstellung des erledigten Klageantrags lässt keinen Beurteilungsfehler erkennen.

58

Der Kläger (S. 6 f.) stellte im entworfenen Urteilstatbestand zunächst – jeweils unter Einrückung im Original – folgende Anträge der Parteien dar:

59

„Die Klägerin beantragt

60

1. [es folgt der zu 1. angekündigte Klageantrag]

61

und beantragte zunächst

62

2. [es folgt der zu 2. angekündigte Klageantrag].“

63

Die Beklagte beantragt,

64

die Klage abzuweisen.“

65

Am Ende des entworfenen Urteilstatbestandes führte der Kläger (S. 8 der Bearbeitung) aus: „Aufgrund des Verzichts des Beklagten […] hat das Amtsgericht Siegen den diesbezüglichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss […] aufgehoben. In der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2007 hat die Klägerin den Antrag für erledigt erklärt.“

66

Die Votanten bemerkten am Rand der Darstellung des Klageantrags zu 2.: „hatte den Antrag angekündigt“. Der Erstvotant legte im Erstvotum dar, dass dem Verfasser nicht bekannt sei, dass Anträge nach § 137 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung gestellt sind. Die beiden Votanten hoben in ihren ergänzenden Stellungnahmen hervor, dass Klageanträge vor der mündlichen Verhandlung erst angekündigt würden.

67

Die Votanten notierten am Ende des Urteilstatbestandes: „Diese Form der Darstellung mag den Erfordernissen des § 313 ZPO entsprechen und auch in der Ausbildungslit. empfohlen werden – unüblich, mißverständlich und verwirrend ist sie jedenfalls.“ Im Erstvotum heißt es, der Tatbestand unterrichte im Wesentlichen vollständig, Probleme bestünden bei der ungeschickten Darstellung des Geschehens zum erledigten Klagantrag. Das Zweitvotum schließt sich dem Erstvotum an.

68

Der Kläger hat eingeräumt, es sei sicherlich richtig, dass Anträge in der Klageschrift lediglich angekündigt würden. Die gewählte Formulierung sei aber nicht falsch. In § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO werde davon ausgegangen, dass Anträge bereits in der Klageschrift gestellt würden. Erledigungserklärungen unterfielen nicht als Anträge § 313 Abs. 2 ZPO und gehörten in die Prozessgeschichte.

69

Die Prüfer haben die konkrete Darstellungsweise kritisiert, ohne damit die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschritten zu haben. Die vom Kläger in seiner Bearbeitung gewählte Formulierung „beantragte zunächst“ lässt nicht erkennen, dass – anders als ein Antrag zu 1. – ein Antrag zu 2. in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden war. Aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ergibt sich nur, dass die Klageschrift einen bestimmten Antrag enthalten soll, d.h. es muss ein bestimmter Antrag formuliert werden. Vorbereitende Schriftsätze sollen nach § 130 Nr. 2 ZPO die Anträge enthalten, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt. Erst die mündliche Verhandlung wird gemäß § 137 Abs. 1 ZPO dadurch eingeleitet, dass die Parteien ihre Anträge stellen. Die Ankündigung des Antrags zu 2. hätte – als zur Prozessgeschichte gehörend – in der Zeitform Perfekt dargestellt werden müssen. Zudem wird der Leser nach der vom Kläger gewählten Darstellungsweise erst am Ende des Urteilstatbestandes über den erledigten Teil des Rechtsstreits informiert. Es ist eine nicht zu beanstandende prüfungsspezifische Wertung, diese Darstellung als ungeschickt zu würdigen, denn es hätte der üblichen Darstellungsweise entsprochen und hätte den Leser besser geführt, den erledigten Teil des Rechtsstreits zwar als Teil der Prozessgeschichte, aber vor den Anträgen darzustellen, die von den Parteien in der mündlichen Verhandlung gestellten wurden.

70

dd) Die Prüfer haben den ihnen zukommen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der von ihnen kritisierten Darstellung des Miteigentums im Urteilstatbestand nicht überschritten.

71

Der Kläger führte im Urteilstatbestand (S. 3 f. der Bearbeitung) aus: „Am 30.08.2003 trafen die Eheleute L. vor dem Notar K. eine Vereinbarung (Bl. 6 d. A.), nach der u.a. der streitgegenständliche Dielenschrank, der zuvor Eigentum des Herrn L. gewesen war, an die Klägerin übereignet wurde. Das Grundstück St. Straße 5, ... S., dessen Miteigentümerin die Klägerin zu einem Bruchteil von ½ ist, war von der notariellen Vereinbarung nicht erfasst. Am 04.03.2005 bestellten die Eheleute L. der Sparbank S. AG eine Grundschuld über […] Euro 20.000,- als Sicherheit für ein bei der Sicherungsnehmerin gesamtschuldnerisch aufgenommenes Darlehen.“

72

Die Votanten strichen den zweiten der drei zitierten Sätze durch und notierten am Rand der Bearbeitung „überflüssig“.

73

Der Kläger hat dagegen eingewandt, auf die Darstellung des Miteigentums am Grundstück komme es wegen § 91a ZPO, d.h. der Regelung über die Kostenentscheidung bei Erledigung, an. Der gestrichene Satz beziehe sich auf die Eigentumsverhältnisse am Grundstück, möge er auch „leicht missverständlich formuliert“ sein.

74

Zwar bedurfte es in dem Urteilsentwurf an geeigneter Stelle der Darstellung des Miteigentums am Grundstück. Doch betraf der konkret der Prüferkritik unterliegende Satz einen Dielenschrank als Teil des beweglichen Vermögens. In diesem Zusammenhang erfolgte der Hinweis auf das Miteigentum der Klägerin am Grundstück in der Tat am falschen Ort und deplatziert. Der Angabe, dass das Grundeigentum von der notariellen Vereinbarung nicht erfasst war, bedurfte es an dieser Stelle ebenso wenig.

75

ee) Der Einwand des Klägers, es habe einer Datumsangabe für die Darlehensrückzahlung nicht bedurft, zeigt keinen Fehler in der Bewertung durch die Votanten auf.

76

Der Kläger führte aus (S. 4 der Bearbeitung): „Das Darlehen wurde von den Eheleuten zwischenzeitlich zurückgezahlt.“

77

Die Prüfer brachten dazu die Randbemerkung an: „genau: 30.4.2007“

78

Dagegen hat der Kläger eingewandt, es bestehe keine Notwendigkeit, das Datum der Darlehensrückzahlung im Tatbestand aufzuführen.

79

Die Wendung „zwischenzeitlich“ ist jedoch – wie in der Klageerwiderung ausgeführt – sehr unpräzise und erfüllt nicht die Informationsfunktion des Tatbestandes, da diverse Geschehnisse als zeitliche Anknüpfungsmerkmale in Betracht kommen. Für die Frage, ob die Pfändung aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 19. November 2007 zulässig war, kommt es darauf an, ob die Eheleute das Darlehen bereits zu diesem Zeitpunkt zurückgezahlt hatten.

80

ff) Auch der Einwand des Klägers, es habe keiner genaueren Bezeichnung des Kraftfahrzeugs bedurft, zeigt keinen Fehler in der Bewertung durch die Votanten auf.

81

Der Kläger (S. 5 der Bearbeitung) gab im Urteilstatbestand an: „Im Jahr 2006 wurde der BMW angeschafft“ (S. 5).

82

Die Prüfer notierten am Rand: „ungenau: welcher?“

83

Der Kläger hat dagegen eingewandt, es bestehe angesichts des Klageantrags keiner Notwendigkeit einer näheren Bezeichnung.

84

Der entworfene Urteilstatbestand durfte von den Prüfern insoweit als unzureichend moniert werden. In dem Gerichtsverfahren, das u.a. die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in bestimmte bewegliche Sachen zum Gegenstand hatte, erforderte die Informationsfunktion des Urteilstatbestandes die Mitteilung, welche konkrete Sache i.S.d. § 90 BGB Gegenstand der Ausführungen war, etwa durch eine geeignete Inbezugnahme auf den Klageantrag.

85

gg) Nicht zu beanstanden ist die Prüferkritik hinsichtlich der Erörterung der Schlüsselgewalt.

86

Der Kläger (S. 13 der Bearbeitung) führte aus: „Bei dem Fahrzeugkauf handelte es sich nämlich um ein Geschäft zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs des Ehegatten nach § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB, denn bei dem Lebensstandard des Bauträgers, der mit Immobilien hunderttausende Euro bewegte, gehört ein Fahrzeug der Mittelklasse zum Lebensbedarf der Familie.“

87

Die Votanten bemerkten dazu am Rand der Bearbeitung: „das Auto gehört noch nicht zur Basisversorgung“, „Kl. war pleite!“, „falsche Spur“.

88

Der Kläger hat dagegen eingewandt, er sei in seinen Ausführungen mit gewichtigen Argumenten davon ausgegangen, dass das für die Einkäufe genutzte Fahrzeug in diesem Einzelfall noch zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Eheleute gezählt habe. Durch die vorgenommene abwägende Argumentation sei sein Standpunkt zumindest fachlich vertretbar.

89

Die prüfungsspezifische Wertung verletzt den Antwortspielraum des Prüflings nicht. Zumindest reicht die Argumentation des Klägers nicht hin, um ein § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB unterfallendes Geschäft zu bejahen. Nach dieser Vorschrift ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Maßstab ist das, was von einem Ehegatten selbständig, d.h. ohne Konsultation und Mitwirkung des anderen, zwecks Bedarfsdeckung erledigt zu werden pflegt (BGH, Urt. v. 13.2.1985, IVb ZR 72/83, BGHZ 94, 1). Der Kläger hat in seiner Bearbeitung nicht dargestellt, dass diese Voraussetzungen vorgelegen hätten.

90

3. Der Kläger kann ferner nicht die Neuabnahme und Bewertung des Aktenvortrags beanspruchen. Einen solchen Anspruch hätte der Kläger nur dann, wenn das Prüfungsverfahren oder die Bewertung des in der mündlichen Prüfung vom 26. Juni 2008 gehaltenen Aktenvortrags an einem Fehler litte, der nur durch Wiederholung der Prüfungsleistung behoben werden könnte. Nach dem anzulegenden Maßstab (a)) ist einer solcher Fehler weder in formeller Hinsicht (b)) noch in materieller Hinsicht (c)) aufgezeigt.

91

a) Die Abnahme des Aktenvortrags als erster Teil der mündlichen Prüfung beruht auf § 16 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 LÜ. Die Bewertung obliegt gemäß § 17 Abs. 1 LÜ dem Prüfungsausschuss, dem insoweit ein prüfungsrechtlicher Beurteilungsspielraum zukommt. Aus § 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG folgt die Verfahrensanforderung, dass sich ein Prüfer der Mitwirkung enthalten muss, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Soweit sich die Rüge der Befangenheit auf Äußerungen stützt, die durch die Prüfer im Verfahren der Leistungsbewertung abgegeben werden, sind diese Äußerungen am Gebot der Sachlichkeit zu messen. Hiernach haben die Prüfer die Prüfungsleistung mit innerer Distanz und frei von Emotionen zur Kenntnis zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 24.2.1993, 6 C 35/92, BVerwGE 92, 132, juris Rn. 19). Unsachlich wird die Bewertung dann, wenn der Prüfer seiner Verärgerung über schwache Prüfungsleistungen freien Lauf lässt und dadurch die Gelassenheit und emotionale Distanz verliert, ohne die eine gerechte Beurteilung schwerlich gelingen kann (BVerwG, Beschl. v. 8.3.2012, 6 B 36/11, juris Rn. 16; Urt. v. 20.9.1984, 7 C 57/83, juris Rn. 36). Eine Befangenheit von Prüfern kann sich ferner daraus ergeben, wenn diese sich von vornherein darauf festgelegt haben, ihre Benotung nicht zu ändern oder ihnen die Fähigkeit fehlt, eigene Fehler zu erkennen und einzuräumen oder diese mit dem ihnen objektiv gebührenden Gewicht zu bereinigen (vgl. BVerwG, Urt. 4.5.1999, 6 C 13/98, juris Rn. 58). Es obliegt dem Prüfling nach § 6 Abs. 5 Satz 1 LÜ, eine Beeinträchtigung des Prüfungsablaufs – und damit insbesondere eine Besorgnis der Befangenheit – unverzüglich zu rügen. Die Rüge ist nach § 6 Abs. 5 Satz 2 LÜ spätestens nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses unbeachtlich, es sei denn, der Referendar hat die Verspätung der Rüge nicht zu vertreten. An die Unverzüglichkeit der Rüge im Falle einer behaupteten Voreingenommenheit oder Befangenheit eines Prüfers ist insbesondere dann ein strenger Maßstab anzulegen, wenn der Prüfling mündliche Äußerungen des Prüfers beanstandet; dies dient neben der Wahrung der Chancengleichheit gegenüber anderen Prüfungsteilnehmern auch dazu, der Prüfungsbehörde eine möglichst zeitnahe Überprüfung des Sachverhalts zu ermöglichen (VGH München, Beschl. v 20.8.2012, 7 ZB 12.554, juris, Rn. 10 m.w.N.).

92

b) Daran gemessen dringen die vom Kläger gegen die Mitwirkung der Zeugen C. (aa)) und D. (bb)) als Prüfer erhobenen Rügen einer Besorgnis der Befangenheit nicht durch.

93

aa) Die Zeugin C. musste sich nicht von der Mitwirkung als Vorsitzende des Prüfungsausschusses enthalten. Die Rüge einer Besorgnis der Befangenheit dränge selbst dann nicht durch, wenn unterstellt würde, die Zeugin C. habe sich so geäußert, wie es der Kläger vorbringt. Der vom Kläger beantragten Beweiserhebung bedurfte es insoweit nicht. Im Einzelnen:

94

Soweit der Kläger vorbringt, die Zeugin C. habe ihm in der Vorbesprechung am 24. Juni 2008 unangenehme Fragen über das Liebesleben [des Kollegen] gestellt und von ihrer Zeit in dessen Kursen in K. erzählt, ist die Rüge einer Besorgnis der Befangenheit jedenfalls nach § 6 Abs. 5 Satz 2 LÜ verspätet. Denn es handelt sich um Umstände, die dem Kläger bereits vor Beginn der mündlichen Prüfung bekannt geworden sind und die er deshalb vor Antritt der mündlichen Prüfung hätte geltend machen müssen. Unabhängig davon wäre auf Grundlage des Vortrags des Klägers keine Besorgnis der Befangenheit anzunehmen. Es erscheint möglich, dass sich die Zeugin im Vorgespräch etwa nur auflockernd innerhalb der Grenzen eines „small talks“ geäußert hat.

95

Soweit der Kläger vorbringt, die Zeugin C. habe im Zuge der Eröffnung des Prüfungsergebnisses geäußert, sie habe sich während der Prüfung wie in einer der Unterrichtsstunden des Klägers gefühlt, wäre darin eine Prüferkritik an der vom Kläger als Prüfling verwandten Vortrags- und Darstellungsweise zum Ausdruck gekommen, die den Boden der Sachlichkeit nicht verlassen hätte.

96

Soweit der Kläger vorträgt, die Zeugin C. habe darauf hingewiesen, dass sie selbst in einem der beiden juristischen Examina kein Prädikat erzielt habe, lässt dies nicht darauf schließen, dass sie bei der prüferischen Entscheidungsfindung das Gebot der Sachlichkeit missachtet hätte. Es ist nicht erkennbar, dass die Zeugin C. ein ihr selbst fehlendes Prädikatsexamen als Begründung heranziehen wollte, um dem Prüfling ein Prädikatsexamen zu versagen. Es ist nicht ersichtlich, dass ein solcher Hinweis der Prüfer mehr beinhaltete als tröstende Worte an den Kläger, der ausgehend von seinen eigenen Angaben in der persönlichen Anhörung „natürlich absolut enttäuscht“ war, das erhoffte Prädikatsexamen nicht erreicht zu haben.

97

Soweit der Kläger geltend macht, die Zeugin C. habe sich nach Eröffnung des Prüfungsergebnisses geweigert, Vorgänge in der mündlichen Prüfung in das von ihr geführte Protokoll aufzunehmen, zeigt er schon kein fehlerhaftes Verhalten der Vorsitzenden und damit erst recht keinen Grund für eine Besorgnis der Befangenheit auf. Über die mündliche Prüfung ist gemäß § 19 Satz 1 LÜ eine vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses zu unterzeichnende Niederschrift aufzunehmen, in der die Gegenstände und die Einzelbewertungen der mündlichen Prüfung, die Entscheidung nach § 17 Abs. 3 LÜ, die Prüfungsnote und die Schlussentscheidung des Prüfungsausschusses mit der Gesamtnote festgestellt werden. Neben den Noten sind dabei gemäß § 19 Satz 2 LÜ auch die festgesetzten Punktzahlen niederzulegen. Weitere Umstände sind in die Niederschrift nicht aufzunehmen.

98

bb) Der Zeuge D. musste sich ebenso wenig einer Mitwirkung als Mitglied des Prüfungsausschusses enthalten.

99

Soweit der Kläger vorträgt, der Zeuge D. sei ihn in der Pflichtfachprüfung im Strafrecht „zwischenzeitlich geradezu aggressiv“ angegangen, habe ihn mit den Worten „Sind sie wahnsinnig?“ schreiend unterbrochen und sodann einem Mitprüfling das Wort erteilt, hat das Gericht auf Grundlage der Beweisaufnahme nicht die Überzeugung erlangt, dass sich die Umstände wie vom Kläger geschildert zugetragen haben. Die Angaben des persönlich angehörten Klägers genügen für sich genommen nicht, um dem Gericht die notwendige Überzeugung zu verschaffen. Zwar hat der Kläger in seiner persönlichen Anhörung insofern keine Belastungstendenz gegen den Zeugen D. erkennen lassen, als der Kläger auch angegeben hat, der Zeuge habe nach Eröffnung des für ihn, den Kläger, nicht erwünschten Prüfungsergebnisses ihm gegenüber geäußert: „Sie sind ein Macher, Sie schaffen das auch so.“ Auch hat der Kläger die dem Zeugen D. zugeschriebene Äußerung nicht gänzlich ohne Zusammenhang dargestellt. Der Kläger hat bekundet, der Zeuge D. habe auf die Antwort zu einer der Fragen, an wen genau man sich im Hinblick auf einen internationalen Haftbefehl wenden solle in einer deutschen Botschaft, an den Botschafter oder an eine andere Person, geäußert: „Sind Sie wahnsinnig?“. Doch belegen weder die Aussagen der als Zeugen vernommenen drei verbliebenen Prüfer D., Dr. E. und C. noch die Aussagen der als Zeugen vernommenen Mitprüflinge A. und B. insoweit die Schilderung des Klägers. Im Einzelnen:

100

Der Zeuge D. hat bekundet, dass ihm die mündliche Prüfung selbst nicht mehr erinnerlich sei. Der Zeuge Dr. E. hat angegeben, sich nur noch an ein im Anschluss an die Prüfung zwischen der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses und dem Kläger geführtes Gespräch zu erinnern. Die beiden Zeugenaussagen sind insoweit nicht ergiebig.

101

Die weiteren Zeugen haben ausgesagt, sich an die mündliche Prüfung zu erinnern, nicht aber an die dem Zeugen D. zugeschriebene Äußerung. Es wäre aber zu erwarten gewesen, dass sie sich erinnert und dies in ihrer Zeugenaussage bekundet hätten, wenn sich der Zeuge D. als Prüfer gegenüber dem Kläger als Prüfling aggressiv verhalten, ihn angeschrien und unterbrochen hätte. So hat die Zeugin A. den klägerischen Vortrag nicht bestätigt, aber in ihrer Vernehmung bekundet, der Zeuge D. sei als Prüfer mit den gegebenen Antworten „nicht so richtig zufrieden“ gewesen, habe die Prüflinge der Reihe nach raten lassen und die Fragen dann weitergereicht. Der Zeuge B. hat zwar ausgesagt, sich an den Ablauf der mündlichen Prüfung zu erinnern, und detailliert bekundet, sich über die Art der Prüfungsführung geärgert zu haben, da der Zeuge D. als Prüfer im Strafrecht ein, zwei Fragen gestellt und dann bei diesem Fragenkomplex verharrt habe. Doch hat der Zeuge B. bekundet, sich an konkrete Äußerungen nicht erinnern zu können. Die Aussagen der vom Kläger als Zeugen benannten Mitprüflinge A. und B. sind glaubhaft. Sie sind detailreich und lassen, zumal sie Kritik am Prüfungsstil des Zeugen D. beinhalteten, keine Tendenz zugunsten des Zeugen D. oder zulasten des Klägers erkennen. Die Zeugin C. hat glaubhaft ausgesagt, sich an die mündliche Prüfung zu erinnern, nicht aber an eine Äußerung des Zeugen D. „Sind Sie wahnsinnig?“. Die Zeugin hat in ihrer Vernehmung den Eindruck vermittelt, dass es ihr um die gewissenhafte Darstellung des selbst Wahrgenommenen gehe. Sie hat sich offen geäußert und beispielsweise dargelegt, dass der Aktenvortrag „– außerhalb des Protokolls – in einem Maschinengewehrtempo“ so gewesen sei, dass man sich „erschlagen“ gefühlt habe. Angesichts der verstrichenen Zeit war ein höherer Detailreichtum der Zeugenaussage nicht zu erwarten. Eine gegen den Kläger gerichtete Belastungstendenz lässt die Zeugenaussage nicht erkennen. Die Zeugin hat bekundet, sie habe sich aus Anlass der Ladung als Zeugin zur mündlichen Verhandlung über die darin als Beweisthema genannten Äußerungen Gedanken gemacht, da der Kläger „ja sicherlich eine solche Behauptung auch nicht völlig aus der Luft gegriffen“ aufstelle. Die Zeugin hat zugunsten des Klägers die Möglichkeit angeführt, dass eine auf den Fall und die Lösung bezogene Kritik missverstanden und auf die Person bezogen worden sei. Schließlich ergibt sich aus der Aussage der für das Gemeinsame Prüfungsamt tätigen Zeugin F. nichts dafür, dass der Kläger ihr gegenüber die dem Zeugen D. zugeschriebene Äußerung zeitnah wiederholt hätte. Die Zeugin F. hat angegeben, sich nicht daran zu erinnern, dass in dem kurz nach der mündlichen Prüfung mit dem Kläger geführten Gespräch die Befangenheit eines Prüfers in Rede gestanden habe.

102

Soweit der Kläger angegeben hat, der Zeuge D. habe bemerkt, dass sich der Prüfungsausschuss wegen der Tätigkeit des Klägers als geschäftsführender Gesellschafter mit seinem Lebenslauf eine andere Erscheinung vorgestellt habe, ist das Gericht ebenfalls nicht davon überzeugt, dass diese Bemerkung gefallen ist. Es ist nicht erweislich, dass es zu einer gegen die Person des Klägers gerichteten Äußerung gekommen ist. Es ist mindestens ebenso wahrscheinlich, dass der Kläger eine sachliche Kritik an seinem in der mündlichen Prüfung gezeigten Leistungsbild missverstanden und auf sein persönliches Erscheinungsbild bezogen hat. In der Vernehmung haben weder der Zeuge D. selbst noch die weiteren Zeugen C., Dr. E., A. und B. ausgesagt, dass der Zeuge D. sich in der vom Kläger geschilderten Weise geäußert habe. Dagegen, dass eine solche Bemerkung gefallen ist, spricht auch, worauf die Zeugen C. und D. in ihren Aussagen zutreffend hingewiesen zu haben, dass die Notenverkündung und Notenbegründung in die Aufgabe der Vorsitzenden und nicht der weiteren Mitglieder des Prüfungsausschusses fällt.

103

Soweit der Kläger vorträgt, der Zeuge D. habe auf ein ihm selbst fehlendes Prädikatsexamen hingewiesen, kann dahinstehen, ob eine solche Äußerung gefallen ist. Denn eine solche Äußerung könnte – ebenso wie im Fall der Zeugin C. (s.o. aa)) – keine Besorgnis der Befangenheit begründen. Gegen eine Voreingenommenheit des Zeugen D. gegen die Person des Klägers spricht in diesem Zusammenhang zusätzlich die vom Kläger dem Zeugen D. zugeschriebene aufmunternde Äußerung: „Sie sind ein Macher, Sie schaffen das auch so.“

104

Unabhängig davon steht einer gegen den Zeugen D. als Prüfer erhobenen Befangenheitsrüge entgegen, dass der Kläger sie unter Verletzung seiner Obliegenheit aus § 6 Abs. 5 Satz 1 LÜ nicht unverzüglich erhoben hat. Der Aktenvortrag wurde vom Prüfungsausschuss am 26. Juni 2008 abgenommen. Eine Rüge der Befangenheit hat der Kläger erstmals in der ergänzenden Widerspruchsbegründung vom 24. September 2010 schriftlich niedergelegt und dort geltend gemacht, der Prüfungsausschuss sei „zumindest teilweise befangen“. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger zuvor bereits mündlich eine Rüge der Befangenheit erhoben hätte. Die mündliche Erhebung einer solchen Rüge belegen weder die Aussagen der als Zeugen vernommenen Prüfer C., D., Dr. E. oder der als Zeugen vernommenen Mitprüflinge A. und B. noch die Aussage der für das Gemeinsame Prüfungsamt tätig gewordenen Zeugin F.. Insbesondere ist der klägerische Vortrag nicht erwiesen, die Zeugin F. habe dem Kläger in Kenntnis der von ihm später mit der hiesigen Klage zur Begründung der Befangenheitsrüge vorgebrachten Umstände geraten, zur Vermeidung von Unstimmigkeiten gegenüber der Prüfungskommission den Widerspruch zunächst auf die Überprüfung der Hebeentscheidung sowie die Bewertung der betroffenen Klausuren zu beschränken. Der persönlich angehörte Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, er habe im Jahr 2008 von den „Prüfern ja auch noch etwas“ gewollt. Dies spricht gegen die Annahme, dass der Kläger einzelne Prüfer aus dem weiteren Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit ausschließen wollte. Die Angaben des persönlich angehörten Klägers, im Laufe des sich nach der Eröffnung des Prüfungsergebnisses ergebenden Gesprächs sei es „auch Richtung Befangenheit“ gegangen, wie er genau formuliert habe, wisse er nicht mehr, belegen nicht, dass der Kläger bereits gegenüber dem anwesenden Prüfungsausschuss selbst eine substantiierte Rüge der Befangenheit des Zeugen D. erhoben hätte. Der persönlich angehörte Kläger hat angegeben, nicht mehr zu wissen, welche „persönlichen Dinge“ über die Bemerkung der Zeugin C. über seinen […]-Kollegen hinaus er in dem mit der Zeugin F. nach der mündlichen Prüfung geführten Gespräch mitgeteilt habe. Die Zeugin F. hat in ihrer Vernehmung bekundet, sich nicht daran zu erinnern, dass in dem kurz nach der mündlichen Prüfung mit dem Kläger geführten Gespräch die Befangenheit eines Prüfers in Rede gestanden habe. Sie hat nicht bekundet, dass sie den Kläger in der von ihm geschilderten Weise beraten habe, sondern lediglich, dass sie ihm geraten habe, einen Verbesserungsversuch zu unternehmen, der auch neben einem Widerspruchsverfahren betrieben werden könne.

105

Zudem stehen einer Erhebung der Befangenheitsrüge der auch im öffentlichen Recht geltende Grundsatz von Treu und Glauben und das daraus folgende Verbot widersprüchlichen Verhaltens entgegen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, hat die Verwirkung als Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben für die gesamte Rechtsordnung Gültigkeit; sie bildet einen Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens und besagt, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (BVerwG, Beschl. v. 17.8.2011, 3 B 36/11, ZOV 2011, 222, juris Rn. 5 m.w.N.). Diese Voraussetzungen einer Verwirkung sind gegeben. Das erforderliche Umstandsmoment liegt darin, dass der Kläger mit dem Widerspruchsschreiben vom 30. Juni 2008 die bisherigen Prüfer zur Überdenkung ihrer nach § 17 Abs. 3 LÜ getroffenen Entscheidung aufgefordert und ausgeführt hat, er hoffe und sei zuversichtlich, dass bei Vornahme einer fehlerfreien Entscheidung eine Bewertung mit einem Prädikat herauskommen werde. Das erforderliche Zeitmoment ist durch den Ablauf von mehr als zwei Jahren zwischen der mündlichen Prüfung vom 26. Juni 2008 und der erstmaligen Erhebung einer Befangenheitsrüge am 24. September 2010 erfüllt.

106

c) In materieller Hinsicht dringt die gegen die Bewertung des Aktenvortrags mit der Note „ausreichend“ (6 Punkte) erhobene Rüge nicht durch.

107

Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung angegeben, er habe das Gefühl gehabt, dass die Prüfer sich von seinem Vortragsstil „erschlagen“ gefühlt hätten. In Übereinstimmung damit hat die als Zeugin vernommene Vorsitzende des Prüfungsausschusses C. angegeben, die Vortragsweise sei „– außerhalb des Protokolls – in einem Maschinengewehrtempo“ so gewesen, dass man „erschlagen“ worden sei. Der eine Prüfer habe von dem Aktenvortrag das mitbekommen und der andere jenes, und die Prüfer hätten insgesamt teilweise nicht mehr folgen können. Hiermit ist kein Unvermögen der Prüfer, sondern eine Schwäche des Aktenvortrags aufgezeigt, welche zu gewichten Aufgabe der Prüfer in Ausfüllung ihres Beurteilungsspielraums war. Es begründet keinen Bewertungsfehler, bei der Bewertung des Aktenvortrags auf dessen Verständlichkeit und den Vortragsstil abzustellen.

108

4. Der Kläger kann schließlich keine Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote der zweiten Staatsprüfung für Juristen verlangen. Die Entscheidung des Prüfungsausschusses, vom rechnerischen Ergebnis weder zulasten noch zugunsten des Klägers abzuweichen, hat Bestand. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist die Abweichungsentscheidung in der Fassung, die sie im Überdenkungsverfahren gefunden hat. Die vom Kläger erhobenen Rügen zeigen nicht auf, dass die Entscheidung des Prüfungsausschusses ausgehend von der einschlägigen Rechtsgrundlage (a)) die an sie gestellten formellen (b)) und materiellen (c)) Anforderungen verfehlen würde.

109

a) Die Entscheidung über eine Abweichung beruht auf der landesrechtlichen Regelung in § 17 Abs. 3 LÜ, welche die bundesrechtlichen Vorgaben des § 5d Abs. 4 DRiG umsetzt. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 LÜ darf der Prüfungsausschuss bei seiner Entscheidung über das Ergebnis der Prüfung von der nach § 17 Abs. 2 LÜ rechnerisch ermittelten Gesamtnote abweichen, wenn dies auf Grund des Gesamteindrucks den Leistungsstand des Referendars besser kennzeichnet. Hierbei sind nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 LÜ auch die Leistungen im Vorbereitungsdienst zu berücksichtigen. Sofern der Prüfungsausschuss dem Grunde nach eine Abweichung vornimmt, ist die Abweichung der Höhe nach dadurch beschränkt, dass sie gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 a.E. LÜ auf das Bestehen der Prüfung keinen Einfluss haben und nach § 17 Abs. 3 Satz 2 LÜ ein Drittel des durchschnittlichen Umfangs einer Notenstufe nicht übersteigen darf. Eine rechnerisch ermittelte Anrechnung von im Vorbereitungsdienst erteilten Noten auf die Gesamtnote ist gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 LÜ ausgeschlossen.

110

b) Ausgehend davon zeigen die vom Kläger erhobenen Einwendungen keinen formellen Fehler der Abweichungsentscheidung auf. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist dabei die prüferische Entscheidung in der Fassung der Überdenkungsentscheidung (vgl. OVG Münster, Urt. v. 12.6.2013, 14 A 1600/11, NWVBl 2014, 68, juris Rn. 40). Weder das Ausgangsverfahren, in dem der Prüfungsausschuss am Tag der mündlichen Prüfung seine ursprüngliche Entscheidung getroffen hat (aa)), noch das durchgeführte Überdenkungsverfahren (bb)) lässt einen formellen Fehler erkennen.

111

aa) Das Ausgangsverfahren, in dem der Prüfungsausschuss am Tag der mündlichen Prüfung seine ursprüngliche Entscheidung getroffen hat, von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nicht abzuweichen, lässt keinen Fehler erkennen. Der vom Kläger erhobene Einwand, für eine „seriöse Befassung“ mit seinen Stationszeugnissen habe den Prüfern vor der ursprünglichen Abweichungsentscheidung zu wenig Zeit zur Verfügung gestanden, dringt nicht durch.

112

Es genügt, dass sich der Prüfungsausschuss aus den ihm vorliegenden Bewertungen der schriftlichen und mündlichen Prüfungsleistungen und auch aus den Leistungen im juristischen Vorbereitungsdienst einen Gesamteindruck über den Leistungsstand bilden konnte. Die Zeugnisse über die vom Kläger im juristischen Vorbereitungsdienst durchlaufenen Ausbildungsstationen lagen bei der am Tag der mündlichen Prüfung getroffenen Entscheidung vor. Die Entscheidung des Prüfungsausschusses gegen eine Abweichung setzt kein präsentes Wissen aller Prüfer hinsichtlich des vollständigen Inhalts sämtlicher Stationszeugnisse über den juristischen Vorbereitungsdienst voraus. Es ist bereits Ausdruck einer dem Prüfungsausschuss obliegenden prüfungsspezifischen Wertung, ob er in den ihm bekannten Umständen Anhaltspunkte dafür sieht, ausnahmsweise von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abzuweichen, und diesen Anhaltspunkten beispielsweise durch Lektüre der Stationszeugnisse nachgeht. Dies folgt daraus, dass für die Abweichungsentscheidung die Bewertungskriterien des jeweiligen Prüfungsausschusses maßgeblich sind, dem der Gesetzgeber hinsichtlich des Gesamteindrucks des Leistungsstands einen weiten Beurteilungsspielraum verleiht.

113

Das Gesetz enthält eine prüfungsrechtliche Beurteilungsermächtigung, die es ausschließt, dass ein Gericht bei der Überprüfung der Entscheidung des Prüfungsausschusses über eine Abweichung von der Durchschnittspunktzahl seinen eigenen Gesamteindruck vom Leistungsstand des Kandidaten zum Maßstab nimmt (BVerwG, Urt. v. 7.10.1988, 7 C 2/88, juris Rn. 19). Bei der Regelung über die Abweichungsbefugnis handelt es sich um eine typische Härtefallklausel, die Unbilligkeiten und ungewollten Härten einer schematischen Rechtsanwendung im Einzelfall begegnen und gegebenenfalls dem Gesamteindruck des Prüfungsorgans ausnahmsweise zum Durchbruch verhelfen will, freilich auch Korrekturen nach unten ermöglicht (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 10).

114

Ausgehend von der auf eine Härtefallkorrektur begrenzten Funktion der Abweichungsentscheidung muss der Prüfungsausschuss die Stationszeugnisse nur hinsichtlich der darin ausgewiesenen Noten kennen, um seine Entscheidung ordnungsgemäß treffen zu können. Nach diesen Maßstäben bestand im Ausgangsverfahren für den Prüfungsausschuss hinreichend Zeit, sich unter Berücksichtigung der Stationsnoten mit dem Leistungsbild der Prüflinge einschließlich desjenigen des Klägers zu befassen. Am Tag der mündlichen Prüfung lagen dem Prüfungsausschuss insbesondere die Zeugnisse über die Stationen des juristischen Vorbereitungsdienstes vor, so dass der ausweislich ihrer Stellungnahme vom 21. Juli 2008 um 9.00 Uhr eingetroffenen Vorsitzenden, der Zeugin C., und den frühzeitig eingetroffenen drei weiteren Prüfern hinreichend Gelegenheit blieb, sich aus den bisherigen Leistungen bereits vor dem ersten um 10.00 Uhr beginnenden Aktenvortrag ein umfassendes Bild von allen Prüfungskandidaten zu verschaffen.

115

Die Kammer schließt sich der weitergehenden Forderung nicht an, die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der notwendigen Befassung mit den Leistungen im juristischen Vorbereitungsdienst formuliert hat. Es hat in Auslegung der § 5d Abs. 4 DRiG in das nordrhein-westfälische Landesrecht umsetzenden Regelung angenommen, die Prüfer hätten für eine unerlässliche Verschaffung eines Gesamteindrucks die im Vorbereitungsdienst erteilten Einzelzeugnisse nicht nur mit ihrer jeweiligen Endnote, sondern auch mit ihrem Inhalt zur Kenntnis zu nehmen (OVG Münster, Urt. v. 9.1.2008, 14 A 3658/06, DÖV 2008, 608, juris Rn. 65). Die für diese Forderung gegebene Begründung ist nicht tragfähig. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen angeführt, dass es keinen allgemeinen Bewertungsgrundsatz gebe, aufgrund dessen im Vergleich zu den Prüfungsleistungen bessere Noten im Vorbereitungsdienst, gleichgültig wann und in welcher Ausbildungssituation sie erzielt worden sind, den Leistungsstand eines Prüflings besser kennzeichnen als der rechnerisch ermittelte Wert. Diese Ausführungen sind nachvollziehbar, da sie die Aussagekraft der im juristischen Vorbereitungsdienst erzielten Noten zu Recht relativieren und ihnen keine höhere Bedeutung beimessen als den in der zweiten Prüfung erbrachten Leistungen. Die Ausführungen bieten jedoch keine Grundlage für die Annahme, dass hinsichtlich der im juristischen Vorbereitungsdienst gezeigten Leistungen der Prüfungsausschuss die Zeugnisse ihrem vollständigen Inhalt nach erfassen müsse. Denn auch hinsichtlich der Bewertungen der schriftlichen Leistungen in der zweiten Prüfung wird eine solche Forderung – zu Recht – nicht aufgestellt. Soweit in der Rechtsprechung anderer Obergerichte an die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen angeknüpft wird, werden die Folgen, die sich aus einer Pflicht zur Kenntnisnahme der vollständigen Stationszeugnisse ergäben, sogleich eingeschränkt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat sich darauf zurückgezogen, dass die Kenntnisnahme in der Begründung des Prüfungsausschusses für die Entscheidung, nicht von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abzuweichen, nicht zum Ausdruck kommen müsse (VGH Kassel, Beschl. v. 10.9.2008, 8 UZ 1815/07, juris Rn 46). Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat es genügen lassen, dass allein der Prüfungsausschussvorsitzende die Ausbildungszeugnisse nicht nur hinsichtlich der Noten, sondern in ihrem gesamten Inhalt zur Kenntnis nimmt, um das dadurch vermittelte Bild an die anderen Ausschussmitglieder weitergeben zu können (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 30.11.2009, OVG 10 N 50.08, juris Rn. 10).

116

Aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt sich nicht, dass über die in den Ausbildungsnoten zum Ausdruck kommenden Ergebnisse im Vorbereitungsdienst hinaus notwendig auch die Inhalte der Stationszeugnisse in die Entscheidung über eine Abweichung einfließen müssen. Es ergibt sich allenfalls die Forderung, dass die erzielten Stationsnoten in die Abweichungsentscheidung gemäß § 5d Abs. 4 Satz 1 DRiG einbezogen werden müssen. So hat das Bundesverwaltungsgericht Zweifel gegen eine Auffassung angemeldet, dass gemäß § 5d Abs. 4 Satz 1 DRiG erst bei einer Entscheidung der Höhe nach, inwieweit von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird, die im Vorbereitungsdienst erbrachten Leistungen einzubeziehen seien (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 11). Das Bundesverwaltungsgericht hat es in dem von ihm entschiedenen Einzelfall jedenfalls genügen lassen, dass der Prüfungsausschuss seine Entscheidung auf einen Vergleich der im Prüfungsverfahren und im Vorbereitungsdienst erzielten Noten gestützt hatte (BVerwG, a.a.O, Rn. 11; der zugrundeliegende Sachverhalt ergibt sich aus der Entscheidung der Vorinstanz, OVG Münster, Urt. v. 27.2.1997, 22 A 1326/94, NWVBl. 1997, 380, juris Rn. 19).

117

Dem Landesrecht kann die Forderung, der Prüfungsausschuss müsse bei seiner Entscheidung nach § 17 Abs. 3 LÜ die Stationszeugnisse nicht nur hinsichtlich der Noten, sondern in ihrem gesamten Inhalt zur Kenntnis nehmen, jedenfalls nicht entnommen werden. Der Landesgesetzgeber geht ausweislich § 16 Abs. 2 LÜ davon aus, dass es hinreicht, den Mitgliedern des Prüfungsausschusses rechtzeitig vor der mündlichen Prüfung die Namen der Referendare, die Ergebnisse ihrer Aufsichtsarbeiten und den von ihnen gewählten Schwerpunktbereich mitzuteilen. Es ist vom Landesgesetzgeber demgegenüber keine Vorkehrung dafür getroffen worden, allen Prüfern eine Volllektüre der Stationszeugnisse zu ermöglichen.

118

Das Bundesrecht lässt ebenso wenig die Forderung erkennen, der Prüfungsausschuss müsse bei seiner Entscheidung nach § 5d Abs. 4 DRiG hinsichtlich der im Vorbereitungsdienst erbrachten Leistungen mehr als nur die Ausbildungsnoten berücksichtigen. Einer weitergehenden Forderung steht vielmehr der mit der Einführung der Abweichungsbefugnis verfolgte Gesetzeszweck entgegen. Der Bundesgesetzgeber hat die Abweichungsbefugnis durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (v. 16.8.1980, BGBl I S. 1451, zunächst in § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG, sodann durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes v. 25.7.1984, BGBl. I S. 995, in § 5d Abs. 4 Satz 1 DRiG verschoben) eingeführt. Der gesetzgeberische Zweck, die Folgen zu mildern, die sich aus der zugleich vorgenommenen Abschaffung einer automatischen Anrechnung der im juristischen Vorbereitungsdienst erbrachten Leistungen ergeben, geht aus der Entstehungsgeschichte hervor. Ursprünglich hatte § 5d Satz 2 des Deutschen Richtergesetzes in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (v. 10.9.1971, BGBl. I S. 1557) eine landesrechtliche Regelung zugelassen, dass bei der Entscheidung über das Ergebnis der zweiten Prüfung Noten für Leistungen im Vorbereitungsdienst bis zu einem Drittel auf die Gesamtnote angerechnet werden. Die Bundesregierung sah in ihrem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (BT-Drs. 8/3312, S. 2) insoweit noch keine Änderung vor. Der Bundesrat nahm zu dem Regierungsentwurf dahingehend Stellung (BT-Drs. 8/3312, S. 6), dass es zur Vereinheitlichung der Prüfungsbestimmungen insbesondere unerlässlich sei, die Möglichkeit der Anrechnung der Ausbildungsnote auf das Ergebnis der zweiten Prüfung abzuschaffen. Die Regierungsmehrheit im Bundestag wollte den Vorschlag des von der damaligen Opposition dominierten Bundesrates einerseits nicht von der Hand weisen, andererseits dem Vorschlag auch nicht ohne Ergänzung folgen, sondern die Möglichkeit einer Berücksichtigung der Stationsnoten im Einzelfall offen halten. Die Einführung einer Abweichungsbefugnis durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes beruht auf einer Beschlussempfehlung und einem Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags (BT-Drs. 8/3972, S. 6). Dort heißt es:

119

„Die Mehrheit hält die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung nicht für geeignet, die an sich wünschenswerte Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen und Leistungsbewertung zu erreichen. Sie hält es für bedenklich, die Anrechnung von Ausbildungsnoten bei der zweiten Prüfung ganz auszuschließen. Die zweite Prüfung spiegelt notwendigerweise den Leistungsstandard eines Referendars nur im Zeitpunkt der Prüfung wider. Die sich daraus ergebenden Unsicherheiten für die Gesamtbeurteilung können am besten durch Berücksichtigung der Leistungen während der Ausbildung verringert werden.“

120

Ferner kommt die Eigenart der Abweichungsentscheidung, die sie gegenüber anderen prüferischen Entscheidungen wie der Bewertung einer Einzelleistung strukturell unterscheidet, auch hinsichtlich der Umstände zu tragen, von denen die Prüfer sich Kenntnis verschaffen müssen, um eine ordnungsgemäße prüferische Entscheidung treffen zu können. Die Bewertung einer einzelnen Prüfungsleistung erfordert, dass der Prüfer die zu bewertende Prüfungsleistung vollständig zur Kenntnis nimmt. Mit der zu bewertenden Prüfungsleistung sind zugleich alle Umstände erschöpfend erfasst, die potentiell zur Grundlage der prüferischen Entscheidung gemacht werden können. Demgegenüber muss der Prüfungsausschuss, um die Abweichungsentscheidung zu treffen, zwar die in den mündlichen und praktischen Prüfungsleistungen sowie die im juristischen Vorbereitungsdienst erzielten Noten zur Kenntnis nehmen. Es ist aber bereits Ausdruck einer dem Prüfungsausschuss obliegenden prüfungsspezifischen Wertung, ob der Prüfungsausschuss in den ihm bekannten Umständen Anhaltspunkte dafür sieht, ausnahmsweise von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abzuweichen und diesen Anhaltspunkten beispielsweise durch Lektüre der Stationszeugnisse oder der Aufsichtsarbeiten nebst Erst- und Zweitvoten der Gutachter nachzugehen.

121

Die Forderung, dass der Prüfungsausschuss die Stationszeugnisse ihrem Inhalt nach würdigen müsse, um sich den erforderlichen Gesamteindruck über den Leistungsstand zu verschaffen, kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Prüfungsausschuss dazu berufen wäre, als eine den Ausbildern in den Stationen übergeordnete, höhere prüferische Instanz eine eigene Bewertung der vom Referendar im juristischen Vorbereitungsdienst des Landes Bremen, Hamburg oder Schleswig-Holstein erbrachten Leistungen vorzunehmen. Eine solche Stellung kommt dem Prüfungsausschuss jedoch nicht zu. Der Prüfungsausschuss hat keine eigene Bewertung der Leistungen im juristischen Vorbereitungsdienst oder auch der in der zweiten Prüfung für Juristen erbrachten schriftlichen Leistungen vorzunehmen, sondern den sich insbesondere auf Grundlage der Einzelnoten ergebenden Gesamteindruck des Leistungsstandes zu beurteilen. Der für die mündliche Prüfung eingesetzte Prüfungsausschuss hatte auch vor der – um eine Abweichungsbefugnis gemilderten – Abschaffung der automatischen Anrechnung der Stationsnoten keine den Gutachtern der schriftlichen Einzelleistungen oder den Stationsausbildern übergeordnete Stellung inne. Der begrenzte Rahmen der Abweichungsentscheidung äußert sich etwa auch in der Begrenztheit der Folgen einer fehlerhaften Abweichungsentscheidung. Da die Abweichungsentscheidung das Prüfungsgeschehen nicht prägt und es sich bei § 5d Abs. 4 DRiG um eine lediglich ergänzende Regelung handelt, muss insbesondere nicht die mündliche Prüfung wiederholt werden, um einen Fehler in der Abweichungsentscheidung heilen zu können (BVerwG, Urt. v. 10.10.2002, 6 C 7/02, juris Rn. 17).

122

bb) Das Überdenkungsverfahren ist von dem mit den drei verbliebenen Prüfern ((1)) rechtsfehlerfrei besetzten ((2)) zuständigen Prüfungsausschuss ordnungsgemäß durchgeführt worden. Dem Prüfungsausschuss lagen die erforderlichen Akten vor ((3)). Die an eine Kollegialentscheidung im Hinblick auf den Meinungsaustausch unter den Mitgliedern zu stellenden Anforderungen sind im Einzelfall erfüllt ((4)).

123

(1) Der Prüfungsausschuss war im Überdenkungsverfahren entgegen dem vom Kläger erhobenen Einwand nicht unterbesetzt. Nach Versterben des Prüfers Dr. G. konnte und musste der mit den drei verbleibenden Prüfern besetzte Prüfungsausschuss das Überdenkungsverfahren abschließen.

124

Den einschlägigen Vorschriften ist zum einen die Vorgabe zu entnehmen, dass der Prüfungsausschuss aus vier Prüfern besteht, zum anderen die Vorgabe, dass der die mündliche Prüfung abnehmende Prüfungsausschuss derselbe ist, der die Entscheidung über eine Abweichung trifft. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 LÜ wird die mündliche Prüfung von einem einschließlich des Vorsitzenden aus vier Prüfern bestehenden Prüfungsausschuss abgenommen, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 LÜ im Anschluss an die mündliche Prüfung über die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen berät. „Der Prüfungsausschuss“ ist das in § 17 Abs. 3 LÜ benannte Organ, das die Entscheidung trifft, ob von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird. Damit ist aufgrund der systematischen Stellung der Norm derjenige Prüfungsausschuss gemeint, der die mündliche Prüfung abgenommen und nach § 17 Abs. 1 LÜ bewertet hat. Demgegenüber fehlt es an einer Vorschrift, die bestimmt, dass der Prüfungsausschuss nicht der gleiche sein müsse wie der zur Abnahme der mündlichen Prüfung berufene Prüfungsausschuss. Eine solche Vorschrift wäre ausgehend von der Gesetzesgeschichte zu erwarten gewesen. So gab es in § 11 Abs. 1 Satz 5 der ursprünglichen Fassung der Übereinkunft der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein über ein Gemeinsames Prüfungsamt und die Prüfungsordnung für die Große Staatsprüfung für Juristen (in Landesrecht überführt durch Gesetz v. 26.6.1972, HmbGVBl. S. 119) eine Vorschrift, die bestimmte, dass der damals zur Bewertung der Aufsichtsarbeiten einzusetzende Prüfungsausschuss aus vier Mitgliedern nicht der gleiche sein musste wie derjenige zur Abnahme der mündlichen Prüfung.

125

Der zuständige Prüfungsausschuss, der am Tag der mündlichen Prüfung getroffenen Entscheidung noch aus vier Mitgliedern bestanden hatte, musste und durfte nach dem Versterben des Prüfers Dr. G. nicht mit einem neuen vierten Mitglied nachbesetzt werden. Dies folgt aus dem Gebot der Chancengleichheit in berufseröffnenden Prüfungen gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GF.

126

Verstirbt nach der mündlichen Prüfung ein Prüfer, kann nicht sowohl der Vorgabe aus § 16 Abs. 1 LÜ, dass der Prüfungsausschuss aus vier Mitgliedern besteht, als auch der Vorgabe aus § 17 Abs. 2 LÜ, dass der die Abweichungsentscheidung vornehmende Prüfungsausschuss mit demjenigen identisch ist, der die mündliche Prüfung abgenommen hat, Genüge getan werden. Dem Gebot des geringstmöglichen Eingriffs in die Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien entspricht es, in diesem Fall die Abweichungsentscheidung durch den bisherigen Prüfungsausschuss überdenken zu lassen, wenngleich in der Besetzung mit den verbleibenden drei Mitgliedern. Aufgrund des Gebots der Chancengleichheit ist eine wegen Bewertungsfehlern beanstandete Prüfungsentscheidung unter Mitwirkung der bisherigen Prüfer zu überdenken (BFH, Urt. v. 28.11.2002, VII R 27/02, BFHE 201, 471, juris Rn. 6 ff.). Denn es müssen soweit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien wie bei den Mitprüflingen gelten (BVerwG, Urt. v. 28.10.2004, 6 B 51.04, juris Rn. 20). Die dafür erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, ist in erster Linie Aufgabe des zuständigen Normgebers; bei Fehlen einer normativen Bestimmung sind die Gerichte aufgerufen, die Lücke in der Regelung des Prüfungsablaufs so zu schließen, dass der Prüfling bei der Überprüfung einer strittigen Bewertung den geringstmöglichen Nachteil erleidet (BVerwG, Urt. v. 19.12.2001, 6 C 14/01, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400, juris Rn. 27), indes dadurch auch keinen Vorteil gegenüber anderen Prüflingen erlangt (BFH, Urt. v. 28.11.2002, VII R 27/02, BFHE 201, 471, juris Rn. 6). Eine Überdenkung als selbstkritische und selbständige Überprüfung der eigenen Beurteilung (OVG Münster, Urt. v. 18.4.2012, 14 A 2687/09, juris Rn. 73) war nur den Prüfern möglich, die an der zur Überdenkung gestellten ursprünglichen Entscheidung beteiligt waren. Wäre die vakante vierte Stelle mit einem neuen Prüfer nachbesetzt worden, hätte der Prüfungsausschuss seine Entscheidung am Maßstab seiner Bewertungskriterien nicht überdenken können, sondern es hätte sich ein neu zusammengesetzter Prüfungsausschuss am Maßstab seiner erst noch zu bildenden Bewertungskriterien mit der Frage der Abweichung erstmals befassen müssen. Zu dem Gesamteindruck aller Prüfungsleistungen i.S.d. § 5d Abs. 4 DRiG gehört nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 10.10.2002, 6 C 7/02, juris Rn. 17), der sich die Kammer anschließt, grundsätzlich auch der durch die mündliche Prüfung vermittelte Eindruck. Auf eine Berücksichtigung des Eindrucks der mündlichen Prüfung würde ohne Not verzichtet, wenn der Prüfungsausschuss in neuer Zusammensetzung mit einem vierten Mitglied, das nicht an der mündlichen Prüfung mitgewirkt hat, die Entscheidung über die Abweichung treffen müsste.

127

(2) Entgegen den vom Kläger erhobenen Bedenken war auch bei der Überdenkungsentscheidung kein Prüfer einer Besorgnis der Befangenheit ausgesetzt, die seiner Mitwirkung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG entgegengestanden hätte. In der im Überdenkungsverfahren von der Vorsitzenden für den Prüfungsausschuss abgegebenen Stellungnahme vom 29. November 2010 heißt es:

128

„Da Herr Rechtsanwalt Dr. G. zwischenzeitlich verstorben ist, kann eine solche Stellungnahme nur noch von den o. g. Prüfern abgegeben werden. Rein vorsorglich weise ich darauf hin, dass die nachfolgenden Ausführungen das Votum aller drei verbliebenen Mitglieder der Prüfungskommission darstellen. Selbst eine abweichende Auffassung von Herrn Dr. G. – wenn (rein hypothetisch) eine solche zu seinen Lebzeiten erfolgt wäre – könnte somit an der jetzigen Entscheidung der Kommission nichts ändern.“

129

In dieser Äußerung kommt der erreichte einvernehmliche Meinungsstand der verbliebenen drei Mitglieder des Prüfungsausschusses zum Ausdruck. Es ist aber nicht der Schluss möglich, dass den verbliebenen drei Mitgliedern die Bereitschaft gefehlt hätte, sich mit entsprechenden Argumenten des vierten Mitglieds zugunsten einer Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote auseinanderzusetzen.

130

(3) Für die Zwecke der Überdenkung der Abweichungsentscheidung bedurfte es nicht der Vorlage weiterer Aktenbestandteile. Nach den dargestellten Grundsätzen setzt bereits die ursprüngliche Entscheidung des Prüfungsausschusses kein präsentes Wissen aller Prüfer hinsichtlich des vollständigen Inhalts der Stationszeugnisse über die im juristischen Vorbereitungsdienst gezeigten Leistungen voraus (s.o. aa)). Ein solches Wissen müssen sich die Prüfer deshalb auch im Überdenkungsverfahren nur verschaffen, wenn sich nach dem Maßstab ihrer prüfungsspezifischen Wertung entsprechende Anhaltspunkte ergeben.

131

Die den Prüfern im Überdenkungsverfahren vorliegenden Aktenbestandteile genügten. Die Zeugin C. wurde mit Schreiben des Gemeinsamen Prüfungsamtes vom 30. September 2010 gebeten, nach Rücksprache mit den übrigen Prüfern unter erneuter Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums im Hinblick auf eine Notenanhebung Stellung zu nehmen. Die Zeugen D. und Dr. E. wurden mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 ersucht, sich mit der Zeugin C. in Verbindung zu setzen und unter erneuter Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums im Hinblick auf eine Notenanhebung Stellung zu nehmen. Jeweils in Kopie beigefügt wurden das klägerische Schreiben vom 24. September 2010, dass auf die Notenanhebung in der Aufsichtsarbeit ZHG als Anlass der Überdenkung verweist, sowie das Protokoll der mündlichen Prüfung.

132

(4) Für die Zwecke der Überdenkung der Abweichungsentscheidung sind die Anforderungen an den für eine Kollegialentscheidung erforderlichen Meinungsaustausch gewahrt. Die Mitglieder des Prüfungsausschusses haben sich im Überdenkungsverfahren zwar nicht erneut physisch an einem Ort getroffen und auch nicht die Entscheidung etwa in einer Telefonkonferenz getroffen. Doch ist die von der Zeugin C. dem Gemeinsamen Prüfungsamt übermittelte Stellungnahme im Überdenkungsverfahren nach Rücksprache und im Einvernehmen der verbliebenen Prüfer erstellt worden. Im Einzelfall setzte ein ordnungsgemäßes Überdenkungsverfahren eine gleichzeitige Anwesenheit oder eine gleichzeitige Kommunikation aller Mitglieder des Prüfungsverfahrens nicht voraus.

133

Dabei kann dahinstehen, ob die ursprüngliche Entscheidung des Prüfungsausschusses über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote notwendig die gleichzeitige Anwesenheit aller Mitglieder erforderte oder auch auf andere Weise eine Entscheidung zulässig gewesen wäre. Zwar ist der Prüfungsausschuss nach § 17 Abs. 3 LÜ verpflichtet, vor der Eröffnung des Ergebnisses die Entscheidung zu treffen, ob von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird. Zu diesem Zeitpunkt ist der Prüfungsausschuss noch am Prüfungsort versammelt. Doch steht in Frage, ob etwa dann, wenn der Prüfungsausschuss es am Tag der mündlichen Prüfung versäumt hat, die Entscheidung über eine Abweichung zu treffen, er notwendig noch einmal zusammentreten muss oder eine andere Verfahrensweise möglich ist. Denn während die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen gemäß § 17 Abs. 1 LÜ ausdrücklich voraussetzt, dass der Prüfungsausschuss über die Bewertung berät, findet sich im Gesetzeswortlaut keine entsprechende Verfahrensanforderung für die nach § 17 Abs. 3 LÜ zu treffende Abweichungsentscheidung.

134

Zumindest sind an das Überdenkungsverfahren in Ermangelung besonderer Vorschriften in der Prüfungsordnung nicht notwendig die gleichen Verfahrensanforderungen zu stellen, wie an die ursprüngliche prüferische Entscheidung. Selbst soweit das Prüfungsverfahren eine Beratung verlangt, gilt dies nicht ohne weiteres auch für das Überdenkungsverfahren (VGH Mannheim, Urt. v. 9.5.1995, 9 S 2341/93, DVBl. 1995, 1356, juris Rn. 29). Die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Überdenkungsverfahren ergeben sich aus seiner Funktion. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Beschl. v. 9.10.2012, 6 B 39/12, juris Rn. 5; vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 39), welche sich die Kammer zu Eigen macht, besteht ein grundrechtlich fundierter Anspruch von Prüflingen, bereits im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens ihre Einwände gegen die Bewertungen der Prüfer vorzubringen, um deren wirksame Nachprüfung zu erreichen. Das Überdenkungsverfahren hat die Funktion, einen der Eigenart prüferischer Entscheidungen angepassten Rechtsschutz zu gewähren (BFH, Urt. v. 28.11.2002, VII R 27/02, BFHE 201, 471; FG München, Urt. v. 18.4.2012, 4 K 309/09, EFG 2012, 1602). Während effektiver Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich dadurch gewährleistet wird, dass in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Letztentscheidung dem Gericht obliegt, verbleibt in den Grenzen eines prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums die Letztentscheidung den Prüfern. Das Überdenkungsverfahren ist so auszugestalten, dass es dem wirksamen Rechtsschutz dient, welcher nach der Eigenart der zur Überdenkung anstehenden prüferischen Entscheidung möglich ist. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 16.4.1997, 6 C 9/95, juris Rn. 36), der sich die Kammer anschließt, sind für das Überdenkungsverfahren keine starren Regelungen aufzustellen und kommt, abhängig von den Umständen des Einzelfalls, auch ein Umlaufverfahren in Frage. Den Bedenken, dass einzelne Prüfer bei der mündlichen Beratung im Prüfergremium bessere Möglichkeiten hätten, ihre Erwägungen in die Entscheidung des Prüfungsausschusses einfließen zu lassen, als dies bei einer Abstimmung im Umlaufverfahren der Fall sei (so VGH Kassel, Urt. v. 13.10.1994, 6 UE 2077/90, DVBl 1995, 436 , juris Rn. 85), kann dabei dadurch Rechnung getragen werden, dass die Durchführung eines Umlaufverfahrens auf den Fall beschränkt wird, in dem sich die Prüfer auf eine einheitliche Haltung einigen können (OVG Schleswig, Urt. v. 8.10.1993, 3 L 47/93, DÖV 1994, 394, juris Rn. 35).

135

Im Einzelfall genügte die Handhabung des Verfahrens den durch Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG vorgegebenen spezifischen Zielen des Überdenkungsverfahrens.

136

In tatsächlicher Hinsicht legt die Kammer dabei ausgehend von den Sachakten und der durchgeführten Beweisaufnahme folgenden Ablauf des Überdenkungsverfahrens zugrunde: Die Stellungnahme vom 29. Oktober 2011 gegenüber dem Gemeinsamen Prüfungsamt wurde von der Zeugin C. nach Rücksprache mit den Zeugen D. und Dr. E. und im Einverständnis mit diesen abgegeben. Nach den Angaben der Zeugin C. in ihrer Vernehmung hat sie als Vorsitzende des Prüfungsausschusses den beiden verbliebenen Mitprüfer mit einer E-Mail den Entwurf der später am 29. Oktober 2011 abgegebenen Stellungnahme zugesandt und sie um Mitteilung gebeten, falls sie Änderungs- oder Verbesserungswünsche hätten. Vor der Abgabe der Stellungnahme hatte die Zeugin C. telefonisch oder auf anderem Wege Kontakt mit den Mitprüfern. Die Zeugin hat ihre Erinnerung auf die ihr als Ausdrucke vorliegenden E-Mails gestützt. Die Aussage der Zeugin C. ist auch hinsichtlich des Ablaufs des Überdenkungsverfahrens tendenzfrei sowie hinreichend detailreich und ebenso glaubhaft wie hinsichtlich des Geschehens am Tag der mündlichen Prüfung (dazu s.o. 3. b) bb)).

137

In rechtlicher Hinsicht genügte das geschilderte Umlaufverfahren, um im Einzelfall ein rechtsschutzwirksames Überdenkungsverfahren zu gewährleisten. Die Entscheidung ist vom Prüfungsausschuss getroffen worden, nachdem alle Mitglieder Gelegenheit zum Meinungsaustausch hatten. Jedem der Prüfer hätte es offen gestanden, Änderungswünsche anzubringen und auch auf einer nochmaligen Zusammenkunft zu bestehen, wenn dies nach seiner prüfungsspezifischen Wertung angezeigt gewesen wäre. Nach Gegenstand und Anlass des Überdenkungsverfahrens bestanden keine Besonderheiten, die eine bestimmte Verfahrensweise erfordert hätten. Es bedurfte insbesondere keiner gleichzeitigen Anwesenheit der Mitglieder des Prüfungsausschusses an einem Ort oder der gleichzeitigen Kommunikation aller Mitglieder des Prüfungsausschusses etwa in einer Telefonkonferenz, um eine tatsächlich wirksame Überprüfung zu gewährleisten.

138

Den Gegenstand des Überdenkungsverfahrens bildete die Abweichungsentscheidung. Hinsichtlich des einzuhaltenden Verfahrens kommt zum Tragen, dass sich bei der Überdenkung der Abweichungsentscheidung die rechtsschutzwirksame Auseinandersetzung mit Einwänden des Prüflings nicht in der gleichen Weise vollziehen kann und deshalb auch nicht in der gleichen Weise vollziehen muss, wie bei der Überdenkung der Bewertung einer Einzelleistung. Bezieht sich das Überdenkungsverfahren auf die von einem Prüfer vorgenommenen Bewertung einer Einzelleistung, muss der jeweilige Prüfer selbstkritisch und selbständig seine eigene Beurteilung überprüfen (OVG Münster, Urt. v. 18.4.2012, 14 A 2687/09, juris Rn. 73). Damit das Verfahren des Überdenkens der Prüfungsentscheidung seinen Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings effektiv zu schützen, konkret erfüllen kann, muss insoweit gewährleistet sein, dass die Prüfer ihre Bewertungen hinreichend begründen, dass der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Korrekturbemerkungen der Prüfer einsehen kann, dass die daraufhin vom Prüfling erhobenen substantiierten Einwände den beteiligten Prüfern zugeleitet werden, dass die Prüfer sich mit den Einwänden des Prüflings auseinandersetzen und, soweit diese berechtigt sind, ihre Bewertung der betroffenen Prüfungsleistung korrigieren sowie alsdann auf dieser – möglicherweise veränderten – Grundlage erneut über das Ergebnis der Prüfung entscheiden (BVerwG, Beschl. v. 9.10.2012, 6 B 39/12, juris Rn. 6). Der Prüfer muss sein Bewertungsergebnis begründen, indem er seine Bewertungsmaßstäbe erkennen lässt und diese auf die Bewertungsgrundlage anwendet und Stärken und Schwächen der Prüfungsleistung aufzeigt. Etwa kann die Prüferkritik an einer juristischen Einzelleistung differenziert Fehler unter den Aspekten der Sachverhaltserfassung, Norminterpretation, Subsumtion, Methodik, Logik oder Sprache aufzeigen und darstellen, wie schwer diese Fehler nach den Kriterien des Prüfers gewichtet werden. Der Weg des Prüfers zu dem gefundenen Bewertungsergebnis wird auf diese Weise nachvollziehbar und überprüfbar gemacht. Soweit der Prüfling rügt, dass seinen Fehlern ein geringeres Gewicht zukomme, berührt dies prüfungsspezifische Wertungen, hinsichtlich derer dem Prüfer ein Beurteilungsspielraum zukommt, so dass ein Gericht nur die Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums kontrollieren kann. Soweit ein Prüfling aber das Vorliegen eines fachlichen Fehlers bestreitet, obliegt dem Gericht die Letztentscheidung über die Vertretbarkeit der vom Prüfling gegebenen Antwort. Bezieht sich das Überdenkungsverfahren hingegen auf die den Gesamteindruck des Leistungsstands in den Blick nehmende Entscheidung des Prüfungsausschusses, ob von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird, ist eine nach fachlichen Fragen einerseits und prüfungsspezifischen Wertungen andererseits differenzierende Auseinandersetzung mit der prüferischen Entscheidung nicht zu leisten. Die von den Prüfern einvernehmlich getroffene prüfungsspezifische Wertung, dass nach dem Gesamteindruck kein eine Abweichung rechtfertigender Härtefall vorliegt, konnte von den Mitgliedern des Prüfungsausschusses selbstkritisch und selbständig überdacht werden, wenn nur – wie im eingeschlagenen Umlaufverfahren – ein Meinungsaustausch zwischen den Mitgliedern möglich war. Es ist kein Mehrwert ersichtlich, der sich aus einem neuerlichen Zusammentritt des Prüfungsausschusses an einem Ort oder etwa einer Telefonkonferenz für den wirksamen Rechtsschutz des Prüflings ergeben hätte.

139

Es war auch nicht auf Grund des konkreten Anlasses des Überdenkungsverfahrens eine Entscheidung im Umlaufverfahren ausgeschlossen. Die Überdenkung, auf die sich die vom Kläger erhobenen Einwände beziehen, hatte mit der Anhebung der Bewertung in der Aufsichtsarbeit ZHG unter Beibehaltung der Notenstufe „ausreichend“ im Punktwert von 5 auf 6 Punkte und damit einhergehend einer Änderung der rechnerisch ermittelten Gesamtnote von 8,78 auf 8,87 Punkte einen begrenzten und überschaubaren Anlass. Der rechnerische Abstand zu der im Gesamtergebnis erstrebten nächsten Notenstufe „vollbefriedigend“ war von 0,22 auf immer noch 0,13 Punkte verringert worden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Prüfungsausschuss die von ihm angelegten Kriterien im Überdenkungsverfahren verändert hätte. Ein Umlaufverfahren war dem Anlass des Überdenkungsverfahrens angemessen, zumal nach dem Gesetz eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nur ausnahmsweise zulässig ist (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 9), mithin im Regelfall angenommen werden muss, dass die anhand der gesetzlichen Gewichtungsregelungen rechnerisch ermittelte Gesamtnote dem wahren Leistungsstand entspricht.

140

c) Die materiellen Anforderungen sind durch die Abweichungsentscheidung in der Gestalt, die sie im Überdenkungsverfahren gefunden hat, erfüllt. Der Prüfungsausschuss hat mit seiner Entscheidung, von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nicht abzuweichen, den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Die Kammer schließt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 9) an, nach der die Ermächtigung eine Abweichung nur ausnahmsweise zulässt und es verbietet, die Prüfer immer schon dann zu einer Höherstufung zu verpflichten, wenn einzelne dafür sprechende Umstände vorliegen. Die vom Kläger im Widerspruchsverfahren erhobene Rüge hinsichtlich der Berücksichtigung der Notenanhebung in der Aufsichtsarbeit ZHG hat sich im Überdenkungsverfahren erledigt (aa)). Die Leistungen des Klägers in der mündlichen Prüfung und im juristischen Vorbereitungsdienst sind entgegen der erhobenen Rüge hinreichend berücksichtigt worden (bb)). Die Rüge im Hinblick darauf, dass der Kläger die Gesamtnote „vollbefriedigend“ in der ersten Prüfung für Juristen erreicht und in der zweiten Prüfung knapp verfehlt hat, dringt nicht durch (cc)). Die außerhalb des juristischen Vorbereitungsdienstes vom Kläger erbrachten Leistungen haben zu Recht keine Berücksichtigung gefunden (dd)). Die Rüge hinsichtlich der Äußerung über eine wohlwollende Beurteilung in den Einzelnoten der mündlichen Prüfung zeigt keinen Fehler in der Bewertung auf (ee)).

141

aa) Die Abweichungsentscheidung leidet nicht deshalb an einem Sachverhaltsfehler, weil die nachträgliche Anhebung der Bewertung in der Aufsichtsarbeit ZHG auf die Note „ausreichend“ (6 Punkte) ursprünglich keine Berücksichtigung hatte finden können. Der am Tag der mündlichen Prüfung getroffenen ursprünglichen Abweichungsentscheidung lag zunächst die – damals zutreffende – Annahme zugrunde, die Aufsichtsarbeit ZHG sei mit der Note „ausreichend“ (5 Punkte) bewertet worden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 19.12.2001, 6 C 14/01, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400, juris Rn. 32), der sich die Kammer anschließt, muss der Prüfungsausschuss die Abweichungsentscheidung auch dann neu treffen, wenn schriftliche Arbeiten neu bewertet worden sind. Der Prüfungsausschuss hat im Überdenkungsverfahren unter Einbeziehung der Anhebung der Bewertung in der Aufsichtsarbeit ZHG an seiner Entscheidung festgehalten. In der Stellungnahme des Prüfungsausschusses vom 29. November 2011 wird zutreffend hervorgehoben, dass ein Notensprung damit nicht verbunden war und es bei einer ausreichenden Klausurleistung verblieb. Ohne Bewertungsfehler erkennen zu lassen, wird ausgeführt, dass das Gesamtbild der schriftlichen Prüfungsleistungen mit insgesamt fünf Klausuren im Bereich zwischen 3 und 9 Punkten und drei Klausuren im Bereich zwischen 12 und 14 Punkten weiterhin von sehr stark schwankenden Leistungen geprägt sei, die schwerpunktmäßig im mangelhaften bis befriedigenden Bereich und nicht im zumindest vollbefriedigenden Bereich angesiedelt seien.

142

bb) Die Entscheidung über die Abweichung hat die mündlichen Leistungen und die Leistungen im Vorbereitungsdienst auch im Überdenkungsverfahren hinreichend einbezogen. Wie in der der Stellungnahme vom 29. November 2011 zutreffend dargelegt, zeigte der Kläger auch in der mündlichen Prüfung nicht konstant Leistungen im oberen Bereich der Notenskala. Der Kläger hat nicht nur im rechtsfehlerfrei mit der Note „ausreichend“ (6 Punkte) bewerteten Aktenvortrag, sondern auch im strafrechtlichen Abschnitt des Prüfungsgesprächs mit der Note „befriedigend“ (8 Punkte) keine mindestens vollbefriedigenden Leistungen gezeigt. Ohne Bewertungsfehler erkennen zu lassen, hat sich für den Prüfungsausschuss ausweislich der Stellungnahme ein Leistungsbild ergeben, das der Notenstufe „vollbefriedigend“ auch unter Berücksichtigung der im Vorbereitungsdienst gezeigten Leistungen nicht entsprochen habe.

143

Es lässt keinen Beurteilungsfehler erkennen, nicht bereits darin eine Härte zu sehen, dass der Kläger in drei der vier Abschnitte des Prüfungsgesprächs in der mündlichen Prüfung deutlich bessere Bewertungen erzielt hat als im Aktenvortrag und im Durchschnitt in den Aufsichtsarbeiten. Sowohl in den Aufsichtsarbeiten als auch in der mündlichen Prüfung hat der Kläger nicht nur vereinzelt Prädikatsnoten verfehlt. Die Abweichungsbefugnis nach § 17 Abs. 3 LÜ dient nicht dazu, die gesetzliche Gewichtung nach § 17 Abs. 2 LÜ zu korrigieren, weder hinsichtlich des höheren Gewichts der schriftlichen Leistungen gegenüber den mündlichen Leistungen (70,00 v.H. gegenüber 30,00 v.H.), noch hinsichtlich des höheren Gewichts des Aktenvortrags gegenüber den einzelnen Abschnitten des Prüfungsgesprächs (8,00 v.H. gegenüber 5,50 v.H.).

144

Es überschreitet nicht den dem Prüfungsausschuss zukommenden Beurteilungsspielraum, darin keine den Fall des Klägers gegenüber den typischen Fallgestaltungen heraushebende Härte zu sehen, dass die meisten der Stationsnoten des Klägers deutlich besser sind als die rechnerisch ermittelte Gesamtnote. Zwar wäre der Prüfungsausschuss nicht gehindert gewesen, auch unter Berücksichtigung der Stationsnoten eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote vorzunehmen. Allerdings war er nicht dazu verpflichtet. Es gibt keinen allgemein gültigen Erfahrungssatz, dass ein Referendar, der in den Stationen des juristischen Vorbereitungsdienstes durchgehend – oder wie der Kläger fast durchgehend – Noten im Prädikatsbereich erzielt hat, in der zweiten Prüfung für Juristen die Note „vollbefriedigend“ erreichen müsste.

145

cc) Soweit der Kläger einwendet, das knappe Verfehlen einer Notenstufe und ein erheblicher Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Staatsexamen hätten zu einer Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote führen müssen, ist damit kein Beurteilungsfehler aufgezeigt. Wie vom Prüfungsausschuss in der Stellungnahme vom 29. Oktober 2011 aufgezeigt, hätte die Anhebung der Gesamtnote auf mindestens 9,00 Punkte zugunsten des Klägers rechnerisch mehr als zwei zusätzlichen Punkten in der Bewertung der vier Abschnitte des Prüfungsgesprächs oder zwei zusätzlichen Punkten in der Bewertung des Aktenvortrags entsprochen. Wird der Punktwert für eine bessere Note nur knapp verfehlt, liegt darin allein noch keine eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote rechtfertigende ungewollte Härte (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn 10). Es ist nicht untypisch, dass sich ein Prädikatsexamen aus der ersten Prüfung in der zweiten Prüfung für Juristen nicht wiederholt.

146

dd) Sofern ein Prüfer gegenüber dem Kläger geäußert haben sollte, es sei nicht sein „Lebenswerk“ zu würdigen, wäre dies nicht zu beanstanden. Außerhalb des Vorbereitungsdienstes gezeigte Leistungen können nur dann in die Gesamtbeurteilung des Leistungsstandes einbezogen werden, wenn sie eine Aussage hinsichtlich der Inhalte und Ziele des Vorbereitungsdienstes enthalten (VG Köln, Urt. v. 9.9.2010, 6 K 2738/09, juris Rn. 62, 64). Die Promotion des Klägers zum Doctor iuris, der Erwerb des Grades eines Magister Legum oder die Tätigkeit als […] stehen ohne erkennbaren Bezug zu Inhalten und Zielen des Vorbereitungsdienstes.

147

ee) Soweit die Prüfer in der ursprünglichen Eröffnung des Gesamtergebnisses ausgeführt haben, eine positive Abweichungsentscheidung komme nicht in Betracht, weil bei den Einzelnoten bereits im Zweifel zugunsten des Prüflings entschieden worden sei, ist darin kein Beurteilungsfehler zu sehen. Ein Beurteilungsausfall würde voraussetzen, dass die Prüfer eine Abweichung nicht erwogen hätten. Kein Beurteilungsausfall liegt vor, wenn der Prüfungsausschuss, wie im vorliegenden Fall, eine Abweichung erwägt und ablehnt. Dabei ist es nicht beurteilungsfehlerhaft, wenn der Prüfungsausschuss bei der Entscheidung gegen eine Abweichung berücksichtigt, dass er die Noten für die mündlichen Prüfungsleistungen – ausgehend von seinen Bewertungskriterien – wohlwollend vergeben hat.

II.

148

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

(1) Die Rechtshängigkeit schließt das Recht der einen oder der anderen Partei nicht aus, die in Streit befangene Sache zu veräußern oder den geltend gemachten Anspruch abzutreten.

(2) Die Veräußerung oder Abtretung hat auf den Prozess keinen Einfluss. Der Rechtsnachfolger ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners den Prozess als Hauptpartei an Stelle des Rechtsvorgängers zu übernehmen oder eine Hauptintervention zu erheben. Tritt der Rechtsnachfolger als Nebenintervenient auf, so ist § 69 nicht anzuwenden.

(3) Hat der Kläger veräußert oder abgetreten, so kann ihm, sofern das Urteil nach § 325 gegen den Rechtsnachfolger nicht wirksam sein würde, der Einwand entgegengesetzt werden, dass er zur Geltendmachung des Anspruchs nicht mehr befugt sei.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Den nach diesem Gesetzbuch ergehenden Verwaltungsakten ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Stelle, bei der der Rechtsbehelf einzulegen ist, und über die Frist belehrt wird.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.

(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.

(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.

Tenor

1. Die der Beigeladenen durch den Beklagten am 3. April 2009 erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Kinderspielplatzes auf dem Flurstück Nr. 187/5, Flur 6, Gemarkung ..., wird aufgehoben.

2. Der Beklagte und die Beigeladene haben die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers jeweils zur Hälfte zu tragen. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten fallen dem Beklagten und der Beigeladenen jeweils selbst zur Last.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte und die Beigeladene dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen am 3. April 2009 im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung in der Gestalt eines von dem Beklagten unter dem 1. Juli 2010 erlassenen "Klarstellungsbescheids" zur Errichtung eines Kinderspielplatzes mit einer Gesamtfläche von ca. 1.700 qm auf dem ca. 6.000 qm großen Flurstück Nr. 187/5, Flur 6, Gemarkung ..., das innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. 60 "..." bzw. ".../Europäisches Berufsbildungswerk - 1. Änderung" liegt, der für den fraglichen Bereich einen "Naturnahen Spiel- und Erlebnisraum" festschreibt. Er selbst ist Eigentümer des nördlich des Spielplatzes im Bereich des ein Allgemeines Wohngebiet festsetzenden Bebauungsplans Nr. 54 "Bei ..." gelegenen Flurstücks Nr. 176/11, ...-Straße 10. Zwischen dem Spielplatzgrundstück und dem Grundstück des Klägers liegt die ca. 10 m tiefe Parzelle Nr. 276/17, für die der Bebauungsplan "Bei ..." eine öffentliche Grünfläche festsetzt. Das auf der Parzelle des Klägers befindliche Wohnhaus liegt ca. 25 m nördlich der Spielplatzanlage.

2

In der im Baugenehmigungsverfahren von der Beigeladenen vorgelegten Baubeschreibung, die allerdings im Baugenehmigungsverfahren nicht mit dem Genehmigungsstempel "Bauaufsichtlich geprüft" versehen wurde, ist ausgeführt, dass Kindern im Alter von 3 bis 14 Jahren die Möglichkeit geboten werden soll, ihre motorischen Fähigkeiten zu schulen. Ferner sollen auf Ruhe- und Aufenthaltsflächen Picknickflächen für Familien, Schulen und Kindertagesstätten entstehen. Für jüngere Kinder werde ein sog. "Schwedenlager" mit 195 qm Grundfläche gebaut mit Sandspielen, Hängematte, Vogelnest, Wipptieren, Spielhaus u.a. Die "...-Burg" mit einer Grundfläche von 324 qm biete Herausforderungen für ältere Kinder mit Rutschturm, Kletterwänden, Ballancierseilen u.a. Außerdem werde ein 375 qm großer Bolzplatz, eine Streetballanlage und eine Tischtennisplatte errichtet. Der Spielplatz solle täglich von 8 Uhr bis 20 Uhr, in den Sommermonaten bis 21 Uhr, zur Nutzung freigegeben werden.

3

Im September 2009 teilte die Beigeladene dem Beklagten mit, dass das Bauvorhaben fertiggestellt sei.

4

Am 20. November 2009 legte der Kläger Widerspruch gegen die erteilte Baugenehmigung ein, ohne diesen zu begründen.

5

Am 5. Februar 2010 hat der Kläger sodann vor Erlass eines Widerspruchsbescheids Klage erhoben.

6

Mit Klarstellungsbescheid vom 1. Juli 2010 führte der Beklagte sodann aus, dass nur die mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauantragsunterlagen genehmigt worden seien.

7

Zur Klagebegründung macht der Kläger geltend, von dem Spielplatz unzumutbar beeinträchtigt zu werden. Er habe gegen die ihm nicht bekannt gegebene Baugenehmigung fristgerecht Widerspruch eingelegt. Von einer Verwirkung des Widerspruchsrechts - wie von der Beigeladenen behauptet - könne keine Rede sein, denn ab Beginn der Bauarbeiten seien zahlreiche Gespräche mit Bauarbeitern und Vertretern der Stadt geführt worden. Außerdem habe sich die Nachbarschaft an den Bauausschuss der Beigeladenen, zahlreiche Kommunalpolitiker und die Presse gewandt. Man habe sich - erfolglos - um einen "runden Tisch" zur Vermeidung eines Widerspruchsverfahrens bemüht. Dem Bebauungsplan fehle es an der erforderlichen planungsrechtlichen Grundlage, denn der Bebauungsplan ".../Europäisches Berufsbildungswerk - 1. Änderung" sei infolge eines erheblichen Abwägungsmangels unwirksam, da die Beigeladene die von den Spiel- und Erlebnisräumen ausgehenden Lärmemissionen nicht ermittelt und die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beachtet habe.

8

Die genehmigte Anlage verursache erhebliche Verkehrsprobleme durch verkehrswidriges Parken von Besucherfahrzeugen. Durch Besucher des Spielplatzes würden wiederholt Babywindeln in den dem klägerischen Grundstück zugewandten Grünbereich entsorgt.

9

Im Übrigen sei das genehmigte Vorhaben, eine Wirksamkeit des Bebauungsplans unterstellt, auch nicht mit den planerischen Festsetzungen über einen "naturnahen Spiel- und Erlebnisraum" zu vereinbaren, weil das 70 qm große Streetballfeld mit Betonrechteckpflaster hergestellt worden sei und die Sport- und Spielgeräte keinen naturnahen Bezug hätten.

10

Ferner verstoße die genehmigte Anlage gegen § 22 Abs. 1 BImSchG, weil die von ihr verursachten Lärmimmissionen die Grenzwerte der hier einschlägigen Freizeitlärm-Richtlinie erheblich überstiegen. Dies werde durch ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten bestätigt, das von dem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen P. erstellt wurde, an dessen Fachkunde und Unvoreingenommenheit keine Zweifel bestünden. Diese Richtlinie sei anwendbar, weil die genehmigte Anlage als sog. Aktivspielplatz nicht mit einem herkömmlichen Spielplatz zu vergleichen sei. Im Übrigen seien die Lärmimmissionen auch nicht mit den Vorgaben der TA-Lärm zu vereinbaren.

11

Schließlich verstoße die Freizeitanlage gegen das Rücksichtnahmegebot, zumal für den Bereich des klägerischen Grundstücks bauplanungsrechtlich ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt sei. Soweit die Beigeladene darauf abstelle, dass die Freizeitanlage auch dem Baugebiet "... 2" zuzuordnen sei, müsse gesehen werden, dass dieses Baugebiet mehr als 500 m entfernt liege, so dass von einer unmittelbaren Nähe keine Rede sein könne. Die Nutzung der in ca. 18 m vom Grundstück des Klägers errichteten Tunnelmetallrutsche sei mit erheblichem Lärm verbunden, weil sie häufig gleichsam als Schlagzeug genutzt werde. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso der Abenteuerspielplatz bei einer Gesamtfläche von ca. 6.000 qm nicht entzerrt worden sei.

12

Im Übrigen sei die Baugenehmigung zu unbestimmt, wenn durch den "Klarstellungsbescheid" die Baubeschreibung aus der Baugenehmigung herausgenommen werde.

13

Der Kläger beantragt,

14

die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 3. April 2009 in der Gestalt des Klarstellungsbescheids vom 1. Juli 2010 aufzuheben.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Er ist der Auffassung, dass die Hauptfläche der genehmigten Anlage mit einer Spielfläche von ca. 1.700 qm angesichts der in der Umgebung vorhandenen ca. 230 Wohnhäuser als üblicher Kinderspielplatz zu qualifizieren sei, der vom Kläger hinzunehmen sei, zumal eine evtl. missbräuchliche Nutzung der Anlage im Einzelfall nicht zur Rechtswidrigkeit der erteilten Baugenehmigung führe. Ein Bolzplatz sei nicht genehmigt worden, weil die vorgelegte Baubeschreibung - wie in dem Bescheid vom 1. Juli 2010 klargestellt worden sei - nicht von der Baugenehmigung umfasst werde.

18

Die Beigeladene beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Sie ist der Auffassung, dass das Wohnhaus des Klägers mehr als 25 m von der genehmigten Spielplatzanlage entfernt sei. Allerdings müsse gesehen werden, dass der Kläger gegen die ihm nicht bekanntgegebene Baugenehmigung erst im November 2009 Widerspruch eingelegt habe, als die Anlage längst fertiggestellt gewesen sei. Von daher sei das Widerspruchsrecht verwirkt worden, zumal bereits im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Aufstellung des Bebauungsplans im Jahr 2004 auf die Planungsabsichten hingewiesen worden sei und die Anlieger keine Einwände geltend gemacht hätten.

21

Die vom Kläger zutreffend angeführten Verkehrsbeeinträchtigungen beruhten auf der anfänglichen Situation einer neuen Anlage; insoweit sei zu erwarten, dass die Frequentierung der Anlage in Zukunft deutlich abnehme. Dies habe sich bei einem anderen in der Vergangenheit angelegten Spielplatz "Im L..." bestätigt. Das vom Kläger vorgelegte Privatgutachten werde nicht akzeptiert, weil die in ihm angewandte VDI-Richtlinie 3770 nicht einschlägig sei.

22

Die errichtete Anlage, die in eine sehr weitläufige öffentliche Grünanlage eingebettet sei, sei als Kinderspielplatz im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG zu qualifizieren, nicht aber als Bolzplatz, da das errichtete Spielfeld mit einem Tor mit einem tiefen Holzhackschnitzelbelag errichtet worden sei. Ein Streetballplatz liege nicht vor, weil lediglich ein Basketballkorb aufgestellt worden sei. Von daher sei die Anlage grundsätzlich in allen Wohngebieten zulässig und vorliegend nicht gegenüber der Umgebung rücksichtslos.

23

Die Kammer hat Beweis erhoben zu der Frage, ob von dem auf der Grundlage der im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten Baubeschreibung genehmigten Kinderspielplatz auf dem Flurstück 187/5, Flur 6, Gemarkung ..., unter Zugrundelegung der "Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche", MinBl. 1997, S. 213 ff., unzumutbare Lärmbelästigungen für das in einem Allgemeinen Wohngebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung gelegene Wohnhaus des Klägers auf dem Flurstück 176/11 - ...-Straße 10 - ausgehen, durch mündliche Erläuterung bzw. Ergänzung der von dem Sachverständigenbüro des Dipl.-Ing. Paul P. im Auftrag des Klägers unter dem 8. Januar 2010 erstellten schriftlichen Stellungnahme.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2010 und vom 7. Juli 2010, auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsvorgänge sowie die Bebauungspläne Nr. 54 "Bei ...", Nr. 60 "..." und ".../Europäisches Berufsbildungswerk - 1. Änderung", die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

25

Die Klage ist zulässig, denn der Kläger kann geltend machen, durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung möglicherweise in eigenen Rechten im Sinne des § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - verletzt zu sein. Soweit die Beigeladene die Auffassung vertritt, dass der Kläger sein Anfechtungsrecht verwirkt habe und die Klage deshalb unzulässig sei, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen.

26

Zwar ergibt sich aus den Besonderheiten des durch nachbarliches Zusammenleben begründeten "nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses" die Pflicht eines Nachbarn, durch zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten. Von daher muss ein Nachbar nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend machen, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen gehalten werden soll, weil er ohne zureichenden Grund mit seinen Einwendungen länger als notwendig zugewartet hat. In Bezug auf den Zeitraum für eine Widerspruchseinlegung muss sich der Grenznachbar trotz fehlender amtlicher Bekanntgabe der Baugenehmigung daher so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt zuverlässiger Kenntniserlangung (oder der zumutbaren Möglichkeit hierzu) amtlich bekanntgegeben worden, wobei ihm allerdings gemäß § 58 Abs. 2 VwGO für die Widerspruchseinlegung grundsätzlich eine Frist von einem Jahr zur Verfügung steht, jedoch die Möglichkeit einer Verwirkung des verfahrensrechtlichen Widerspruchsrechts je nach den Umständen auch schon vor Ablauf der Jahresfrist eintreten kann (vgl. zu alledem BVerwG, Beschlüsse vom 16. März 2010 - 4 B 5/10 - und vom 28. August 1987 - N 3/86 -; Urteil vom 25. Januar 1974 - IV C 2.72 -, beide veröffentlicht in juris).

27

Allerdings kann in dem bloßen Umstand, dass in Kenntnis des Beginns von Bauarbeiten kein Widerspruch eingelegt wird, nicht stets eine Verwirkung eines Widerspruchsrechts gesehen werden. Die Verwirkung ist nämlich Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben, der für die gesamte Rechtsordnung Gültigkeit hat. Sie bildet einen Anwendungsfall des venire contra factum proprium (Verbot widersprüchlichen Verhaltens) und besagt, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (sog. Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (sog. Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2004 - 3 B 101/03 -, juris).

28

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sein Widerspruchsrecht verwirkt hätte, vermag die Kammer nicht zu erkennen, nachdem am 5. Oktober 2009 im Trierischen Volksfreund umfassend darüber berichtet wurde, dass sich der Kläger gegen Lärmbelästigungen durch den Spielplatz wende, und ein Bediensteter der Beigeladenen dahingehend zitiert wurde, dass das Problem bekannt sei und die Beschwerdeführer verstanden werden könnten.

29

Hat aber von daher der Kläger sein Widerspruchsrecht nicht verwirkt, so ist die Klage gemäß § 75 VwGO zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass die Klage bereits weniger als drei Monate nach Einlegung des bislang noch nicht beschiedenen Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 3. April 2010 erhoben wurde, denn ungeachtet dessen, dass nach § 75 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - die Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs erhoben werden kann, handelt es sich bei dieser Frist nicht um eine Zugangs-, sondern um eine Sachentscheidungsvoraussetzung, so dass es für die Zulässigkeit der Klage ausreicht, dass die Frist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eingehalten ist und ausreichende Gründe für eine Nichtbescheidung des Widerspruchs nicht vorliegen (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Januar 1966 - I C 24.63 -, BVerwGE 23, S. 135/137 und vom 23. März 1973 - IV C 2.72 -, BVerwGE 42, S. 108/110).

30

Die demnach zulässige Klage ist auch in der Sache begründet. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Spielplatzes verstößt gegen solche öffentlich-rechtliche Bestimmungen, die auch dem Schutz der Kläger zu dienen bestimmt sind, also subjektiv-rechtlichen Charakter aufweisen, so dass er in eigenen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt wird.

31

Soweit der Kläger allerdings die Auffassung vertritt, die Spielplatzanlage sei ihm gegenüber von vornherein deshalb rechtswidrig, weil der einschlägige Bebauungsplan rechtsfehlerhaft aufgestellt worden sei, vermag er damit im Anfechtungsverfahren gegen eine erteilte Baugenehmigung nicht durchzudringen, denn die Frage, ob eine Baugenehmigung aufgrund eines rechtmäßigen oder rechtsfehlerhaften Bebauungsplans erteilt worden ist, hat keinen drittschützenden Charakter. Gleiches gilt insoweit, als der Kläger geltend macht, die genehmigte Anlage entspreche nicht den Anforderungen eines naturnahen Spiel- und Erlebnisraums. Entscheidend ist nämlich ausschließlich, ob das genehmigte Vorhaben gegen solche Vorschriften verstößt, die (auch) dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt sind; ob die erteilte Baugenehmigung bei objektiver Betrachtung rechtmäßig ist, ist hingegen nicht von Bedeutung.

32

Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verstößt - wie der Kläger zutreffend vorträgt - gegen das ihm gegenüber Drittschutz gewährende baurechtliche Rücksichtnahmegebot. Dies gilt unabhängig davon, ob die einschlägigen Bebauungspläne rechtsverbindlich sind oder nicht.

33

Seine gesetzliche Ausprägung findet das Gebot der Rücksichtnahme, wenn ein Bauvorhaben bauplanungsrechtlich nach § 30 BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414) oder nach § 34 Abs. 2 BauGB zu beurteilen ist, in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Ist ein Bauvorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen, so ist das Gebot der Rücksichtnahme in dem in dieser Bestimmung genannten Begriff des Einfügens enthalten (BVerwG, Urteile vom 13. März 1981 - 4 C 1.78 -, DVBl. 1981 S. 928 und vom 18. Oktober 1985 - 4 C 19.82 -, Buchholz 406.19 Nr. 66 und Beschluss vom 20. April 2000 - 4 B 25/00 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 199). Richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens schließlich nach § 35 BauGB, so ist auf § 35 Abs. 2 und 3 BauGB als Grundlage des Rücksichtnahmegebotes zurückzugreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - in NVwZ 94, S. 686).

34

Von daher kann sich der Kläger unabhängig von der bauplanungsrechtlichen Grundlage der erteilten Baugenehmigung auf einen Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot berufen. Diese hat zwar grundsätzlich lediglich einen objektiv-rechtlichen Gehalt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 1981 - 4 B 13/81 -, Buchholz 406.19 Nr. 13; Urteil vom 10. Dezember 1982 - 4 C 28/81 -, NJW 1983 S. 2460; Urteil vom 05. August 1983 - 4 C 36/79 -, BVerwGE 67 S. 334/339; Urteil vom 19. September 1986 - 4 C 8/84 -, NVwZ 1987 S. 409). Nachbarschützende Wirkung kommt ihm jedoch im Einzelfall insoweit zu, als in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Insoweit müssen die Umstände des Einzelfalles eindeutig ergeben, auf wen Rücksicht zu nehmen und inwieweit eine besondere rechtliche Schutzwürdigkeit des Betroffenen anzuerkennen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 05. August 1983, a.a.O).

35

Das Gebot der Rücksichtnahme besagt, dass ein Bauvorhaben im Einzelfall unzulässig ist, wenn von ihm Beeinträchtigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart der Umgebung unzulässig sind. Ob eine bauliche Anlage gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, wie schutzwürdig die Umgebung ist, wobei bestehende Vorbelastungen nicht außer Betracht bleiben dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1983 - 4 C 59/79 -, BRS 40 Nr. 199).

36

Eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme ist dann anzunehmen, wenn sich unter Abwägung der widerstreitenden Interessen im konkreten Einzelfall ergibt, dass die Verwirklichung des jeweiligen Bauvorhabens dem Nachbarn nicht mehr zugemutet werden kann. Dabei setzt der Schutz des Nachbarn bereits unterhalb der eigentumsrechtlich im Sinne des Artikels 14 GG maßgeblichen Schwelle eines "schweren und unerträglichen Eingriffs" ein. Was dem Nachbarn eines Vorhabens aufgrund der Eigenart der näheren Umgebung an nachteiligen Wirkungen zugemutet werden darf, bestimmt sich mithin nach der aus der (näheren) Umgebung herzuleitenden Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit. Dabei kann für die Frage, welche Lärmbelästigungen einem Nachbarn unter Berücksichtigung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots zugemutet werden können, auf die Begriffsbestimmungen und die materiellrechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 - 4 C 6/98 -, juris). Immissionen, die das nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG - zulässige Maß nicht überschreiten, begründen auch unter dem Gesichtspunkt des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots keine Abwehr- oder Schutzansprüche (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 1983 - BVerwG 4 C 74.78 - BVerwGE 68, 58). Ob Belästigungen im Sinne des Immissionsschutzrechts erheblich sind, richtet sich nach der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter, die sich ihrerseits nach der bebauungsrechtlichen Prägung der Situation und nach den tatsächlichen oder planerischen Vorbelastungen bestimmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1993 - 4 C 19.90 -, NVwZ 1993, S. 1184 m.w.N.).

37

Nun ist zwar in einem Allgemeinen Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO, wie es für den Bereich des klägerischen Grundstücks und den südlich des Spielplatzes gelegenen Bereich des Bebauungsplans Nr. 60 festgesetzt - und offenkundig auch tatsächlich vorhanden - ist, ein Kinderspielplatz als Anlage für soziale Zwecke im Sinne des Abs. 2 Nr. 3 der Norm grundsätzlich zulässig, ohne dass insoweit eine Überprüfung der Zulässigkeit nach immissionsschutzrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen hätte. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 12. Dezember 1991 - 4 C 5/88 -, NJW 1992, S. 1779, ausgeführt:

38

"Ein Kinderspielplatz ist eine für eine altersgemäße Entwicklung eines Kindes wünschenswerte, wenn nicht gar erforderliche Einrichtung, um einem Kind einen von Beeinträchtigungen der Umwelt weitgehend ungestörten Aufenthalt im Freien zu ermöglichen und ihm u.a. Gelegenheit zu geben, sein Sozialverhalten im Spielen mit anderen Kindern zu trainieren. Seinem jeweiligen Alter entsprechend ist ein Kind sowohl bei seinem Aufenthalt auf dem Spielplatz als auch auf dem Hin- und Rückweg auf eine Beaufsichtigung angewiesen. Das gilt naturgemäß vor allem für Kleinkinder. Um den Bedürfnissen von Kindern und etwaigen Betreuungspersonen Rechnung zu tragen, gehören Kinderspielplätze in die unmittelbare Nähe einer Wohnbebauung; sie sind als deren sinnvolle Ergänzung anzusehen. Art und Umfang der Benutzung eines Kinderspielplatzes sind entsprechend seiner Ausstattung vom Alter der Kinder sowie von den Witterungsverhältnissen abhängig. Während der Sommerzeit halten sich Kinder in aller Regel länger zum Spielen im Freien auf als während der Wintermonate. Die mit der Benutzung eines Kinderspielplatzes für die nähere Umgebung unvermeidbar verbundenen Auswirkungen - vorwiegend Geräusche - sind ortsüblich und sozialadäquat; die mit einer bestimmungsgemäßen Nutzung eines Kinderspielplatzes verbundenen Beeinträchtigungen sind von den Nachbarn hinzunehmen. Bauplanungsrechtlich folgt hieraus: Wenn ein Spielplatz nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. §§ 3 oder 4 BauNVO grundsätzlich zulässig ist, so kann er nur ausnahmsweise nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 BauNVO im Einzelfall unzulässig sein. Kinderspielplätze, die nach ihrer Ausstattung für Kinder bis zu 14 Jahren eingerichtet sind, sind jedenfalls mit Ausnahme von sog. Bolzplätzen sozialadäquate Einrichtungen innerhalb einer Wohnbebauung. Insoweit besteht ein Unterschied zu Sportanlagen, die nicht unter § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO fallen, wenn sie die Zweckbestimmung des Wohngebiets gefährden (vgl. Beschluß vom 2. Juli 1991 - BVerwG 4 B 1.91 - ZfBR 1991, 273). Dies ist bei Kinderspielplätzen mit üblicher Ausstattung ausgeschlossen. Nur in einem besonders gelagerten Einzelfall, etwa wegen ihrer Lage unmittelbar neben Wohnräumen, können sie nach § 15 Abs. 1 BauNVO unzulässig sein oder - um Interessenkonflikte auszugleichen - Nutzungsbeschränkungen beispielsweise in zeitlicher Hinsicht bedürfen. Dieses zu beurteilen, ist regelmäßig Sache der Tatsachengerichte."

39

Ausgehend hiervon ist die Kammer der Überzeugung, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine besondere Prüfung der Zumutbarkeit der von der Spielplatzanlage ausgehenden Lärmemissionen geboten ist, weil es sich bei dem der Beigeladenen genehmigten Spielplatz nicht um einen üblichen Kinderspielplatz herkömmlicher Art handelt. Zwar handelt es sich bei ihm nicht um einen so genannten Abenteuerspielplatz, denn als solcher wird in der Regel ein Spielplatz bezeichnet, der überwiegend älteren Kindern und Heranwachsenden selbst gestaltbare Erlebnisspielräume bietet und pädagogisch betreut wird. Naturnahe Erfahrungsbereiche, Materialien und Werkzeuge bieten starke Anreize für vielseitige und schöpferische Aktivitäten, Spiel und Spaß, Bewegung und soziales Lernen. Synonym werden auch die Begriffe "Bauspielplatz", "Aktivspielplatz" oder "Robinsonspielplatz" benutzt (vgl. Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung, 9. Auflage, § 4 Rdnr. 20.1). Gleichwohl handelt es sicht nicht um einen herkömmlichen Kinderspielplatz. Mit dem verwendeten Begriff des Kinderspielplatzes wird nach allgemeinem Sprachgebrauch ein Spielplatz bezeichnet, der für die Benutzung durch schulpflichtige Kinder vorgesehen ist. Dies ist zwar vorliegend der Fall. Gleichwohl muss berücksichtigt werden, dass der Spielplatz nach der im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten Baubeschreibung mit einer Spielfläche von ca. 1.700 qm sehr groß ist und mit seinem so genannten "Schwedenlager" und vor allem der "..." einen weit über einen üblichen Spielplatz hinausgehenden Einzugsbereich hat, zumal es in der Beschreibung heißt, dass die zum Spielplatz gehörenden Freiflächen auch für eine Nutzung durch Familien, Schulen und Kindertagesstätten vorgesehen sind. Hinzu kommt, dass in der Baubeschreibung ein Bolzplatz und in der Planzeichnung eine Ballspielfläche mit einer Grundfläche von 25 m x 15 m und ein befestigter Streetballplatz mit einer Grundfläche von 9 m x 8 m ausgewiesen sind.

40

Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, dass die in der Baubeschreibung enthaltenen Ausführungen von der Genehmigung nicht umfasst worden seien, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen. Die Baugenehmigung als antragsbedürftiger Verwaltungsakt wird nach Inhalt und Umfang durch den Genehmigungsantrag und die in § 63 Abs. 2 LBauO genannten Bauunterlagen, die für die Beurteilung des Bauantrags erforderlich sind, bestimmt, so dass alle in den Bauunterlagen dargestellten Baumaßnehmen von der Genehmigung umfasst werden, sofern sie nicht ausdrücklich von der Genehmigung ausgenommen wurden. Daran fehlt es indessen, weil das bloße Nichtanbringen des Genehmigungsvermerks nicht dazu führen kann, dass die in den Bauunterlagen enthaltene Baubeschreibung von der Genehmigung nicht umfasst würde, da ohne Baubeschreibung letztlich überhaupt keine Beurteilung der baurechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens möglich wäre. Von daher muss im vorliegenden Klageverfahren zugunsten der Beigeladenen als Bauherrin davon ausgegangen werden, dass das Bauvorhaben so wie von ihr beantragt genehmigt wurde und dem "Klarstellungsbescheid" letztlich kein eigenständiger Regelungsinhalt zukommt.

41

Im Übrigen gehen die laut genehmigter Planzeichnung zulässige Errichtung der Ballspielfläche und der Streetballanlage über die üblichen Anlagen eines herkömmlichen Kinderspielplatzes hinaus. Insoweit nimmt die Kammer Bezug auf die Ausführungen des OVG Rheinland-Pfalz in dessen Beschluss vom 22. August 2007 - 8 B 10784/07.OVG -, in dem es heißt:

42

"Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist sogar ein Bolzplatz - verstanden als eine Spielfläche, die Kindern, aber auch Jugendlichen Gelegenheit zum sich Austoben durch spontanes, weitgehend regelloses Fußballspielen ermöglicht (vgl. OVG NW, Urteil vom 2. März 1999 - 10 A 6491/96 - , juris Rn. 23) - im allgemeinen Wohngebiet als "Anlage für sportliche Zwecke" im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO grundsätzlich zulässig, allerdings vorbehaltlich einer Beurteilung nach § 15 Abs. 1 BauNVO im Einzelfall (vgl. zum Beispiel BVerwG, Beschluss vom 3. März 1992 - 4 B 70.91 -, NVwZ 1992, S. 848, m.w.N.). In der Rechtsprechung ist auch anerkannt, dass Bolzplätze wegen der mit dem "Bolzen" naturgemäß verbundenen Geräuschentwicklung in hohem Maße konfliktträchtig sind, weshalb das Nebeneinander von Wohnen und Bolzplatznutzung im Einzelfall zu Problemen führen kann, die zumindest Auflagen zum Schutz der Nachbarschaft erforderlich machen können (vgl. BVerwG, a.a.O.). Ebenso anerkannt ist, dass die von der bestimmungsgemäßen Nutzung eines Kinderspielplatzes typischerweise ausgehenden Störungen und Belästigungen als Lebensäußerungen von Kindern unvermeidbar und in einem Wohngebiet der Nachbarschaft in aller Regel zumutbar sind (vgl. BVerwG, a.a.O., m.w.N.). Zwar hat die Antragsgegnerin die streitige Anlage nicht als "Bolzplatz", sondern als "Multifunktions(spiel)fläche" genehmigt. Wie sich in der Aufstellung zweier (wenn auch kleiner) Fußballtore und der Anbringung eines bis zu 6 m hohen Ballfangzauns manifestiert, schließt die bestimmungsgemäße Nutzung des Platzes aber eben auch ein - zumindest - kindliches "Bolzen" ein. Dies begründete die Notwendigkeit, ausreichende Vorkehrungen zum Schutz der unmittelbar angrenzenden Wohnbebauung vor solchen Störungen und Belästigungen vorzusehen, die über das zumutbare Ausmaß der von einer Kinderspielplatznutzung typischerweise ausgehenden Lebensäußerungen von Kindern und Jugendlichen deutlich hinausgehen."

43

Ausgehend hiervon ist die Kammer der Überzeugung, dass hinsichtlich der von dem Spielplatz ausgehenden Lärmemissionen ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot und die Vereinbarkeit der Anlage mit immissionsschutzrechtlichen Vorgaben zu prüfen ist.

44

Nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG sind immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen - um eine solche handelt es sich bei dem in Rede stehenden Spielplatz - so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen vermieden oder, soweit sie nach dem Stand der Technik unvermeidbar sind, auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Allerdings fehlen in Bezug auf Kinderspielplätze verlässliche Regelungen, die die Zumutbarkeit der von ihnen ausgehenden Geräusche näher konkretisieren, denn weder die TA-Lärm noch die 18. BImSchV - Sportanlagenlärmschutzverordnung - und die Freizeitlärmhinweise finden auf Kinderspielplätze unmittelbar Anwendung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 7 B 88/02 -, juris; Böhm, Schutz vor Kinderlärm?, LKRZ 2007, S. 409 ff.; Dietrich / Kahle, Immissionsschutzrechtliche Beurteilung von Kindergartenlärm und Lärm von Kinderspielplätzen, DVBl 2007, S. 18 ff.). Die Nichtanwendbarkeit der TA-Lärm folgt aus deren Nr. 1 Satz 2h, indem dort Anlagen für soziale Zwecke ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich ausgenommen werden. Auch können Anlagen der vorliegenden Art, die ausschließlich für die körperliche Freizeitbetätigung von Kindern bis zum Alter von 14 Jahren bestimmt sind, nicht als Sportanlagen im Sinne der 18. BImSchV qualifiziert werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2003, a.a.O.).

45

Allerdings schließt das Bundesverwaltungsgericht in seiner vorstehend zitierten Entscheidung die entsprechende Heranziehung der 18. BImSchV im Einzelfall nicht von vorneherein aus, indem es ausgeführt hat, dass es sich anbiete, die von Spielanlagen ausgehenden Geräuschemissionen mangels geeigneterer Vorschriften nach dem in der Sportanlagenlärmschutzverordnung festgelegten Ermittlungs- und Messverfahren zu bestimmen, das der Besonderheit der bei Sport und Spiel auftretenden Geräusche Rechnung trägt. Die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuschen, die von Anlagen der hier in Rede stehenden Art ausgehen, müsse jedoch wegen deren Atypik und Vielgestaltigkeit weitgehend der richterlichen Wertung im Einzelfall vorbehalten bleiben.

46

Ferner bietet sich eine zumindest entsprechende Anwendung der Freizeitlärm-Richtlinie an. Zwar bestimmt Nr. 2 Abs. 3 Satz 2 der Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche - Freizeitlärmhinweise -, MinBl. 1997, S. 213 ff., dass die Hinweise nicht für Kinderspielplätze gelten, die die Wohnnutzung in dem betroffenen Gebiet ergänzen, da die mit einer Nutzung von Kinderspielplätzen unvermeidbar verbundenen Geräusche regelmäßig sozialadäquat uns von den Nachbarn hinzunehmen sind. Werden aber - wie vorliegend - mehrere in einem räumlichen Zusammenhang stehende Freizeitanlagen zu einer konzeptionellen Einheit im Sinne eines "Freizeitbereichs" zusammengefasst (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2001 - 7 C 16/00 -, juris) und soll dieser ausweislich der im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten Baubeschreibung außer von der näheren Nachbarschaft auch allgemein von Schulen, Kindertagesstätten und Familien genutzt werden, so erscheint eine Heranziehung der Hinweise zur Beurteilung der von Freizeitanlagen verursachten Geräusche zumindest als Orientierungshilfe sinnvoll, da diese auf die Beurteilung der Lärmimmissionen von unorganisiert benutzten Freizeitanlagen abstellt.

47

Ausgehend hiervon ist die Kammer unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen K. in der mündlichen Verhandlung vor Gericht der Überzeugung, dass von der genehmigten Spielplatzanlage für den Kläger Lärmimmissionen zu erwarten sind, die die nach den Freizeitlärmhinweisen zulässigen Werte um bis zu 9 dB(A) überschreiten. Daran, dass der Sachverständige diese Werte ordnungsgemäß ermittelt hat, hegt die Kemmer keine Zweifel, zumal die in der mündlichen Verhandlung als Beistand der Beigeladenen aufgetretene Dipl. Physikerin G. von der Firma ISU - Immissionsschutz, Schalltechnik, Umweltberatung - bestätigt hat, dass der Sachverständige die einschlägigen DIN-Vorschriften ordnungsgemäß angewendet habe. Soweit Frau G. insoweit allerdings die Auffassung geäußert hat, dass diese Vorgaben der DIN-Vorschriften zu einer Worts-Case-Betrachtung führen würden und im tatsächlichen Alltagsbetrieb der genehmigten Anlage in der Regel geringere Emissionen zu erwarten seien, ändert dies zur Überzeugung der Kammer nichts daran, dass der Sachverständige K. die zu erwartenden Lärmbelastungen ordnungsgemäß ermittelt hat. Im Baugenehmigungsverfahren muss der Betreiber einer baulichen Anlage nämlich nachweisen, dass von dem zu genehmigenden Vorhaben bei maximaler Auslastung keine unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft zu befürchten sind und das Vorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorruft (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2/07 -, juris).

48

Ausgehend hiervon ist die Kammer der Überzeugung, dass bei einer Überschreitung der nach den Freizeitlärmhinweisen zulässigen Werte um bis zu 9 dB(A) die genehmigte Spielplatzanlage gegenüber dem Kläger gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, dass angesichts dessen, dass die Zumutbarkeitsschwelle bei Kinderlärm regelmäßig deutlich höher anzusetzen ist als bei anderen Lärmquellen, nicht jedes Überschreiten der nach den Freizeitlärmhinweisen zulässigen Werte zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot führt, muss vorliegend berücksichtigt werden, dass - wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat - ein durchschnittlicher Mensch eine Erhöhung des dB(A)-Wertes um 10 dB(A) als Verdoppelung der Lärmquelle empfindet und dieser Verdoppelungswert vorliegend nur um 1 dB(A) unterschritten wird.

49

Soweit der Beklagte und die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten haben, dass bei einer rechtsfehlerhaft erteilten Baugenehmigung eine Teilaufhebung in Betracht komme, um durch die Herausnahme einzelner Spielanlagen oder die Beschränkung der zulässigen Nutzungszeit der Anlage die Einhaltung der zulässigen Lärmwerte zu gewährleisten, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen.

50

Streitgegenstand der Anfechtungsklage des Klägers ist dessen Rechtsbehauptung, ein bestimmter, von ihm angefochtener Verwaltungsakt sei rechtswidrig und greife in seine Rechtssphäre ein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 1997 - 4 B 167/96 -, juris). Da indessen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nicht derart teilbar ist, dass (nur) durch Herausnahme einer oder mehrerer bestimmter Spielanlagen oder durch eine von vornherein feststehende Beschränkung der Nutzungszeit ihre Rechtmäßigkeit hergestellt werden könnte, ist für ihre teilweise Aufhebung oder gar die Beifügung von Nebenbestimmungen durch das Gericht kein Raum. Vielmehr muss es der Beigeladenen vorbehalten bleiben, ihr Bauvorhaben so umzuplanen, dass die Einhaltung der zulässigen Lärmrichtwerte gewährleistet ist, und dies geänderte Vorhaben sodann erneut zur Erteilung einer Baugenehmigung anzustellen.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO.

52

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.

53

Gründe, nach § 124a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, sind nicht gegeben, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch liegt eine Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vor.

54

Beschluss

55

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des von Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalogs, DVBl. 2004, S. 1525).

56

Dabei sieht die Kammer keine Veranlassung, die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG zuzulassen, denn die Streitwertfestsetzung hat keine grundsätzliche Bedeutung.

57

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

1. Die der Beigeladenen durch den Beklagten am 3. April 2009 erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Kinderspielplatzes auf dem Flurstück Nr. 187/5, Flur 6, Gemarkung ..., wird aufgehoben.

2. Der Beklagte und die Beigeladene haben die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers jeweils zur Hälfte zu tragen. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten fallen dem Beklagten und der Beigeladenen jeweils selbst zur Last.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte und die Beigeladene dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen am 3. April 2009 im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung in der Gestalt eines von dem Beklagten unter dem 1. Juli 2010 erlassenen "Klarstellungsbescheids" zur Errichtung eines Kinderspielplatzes mit einer Gesamtfläche von ca. 1.700 qm auf dem ca. 6.000 qm großen Flurstück Nr. 187/5, Flur 6, Gemarkung ..., das innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. 60 "..." bzw. ".../Europäisches Berufsbildungswerk - 1. Änderung" liegt, der für den fraglichen Bereich einen "Naturnahen Spiel- und Erlebnisraum" festschreibt. Er selbst ist Eigentümer des nördlich des Spielplatzes im Bereich des ein Allgemeines Wohngebiet festsetzenden Bebauungsplans Nr. 54 "Bei ..." gelegenen Flurstücks Nr. 176/11, ...-Straße 10. Zwischen dem Spielplatzgrundstück und dem Grundstück des Klägers liegt die ca. 10 m tiefe Parzelle Nr. 276/17, für die der Bebauungsplan "Bei ..." eine öffentliche Grünfläche festsetzt. Das auf der Parzelle des Klägers befindliche Wohnhaus liegt ca. 25 m nördlich der Spielplatzanlage.

2

In der im Baugenehmigungsverfahren von der Beigeladenen vorgelegten Baubeschreibung, die allerdings im Baugenehmigungsverfahren nicht mit dem Genehmigungsstempel "Bauaufsichtlich geprüft" versehen wurde, ist ausgeführt, dass Kindern im Alter von 3 bis 14 Jahren die Möglichkeit geboten werden soll, ihre motorischen Fähigkeiten zu schulen. Ferner sollen auf Ruhe- und Aufenthaltsflächen Picknickflächen für Familien, Schulen und Kindertagesstätten entstehen. Für jüngere Kinder werde ein sog. "Schwedenlager" mit 195 qm Grundfläche gebaut mit Sandspielen, Hängematte, Vogelnest, Wipptieren, Spielhaus u.a. Die "...-Burg" mit einer Grundfläche von 324 qm biete Herausforderungen für ältere Kinder mit Rutschturm, Kletterwänden, Ballancierseilen u.a. Außerdem werde ein 375 qm großer Bolzplatz, eine Streetballanlage und eine Tischtennisplatte errichtet. Der Spielplatz solle täglich von 8 Uhr bis 20 Uhr, in den Sommermonaten bis 21 Uhr, zur Nutzung freigegeben werden.

3

Im September 2009 teilte die Beigeladene dem Beklagten mit, dass das Bauvorhaben fertiggestellt sei.

4

Am 20. November 2009 legte der Kläger Widerspruch gegen die erteilte Baugenehmigung ein, ohne diesen zu begründen.

5

Am 5. Februar 2010 hat der Kläger sodann vor Erlass eines Widerspruchsbescheids Klage erhoben.

6

Mit Klarstellungsbescheid vom 1. Juli 2010 führte der Beklagte sodann aus, dass nur die mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauantragsunterlagen genehmigt worden seien.

7

Zur Klagebegründung macht der Kläger geltend, von dem Spielplatz unzumutbar beeinträchtigt zu werden. Er habe gegen die ihm nicht bekannt gegebene Baugenehmigung fristgerecht Widerspruch eingelegt. Von einer Verwirkung des Widerspruchsrechts - wie von der Beigeladenen behauptet - könne keine Rede sein, denn ab Beginn der Bauarbeiten seien zahlreiche Gespräche mit Bauarbeitern und Vertretern der Stadt geführt worden. Außerdem habe sich die Nachbarschaft an den Bauausschuss der Beigeladenen, zahlreiche Kommunalpolitiker und die Presse gewandt. Man habe sich - erfolglos - um einen "runden Tisch" zur Vermeidung eines Widerspruchsverfahrens bemüht. Dem Bebauungsplan fehle es an der erforderlichen planungsrechtlichen Grundlage, denn der Bebauungsplan ".../Europäisches Berufsbildungswerk - 1. Änderung" sei infolge eines erheblichen Abwägungsmangels unwirksam, da die Beigeladene die von den Spiel- und Erlebnisräumen ausgehenden Lärmemissionen nicht ermittelt und die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beachtet habe.

8

Die genehmigte Anlage verursache erhebliche Verkehrsprobleme durch verkehrswidriges Parken von Besucherfahrzeugen. Durch Besucher des Spielplatzes würden wiederholt Babywindeln in den dem klägerischen Grundstück zugewandten Grünbereich entsorgt.

9

Im Übrigen sei das genehmigte Vorhaben, eine Wirksamkeit des Bebauungsplans unterstellt, auch nicht mit den planerischen Festsetzungen über einen "naturnahen Spiel- und Erlebnisraum" zu vereinbaren, weil das 70 qm große Streetballfeld mit Betonrechteckpflaster hergestellt worden sei und die Sport- und Spielgeräte keinen naturnahen Bezug hätten.

10

Ferner verstoße die genehmigte Anlage gegen § 22 Abs. 1 BImSchG, weil die von ihr verursachten Lärmimmissionen die Grenzwerte der hier einschlägigen Freizeitlärm-Richtlinie erheblich überstiegen. Dies werde durch ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten bestätigt, das von dem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen P. erstellt wurde, an dessen Fachkunde und Unvoreingenommenheit keine Zweifel bestünden. Diese Richtlinie sei anwendbar, weil die genehmigte Anlage als sog. Aktivspielplatz nicht mit einem herkömmlichen Spielplatz zu vergleichen sei. Im Übrigen seien die Lärmimmissionen auch nicht mit den Vorgaben der TA-Lärm zu vereinbaren.

11

Schließlich verstoße die Freizeitanlage gegen das Rücksichtnahmegebot, zumal für den Bereich des klägerischen Grundstücks bauplanungsrechtlich ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt sei. Soweit die Beigeladene darauf abstelle, dass die Freizeitanlage auch dem Baugebiet "... 2" zuzuordnen sei, müsse gesehen werden, dass dieses Baugebiet mehr als 500 m entfernt liege, so dass von einer unmittelbaren Nähe keine Rede sein könne. Die Nutzung der in ca. 18 m vom Grundstück des Klägers errichteten Tunnelmetallrutsche sei mit erheblichem Lärm verbunden, weil sie häufig gleichsam als Schlagzeug genutzt werde. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso der Abenteuerspielplatz bei einer Gesamtfläche von ca. 6.000 qm nicht entzerrt worden sei.

12

Im Übrigen sei die Baugenehmigung zu unbestimmt, wenn durch den "Klarstellungsbescheid" die Baubeschreibung aus der Baugenehmigung herausgenommen werde.

13

Der Kläger beantragt,

14

die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 3. April 2009 in der Gestalt des Klarstellungsbescheids vom 1. Juli 2010 aufzuheben.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Er ist der Auffassung, dass die Hauptfläche der genehmigten Anlage mit einer Spielfläche von ca. 1.700 qm angesichts der in der Umgebung vorhandenen ca. 230 Wohnhäuser als üblicher Kinderspielplatz zu qualifizieren sei, der vom Kläger hinzunehmen sei, zumal eine evtl. missbräuchliche Nutzung der Anlage im Einzelfall nicht zur Rechtswidrigkeit der erteilten Baugenehmigung führe. Ein Bolzplatz sei nicht genehmigt worden, weil die vorgelegte Baubeschreibung - wie in dem Bescheid vom 1. Juli 2010 klargestellt worden sei - nicht von der Baugenehmigung umfasst werde.

18

Die Beigeladene beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Sie ist der Auffassung, dass das Wohnhaus des Klägers mehr als 25 m von der genehmigten Spielplatzanlage entfernt sei. Allerdings müsse gesehen werden, dass der Kläger gegen die ihm nicht bekanntgegebene Baugenehmigung erst im November 2009 Widerspruch eingelegt habe, als die Anlage längst fertiggestellt gewesen sei. Von daher sei das Widerspruchsrecht verwirkt worden, zumal bereits im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Aufstellung des Bebauungsplans im Jahr 2004 auf die Planungsabsichten hingewiesen worden sei und die Anlieger keine Einwände geltend gemacht hätten.

21

Die vom Kläger zutreffend angeführten Verkehrsbeeinträchtigungen beruhten auf der anfänglichen Situation einer neuen Anlage; insoweit sei zu erwarten, dass die Frequentierung der Anlage in Zukunft deutlich abnehme. Dies habe sich bei einem anderen in der Vergangenheit angelegten Spielplatz "Im L..." bestätigt. Das vom Kläger vorgelegte Privatgutachten werde nicht akzeptiert, weil die in ihm angewandte VDI-Richtlinie 3770 nicht einschlägig sei.

22

Die errichtete Anlage, die in eine sehr weitläufige öffentliche Grünanlage eingebettet sei, sei als Kinderspielplatz im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG zu qualifizieren, nicht aber als Bolzplatz, da das errichtete Spielfeld mit einem Tor mit einem tiefen Holzhackschnitzelbelag errichtet worden sei. Ein Streetballplatz liege nicht vor, weil lediglich ein Basketballkorb aufgestellt worden sei. Von daher sei die Anlage grundsätzlich in allen Wohngebieten zulässig und vorliegend nicht gegenüber der Umgebung rücksichtslos.

23

Die Kammer hat Beweis erhoben zu der Frage, ob von dem auf der Grundlage der im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten Baubeschreibung genehmigten Kinderspielplatz auf dem Flurstück 187/5, Flur 6, Gemarkung ..., unter Zugrundelegung der "Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche", MinBl. 1997, S. 213 ff., unzumutbare Lärmbelästigungen für das in einem Allgemeinen Wohngebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung gelegene Wohnhaus des Klägers auf dem Flurstück 176/11 - ...-Straße 10 - ausgehen, durch mündliche Erläuterung bzw. Ergänzung der von dem Sachverständigenbüro des Dipl.-Ing. Paul P. im Auftrag des Klägers unter dem 8. Januar 2010 erstellten schriftlichen Stellungnahme.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2010 und vom 7. Juli 2010, auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsvorgänge sowie die Bebauungspläne Nr. 54 "Bei ...", Nr. 60 "..." und ".../Europäisches Berufsbildungswerk - 1. Änderung", die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

25

Die Klage ist zulässig, denn der Kläger kann geltend machen, durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung möglicherweise in eigenen Rechten im Sinne des § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - verletzt zu sein. Soweit die Beigeladene die Auffassung vertritt, dass der Kläger sein Anfechtungsrecht verwirkt habe und die Klage deshalb unzulässig sei, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen.

26

Zwar ergibt sich aus den Besonderheiten des durch nachbarliches Zusammenleben begründeten "nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses" die Pflicht eines Nachbarn, durch zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten. Von daher muss ein Nachbar nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend machen, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen gehalten werden soll, weil er ohne zureichenden Grund mit seinen Einwendungen länger als notwendig zugewartet hat. In Bezug auf den Zeitraum für eine Widerspruchseinlegung muss sich der Grenznachbar trotz fehlender amtlicher Bekanntgabe der Baugenehmigung daher so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt zuverlässiger Kenntniserlangung (oder der zumutbaren Möglichkeit hierzu) amtlich bekanntgegeben worden, wobei ihm allerdings gemäß § 58 Abs. 2 VwGO für die Widerspruchseinlegung grundsätzlich eine Frist von einem Jahr zur Verfügung steht, jedoch die Möglichkeit einer Verwirkung des verfahrensrechtlichen Widerspruchsrechts je nach den Umständen auch schon vor Ablauf der Jahresfrist eintreten kann (vgl. zu alledem BVerwG, Beschlüsse vom 16. März 2010 - 4 B 5/10 - und vom 28. August 1987 - N 3/86 -; Urteil vom 25. Januar 1974 - IV C 2.72 -, beide veröffentlicht in juris).

27

Allerdings kann in dem bloßen Umstand, dass in Kenntnis des Beginns von Bauarbeiten kein Widerspruch eingelegt wird, nicht stets eine Verwirkung eines Widerspruchsrechts gesehen werden. Die Verwirkung ist nämlich Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben, der für die gesamte Rechtsordnung Gültigkeit hat. Sie bildet einen Anwendungsfall des venire contra factum proprium (Verbot widersprüchlichen Verhaltens) und besagt, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (sog. Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (sog. Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2004 - 3 B 101/03 -, juris).

28

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sein Widerspruchsrecht verwirkt hätte, vermag die Kammer nicht zu erkennen, nachdem am 5. Oktober 2009 im Trierischen Volksfreund umfassend darüber berichtet wurde, dass sich der Kläger gegen Lärmbelästigungen durch den Spielplatz wende, und ein Bediensteter der Beigeladenen dahingehend zitiert wurde, dass das Problem bekannt sei und die Beschwerdeführer verstanden werden könnten.

29

Hat aber von daher der Kläger sein Widerspruchsrecht nicht verwirkt, so ist die Klage gemäß § 75 VwGO zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass die Klage bereits weniger als drei Monate nach Einlegung des bislang noch nicht beschiedenen Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 3. April 2010 erhoben wurde, denn ungeachtet dessen, dass nach § 75 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - die Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs erhoben werden kann, handelt es sich bei dieser Frist nicht um eine Zugangs-, sondern um eine Sachentscheidungsvoraussetzung, so dass es für die Zulässigkeit der Klage ausreicht, dass die Frist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eingehalten ist und ausreichende Gründe für eine Nichtbescheidung des Widerspruchs nicht vorliegen (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Januar 1966 - I C 24.63 -, BVerwGE 23, S. 135/137 und vom 23. März 1973 - IV C 2.72 -, BVerwGE 42, S. 108/110).

30

Die demnach zulässige Klage ist auch in der Sache begründet. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Spielplatzes verstößt gegen solche öffentlich-rechtliche Bestimmungen, die auch dem Schutz der Kläger zu dienen bestimmt sind, also subjektiv-rechtlichen Charakter aufweisen, so dass er in eigenen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt wird.

31

Soweit der Kläger allerdings die Auffassung vertritt, die Spielplatzanlage sei ihm gegenüber von vornherein deshalb rechtswidrig, weil der einschlägige Bebauungsplan rechtsfehlerhaft aufgestellt worden sei, vermag er damit im Anfechtungsverfahren gegen eine erteilte Baugenehmigung nicht durchzudringen, denn die Frage, ob eine Baugenehmigung aufgrund eines rechtmäßigen oder rechtsfehlerhaften Bebauungsplans erteilt worden ist, hat keinen drittschützenden Charakter. Gleiches gilt insoweit, als der Kläger geltend macht, die genehmigte Anlage entspreche nicht den Anforderungen eines naturnahen Spiel- und Erlebnisraums. Entscheidend ist nämlich ausschließlich, ob das genehmigte Vorhaben gegen solche Vorschriften verstößt, die (auch) dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt sind; ob die erteilte Baugenehmigung bei objektiver Betrachtung rechtmäßig ist, ist hingegen nicht von Bedeutung.

32

Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verstößt - wie der Kläger zutreffend vorträgt - gegen das ihm gegenüber Drittschutz gewährende baurechtliche Rücksichtnahmegebot. Dies gilt unabhängig davon, ob die einschlägigen Bebauungspläne rechtsverbindlich sind oder nicht.

33

Seine gesetzliche Ausprägung findet das Gebot der Rücksichtnahme, wenn ein Bauvorhaben bauplanungsrechtlich nach § 30 BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414) oder nach § 34 Abs. 2 BauGB zu beurteilen ist, in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Ist ein Bauvorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen, so ist das Gebot der Rücksichtnahme in dem in dieser Bestimmung genannten Begriff des Einfügens enthalten (BVerwG, Urteile vom 13. März 1981 - 4 C 1.78 -, DVBl. 1981 S. 928 und vom 18. Oktober 1985 - 4 C 19.82 -, Buchholz 406.19 Nr. 66 und Beschluss vom 20. April 2000 - 4 B 25/00 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 199). Richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens schließlich nach § 35 BauGB, so ist auf § 35 Abs. 2 und 3 BauGB als Grundlage des Rücksichtnahmegebotes zurückzugreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - in NVwZ 94, S. 686).

34

Von daher kann sich der Kläger unabhängig von der bauplanungsrechtlichen Grundlage der erteilten Baugenehmigung auf einen Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot berufen. Diese hat zwar grundsätzlich lediglich einen objektiv-rechtlichen Gehalt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 1981 - 4 B 13/81 -, Buchholz 406.19 Nr. 13; Urteil vom 10. Dezember 1982 - 4 C 28/81 -, NJW 1983 S. 2460; Urteil vom 05. August 1983 - 4 C 36/79 -, BVerwGE 67 S. 334/339; Urteil vom 19. September 1986 - 4 C 8/84 -, NVwZ 1987 S. 409). Nachbarschützende Wirkung kommt ihm jedoch im Einzelfall insoweit zu, als in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Insoweit müssen die Umstände des Einzelfalles eindeutig ergeben, auf wen Rücksicht zu nehmen und inwieweit eine besondere rechtliche Schutzwürdigkeit des Betroffenen anzuerkennen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 05. August 1983, a.a.O).

35

Das Gebot der Rücksichtnahme besagt, dass ein Bauvorhaben im Einzelfall unzulässig ist, wenn von ihm Beeinträchtigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart der Umgebung unzulässig sind. Ob eine bauliche Anlage gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, wie schutzwürdig die Umgebung ist, wobei bestehende Vorbelastungen nicht außer Betracht bleiben dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1983 - 4 C 59/79 -, BRS 40 Nr. 199).

36

Eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme ist dann anzunehmen, wenn sich unter Abwägung der widerstreitenden Interessen im konkreten Einzelfall ergibt, dass die Verwirklichung des jeweiligen Bauvorhabens dem Nachbarn nicht mehr zugemutet werden kann. Dabei setzt der Schutz des Nachbarn bereits unterhalb der eigentumsrechtlich im Sinne des Artikels 14 GG maßgeblichen Schwelle eines "schweren und unerträglichen Eingriffs" ein. Was dem Nachbarn eines Vorhabens aufgrund der Eigenart der näheren Umgebung an nachteiligen Wirkungen zugemutet werden darf, bestimmt sich mithin nach der aus der (näheren) Umgebung herzuleitenden Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit. Dabei kann für die Frage, welche Lärmbelästigungen einem Nachbarn unter Berücksichtigung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots zugemutet werden können, auf die Begriffsbestimmungen und die materiellrechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 - 4 C 6/98 -, juris). Immissionen, die das nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG - zulässige Maß nicht überschreiten, begründen auch unter dem Gesichtspunkt des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots keine Abwehr- oder Schutzansprüche (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 1983 - BVerwG 4 C 74.78 - BVerwGE 68, 58). Ob Belästigungen im Sinne des Immissionsschutzrechts erheblich sind, richtet sich nach der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter, die sich ihrerseits nach der bebauungsrechtlichen Prägung der Situation und nach den tatsächlichen oder planerischen Vorbelastungen bestimmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1993 - 4 C 19.90 -, NVwZ 1993, S. 1184 m.w.N.).

37

Nun ist zwar in einem Allgemeinen Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO, wie es für den Bereich des klägerischen Grundstücks und den südlich des Spielplatzes gelegenen Bereich des Bebauungsplans Nr. 60 festgesetzt - und offenkundig auch tatsächlich vorhanden - ist, ein Kinderspielplatz als Anlage für soziale Zwecke im Sinne des Abs. 2 Nr. 3 der Norm grundsätzlich zulässig, ohne dass insoweit eine Überprüfung der Zulässigkeit nach immissionsschutzrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen hätte. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 12. Dezember 1991 - 4 C 5/88 -, NJW 1992, S. 1779, ausgeführt:

38

"Ein Kinderspielplatz ist eine für eine altersgemäße Entwicklung eines Kindes wünschenswerte, wenn nicht gar erforderliche Einrichtung, um einem Kind einen von Beeinträchtigungen der Umwelt weitgehend ungestörten Aufenthalt im Freien zu ermöglichen und ihm u.a. Gelegenheit zu geben, sein Sozialverhalten im Spielen mit anderen Kindern zu trainieren. Seinem jeweiligen Alter entsprechend ist ein Kind sowohl bei seinem Aufenthalt auf dem Spielplatz als auch auf dem Hin- und Rückweg auf eine Beaufsichtigung angewiesen. Das gilt naturgemäß vor allem für Kleinkinder. Um den Bedürfnissen von Kindern und etwaigen Betreuungspersonen Rechnung zu tragen, gehören Kinderspielplätze in die unmittelbare Nähe einer Wohnbebauung; sie sind als deren sinnvolle Ergänzung anzusehen. Art und Umfang der Benutzung eines Kinderspielplatzes sind entsprechend seiner Ausstattung vom Alter der Kinder sowie von den Witterungsverhältnissen abhängig. Während der Sommerzeit halten sich Kinder in aller Regel länger zum Spielen im Freien auf als während der Wintermonate. Die mit der Benutzung eines Kinderspielplatzes für die nähere Umgebung unvermeidbar verbundenen Auswirkungen - vorwiegend Geräusche - sind ortsüblich und sozialadäquat; die mit einer bestimmungsgemäßen Nutzung eines Kinderspielplatzes verbundenen Beeinträchtigungen sind von den Nachbarn hinzunehmen. Bauplanungsrechtlich folgt hieraus: Wenn ein Spielplatz nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. §§ 3 oder 4 BauNVO grundsätzlich zulässig ist, so kann er nur ausnahmsweise nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 BauNVO im Einzelfall unzulässig sein. Kinderspielplätze, die nach ihrer Ausstattung für Kinder bis zu 14 Jahren eingerichtet sind, sind jedenfalls mit Ausnahme von sog. Bolzplätzen sozialadäquate Einrichtungen innerhalb einer Wohnbebauung. Insoweit besteht ein Unterschied zu Sportanlagen, die nicht unter § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO fallen, wenn sie die Zweckbestimmung des Wohngebiets gefährden (vgl. Beschluß vom 2. Juli 1991 - BVerwG 4 B 1.91 - ZfBR 1991, 273). Dies ist bei Kinderspielplätzen mit üblicher Ausstattung ausgeschlossen. Nur in einem besonders gelagerten Einzelfall, etwa wegen ihrer Lage unmittelbar neben Wohnräumen, können sie nach § 15 Abs. 1 BauNVO unzulässig sein oder - um Interessenkonflikte auszugleichen - Nutzungsbeschränkungen beispielsweise in zeitlicher Hinsicht bedürfen. Dieses zu beurteilen, ist regelmäßig Sache der Tatsachengerichte."

39

Ausgehend hiervon ist die Kammer der Überzeugung, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine besondere Prüfung der Zumutbarkeit der von der Spielplatzanlage ausgehenden Lärmemissionen geboten ist, weil es sich bei dem der Beigeladenen genehmigten Spielplatz nicht um einen üblichen Kinderspielplatz herkömmlicher Art handelt. Zwar handelt es sich bei ihm nicht um einen so genannten Abenteuerspielplatz, denn als solcher wird in der Regel ein Spielplatz bezeichnet, der überwiegend älteren Kindern und Heranwachsenden selbst gestaltbare Erlebnisspielräume bietet und pädagogisch betreut wird. Naturnahe Erfahrungsbereiche, Materialien und Werkzeuge bieten starke Anreize für vielseitige und schöpferische Aktivitäten, Spiel und Spaß, Bewegung und soziales Lernen. Synonym werden auch die Begriffe "Bauspielplatz", "Aktivspielplatz" oder "Robinsonspielplatz" benutzt (vgl. Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung, 9. Auflage, § 4 Rdnr. 20.1). Gleichwohl handelt es sicht nicht um einen herkömmlichen Kinderspielplatz. Mit dem verwendeten Begriff des Kinderspielplatzes wird nach allgemeinem Sprachgebrauch ein Spielplatz bezeichnet, der für die Benutzung durch schulpflichtige Kinder vorgesehen ist. Dies ist zwar vorliegend der Fall. Gleichwohl muss berücksichtigt werden, dass der Spielplatz nach der im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten Baubeschreibung mit einer Spielfläche von ca. 1.700 qm sehr groß ist und mit seinem so genannten "Schwedenlager" und vor allem der "..." einen weit über einen üblichen Spielplatz hinausgehenden Einzugsbereich hat, zumal es in der Beschreibung heißt, dass die zum Spielplatz gehörenden Freiflächen auch für eine Nutzung durch Familien, Schulen und Kindertagesstätten vorgesehen sind. Hinzu kommt, dass in der Baubeschreibung ein Bolzplatz und in der Planzeichnung eine Ballspielfläche mit einer Grundfläche von 25 m x 15 m und ein befestigter Streetballplatz mit einer Grundfläche von 9 m x 8 m ausgewiesen sind.

40

Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, dass die in der Baubeschreibung enthaltenen Ausführungen von der Genehmigung nicht umfasst worden seien, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen. Die Baugenehmigung als antragsbedürftiger Verwaltungsakt wird nach Inhalt und Umfang durch den Genehmigungsantrag und die in § 63 Abs. 2 LBauO genannten Bauunterlagen, die für die Beurteilung des Bauantrags erforderlich sind, bestimmt, so dass alle in den Bauunterlagen dargestellten Baumaßnehmen von der Genehmigung umfasst werden, sofern sie nicht ausdrücklich von der Genehmigung ausgenommen wurden. Daran fehlt es indessen, weil das bloße Nichtanbringen des Genehmigungsvermerks nicht dazu führen kann, dass die in den Bauunterlagen enthaltene Baubeschreibung von der Genehmigung nicht umfasst würde, da ohne Baubeschreibung letztlich überhaupt keine Beurteilung der baurechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens möglich wäre. Von daher muss im vorliegenden Klageverfahren zugunsten der Beigeladenen als Bauherrin davon ausgegangen werden, dass das Bauvorhaben so wie von ihr beantragt genehmigt wurde und dem "Klarstellungsbescheid" letztlich kein eigenständiger Regelungsinhalt zukommt.

41

Im Übrigen gehen die laut genehmigter Planzeichnung zulässige Errichtung der Ballspielfläche und der Streetballanlage über die üblichen Anlagen eines herkömmlichen Kinderspielplatzes hinaus. Insoweit nimmt die Kammer Bezug auf die Ausführungen des OVG Rheinland-Pfalz in dessen Beschluss vom 22. August 2007 - 8 B 10784/07.OVG -, in dem es heißt:

42

"Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist sogar ein Bolzplatz - verstanden als eine Spielfläche, die Kindern, aber auch Jugendlichen Gelegenheit zum sich Austoben durch spontanes, weitgehend regelloses Fußballspielen ermöglicht (vgl. OVG NW, Urteil vom 2. März 1999 - 10 A 6491/96 - , juris Rn. 23) - im allgemeinen Wohngebiet als "Anlage für sportliche Zwecke" im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO grundsätzlich zulässig, allerdings vorbehaltlich einer Beurteilung nach § 15 Abs. 1 BauNVO im Einzelfall (vgl. zum Beispiel BVerwG, Beschluss vom 3. März 1992 - 4 B 70.91 -, NVwZ 1992, S. 848, m.w.N.). In der Rechtsprechung ist auch anerkannt, dass Bolzplätze wegen der mit dem "Bolzen" naturgemäß verbundenen Geräuschentwicklung in hohem Maße konfliktträchtig sind, weshalb das Nebeneinander von Wohnen und Bolzplatznutzung im Einzelfall zu Problemen führen kann, die zumindest Auflagen zum Schutz der Nachbarschaft erforderlich machen können (vgl. BVerwG, a.a.O.). Ebenso anerkannt ist, dass die von der bestimmungsgemäßen Nutzung eines Kinderspielplatzes typischerweise ausgehenden Störungen und Belästigungen als Lebensäußerungen von Kindern unvermeidbar und in einem Wohngebiet der Nachbarschaft in aller Regel zumutbar sind (vgl. BVerwG, a.a.O., m.w.N.). Zwar hat die Antragsgegnerin die streitige Anlage nicht als "Bolzplatz", sondern als "Multifunktions(spiel)fläche" genehmigt. Wie sich in der Aufstellung zweier (wenn auch kleiner) Fußballtore und der Anbringung eines bis zu 6 m hohen Ballfangzauns manifestiert, schließt die bestimmungsgemäße Nutzung des Platzes aber eben auch ein - zumindest - kindliches "Bolzen" ein. Dies begründete die Notwendigkeit, ausreichende Vorkehrungen zum Schutz der unmittelbar angrenzenden Wohnbebauung vor solchen Störungen und Belästigungen vorzusehen, die über das zumutbare Ausmaß der von einer Kinderspielplatznutzung typischerweise ausgehenden Lebensäußerungen von Kindern und Jugendlichen deutlich hinausgehen."

43

Ausgehend hiervon ist die Kammer der Überzeugung, dass hinsichtlich der von dem Spielplatz ausgehenden Lärmemissionen ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot und die Vereinbarkeit der Anlage mit immissionsschutzrechtlichen Vorgaben zu prüfen ist.

44

Nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG sind immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen - um eine solche handelt es sich bei dem in Rede stehenden Spielplatz - so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen vermieden oder, soweit sie nach dem Stand der Technik unvermeidbar sind, auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Allerdings fehlen in Bezug auf Kinderspielplätze verlässliche Regelungen, die die Zumutbarkeit der von ihnen ausgehenden Geräusche näher konkretisieren, denn weder die TA-Lärm noch die 18. BImSchV - Sportanlagenlärmschutzverordnung - und die Freizeitlärmhinweise finden auf Kinderspielplätze unmittelbar Anwendung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 7 B 88/02 -, juris; Böhm, Schutz vor Kinderlärm?, LKRZ 2007, S. 409 ff.; Dietrich / Kahle, Immissionsschutzrechtliche Beurteilung von Kindergartenlärm und Lärm von Kinderspielplätzen, DVBl 2007, S. 18 ff.). Die Nichtanwendbarkeit der TA-Lärm folgt aus deren Nr. 1 Satz 2h, indem dort Anlagen für soziale Zwecke ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich ausgenommen werden. Auch können Anlagen der vorliegenden Art, die ausschließlich für die körperliche Freizeitbetätigung von Kindern bis zum Alter von 14 Jahren bestimmt sind, nicht als Sportanlagen im Sinne der 18. BImSchV qualifiziert werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2003, a.a.O.).

45

Allerdings schließt das Bundesverwaltungsgericht in seiner vorstehend zitierten Entscheidung die entsprechende Heranziehung der 18. BImSchV im Einzelfall nicht von vorneherein aus, indem es ausgeführt hat, dass es sich anbiete, die von Spielanlagen ausgehenden Geräuschemissionen mangels geeigneterer Vorschriften nach dem in der Sportanlagenlärmschutzverordnung festgelegten Ermittlungs- und Messverfahren zu bestimmen, das der Besonderheit der bei Sport und Spiel auftretenden Geräusche Rechnung trägt. Die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuschen, die von Anlagen der hier in Rede stehenden Art ausgehen, müsse jedoch wegen deren Atypik und Vielgestaltigkeit weitgehend der richterlichen Wertung im Einzelfall vorbehalten bleiben.

46

Ferner bietet sich eine zumindest entsprechende Anwendung der Freizeitlärm-Richtlinie an. Zwar bestimmt Nr. 2 Abs. 3 Satz 2 der Hinweise zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche - Freizeitlärmhinweise -, MinBl. 1997, S. 213 ff., dass die Hinweise nicht für Kinderspielplätze gelten, die die Wohnnutzung in dem betroffenen Gebiet ergänzen, da die mit einer Nutzung von Kinderspielplätzen unvermeidbar verbundenen Geräusche regelmäßig sozialadäquat uns von den Nachbarn hinzunehmen sind. Werden aber - wie vorliegend - mehrere in einem räumlichen Zusammenhang stehende Freizeitanlagen zu einer konzeptionellen Einheit im Sinne eines "Freizeitbereichs" zusammengefasst (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2001 - 7 C 16/00 -, juris) und soll dieser ausweislich der im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten Baubeschreibung außer von der näheren Nachbarschaft auch allgemein von Schulen, Kindertagesstätten und Familien genutzt werden, so erscheint eine Heranziehung der Hinweise zur Beurteilung der von Freizeitanlagen verursachten Geräusche zumindest als Orientierungshilfe sinnvoll, da diese auf die Beurteilung der Lärmimmissionen von unorganisiert benutzten Freizeitanlagen abstellt.

47

Ausgehend hiervon ist die Kammer unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen K. in der mündlichen Verhandlung vor Gericht der Überzeugung, dass von der genehmigten Spielplatzanlage für den Kläger Lärmimmissionen zu erwarten sind, die die nach den Freizeitlärmhinweisen zulässigen Werte um bis zu 9 dB(A) überschreiten. Daran, dass der Sachverständige diese Werte ordnungsgemäß ermittelt hat, hegt die Kemmer keine Zweifel, zumal die in der mündlichen Verhandlung als Beistand der Beigeladenen aufgetretene Dipl. Physikerin G. von der Firma ISU - Immissionsschutz, Schalltechnik, Umweltberatung - bestätigt hat, dass der Sachverständige die einschlägigen DIN-Vorschriften ordnungsgemäß angewendet habe. Soweit Frau G. insoweit allerdings die Auffassung geäußert hat, dass diese Vorgaben der DIN-Vorschriften zu einer Worts-Case-Betrachtung führen würden und im tatsächlichen Alltagsbetrieb der genehmigten Anlage in der Regel geringere Emissionen zu erwarten seien, ändert dies zur Überzeugung der Kammer nichts daran, dass der Sachverständige K. die zu erwartenden Lärmbelastungen ordnungsgemäß ermittelt hat. Im Baugenehmigungsverfahren muss der Betreiber einer baulichen Anlage nämlich nachweisen, dass von dem zu genehmigenden Vorhaben bei maximaler Auslastung keine unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft zu befürchten sind und das Vorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorruft (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2/07 -, juris).

48

Ausgehend hiervon ist die Kammer der Überzeugung, dass bei einer Überschreitung der nach den Freizeitlärmhinweisen zulässigen Werte um bis zu 9 dB(A) die genehmigte Spielplatzanlage gegenüber dem Kläger gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, dass angesichts dessen, dass die Zumutbarkeitsschwelle bei Kinderlärm regelmäßig deutlich höher anzusetzen ist als bei anderen Lärmquellen, nicht jedes Überschreiten der nach den Freizeitlärmhinweisen zulässigen Werte zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot führt, muss vorliegend berücksichtigt werden, dass - wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat - ein durchschnittlicher Mensch eine Erhöhung des dB(A)-Wertes um 10 dB(A) als Verdoppelung der Lärmquelle empfindet und dieser Verdoppelungswert vorliegend nur um 1 dB(A) unterschritten wird.

49

Soweit der Beklagte und die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten haben, dass bei einer rechtsfehlerhaft erteilten Baugenehmigung eine Teilaufhebung in Betracht komme, um durch die Herausnahme einzelner Spielanlagen oder die Beschränkung der zulässigen Nutzungszeit der Anlage die Einhaltung der zulässigen Lärmwerte zu gewährleisten, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen.

50

Streitgegenstand der Anfechtungsklage des Klägers ist dessen Rechtsbehauptung, ein bestimmter, von ihm angefochtener Verwaltungsakt sei rechtswidrig und greife in seine Rechtssphäre ein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 1997 - 4 B 167/96 -, juris). Da indessen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nicht derart teilbar ist, dass (nur) durch Herausnahme einer oder mehrerer bestimmter Spielanlagen oder durch eine von vornherein feststehende Beschränkung der Nutzungszeit ihre Rechtmäßigkeit hergestellt werden könnte, ist für ihre teilweise Aufhebung oder gar die Beifügung von Nebenbestimmungen durch das Gericht kein Raum. Vielmehr muss es der Beigeladenen vorbehalten bleiben, ihr Bauvorhaben so umzuplanen, dass die Einhaltung der zulässigen Lärmrichtwerte gewährleistet ist, und dies geänderte Vorhaben sodann erneut zur Erteilung einer Baugenehmigung anzustellen.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO.

52

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.

53

Gründe, nach § 124a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, sind nicht gegeben, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch liegt eine Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vor.

54

Beschluss

55

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des von Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalogs, DVBl. 2004, S. 1525).

56

Dabei sieht die Kammer keine Veranlassung, die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG zuzulassen, denn die Streitwertfestsetzung hat keine grundsätzliche Bedeutung.

57

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Neubewertung zweier Aufsichtsarbeiten in der zweiten Staatsprüfung für Juristen, die Neuabnahme und Bewertung des Aktenvortrags in der mündlichen Prüfung sowie die Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote.

2

Der Kläger schloss sein rechtwissenschaftliches Studium durch die erste Prüfung für Juristen mit der Note „vollbefriedigend“ (10,90 Punkte) ab. Seine Leistungen als Referendar in den Stationen des juristischen Vorbereitungsdienstes wurden wie folgt bewertet:

3

Strafrechtsstation

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Zivilrechtsstation

„gut“ 

(14 Punkte)

Wahlstation

„gut“ 

(15 Punkte)

Verwaltungsstation

„befriedigend“

(9 Punkte)

Anwaltsstation (zweigeteilt, jeweils)

„gut“ 

(15 Punkte)

Wahlstation

„sehr gut“

(17 Punkte)

4

In der zweiten Staatsprüfung für Juristen fertigte der Kläger vom 7. bis 19. Februar 2008 die Aufsichtsarbeiten, welche zunächst wie folgt bewertet wurden:

5

Zivilrecht I

„gut“ 

(13 Punkte)

Zivilrecht II

„befriedigend“

(9 Punkte)

Zivilrecht III

„mangelhaft“

(3 Punkte)

ZHG     

„ausreichend“

(5 Punkte)

Strafrecht I

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Strafrecht II

„befriedigend“

(7 Punkte)

Öffentliches Recht I

„gut“ 

(14 Punkte)

Öffentliches Recht II

„mangelhaft“

(3 Punkte)

6

Am 26. Juni 2008 unterzogen sich der Kläger und seine Mitprüflinge, darunter die Zeugen A. und B., der mündlichen Prüfung, die von der Zeugin C. als Vorsitzende und Prüferin im Pflichtfach Öffentliches Recht, dem Zeugen D. als Prüfer im Pflichtfach Strafrecht, dem Zeugen Dr. E. als Prüfer im Wahlfach Öffentliches Recht sowie den Rechtsanwalt Dr. G. als Prüfer im Pflichtfach Zivilrecht abgenommen wurde. Der Aktenvortrag und die vier Abschnitte des Prüfungsgesprächs wurden wie folgt bewertet:

7

Aktenvortrag

„ausreichend“

(6 Punkte)

Pflichtfach Zivilrecht

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Pflichtfach Öffentliches Recht

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Pflichtfach Strafrecht

„befriedigend“

(8 Punkte)

Wahlfach Öffentliches Recht

„gut“ 

(14 Punkte)

8

Der Prüfungsausschuss sah von einer Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote ab. Der Kläger erreichte ausweislich des Ergebnisbescheids vom selben Tag in der zweiten Staatsprüfung für Juristen die Note „befriedigend“ (8,78 Punkte).

9

Der Kläger legte gegen den Bescheid mit einem auf den 30. Juni 2008 datierten und beim Gemeinsamen Prüfungsamt am 1. Juli 2008 eingegangenen Schreiben Widerspruch ein. Er führte aus, die Schlussentscheidung sei fehlerhaft, da eine Anhebung über das rechnerisch ermittelte Ergebnis hinaus nicht „ernsthaft erwogen“ worden sei und der Prüfungsausschuss darüber erneut zu entscheiden habe. Dazu nahmen die Prüfer Stellung und hielten an ihrer Entscheidung fest. Der Kläger begründete den Widerspruch unter dem 26. November 2008 weiter. In einer zusätzlichen Widerspruchsbegründung vom 22. März 2009 führte der Kläger dazu aus, dass er die Promotion und einen Master-Abschluss erworben habe und als […] tätig sei. In den beiden auf den 23. Juli 2010 datierten ergänzenden Widerspruchsbegründungen wandte sich der Kläger im Einzelnen gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeiten ZR III und ZHF. Die Gutachter der Aufsichtsarbeit ZR III blieben in ihren ergänzenden Stellungnahmen vom 3. August 2010 und 7. September 2010 bei ihrer Bewertung. Die Gutachter der Aufsichtsarbeit ZHG hoben mit ihren ergänzenden Stellungnahmen vom 24. August 2010 und 6. September 2010 ihre Bewertung auf die Note „ausreichend“ (6 Punkte) an. Mit einer zusätzlichen Widerspruchsbegründung vom 24. September 2010 brachte der Kläger vor, der Prüfungsausschuss sei „zumindest teilweise befangen“ und müsste die Entscheidung über die Abweichung überdenken. Das Gemeinsame Prüfungsamt der Beklagten schrieb die Zeugin C., den Zeugen D. und den Zeugen Dr. E. unter dem 30. September 2010 an und bat um Stellungnahme; der Prüfer Dr. G. war mittlerweile verstorben. Die Zeugin C. teilte mit Schreiben vom 29. November 2011 „nach Rücksprache mit Herrn D. und Herrn Dr. E. und im Einverständnis mit diesen“ mit, dass die erzielte Notenanhebung nicht zu einer – gegenüber der bisherigen – anderslautenden Entscheidung über die Vergabe von Zusatzpunkten führe. Nach einer weiteren Widerspruchsbegründung vom 23. Dezember 2010 änderte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2011 die Gesamtnote auf „befriedigend“ (8,87 Punkte) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.

10

Zur Begründung der am 7. Juni 2011 erhobenen Klage bringt der Kläger vor, er habe wegen der von ihm erhobenen Bewertungsrügen Anspruch auf Neubewertung der zwei angegriffenen Klausuren durch jeweils beide Votanten. Er könne eine Neuentscheidung über die Vergabe von Zusatzpunkten beanspruchen. Ferner habe er Anspruch auf eine erneute Abnahme des Aktenvortrags, da die Zeugin C. und der Zeuge D. befangen gewesen seien. Die Zeugin C. habe im Zuge der Eröffnung des Gesamtergebnisses geäußert, sie habe sich während des Aktenvortrags des Klägers gefühlt wie in einer seiner Unterrichtsstunden und sie selbst habe in einem der beiden Examina das Prädikat knapp verfehlt. Der Zeuge D. habe ebenfalls geäußert, dass er selbst in einem der beiden Examina das Prädikat knapp verfehlt habe. Ferner habe der Zeuge D. ihn, den Kläger, während der Strafrechtsprüfung angeschrien mit den Worten „Sind Sie wahnsinnig?“ und nach Eröffnung des Ergebnisses der mündlichen Prüfung mitgeteilt, er sei bei Betreten des Prüfungsraums durch den Kläger von dessen Erscheinungsbild enttäuscht gewesen. Der Kläger trägt weiter vor, er habe der für das Gemeinsame Prüfungsamt tätigen Zeugin F. in einem Gespräch einige Tage nach der mündlichen Prüfung die „persönlichen Dinge“ eröffnet, aber auf ihr Anraten hin nicht in seinen Widerspruch einbezogen.

11

Der Kläger beantragt,

12

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2011, soweit entgegenstehend, zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über das Ergebnis der zweiten Staatsprüfung für Juristen neu zu bescheiden

13

1. nach Neubewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III,
2. nach Neubewertung der Aufsichtsarbeit ZHG,
3. nach Neuabnahme und Bewertung des Kurzvortrags,
4. nach Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote.

14

Die Beklagte beantragt

15

die Klage abzuweisen.

16

Die Beklagte verteidigt die getroffene Prüfungsentscheidung, tritt den Rügen gegen die Bewertung der beiden bezeichneten Aufsichtsarbeiten, den gegen zwei Prüfer erhobenen Rügen der Befangenheit und den gegen die Entscheidung über die Abweichung vom rechnerischen Ergebnis erhobenen Rügen entgegen.

17

Das Gericht hat den Kläger in Person angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C., D., Dr. E., A., B. und F.. Einen Beweisantrag des Klägers im Hinblick auf Äußerungen der Zeugin C. im Zusammenhang mit der mündlichen Prüfung hat das Gericht abgelehnt.

18

Die Sachakten der Beklagten, bestehend aus der Prüfungsakte, dem Widerspruchsvorgang und einem Hefter mit den Aufgabenstellungen der Aufsichtsarbeiten, sind beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Auf diese sowie auf die Gerichtsakte wird wegen der Einzelheiten einschließlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die Entscheidung trifft die Kammer gemäß § 112 VwGO in der sich nach einem Wechsel in der Zusammensetzung zwischen Eröffnung der mündlichen Verhandlung am 23. Januar 2014 und Schluss der mündlichen Verhandlung am 11. Dezember 2014 ergebenden geschäftsplanmäßigen Besetzung (vgl. Clausing, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 112 Rn. 4).

I.

20

Die zulässige Klage hat in der Sache gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO keinen Erfolg. Der Bescheid vom 26. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat den Kläger frei von Rechtsfehlern über das Ergebnis der zweiten Staatsprüfung für Juristen mit der Note „befriedigend“ (8,87 Punkte) beschieden.

21

Grundlage der Prüfungsentscheidung sind die für juristische Prüfungen einschlägigen Vorschriften im Deutschen Richtergesetz (i.d.G. der Bekanntmachung v. 19.4.1972, BGBl. I S. 713, in den maßgebenden Bestimmungen zuletzt geändert durch Gesetz v. 11.7.2002, BGBl. I S. 2592 – DRiG), die hinsichtlich der zweiten Staatsprüfung für Juristen in den beteiligten Ländern durch die Übereinkunft der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein über ein Gemeinsames Prüfungsamt und die Prüfungsordnung für die zweite Staatsprüfung für Juristen (ratifiziert durch Gesetz v. 26.6.1972, HmbGVBl. S. 119; letzte Änderung ratifiziert durch Gesetz v. 19.2.2008, HmbGVBl. S. 71 – LÜ) umgesetzt worden sind (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 8.9.2004, 9 A 34/04, juris Rn. 23 ff.).

22

Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass die Beklagte ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bescheidet. Im Einzelnen kann der Kläger weder eine Neubewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III (1.) oder der Aufsichtsarbeit ZHG (2.) noch eine Neuabnahme und Bewertung des Kurzvortrags (3.) noch eine Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote (4.) verlangen.

23

1. Der Kläger kann keine Neubewertungen der Aufsichtsarbeit ZHG beanspruchen. Ausgehend von den Maßstäben der gerichtlichen Kontrolle (a)) hat die übereinstimmende Bewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III durch Erst- und Zweitvotanten mit der Note „mangelhaft“ (3 Punkte) Bestand (b)).

24

a) Die Bewertung der Aufsichtsarbeiten in der zweiten Prüfung für Juristen durch je zwei Votanten findet ihre Grundlage in § 11 Abs. 1 LÜ. Bei der Bewertung der Leistungen in berufsbezogenen Prüfungen ist ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum anzuerkennen (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 54; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 877 ff.). Das Gebot der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG erfordert eine Bewertung der Leistungen aller Prüflinge nach den Maßstäben der Prüfer. Das Gericht kann sich nicht an die Stelle der Prüfer setzen. Das Gericht kann nur überprüfen, ob das Verfahren eingehalten wurde, anzuwendendes Recht verkannt wurde, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzt wurden oder sachfremde Erwägungen ausschlaggebend waren (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, Rn. 56). Es obliegt dem Prüfling, konkrete und substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung zu benennen (BVerwG, Beschl. v. 23.12.1993, 6 B 19/93, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 326, juris Rn. 8; OVG Hamburg, Beschl. v. 17.7.2008, 3 Bf 351/07.Z, NVwZ-RR 2008, 851, juris Rn. 23). Der prüfungsrechtliche Bewertungsspielraum ist jedoch auf prüfungsspezifische Wertungen beschränkt, erstreckt sich also nicht auf alle fachlichen Fragen, die den Gegenstand der Prüfung bilden (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, Rn. 49). Unter fachlichen Fragen fallen sowohl Fragen, die fachwissenschaftlich geklärt sind, als auch solche, die in der Fachwissenschaft kontrovers behandelt werden (BVerwG, Urt. v. 17.12.1997, 6 B 55/97, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 385). Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar sind, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden; eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, Rn. 57).

25

b) Daran gemessen zeigen die vom Kläger erhobenen Einwendungen keinen für das Ergebnis erheblichen Fehler in der Bewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III auf.

26

In der Aufsichtsarbeit waren gemäß dem Bearbeitervermerk aus Anwaltssicht die Erfolgsaussichten einer bereits erhobenen Klage sowie das Bestehen sonstiger Ansprüche in einem Gutachten darzustellen. Bei Unzulässigkeit der Klage war in einem Hilfsgutachten zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen. Nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatten die Eigentümer eines Vorderlieger-Grundstücks die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zugunsten eines Hinterlieger-Grundstücks übernommen, eine Baulastfläche als ständig freizuhaltenden Zugang in einer Breite von mindestens 2,75 m zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich bestand eine Zufahrt über das Vorderlieger-Grundstück jedoch nur in einer Breite von 2,35 m. Die Mandanten kauften das Hinterlieger-Grundstück in der Annahme, die Breite betrage tatsächlich 2,75 m. Im Kaufvertrag wurde eine Grunddienstbarkeit vereinbart, nach welcher der Eigentümer des Hinterlieger-Grundstücks die mit der Baulast belastete Teilfläche zum Begehen und Befahren als Zugang nutzen könne. Die Gewährleistung wurde ausgeschlossen. Die Mandanten hatten bereits Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises erhoben, dabei Anfechtung und hilfsweise Rücktritt erklärt. Sie begehrten den Kaufpreis nebst Zinsen zurück und erstrebten die Erstattung weiterer Kosten.

27

Die vom Kläger gegen die Prüferkritik erhobenen Rüge betreffend die Prüfungsreihenfolge einzelner Ansprüche (aa)), die Prüfungsreihenfolge von Zulässigkeit und Begründetheit der zivilgerichtlichen Klage (bb)) sowie die Abgrenzung eines Mangels und eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (cc)) dringen nicht durch.

28

aa) Der Einwand des Klägers gegen die Prüferkritik an der Reihenfolge, in der die Ansprüche geprüft wurden, dringt nicht durch.

29

Der Kläger begann die Prüfung mit Ansprüchen aus Rückgewährschuldverhältnis nach Rücktritt (S. 1 der Bearbeitung).

30

Der Erstvotant merkte am Rand der Bearbeitung sowie im Erstvotum an, es sei wegen der erklärten Anfechtung besser mit Bereicherungsansprüchen zu beginnen. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte der Erstvotant aus, die Prüfungsreihenfolge sei aus seiner Sicht kein für die Beurteilung wichtiger Umstand. Der Zweitvotant hielt im Zweitvotum die Anfechtung für vorrangig und bekräftigte in seiner ergänzenden Stellungnahme, es stünden nach dem Wunsch des Mandanten die Anfechtung und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen im Vordergrund. Deshalb sei es geboten gewesen, mit der Anfechtung materiell-rechtlich zu beginnen.

31

Der Kläger hat gegen die Prüferkritik eingewandt, die Reihenfolge der Prüfung sei vertretbar und lediglich eine Frage der Zweckmäßigkeit.

32

Damit ist kein Fehler in der Bewertung der vom Kläger erbrachten Prüfungsleistung aufgezeigt. Der Antwortspielraum des Prüflings umfasst es nicht, eine erkennbar unzweckmäßige Prüfungsreihenfolge zu wählen. Zwar dürften nach der Grundregel die einen wirksamen Vertrag voraussetzenden Ansprüche auf Rückgewähr vor gesetzlichen Ansprüchen auf Herausgabe der Bereicherung zu prüfen sein. Wenn ein Mandant jedoch bereits vorrangig Anfechtung und hilfsweise Rücktritt erklärt hat, drängt sich auf, zunächst die sich aufgrund des durchdringenderen Gestaltungsrechts der Anfechtung etwaig ergebenden gesetzlichen Bereicherungsansprüche zu prüfen. Ansonsten käme es bei der Prüfung eines Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises aus Rückgewährschuldverhältnis zu einer leicht vermeidbaren Inzidentprüfung, ob der nach § 346 Abs. 1 BGB vorausgesetzte Vertrag durch Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend vernichtet ist. Darüber hinaus umfasst der aus einer Anfechtung wegen Arglist folgende Bereicherungsanspruch gemäß §§ 818 Abs. 2, Abs. 4, 819 Abs. 1, 142 Abs. 2 BGB auch den Wert der gezogenen Nutzungen.

33

bb) Ebenso hat die Prüferkritik an der Prüfungsreihenfolge von Zulässigkeit und Begründetheit Bestand.

34

Der Kläger prüfte die Zulässigkeit (S. 21 der Bearbeitung) nach einer die Prüfung in der Sache beinhaltenden Schlüssigkeitsstation (S. 1 ff. der Bearbeitung).

35

Der Erstvotant übte an dieser Reihenfolge keine Kritik. Der Zweitvotant bemerkte im Zweitvotum, es sei geboten, mit der Zulässigkeit der Klage zu beginnen. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte er aus, es sei nach seinem Verständnis vorweg die Zulässigkeit kurz zu prüfen, da in diesem Fall der Anwalt das Mandat von einem Kollegen übernommen habe.

36

Der Kläger hat gegen die Prüferkritik eingewandt, die gewählte Reihenfolge sei vertretbar. Etliche Voraussetzungen der Zulässigkeit richteten sich nach der materiellen Rechtslage.

37

Zu Recht hat der Zweitvotant einen dem Einzelfall nicht angemessen Prüfungsaufbau gerügt. Wie im Widerspruchsbescheid ausgeführt, hat der Kläger in der Bearbeitung die Besonderheit des Einzelfalls übersehen, die darin liegt, dass nach Erhebung der Klage ein Anwaltswechsel stattgefunden hat. Für den Fall, dass der Mandant die Erhebung einer Klage erst noch beabsichtigt und der Bearbeitervermerk nichts anderes anordnet, mag in einer Anwaltsklausur üblicherweise die materielle Rechtslage vor der Zulässigkeit eines sich auf Grundlage der Prüfung in der Sache erst zu bestimmenden Rechtsbehelfs zu erörtern sein. Gemäß Bearbeitervermerk waren aber die Erfolgsaussichten der erhobenen Klage zu prüfen. Dies impliziert die Prüfung von Zulässigkeit und Begründetheit in dieser Reihenfolge. Bei Unzulässigkeit der Klage war in einem Hilfsgutachten zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen, was ebenfalls eine Prüfung der Zulässigkeit vor einem Einstieg in die Sachprüfung voraussetzt.

38

cc) Desgleichen ist die Prüferkritik hinsichtlich der Abgrenzung zwischen einem dem Kaufgegenstand anhaftenden Mangel und einem Wegfall der Geschäftsgrundlage des Kaufvertrags nicht zu beanstanden.

39

Der Kläger führte aus (S. 4 f. der Bearbeitung), ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB, d.h. ein Abweichen von der vereinbarten Beschaffenheit, scheide aus, weil eine Zufahrt zum Grundstück vereinbart sei, nicht aber eine Breite von 2,75 m. Ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB sei gegeben, da keine Eignung zur Bebauung als vorausgesetzter Verwendung bestehe. Der Kläger prüfte und bejahte sodann einen Anspruch aus Rückgewährschuldverhältnis wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (S. 10 ff. der Bearbeitung).

40

Der Erstvotant bemerkte am Rand der vom Kläger vorgenommenen Erörterung eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (S. 11 der Bearbeitung): „Dies begründet doch den Mangel“. Im Erstvotum führte er aus, es werde übersehen, dass wegen der Überwegung eine Grunddienstbarkeit bewilligt worden sei. Diese Grunddienstbarkeit habe sich auf eine Zuwegung mit einer ganz bestimmten Breite bezogen. Eine Verneinung der Beschaffenheitsvereinbarung sei kaum vertretbar. In seiner ergänzenden Stellungnahme setzte der Erstvotant hinzu, zur Beschaffenheit des Grundstücks dürfte eine mindestens 2,75 breite Zuwegung gehören. Der Zweitvotant legte im Zweitvotum dar, ein Wegfall der Geschäftsgrundlage liege sicherlich nicht vor. Die Baulast über die Grunddienstbarkeit sei Vertragsbestandteil geworden. In seiner ergänzenden Stellungnahme bezog der Zweitvotant sich auf die ergänzende Stellungnahme des Erstvotanten.

41

Der Kläger hat eingewandt, die Annahme eines Rechtsbindungswillens für eine Beschaffenheitsvereinbarung widerspreche dem im Kaufvertrag enthaltenen Gewährleistungsausschluss. Die Prüfung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage müsse vertretbar sein. Eine als vertretbar eingestufte Entscheidung dürfe nicht an anderer Stelle als falsch bewertet werden.

42

Die Votanten haben zu Recht kritisiert, dass der Kläger eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB verneint und einen Wegfall der Geschäftsgrundlage bejaht hat. Die in § 7 des Kaufvertrages enthaltenen Regelungen über die Folgen von Mängeln und Pflichtverletzungen beinhalten einen Haftungsausschluss und betreffen nicht die logisch vorrangige Frage, wann tatbestandlich Mängel vorliegen, also insbesondere die Frage einer Beschaffenheitsvereinbarung. Dieser Unterschied zeigt sich insbesondere darin, dass ein tatbestandlicher Ausschluss von Mängeln notwendig Gewährleistungsansprüchen entgegenstünde, ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss jedoch nach § 444 Alt. 1 BGB nicht wirksam ist, falls der Verkäufer arglistig gehandelt hat, was in der Aufsichtsarbeit in Betracht zu ziehen war. Es ist widersprüchlich, wenn der Kläger wegen der Breite der Zufahrt einen Sachmangel (S. 5 der Bearbeitung) und zugleich einen Wegfall der Geschäftsgrundlage (S. 11 der Bearbeitung) bejaht. Die Geschäftsgrundlage kann keine Überdeckung mit dem Inhalt des Geschäfts aufweisen. Geschäftsgrundlage sind gemäß § 313 Abs. 1, Abs. 2 BGB wesentliche Umstände und wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nicht der Inhalt des Vertrags selbst.

43

2. Der Kläger kann auch keine Neubewertung der Aufsichtsarbeit ZHG beanspruchen. Nach dem anzulegenden Maßstab (a)) hat die im Überdenkungsverfahren von beiden Votanten auf die Note „ausreichend“ (6 Punkte) angehobene Bewertung der Aufsichtsarbeit ZHG Bestand (b)).

44

a) Die Bewertung obliegt den Prüfern in den Grenzen ihres Beurteilungsspielraums (s.o. 1. a)). Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist dabei die prüferische Entscheidung in der Fassung, wie sie von den Prüfern im Rahmen ihrer Überdenkungsentscheidung getroffen worden ist (OVG Münster, Urt. v. 12.6.2013, 14 A 1600/11, NWVBl 2014, 68, juris Rn. 40; vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.3.2001, 6 B 6/01, NVwZ 2001, 922, juris Rn. 4).

45

b) Die vom Kläger gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeit ZHG erhobenen Bedenken zeigen keinen Beurteilungsfehler auf.

46

Nach dem Bearbeitervermerk war eine Entscheidung des Gerichts über eine Klage zu entwerfen. Die Klägerin in der Aufsichtsarbeit hatte Klage erhoben mit den angekündigten Klageanträgen, die Zwangsvollstreckung aus einem vorangegangenen Urteil des Beklagten gegen ihren Ehemann für unzulässig zu erklären 1. in bestimmte, näher bezeichnete Gegenstände und 2. in eine angebliche Forderung des Ehemanns der Klägerin gegen die Hausbank auf Rückgewähr einer Sicherungsgrundschuld an einem Grundstück, das im Miteigentum beider Eheleute stand. In der Aufsichtsarbeit erklärte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor Stellung der Anträge den Rechtsstreit hinsichtlich des angekündigten Antrags zu 2. für erledigt.

47

Die klägerischen Einwände gegen die Prüferkritik im Hinblick auf den Verkündungsvermerk (aa)), die Bezeichnung der Drittwiderspruchsklage im Urteilstatbestand (bb)), die Darstellung des erledigten Klageantrags (cc)), die Darstellung des Miteigentums (dd)), die Datumsangabe für eine Darlehensrückzahlung (ee)), die Bezeichnung des betreffenden Kraftfahrzeugs (ff)) sowie die Schlüsselgewalt (gg)) dringen nicht durch.

48

aa) Der – zunächst berechtigte – Einwand des Klägers hinsichtlich des Verkündungsvermerks hat sich durch die von den Votanten im Überdenkungsverfahren vorgelegten ergänzenden Stellungnahmen erledigt.

49

In der Bearbeitung zeigte der vom Kläger erstellte Urteilsentwurf keinen Verkündungsvermerk.

50

Dies wurde im ursprünglichen Erstvotum als Fehler moniert. Das ursprüngliche Zweitvotum schloss sich dem ursprünglichen Erstvotum an. In seiner ergänzenden Stellungnahme räumte der Erstvotant auf den Einwand des Klägers hin ein, dass der Verkündungsvermerk nicht vom Richter, sondern vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auf das Urteil gesetzt werde. Der Zweitvotant verhielt sich in seiner ergänzenden Stellungnahme nicht ausdrücklich zu diesem Punkt, schloss sich jedoch der durch die ergänzende Stellungnahme des Erstvotanten auf „ausreichend“ (6 Punkte) erhöhten Bewertung an.

51

Hinsichtlich des Verkündungsvermerks ist nunmehr keine Prüferkritik mehr geübt. Der Erstvotant hat seine im ursprünglichen Erstvotum geübte unberechtigte Kritik zurückgenommen. Der Zweitvotant hatte zunächst im ursprünglichen Zweitvotum durch Inbezugnahme des ursprünglichen Erstvotums die unberechtigte Kritik geteilt. Für den Zweitvotanten bestand, nachdem er von der ergänzenden Stellungnahme des Erstvotanten Kenntnis genommen und sich die Notenanhebung zu Eigen gemacht hatte, keine Veranlassung mehr zu weiteren Ausführungen zu der hinsichtlich des Verkündungsvermerks erledigten Prüferkritik.

52

bb) Der Einwand des Klägers hinsichtlich der Bezeichnung der Drittwiderspruchsklage im Urteilstatbestand zeigt keinen Bewertungsfehler auf.

53

Der Kläger führte im Einleitungssatz des Urteilstatbestandes ausdrücklich aus, es werde mit einer „Drittwiderspruchsklage“ vorgegangen (S. 3 der Bearbeitung), und begründete in der Zulässigkeitsprüfung die Statthaftigkeit einer Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 Abs. 1 ZPO (S. 9 der Bearbeitung)

54

In den Randbemerkungen (S. 3 und S. 9 der Bearbeitung) monierten die Votanten die Vornahme einer Bewertung im Urteilstatbestand. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte der Erstvotant aus, die Einordnung als Drittwiderspruchsklage sei erst im Rahmen der Zulässigkeit vorzunehmen. Der Zweitvotant bekräftigte in seiner ergänzenden Stellungnahme, die rechtliche Qualifizierung als Drittwiderspruchsklage habe im Tatbestand nichts zu suchen.

55

Der Kläger hat dagegen eingewandt, „unstreitige Rechtsbegriffe“, wie hier derjenige der Drittwiderspruchsklage, dürften im Tatbestand Verwendung finden.

56

Zu Recht hat der Kläger in den Entscheidungsgründen die rechtliche Einordnung als „Drittwiderspruchsklage“ normativ begründet. Denn, wie in der Klageerwiderung hervorgehoben, war in der Aufsichtsarbeit insoweit kein „unstreitiger Rechtsbegriff“ gegeben. Der Begriff „Drittwiderspruchsklage“ wurde von den Parteien im Sachverhalt der Aufsichtsarbeit nicht verwendet, so dass er vom Kläger im Urteilstatbestand nicht hätte zugrunde gelegt werden dürfen.

57

cc) Die Prüferkritik hinsichtlich der Darstellung des erledigten Klageantrags lässt keinen Beurteilungsfehler erkennen.

58

Der Kläger (S. 6 f.) stellte im entworfenen Urteilstatbestand zunächst – jeweils unter Einrückung im Original – folgende Anträge der Parteien dar:

59

„Die Klägerin beantragt

60

1. [es folgt der zu 1. angekündigte Klageantrag]

61

und beantragte zunächst

62

2. [es folgt der zu 2. angekündigte Klageantrag].“

63

Die Beklagte beantragt,

64

die Klage abzuweisen.“

65

Am Ende des entworfenen Urteilstatbestandes führte der Kläger (S. 8 der Bearbeitung) aus: „Aufgrund des Verzichts des Beklagten […] hat das Amtsgericht Siegen den diesbezüglichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss […] aufgehoben. In der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2007 hat die Klägerin den Antrag für erledigt erklärt.“

66

Die Votanten bemerkten am Rand der Darstellung des Klageantrags zu 2.: „hatte den Antrag angekündigt“. Der Erstvotant legte im Erstvotum dar, dass dem Verfasser nicht bekannt sei, dass Anträge nach § 137 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung gestellt sind. Die beiden Votanten hoben in ihren ergänzenden Stellungnahmen hervor, dass Klageanträge vor der mündlichen Verhandlung erst angekündigt würden.

67

Die Votanten notierten am Ende des Urteilstatbestandes: „Diese Form der Darstellung mag den Erfordernissen des § 313 ZPO entsprechen und auch in der Ausbildungslit. empfohlen werden – unüblich, mißverständlich und verwirrend ist sie jedenfalls.“ Im Erstvotum heißt es, der Tatbestand unterrichte im Wesentlichen vollständig, Probleme bestünden bei der ungeschickten Darstellung des Geschehens zum erledigten Klagantrag. Das Zweitvotum schließt sich dem Erstvotum an.

68

Der Kläger hat eingeräumt, es sei sicherlich richtig, dass Anträge in der Klageschrift lediglich angekündigt würden. Die gewählte Formulierung sei aber nicht falsch. In § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO werde davon ausgegangen, dass Anträge bereits in der Klageschrift gestellt würden. Erledigungserklärungen unterfielen nicht als Anträge § 313 Abs. 2 ZPO und gehörten in die Prozessgeschichte.

69

Die Prüfer haben die konkrete Darstellungsweise kritisiert, ohne damit die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschritten zu haben. Die vom Kläger in seiner Bearbeitung gewählte Formulierung „beantragte zunächst“ lässt nicht erkennen, dass – anders als ein Antrag zu 1. – ein Antrag zu 2. in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden war. Aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ergibt sich nur, dass die Klageschrift einen bestimmten Antrag enthalten soll, d.h. es muss ein bestimmter Antrag formuliert werden. Vorbereitende Schriftsätze sollen nach § 130 Nr. 2 ZPO die Anträge enthalten, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt. Erst die mündliche Verhandlung wird gemäß § 137 Abs. 1 ZPO dadurch eingeleitet, dass die Parteien ihre Anträge stellen. Die Ankündigung des Antrags zu 2. hätte – als zur Prozessgeschichte gehörend – in der Zeitform Perfekt dargestellt werden müssen. Zudem wird der Leser nach der vom Kläger gewählten Darstellungsweise erst am Ende des Urteilstatbestandes über den erledigten Teil des Rechtsstreits informiert. Es ist eine nicht zu beanstandende prüfungsspezifische Wertung, diese Darstellung als ungeschickt zu würdigen, denn es hätte der üblichen Darstellungsweise entsprochen und hätte den Leser besser geführt, den erledigten Teil des Rechtsstreits zwar als Teil der Prozessgeschichte, aber vor den Anträgen darzustellen, die von den Parteien in der mündlichen Verhandlung gestellten wurden.

70

dd) Die Prüfer haben den ihnen zukommen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der von ihnen kritisierten Darstellung des Miteigentums im Urteilstatbestand nicht überschritten.

71

Der Kläger führte im Urteilstatbestand (S. 3 f. der Bearbeitung) aus: „Am 30.08.2003 trafen die Eheleute L. vor dem Notar K. eine Vereinbarung (Bl. 6 d. A.), nach der u.a. der streitgegenständliche Dielenschrank, der zuvor Eigentum des Herrn L. gewesen war, an die Klägerin übereignet wurde. Das Grundstück St. Straße 5, ... S., dessen Miteigentümerin die Klägerin zu einem Bruchteil von ½ ist, war von der notariellen Vereinbarung nicht erfasst. Am 04.03.2005 bestellten die Eheleute L. der Sparbank S. AG eine Grundschuld über […] Euro 20.000,- als Sicherheit für ein bei der Sicherungsnehmerin gesamtschuldnerisch aufgenommenes Darlehen.“

72

Die Votanten strichen den zweiten der drei zitierten Sätze durch und notierten am Rand der Bearbeitung „überflüssig“.

73

Der Kläger hat dagegen eingewandt, auf die Darstellung des Miteigentums am Grundstück komme es wegen § 91a ZPO, d.h. der Regelung über die Kostenentscheidung bei Erledigung, an. Der gestrichene Satz beziehe sich auf die Eigentumsverhältnisse am Grundstück, möge er auch „leicht missverständlich formuliert“ sein.

74

Zwar bedurfte es in dem Urteilsentwurf an geeigneter Stelle der Darstellung des Miteigentums am Grundstück. Doch betraf der konkret der Prüferkritik unterliegende Satz einen Dielenschrank als Teil des beweglichen Vermögens. In diesem Zusammenhang erfolgte der Hinweis auf das Miteigentum der Klägerin am Grundstück in der Tat am falschen Ort und deplatziert. Der Angabe, dass das Grundeigentum von der notariellen Vereinbarung nicht erfasst war, bedurfte es an dieser Stelle ebenso wenig.

75

ee) Der Einwand des Klägers, es habe einer Datumsangabe für die Darlehensrückzahlung nicht bedurft, zeigt keinen Fehler in der Bewertung durch die Votanten auf.

76

Der Kläger führte aus (S. 4 der Bearbeitung): „Das Darlehen wurde von den Eheleuten zwischenzeitlich zurückgezahlt.“

77

Die Prüfer brachten dazu die Randbemerkung an: „genau: 30.4.2007“

78

Dagegen hat der Kläger eingewandt, es bestehe keine Notwendigkeit, das Datum der Darlehensrückzahlung im Tatbestand aufzuführen.

79

Die Wendung „zwischenzeitlich“ ist jedoch – wie in der Klageerwiderung ausgeführt – sehr unpräzise und erfüllt nicht die Informationsfunktion des Tatbestandes, da diverse Geschehnisse als zeitliche Anknüpfungsmerkmale in Betracht kommen. Für die Frage, ob die Pfändung aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 19. November 2007 zulässig war, kommt es darauf an, ob die Eheleute das Darlehen bereits zu diesem Zeitpunkt zurückgezahlt hatten.

80

ff) Auch der Einwand des Klägers, es habe keiner genaueren Bezeichnung des Kraftfahrzeugs bedurft, zeigt keinen Fehler in der Bewertung durch die Votanten auf.

81

Der Kläger (S. 5 der Bearbeitung) gab im Urteilstatbestand an: „Im Jahr 2006 wurde der BMW angeschafft“ (S. 5).

82

Die Prüfer notierten am Rand: „ungenau: welcher?“

83

Der Kläger hat dagegen eingewandt, es bestehe angesichts des Klageantrags keiner Notwendigkeit einer näheren Bezeichnung.

84

Der entworfene Urteilstatbestand durfte von den Prüfern insoweit als unzureichend moniert werden. In dem Gerichtsverfahren, das u.a. die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in bestimmte bewegliche Sachen zum Gegenstand hatte, erforderte die Informationsfunktion des Urteilstatbestandes die Mitteilung, welche konkrete Sache i.S.d. § 90 BGB Gegenstand der Ausführungen war, etwa durch eine geeignete Inbezugnahme auf den Klageantrag.

85

gg) Nicht zu beanstanden ist die Prüferkritik hinsichtlich der Erörterung der Schlüsselgewalt.

86

Der Kläger (S. 13 der Bearbeitung) führte aus: „Bei dem Fahrzeugkauf handelte es sich nämlich um ein Geschäft zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs des Ehegatten nach § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB, denn bei dem Lebensstandard des Bauträgers, der mit Immobilien hunderttausende Euro bewegte, gehört ein Fahrzeug der Mittelklasse zum Lebensbedarf der Familie.“

87

Die Votanten bemerkten dazu am Rand der Bearbeitung: „das Auto gehört noch nicht zur Basisversorgung“, „Kl. war pleite!“, „falsche Spur“.

88

Der Kläger hat dagegen eingewandt, er sei in seinen Ausführungen mit gewichtigen Argumenten davon ausgegangen, dass das für die Einkäufe genutzte Fahrzeug in diesem Einzelfall noch zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Eheleute gezählt habe. Durch die vorgenommene abwägende Argumentation sei sein Standpunkt zumindest fachlich vertretbar.

89

Die prüfungsspezifische Wertung verletzt den Antwortspielraum des Prüflings nicht. Zumindest reicht die Argumentation des Klägers nicht hin, um ein § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB unterfallendes Geschäft zu bejahen. Nach dieser Vorschrift ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Maßstab ist das, was von einem Ehegatten selbständig, d.h. ohne Konsultation und Mitwirkung des anderen, zwecks Bedarfsdeckung erledigt zu werden pflegt (BGH, Urt. v. 13.2.1985, IVb ZR 72/83, BGHZ 94, 1). Der Kläger hat in seiner Bearbeitung nicht dargestellt, dass diese Voraussetzungen vorgelegen hätten.

90

3. Der Kläger kann ferner nicht die Neuabnahme und Bewertung des Aktenvortrags beanspruchen. Einen solchen Anspruch hätte der Kläger nur dann, wenn das Prüfungsverfahren oder die Bewertung des in der mündlichen Prüfung vom 26. Juni 2008 gehaltenen Aktenvortrags an einem Fehler litte, der nur durch Wiederholung der Prüfungsleistung behoben werden könnte. Nach dem anzulegenden Maßstab (a)) ist einer solcher Fehler weder in formeller Hinsicht (b)) noch in materieller Hinsicht (c)) aufgezeigt.

91

a) Die Abnahme des Aktenvortrags als erster Teil der mündlichen Prüfung beruht auf § 16 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 LÜ. Die Bewertung obliegt gemäß § 17 Abs. 1 LÜ dem Prüfungsausschuss, dem insoweit ein prüfungsrechtlicher Beurteilungsspielraum zukommt. Aus § 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG folgt die Verfahrensanforderung, dass sich ein Prüfer der Mitwirkung enthalten muss, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Soweit sich die Rüge der Befangenheit auf Äußerungen stützt, die durch die Prüfer im Verfahren der Leistungsbewertung abgegeben werden, sind diese Äußerungen am Gebot der Sachlichkeit zu messen. Hiernach haben die Prüfer die Prüfungsleistung mit innerer Distanz und frei von Emotionen zur Kenntnis zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 24.2.1993, 6 C 35/92, BVerwGE 92, 132, juris Rn. 19). Unsachlich wird die Bewertung dann, wenn der Prüfer seiner Verärgerung über schwache Prüfungsleistungen freien Lauf lässt und dadurch die Gelassenheit und emotionale Distanz verliert, ohne die eine gerechte Beurteilung schwerlich gelingen kann (BVerwG, Beschl. v. 8.3.2012, 6 B 36/11, juris Rn. 16; Urt. v. 20.9.1984, 7 C 57/83, juris Rn. 36). Eine Befangenheit von Prüfern kann sich ferner daraus ergeben, wenn diese sich von vornherein darauf festgelegt haben, ihre Benotung nicht zu ändern oder ihnen die Fähigkeit fehlt, eigene Fehler zu erkennen und einzuräumen oder diese mit dem ihnen objektiv gebührenden Gewicht zu bereinigen (vgl. BVerwG, Urt. 4.5.1999, 6 C 13/98, juris Rn. 58). Es obliegt dem Prüfling nach § 6 Abs. 5 Satz 1 LÜ, eine Beeinträchtigung des Prüfungsablaufs – und damit insbesondere eine Besorgnis der Befangenheit – unverzüglich zu rügen. Die Rüge ist nach § 6 Abs. 5 Satz 2 LÜ spätestens nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses unbeachtlich, es sei denn, der Referendar hat die Verspätung der Rüge nicht zu vertreten. An die Unverzüglichkeit der Rüge im Falle einer behaupteten Voreingenommenheit oder Befangenheit eines Prüfers ist insbesondere dann ein strenger Maßstab anzulegen, wenn der Prüfling mündliche Äußerungen des Prüfers beanstandet; dies dient neben der Wahrung der Chancengleichheit gegenüber anderen Prüfungsteilnehmern auch dazu, der Prüfungsbehörde eine möglichst zeitnahe Überprüfung des Sachverhalts zu ermöglichen (VGH München, Beschl. v 20.8.2012, 7 ZB 12.554, juris, Rn. 10 m.w.N.).

92

b) Daran gemessen dringen die vom Kläger gegen die Mitwirkung der Zeugen C. (aa)) und D. (bb)) als Prüfer erhobenen Rügen einer Besorgnis der Befangenheit nicht durch.

93

aa) Die Zeugin C. musste sich nicht von der Mitwirkung als Vorsitzende des Prüfungsausschusses enthalten. Die Rüge einer Besorgnis der Befangenheit dränge selbst dann nicht durch, wenn unterstellt würde, die Zeugin C. habe sich so geäußert, wie es der Kläger vorbringt. Der vom Kläger beantragten Beweiserhebung bedurfte es insoweit nicht. Im Einzelnen:

94

Soweit der Kläger vorbringt, die Zeugin C. habe ihm in der Vorbesprechung am 24. Juni 2008 unangenehme Fragen über das Liebesleben [des Kollegen] gestellt und von ihrer Zeit in dessen Kursen in K. erzählt, ist die Rüge einer Besorgnis der Befangenheit jedenfalls nach § 6 Abs. 5 Satz 2 LÜ verspätet. Denn es handelt sich um Umstände, die dem Kläger bereits vor Beginn der mündlichen Prüfung bekannt geworden sind und die er deshalb vor Antritt der mündlichen Prüfung hätte geltend machen müssen. Unabhängig davon wäre auf Grundlage des Vortrags des Klägers keine Besorgnis der Befangenheit anzunehmen. Es erscheint möglich, dass sich die Zeugin im Vorgespräch etwa nur auflockernd innerhalb der Grenzen eines „small talks“ geäußert hat.

95

Soweit der Kläger vorbringt, die Zeugin C. habe im Zuge der Eröffnung des Prüfungsergebnisses geäußert, sie habe sich während der Prüfung wie in einer der Unterrichtsstunden des Klägers gefühlt, wäre darin eine Prüferkritik an der vom Kläger als Prüfling verwandten Vortrags- und Darstellungsweise zum Ausdruck gekommen, die den Boden der Sachlichkeit nicht verlassen hätte.

96

Soweit der Kläger vorträgt, die Zeugin C. habe darauf hingewiesen, dass sie selbst in einem der beiden juristischen Examina kein Prädikat erzielt habe, lässt dies nicht darauf schließen, dass sie bei der prüferischen Entscheidungsfindung das Gebot der Sachlichkeit missachtet hätte. Es ist nicht erkennbar, dass die Zeugin C. ein ihr selbst fehlendes Prädikatsexamen als Begründung heranziehen wollte, um dem Prüfling ein Prädikatsexamen zu versagen. Es ist nicht ersichtlich, dass ein solcher Hinweis der Prüfer mehr beinhaltete als tröstende Worte an den Kläger, der ausgehend von seinen eigenen Angaben in der persönlichen Anhörung „natürlich absolut enttäuscht“ war, das erhoffte Prädikatsexamen nicht erreicht zu haben.

97

Soweit der Kläger geltend macht, die Zeugin C. habe sich nach Eröffnung des Prüfungsergebnisses geweigert, Vorgänge in der mündlichen Prüfung in das von ihr geführte Protokoll aufzunehmen, zeigt er schon kein fehlerhaftes Verhalten der Vorsitzenden und damit erst recht keinen Grund für eine Besorgnis der Befangenheit auf. Über die mündliche Prüfung ist gemäß § 19 Satz 1 LÜ eine vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses zu unterzeichnende Niederschrift aufzunehmen, in der die Gegenstände und die Einzelbewertungen der mündlichen Prüfung, die Entscheidung nach § 17 Abs. 3 LÜ, die Prüfungsnote und die Schlussentscheidung des Prüfungsausschusses mit der Gesamtnote festgestellt werden. Neben den Noten sind dabei gemäß § 19 Satz 2 LÜ auch die festgesetzten Punktzahlen niederzulegen. Weitere Umstände sind in die Niederschrift nicht aufzunehmen.

98

bb) Der Zeuge D. musste sich ebenso wenig einer Mitwirkung als Mitglied des Prüfungsausschusses enthalten.

99

Soweit der Kläger vorträgt, der Zeuge D. sei ihn in der Pflichtfachprüfung im Strafrecht „zwischenzeitlich geradezu aggressiv“ angegangen, habe ihn mit den Worten „Sind sie wahnsinnig?“ schreiend unterbrochen und sodann einem Mitprüfling das Wort erteilt, hat das Gericht auf Grundlage der Beweisaufnahme nicht die Überzeugung erlangt, dass sich die Umstände wie vom Kläger geschildert zugetragen haben. Die Angaben des persönlich angehörten Klägers genügen für sich genommen nicht, um dem Gericht die notwendige Überzeugung zu verschaffen. Zwar hat der Kläger in seiner persönlichen Anhörung insofern keine Belastungstendenz gegen den Zeugen D. erkennen lassen, als der Kläger auch angegeben hat, der Zeuge habe nach Eröffnung des für ihn, den Kläger, nicht erwünschten Prüfungsergebnisses ihm gegenüber geäußert: „Sie sind ein Macher, Sie schaffen das auch so.“ Auch hat der Kläger die dem Zeugen D. zugeschriebene Äußerung nicht gänzlich ohne Zusammenhang dargestellt. Der Kläger hat bekundet, der Zeuge D. habe auf die Antwort zu einer der Fragen, an wen genau man sich im Hinblick auf einen internationalen Haftbefehl wenden solle in einer deutschen Botschaft, an den Botschafter oder an eine andere Person, geäußert: „Sind Sie wahnsinnig?“. Doch belegen weder die Aussagen der als Zeugen vernommenen drei verbliebenen Prüfer D., Dr. E. und C. noch die Aussagen der als Zeugen vernommenen Mitprüflinge A. und B. insoweit die Schilderung des Klägers. Im Einzelnen:

100

Der Zeuge D. hat bekundet, dass ihm die mündliche Prüfung selbst nicht mehr erinnerlich sei. Der Zeuge Dr. E. hat angegeben, sich nur noch an ein im Anschluss an die Prüfung zwischen der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses und dem Kläger geführtes Gespräch zu erinnern. Die beiden Zeugenaussagen sind insoweit nicht ergiebig.

101

Die weiteren Zeugen haben ausgesagt, sich an die mündliche Prüfung zu erinnern, nicht aber an die dem Zeugen D. zugeschriebene Äußerung. Es wäre aber zu erwarten gewesen, dass sie sich erinnert und dies in ihrer Zeugenaussage bekundet hätten, wenn sich der Zeuge D. als Prüfer gegenüber dem Kläger als Prüfling aggressiv verhalten, ihn angeschrien und unterbrochen hätte. So hat die Zeugin A. den klägerischen Vortrag nicht bestätigt, aber in ihrer Vernehmung bekundet, der Zeuge D. sei als Prüfer mit den gegebenen Antworten „nicht so richtig zufrieden“ gewesen, habe die Prüflinge der Reihe nach raten lassen und die Fragen dann weitergereicht. Der Zeuge B. hat zwar ausgesagt, sich an den Ablauf der mündlichen Prüfung zu erinnern, und detailliert bekundet, sich über die Art der Prüfungsführung geärgert zu haben, da der Zeuge D. als Prüfer im Strafrecht ein, zwei Fragen gestellt und dann bei diesem Fragenkomplex verharrt habe. Doch hat der Zeuge B. bekundet, sich an konkrete Äußerungen nicht erinnern zu können. Die Aussagen der vom Kläger als Zeugen benannten Mitprüflinge A. und B. sind glaubhaft. Sie sind detailreich und lassen, zumal sie Kritik am Prüfungsstil des Zeugen D. beinhalteten, keine Tendenz zugunsten des Zeugen D. oder zulasten des Klägers erkennen. Die Zeugin C. hat glaubhaft ausgesagt, sich an die mündliche Prüfung zu erinnern, nicht aber an eine Äußerung des Zeugen D. „Sind Sie wahnsinnig?“. Die Zeugin hat in ihrer Vernehmung den Eindruck vermittelt, dass es ihr um die gewissenhafte Darstellung des selbst Wahrgenommenen gehe. Sie hat sich offen geäußert und beispielsweise dargelegt, dass der Aktenvortrag „– außerhalb des Protokolls – in einem Maschinengewehrtempo“ so gewesen sei, dass man sich „erschlagen“ gefühlt habe. Angesichts der verstrichenen Zeit war ein höherer Detailreichtum der Zeugenaussage nicht zu erwarten. Eine gegen den Kläger gerichtete Belastungstendenz lässt die Zeugenaussage nicht erkennen. Die Zeugin hat bekundet, sie habe sich aus Anlass der Ladung als Zeugin zur mündlichen Verhandlung über die darin als Beweisthema genannten Äußerungen Gedanken gemacht, da der Kläger „ja sicherlich eine solche Behauptung auch nicht völlig aus der Luft gegriffen“ aufstelle. Die Zeugin hat zugunsten des Klägers die Möglichkeit angeführt, dass eine auf den Fall und die Lösung bezogene Kritik missverstanden und auf die Person bezogen worden sei. Schließlich ergibt sich aus der Aussage der für das Gemeinsame Prüfungsamt tätigen Zeugin F. nichts dafür, dass der Kläger ihr gegenüber die dem Zeugen D. zugeschriebene Äußerung zeitnah wiederholt hätte. Die Zeugin F. hat angegeben, sich nicht daran zu erinnern, dass in dem kurz nach der mündlichen Prüfung mit dem Kläger geführten Gespräch die Befangenheit eines Prüfers in Rede gestanden habe.

102

Soweit der Kläger angegeben hat, der Zeuge D. habe bemerkt, dass sich der Prüfungsausschuss wegen der Tätigkeit des Klägers als geschäftsführender Gesellschafter mit seinem Lebenslauf eine andere Erscheinung vorgestellt habe, ist das Gericht ebenfalls nicht davon überzeugt, dass diese Bemerkung gefallen ist. Es ist nicht erweislich, dass es zu einer gegen die Person des Klägers gerichteten Äußerung gekommen ist. Es ist mindestens ebenso wahrscheinlich, dass der Kläger eine sachliche Kritik an seinem in der mündlichen Prüfung gezeigten Leistungsbild missverstanden und auf sein persönliches Erscheinungsbild bezogen hat. In der Vernehmung haben weder der Zeuge D. selbst noch die weiteren Zeugen C., Dr. E., A. und B. ausgesagt, dass der Zeuge D. sich in der vom Kläger geschilderten Weise geäußert habe. Dagegen, dass eine solche Bemerkung gefallen ist, spricht auch, worauf die Zeugen C. und D. in ihren Aussagen zutreffend hingewiesen zu haben, dass die Notenverkündung und Notenbegründung in die Aufgabe der Vorsitzenden und nicht der weiteren Mitglieder des Prüfungsausschusses fällt.

103

Soweit der Kläger vorträgt, der Zeuge D. habe auf ein ihm selbst fehlendes Prädikatsexamen hingewiesen, kann dahinstehen, ob eine solche Äußerung gefallen ist. Denn eine solche Äußerung könnte – ebenso wie im Fall der Zeugin C. (s.o. aa)) – keine Besorgnis der Befangenheit begründen. Gegen eine Voreingenommenheit des Zeugen D. gegen die Person des Klägers spricht in diesem Zusammenhang zusätzlich die vom Kläger dem Zeugen D. zugeschriebene aufmunternde Äußerung: „Sie sind ein Macher, Sie schaffen das auch so.“

104

Unabhängig davon steht einer gegen den Zeugen D. als Prüfer erhobenen Befangenheitsrüge entgegen, dass der Kläger sie unter Verletzung seiner Obliegenheit aus § 6 Abs. 5 Satz 1 LÜ nicht unverzüglich erhoben hat. Der Aktenvortrag wurde vom Prüfungsausschuss am 26. Juni 2008 abgenommen. Eine Rüge der Befangenheit hat der Kläger erstmals in der ergänzenden Widerspruchsbegründung vom 24. September 2010 schriftlich niedergelegt und dort geltend gemacht, der Prüfungsausschuss sei „zumindest teilweise befangen“. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger zuvor bereits mündlich eine Rüge der Befangenheit erhoben hätte. Die mündliche Erhebung einer solchen Rüge belegen weder die Aussagen der als Zeugen vernommenen Prüfer C., D., Dr. E. oder der als Zeugen vernommenen Mitprüflinge A. und B. noch die Aussage der für das Gemeinsame Prüfungsamt tätig gewordenen Zeugin F.. Insbesondere ist der klägerische Vortrag nicht erwiesen, die Zeugin F. habe dem Kläger in Kenntnis der von ihm später mit der hiesigen Klage zur Begründung der Befangenheitsrüge vorgebrachten Umstände geraten, zur Vermeidung von Unstimmigkeiten gegenüber der Prüfungskommission den Widerspruch zunächst auf die Überprüfung der Hebeentscheidung sowie die Bewertung der betroffenen Klausuren zu beschränken. Der persönlich angehörte Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, er habe im Jahr 2008 von den „Prüfern ja auch noch etwas“ gewollt. Dies spricht gegen die Annahme, dass der Kläger einzelne Prüfer aus dem weiteren Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit ausschließen wollte. Die Angaben des persönlich angehörten Klägers, im Laufe des sich nach der Eröffnung des Prüfungsergebnisses ergebenden Gesprächs sei es „auch Richtung Befangenheit“ gegangen, wie er genau formuliert habe, wisse er nicht mehr, belegen nicht, dass der Kläger bereits gegenüber dem anwesenden Prüfungsausschuss selbst eine substantiierte Rüge der Befangenheit des Zeugen D. erhoben hätte. Der persönlich angehörte Kläger hat angegeben, nicht mehr zu wissen, welche „persönlichen Dinge“ über die Bemerkung der Zeugin C. über seinen […]-Kollegen hinaus er in dem mit der Zeugin F. nach der mündlichen Prüfung geführten Gespräch mitgeteilt habe. Die Zeugin F. hat in ihrer Vernehmung bekundet, sich nicht daran zu erinnern, dass in dem kurz nach der mündlichen Prüfung mit dem Kläger geführten Gespräch die Befangenheit eines Prüfers in Rede gestanden habe. Sie hat nicht bekundet, dass sie den Kläger in der von ihm geschilderten Weise beraten habe, sondern lediglich, dass sie ihm geraten habe, einen Verbesserungsversuch zu unternehmen, der auch neben einem Widerspruchsverfahren betrieben werden könne.

105

Zudem stehen einer Erhebung der Befangenheitsrüge der auch im öffentlichen Recht geltende Grundsatz von Treu und Glauben und das daraus folgende Verbot widersprüchlichen Verhaltens entgegen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, hat die Verwirkung als Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben für die gesamte Rechtsordnung Gültigkeit; sie bildet einen Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens und besagt, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (BVerwG, Beschl. v. 17.8.2011, 3 B 36/11, ZOV 2011, 222, juris Rn. 5 m.w.N.). Diese Voraussetzungen einer Verwirkung sind gegeben. Das erforderliche Umstandsmoment liegt darin, dass der Kläger mit dem Widerspruchsschreiben vom 30. Juni 2008 die bisherigen Prüfer zur Überdenkung ihrer nach § 17 Abs. 3 LÜ getroffenen Entscheidung aufgefordert und ausgeführt hat, er hoffe und sei zuversichtlich, dass bei Vornahme einer fehlerfreien Entscheidung eine Bewertung mit einem Prädikat herauskommen werde. Das erforderliche Zeitmoment ist durch den Ablauf von mehr als zwei Jahren zwischen der mündlichen Prüfung vom 26. Juni 2008 und der erstmaligen Erhebung einer Befangenheitsrüge am 24. September 2010 erfüllt.

106

c) In materieller Hinsicht dringt die gegen die Bewertung des Aktenvortrags mit der Note „ausreichend“ (6 Punkte) erhobene Rüge nicht durch.

107

Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung angegeben, er habe das Gefühl gehabt, dass die Prüfer sich von seinem Vortragsstil „erschlagen“ gefühlt hätten. In Übereinstimmung damit hat die als Zeugin vernommene Vorsitzende des Prüfungsausschusses C. angegeben, die Vortragsweise sei „– außerhalb des Protokolls – in einem Maschinengewehrtempo“ so gewesen, dass man „erschlagen“ worden sei. Der eine Prüfer habe von dem Aktenvortrag das mitbekommen und der andere jenes, und die Prüfer hätten insgesamt teilweise nicht mehr folgen können. Hiermit ist kein Unvermögen der Prüfer, sondern eine Schwäche des Aktenvortrags aufgezeigt, welche zu gewichten Aufgabe der Prüfer in Ausfüllung ihres Beurteilungsspielraums war. Es begründet keinen Bewertungsfehler, bei der Bewertung des Aktenvortrags auf dessen Verständlichkeit und den Vortragsstil abzustellen.

108

4. Der Kläger kann schließlich keine Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote der zweiten Staatsprüfung für Juristen verlangen. Die Entscheidung des Prüfungsausschusses, vom rechnerischen Ergebnis weder zulasten noch zugunsten des Klägers abzuweichen, hat Bestand. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist die Abweichungsentscheidung in der Fassung, die sie im Überdenkungsverfahren gefunden hat. Die vom Kläger erhobenen Rügen zeigen nicht auf, dass die Entscheidung des Prüfungsausschusses ausgehend von der einschlägigen Rechtsgrundlage (a)) die an sie gestellten formellen (b)) und materiellen (c)) Anforderungen verfehlen würde.

109

a) Die Entscheidung über eine Abweichung beruht auf der landesrechtlichen Regelung in § 17 Abs. 3 LÜ, welche die bundesrechtlichen Vorgaben des § 5d Abs. 4 DRiG umsetzt. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 LÜ darf der Prüfungsausschuss bei seiner Entscheidung über das Ergebnis der Prüfung von der nach § 17 Abs. 2 LÜ rechnerisch ermittelten Gesamtnote abweichen, wenn dies auf Grund des Gesamteindrucks den Leistungsstand des Referendars besser kennzeichnet. Hierbei sind nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 LÜ auch die Leistungen im Vorbereitungsdienst zu berücksichtigen. Sofern der Prüfungsausschuss dem Grunde nach eine Abweichung vornimmt, ist die Abweichung der Höhe nach dadurch beschränkt, dass sie gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 a.E. LÜ auf das Bestehen der Prüfung keinen Einfluss haben und nach § 17 Abs. 3 Satz 2 LÜ ein Drittel des durchschnittlichen Umfangs einer Notenstufe nicht übersteigen darf. Eine rechnerisch ermittelte Anrechnung von im Vorbereitungsdienst erteilten Noten auf die Gesamtnote ist gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 LÜ ausgeschlossen.

110

b) Ausgehend davon zeigen die vom Kläger erhobenen Einwendungen keinen formellen Fehler der Abweichungsentscheidung auf. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist dabei die prüferische Entscheidung in der Fassung der Überdenkungsentscheidung (vgl. OVG Münster, Urt. v. 12.6.2013, 14 A 1600/11, NWVBl 2014, 68, juris Rn. 40). Weder das Ausgangsverfahren, in dem der Prüfungsausschuss am Tag der mündlichen Prüfung seine ursprüngliche Entscheidung getroffen hat (aa)), noch das durchgeführte Überdenkungsverfahren (bb)) lässt einen formellen Fehler erkennen.

111

aa) Das Ausgangsverfahren, in dem der Prüfungsausschuss am Tag der mündlichen Prüfung seine ursprüngliche Entscheidung getroffen hat, von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nicht abzuweichen, lässt keinen Fehler erkennen. Der vom Kläger erhobene Einwand, für eine „seriöse Befassung“ mit seinen Stationszeugnissen habe den Prüfern vor der ursprünglichen Abweichungsentscheidung zu wenig Zeit zur Verfügung gestanden, dringt nicht durch.

112

Es genügt, dass sich der Prüfungsausschuss aus den ihm vorliegenden Bewertungen der schriftlichen und mündlichen Prüfungsleistungen und auch aus den Leistungen im juristischen Vorbereitungsdienst einen Gesamteindruck über den Leistungsstand bilden konnte. Die Zeugnisse über die vom Kläger im juristischen Vorbereitungsdienst durchlaufenen Ausbildungsstationen lagen bei der am Tag der mündlichen Prüfung getroffenen Entscheidung vor. Die Entscheidung des Prüfungsausschusses gegen eine Abweichung setzt kein präsentes Wissen aller Prüfer hinsichtlich des vollständigen Inhalts sämtlicher Stationszeugnisse über den juristischen Vorbereitungsdienst voraus. Es ist bereits Ausdruck einer dem Prüfungsausschuss obliegenden prüfungsspezifischen Wertung, ob er in den ihm bekannten Umständen Anhaltspunkte dafür sieht, ausnahmsweise von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abzuweichen, und diesen Anhaltspunkten beispielsweise durch Lektüre der Stationszeugnisse nachgeht. Dies folgt daraus, dass für die Abweichungsentscheidung die Bewertungskriterien des jeweiligen Prüfungsausschusses maßgeblich sind, dem der Gesetzgeber hinsichtlich des Gesamteindrucks des Leistungsstands einen weiten Beurteilungsspielraum verleiht.

113

Das Gesetz enthält eine prüfungsrechtliche Beurteilungsermächtigung, die es ausschließt, dass ein Gericht bei der Überprüfung der Entscheidung des Prüfungsausschusses über eine Abweichung von der Durchschnittspunktzahl seinen eigenen Gesamteindruck vom Leistungsstand des Kandidaten zum Maßstab nimmt (BVerwG, Urt. v. 7.10.1988, 7 C 2/88, juris Rn. 19). Bei der Regelung über die Abweichungsbefugnis handelt es sich um eine typische Härtefallklausel, die Unbilligkeiten und ungewollten Härten einer schematischen Rechtsanwendung im Einzelfall begegnen und gegebenenfalls dem Gesamteindruck des Prüfungsorgans ausnahmsweise zum Durchbruch verhelfen will, freilich auch Korrekturen nach unten ermöglicht (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 10).

114

Ausgehend von der auf eine Härtefallkorrektur begrenzten Funktion der Abweichungsentscheidung muss der Prüfungsausschuss die Stationszeugnisse nur hinsichtlich der darin ausgewiesenen Noten kennen, um seine Entscheidung ordnungsgemäß treffen zu können. Nach diesen Maßstäben bestand im Ausgangsverfahren für den Prüfungsausschuss hinreichend Zeit, sich unter Berücksichtigung der Stationsnoten mit dem Leistungsbild der Prüflinge einschließlich desjenigen des Klägers zu befassen. Am Tag der mündlichen Prüfung lagen dem Prüfungsausschuss insbesondere die Zeugnisse über die Stationen des juristischen Vorbereitungsdienstes vor, so dass der ausweislich ihrer Stellungnahme vom 21. Juli 2008 um 9.00 Uhr eingetroffenen Vorsitzenden, der Zeugin C., und den frühzeitig eingetroffenen drei weiteren Prüfern hinreichend Gelegenheit blieb, sich aus den bisherigen Leistungen bereits vor dem ersten um 10.00 Uhr beginnenden Aktenvortrag ein umfassendes Bild von allen Prüfungskandidaten zu verschaffen.

115

Die Kammer schließt sich der weitergehenden Forderung nicht an, die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der notwendigen Befassung mit den Leistungen im juristischen Vorbereitungsdienst formuliert hat. Es hat in Auslegung der § 5d Abs. 4 DRiG in das nordrhein-westfälische Landesrecht umsetzenden Regelung angenommen, die Prüfer hätten für eine unerlässliche Verschaffung eines Gesamteindrucks die im Vorbereitungsdienst erteilten Einzelzeugnisse nicht nur mit ihrer jeweiligen Endnote, sondern auch mit ihrem Inhalt zur Kenntnis zu nehmen (OVG Münster, Urt. v. 9.1.2008, 14 A 3658/06, DÖV 2008, 608, juris Rn. 65). Die für diese Forderung gegebene Begründung ist nicht tragfähig. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen angeführt, dass es keinen allgemeinen Bewertungsgrundsatz gebe, aufgrund dessen im Vergleich zu den Prüfungsleistungen bessere Noten im Vorbereitungsdienst, gleichgültig wann und in welcher Ausbildungssituation sie erzielt worden sind, den Leistungsstand eines Prüflings besser kennzeichnen als der rechnerisch ermittelte Wert. Diese Ausführungen sind nachvollziehbar, da sie die Aussagekraft der im juristischen Vorbereitungsdienst erzielten Noten zu Recht relativieren und ihnen keine höhere Bedeutung beimessen als den in der zweiten Prüfung erbrachten Leistungen. Die Ausführungen bieten jedoch keine Grundlage für die Annahme, dass hinsichtlich der im juristischen Vorbereitungsdienst gezeigten Leistungen der Prüfungsausschuss die Zeugnisse ihrem vollständigen Inhalt nach erfassen müsse. Denn auch hinsichtlich der Bewertungen der schriftlichen Leistungen in der zweiten Prüfung wird eine solche Forderung – zu Recht – nicht aufgestellt. Soweit in der Rechtsprechung anderer Obergerichte an die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen angeknüpft wird, werden die Folgen, die sich aus einer Pflicht zur Kenntnisnahme der vollständigen Stationszeugnisse ergäben, sogleich eingeschränkt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat sich darauf zurückgezogen, dass die Kenntnisnahme in der Begründung des Prüfungsausschusses für die Entscheidung, nicht von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abzuweichen, nicht zum Ausdruck kommen müsse (VGH Kassel, Beschl. v. 10.9.2008, 8 UZ 1815/07, juris Rn 46). Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat es genügen lassen, dass allein der Prüfungsausschussvorsitzende die Ausbildungszeugnisse nicht nur hinsichtlich der Noten, sondern in ihrem gesamten Inhalt zur Kenntnis nimmt, um das dadurch vermittelte Bild an die anderen Ausschussmitglieder weitergeben zu können (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 30.11.2009, OVG 10 N 50.08, juris Rn. 10).

116

Aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt sich nicht, dass über die in den Ausbildungsnoten zum Ausdruck kommenden Ergebnisse im Vorbereitungsdienst hinaus notwendig auch die Inhalte der Stationszeugnisse in die Entscheidung über eine Abweichung einfließen müssen. Es ergibt sich allenfalls die Forderung, dass die erzielten Stationsnoten in die Abweichungsentscheidung gemäß § 5d Abs. 4 Satz 1 DRiG einbezogen werden müssen. So hat das Bundesverwaltungsgericht Zweifel gegen eine Auffassung angemeldet, dass gemäß § 5d Abs. 4 Satz 1 DRiG erst bei einer Entscheidung der Höhe nach, inwieweit von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird, die im Vorbereitungsdienst erbrachten Leistungen einzubeziehen seien (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 11). Das Bundesverwaltungsgericht hat es in dem von ihm entschiedenen Einzelfall jedenfalls genügen lassen, dass der Prüfungsausschuss seine Entscheidung auf einen Vergleich der im Prüfungsverfahren und im Vorbereitungsdienst erzielten Noten gestützt hatte (BVerwG, a.a.O, Rn. 11; der zugrundeliegende Sachverhalt ergibt sich aus der Entscheidung der Vorinstanz, OVG Münster, Urt. v. 27.2.1997, 22 A 1326/94, NWVBl. 1997, 380, juris Rn. 19).

117

Dem Landesrecht kann die Forderung, der Prüfungsausschuss müsse bei seiner Entscheidung nach § 17 Abs. 3 LÜ die Stationszeugnisse nicht nur hinsichtlich der Noten, sondern in ihrem gesamten Inhalt zur Kenntnis nehmen, jedenfalls nicht entnommen werden. Der Landesgesetzgeber geht ausweislich § 16 Abs. 2 LÜ davon aus, dass es hinreicht, den Mitgliedern des Prüfungsausschusses rechtzeitig vor der mündlichen Prüfung die Namen der Referendare, die Ergebnisse ihrer Aufsichtsarbeiten und den von ihnen gewählten Schwerpunktbereich mitzuteilen. Es ist vom Landesgesetzgeber demgegenüber keine Vorkehrung dafür getroffen worden, allen Prüfern eine Volllektüre der Stationszeugnisse zu ermöglichen.

118

Das Bundesrecht lässt ebenso wenig die Forderung erkennen, der Prüfungsausschuss müsse bei seiner Entscheidung nach § 5d Abs. 4 DRiG hinsichtlich der im Vorbereitungsdienst erbrachten Leistungen mehr als nur die Ausbildungsnoten berücksichtigen. Einer weitergehenden Forderung steht vielmehr der mit der Einführung der Abweichungsbefugnis verfolgte Gesetzeszweck entgegen. Der Bundesgesetzgeber hat die Abweichungsbefugnis durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (v. 16.8.1980, BGBl I S. 1451, zunächst in § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG, sodann durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes v. 25.7.1984, BGBl. I S. 995, in § 5d Abs. 4 Satz 1 DRiG verschoben) eingeführt. Der gesetzgeberische Zweck, die Folgen zu mildern, die sich aus der zugleich vorgenommenen Abschaffung einer automatischen Anrechnung der im juristischen Vorbereitungsdienst erbrachten Leistungen ergeben, geht aus der Entstehungsgeschichte hervor. Ursprünglich hatte § 5d Satz 2 des Deutschen Richtergesetzes in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (v. 10.9.1971, BGBl. I S. 1557) eine landesrechtliche Regelung zugelassen, dass bei der Entscheidung über das Ergebnis der zweiten Prüfung Noten für Leistungen im Vorbereitungsdienst bis zu einem Drittel auf die Gesamtnote angerechnet werden. Die Bundesregierung sah in ihrem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (BT-Drs. 8/3312, S. 2) insoweit noch keine Änderung vor. Der Bundesrat nahm zu dem Regierungsentwurf dahingehend Stellung (BT-Drs. 8/3312, S. 6), dass es zur Vereinheitlichung der Prüfungsbestimmungen insbesondere unerlässlich sei, die Möglichkeit der Anrechnung der Ausbildungsnote auf das Ergebnis der zweiten Prüfung abzuschaffen. Die Regierungsmehrheit im Bundestag wollte den Vorschlag des von der damaligen Opposition dominierten Bundesrates einerseits nicht von der Hand weisen, andererseits dem Vorschlag auch nicht ohne Ergänzung folgen, sondern die Möglichkeit einer Berücksichtigung der Stationsnoten im Einzelfall offen halten. Die Einführung einer Abweichungsbefugnis durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes beruht auf einer Beschlussempfehlung und einem Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags (BT-Drs. 8/3972, S. 6). Dort heißt es:

119

„Die Mehrheit hält die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung nicht für geeignet, die an sich wünschenswerte Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen und Leistungsbewertung zu erreichen. Sie hält es für bedenklich, die Anrechnung von Ausbildungsnoten bei der zweiten Prüfung ganz auszuschließen. Die zweite Prüfung spiegelt notwendigerweise den Leistungsstandard eines Referendars nur im Zeitpunkt der Prüfung wider. Die sich daraus ergebenden Unsicherheiten für die Gesamtbeurteilung können am besten durch Berücksichtigung der Leistungen während der Ausbildung verringert werden.“

120

Ferner kommt die Eigenart der Abweichungsentscheidung, die sie gegenüber anderen prüferischen Entscheidungen wie der Bewertung einer Einzelleistung strukturell unterscheidet, auch hinsichtlich der Umstände zu tragen, von denen die Prüfer sich Kenntnis verschaffen müssen, um eine ordnungsgemäße prüferische Entscheidung treffen zu können. Die Bewertung einer einzelnen Prüfungsleistung erfordert, dass der Prüfer die zu bewertende Prüfungsleistung vollständig zur Kenntnis nimmt. Mit der zu bewertenden Prüfungsleistung sind zugleich alle Umstände erschöpfend erfasst, die potentiell zur Grundlage der prüferischen Entscheidung gemacht werden können. Demgegenüber muss der Prüfungsausschuss, um die Abweichungsentscheidung zu treffen, zwar die in den mündlichen und praktischen Prüfungsleistungen sowie die im juristischen Vorbereitungsdienst erzielten Noten zur Kenntnis nehmen. Es ist aber bereits Ausdruck einer dem Prüfungsausschuss obliegenden prüfungsspezifischen Wertung, ob der Prüfungsausschuss in den ihm bekannten Umständen Anhaltspunkte dafür sieht, ausnahmsweise von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abzuweichen und diesen Anhaltspunkten beispielsweise durch Lektüre der Stationszeugnisse oder der Aufsichtsarbeiten nebst Erst- und Zweitvoten der Gutachter nachzugehen.

121

Die Forderung, dass der Prüfungsausschuss die Stationszeugnisse ihrem Inhalt nach würdigen müsse, um sich den erforderlichen Gesamteindruck über den Leistungsstand zu verschaffen, kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Prüfungsausschuss dazu berufen wäre, als eine den Ausbildern in den Stationen übergeordnete, höhere prüferische Instanz eine eigene Bewertung der vom Referendar im juristischen Vorbereitungsdienst des Landes Bremen, Hamburg oder Schleswig-Holstein erbrachten Leistungen vorzunehmen. Eine solche Stellung kommt dem Prüfungsausschuss jedoch nicht zu. Der Prüfungsausschuss hat keine eigene Bewertung der Leistungen im juristischen Vorbereitungsdienst oder auch der in der zweiten Prüfung für Juristen erbrachten schriftlichen Leistungen vorzunehmen, sondern den sich insbesondere auf Grundlage der Einzelnoten ergebenden Gesamteindruck des Leistungsstandes zu beurteilen. Der für die mündliche Prüfung eingesetzte Prüfungsausschuss hatte auch vor der – um eine Abweichungsbefugnis gemilderten – Abschaffung der automatischen Anrechnung der Stationsnoten keine den Gutachtern der schriftlichen Einzelleistungen oder den Stationsausbildern übergeordnete Stellung inne. Der begrenzte Rahmen der Abweichungsentscheidung äußert sich etwa auch in der Begrenztheit der Folgen einer fehlerhaften Abweichungsentscheidung. Da die Abweichungsentscheidung das Prüfungsgeschehen nicht prägt und es sich bei § 5d Abs. 4 DRiG um eine lediglich ergänzende Regelung handelt, muss insbesondere nicht die mündliche Prüfung wiederholt werden, um einen Fehler in der Abweichungsentscheidung heilen zu können (BVerwG, Urt. v. 10.10.2002, 6 C 7/02, juris Rn. 17).

122

bb) Das Überdenkungsverfahren ist von dem mit den drei verbliebenen Prüfern ((1)) rechtsfehlerfrei besetzten ((2)) zuständigen Prüfungsausschuss ordnungsgemäß durchgeführt worden. Dem Prüfungsausschuss lagen die erforderlichen Akten vor ((3)). Die an eine Kollegialentscheidung im Hinblick auf den Meinungsaustausch unter den Mitgliedern zu stellenden Anforderungen sind im Einzelfall erfüllt ((4)).

123

(1) Der Prüfungsausschuss war im Überdenkungsverfahren entgegen dem vom Kläger erhobenen Einwand nicht unterbesetzt. Nach Versterben des Prüfers Dr. G. konnte und musste der mit den drei verbleibenden Prüfern besetzte Prüfungsausschuss das Überdenkungsverfahren abschließen.

124

Den einschlägigen Vorschriften ist zum einen die Vorgabe zu entnehmen, dass der Prüfungsausschuss aus vier Prüfern besteht, zum anderen die Vorgabe, dass der die mündliche Prüfung abnehmende Prüfungsausschuss derselbe ist, der die Entscheidung über eine Abweichung trifft. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 LÜ wird die mündliche Prüfung von einem einschließlich des Vorsitzenden aus vier Prüfern bestehenden Prüfungsausschuss abgenommen, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 LÜ im Anschluss an die mündliche Prüfung über die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen berät. „Der Prüfungsausschuss“ ist das in § 17 Abs. 3 LÜ benannte Organ, das die Entscheidung trifft, ob von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird. Damit ist aufgrund der systematischen Stellung der Norm derjenige Prüfungsausschuss gemeint, der die mündliche Prüfung abgenommen und nach § 17 Abs. 1 LÜ bewertet hat. Demgegenüber fehlt es an einer Vorschrift, die bestimmt, dass der Prüfungsausschuss nicht der gleiche sein müsse wie der zur Abnahme der mündlichen Prüfung berufene Prüfungsausschuss. Eine solche Vorschrift wäre ausgehend von der Gesetzesgeschichte zu erwarten gewesen. So gab es in § 11 Abs. 1 Satz 5 der ursprünglichen Fassung der Übereinkunft der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein über ein Gemeinsames Prüfungsamt und die Prüfungsordnung für die Große Staatsprüfung für Juristen (in Landesrecht überführt durch Gesetz v. 26.6.1972, HmbGVBl. S. 119) eine Vorschrift, die bestimmte, dass der damals zur Bewertung der Aufsichtsarbeiten einzusetzende Prüfungsausschuss aus vier Mitgliedern nicht der gleiche sein musste wie derjenige zur Abnahme der mündlichen Prüfung.

125

Der zuständige Prüfungsausschuss, der am Tag der mündlichen Prüfung getroffenen Entscheidung noch aus vier Mitgliedern bestanden hatte, musste und durfte nach dem Versterben des Prüfers Dr. G. nicht mit einem neuen vierten Mitglied nachbesetzt werden. Dies folgt aus dem Gebot der Chancengleichheit in berufseröffnenden Prüfungen gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GF.

126

Verstirbt nach der mündlichen Prüfung ein Prüfer, kann nicht sowohl der Vorgabe aus § 16 Abs. 1 LÜ, dass der Prüfungsausschuss aus vier Mitgliedern besteht, als auch der Vorgabe aus § 17 Abs. 2 LÜ, dass der die Abweichungsentscheidung vornehmende Prüfungsausschuss mit demjenigen identisch ist, der die mündliche Prüfung abgenommen hat, Genüge getan werden. Dem Gebot des geringstmöglichen Eingriffs in die Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien entspricht es, in diesem Fall die Abweichungsentscheidung durch den bisherigen Prüfungsausschuss überdenken zu lassen, wenngleich in der Besetzung mit den verbleibenden drei Mitgliedern. Aufgrund des Gebots der Chancengleichheit ist eine wegen Bewertungsfehlern beanstandete Prüfungsentscheidung unter Mitwirkung der bisherigen Prüfer zu überdenken (BFH, Urt. v. 28.11.2002, VII R 27/02, BFHE 201, 471, juris Rn. 6 ff.). Denn es müssen soweit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien wie bei den Mitprüflingen gelten (BVerwG, Urt. v. 28.10.2004, 6 B 51.04, juris Rn. 20). Die dafür erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, ist in erster Linie Aufgabe des zuständigen Normgebers; bei Fehlen einer normativen Bestimmung sind die Gerichte aufgerufen, die Lücke in der Regelung des Prüfungsablaufs so zu schließen, dass der Prüfling bei der Überprüfung einer strittigen Bewertung den geringstmöglichen Nachteil erleidet (BVerwG, Urt. v. 19.12.2001, 6 C 14/01, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400, juris Rn. 27), indes dadurch auch keinen Vorteil gegenüber anderen Prüflingen erlangt (BFH, Urt. v. 28.11.2002, VII R 27/02, BFHE 201, 471, juris Rn. 6). Eine Überdenkung als selbstkritische und selbständige Überprüfung der eigenen Beurteilung (OVG Münster, Urt. v. 18.4.2012, 14 A 2687/09, juris Rn. 73) war nur den Prüfern möglich, die an der zur Überdenkung gestellten ursprünglichen Entscheidung beteiligt waren. Wäre die vakante vierte Stelle mit einem neuen Prüfer nachbesetzt worden, hätte der Prüfungsausschuss seine Entscheidung am Maßstab seiner Bewertungskriterien nicht überdenken können, sondern es hätte sich ein neu zusammengesetzter Prüfungsausschuss am Maßstab seiner erst noch zu bildenden Bewertungskriterien mit der Frage der Abweichung erstmals befassen müssen. Zu dem Gesamteindruck aller Prüfungsleistungen i.S.d. § 5d Abs. 4 DRiG gehört nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 10.10.2002, 6 C 7/02, juris Rn. 17), der sich die Kammer anschließt, grundsätzlich auch der durch die mündliche Prüfung vermittelte Eindruck. Auf eine Berücksichtigung des Eindrucks der mündlichen Prüfung würde ohne Not verzichtet, wenn der Prüfungsausschuss in neuer Zusammensetzung mit einem vierten Mitglied, das nicht an der mündlichen Prüfung mitgewirkt hat, die Entscheidung über die Abweichung treffen müsste.

127

(2) Entgegen den vom Kläger erhobenen Bedenken war auch bei der Überdenkungsentscheidung kein Prüfer einer Besorgnis der Befangenheit ausgesetzt, die seiner Mitwirkung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG entgegengestanden hätte. In der im Überdenkungsverfahren von der Vorsitzenden für den Prüfungsausschuss abgegebenen Stellungnahme vom 29. November 2010 heißt es:

128

„Da Herr Rechtsanwalt Dr. G. zwischenzeitlich verstorben ist, kann eine solche Stellungnahme nur noch von den o. g. Prüfern abgegeben werden. Rein vorsorglich weise ich darauf hin, dass die nachfolgenden Ausführungen das Votum aller drei verbliebenen Mitglieder der Prüfungskommission darstellen. Selbst eine abweichende Auffassung von Herrn Dr. G. – wenn (rein hypothetisch) eine solche zu seinen Lebzeiten erfolgt wäre – könnte somit an der jetzigen Entscheidung der Kommission nichts ändern.“

129

In dieser Äußerung kommt der erreichte einvernehmliche Meinungsstand der verbliebenen drei Mitglieder des Prüfungsausschusses zum Ausdruck. Es ist aber nicht der Schluss möglich, dass den verbliebenen drei Mitgliedern die Bereitschaft gefehlt hätte, sich mit entsprechenden Argumenten des vierten Mitglieds zugunsten einer Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote auseinanderzusetzen.

130

(3) Für die Zwecke der Überdenkung der Abweichungsentscheidung bedurfte es nicht der Vorlage weiterer Aktenbestandteile. Nach den dargestellten Grundsätzen setzt bereits die ursprüngliche Entscheidung des Prüfungsausschusses kein präsentes Wissen aller Prüfer hinsichtlich des vollständigen Inhalts der Stationszeugnisse über die im juristischen Vorbereitungsdienst gezeigten Leistungen voraus (s.o. aa)). Ein solches Wissen müssen sich die Prüfer deshalb auch im Überdenkungsverfahren nur verschaffen, wenn sich nach dem Maßstab ihrer prüfungsspezifischen Wertung entsprechende Anhaltspunkte ergeben.

131

Die den Prüfern im Überdenkungsverfahren vorliegenden Aktenbestandteile genügten. Die Zeugin C. wurde mit Schreiben des Gemeinsamen Prüfungsamtes vom 30. September 2010 gebeten, nach Rücksprache mit den übrigen Prüfern unter erneuter Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums im Hinblick auf eine Notenanhebung Stellung zu nehmen. Die Zeugen D. und Dr. E. wurden mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 ersucht, sich mit der Zeugin C. in Verbindung zu setzen und unter erneuter Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums im Hinblick auf eine Notenanhebung Stellung zu nehmen. Jeweils in Kopie beigefügt wurden das klägerische Schreiben vom 24. September 2010, dass auf die Notenanhebung in der Aufsichtsarbeit ZHG als Anlass der Überdenkung verweist, sowie das Protokoll der mündlichen Prüfung.

132

(4) Für die Zwecke der Überdenkung der Abweichungsentscheidung sind die Anforderungen an den für eine Kollegialentscheidung erforderlichen Meinungsaustausch gewahrt. Die Mitglieder des Prüfungsausschusses haben sich im Überdenkungsverfahren zwar nicht erneut physisch an einem Ort getroffen und auch nicht die Entscheidung etwa in einer Telefonkonferenz getroffen. Doch ist die von der Zeugin C. dem Gemeinsamen Prüfungsamt übermittelte Stellungnahme im Überdenkungsverfahren nach Rücksprache und im Einvernehmen der verbliebenen Prüfer erstellt worden. Im Einzelfall setzte ein ordnungsgemäßes Überdenkungsverfahren eine gleichzeitige Anwesenheit oder eine gleichzeitige Kommunikation aller Mitglieder des Prüfungsverfahrens nicht voraus.

133

Dabei kann dahinstehen, ob die ursprüngliche Entscheidung des Prüfungsausschusses über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote notwendig die gleichzeitige Anwesenheit aller Mitglieder erforderte oder auch auf andere Weise eine Entscheidung zulässig gewesen wäre. Zwar ist der Prüfungsausschuss nach § 17 Abs. 3 LÜ verpflichtet, vor der Eröffnung des Ergebnisses die Entscheidung zu treffen, ob von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird. Zu diesem Zeitpunkt ist der Prüfungsausschuss noch am Prüfungsort versammelt. Doch steht in Frage, ob etwa dann, wenn der Prüfungsausschuss es am Tag der mündlichen Prüfung versäumt hat, die Entscheidung über eine Abweichung zu treffen, er notwendig noch einmal zusammentreten muss oder eine andere Verfahrensweise möglich ist. Denn während die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen gemäß § 17 Abs. 1 LÜ ausdrücklich voraussetzt, dass der Prüfungsausschuss über die Bewertung berät, findet sich im Gesetzeswortlaut keine entsprechende Verfahrensanforderung für die nach § 17 Abs. 3 LÜ zu treffende Abweichungsentscheidung.

134

Zumindest sind an das Überdenkungsverfahren in Ermangelung besonderer Vorschriften in der Prüfungsordnung nicht notwendig die gleichen Verfahrensanforderungen zu stellen, wie an die ursprüngliche prüferische Entscheidung. Selbst soweit das Prüfungsverfahren eine Beratung verlangt, gilt dies nicht ohne weiteres auch für das Überdenkungsverfahren (VGH Mannheim, Urt. v. 9.5.1995, 9 S 2341/93, DVBl. 1995, 1356, juris Rn. 29). Die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Überdenkungsverfahren ergeben sich aus seiner Funktion. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Beschl. v. 9.10.2012, 6 B 39/12, juris Rn. 5; vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 39), welche sich die Kammer zu Eigen macht, besteht ein grundrechtlich fundierter Anspruch von Prüflingen, bereits im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens ihre Einwände gegen die Bewertungen der Prüfer vorzubringen, um deren wirksame Nachprüfung zu erreichen. Das Überdenkungsverfahren hat die Funktion, einen der Eigenart prüferischer Entscheidungen angepassten Rechtsschutz zu gewähren (BFH, Urt. v. 28.11.2002, VII R 27/02, BFHE 201, 471; FG München, Urt. v. 18.4.2012, 4 K 309/09, EFG 2012, 1602). Während effektiver Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich dadurch gewährleistet wird, dass in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Letztentscheidung dem Gericht obliegt, verbleibt in den Grenzen eines prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums die Letztentscheidung den Prüfern. Das Überdenkungsverfahren ist so auszugestalten, dass es dem wirksamen Rechtsschutz dient, welcher nach der Eigenart der zur Überdenkung anstehenden prüferischen Entscheidung möglich ist. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 16.4.1997, 6 C 9/95, juris Rn. 36), der sich die Kammer anschließt, sind für das Überdenkungsverfahren keine starren Regelungen aufzustellen und kommt, abhängig von den Umständen des Einzelfalls, auch ein Umlaufverfahren in Frage. Den Bedenken, dass einzelne Prüfer bei der mündlichen Beratung im Prüfergremium bessere Möglichkeiten hätten, ihre Erwägungen in die Entscheidung des Prüfungsausschusses einfließen zu lassen, als dies bei einer Abstimmung im Umlaufverfahren der Fall sei (so VGH Kassel, Urt. v. 13.10.1994, 6 UE 2077/90, DVBl 1995, 436 , juris Rn. 85), kann dabei dadurch Rechnung getragen werden, dass die Durchführung eines Umlaufverfahrens auf den Fall beschränkt wird, in dem sich die Prüfer auf eine einheitliche Haltung einigen können (OVG Schleswig, Urt. v. 8.10.1993, 3 L 47/93, DÖV 1994, 394, juris Rn. 35).

135

Im Einzelfall genügte die Handhabung des Verfahrens den durch Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG vorgegebenen spezifischen Zielen des Überdenkungsverfahrens.

136

In tatsächlicher Hinsicht legt die Kammer dabei ausgehend von den Sachakten und der durchgeführten Beweisaufnahme folgenden Ablauf des Überdenkungsverfahrens zugrunde: Die Stellungnahme vom 29. Oktober 2011 gegenüber dem Gemeinsamen Prüfungsamt wurde von der Zeugin C. nach Rücksprache mit den Zeugen D. und Dr. E. und im Einverständnis mit diesen abgegeben. Nach den Angaben der Zeugin C. in ihrer Vernehmung hat sie als Vorsitzende des Prüfungsausschusses den beiden verbliebenen Mitprüfer mit einer E-Mail den Entwurf der später am 29. Oktober 2011 abgegebenen Stellungnahme zugesandt und sie um Mitteilung gebeten, falls sie Änderungs- oder Verbesserungswünsche hätten. Vor der Abgabe der Stellungnahme hatte die Zeugin C. telefonisch oder auf anderem Wege Kontakt mit den Mitprüfern. Die Zeugin hat ihre Erinnerung auf die ihr als Ausdrucke vorliegenden E-Mails gestützt. Die Aussage der Zeugin C. ist auch hinsichtlich des Ablaufs des Überdenkungsverfahrens tendenzfrei sowie hinreichend detailreich und ebenso glaubhaft wie hinsichtlich des Geschehens am Tag der mündlichen Prüfung (dazu s.o. 3. b) bb)).

137

In rechtlicher Hinsicht genügte das geschilderte Umlaufverfahren, um im Einzelfall ein rechtsschutzwirksames Überdenkungsverfahren zu gewährleisten. Die Entscheidung ist vom Prüfungsausschuss getroffen worden, nachdem alle Mitglieder Gelegenheit zum Meinungsaustausch hatten. Jedem der Prüfer hätte es offen gestanden, Änderungswünsche anzubringen und auch auf einer nochmaligen Zusammenkunft zu bestehen, wenn dies nach seiner prüfungsspezifischen Wertung angezeigt gewesen wäre. Nach Gegenstand und Anlass des Überdenkungsverfahrens bestanden keine Besonderheiten, die eine bestimmte Verfahrensweise erfordert hätten. Es bedurfte insbesondere keiner gleichzeitigen Anwesenheit der Mitglieder des Prüfungsausschusses an einem Ort oder der gleichzeitigen Kommunikation aller Mitglieder des Prüfungsausschusses etwa in einer Telefonkonferenz, um eine tatsächlich wirksame Überprüfung zu gewährleisten.

138

Den Gegenstand des Überdenkungsverfahrens bildete die Abweichungsentscheidung. Hinsichtlich des einzuhaltenden Verfahrens kommt zum Tragen, dass sich bei der Überdenkung der Abweichungsentscheidung die rechtsschutzwirksame Auseinandersetzung mit Einwänden des Prüflings nicht in der gleichen Weise vollziehen kann und deshalb auch nicht in der gleichen Weise vollziehen muss, wie bei der Überdenkung der Bewertung einer Einzelleistung. Bezieht sich das Überdenkungsverfahren auf die von einem Prüfer vorgenommenen Bewertung einer Einzelleistung, muss der jeweilige Prüfer selbstkritisch und selbständig seine eigene Beurteilung überprüfen (OVG Münster, Urt. v. 18.4.2012, 14 A 2687/09, juris Rn. 73). Damit das Verfahren des Überdenkens der Prüfungsentscheidung seinen Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings effektiv zu schützen, konkret erfüllen kann, muss insoweit gewährleistet sein, dass die Prüfer ihre Bewertungen hinreichend begründen, dass der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Korrekturbemerkungen der Prüfer einsehen kann, dass die daraufhin vom Prüfling erhobenen substantiierten Einwände den beteiligten Prüfern zugeleitet werden, dass die Prüfer sich mit den Einwänden des Prüflings auseinandersetzen und, soweit diese berechtigt sind, ihre Bewertung der betroffenen Prüfungsleistung korrigieren sowie alsdann auf dieser – möglicherweise veränderten – Grundlage erneut über das Ergebnis der Prüfung entscheiden (BVerwG, Beschl. v. 9.10.2012, 6 B 39/12, juris Rn. 6). Der Prüfer muss sein Bewertungsergebnis begründen, indem er seine Bewertungsmaßstäbe erkennen lässt und diese auf die Bewertungsgrundlage anwendet und Stärken und Schwächen der Prüfungsleistung aufzeigt. Etwa kann die Prüferkritik an einer juristischen Einzelleistung differenziert Fehler unter den Aspekten der Sachverhaltserfassung, Norminterpretation, Subsumtion, Methodik, Logik oder Sprache aufzeigen und darstellen, wie schwer diese Fehler nach den Kriterien des Prüfers gewichtet werden. Der Weg des Prüfers zu dem gefundenen Bewertungsergebnis wird auf diese Weise nachvollziehbar und überprüfbar gemacht. Soweit der Prüfling rügt, dass seinen Fehlern ein geringeres Gewicht zukomme, berührt dies prüfungsspezifische Wertungen, hinsichtlich derer dem Prüfer ein Beurteilungsspielraum zukommt, so dass ein Gericht nur die Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums kontrollieren kann. Soweit ein Prüfling aber das Vorliegen eines fachlichen Fehlers bestreitet, obliegt dem Gericht die Letztentscheidung über die Vertretbarkeit der vom Prüfling gegebenen Antwort. Bezieht sich das Überdenkungsverfahren hingegen auf die den Gesamteindruck des Leistungsstands in den Blick nehmende Entscheidung des Prüfungsausschusses, ob von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird, ist eine nach fachlichen Fragen einerseits und prüfungsspezifischen Wertungen andererseits differenzierende Auseinandersetzung mit der prüferischen Entscheidung nicht zu leisten. Die von den Prüfern einvernehmlich getroffene prüfungsspezifische Wertung, dass nach dem Gesamteindruck kein eine Abweichung rechtfertigender Härtefall vorliegt, konnte von den Mitgliedern des Prüfungsausschusses selbstkritisch und selbständig überdacht werden, wenn nur – wie im eingeschlagenen Umlaufverfahren – ein Meinungsaustausch zwischen den Mitgliedern möglich war. Es ist kein Mehrwert ersichtlich, der sich aus einem neuerlichen Zusammentritt des Prüfungsausschusses an einem Ort oder etwa einer Telefonkonferenz für den wirksamen Rechtsschutz des Prüflings ergeben hätte.

139

Es war auch nicht auf Grund des konkreten Anlasses des Überdenkungsverfahrens eine Entscheidung im Umlaufverfahren ausgeschlossen. Die Überdenkung, auf die sich die vom Kläger erhobenen Einwände beziehen, hatte mit der Anhebung der Bewertung in der Aufsichtsarbeit ZHG unter Beibehaltung der Notenstufe „ausreichend“ im Punktwert von 5 auf 6 Punkte und damit einhergehend einer Änderung der rechnerisch ermittelten Gesamtnote von 8,78 auf 8,87 Punkte einen begrenzten und überschaubaren Anlass. Der rechnerische Abstand zu der im Gesamtergebnis erstrebten nächsten Notenstufe „vollbefriedigend“ war von 0,22 auf immer noch 0,13 Punkte verringert worden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Prüfungsausschuss die von ihm angelegten Kriterien im Überdenkungsverfahren verändert hätte. Ein Umlaufverfahren war dem Anlass des Überdenkungsverfahrens angemessen, zumal nach dem Gesetz eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nur ausnahmsweise zulässig ist (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 9), mithin im Regelfall angenommen werden muss, dass die anhand der gesetzlichen Gewichtungsregelungen rechnerisch ermittelte Gesamtnote dem wahren Leistungsstand entspricht.

140

c) Die materiellen Anforderungen sind durch die Abweichungsentscheidung in der Gestalt, die sie im Überdenkungsverfahren gefunden hat, erfüllt. Der Prüfungsausschuss hat mit seiner Entscheidung, von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nicht abzuweichen, den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Die Kammer schließt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 9) an, nach der die Ermächtigung eine Abweichung nur ausnahmsweise zulässt und es verbietet, die Prüfer immer schon dann zu einer Höherstufung zu verpflichten, wenn einzelne dafür sprechende Umstände vorliegen. Die vom Kläger im Widerspruchsverfahren erhobene Rüge hinsichtlich der Berücksichtigung der Notenanhebung in der Aufsichtsarbeit ZHG hat sich im Überdenkungsverfahren erledigt (aa)). Die Leistungen des Klägers in der mündlichen Prüfung und im juristischen Vorbereitungsdienst sind entgegen der erhobenen Rüge hinreichend berücksichtigt worden (bb)). Die Rüge im Hinblick darauf, dass der Kläger die Gesamtnote „vollbefriedigend“ in der ersten Prüfung für Juristen erreicht und in der zweiten Prüfung knapp verfehlt hat, dringt nicht durch (cc)). Die außerhalb des juristischen Vorbereitungsdienstes vom Kläger erbrachten Leistungen haben zu Recht keine Berücksichtigung gefunden (dd)). Die Rüge hinsichtlich der Äußerung über eine wohlwollende Beurteilung in den Einzelnoten der mündlichen Prüfung zeigt keinen Fehler in der Bewertung auf (ee)).

141

aa) Die Abweichungsentscheidung leidet nicht deshalb an einem Sachverhaltsfehler, weil die nachträgliche Anhebung der Bewertung in der Aufsichtsarbeit ZHG auf die Note „ausreichend“ (6 Punkte) ursprünglich keine Berücksichtigung hatte finden können. Der am Tag der mündlichen Prüfung getroffenen ursprünglichen Abweichungsentscheidung lag zunächst die – damals zutreffende – Annahme zugrunde, die Aufsichtsarbeit ZHG sei mit der Note „ausreichend“ (5 Punkte) bewertet worden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 19.12.2001, 6 C 14/01, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400, juris Rn. 32), der sich die Kammer anschließt, muss der Prüfungsausschuss die Abweichungsentscheidung auch dann neu treffen, wenn schriftliche Arbeiten neu bewertet worden sind. Der Prüfungsausschuss hat im Überdenkungsverfahren unter Einbeziehung der Anhebung der Bewertung in der Aufsichtsarbeit ZHG an seiner Entscheidung festgehalten. In der Stellungnahme des Prüfungsausschusses vom 29. November 2011 wird zutreffend hervorgehoben, dass ein Notensprung damit nicht verbunden war und es bei einer ausreichenden Klausurleistung verblieb. Ohne Bewertungsfehler erkennen zu lassen, wird ausgeführt, dass das Gesamtbild der schriftlichen Prüfungsleistungen mit insgesamt fünf Klausuren im Bereich zwischen 3 und 9 Punkten und drei Klausuren im Bereich zwischen 12 und 14 Punkten weiterhin von sehr stark schwankenden Leistungen geprägt sei, die schwerpunktmäßig im mangelhaften bis befriedigenden Bereich und nicht im zumindest vollbefriedigenden Bereich angesiedelt seien.

142

bb) Die Entscheidung über die Abweichung hat die mündlichen Leistungen und die Leistungen im Vorbereitungsdienst auch im Überdenkungsverfahren hinreichend einbezogen. Wie in der der Stellungnahme vom 29. November 2011 zutreffend dargelegt, zeigte der Kläger auch in der mündlichen Prüfung nicht konstant Leistungen im oberen Bereich der Notenskala. Der Kläger hat nicht nur im rechtsfehlerfrei mit der Note „ausreichend“ (6 Punkte) bewerteten Aktenvortrag, sondern auch im strafrechtlichen Abschnitt des Prüfungsgesprächs mit der Note „befriedigend“ (8 Punkte) keine mindestens vollbefriedigenden Leistungen gezeigt. Ohne Bewertungsfehler erkennen zu lassen, hat sich für den Prüfungsausschuss ausweislich der Stellungnahme ein Leistungsbild ergeben, das der Notenstufe „vollbefriedigend“ auch unter Berücksichtigung der im Vorbereitungsdienst gezeigten Leistungen nicht entsprochen habe.

143

Es lässt keinen Beurteilungsfehler erkennen, nicht bereits darin eine Härte zu sehen, dass der Kläger in drei der vier Abschnitte des Prüfungsgesprächs in der mündlichen Prüfung deutlich bessere Bewertungen erzielt hat als im Aktenvortrag und im Durchschnitt in den Aufsichtsarbeiten. Sowohl in den Aufsichtsarbeiten als auch in der mündlichen Prüfung hat der Kläger nicht nur vereinzelt Prädikatsnoten verfehlt. Die Abweichungsbefugnis nach § 17 Abs. 3 LÜ dient nicht dazu, die gesetzliche Gewichtung nach § 17 Abs. 2 LÜ zu korrigieren, weder hinsichtlich des höheren Gewichts der schriftlichen Leistungen gegenüber den mündlichen Leistungen (70,00 v.H. gegenüber 30,00 v.H.), noch hinsichtlich des höheren Gewichts des Aktenvortrags gegenüber den einzelnen Abschnitten des Prüfungsgesprächs (8,00 v.H. gegenüber 5,50 v.H.).

144

Es überschreitet nicht den dem Prüfungsausschuss zukommenden Beurteilungsspielraum, darin keine den Fall des Klägers gegenüber den typischen Fallgestaltungen heraushebende Härte zu sehen, dass die meisten der Stationsnoten des Klägers deutlich besser sind als die rechnerisch ermittelte Gesamtnote. Zwar wäre der Prüfungsausschuss nicht gehindert gewesen, auch unter Berücksichtigung der Stationsnoten eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote vorzunehmen. Allerdings war er nicht dazu verpflichtet. Es gibt keinen allgemein gültigen Erfahrungssatz, dass ein Referendar, der in den Stationen des juristischen Vorbereitungsdienstes durchgehend – oder wie der Kläger fast durchgehend – Noten im Prädikatsbereich erzielt hat, in der zweiten Prüfung für Juristen die Note „vollbefriedigend“ erreichen müsste.

145

cc) Soweit der Kläger einwendet, das knappe Verfehlen einer Notenstufe und ein erheblicher Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Staatsexamen hätten zu einer Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote führen müssen, ist damit kein Beurteilungsfehler aufgezeigt. Wie vom Prüfungsausschuss in der Stellungnahme vom 29. Oktober 2011 aufgezeigt, hätte die Anhebung der Gesamtnote auf mindestens 9,00 Punkte zugunsten des Klägers rechnerisch mehr als zwei zusätzlichen Punkten in der Bewertung der vier Abschnitte des Prüfungsgesprächs oder zwei zusätzlichen Punkten in der Bewertung des Aktenvortrags entsprochen. Wird der Punktwert für eine bessere Note nur knapp verfehlt, liegt darin allein noch keine eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote rechtfertigende ungewollte Härte (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn 10). Es ist nicht untypisch, dass sich ein Prädikatsexamen aus der ersten Prüfung in der zweiten Prüfung für Juristen nicht wiederholt.

146

dd) Sofern ein Prüfer gegenüber dem Kläger geäußert haben sollte, es sei nicht sein „Lebenswerk“ zu würdigen, wäre dies nicht zu beanstanden. Außerhalb des Vorbereitungsdienstes gezeigte Leistungen können nur dann in die Gesamtbeurteilung des Leistungsstandes einbezogen werden, wenn sie eine Aussage hinsichtlich der Inhalte und Ziele des Vorbereitungsdienstes enthalten (VG Köln, Urt. v. 9.9.2010, 6 K 2738/09, juris Rn. 62, 64). Die Promotion des Klägers zum Doctor iuris, der Erwerb des Grades eines Magister Legum oder die Tätigkeit als […] stehen ohne erkennbaren Bezug zu Inhalten und Zielen des Vorbereitungsdienstes.

147

ee) Soweit die Prüfer in der ursprünglichen Eröffnung des Gesamtergebnisses ausgeführt haben, eine positive Abweichungsentscheidung komme nicht in Betracht, weil bei den Einzelnoten bereits im Zweifel zugunsten des Prüflings entschieden worden sei, ist darin kein Beurteilungsfehler zu sehen. Ein Beurteilungsausfall würde voraussetzen, dass die Prüfer eine Abweichung nicht erwogen hätten. Kein Beurteilungsausfall liegt vor, wenn der Prüfungsausschuss, wie im vorliegenden Fall, eine Abweichung erwägt und ablehnt. Dabei ist es nicht beurteilungsfehlerhaft, wenn der Prüfungsausschuss bei der Entscheidung gegen eine Abweichung berücksichtigt, dass er die Noten für die mündlichen Prüfungsleistungen – ausgehend von seinen Bewertungskriterien – wohlwollend vergeben hat.

II.

148

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Gründe

1

1. Die auf die Revisionsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

a) Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 20. Februar 2012 - BVerwG 6 B 38.11 - juris Rn. 11). Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

3

aa) Der Beklagte macht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf im Hinblick auf die Frage geltend, ob "ein rechtmäßiges Überdenkungsverfahren bei berufsbezogenen Prüfungen (erfordert), dass bei vorangegangener offener Zweitkorrektur Erst- und Zweitkorrektor im Widerspruchverfahren (Überdenkungsverfahren) das Ergebnis ihres Überdenkens selbständig in Gestalt von zwei eigenständigen und eigenständig dokumentierten Stellungnahmen niederzulegen haben". Die Frage stellt sich vor dem Hintergrund, dass das Oberverwaltungsgericht eine fehlerhafte Gestaltung des im vorliegenden Fall auf den Widerspruch des Klägers gegen die Bewertung seiner juristischen Prüfungsklausuren durchgeführten Überdenkungsverfahrens angenommen und hieraus der Sache nach abgeleitet hat, dieses Verfahren sei von vornherein nicht geeignet gewesen, die in dem angefochtenen Urteil festgestellten Bewertungsfehler hinsichtlich zweier Prüfungsklausuren des Klägers zu beseitigen (vgl. UA S. 15 f.). Die fehlerhafte Verfahrensgestaltung hat das Oberverwaltungsgericht darin erblickt, dass dem Erstprüfer die Einwände des Klägers gegen die Bewertung seiner Klausuren vom Beklagten mit der Bitte übermittelt worden waren, "eine gemeinsame Stellungnahme der Korrektoren zu den erhobenen Einwänden zu entwerfen" und anschließend dem Zweitprüfer zuzuleiten, der seinerseits vom Beklagten über diese vorgesehene Verfahrensweise unterrichtet und gebeten worden war, "sich wegen einer erforderlichen Beratung mit dem Erstkorrektor ... in Verbindung zu setzen" (UA S. 17, 3).

4

bb) Die aufgeworfene Frage führt schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, weil sie auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesauslegung aus den nachstehenden Erwägungen mit dem Oberverwaltungsgericht zu bejahen ist (siehe zu diesem prozessrechtlichen Maßstab: Beschluss vom 24. August 1999 - BVerwG 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270> = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13); die von der Vorinstanz offen gelassene Frage, ob die Ausführungen der Prüfer im Überdenkensverfahren tatsächlich zur Beseitigung der festgestellten Bewertungsfehler geführt hätten - und es mithin im Beschwerdeverfahren mit Blick auf den auch dort anwendbaren § 144 Abs. 4 VwGO auf die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Verfahrensgestaltung überhaupt ankommt -, mag auf sich beruhen.

5

(1) Wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont, beansprucht das Grundrecht der Berufsfreiheit Geltung auch für die Durchführung berufsbezogener Abschlussprüfungen und ist der insoweit gewährleistete Grundrechtsschutz auch durch die Gestaltung des Verfahrens zu bewirken (vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 1529/84, 1 BvR 138/87 - BVerfGE 84, 59 <72> und vom selben Tag - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - BVerfGE 84, 34 <45>). Wegen der Intensität, mit der solche Prüfungen in die Freiheit der Berufswahl eingreifen, und weil der nachträglichen gerichtlichen Kontrolle - vor allem wegen der unabdingbaren Entscheidungsfreiräume der Prüfer in Bezug auf prüfungsspezifische Wertungen - Grenzen gesetzt sind, bedarf es einer objektivitäts- und neutralitätssichernden Gestaltung des Bewertungsverfahrens (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46). Dieses Erfordernis wird zusätzlich dadurch untermauert, dass die Bürger allgemein - als Kern grundrechtlicher Verfahrensgarantien - über die Möglichkeit verfügen müssen, ihren Standpunkt wirksam vertreten und Einwände gegen das Verwaltungshandeln wirksam vorbringen zu können, speziell bei Staatsprüfungen der Kandidat jedoch meist erst nach Erlass des Prüfungsbescheides in ausreichendem Umfang erfährt, wie seine Leistungen im Einzelnen bewertet worden und welche Erwägungen dafür maßgebend gewesen sind (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46 und vom selben Tag - 1 BvR 1529/84, 1 BvR 138/87 - a.a.O. S. 72 f.). Vor diesem Hintergrund besteht ein grundrechtlich fundierter Anspruch von Prüflingen, bereits im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens ihre Einwände gegen die Bewertungen der Prüfer vorzubringen, um deren wirksame Nachprüfung zu erreichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46).

6

(2) In Anknüpfung an diese Verfassungsrechtsprechung hat der Senat in seinem Urteil vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 35.92 - (BVerwGE 92, 132 <137> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 313 S. 262) ausgesprochen, dass das eigenständige verwaltungsinterne Kontrollverfahren zur Überprüfung der Einwände des Prüflings "einen unerlässlichen Ausgleich für die unvollkommene Kontrolle von Prüfungsentscheidungen durch die Verwaltungsgerichte (darstellt) und damit zugleich - in Ergänzung des gerichtlichen Rechtsschutzes - eine Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit (erfüllt)". Damit das Verfahren des Überdenkens der Prüfungsentscheidung seinen Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings effektiv zu schützen, konkret erfüllen kann, muss - wie der Senat in diesem Urteil präzisierend ausgeführt hat - gewährleistet sein, dass die Prüfer ihre Bewertungen hinreichend begründen, dass der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Korrekturbemerkungen der Prüfer einsehen kann, dass die daraufhin vom Prüfling erhobenen substantiierten Einwände den beteiligten Prüfern zugeleitet werden, dass die Prüfer sich mit den Einwänden des Prüflings auseinandersetzen und, soweit diese berechtigt sind, ihre Bewertung der betroffenen Prüfungsleistung korrigieren sowie alsdann auf dieser - möglicherweise veränderten - Grundlage erneut über das Ergebnis der Prüfung entscheiden (a.a.O. S. 137 bzw. 262; bestätigt durch Urteil vom 30. Juni 1994 - BVerwG 6 C 4.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 334 S. 34; seitdem stRspr).

7

(3) Das Bundesverfassungsgericht hat betont, die zur Objektivitäts- bzw. Neutralitätssicherung des Bewertungsverfahrens gebotenen Regelungen beträfen auch "die Auswahl der Prüfer, ihre Zahl und ihr Verhältnis zueinander, insbesondere bei Bewertungsdifferenzen" (Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46). Den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG wird vielfach nur dann genügt sein, wenn Prüfungsleistungen, durch deren Bewertung intensiv in die Freiheit der Berufswahl eingegriffen wird, einer Bewertung durch zwei oder mehr Prüfer zugeführt werden (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, S. 196 f.). Zudem ist es geboten, dass sämtliche mit einer Bewertung betrauten Prüfer ihre Beurteilung der Prüfungsleistung eigenständig und unabhängig voneinander vornehmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Januar 1995 - 1 BvR 1505/94 - juris Rn. 20; Niehues/Fischer a.a.O. S. 200). Der objektivitätssteigernde Effekt der Einschaltung einer Prüfermehrheit würde andernfalls zu einem erheblichen Teil wieder zunichte gemacht werden. Das Erfordernis der eigenständigen und unabhängigen Urteilsbildung gilt auch im Stadium des Überdenkensverfahrens, das gerade hierdurch die nötige Kontrolleffizienz gewinnt. Es wird selbst dann nicht obsolet, wenn sich der Zweitprüfer im Rahmen des ersten Bewertungsdurchgangs der Bewertung des Erstprüfers ohne eingehende inhaltliche Begründung angeschlossen hatte (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens: Urteile vom 9. Dezember 1992 - BVerwG 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 <269> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 307 S. 231 und vom 16. März 1994 - BVerwG 6 C 5.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 329 S. 14). Ein Zweitprüfer, der sich die Bewertung des Erstprüfers vollständig zu eigen macht, erklärt hiermit nicht sein Einverständnis mit sämtlichen von diesem vorgenommenen prüfungsspezifischen Wertungen, weil diese Wertungen - was in der Natur der Sache liegt - in der schriftlichen Bewertungsbegründung des Erstprüfers zwangsläufig nicht sämtlich zur Abbildung gelangen können; zudem besteht die Möglichkeit, dass beide Prüfer die vom Prüfling im Überdenkensverfahren vorgebrachten Einwände in jeweils unterschiedlichem Umfang für begründet erachten (vgl. Beschluss vom 14. September 2012 - BVerwG 6 B 35.12 - noch unveröff.). Auch in dieser Konstellation kommt es somit auf die eigenständige und unabhängige Urteilsbildung des Zweitprüfers an.

8

(4) Das in Art. 12 Abs. 1 GG verankerte Erfordernis der eigenständigen und unabhängigen Urteilsbildung der Prüfer wird durch eine Verfahrensgestaltung verletzt, die - wie im vorliegenden Fall - den Prüfern im Rahmen des Überdenkensverfahrens die Möglichkeit eröffnet, eine gemeinsame Stellungnahme zu den Einwänden des Prüflings auf Grundlage eines entsprechenden, vom Erstprüfer gefertigten Entwurfs und einer nachfolgenden Beratung zwischen ihnen abzugeben, die stattfindet, ohne dass die Prüfer zuvor das Ergebnis ihres Überdenkens schriftlich niedergelegt haben.

9

(a) Das Überdenken der Prüfungsbewertung findet für jeden beteiligten Prüfer seinen Abschluss erst mit der schriftlichen Niederlegung des Ergebnisses. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass die schriftliche Fixierung eigener Überlegungen bzw. ihres Ergebnisses noch zu Änderungen führen kann. Tauschen sich die beteiligten Prüfer vor diesem Zeitpunkt untereinander aus, eröffnet dies zwangsläufig die Möglichkeit, dass der Austausch in ihre hier noch nicht abgeschlossene Urteilsbildung einfließt (vgl. Urteil vom 3. Dezember 1981 - BVerwG 7 C 30. und 31.80 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 157 S. 54 f.). Die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Urteilsbildung des Zweitprüfers wird durch die mit einem solchen Austausch verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten deutlich stärker als dadurch in Frage gestellt, dass er - entsprechend den Gepflogenheiten einer sog. offenen Zweitkorrektur (zu deren Zulässigkeit: Beschluss vom 18. Dezember 1997 - BVerwG 6 B 69.97 - juris Rn. 6) - zu Beginn seiner eigenen Befassung die schriftliche Begründung der Überdenkensentscheidung des Erstprüfers zur Kenntnis nimmt; noch stärker wird naturgemäß die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Urteilsbildung des Erstprüfers in Frage gestellt, dessen Befassung in Unkenntnis der Bewertung des Zweitprüfers einsetzte. Dass nicht in jedem Einzelfall ein solcher Austausch die Beteiligten in ihrer persönlichen Urteilsbildung tatsächlich beeinflusst, ändert nichts daran, dass die fragliche Verfahrensgestaltung eine dahingehende Gefahr begründet. Dieser Gefahr schon im Ansatz zu begegnen, ist im Prüfungsverfahren in Anbetracht der begrenzten intersubjektiven Nachvollziehbarkeit prüfungsspezifischer Wertungen ein besonders gewichtiges Anliegen.

10

(b) Die vom Beklagten im vorliegenden Fall gewählte Verfahrensweise diente offenkundig dem Ziel, auf eine Annäherung der beiderseitigen Überdenkensergebnisse oder zumindest der ihnen zugrundeliegenden, schriftlich zu fixierenden Begründungen hinzuwirken. Soweit der Beklagte hiermit die Absicht verfolgt haben sollte, die Komplexität des Überdenkensverfahrens zu reduzieren und die nachfolgende Widerspruchsentscheidung im Sinne von § 27 Abs. 1 JAG NW zu erleichtern, würde dies keine Einbußen der Objektivitätsgewähr des Verfahrens rechtfertigen, wie sie mit dieser Verfahrensweise nach dem Vorgesagten verbunden sind. Dem verfassungsrechtlichen Rang des Anspruchs des Prüflings auf ein wirksames Überdenken der Prüferbewertungen entspricht es, dass Einbußen der Objektivitätsgewähr des Verfahrens nur dann tolerabel sind, wenn sie sich als strukturell alternativlos erweisen, eine andernfalls drohende unzumutbare Arbeitsbelastung der Prüfungsbehörde abwenden oder einem vergleichbar gewichtigen Ziel dienen. Dass hiervon im vorliegenden Fall nicht auszugehen ist, belegt bereits die anders geartete Prüfungspraxis anderer Prüfungsämter.

11

(c) Zu keinem anderen Ergebnis führt die Erwägung, dass sich die Ergebnisrichtigkeit des Überdenkensverfahrens durch einen Austausch der beteiligten Prüfer mit Blick darauf durchaus auch erhöhen kann, dass die gesprächsweise Konfrontation mit anderen Standpunkten vielfach die gedankliche Durchdringung eigener Positionen zu vertiefen geeignet ist. Diese Erwägung führt nicht in einen zwingenden Widerspruch zum Vorgesagten, wie sich bereits anhand von § 14 Abs. 1 JAG NW illustrieren lässt. Nach dieser - auf das Stadium der Erstbewertung bezogenen - Vorschrift erfolgt bei abweichender Bewertung einer Aufsichtsarbeit eine Beratung der beiden Prüfer erst, nachdem diese die Aufsichtsarbeit "selbständig begutachtet und bewertet" haben. Bei einer solchen Gestaltung können die funktionellen Vorzüge eines Prüferaustauschs realisiert werden, ohne die Objektivitätsgewähr aufs Spiel zu setzen, die darin liegt, dass die Prüfer sich zunächst eigenständig und unabhängig voneinander ein Urteil bilden und dieses sodann schriftlich fixieren. Dem Beklagten steht es frei, im Stadium des Überdenkensverfahrens eine vergleichbare Gestaltung zu veranlassen.

12

b) Die von der Beschwerde erhobenen Divergenzrügen greifen nicht durch.

13

aa) Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem angefochtenen Urteil weder ausdrücklich noch konkludent den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass die rein theoretische Möglichkeit der Erhebung einer Schadensersatz- oder Entschädigungsklage genügen würde, um das für die Statthaftigkeit einer sog. Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse zu bejahen. Im Gegenteil ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage im vorliegenden Fall "der Vorbereitung einer Schadensersatzklage dient" (UA S. 12). Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang ausführt, zur Frage der Anhängigkeit einer Amtshaftungsklage oder ihrer alsbaldigen Erhebung seien im angefochtenen Urteil keine Feststellungen getroffen worden, wird hiermit allenfalls die Richtigkeit der Rechtsanwendung durch die Vorinstanz in Zweifel gezogen. Anerkanntermaßen ist aber der Umstand, ob die Vorinstanz auf der Ebene der Subsumtion einen höchstrichterlich aufgestellten Rechtssatz nicht oder nicht richtig angewandt hat, nicht divergenzbegründend im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 17. Juli 2003 - BVerwG 7 B 62.03 - juris Rn. 8 - insoweit nicht abgedruckt bei Buchholz 310 § 135 VwGO Nr. 4).

14

bb) Eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO lässt sich ferner nicht damit begründen, dass das Oberverwaltungsgericht bei Bejahung des Feststellungsinteresses nicht konkret auf Art und Umfang eines drohenden Schadens des Klägers eingegangen ist. Das Oberverwaltungsgericht ist nach zutreffender Wiedergabe der einschlägigen Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem Schluss gelangt, dass die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs durch den Kläger nicht als offensichtlich aussichtslos einzustufen sei (UA S. 13). Es hat dabei auf den Verdienstausfall abgestellt, der dem Kläger wegen der verspäteten Aufnahme der Berufstätigkeit entstanden ist (UA S. 12 f.). Selbst wenn es hierfür weitgehenderer Prüfungen bedurft hätte, würde das Vorgehen des Oberverwaltungsgerichts keine Divergenz zu einem abstrakten Rechtssatz aus der Entscheidung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte belegen.

15

c) Die von der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Die vom Beklagten vorinstanzlich unter Beweis gestellte Frage, ob die beteiligten Prüfer ihre eigenen Klausurbewertungen jeder für sich und unabhängig voneinander vorgenommen und sich nicht beraten haben, bevor die eigenständige Prüfung mit einem konkreten Ergebnis abgeschlossen war, war vom Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts aus gesehen nicht entscheidungserheblich. Das Oberverwaltungsgericht hat die Rechtswidrigkeit des durchgeführten Überdenkensverfahrens - aus Sicht des beschließenden Senats nach dem oben Gesagten zu Recht - nicht auf die Merkmale der tatsächlich erfolgten Vorgehensweise der Prüfer in dem vorliegenden Fall, sondern auf die objektive Verfahrensgestaltung gestützt (UA S. 17).

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

Gründe

1

1. Die allein auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (Beschluss vom 20. Februar 2012 - BVerwG 6 B 38.11 - juris Rn. 11). Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.

3

a) Der Kläger macht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage geltend, ob "Fehler in einem Nachprüfungsverfahren nach § 14 (Bay) JAPO gerichtlich geltend gemacht werden können" (S. 3 Beschwerdebegründung). Die Frage stellt sich vor dem Hintergrund der im Freistaat Bayern aufgrund von § 14 Bay JAPO geltenden Besonderheit, wonach der - bei berufsbezogenen Prüfungen in Art. 12 Abs. 1 GG verankerte - Anspruch des Prüflings auf Überdenken der Bewertungen seiner Prüfungsleistungen im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens (Urteile vom 9. Dezember 1992 - BVerwG 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 <266> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 307 S. 229 und vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 35.92 - BVerwGE 92, 132 <136> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 313 S. 261, seitdem stRspr des Senats; zuvor BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 213/83 - BVerfGE 84, 34 <45 ff.>) dort nicht eingebettet in ein Widerspruchsverfahren gemäß §§ 68 ff. VwGO, sondern im Rahmen eines isolierten, eigenständig ausgestalteten Verfahrens erfüllt wird. Im vorliegenden Fall hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass der Kläger seine in einem solchen Verfahren geltend gemachten Einwendungen gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistungen in der Ersten Juristischen Staatsprüfung deshalb nicht mehr gerichtlich überprüfen lassen könne, weil - was hier unstreitig ist - der Prüfungsbescheid mangels einer gegen ihn erhobenen Klage bestandskräftig geworden ist (UA S. 4). Demgegenüber steht der Kläger auf dem Standpunkt, dass gegen in diesem Verfahren nicht behobene oder dort erstmals aufgetretene Korrekturfehler im Rahmen einer anschließenden Bescheidungsklage gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO gerichtlich vorgegangen werden könne (S. 3 Beschwerdebegründung). Aus seiner Klagebegründung vom 30. März 2011 geht hervor, dass er der Auffassung ist, der Erstgutachter seiner Klausur Nr. 6 sei auf seine in diesem Verfahren vorgetragenen Einwände nicht oder nur mit unzutreffenden Argumenten eingegangen.

4

b) Die von dem Kläger aufgezeigte Frage ist im Rahmen eines Revisionsverfahrens nicht klärungsbedürftig, weil sie auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesauslegung offenkundig zu verneinen ist (siehe zu diesem prozessrechtlichen Maßstab: Beschluss vom 24. August 1999 - BVerwG 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270> = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13).

5

aa) Der bei berufsbezogenen Prüfungen bestehende Anspruch des Prüflings auf ein Überdenken der Bewertungen seiner Prüfungsleistungen durch den Prüfer im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens besteht zusätzlich zu seinem Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG. Da die gerichtliche Kontrolle der Prüfungsentscheidung hinsichtlich prüfungsspezifischer Wertungen, bei denen dem Prüfer ein Entscheidungsspielraum verbleibt, nur eingeschränkt erfolgen kann, erfüllt das verwaltungsinterne Kontrollverfahren eine Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit (vgl. Urteile vom 24. Februar 1993 a.a.O. S. 137 bzw. S. 261 f. und vom 30. Juni 1994 - BVerwG 6 C 4.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 334 S. 34).

6

Die Ausgestaltung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens obliegt dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber (Urteile vom 24. Februar 1993 a.a.O. S. 140 f. bzw. S. 265 f. und vom 30. Juni 1994 a.a.O. S. 35). Aus Art. 12 Abs. 1 GG folgt für ihn nicht die zwingende Vorgabe, es dem gerichtlichen Verfahren vorzuschalten. Bei Erhebung substanziierter Einwendungen gegen Prüfungsbewertungen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens ist dieses regelmäßig auf Antrag des Prüflings gemäß § 94 VwGO auszusetzen, sofern eine verwaltungsinterne Kontrolle zu ihnen noch nicht stattgefunden hat (vgl. Urteil vom 30. Juni 1994 a.a.O. S. 34 f.). Die in dem bayerischen Prüfungsrecht angelegte zeitlich parallele Anordnung von verwaltungsinternem Kontrollverfahren und gerichtlichem Verfahren (vgl. § 14 Abs. 5 Bay JAPO) stößt daher nicht auf bundesrechtliche Hindernisse.

7

bb) Bei einer rechtlichen Gestaltung wie derjenigen des bayerischen Prüfungsrechts tritt, sofern der Prüfling sich auf die Einleitung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens beschränkt und die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO für ein gerichtliches Verfahren ungenutzt verstreichen lässt, anders als bei einer von vorneherein konsekutiven Anordnung beider Verfahren durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber die Möglichkeit auf, dass im verwaltungsinternen Kontrollverfahren nicht behobene oder erstmalig begangene Korrekturfehler nicht im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung des Prüfungsbescheids ausgeglichen werden können. Dies gebietet indes nicht, gerichtlichen Rechtsschutz gegen das Ergebnis des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens zu eröffnen.

8

(a) Das grundrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG geforderte Überdenken der Prüfungsbewertungen im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens bildet der Sache nach eine Verfahrensgewährleistung. Das Bundesverfassungsgericht hat es dementsprechend aus der verfahrensrechtlichen Dimension des Grundrechtsschutzes abgeleitet (BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 a.a.O.). Ebenso wie der grundrechtlich durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Anspruch des Prüflings auf gerichtliche Kontrolle der Prüfungsbewertung dient es der effektiven Durchsetzung seines materiell-rechtlichen, auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gestützten Anspruchs auf eine rechtmäßige Prüfungsbewertung. Als verfahrensrechtliches Instrument der Fehlerkontrolle kommt ihm eine unterstützende Funktion im Rahmen des grundrechtlichen Schutzsystems zu. Die vom Kläger vertretene Ansicht, wonach diese Fehlerkontrolle ihrerseits einer gerichtlichen Überprüfung auf ihre (eigene) Fehlerfreiheit zugänglich sein müsste, verkennt diese Funktion und überhöht das "Überdenken" zu einem verselbständigten Rechtsschutzziel, das es seiner grundrechtsdogmatischen Konzeption nach gerade nicht darstellt (vgl. bereits Beschluss vom 10. Juli 1998 - BVerwG 6 B 63.98 - juris Rn. 8). Ist - wie hier - auf Antrag des Prüflings ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren abschließend durchgeführt worden, ist die zu seinen Gunsten bestehende Verfahrensgewährleistung erfüllt, selbst wenn den Prüfern bei Überdenken ihrer Prüfungsbewertung Korrekturfehler unterlaufen sein sollten (vgl. Urteile vom 30. Juni 1994 a.a.O. S. 37 und vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 20.98 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 396 S. 23). Eine Ergebnisrichtigkeit des Kontrollverfahrens garantiert die Rechtsordnung dem Prüfling so wenig wie in Bezug auf gerichtliche Kontrollverfahren.

9

(b) Der Prüfling hat es in der Hand, um gerichtlichen Rechtsschutz gegen die fehlerhafte Bewertung seiner Prüfungsleistung nachzusuchen, indem er gegen den Prüfungsbescheid Rechtsmittel ergreift. Versäumt er, dies innerhalb der gesetzlichen Klagefrist zu tun, so wird der Prüfungsbescheid bestandskräftig. Die Bestandskraft des Prüfungsbescheids würde offenkundig unterlaufen werden, wenn der Prüfling - im Gewande eines Anspruchs auf erneute Bescheidung des Antrags auf Nachprüfung gemäß § 14 Bay JAPO - nunmehr ein Begehren auf gerichtliche Kontrolle geltend machen könnte. Der grundrechtlich verankerte Anspruch des Prüflings auf Durchführung eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens böte hierfür nach dem Vorgesagten keine Rechtfertigung. Die durch ihn abgedeckten Schutzinteressen des Prüflings werden hierdurch nicht unzumutbar beeinträchtigt. Dies folgt in Bezug auf solche Korrekturfehler, die sich auf den Bereich nicht-prüfungsspezifischer Wertungen beziehen, schon daraus, dass insoweit die kompensatorische, die prüfungsrechtstypische Lückenhaftigkeit der gerichtlichen Kontrolle ausgleichende Funktion des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens überhaupt nicht zum Tragen käme; das verwaltungsinterne Kontrollverfahren bietet hinsichtlich dieser Fehlerkategorie keine Überprüfungsmöglichkeiten, die über die - vom Prüfling ungenutzten - gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten hinausgingen. Dort, wo Letzteres allein der Fall wäre - also im Bereich prüfungsspezifischer Wertungen -, würde die gerichtliche Kontrolle indes selbst dann, wenn sie dem verwaltungsinternen Kontrollverfahren nachgeschaltet wäre, ins Leere zielen, da die einschlägigen gerichtlichen Kontrollgrenzen auch hier Geltung beanspruchen müssten.

10

(c) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet dem Prüfling gerichtlichen Rechtsschutz allerdings dann, wenn die Prüfungsbehörde sich weigert, überhaupt ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren durchzuführen (vgl. Urteil vom 14. Juli 1999 a.a.O.). Andernfalls liefe die aus Art. 12 Abs. 1 GG fließende Verfahrensgewährleistung leer. Die Frage, inwieweit gerichtlicher Rechtsschutz darüber hinaus auch gegen die Missachtung grundlegender Anforderungen an die Gestaltung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens (hierzu Urteil vom 24. Februar 1993 a.a.O. S. 137 f. bzw. S. 262) eröffnet sein muss, bedarf hier keiner Klärung.

Gründe

1

1. Die auf die Revisionsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

a) Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 20. Februar 2012 - BVerwG 6 B 38.11 - juris Rn. 11). Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

3

aa) Der Beklagte macht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf im Hinblick auf die Frage geltend, ob "ein rechtmäßiges Überdenkungsverfahren bei berufsbezogenen Prüfungen (erfordert), dass bei vorangegangener offener Zweitkorrektur Erst- und Zweitkorrektor im Widerspruchverfahren (Überdenkungsverfahren) das Ergebnis ihres Überdenkens selbständig in Gestalt von zwei eigenständigen und eigenständig dokumentierten Stellungnahmen niederzulegen haben". Die Frage stellt sich vor dem Hintergrund, dass das Oberverwaltungsgericht eine fehlerhafte Gestaltung des im vorliegenden Fall auf den Widerspruch des Klägers gegen die Bewertung seiner juristischen Prüfungsklausuren durchgeführten Überdenkungsverfahrens angenommen und hieraus der Sache nach abgeleitet hat, dieses Verfahren sei von vornherein nicht geeignet gewesen, die in dem angefochtenen Urteil festgestellten Bewertungsfehler hinsichtlich zweier Prüfungsklausuren des Klägers zu beseitigen (vgl. UA S. 15 f.). Die fehlerhafte Verfahrensgestaltung hat das Oberverwaltungsgericht darin erblickt, dass dem Erstprüfer die Einwände des Klägers gegen die Bewertung seiner Klausuren vom Beklagten mit der Bitte übermittelt worden waren, "eine gemeinsame Stellungnahme der Korrektoren zu den erhobenen Einwänden zu entwerfen" und anschließend dem Zweitprüfer zuzuleiten, der seinerseits vom Beklagten über diese vorgesehene Verfahrensweise unterrichtet und gebeten worden war, "sich wegen einer erforderlichen Beratung mit dem Erstkorrektor ... in Verbindung zu setzen" (UA S. 17, 3).

4

bb) Die aufgeworfene Frage führt schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, weil sie auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesauslegung aus den nachstehenden Erwägungen mit dem Oberverwaltungsgericht zu bejahen ist (siehe zu diesem prozessrechtlichen Maßstab: Beschluss vom 24. August 1999 - BVerwG 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270> = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13); die von der Vorinstanz offen gelassene Frage, ob die Ausführungen der Prüfer im Überdenkensverfahren tatsächlich zur Beseitigung der festgestellten Bewertungsfehler geführt hätten - und es mithin im Beschwerdeverfahren mit Blick auf den auch dort anwendbaren § 144 Abs. 4 VwGO auf die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Verfahrensgestaltung überhaupt ankommt -, mag auf sich beruhen.

5

(1) Wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont, beansprucht das Grundrecht der Berufsfreiheit Geltung auch für die Durchführung berufsbezogener Abschlussprüfungen und ist der insoweit gewährleistete Grundrechtsschutz auch durch die Gestaltung des Verfahrens zu bewirken (vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 1529/84, 1 BvR 138/87 - BVerfGE 84, 59 <72> und vom selben Tag - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - BVerfGE 84, 34 <45>). Wegen der Intensität, mit der solche Prüfungen in die Freiheit der Berufswahl eingreifen, und weil der nachträglichen gerichtlichen Kontrolle - vor allem wegen der unabdingbaren Entscheidungsfreiräume der Prüfer in Bezug auf prüfungsspezifische Wertungen - Grenzen gesetzt sind, bedarf es einer objektivitäts- und neutralitätssichernden Gestaltung des Bewertungsverfahrens (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46). Dieses Erfordernis wird zusätzlich dadurch untermauert, dass die Bürger allgemein - als Kern grundrechtlicher Verfahrensgarantien - über die Möglichkeit verfügen müssen, ihren Standpunkt wirksam vertreten und Einwände gegen das Verwaltungshandeln wirksam vorbringen zu können, speziell bei Staatsprüfungen der Kandidat jedoch meist erst nach Erlass des Prüfungsbescheides in ausreichendem Umfang erfährt, wie seine Leistungen im Einzelnen bewertet worden und welche Erwägungen dafür maßgebend gewesen sind (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46 und vom selben Tag - 1 BvR 1529/84, 1 BvR 138/87 - a.a.O. S. 72 f.). Vor diesem Hintergrund besteht ein grundrechtlich fundierter Anspruch von Prüflingen, bereits im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens ihre Einwände gegen die Bewertungen der Prüfer vorzubringen, um deren wirksame Nachprüfung zu erreichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46).

6

(2) In Anknüpfung an diese Verfassungsrechtsprechung hat der Senat in seinem Urteil vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 35.92 - (BVerwGE 92, 132 <137> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 313 S. 262) ausgesprochen, dass das eigenständige verwaltungsinterne Kontrollverfahren zur Überprüfung der Einwände des Prüflings "einen unerlässlichen Ausgleich für die unvollkommene Kontrolle von Prüfungsentscheidungen durch die Verwaltungsgerichte (darstellt) und damit zugleich - in Ergänzung des gerichtlichen Rechtsschutzes - eine Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit (erfüllt)". Damit das Verfahren des Überdenkens der Prüfungsentscheidung seinen Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings effektiv zu schützen, konkret erfüllen kann, muss - wie der Senat in diesem Urteil präzisierend ausgeführt hat - gewährleistet sein, dass die Prüfer ihre Bewertungen hinreichend begründen, dass der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Korrekturbemerkungen der Prüfer einsehen kann, dass die daraufhin vom Prüfling erhobenen substantiierten Einwände den beteiligten Prüfern zugeleitet werden, dass die Prüfer sich mit den Einwänden des Prüflings auseinandersetzen und, soweit diese berechtigt sind, ihre Bewertung der betroffenen Prüfungsleistung korrigieren sowie alsdann auf dieser - möglicherweise veränderten - Grundlage erneut über das Ergebnis der Prüfung entscheiden (a.a.O. S. 137 bzw. 262; bestätigt durch Urteil vom 30. Juni 1994 - BVerwG 6 C 4.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 334 S. 34; seitdem stRspr).

7

(3) Das Bundesverfassungsgericht hat betont, die zur Objektivitäts- bzw. Neutralitätssicherung des Bewertungsverfahrens gebotenen Regelungen beträfen auch "die Auswahl der Prüfer, ihre Zahl und ihr Verhältnis zueinander, insbesondere bei Bewertungsdifferenzen" (Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46). Den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG wird vielfach nur dann genügt sein, wenn Prüfungsleistungen, durch deren Bewertung intensiv in die Freiheit der Berufswahl eingegriffen wird, einer Bewertung durch zwei oder mehr Prüfer zugeführt werden (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, S. 196 f.). Zudem ist es geboten, dass sämtliche mit einer Bewertung betrauten Prüfer ihre Beurteilung der Prüfungsleistung eigenständig und unabhängig voneinander vornehmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Januar 1995 - 1 BvR 1505/94 - juris Rn. 20; Niehues/Fischer a.a.O. S. 200). Der objektivitätssteigernde Effekt der Einschaltung einer Prüfermehrheit würde andernfalls zu einem erheblichen Teil wieder zunichte gemacht werden. Das Erfordernis der eigenständigen und unabhängigen Urteilsbildung gilt auch im Stadium des Überdenkensverfahrens, das gerade hierdurch die nötige Kontrolleffizienz gewinnt. Es wird selbst dann nicht obsolet, wenn sich der Zweitprüfer im Rahmen des ersten Bewertungsdurchgangs der Bewertung des Erstprüfers ohne eingehende inhaltliche Begründung angeschlossen hatte (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens: Urteile vom 9. Dezember 1992 - BVerwG 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 <269> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 307 S. 231 und vom 16. März 1994 - BVerwG 6 C 5.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 329 S. 14). Ein Zweitprüfer, der sich die Bewertung des Erstprüfers vollständig zu eigen macht, erklärt hiermit nicht sein Einverständnis mit sämtlichen von diesem vorgenommenen prüfungsspezifischen Wertungen, weil diese Wertungen - was in der Natur der Sache liegt - in der schriftlichen Bewertungsbegründung des Erstprüfers zwangsläufig nicht sämtlich zur Abbildung gelangen können; zudem besteht die Möglichkeit, dass beide Prüfer die vom Prüfling im Überdenkensverfahren vorgebrachten Einwände in jeweils unterschiedlichem Umfang für begründet erachten (vgl. Beschluss vom 14. September 2012 - BVerwG 6 B 35.12 - noch unveröff.). Auch in dieser Konstellation kommt es somit auf die eigenständige und unabhängige Urteilsbildung des Zweitprüfers an.

8

(4) Das in Art. 12 Abs. 1 GG verankerte Erfordernis der eigenständigen und unabhängigen Urteilsbildung der Prüfer wird durch eine Verfahrensgestaltung verletzt, die - wie im vorliegenden Fall - den Prüfern im Rahmen des Überdenkensverfahrens die Möglichkeit eröffnet, eine gemeinsame Stellungnahme zu den Einwänden des Prüflings auf Grundlage eines entsprechenden, vom Erstprüfer gefertigten Entwurfs und einer nachfolgenden Beratung zwischen ihnen abzugeben, die stattfindet, ohne dass die Prüfer zuvor das Ergebnis ihres Überdenkens schriftlich niedergelegt haben.

9

(a) Das Überdenken der Prüfungsbewertung findet für jeden beteiligten Prüfer seinen Abschluss erst mit der schriftlichen Niederlegung des Ergebnisses. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass die schriftliche Fixierung eigener Überlegungen bzw. ihres Ergebnisses noch zu Änderungen führen kann. Tauschen sich die beteiligten Prüfer vor diesem Zeitpunkt untereinander aus, eröffnet dies zwangsläufig die Möglichkeit, dass der Austausch in ihre hier noch nicht abgeschlossene Urteilsbildung einfließt (vgl. Urteil vom 3. Dezember 1981 - BVerwG 7 C 30. und 31.80 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 157 S. 54 f.). Die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Urteilsbildung des Zweitprüfers wird durch die mit einem solchen Austausch verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten deutlich stärker als dadurch in Frage gestellt, dass er - entsprechend den Gepflogenheiten einer sog. offenen Zweitkorrektur (zu deren Zulässigkeit: Beschluss vom 18. Dezember 1997 - BVerwG 6 B 69.97 - juris Rn. 6) - zu Beginn seiner eigenen Befassung die schriftliche Begründung der Überdenkensentscheidung des Erstprüfers zur Kenntnis nimmt; noch stärker wird naturgemäß die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Urteilsbildung des Erstprüfers in Frage gestellt, dessen Befassung in Unkenntnis der Bewertung des Zweitprüfers einsetzte. Dass nicht in jedem Einzelfall ein solcher Austausch die Beteiligten in ihrer persönlichen Urteilsbildung tatsächlich beeinflusst, ändert nichts daran, dass die fragliche Verfahrensgestaltung eine dahingehende Gefahr begründet. Dieser Gefahr schon im Ansatz zu begegnen, ist im Prüfungsverfahren in Anbetracht der begrenzten intersubjektiven Nachvollziehbarkeit prüfungsspezifischer Wertungen ein besonders gewichtiges Anliegen.

10

(b) Die vom Beklagten im vorliegenden Fall gewählte Verfahrensweise diente offenkundig dem Ziel, auf eine Annäherung der beiderseitigen Überdenkensergebnisse oder zumindest der ihnen zugrundeliegenden, schriftlich zu fixierenden Begründungen hinzuwirken. Soweit der Beklagte hiermit die Absicht verfolgt haben sollte, die Komplexität des Überdenkensverfahrens zu reduzieren und die nachfolgende Widerspruchsentscheidung im Sinne von § 27 Abs. 1 JAG NW zu erleichtern, würde dies keine Einbußen der Objektivitätsgewähr des Verfahrens rechtfertigen, wie sie mit dieser Verfahrensweise nach dem Vorgesagten verbunden sind. Dem verfassungsrechtlichen Rang des Anspruchs des Prüflings auf ein wirksames Überdenken der Prüferbewertungen entspricht es, dass Einbußen der Objektivitätsgewähr des Verfahrens nur dann tolerabel sind, wenn sie sich als strukturell alternativlos erweisen, eine andernfalls drohende unzumutbare Arbeitsbelastung der Prüfungsbehörde abwenden oder einem vergleichbar gewichtigen Ziel dienen. Dass hiervon im vorliegenden Fall nicht auszugehen ist, belegt bereits die anders geartete Prüfungspraxis anderer Prüfungsämter.

11

(c) Zu keinem anderen Ergebnis führt die Erwägung, dass sich die Ergebnisrichtigkeit des Überdenkensverfahrens durch einen Austausch der beteiligten Prüfer mit Blick darauf durchaus auch erhöhen kann, dass die gesprächsweise Konfrontation mit anderen Standpunkten vielfach die gedankliche Durchdringung eigener Positionen zu vertiefen geeignet ist. Diese Erwägung führt nicht in einen zwingenden Widerspruch zum Vorgesagten, wie sich bereits anhand von § 14 Abs. 1 JAG NW illustrieren lässt. Nach dieser - auf das Stadium der Erstbewertung bezogenen - Vorschrift erfolgt bei abweichender Bewertung einer Aufsichtsarbeit eine Beratung der beiden Prüfer erst, nachdem diese die Aufsichtsarbeit "selbständig begutachtet und bewertet" haben. Bei einer solchen Gestaltung können die funktionellen Vorzüge eines Prüferaustauschs realisiert werden, ohne die Objektivitätsgewähr aufs Spiel zu setzen, die darin liegt, dass die Prüfer sich zunächst eigenständig und unabhängig voneinander ein Urteil bilden und dieses sodann schriftlich fixieren. Dem Beklagten steht es frei, im Stadium des Überdenkensverfahrens eine vergleichbare Gestaltung zu veranlassen.

12

b) Die von der Beschwerde erhobenen Divergenzrügen greifen nicht durch.

13

aa) Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem angefochtenen Urteil weder ausdrücklich noch konkludent den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass die rein theoretische Möglichkeit der Erhebung einer Schadensersatz- oder Entschädigungsklage genügen würde, um das für die Statthaftigkeit einer sog. Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse zu bejahen. Im Gegenteil ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage im vorliegenden Fall "der Vorbereitung einer Schadensersatzklage dient" (UA S. 12). Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang ausführt, zur Frage der Anhängigkeit einer Amtshaftungsklage oder ihrer alsbaldigen Erhebung seien im angefochtenen Urteil keine Feststellungen getroffen worden, wird hiermit allenfalls die Richtigkeit der Rechtsanwendung durch die Vorinstanz in Zweifel gezogen. Anerkanntermaßen ist aber der Umstand, ob die Vorinstanz auf der Ebene der Subsumtion einen höchstrichterlich aufgestellten Rechtssatz nicht oder nicht richtig angewandt hat, nicht divergenzbegründend im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 17. Juli 2003 - BVerwG 7 B 62.03 - juris Rn. 8 - insoweit nicht abgedruckt bei Buchholz 310 § 135 VwGO Nr. 4).

14

bb) Eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO lässt sich ferner nicht damit begründen, dass das Oberverwaltungsgericht bei Bejahung des Feststellungsinteresses nicht konkret auf Art und Umfang eines drohenden Schadens des Klägers eingegangen ist. Das Oberverwaltungsgericht ist nach zutreffender Wiedergabe der einschlägigen Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem Schluss gelangt, dass die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs durch den Kläger nicht als offensichtlich aussichtslos einzustufen sei (UA S. 13). Es hat dabei auf den Verdienstausfall abgestellt, der dem Kläger wegen der verspäteten Aufnahme der Berufstätigkeit entstanden ist (UA S. 12 f.). Selbst wenn es hierfür weitgehenderer Prüfungen bedurft hätte, würde das Vorgehen des Oberverwaltungsgerichts keine Divergenz zu einem abstrakten Rechtssatz aus der Entscheidung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte belegen.

15

c) Die von der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Die vom Beklagten vorinstanzlich unter Beweis gestellte Frage, ob die beteiligten Prüfer ihre eigenen Klausurbewertungen jeder für sich und unabhängig voneinander vorgenommen und sich nicht beraten haben, bevor die eigenständige Prüfung mit einem konkreten Ergebnis abgeschlossen war, war vom Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts aus gesehen nicht entscheidungserheblich. Das Oberverwaltungsgericht hat die Rechtswidrigkeit des durchgeführten Überdenkensverfahrens - aus Sicht des beschließenden Senats nach dem oben Gesagten zu Recht - nicht auf die Merkmale der tatsächlich erfolgten Vorgehensweise der Prüfer in dem vorliegenden Fall, sondern auf die objektive Verfahrensgestaltung gestützt (UA S. 17).

Gründe

1

Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Der Kläger begehrt die erneute Wiederholung der unterrichtspraktischen Prüfung im Rahmen der Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen, hilfsweise die Neubewertung seiner Prüfungsleistung. Er erhielt auch in der Wiederholung der Prüfung im Fach Deutsch die Note 5,0 (mangelhaft). Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zur erneuten Wiederholung verpflichtet und dabei auf die Besorgnis der Befangenheit der Mitglieder der Prüfungskommission abgestellt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.

3

2. Der Kläger sieht im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG sinngemäß als klärungsbedürftig an,

ob in der Begründung der Bewertung der Lehrprobe mitgeteilt werden müsse, welche Bewertungsaspekte von vorrangiger und welche von weniger entscheidender Bedeutung gewesen seien, wie diese im einzelnen bewertet worden seien und auf welche Art und Weise hieraus die Gesamtnote gebildet worden sei und

ob die Prüfungskommission der Bewertung der Lehrprobe einen vorher feststehenden (abschließenden) Kriterienkatalog zugrunde legen und diesen abhandeln müsse, der dem Prüfling offen zu legen sei.

4

Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr, vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18). Das ist hier nicht der Fall.

5

Die vom Kläger zum Begründungsumfang aufgeworfenen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach erfordern es das Grundrecht auf freie Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG), dass die Prüfungskommission die Bewertung einer berufsrelevanten Prüfungsleistung begründet und die tragenden Erwägungen darlegt, die zu ihrer Bewertung der Prüfungsleistung geführt haben (Urteile vom 9. Dezember 1992 - BVerwG 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 307 und vom 6. September 1995 - BVerwG 6 C 18.93 - BVerwGE 99, 185 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 356, stRspr, jeweils m.w.N.). Der Grundrechtsschutz umfasst daher einen Informationsanspruch des Prüflings, der sich auf eine angemessene Begründung der Prüfungsentscheidung richtet, das heißt auf die Bekanntgabe der wesentlichen Gründe, mit denen der Prüfer zu einer bestimmten Bewertung der Prüfungsleistungen gelangt ist. Die maßgeblichen Gründe müssen zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein (Urteile vom 9. Dezember 1992 a.a.O. und vom 6. September 1995 a.a.O., jeweils m.w.N.).

6

Bei der Bewertung einer mündlichen Prüfungsleistung ist den besonderen Bedingungen, die eine solche Prüfung wesentlich von schriftlichen Prüfungen unterscheiden, angemessen Rechnung zu tragen. Deshalb hängt der konkrete Inhalt des Anspruchs auf eine Begründung und damit korrespondierend die Pflicht der Prüfer, ihre Bewertungen der Prüfungsleistungen zu begründen, davon ab, ob der Prüfling eine solche Begründung verlangt, wann er dies tut, mit welchem konkreten Begehren und mit welcher Begründung. Daraus folgt, dass die Begründung der Bewertung mündlicher und berufspraktischer Prüfungsleistungen - soweit eine spezielle normative Regelung fehlt - nach Form, Zeitpunkt, Umfang und Inhalt auf unterschiedliche Weise geschehen kann (stRspr, vgl. Urteile vom 6. September 1995 a.a.O., vom 16. April 1997 - BVerwG 6 C 9.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 382, vom 24. Februar 2003 - BVerwG 6 C 22.02 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 403 m.w.N.; Beschluss vom 20. Mai 1998 - BVerwG 6 B 50.97 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 389).

7

Nach diesen Rechtsgrundsätzen hängt die Beantwortung der ersten Teilfrage zum Begründungsumfang bei der Bewertung der Lehramtsprobe von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich deshalb einer revisionsgerichtlichen Klärung in Gestalt weiterer verallgemeinerungsfähiger und fester Regeln.

8

Die zweite Teilfrage ist dahingehend zu beantworten, dass es, solange normative Regelungen nicht bestehen, keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf im Voraus feststehende Bewertungsregeln in Gestalt eines abschließenden Kriterienkatalogs gibt. Der Kläger hat zwar - als unselbständigen verfahrensrechtlichen Bestandteil seines materiellrechtlichen Anspruchs auf eine rechtmäßige Bewertung seiner Prüfungsleistungen - einen Anspruch auf Bekanntgabe der Gründe, die die einzelnen Prüfer und sodann den Prüfungsausschuss als Kollegium dazu bewogen haben, seine Prüfungsleistung insgesamt mit dem Ergebnis "nicht bestanden" zu bewerten. Denn der Prüfling muss diejenigen Informationen erhalten, die er benötigt, um feststellen zu können, ob die rechtlichen Vorgaben und Grenzen der Prüfung, insbesondere der Beurteilung seiner Leistungen, eingehalten worden sind (vgl. zum Ganzen: Urteile vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 35.92 - BVerwGE 92, 132 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 313, vom 6. September 1995 - BVerwG 6 C 18.93 - BVerwGE 99, 185 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 356, vom 16. April 1997 a.a.O. und vom 4. Februar 2003 a.a.O., je m.w.N.). In welcher Form dies geschieht, insbesondere, ob es einen vorher feststehenden Bewertungskatalog geben muss oder kann, ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben; ein Anspruch auf eine normative Regelung im vom Kläger gewünschten Sinne besteht nicht.

9

3. Weiter hält der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam, welche Grenzen bei Prüfungsentscheidungen für das Nachschieben von wesentlich neuen Begründungsteilen im Widerspruchsverfahren bestehen, die in ihrem Negativgewicht deutlich von den bisherigen nach unten abweichen.

10

Auch diese Rechtsfrage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie bereits geklärt ist und zudem einen so vom Berufungsgericht nicht festgestellten Sachverhalt unterstellt. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 u.a. BVerfGE 84, 34; BVerwG, Urteile vom 9. Dezember 1992 a.a.O. und vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 35.92 - BVerwGE 92, 132) ausgeführt, dass die Prüfer sich im Rahmen des Überdenkensprozesses mit den Einwänden des Prüflings auseinandersetzen und, soweit die Einwände berechtigt sind, ihre Bewertung korrigieren müssen. Kommen sie dabei zu dem Ergebnis, dass ihre erste Bewertung weiterhin zutreffend ist, haben sie die dafür maßgeblichen Gründe mitzuteilen, wobei die Gründe erkennbar aus dem Bewertungsvorgang und der Kritik des Prüflings an ihm hergeleitet sein und aus Gründen der Chancengleichheit weiterhin den bisherigen Bewertungskriterien entsprechen müssen (vgl. Urteile vom 9. Dezember 1992 a.a.O., vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 38.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 314 und vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 20.98 - BVerwGE 109, 211 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 396; Beschluss vom 11. Juni 1996 - BVerwG 6 B 88.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 368 S. 141, 142).

11

Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht tragend darauf abgestellt, dass die Stellungnahme der Prüfungskommission über eine Konkretisierung der ursprünglichen Begründung in diesem Sinne nicht hinausgeht. Zu dieser Würdigung ist es durch Auslegung der in der Stellungnahme angeführten Gründe gelangt. An diese Auslegung ist das Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Die Beschwerde legt nicht dar, dass die Würdigung des Berufungsgerichts auf einer unzutreffenden oder unzureichenden Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen oder auf einem Verstoß gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze beruht. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze liegt nur vor, wenn eine Schlussfolgerung aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann. Es reicht nicht aus, dass das Gericht andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines der Verfahrensbeteiligten hätten gezogen werden müssen. Dies gilt selbst dann, wenn die von diesem favorisierte Schlussfolgerung näher liegen sollte als diejenige des Gerichts (Beschluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - ZBR 2008, 257 <260> insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2).

12

4. Schließlich sieht es der Kläger sinngemäß als grundsätzlich klärungsbedürftig an, ob das Prüfungsamt neben der für das Überdenken der Prüfungsentscheidung ausschließlich zuständigen Prüfungskommission eine eigenständige fachbezogene Entscheidungskompetenz habe, mit der es die Einwände des Prüflings daraufhin überprüfe, ob diese substantiiert seien. Daraus ergebe sich die weitere Frage, ob die Prüfungsbehörde im Überdenkensverfahren im Wesentlichen auf eine rein organisatorische Tätigkeit beschränkt sei und ob Hinweise an die Prüfungskommission, mit denen dieser in fachlichen Fragen Schwerpunkte im Überdenkensverfahren vorgegeben werden, daher die Besorgnis der Befangenheit auslösten.

13

Auch diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Sie sind klärungsfähig, weil sie - im Gewand der Grundsatzrüge - in Wahrheit gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung gerichtet sind und einen Sachverhalt voraussetzen, den der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat. Einen Rechtssatz, das Prüfungsamt habe neben der für das Überdenken der Prüfungsentscheidung ausschließlich zuständigen Prüfungskommission eine eigenständige fachbezogene Entscheidungskompetenz, hat das Berufungsgericht nicht einmal sinngemäß aufgestellt. Das Berufungsgericht hat vielmehr im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgeführt, dass das Prüfungsamt eine verfahrensrechtliche bzw. organisatorische Stellung im Verfahren des Überdenkens habe. Es obliege ihm u.a. zu gewährleisten, dass die substantiierten Einwände den Prüfern zugeleitet werden und sich diese mit ihnen auseinandersetzen (vgl. Urteil vom 24. Februar 1993 a.a.O. m.w.N.). Diese Aufgabe ermächtige das Prüfungsamt auch, die Einwendungen des Prüflings daraufhin zu überprüfen, ob sie völlig substanzlos seien oder nicht, da nur substantiierte Einwendungen das Überdenkensverfahren auslösten (vgl. Urteile vom 24. Februar 1993 a.a.O., vom 30. Juni 1994 - BVerwG 6 C 4.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 334 und vom 4. Februar 2003 a.a.O., jeweils m.w.N.). Allerdings sei das Prüfungsamt nicht befugt, in größerem Umfang vorgebrachte Einwendungen, die nur in Teilen substantiiert seien, in dem Sinne "vorzustrukturieren", dass es die substantiierten Einwände herausfiltere und diese isoliert der Prüfungskommission vorlege. Es habe in einem solchen Fall vielmehr die gesamten Einwendungen der Kommmission zuzuleiten.

14

Weiter hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass das Prüfungsamt bei einer solchen Zuleitung die ihm wichtig erscheinenden Punkte markieren könne, wenn dies in neutraler Form und mit dem Hinweis darauf geschehe, dass sich das Überdenken nicht auf die markierten Punkte zu beschränken habe. Denn diese fachliche Kompetenz komme ihr nicht zu. Es sei allein Aufgabe der Prüfer aufgrund der Einwendungen des Prüflings die Prüfungsentscheidung zu überdenken. Damit hat es keinen Rechtssatz aufgestellt, der die Zulassung der Revision wegen der letzten (weiteren) als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Frage rechtfertigt. Mit dieser Frage wendet sich die Beschwerde abermals, ohne zulässige Verfahrensrügen geltend zu machen, gegen die tatsächlichen Feststellungen und die Würdigung der Umstände im Einzelfall durch das Berufungsgericht, da sie entgegen dessen tatsächlicher Würdigung unterstellt, die Hinweise des Prüfungsamts seien als Vorgabe fachlicher Schwerpunkte an die Prüfungskommission zu verstehen gewesen. Die Würdigung im Einzelfall kann aber nicht mit der Grundsatzrüge beanstandet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Gründe

1

1. Die auf die Revisionsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

a) Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 20. Februar 2012 - BVerwG 6 B 38.11 - juris Rn. 11). Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

3

aa) Der Beklagte macht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf im Hinblick auf die Frage geltend, ob "ein rechtmäßiges Überdenkungsverfahren bei berufsbezogenen Prüfungen (erfordert), dass bei vorangegangener offener Zweitkorrektur Erst- und Zweitkorrektor im Widerspruchverfahren (Überdenkungsverfahren) das Ergebnis ihres Überdenkens selbständig in Gestalt von zwei eigenständigen und eigenständig dokumentierten Stellungnahmen niederzulegen haben". Die Frage stellt sich vor dem Hintergrund, dass das Oberverwaltungsgericht eine fehlerhafte Gestaltung des im vorliegenden Fall auf den Widerspruch des Klägers gegen die Bewertung seiner juristischen Prüfungsklausuren durchgeführten Überdenkungsverfahrens angenommen und hieraus der Sache nach abgeleitet hat, dieses Verfahren sei von vornherein nicht geeignet gewesen, die in dem angefochtenen Urteil festgestellten Bewertungsfehler hinsichtlich zweier Prüfungsklausuren des Klägers zu beseitigen (vgl. UA S. 15 f.). Die fehlerhafte Verfahrensgestaltung hat das Oberverwaltungsgericht darin erblickt, dass dem Erstprüfer die Einwände des Klägers gegen die Bewertung seiner Klausuren vom Beklagten mit der Bitte übermittelt worden waren, "eine gemeinsame Stellungnahme der Korrektoren zu den erhobenen Einwänden zu entwerfen" und anschließend dem Zweitprüfer zuzuleiten, der seinerseits vom Beklagten über diese vorgesehene Verfahrensweise unterrichtet und gebeten worden war, "sich wegen einer erforderlichen Beratung mit dem Erstkorrektor ... in Verbindung zu setzen" (UA S. 17, 3).

4

bb) Die aufgeworfene Frage führt schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, weil sie auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesauslegung aus den nachstehenden Erwägungen mit dem Oberverwaltungsgericht zu bejahen ist (siehe zu diesem prozessrechtlichen Maßstab: Beschluss vom 24. August 1999 - BVerwG 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270> = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13); die von der Vorinstanz offen gelassene Frage, ob die Ausführungen der Prüfer im Überdenkensverfahren tatsächlich zur Beseitigung der festgestellten Bewertungsfehler geführt hätten - und es mithin im Beschwerdeverfahren mit Blick auf den auch dort anwendbaren § 144 Abs. 4 VwGO auf die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Verfahrensgestaltung überhaupt ankommt -, mag auf sich beruhen.

5

(1) Wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont, beansprucht das Grundrecht der Berufsfreiheit Geltung auch für die Durchführung berufsbezogener Abschlussprüfungen und ist der insoweit gewährleistete Grundrechtsschutz auch durch die Gestaltung des Verfahrens zu bewirken (vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 1529/84, 1 BvR 138/87 - BVerfGE 84, 59 <72> und vom selben Tag - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - BVerfGE 84, 34 <45>). Wegen der Intensität, mit der solche Prüfungen in die Freiheit der Berufswahl eingreifen, und weil der nachträglichen gerichtlichen Kontrolle - vor allem wegen der unabdingbaren Entscheidungsfreiräume der Prüfer in Bezug auf prüfungsspezifische Wertungen - Grenzen gesetzt sind, bedarf es einer objektivitäts- und neutralitätssichernden Gestaltung des Bewertungsverfahrens (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46). Dieses Erfordernis wird zusätzlich dadurch untermauert, dass die Bürger allgemein - als Kern grundrechtlicher Verfahrensgarantien - über die Möglichkeit verfügen müssen, ihren Standpunkt wirksam vertreten und Einwände gegen das Verwaltungshandeln wirksam vorbringen zu können, speziell bei Staatsprüfungen der Kandidat jedoch meist erst nach Erlass des Prüfungsbescheides in ausreichendem Umfang erfährt, wie seine Leistungen im Einzelnen bewertet worden und welche Erwägungen dafür maßgebend gewesen sind (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46 und vom selben Tag - 1 BvR 1529/84, 1 BvR 138/87 - a.a.O. S. 72 f.). Vor diesem Hintergrund besteht ein grundrechtlich fundierter Anspruch von Prüflingen, bereits im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens ihre Einwände gegen die Bewertungen der Prüfer vorzubringen, um deren wirksame Nachprüfung zu erreichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46).

6

(2) In Anknüpfung an diese Verfassungsrechtsprechung hat der Senat in seinem Urteil vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 35.92 - (BVerwGE 92, 132 <137> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 313 S. 262) ausgesprochen, dass das eigenständige verwaltungsinterne Kontrollverfahren zur Überprüfung der Einwände des Prüflings "einen unerlässlichen Ausgleich für die unvollkommene Kontrolle von Prüfungsentscheidungen durch die Verwaltungsgerichte (darstellt) und damit zugleich - in Ergänzung des gerichtlichen Rechtsschutzes - eine Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit (erfüllt)". Damit das Verfahren des Überdenkens der Prüfungsentscheidung seinen Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings effektiv zu schützen, konkret erfüllen kann, muss - wie der Senat in diesem Urteil präzisierend ausgeführt hat - gewährleistet sein, dass die Prüfer ihre Bewertungen hinreichend begründen, dass der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Korrekturbemerkungen der Prüfer einsehen kann, dass die daraufhin vom Prüfling erhobenen substantiierten Einwände den beteiligten Prüfern zugeleitet werden, dass die Prüfer sich mit den Einwänden des Prüflings auseinandersetzen und, soweit diese berechtigt sind, ihre Bewertung der betroffenen Prüfungsleistung korrigieren sowie alsdann auf dieser - möglicherweise veränderten - Grundlage erneut über das Ergebnis der Prüfung entscheiden (a.a.O. S. 137 bzw. 262; bestätigt durch Urteil vom 30. Juni 1994 - BVerwG 6 C 4.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 334 S. 34; seitdem stRspr).

7

(3) Das Bundesverfassungsgericht hat betont, die zur Objektivitäts- bzw. Neutralitätssicherung des Bewertungsverfahrens gebotenen Regelungen beträfen auch "die Auswahl der Prüfer, ihre Zahl und ihr Verhältnis zueinander, insbesondere bei Bewertungsdifferenzen" (Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 - a.a.O. S. 46). Den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG wird vielfach nur dann genügt sein, wenn Prüfungsleistungen, durch deren Bewertung intensiv in die Freiheit der Berufswahl eingegriffen wird, einer Bewertung durch zwei oder mehr Prüfer zugeführt werden (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, S. 196 f.). Zudem ist es geboten, dass sämtliche mit einer Bewertung betrauten Prüfer ihre Beurteilung der Prüfungsleistung eigenständig und unabhängig voneinander vornehmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Januar 1995 - 1 BvR 1505/94 - juris Rn. 20; Niehues/Fischer a.a.O. S. 200). Der objektivitätssteigernde Effekt der Einschaltung einer Prüfermehrheit würde andernfalls zu einem erheblichen Teil wieder zunichte gemacht werden. Das Erfordernis der eigenständigen und unabhängigen Urteilsbildung gilt auch im Stadium des Überdenkensverfahrens, das gerade hierdurch die nötige Kontrolleffizienz gewinnt. Es wird selbst dann nicht obsolet, wenn sich der Zweitprüfer im Rahmen des ersten Bewertungsdurchgangs der Bewertung des Erstprüfers ohne eingehende inhaltliche Begründung angeschlossen hatte (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens: Urteile vom 9. Dezember 1992 - BVerwG 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 <269> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 307 S. 231 und vom 16. März 1994 - BVerwG 6 C 5.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 329 S. 14). Ein Zweitprüfer, der sich die Bewertung des Erstprüfers vollständig zu eigen macht, erklärt hiermit nicht sein Einverständnis mit sämtlichen von diesem vorgenommenen prüfungsspezifischen Wertungen, weil diese Wertungen - was in der Natur der Sache liegt - in der schriftlichen Bewertungsbegründung des Erstprüfers zwangsläufig nicht sämtlich zur Abbildung gelangen können; zudem besteht die Möglichkeit, dass beide Prüfer die vom Prüfling im Überdenkensverfahren vorgebrachten Einwände in jeweils unterschiedlichem Umfang für begründet erachten (vgl. Beschluss vom 14. September 2012 - BVerwG 6 B 35.12 - noch unveröff.). Auch in dieser Konstellation kommt es somit auf die eigenständige und unabhängige Urteilsbildung des Zweitprüfers an.

8

(4) Das in Art. 12 Abs. 1 GG verankerte Erfordernis der eigenständigen und unabhängigen Urteilsbildung der Prüfer wird durch eine Verfahrensgestaltung verletzt, die - wie im vorliegenden Fall - den Prüfern im Rahmen des Überdenkensverfahrens die Möglichkeit eröffnet, eine gemeinsame Stellungnahme zu den Einwänden des Prüflings auf Grundlage eines entsprechenden, vom Erstprüfer gefertigten Entwurfs und einer nachfolgenden Beratung zwischen ihnen abzugeben, die stattfindet, ohne dass die Prüfer zuvor das Ergebnis ihres Überdenkens schriftlich niedergelegt haben.

9

(a) Das Überdenken der Prüfungsbewertung findet für jeden beteiligten Prüfer seinen Abschluss erst mit der schriftlichen Niederlegung des Ergebnisses. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass die schriftliche Fixierung eigener Überlegungen bzw. ihres Ergebnisses noch zu Änderungen führen kann. Tauschen sich die beteiligten Prüfer vor diesem Zeitpunkt untereinander aus, eröffnet dies zwangsläufig die Möglichkeit, dass der Austausch in ihre hier noch nicht abgeschlossene Urteilsbildung einfließt (vgl. Urteil vom 3. Dezember 1981 - BVerwG 7 C 30. und 31.80 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 157 S. 54 f.). Die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Urteilsbildung des Zweitprüfers wird durch die mit einem solchen Austausch verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten deutlich stärker als dadurch in Frage gestellt, dass er - entsprechend den Gepflogenheiten einer sog. offenen Zweitkorrektur (zu deren Zulässigkeit: Beschluss vom 18. Dezember 1997 - BVerwG 6 B 69.97 - juris Rn. 6) - zu Beginn seiner eigenen Befassung die schriftliche Begründung der Überdenkensentscheidung des Erstprüfers zur Kenntnis nimmt; noch stärker wird naturgemäß die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Urteilsbildung des Erstprüfers in Frage gestellt, dessen Befassung in Unkenntnis der Bewertung des Zweitprüfers einsetzte. Dass nicht in jedem Einzelfall ein solcher Austausch die Beteiligten in ihrer persönlichen Urteilsbildung tatsächlich beeinflusst, ändert nichts daran, dass die fragliche Verfahrensgestaltung eine dahingehende Gefahr begründet. Dieser Gefahr schon im Ansatz zu begegnen, ist im Prüfungsverfahren in Anbetracht der begrenzten intersubjektiven Nachvollziehbarkeit prüfungsspezifischer Wertungen ein besonders gewichtiges Anliegen.

10

(b) Die vom Beklagten im vorliegenden Fall gewählte Verfahrensweise diente offenkundig dem Ziel, auf eine Annäherung der beiderseitigen Überdenkensergebnisse oder zumindest der ihnen zugrundeliegenden, schriftlich zu fixierenden Begründungen hinzuwirken. Soweit der Beklagte hiermit die Absicht verfolgt haben sollte, die Komplexität des Überdenkensverfahrens zu reduzieren und die nachfolgende Widerspruchsentscheidung im Sinne von § 27 Abs. 1 JAG NW zu erleichtern, würde dies keine Einbußen der Objektivitätsgewähr des Verfahrens rechtfertigen, wie sie mit dieser Verfahrensweise nach dem Vorgesagten verbunden sind. Dem verfassungsrechtlichen Rang des Anspruchs des Prüflings auf ein wirksames Überdenken der Prüferbewertungen entspricht es, dass Einbußen der Objektivitätsgewähr des Verfahrens nur dann tolerabel sind, wenn sie sich als strukturell alternativlos erweisen, eine andernfalls drohende unzumutbare Arbeitsbelastung der Prüfungsbehörde abwenden oder einem vergleichbar gewichtigen Ziel dienen. Dass hiervon im vorliegenden Fall nicht auszugehen ist, belegt bereits die anders geartete Prüfungspraxis anderer Prüfungsämter.

11

(c) Zu keinem anderen Ergebnis führt die Erwägung, dass sich die Ergebnisrichtigkeit des Überdenkensverfahrens durch einen Austausch der beteiligten Prüfer mit Blick darauf durchaus auch erhöhen kann, dass die gesprächsweise Konfrontation mit anderen Standpunkten vielfach die gedankliche Durchdringung eigener Positionen zu vertiefen geeignet ist. Diese Erwägung führt nicht in einen zwingenden Widerspruch zum Vorgesagten, wie sich bereits anhand von § 14 Abs. 1 JAG NW illustrieren lässt. Nach dieser - auf das Stadium der Erstbewertung bezogenen - Vorschrift erfolgt bei abweichender Bewertung einer Aufsichtsarbeit eine Beratung der beiden Prüfer erst, nachdem diese die Aufsichtsarbeit "selbständig begutachtet und bewertet" haben. Bei einer solchen Gestaltung können die funktionellen Vorzüge eines Prüferaustauschs realisiert werden, ohne die Objektivitätsgewähr aufs Spiel zu setzen, die darin liegt, dass die Prüfer sich zunächst eigenständig und unabhängig voneinander ein Urteil bilden und dieses sodann schriftlich fixieren. Dem Beklagten steht es frei, im Stadium des Überdenkensverfahrens eine vergleichbare Gestaltung zu veranlassen.

12

b) Die von der Beschwerde erhobenen Divergenzrügen greifen nicht durch.

13

aa) Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem angefochtenen Urteil weder ausdrücklich noch konkludent den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass die rein theoretische Möglichkeit der Erhebung einer Schadensersatz- oder Entschädigungsklage genügen würde, um das für die Statthaftigkeit einer sog. Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse zu bejahen. Im Gegenteil ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage im vorliegenden Fall "der Vorbereitung einer Schadensersatzklage dient" (UA S. 12). Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang ausführt, zur Frage der Anhängigkeit einer Amtshaftungsklage oder ihrer alsbaldigen Erhebung seien im angefochtenen Urteil keine Feststellungen getroffen worden, wird hiermit allenfalls die Richtigkeit der Rechtsanwendung durch die Vorinstanz in Zweifel gezogen. Anerkanntermaßen ist aber der Umstand, ob die Vorinstanz auf der Ebene der Subsumtion einen höchstrichterlich aufgestellten Rechtssatz nicht oder nicht richtig angewandt hat, nicht divergenzbegründend im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 17. Juli 2003 - BVerwG 7 B 62.03 - juris Rn. 8 - insoweit nicht abgedruckt bei Buchholz 310 § 135 VwGO Nr. 4).

14

bb) Eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO lässt sich ferner nicht damit begründen, dass das Oberverwaltungsgericht bei Bejahung des Feststellungsinteresses nicht konkret auf Art und Umfang eines drohenden Schadens des Klägers eingegangen ist. Das Oberverwaltungsgericht ist nach zutreffender Wiedergabe der einschlägigen Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem Schluss gelangt, dass die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs durch den Kläger nicht als offensichtlich aussichtslos einzustufen sei (UA S. 13). Es hat dabei auf den Verdienstausfall abgestellt, der dem Kläger wegen der verspäteten Aufnahme der Berufstätigkeit entstanden ist (UA S. 12 f.). Selbst wenn es hierfür weitgehenderer Prüfungen bedurft hätte, würde das Vorgehen des Oberverwaltungsgerichts keine Divergenz zu einem abstrakten Rechtssatz aus der Entscheidung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte belegen.

15

c) Die von der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Die vom Beklagten vorinstanzlich unter Beweis gestellte Frage, ob die beteiligten Prüfer ihre eigenen Klausurbewertungen jeder für sich und unabhängig voneinander vorgenommen und sich nicht beraten haben, bevor die eigenständige Prüfung mit einem konkreten Ergebnis abgeschlossen war, war vom Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts aus gesehen nicht entscheidungserheblich. Das Oberverwaltungsgericht hat die Rechtswidrigkeit des durchgeführten Überdenkensverfahrens - aus Sicht des beschließenden Senats nach dem oben Gesagten zu Recht - nicht auf die Merkmale der tatsächlich erfolgten Vorgehensweise der Prüfer in dem vorliegenden Fall, sondern auf die objektive Verfahrensgestaltung gestützt (UA S. 17).

Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Gerichte ausgeübt.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.

Der Besitzer ist von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an dem Eigentümer für den Schaden verantwortlich, der dadurch entsteht, dass infolge seines Verschuldens die Sache verschlechtert wird, untergeht oder aus einem anderen Grunde von ihm nicht herausgegeben werden kann.

(1) War der Besitzer bei dem Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben, so haftet er dem Eigentümer von der Zeit des Erwerbs an nach den §§ 987, 989. Erfährt der Besitzer später, dass er zum Besitz nicht berechtigt ist, so haftet er in gleicher Weise von der Erlangung der Kenntnis an.

(2) Eine weitergehende Haftung des Besitzers wegen Verzugs bleibt unberührt.

(1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen.

(2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.

(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.

(3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. August 2009 - 12 K 4675/08 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die im November 1981 geborene Klägerin legte im Jahr 2001 das Abitur ab und begann im Wintersemester 2001/2002 ihr Jurastudium an der Universität Freiburg. Im Oktober 2004 beantragte sie ihre Zulassung zur Prüfung im Freiversuch, die im Frühjahr 2005 stattfand. Ihre Klausuren wurden wie folgt bewertet:
        
Zivilrecht
 Strafrecht
Öffentliches Recht
Aufsichtsarbeit 
 1
 2
 3
4
5
6
7
Erstprüfer
 4
 2
 2
6
6
4
3
Zweitprüfer
 4
 2
 2
6
6
2
3
Durchschnitt
 4
 2
 2
6
6
3
3
was einen Durchschnitt von 3,71 Punkten ergab. In der mündlichen Prüfung wurden ihr im Zivilrecht 3, im Strafrecht 4, im Öffentlichen Recht 4 und im Wahlfach ebenfalls 4 Punkte zuerkannt, woraus sich ein Durchschnitt von 3,75 errechnet, so dass die Klägerin aufgrund der Gewichtung von schriftlicher zu mündlicher Prüfung mit einer Gesamtpunktzahl von 3,72 die Prüfung nicht bestanden hatte.
Bei ihrer zweiten Teilnahme an der Ersten juristischen Staatsprüfung in Freiburg im Herbst 2005 erzielte sie in ihren Klausuren folgende Punktzahl:
        
Zivilrecht
Strafrecht
Öffentliches Recht
Aufsichtsarbeit 
 3
4
5
6
7
Erstprüfer
 6
3
2
8
3
Zweitprüfer
 6
3
2
4
3
Durchschnitt
2,5
 2,5
 6
3
2
6
3
somit eine Durchschnittspunktzahl von 3,57, die zur Nichtzulassung zur mündlichen Prüfung und zum Nichtbestehen der Prüfung führte.
Im Juni 2007 beantragte sie erneut die Zulassung zur Staatsprüfung im Herbst 2007, nun in Mannheim, da sie an ihrem Studienort Freiburg keinen Wohnsitz mehr habe, nachdem sie zu ihrem Verlobten nach Mannheim gezogen sei. Dem Ansinnen kam der Beklagte nach. Die Klägerin legte die Wiederholungsprüfung in Mannheim ab und erreichte in ihren Klausuren folgende Punkte:
        
Zivilrecht
Strafrecht
Öffentliches Recht
Aufsichtsarbeit 
 1
 3
4
5
6
Erstprüfer
 8
 3
3
4
4
Zweitprüfer
 8
 3
3
2
4
Durchschnitt
 8
 2,5
 3
3
3
4
2,5
somit einen Gesamtdurchschnitt von 3,71 Punkten.
10 
An der Bewertung der ersten Klausur im Zivilrecht war ein Hochschullehrer der Universität Mannheim beteiligt, an derjenigen der Klausur Nr. 6 im öffentlichen Recht ein Honorarprofessor der Universität Tübingen und ansonsten „Prüfer aus der Praxis“.
11 
Mit Bescheid vom 19.12.2007 teilte das Landesjustizprüfungsamt der Klägerin mit, sie habe die Prüfung endgültig nicht bestanden. Nach § 15 JAPrO (1993) setze die Teilnahme an der mündlichen Prüfung u.a. voraus, dass in wenigstens drei Aufsichtsarbeiten 4,0 oder mehr Punkte erreicht würden. Dies sei hier nicht der Fall.
12 
Den dagegen am 10.01.2008 von ihrem früheren Prozessbevollmächtigten eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin - nach Mandatsentziehung - selbst mit Widerspruchsbegründung vom 08.04.2008 und beantragte, die Aufsichtsarbeiten Nr. 2, 3, 4, 5 und 7 unter Aufhebung der bisherigen Bewertung neu jeweils mindestens mit der Gesamtnote „ausreichend“, die Aufsichtsarbeit Nr. 6 mit mindestens „befriedigend“ zu bewerten und sie zur mündlichen Prüfung zuzulassen. Zur Begründung trug sie die ihrer Ansicht nach den Prüfern unterlaufenen Fehler im einzelnen vor.
13 
Nach Einholen von Stellungnahmen der Prüfer im „Überdenkungsverfahren“ wies das Landesjustizprüfungsamt mit Bescheid vom 09.06.2008 den Widerspruch zurück.
14 
Am 17.07.2008 hat die Klägerin rechtzeitig Klage erhoben und ausweislich des (nur) von der Protokollführerin unterzeichneten Sitzungsprotokolls in der mündlichen Verhandlung beantragt, „den Bescheid des Justizministeriums Baden-Württemberg - Landesjustizprüfungsamt - vom 19.12.2007 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 09.06.08 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Aufsichtsarbeiten Nr. 2 bis 7 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten und das Prüfungsverfahren fortzusetzen“. Die Klägerin hat ihr Vorbringen hinsichtlich der ihrer Ansicht nach fehlerhaften Bewertung ihrer Klausuren wiederholt und vertieft und insbesondere darauf hingewiesen, dass am Prüfungsort Mannheim offensichtlich zu strenge Maßstäbe angelegt würden, wie eine signifikant hohen Durchfallquote zeige.
15 
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt, die Bewertung der schriftlichen Arbeiten verteidigt und geltend gemacht, aus der erhöhten Durchfallquote lasse sich nicht auf einen fehlerhaften Bewertungs- oder Beurteilungsmaßstab schließen.
16 
Mit Urteil vom 12.08.2009 hat das Verwaltungsgericht ausweislich des Entscheidungstenors den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide „verurteilt, die Prüfungsleistungen der Klägerin im Rahmen der Ersten juristischen Staatsprüfung Herbst 2007 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten und das Prüfungsverfahren fortzusetzen“. Die Klägerin habe wegen der weit überdurchschnittlichen Durchfallquote am Prüfungsort Mannheim einen Anspruch auf Neubewertung ihrer angefochtenen Aufsichtsarbeiten. In Mannheim habe die Durchfallquote für die Prüfungsteilnehmer, für die - wie bei der Klägerin - noch die JAPrO 1993 Anwendung gefunden habe, 58,33 % betragen, während sie in anderen Städten zwischen 35,9 % (Tübingen) und 39,04 % (Konstanz) gelegen habe. Hinzu komme, dass die Ergebnisse der Ersten juristischen Staatsprüfungen in Mannheim über viele Jahre hinweg deutlich schlechter gewesen seien als in den anderen Städten. Die hohe Durchfallquote beruhe auf einem Prüfungsmangel. Sie lasse sich nicht dadurch erklären, dass es sich bei der Prüfung um den letzten Termin gehandelt habe, an dem noch die JAPrO 1993 anzuwenden gewesen sei, denn dies gelte auch für die anderen Prüfungsorte. Auch lasse sich nicht feststellen, dass die Studierenden in Mannheim so schlecht seien, dass es - im Durchschnitt betrachtet - zu einer so hohen Durchfallquote kommen könne. Insoweit lägen keine anderslautenden Erkenntnisse vor, zu deren Beibringung im Übrigen der Beklagte verpflichtet gewesen wäre. Die Anzahl von 96 Prüflingen in Mannheim sei so groß, dass - ohne gegenteilige Anhaltspunkte - allenfalls mit durchschnittlichen, nicht aber mit besonders schlechten Ergebnissen hätte gerechnet werden können. Auffällig sei, dass im Gegensatz zu anderen Städten keiner der Prüflinge die Note „gut“ oder „vollbefriedigend“ erhalten habe und selbst die Note „befriedigend“ mit 10,42 % deutlich seltener vergeben worden sei als in anderen Prüfungsstädten. Diese Notenverteilung könne nur dahin interpretiert werden, dass in Mannheim ganz erheblich „heruntergeprüft“ werde. Dieser Eindruck decke sich mit Erkenntnissen aus einer ganzen Reihe von Bewertungen von Aufsichtsarbeiten aus diesem Prüfungstermin und damit zusammenhängenden, gerichtsbekannt gewordenen Äußerungen von Prüfern. Damit liege für die Prüflinge in Mannheim ein eklatanter Verstoß gegen die Chancengleichheit vor, der nur auf einen gleichheitswidrig zu strengen Prüfungsmaßstab zurückzuführen sei. Diesem sei auch die Klägerin unterworfen gewesen. Sie sei deshalb in ihrem eigenen subjektiven öffentlichen Recht auf Beachtung des Grundsatzes der Chancengleichheit verletzt. Diesem Mangel müsse bei der neu durchzuführenden Bewertung der Leistungen der Klägerin Rechnung getragen werden. Die Prüfer hätten bei der Neubewertung ihren eigenen Prüfungsmaßstab daraufhin zu überprüfen, ob er in Anbetracht der Ausführungen des Gerichts nicht zu streng sei.
17 
Darüber hinaus dringe die Klägerin auch mit ihren gegen die Bewertung der angegriffenen Aufsichtsarbeiten erhobenen Einwendungen teilweise durch. Dies gelte hinsichtlich der Aufsichtsarbeit Nr. 2 für beide Prüfer; gleiches gelte für die Klausur Nr. 3. Die Aufsichtsarbeit Nr. 5 sei durch den Erstprüfer fehlerhaft bewertet worden und beim Zweitprüfer lägen Indizien für eine Verletzung des auf dem Grundsatz der Chancengleichheit und dem Rechtsstaatsprinzip beruhenden Gebots der Sachlichkeit vor. Der Prüfer habe sich bei seiner Korrektur, spätestens jedoch im Überdenkungsverfahren nicht mehr vornehmlich durch Objektivität leiten lassen. Seine Bewertung sei unsachlich. Bei der Aufsichtsarbeit Nr. 6 hätten die Prüfer die Anforderungen an den Prüfungsstoff überdehnt. Bewertungsfehler seien den Prüfern auch bei der Klausur Nr. 7 unterlaufen. Individuelle Bewertungsfehler, die zur Neubeurteilung der Aufsichtsarbeit Nr. 4 führten, bestünden zwar nicht, doch sei auch sie wegen des generell verfehlten Bewertungsmaßstabs neu zu beurteilen.
18 
Der Beklagte hat die vom Senat mit Beschluss vom 19.03.2010 (9 S 2443/09) zugelassene Berufung rechtzeitig eingelegt und begründet. Wiederholend und ergänzend trägt des Landesjustizprüfungsamt vor, aus der hohen Durchfallquote in Mannheim sei nicht auf einen Verstoß gegen die Chancengleichheit der Prüflinge zu schließen. Es finde vor Beginn der Korrekturen keine persönliche Besprechung der Prüfer einer Aufsichtsarbeit statt, in welcher die Anforderungen zur Überwindung der Bestehensgrenze festgelegt würden. Ein „Prüferpool“ für die schriftlichen Prüfungen in Mannheim, aus welchem die Praktiker unter den Prüfern in verschiedenen Kampagnen nur an diesem Prüfungsort eingesetzt würden, bestehe nicht. Sämtliche Praktikerprüfer würden zunächst ausgewählt und sodann unter Beteiligung sämtlicher Referenten des Landesjustizprüfungsamtes in den jeweiligen Kampagnen auf die Prüfungsorte verteilt. Hierbei werde gerade zur Vermeidung solcher „Pools“ darauf geachtet, dass jeder Praktiker an unterschiedlichen Prüfungsorten eingesetzt werde. Es bestehe ein Zusammenhang zwischen der Abiturnoten und dem Abschneiden im juristischen Staatsexamen. Es sei zu vermuten, dass die Prüflinge in Mannheim weniger gute Hochschulzugangszeugnisse besäßen. Eine Mitteilung der Abiturnoten sämtlicher Teilnehmer an der Prüfung im Herbst 2007 sei dem Beklagten tatsächlich nicht möglich. Des weiteren geht das Berufungsvorbringen auf die Bewertungskritiken der Klausuren durch die Klägerin und das Verwaltungsgericht ein und verteidigt die Beurteilungen der Prüfer.
19 
Das beklagte Land beantragt,
20 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. August 2009 - 12 K 4675/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
21 
Die Klägerin beantragt,
22 
die Berufung zurückzuweisen.
23 
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und führt aus, der Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit liege vor. Die Prüfer würden ganz überwiegend an den Prüfungsorten eingesetzt, an denen sie auch ansonsten tätig seien, was zur Bildung von Prüferpools führe und nicht zu einer ausgewogenen Verteilung der sogenannten Praktikerprüfer auf die verschiedenen Prüfungsorte. Eine Korrelation zwischen der Abiturnote und dem Prüfungsergebnis scheide hier schon deshalb aus, weil den Prüflingen, die nach der JAPrO 1993 im Herbst 2007 geprüft worden seien, ihr Studienplatz noch über die ZVS zugeteilt worden sei. Die Abiturnote spiele für diese Prüflinge daher bei der Zuweisung eines Studienplatzes an einen bestimmten Ort keine Rolle. Es treffe also nicht zu, dass die Mannheimer Prüflinge im Durchschnitt schlechtere Abiturnoten gehabt hätten, als diejenigen an anderen Prüfungsorten. Dies würde sich auch zeigen, wenn der Beklagte die Abiturnoten offen legte, wozu er im Übrigen in der Lage sei. Es fänden sehr wohl vor Beginn der Korrekturen Besprechungen der Prüfer statt. Dies sei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin von einem Prüfer im Land Baden-Württemberg bestätigt worden und dürfte auch gerichtsbekannt sein. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihre Angriffe gegen die Bewertung der Klausuren, auch soweit sie vom Verwaltungsgericht als nicht durchgreifend erachtet wurden.
24 
Dem Senat liegen die einschlägigen Prüfungsakten der Klägerin einschließlich der Prüfungen im „Freiversuch“ und bezüglich ihrer ersten „regulären“ Teilnahme an der Ersten juristischen Staatsprüfung vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Akten und die im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
25 
Der Schriftsatz des Vertreters der Klägerin vom 14.11.2010 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 104 Abs. 3 S. 2 VwGO).
26 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die zulässige auf Neubescheidung zielende Verpflichtungsklage der Klägerin abweisen müssen, da der Bescheid des Landesjustizprüfungsamtes vom 19.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.06.2008 rechtmäßig ist und deshalb die Klägerin eine Neubewertung ihrer Prüfungsleistungen nicht beanspruchen kann.
27 
Auf den vorliegenden Rechtsstreit findet die Verordnung des Justizministeriums über die Ausbildung und Prüfung der Juristen in der Fassung vom 07.05.1993 (GBl. S. 314, zuletzt geändert durch VO vom 25.09.2000, GBl. S. 665 - JAPrO 1993 -) Anwendung, da die Klägerin ihr Studium im Wintersemester 2001/2002 begann und im Frühjahr 2005 erstmals an der Ersten juristischen Staatsprüfung teilnahm (§ 62 Abs. 1 JAPrO i.d.F. vom 08.10.2002 - GBl. S. 391 - mit späteren Änderungen). Nach § 15 JAPrO 1993 ist der Kandidat von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen und hat die Prüfung nicht bestanden, wenn er u.a. nicht in wenigstens drei Aufsichtsarbeiten vier oder mehr Punkte erreicht hat. Dies ist hier der Fall, da die Klägerin lediglich in der Klausur Nr. 1 im Zivilrecht und in der Aufsichtsarbeit Nr. 6 im Öffentlichen Recht vier und mehr Punkte erreicht hat. Weder das Prüfungsverfahren noch die Bewertung der einzelnen Prüfungsleistungen der Klägerin weisen Rechtsfehler auf.
28 
Entgegen der Ansicht der Klägerin und des Verwaltungsgerichts kann der Senat keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit in der Form feststellen, dass die Kandidaten, die ihre Klausuren am Prüfungsort Mannheim geschrieben haben, gegenüber denjenigen, die ihre Prüfung in Freiburg, Heidelberg, Konstanz oder Tübingen abgelegt haben, gleichheitswidrig benachteiligt worden sind. Nach dem Grundsatz der Chancengleichheit müssen für vergleichbare Prüflinge soweit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.04.1991 - 1 BvR 419/81 u.a. -, BVerfGE 84, 34 [52-55]). Unstreitig sind an allen Prüfungsorten die gleichen Aufgaben gestellt worden. Dass unterschiedliche Prüfungsbedingungen vorgelegen haben, wird weder vorgetragen noch ist dies ersichtlich, und auch die bei der Bewertung der einzelnen Prüfungsleistungen geltenden Notenstufen bzw. Punktzahlen (§ 14 JAPrO 1993) sind identisch. Dass die Bewertungskriterien an den einzelnen Prüfungsorten unterschiedlich gehandhabt worden sind, kann der Senat nicht feststellen.
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Das Verwaltungsgericht glaubt, unterschiedliche, den Grundsatz der Chancengleichheit verletzende Bewertungsmaßstäbe deshalb annehmen zu können, weil die Durchfallquote in Mannheim höher sei als an anderen Prüfungsstandorten und gute Noten nicht oder kaum vergeben würden, ohne dass nachzuweisen sei, dass hierfür besondere Umstände in Bezug auf den Prüfungsort Mannheim vorlägen. Diese Feststellungen tragen den vom Verwaltungsgericht gezogenen Schluss nicht.
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Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass als Maßstab für die verwaltungsgerichtliche Kontrolle eines Prüfungsergebnisses, das auf der individuellen Ermittlung von Leistungen des Prüflings durch mehrere Prüfer beruht, nicht in Betracht kommt, ob und inwieweit die Bewertungen der einzelnen Prüfer von statistischen Durchschnittswerten abweichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.08.1998 - 6 B 49/98 -, DVBl. 1998, 1351 [1352]). Statistische Unterschiede in der Notenvergabe bzw. der Durchfallquote an verschiedenen Prüfungsorten, die zugleich Studienorte sein können, aber nicht sein müssen, stellen für sich genommen keinen hinreichenden Anknüpfungspunkt für die Annahme eines Chancengleichheitsverstoßes dar.
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Allerdings kann ein Prüfungsmangel darin liegen, dass unangemessene Anforderungen an die Prüflinge und die von ihnen zu erbringenden Leistungen gestellt werden. Nicht prinzipiell auszuschließen ist, dass ein solch unangemessener Prüfungsmaßstab nur von einigen Prüfern, etwa denen eines bestimmten Prüfungsabschnitts (also z.B. einer bestimmten Klausur) angelegt wird. Entsprechendes wäre auch für die Prüfer an einem bestimmten Prüfungsort denkbar.
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In allen diesen Fällen wäre jedoch schon für die Annahme des Anscheins eines hieraus resultierenden Prüfungsmangels erforderlich, dass eine Reihe von Indizien auf einen solchen Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit hinweist. Die bloße Feststellung, dass in einer bestimmten Prüfung die Ergebnisse - einschließlich der Durchfallquote (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 08.11.2002 - 9 S 2361/02 -, NVwZ-RR 2003, 214 f.) - an einem bestimmten Prüfungsort signifikant schlechter sind als an anderen Prüfungsorten bzw. landesweit, reicht hierfür nicht aus. Erst dann, wenn eine solche Feststellung durch weitere Hinweise gestützt und auch nicht durch entgegenstehende Umstände entkräftet ist, kann bis zum - dann der prüfenden Institution obliegenden - Beweis des Gegenteils von einem Prüfungsmangel ausgegangen werden.
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Im vorliegenden Fall führt eine Betrachtung der verschiedenen hier zu beachtenden Gesichtspunkte dazu, dass ein Anschein für das Vorliegen des Prüfungsmangels eines unangemessenen Prüfungsmaßstabes am Prüfungsort Mannheim nicht angenommen werden kann:
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Zwar ergibt sich aus der von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 26.10.2010 in einem Parallelverfahren (9 S 591/10) vorgelegten Statistik, die auch in diesem Verfahren eingeführt und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, dass die Durchfallquote aller nach der JAPrO 1993 geprüften Kandidaten in Mannheim 58,33 % betragen hat, während in Freiburg 36,42 %, in Heidelberg 36,17 %, in Konstanz 39,04 % und in Tübingen 35,90 % die Prüfung nicht bestanden haben. Demnach war die Durchfallquote in Mannheim deutlich höher als an den anderen Prüfungsorten und damit auch als im Landesdurchschnitt. Dies gilt auch, wenn dabei die so genannten „Notenverbesserer“ unberücksichtigt bleiben.
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Dieses Bild verändert sich jedoch deutlich, wenn alleine die Wiederholer betrachtet werden, die bei der im Herbst 2007 letztmals eröffneten Möglichkeit, nach der - alten - JAPrO 1993 geprüft zu werden, ein besonderes Gewicht haben. Zunächst fällt auf, dass die Quote an Wiederholern in Mannheim mit 93,85 % aller derjenigen, die die Prüfung bisher noch nicht bestanden haben - also ohne die „Notenverbesserer“ -, bzw. mit 63,54 % aller Teilnehmer (einschließlich der Notenverbesserer) deutlich höher war als an anderen Studienorten (Wiederholer ohne Notenverbesserer: zwischen 56,99 % in Konstanz und 85,71 % in Freiburg, Landesdurchschnitt: 76,23 %; Wiederholer absolut: zwischen 36,30 % in Konstanz und 49,65 % in Heidelberg, Landesdurchschnitt: 45,27 %). Dies führte dazu, dass in Mannheim zwar die deutlich geringste Zahl an Prüflingen teilnahm (Mannheim 96, Heidelberg 141, Konstanz 146, Freiburg 173, Tübingen 195), jedoch die Zahl der Wiederholer in Mannheim absolut höher war als in Konstanz (Mannheim 61, Konstanz 53) und die Abstände zu den übrigen Prüfungsorten sowohl absolut als auch relativ abnahmen (Heidelberg 70 oder nur 15 % mehr als in Mannheim; Freiburg 72 oder nur 18 % mehr als in Mannheim und Tübingen 84 oder nur 38 % mehr als in Mannheim). Zwar war auch bezogen allein auf die Wiederholer - die Zahl der Erstteilnehmer war in Mannheim mit 4 so niedrig, dass sich aus ihr nichts ableiten lässt - die Durchfallquote in Mannheim mit 62,30 % um 9,95 % höher als im Landesdurchschnitt, sie war aber immer noch - geringfügig - besser als in Konstanz mit 64,15 %. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung insoweit vorgetragen hat, es müsse davon ausgegangen werden, dass neben Mannheim auch in Konstanz überzogene Prüfungsanforderungen gestellt worden seien, lässt dies ihre Argumentation hinsichtlich des Prüfungsorts Mannheim nicht plausibler werden.
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Da Konstanz mit einer Gesamtdurchfallquote von 39,04 % deutlich besser als Mannheim und nur geringfügig schlechter als die übrigen Studienorte abschnitt, müsste aus diesen Zahlen zum Beleg für einen unangemessenen Prüfungsmaßstab geschlossen werden, dass dieser Prüfungsmaßstab - bezogen auf sämtliche Prüfungsteilnehmer - allein in Mannheim, bezogen aber auf die Wiederholer - und nur auf sie - auch in Konstanz unangemessen gewesen sei. Da die Prüfer nicht erkennen können, ob es sich beim Bearbeiter einer Klausur um einen Wiederholer oder einen sonstigen Teilnehmer handelt, die Klausurenpakete nach den zufällig den Kandidaten zugeteilten Nummern zusammengestellt werden und in Konstanz also nur ein einheitlicher Prüfungsmaßstab angenommen werden kann, ist diese Aussage in sich widersprüchlich und daher nicht möglich. Schon dies spricht klar gegen den Anschein eines besonderen und damit die Chancengleichheit verletzenden Prüfungsmaßstabes in Mannheim.
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Näher liegt deshalb der Schluss, dass der besonders hohe Anteil an Erstteilnehmern in Konstanz die Schwäche der Wiederholer ausgleicht und deshalb zwar die Wiederholer in Mannheim und in Konstanz gleichermaßen schwach sind, aber sich dennoch die Durchfallquote aller in Konstanz im Bereich des Durchschnitts bewegt.
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Darüber hinaus trägt auch das vom Verwaltungsgericht genannte Indiz nicht, dass gerade im Prädikatsbereich die Noten in Mannheim deutlich schlechter seien. Vielmehr lagen die Mannheimer Ergebnisse der Ersten juristischen Staatsprüfung vom Herbst 2007 derjenigen Kandidaten, die sich nach der JAPrO 2002 der Prüfung unterzogen haben und die - mit Ausnahme der Klausur Nr. 5 - die gleichen Arbeiten fertigen mussten, deutlich über dem Durchschnitt, obwohl ihre Leistungen von denselben Prüfern ohne erkennbare Differenzierung im „Gesamtpaket“ bewertet wurden. Auch wenn es sich bei der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Liste um Endergebnisse und nicht um die Ergebnisse allein der schriftlichen Prüfung handelt, so ist nicht anzunehmen, dass die überdurchschnittlichen Noten in Mannheim (im Prädikatsbereich ab vollbefriedigend über 54 % gegenüber im Durchschnitt des Landes 22,4 %, in Tübingen nur 14,6 %; keiner der 22 Prüflinge in Mannheim hat nicht bestanden) allein auf den mündlichen Teil der Prüfung zurückzuführen sind.
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Ob hiermit, wie der Beklagte vorträgt, belegt ist, dass in Mannheim nicht „heruntergeprüft“ wird, oder ob es möglicherweise sonstige Einflüsse und Besonderheiten gegeben hat, die dieses gute Abschneiden der Prüflinge plausibel machen könnte, bedarf keiner Klärung. Aus den obigen Ausführungen folgt jedenfalls, dass sich aus der statistischen Zusammenstellung der Prüfungsergebnisse bei der Ersten juristischen Staatsprüfung im Herbst 2007 nach der JAPrO 1993 nicht der Schluss ziehen lässt, am Prüfungsort Mannheim werde chancengleichheitswidrig ein anderer Beurteilungs- oder Bewertungsmaßstab zugrundegelegt als bei der Korrektur der Klausuren, die an anderen Prüfungsorten geschrieben wurden.
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Die Annahme der Klägerin einer generell nicht ordnungsgemäßen Bewertung der Klausuren in Mannheim wird auch nicht dadurch bestärkt, dass dort zu wenige Hochschullehrer prüften (Schriftsatz vom 14.11.2010) und ein „Prüferpool“ bestehe.
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Richtig ist, dass als Prüfer an der Ersten juristischen Staatsprüfung die Professoren des Rechts an den Universitäten der Prüfungsorte, die in eine Planstelle der Besoldungsgruppe C 4 eingewiesen sind, und die ordentlichen und außerordentlichen Professoren des Rechts an den Universitäten der Prüfungsorte mitwirken (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Juristenausbildungsgesetz i.d.F. vom 18.05.1971; siehe hierzu § 11 JAG i.d.F. vom 16.07.2003 - GBl. S. 354 -; ähnlich jetzt § 3 Abs. 1 Nr. 1 b JAG 2003). Doch nehmen auch andere Personen, die die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzen oder als Universitätslehrer in der juristischen Ausbildung tätig sind, kraft Berufung durch das Justizministerium an der Prüfung teil (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 JAG 1971 = § 3 Abs. 1 Nr. 1 c JAG 2003).
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Weder das Juristenausbildungsgesetz noch die Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung schreiben ein bestimmtes Verhältnis vor, in dem Universitätsprofessoren und sonstige Prüfer bei der Korrektur der Arbeiten im Ersten juristischen Staatsexamen beteiligt sein müssen. Ein Erfahrungssatz dahin, dass Hochschullehrer andere - den Kandidaten günstigere - Bewertungsmaßstäbe anwendeten als Prüfer aus der juristischen Praxis, besteht nicht. Statistiken über die Notenvergabe bei Klausurbewertungen, die zwischen Universitätslehrern und sonstigen Prüfern unterscheiden, werden nach Angaben des Beklagten nicht geführt. In der Spruchpraxis des seit vielen Jahren mit entsprechenden Rechtsstreitigkeiten befassten entscheidenden Senats lässt sich eine solche Behauptung auch nicht verifizieren.
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Die Behauptung der Klägerin, es gebe eine Art „Mannheimer Prüfungspool“, da die an diesem Prüfungsort tätigen Praxisprüfer zur Korrektur der Klausuren herangezogen würden, ist bereits im Ausgangspunkt nicht zutreffend. Sie wird auch im Verfahren der Klägerin widerlegt. Von den von ihr angegriffenen Klausuren wurde die Klausur Nr. 2 von einem Stadtrechtsrat aus Freiburg und einem Vorsitzenden Richter am Landgericht in Ellwangen korrigiert, die Klausur Nr. 3 von einem Richter am Oberlandesgericht in Karlsruhe und einem Richter am Landgericht Konstanz, die Klausur Nr. 4 von einem Richter am Landgericht Karlsruhe und einem Staatsanwalt in Karlsruhe, die Klausur Nr. 5 von einem Oberstaatsanwalt aus Karlsruhe und einem Prüfer des Landesjustizprüfungsamtes, die Klausur Nr. 6 von einem Honorarprofessor in Tübingen und einem Richter am VGH Mannheim, der aber im Staatsministerium Baden-Württemberg tätig war, und lediglich die Klausur Nr. 7 von einem Richter am Verwaltungsgerichtshof in Mannheim und einem Vorsitzenden Richter an diesem Gericht, wobei zu bemerken ist, dass Letzterer auch die Klausur Nr. 7 der Klägerin bei dem Freiversuch in Freiburg korrigiert hatte. Im Übrigen erschließt sich dem Senat nicht, weshalb die berufliche Tätigkeit an einem Prüfungsort, die nicht zugleich mit einer Lehrtätigkeit an der betreffenden Universität verbunden ist, den Rückschluss darauf zulassen könnte, all diese Prüfer legten besonders strenge Maßstäbe an mit dem Ziel, die Prüflinge „herunterzuprüfen“.
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Die Behauptung der Klägerin, eine entsprechende Zielvorstellung oder auch nur Maßstabbildung finde in gemeinsamen Prüferbesprechungen statt, lässt sich - unbeschadet der Frage einer hieraus folgenden Relevanz - für das Erste juristische Staatsexamen schon in tatsächlicher Hinsicht nicht erhärten. Die Klägerin hat insoweit in der mündlichen Verhandlung angegeben, entsprechende Äußerungen seien ihr von einem Prüfer für das Zweite Staatsexamen bekannt geworden. Dies stellt der Beklagte für das Zweite Staatsexamen auch nicht in Abrede. Für das Erste Examen würden jedoch vom Landesjustizprüfungsamt solche Vorbesprechungen weder initiiert, noch nehme es daran teil oder sei ihm bekannt, dass solche stattfänden.
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Nur eine entsprechende Absprache mit dem Ziel, besonders strenge Maßstäbe anzulegen, und ihre Umsetzung in der nachfolgenden Bewertung aber könnte überhaupt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit darstellen. Hierfür fehlen jedoch jegliche Anhaltspunkte, so dass auch eine weitere Aufklärung des Senats nicht veranlasst ist. Dies gilt auch angesichts der Äußerung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil (dort S. 7/8), wonach sich der Eindruck, dass in Mannheim ganz erheblich „heruntergeprüft“ wurde, aus einer ganzen Reihe von Bewertungen von Aufsichtsarbeiten aus diesem Prüfungstermin und damit zusammenhängenden, gerichtsbekannt gewordenen Ausführungen von Prüfern ergebe. Das Verwaltungsgericht hat seine vorgeblichen Erkenntnisse nicht offengelegt und auch nicht näher präzisiert, und es versteht sich im Übrigen von selbst, dass die von ihm - im vorliegenden Fall zu Unrecht - angenommenen Fehlbewertungen der Kandidatenleistungen durch einzelne Prüfer nicht den Rückschluss auf einen generell unzulässigen Bewertungsmaßstab rechtfertigen.
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Die Klägerin hat auch nicht deshalb einen Anspruch auf Neubewertung ihrer Aufsichtsarbeiten Nrn. 2 bis 7, weil konkret in ihrem Fall bei der Bewertung dieser Arbeiten kein einziger und lediglich bei der nicht angegriffenen Klausur Nr. 1 ein Hochschullehrer als Prüfer tätig gewesen ist. Richtig ist, dass der, auch von der Beklagten angestrebte, beträchtliche Anteil von Universitätsprofessoren bei der Prüfung der Klägerin auch nicht ansatzweise erreicht ist. Dies stellt indes keinen Rechtsfehler dar.
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Wie oben aufgezeigt, enthält weder das Juristenausbildungsgesetz noch die Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung eine konkrete Vorgabe für die Beteiligung der verschiedenen Prüfergruppen an der Ersten juristischen Staatsprüfung im schriftlichen Teil. Es trifft auch nicht zu, wie die Klägerin vorträgt, dass im Ersten juristischen Staatsexamen die Aufsichtsarbeiten ausschließlich von Hochschullehrern gestellt würden. Nach § 12 Abs. 2 JAPrO 1993 werden die Aufgaben vom Justizprüfungsamt gestellt, das Aufgabenvorschläge der Rechtsfakultäten oder einzelner Prüfer einholt. Damit findet der Schluss der Klägerin, weil Hochschullehrer die Aufgaben stellten, müssten sie auch in prozentual bedeutendem Umfang an der Korrektur beteiligt werden, keine normative Stütze. Darauf, von wem die Prüfungsaufgaben beim Termin Herbst 2007 gegenüber dem Landesjustizprüfungsamt eingereicht worden sind, kommt es somit nicht an, so dass es insoweit auch keiner weiteren Aufklärung bedarf.
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Das Ziel der juristischen Staatsprüfung erfordert nicht, bereits dann, wenn lediglich ein einziger Universitätslehrer an der Korrektur der Aufsichtsarbeiten im Ersten juristischen Staatsexamen teilgenommen hat, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit gegenüber den Prüflingen anzunehmen, deren Aufsichtsarbeiten in beträchtlichem Umfang von Hochschullehrern korrigiert wurden. Hauptziel der Ersten juristischen Staatsprüfung ist es nicht festzustellen, ob sich der Student in wissenschaftlicher Vertiefung exemplarisch mit den wichtigsten Gebieten des Strafrechts, des Zivilrechts usw. auseinandersetzen kann. Die Erste juristische Staatsprüfung dient der Feststellung, ob der Kandidat das wissenschaftliche Studienziel erreicht hat und damit für den juristischen Vorbereitungsdienst fachlich geeignet ist (§ 1 Abs. 2 S. 2 JAPrO 1993).
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Was Ziel des juristischen Studiums ist, beschreibt § 4 JAPrO 1993. Danach soll sich der Student in wissenschaftlicher Vertiefung exemplarisch mit den wichtigsten Gebieten des Zivilrechts, des Strafrechts, des Öffentlichen Rechts, des Verfahrensrechts und einer Wahlfachgruppe, jeweils unter Einschluss der europarechtlichen Bezüge, sowie den rechtsphilosophischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen der Rechtsordnung befassen. Er soll sich dadurch mit den Methoden der Rechtswissenschaft vertraut machen und die Fähigkeit entwickeln, das Recht mit Verständnis anzuwenden (§ 4 Abs. 1 JAPrO 1993). Es wird also, entgegen der Ansicht der Klägerin, zwar eine vertiefte Befassung, nicht aber eine Auseinandersetzung gefordert, ein Vertrautmachen mit den Methoden der Rechtswissenschaft und der Kandidat soll die Fähigkeit entwickeln, das Recht mit Verständnis anzuwenden. Weshalb diese Fähigkeiten von Praktikern nicht geprüft werden könnten, erschließt sich dem Senat nicht. Nimmt man zusätzlich § 4 Abs. 2 JAPrO 1993 in den Blick, wonach die Lehrveranstaltungen die praktische Bedeutung und Anwendung des Rechts angemessen berücksichtigen und Praktiker in geeigneten Lehrveranstaltungen mitwirken sollen, so lässt sich kein Postulat dahingehend aufstellen, dass Universitätsprofessoren zwingend in einem nicht unbeträchtlichen Umfang bei der Korrektur einzelner Klausuren mitwirken müssten. Dies ändert selbstredend nichts daran, dass die Universitätsprofessoren als „geborene Prüfer“ zur Abnahme der Prüfungsleistungen herangezogen werden sollen.
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Der Senat kann bei keiner der Bewertungen der Aufsichtsarbeiten Nrn 2 bis 7 einen Rechts- oder Beurteilungsfehler erkennen oder einen sonstigen Mangel, der zu einer Neubewertung der Arbeiten führen müsste.
51 
Das Bundesverfassungsgericht verlangt für die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der juristischen Staatsprüfungen, von deren Zweck auszugehen. Dieser besteht darin, denjenigen Bewerbern den Zugang zum angestrebten Beruf zu verwehren, die fachlichen Mindestanforderungen nicht genügen. Er ist nicht nur für den Umfang der Qualifikationsnachweise, sondern auch für deren Bewertung maßgebend. Daraus folgt, dass zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen im Prinzip nicht als falsch bewertet werden und zum Nichtbestehen führen dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt einerseits dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch bewertet werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.04.1991 - 1 BvR 419/81 u.a. -, BVerfGE 84, 34 [54]).
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Der rechtlichen Überprüfung ist dabei die vom Kandidaten abgegebene schriftliche Prüfungsleistung und deren Beurteilung durch den Prüfer zugrundezulegen. Letztere erschließt sich anhand seiner Randbemerkungen, seines Bewertungsgutachtens und seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren.
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Von diesen rechtlichen Vorgaben ausgehend erweisen sich die Angriffe der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Klausuren als erfolglos. Im Einzelnen gilt:
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Klausur Nr. 2
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Die Klägerin und das Verwaltungsgericht halten die Bewertung des Erstprüfers hinsichtlich der Ausführungen der Klägerin im Zusammenhang mit §§ 766, 126 BGB für nicht nachvollziehbar. Der Prüfer hätte erkennen müssen, dass es sich bei der Angabe des § 126 Abs. 2 BGB statt § 126 Abs. 1 BGB lediglich um ein Schreibversehen gehandelt habe, wie es sich aus den nachfolgenden Ausführungen der Klägerin in der Klausur ergebe. Dieser Angriff geht indes fehl. Der Erstkorrektor hat als Randbemerkung in der Arbeit (dort S. 16) die Passage „Vertrag im Sinne von § 126 I BGB“ unterstrichen und mit der Randbemerkung versehen: „Schriftform bei Verträgen in § 126 II BGB geregelt“. In seinem schriftlichen Gutachten hat er in diesem Zusammenhang ausgeführt: „Die Voraussetzungen einer wirksamen Bürgschaftsbestellung einschließlich der Einhaltung der Schriftform gemäß § 766 S. 1 BGB werden vom Verfasser im Ergebnis zutreffend bejaht (vgl. aber Anmerkung S. 16)“. Im Überdenkungsverfahren hebt der Prüfer nochmals hervor, dass er bei der Bewertung positiv gewichtet hat, dass die Klägerin § 766 S. 1 BGB gesehen und die Einhaltung dieser Formvorschrift zutreffend bejaht hat. Wenn zugleich darauf hingewiesen wird, dass eine Abgrenzung zwischen § 126 Abs. 1 und Abs. 2 BGB nicht erfolgt sei, die Ausführungen zu § 126 BGB in die Gesamtbewertung nicht eingeflossen seien, sondern lediglich den „auch ansonsten schwachen Gesamteindruck der Arbeit bestätigt“ habe, so ist hierin - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - gerade kein Widerspruch zur Begutachtung selbst zu sehen. Das Verwaltungsgericht übersieht, dass ein Prüfer sein „Bewertungssystem“ nicht in jedem Fall offen legen muss (vgl. Senatsbeschluss vom 16.09.2002 - 9 S 1704/02 -). Ein offener Widerspruch zwischen der Begründung und der Benotung im Gutachten und der Stellungnahme im Überdenkungsverfahren mag geeignet sein, Zweifel an einer ordnungsgemäßen Bewertung zu erzeugen. Einen solchen Widerspruch kann der Senat hier nicht erkennen.
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Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Erstprüfer habe gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen, weil er der Klägerin das Fehlen der Prüfung einer möglichen analogen Anwendung der Formvorschrift des § 492 BGB und einer mögliche Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB angelastet habe, trifft nicht zu. Richtig ist insoweit, dass der Erstprüfer in seinem Gutachten ausführt: „Auf eine mögliche analoge Anwendung der Formvorschrift des § 492 BGB geht der Verfasser nicht ein, ebenso wenig wie auf eine mögliche Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB“. Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin unstreitig eine analoge Anwendung des § 492 BGB nicht geprüft hat. Soweit sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragen und im Berufungsverfahren vertieft hat, eine solche Prüfung habe schon deshalb nicht erwartet werden können, weil die analoge Anwendung des § 492 BGB auf Bürgschaftserklärungen von der Rechtsprechung immer abgelehnt worden sei und auch in der Literatur nicht kontrovers diskutiert werde, stellt dies hier die Erwartung des Prüfers nach Erörterung des Problems nicht in Frage.
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Für die Beurteilung, ob eine Rechtsfrage kontrovers diskutiert wird, kommt es auf den Zeitpunkt der Prüfungsleistung an (vgl. Senatsurteil vom 17.02.2004 - 9 S 2075/02 -, WissR 2004, 168). Bei der Ersten juristischen Staatsprüfung im Herbst 2007 ist es deshalb nicht als verfehlt zu bewerten, wenn der Prüfer zum damaligen Zeitpunkt die Erörterung der genannten Frage für wünschenswert erachtet hat, da in der Literatur, die der Beklagte im Schriftsatz vom 14.07.2010 aufgelistet hat, eine entsprechende Problematik aufgezeigt wurde. Dies besagt in der Tat jedoch nichts darüber, ob in der konkreten Beurteilung der Klausur das Unterlassen entsprechender Ausführungen durch den Kandidaten als Mangel bewertet werden darf. Zutreffend hebt das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zwar darauf ab, dass ein Verstoß gegen allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe vorliegen kann, wenn bereits zum Erreichen einer unteren Notenstufe Ausführungen zu einer speziellen Problematik gefordert werden. Dies ist hier jedoch nicht zu erkennen.
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Zunächst ist klarzustellen, dass die Frage, welche Leistungen in einer bestimmten Prüfung von den Kandidaten erwartet werden können und inwieweit eine konkrete Leistung diesen Erwartungen genügt - von willkürlichen Fehleinschätzungen abgesehen -, Teil des gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraums der zur Beurteilung der Examensleistung berufenen Prüfer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.1994, a.a.O., S. 583). Im Überdenkungsverfahren legt der Erstprüfer offen, dass er die unterlassene Prüfung der §§ 492, 138 BGB nicht als Fehler gewertet habe, allerdings bei seiner Bewertung auch Punkte für Ausführungen zu diesen Vorschriften vergeben habe, die die Klägerin nicht habe erzielen können. Diese Erläuterung ist plausibel und es besteht entgegen der Ansicht der Klägerin sehr wohl ein Unterschied zwischen der Bewertung als Fehler und der bloß unterlassenen Punktevergabe. Eine Bewertung als Fehler kann - ohne Verstoß gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze - bereits positiv erbrachte Leistungen in ihrer Wertigkeit reduzieren, während die Nichtvergabe weiterer Punkte den bisher erreichten Stand nicht beeinflusst.
59 
Soweit das Verwaltungsgericht festzustellen glaubt, der Prüfer sei fälschlich davon ausgegangen, eine Prüfung des § 138 BGB habe gänzlich gefehlt, ist dies unzutreffend. Richtig ist lediglich, dass der Erstprüfer davon ausgegangen ist, die Klägerin habe § 138 BGB bei der Bewältigung der Aufgabe 2 nicht geprüft. Dies ist jedoch richtig, da in der Klausur der Klägerin weder die genannte Norm noch deren tatbestandliche Voraussetzungen erwähnt werden. Soweit das Verwaltungsgericht die Ansicht vertritt, durch die Erwähnung und Prüfung einer möglichen Übersicherung der Forderung durch die Bürgschaft werde „eindeutig § 138 BGB inhaltlich geprüft“ greift es in unzulässiger Weise in den Beurteilungsspielraum des Prüfers ein und setzt seine Interpretation des Klausurinhalts an die Stelle der allein dem Prüfer überlassenen Beurteilung. Soweit das Verwaltungsgericht die Einwendungen der Klägerin gegen die Beurteilung der Klausur als nicht durchschlagend angesehen hat, stimmt der Senat dem zu und verweist hierauf.
60 
Der Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren, die Prüfung von § 355 BGB sei im Sachverhalt nicht angelegt, zeigt keinen Beurteilungs- oder Bewertungsmangel auf. Der Erstprüfer hat, wie sich aus seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren ergibt, die Prüfung der Widerrufsbelehrung deshalb für angezeigt erachtet, weil schon die Verwendung von Anführungszeichen [sic.„ Widerrufsrecht nach § 355 BGB“] eindeutig anzeige, was Inhalt der Belehrung sei, und auch der Hinweis in der Aufgabenstellung, seit der Bestellung der Sicherheiten seien drei Jahre vergangen, dafür spreche, dass hier die Frage der Widerrufsfrist zu thematisieren gewesen sei. Diese Begründung ist schlüssig und nachvollziehbar und der Prüfer hält sich damit im Rahmen seines Beurteilungsspielraums.
61 
Ebenso fehl gehen die Angriffe der Klägerin gegen die Bemerkungen des Gutachtens zu den Aufgaben 3 und 4 mit dem Inhalt: „Die hier angelegten Probleme (Übergang von Grundschuld bzw. Bürgschaft auf jeweils Leistenden, Problem des „Wettlaufs der Sicherer“, Bestimmung der Quote entsprechend § 426 Abs. 1 BGB, Frage eines Gesamtschuldverhältnisses) werden allesamt nicht gesehen/behandelt.“ Die Ausführungen der Klägerin zu den Aufgaben Nrn 3 und 4 sind, was sie auch nicht bestreitet, sehr knapp. Ihre Auffassung, ein „Wettlauf der Sicherer“ sei im Sachverhalt nicht angelegt, wird nicht näher dargelegt, sondern lediglich behauptet. Dass solche Ausführungen falsch gewesen wären, weil ein „Wettlauf der Sicherer“ ein akzessorisches Sicherungsmittel, etwa eine Hypothek voraussetze, hier aber nach dem Sachverhalt eine nichtakzessorische Grundschuld bestellt worden sei, stellt die Erörterungsbedürftigkeit der Probleme, die der Prüfer im Sachverhalt als angelegt gesehen hat, nicht in Frage. Zudem wird im Berufungsverfahren von dem Beklagten unwidersprochen vorgetragen, ein Bürge habe in analoger Anwendung der §§ 774 Abs. 1 Satz 1, 412, 401 Abs. 1 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung einer nichtakzessorischen Sicherheit.
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Klausur Nr. 3
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Hinsichtlich der Behandlung der Klagefrist ist ein Bewertungsfehler nicht erkennbar. Der Erstprüfer führt in seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren auf Vorhaltungen der Klägerin aus: „Die Wertung (der Widersprecherin), die ersten fünf Seiten enthielten ausschließlich richtige Ausführungen, ist nicht nachvollziehbar. Es fehlen schon notwendige Ausführungen zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, obwohl der Sachverhalt deutlich darauf hinweist.“ Hieraus zieht das Verwaltungsgericht den verfehlten Schluss, der Prüfer sei von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen, denn die Klägerin habe in ihrer Klausurarbeit auf S. 4 auf § 4 Satz 1 KSchG hingewiesen. Das Verwaltungsgericht übersieht, dass der Erstgutachter die fehlende Prüfung, ob das Kündigungsschutzgesetz überhaupt im vorliegenden Fall anwendbar ist, rügt. Eine solche Prüfung ist durch die Klägerin aber nicht erfolgt. Weshalb sie vom Prüfer nicht hätte gefordert werden dürfen, legen weder das Verwaltungsgericht noch die Klägerin dar. Der persönliche und sachliche Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes im vorliegenden Fall ist aber, wie der Beklagte vorträgt und sich dem erkennenden Senat geradezu aufdrängt, durchaus prüfungswürdig, da es sich um ein sechsmonatiges Arbeitsverhältnis auf Probe in einer Zahnarztpraxis handelt.
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Ein fehlerhafter Maßstab des Prüfers ergibt sich auch nicht daraus, dass er fälschlicherweise eine zumindest „überschlägige Berechnung des Fristendes hinsichtlich der Klageerhebung verlangt habe“, wie das Verwaltungsgericht meint. Insoweit enthält die Korrekturbemerkung des Erstprüfers in der Klausur das Wort „Fristende?“. Im Gutachten selbst ist im Zusammenhang mit Fristen vermerkt: „So wird entgegen dem Sachverhalt zunächst die ordentliche Kündigung geprüft, wobei die Ausführungen insbesondere hinsichtlich der Kündigungsfrist nicht brauchbar sind. Dass auch die außerordentliche Kündigung fristgebunden ist, wird übersehen“. Dass sich hieraus schlussfolgern ließe, der Prüfer habe eine „überschlägige Berechnung des Fristendes“ gefordert, wie dies die Klägerin in ihrer Widerspruchsbegründung vorträgt, ist nicht zwingend. In seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren hat der Erstprüfer zwar die Diktion der Klägerin übernommen, jedoch ausgeführt, dass die fehlende überschlägige Berechnung des Fristendes in seine Bewertung nicht eingeflossen sei. Dies ist plausibel und nachvollziehbar angesichts der übrigen zahlreichen vom Prüfer dargelegten Mängel bzw. Lücken der Klausurbearbeitung und stellt insbesondere keinen Widerspruch zur Begutachtung oder zu Anmerkungen auf der Arbeit dar.
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Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts hat der Erstprüfer auch nicht dadurch in den Antwortspielraum der Klägerin eingegriffen, dass er bei der Prüfung des Zugangs der Kündigung deren fehlende Subsumtion unter die Voraussetzungen der wiedergegebenen Definition kritisiert und diese Kritik die sich anschließenden allgemeinen Erwägungen zu Treu und Glauben umfasst. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts, dass nach herrschender Meinung dem Zugang nicht entgegenstehe, wenn der Empfänger u. a. wegen Urlaubs nicht in der Lage ist, vom Inhalt der übermittelten Erklärung Kenntnis zu nehmen, führt insoweit nicht weiter. In der konkreten Fallgestaltung sollte einem Arbeitnehmer während seines Urlaubs durch Schreiben, das auf seinen Arbeitsplatz gelegt wurde, gekündigt werden. Hier eine lebensnahe Interpretation von Zugangsdefinitionen zu fordern, ist nicht zu beanstanden.
66 
Die Behauptung des Verwaltungsgerichts, die Ausführungen des Erstprüfers zur Schriftform der Kündigung gemäß § 126 BGB seien falsch, da er im Gegensatz zur Klägerin die Anforderungen an die formelle Rechtmäßigkeit einer schriftlichen Kündigung einerseits und deren materielle Rechtmäßigkeit andererseits verkenne, ist ihrerseits unzutreffend. Als Klausurbemerkung hat der Erstprüfer hinsichtlich der Schriftform lediglich bemerkt: „Obwohl nur D. unterschrieben hat?“ und in seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren ausgeführt, da die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers erforderlich sei (§ 126 Abs. 1 BGB), sei die Frage, wer Aussteller sei, zu erörtern. Dieses an die Kandidatin gerichtete Ansinnen hält sich im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Prüfers, da auch das Bundesarbeitsgericht bereits für die Beurteilung der Einhaltung der Schriftform eine ordnungsgemäße Unterzeichnung der vertretungsberechtigten Arbeitgeber fordert (vgl. BAG, Urteil vom 21.04.2005 - 2 AZR 162/04 -, NJW 2005, 2572). Auch die Qualifizierung der Ausführungen der Klägerin zu § 622 BGB in der Klausurrandbemerkung als „nicht vertretbar“ ist - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - nicht zu beanstanden. Sie bezieht sich auf die Aussage der Klägerin: „Die 14-tägige Kündigungsfrist wurde daher nicht wirksam vereinbart, da diese gegen die Regelung des § 622 III BGB verstößt“. Dieses Ergebnis ist in der Tat unvertretbar, was auch das Verwaltungsgericht erkennt, indem es die Formulierung der Klägerin für unglücklich erachtet, jedoch aus dem Kontext schließen zu können glaubt, der Prüfer habe die Ausführungen zur Kündigungsfrist nicht als falsch oder fehlerhaft werten dürfen. Dies hat er in seinem Gutachten auch nicht, sondern die Ausführung, insbesondere hinsichtlich der Kündigungsfrist als „nicht brauchbar“ bezeichnet, was durch seinen Beurteilungsspielraum gedeckt ist.
67 
Soweit das Verwaltungsgericht die Einwände der Klägerin gegen die Beurteilung der Klausur zurückgewiesen hat, schließt sich der Senat dem an; dies gilt insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, die Prüfungsaufgaben lägen außerhalb des Prüfungsstoffes (bezüglich der Prüfung des AGG vgl. Senatsbeschluss vom 25.08.2009 - 9 S 1099/09 -). Soweit die Klägerin meint, die Prüfer hätten sich mit den Anforderungen, die an den Prüfling gestellt werden, nicht auseinandergesetzt, verkennt sie den Gehalt der Äußerung des Erstprüfers im Überdenkungsverfahren; soweit sie im Übrigen die Bewertung der Klausur im Zusammenhang mit der Prüfung des AGG angreift (Schriftsatz vom 24.05.2010, S. 16/17), so setzt sie ihre Bewertung der Klausur an die Stelle derjenigen der Prüfer. Ein Beurteilungs- oder Bewertungsfehler wird hiermit nicht aufgezeigt. Dies gilt auch, soweit es sich um die Behandlung der Haftung des in die Gesellschaft Eingetretenen handelt (Klageschrift S. 21/22).
68 
Klausur Nr. 4
69 
Das Verwaltungsgericht hält die Bewertung dieser Klausur (lediglich) deshalb fälschlicher Weise (siehe oben) für fehlerhaft, weil insgesamt in Mannheim ein unzutreffender Bewertungsmaßstab zugrunde gelegt worden sei. Die einzelnen Rügen der Klägerin gegen die Prüferbeurteilungen hält es jedoch nicht für durchschlagend. Letzteres hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend näher begründet, sodass der Senat hierauf verweisen kann. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren - zulässigerweise - diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts angreift, bleibt ihr Bemühen ohne Erfolg.
70 
Die Erstprüferin, der sich der Zweitprüfer angeschlossen hat, führt in ihrem Gutachten aus: „Verfasser setzt sich ausführlich mit den verschiedenen Vorsatztheorien auseinander, erkennt jedoch nicht, dass nach keiner der Theorien dolus eventualis vorliegt. Er meint, wer sich mit einer Gefährdung abfindet, findet sich auch mit der Verletzung ab“. Auf den Vortrag der Klägerin im Widerspruchsverfahren, der im Berufungsverfahren der Sache nach nur wiederholt wird, führt die Erstprüferin im Überdenkungsverfahren aus: „Richtig ist, dass der Kandidat bei C. alle Vorsatztheorien dargestellt hat. Die Aufgabe lautet jedoch nicht, die verschiedenen Vorsatztheorien darzustellen, sondern sie auf einen gegebenen Sachverhalt anzuwenden. Dies hat Verfasser vorliegend jedoch nicht getan, sonst hätte er erkannt, dass nach keiner Vorsatztheorie vorliegend ein Verletzungsvorsatz vorgelegen hat. Der Sachverhalt in der Aufgabe war eindeutig formuliert, nämlich, dass sich C. mit der Entstehung einer gefährlichen Situation abgefunden hat, jedoch nicht damit rechnete, dass es zu Verletzungen kommen wird. Damit ist die Lösung des Verfassers nach allen Meinungen in Literatur und Rechtsprechung unvertretbar.“ Dass dies zutrifft, kann der Senat ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens feststellen, zumal das von der Klägerin für ihre Ansicht herangezogene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.06.2000 - 4 Str 172/00 - offensichtlich aufgrund der besonderen Fallgestaltung keine auf den Klausurfall übertragbaren Grundsätze enthält.
71 
Soweit das Verwaltungsgericht die Kritik der Klägerin an der fehlenden positiven Bewertung der von ihr dargelegten Theorien zum Versuchsbeginn ablehnt, ist lediglich darauf hinzuweisen, dass zwar das Verwaltungsgericht es für nicht vertretbar erachtet hat, den Versuchsbeginn bereits in der Vollendung der Manipulation an den Bremsen zu sehen. Die Erstprüferin hat dagegen jedoch lediglich ausgeführt: „Verfasser setzt sich ebenfalls mit allen Theorien zum unmittelbaren Ansetzen auseinander, erkennt jedoch nicht, dass nach allen Theorien das unmittelbare Ansetzen auch nach der Lösung des Verfassers erst in der Übergabe des manipulierten Fahrzeuges an S. zur Probefahrt zu sehen ist, nicht schon in der Manipulation selbst“. Genau dies trifft zu. Damit wird die Klausur der Klägerin gewürdigt, insbesondere ihr Lösungsansatz. Zum Vortrag der Klägerin hinsichtlich der „Prüfung von § 263 StGB“ ist noch darauf hinzuweisen, dass die Prüfer nur das bewerten können und dürfen, was in der Klausur niedergeschrieben ist, und nicht das, was der Klausurverfasser meint zum Ausdruck gebracht zu haben. Es ist zwar richtig, dass ein Prüfer sich bemühen muss, den Gedankengang des Prüflings nachzuvollziehen. Unvollkommene Ausführungen sind jedoch unvollkommen und als solche auch zu bewerten.
72 
Soweit die Klägerin vorträgt, das Strafprozessrecht gehöre nur im Überblick zum Prüfungsstoff und daher dürfe die Prüfung einer analogen Anwendung einzelner Vorschriften nicht erwartet werden, übersieht sie, dass die Auslegungsmethode der Analogie zum Grundbestand der Rechtswissenschaft gehört und deshalb von einem Kandidaten im Ersten juristischen Examen erwartete werden kann.
73 
Klausur Nr. 5
74 
Die Klägerin hebt darauf ab, die kurze Prüfung von § 315b StGB sei zu Recht erfolgt. Das Verwaltungsgericht vertritt die Ansicht, die Klägerin habe eine eigentliche Prüfung nicht vorgenommen, sondern lediglich eine Klarstellung und deshalb sei die Bewertung durch den Erstprüfer, die Erörterung dieser Vorschrift sei fernliegend gewesen, zu bemängeln. Beides ist unrichtig.
75 
Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Erstprüfer bei einer „normalen Trunkenheitsfahrt“ eine Prüfung der Vorschrift über den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) für fernliegend hält. Dies ist durch seinen Beurteilungsspielraum gedeckt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts beruht auf einer Motivforschung hinsichtlich der Ausführungen der Klägerin. Ein sachlicher Anknüpfungspunkt hierfür fehlt.
76 
Wenn die Prüfer die Kenntnis der Grenzwerte für die absolute Fahrtüchtigkeit erwarten, so liegt hierin keine Überdehnung der Prüfungsanforderungen. Die Ausführungen in der Klausur hinsichtlich der Urkundeneigenschaft eines Kfz-Kennzeichens sind, wie die Prüfer rechtsfehlerfrei bemängelten, nicht nur als solche zu beanstanden, sondern auch in sich widersprüchlich, da die Klägerin in ihrer Arbeit zum einen dem Kennzeichen Urkundenqualität beimisst und zum anderen erst durch dessen Entfernen vom Pkw einen entsprechenden Straftatbestand für verwirklicht erachtet. Auf diesen Unterschied ist in der Korrektur hingewiesen worden. Der Erstprüfer hat - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - nicht in den Antwortspielraum des Prüflings eingegriffen, indem er eine Nachteilszufügungsabsicht durch die Entfernung des Kfz-Kennzeichens „im Hinblick auf die Polizei“ bereits im Ansatz für falsch hält. Denn die Klägerin begründet ihre - von keiner gewichtigen Stimme in Rechtsprechung oder Literatur vertretene - Ansicht nicht, wie der Erstprüfer im Überdenkungsverfahren darlegt.
77 
Die Ausführungen des Zweitgutachters, die gelegentlich sehr pointiert sind, zeigen gleichwohl noch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Bewertungsgrundsatz der Sachlichkeit auf, der jeden Prüfer dazu verpflichtet, sachfremde Erwägungen zu unterlassen und Prüfungsleistungen mit innerer Distanz und emotionsfrei zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.09.1984 - 7 C 57/83 -, BVerwGE 70, 143 [151 f.] und Senatsurteil vom 24.04.1990 - 9 S 3227/89 -).
78 
Die Forderung, der Prüfer müsse die Prüfungsleistung objektiv beurteilen, bedeutet nicht, dass die Bewertung und Beurteilung nicht von der Persönlichkeit des Prüfers geprägt sein dürfte. Dies ändert nichts daran, dass er stets zur Sachlichkeit verpflichtet ist, dass er sich zu bemühen hat, die Darlegungen des Prüflings richtig zu verstehen und auf dessen Gedankengänge einzugehen. All das schließt es indes nicht aus, auf schlechte schriftliche Leistungen mit harten Bemerkungen zu reagieren, etwa eine abwegige Äußerung mit dem Begriff „Unsinn“ oder inhaltsleere Ausführungen mit der Bezeichnung „Phrasen“ zu kennzeichnen (so BVerwG, Urteil vom 20.09.1984, a.a.O.). Auch drastische Anmerkungen lassen als solche nicht den Schluss auf die Unsachlichkeit der Beurteilung zu; gleiches gilt auch für eine Häufung negativer Bewertungen. Unsachlich wird die Bewertung erst dann, wenn der Prüfer seiner Verärgerung über schwache Prüfungsleistungen freien Lauf lässt und dadurch die Gelassenheit und emotionale Distanz verliert, ohne die eine gerechte Beurteilung schwerlich gelingen kann. Ob dies der Fall ist, bemisst sich - wie oben bereits ausgeführt - anhand der Korrekturbemerkungen auf der Klausur, des Gutachtens sowie der Stellungnahme im Überdenkungsverfahren.
79 
Als Randbemerkungen in der Klausur finden sich Worte wie „schief“ (dreimal), „ganz schief“ (einmal), „abseitig“ (einmal), „abwegig“ (einmal) sowie die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil bereits erwähnten Bemerkungen: „schwache Darstellung!“, „ist nur „vorliegend“ ein Unfall ein Unglücksfall?“, „Subsumtion?“, „Was soll das heißen?“, „falsche Baustelle“. Diese Anmerkungen rechtfertigen nicht den Schluss, der Zweitprüfer sei emotional gehindert gewesen, die Klausur sachgerecht zu bewerten. Eine Subsumtion oder Argumentation als „schief“ oder „ganz schief“ zu bezeichnen, verdeutlicht - noch nicht einmal in drastischer Weise -, dass der Prüfer einen Mangel der Prüfungsleistung sieht. Für die Kennzeichnung mit „abwegig“ gilt nichts anderes. Abwegige Auffassungen dürfen auch als solche bezeichnet werden. Gleiches gilt für eine schwache Darstellung, wobei der Zusatz „ist nur „vorliegend“ ein Unfall ein Unglücksfall?“ wohl als Begründung zu verstehen ist. Die Verwendung der Worte „falsche Baustelle“ weist unschwer auf einen Aufbaufehler hin.
80 
Das Gutachten, mit dem der Zweitprüfer die Note mangelhaft (2 Punkte) begründet, zeigt - auch im Zusammenhang mit den Klausurrandbemerkungen - keine unsachliche Korrektur der Klausur auf. Es heißt dort zwar, „die Arbeit ist ganz klar nicht mehr brauchbar! ... Danach wird kein einziges der Klausurprobleme sauber behandelt. …“ Dies ist eine deutliche Ausdrucksweise. Sie ist jedoch auch angebracht, denn der Zweitprüfer hat jedenfalls dann, wenn er eine vom Erstprüfer abweichende, schlechtere Note vergibt, ohne auf weitere, nicht bereits vom Erstprüfer aufgezeigte Mängel zu verweisen, darzutun, weshalb die schlechtere Note vergeben wird (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 10.11.2010 - 9 S 591/10 -).
81 
Die Ausführungen des Zweitprüfers im Überdenkungsverfahren zeigen weder auf, dass er bei der Korrektur der Arbeit das Gebot der Sachlichkeit verletzt hat, noch, dass er aufgrund einer emotionalen Voreingenommenheit im Überdenkungsverfahren nicht in der Lage gewesen ist, seine Beurteilung anhand des Widerspruchsvorbringens sachgerecht zu überprüfen.
82 
Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass im Überdenkungsverfahren der Prüfer grundsätzlich nur die gegenüber seiner Beurteilung vorgebrachten Rügen zu behandeln hat, nicht aber auch diejenigen, die sich gegen den anderen Beurteiler richten. Stellt aber der Zweitgutachter im Wesentlichen die gleichen Mängel fest wie sein Mitprüfer, der eine bessere Note vergeben hat, so ist es verständlich, wenn er seiner Verwunderung darüber Ausdruck verleiht, dass sogar diese bessere Note als nicht ordnungsgemäß erteilt angesehen wird. Auf eine Voreingenommenheit beim Überdenken der Rügen kann hieraus nicht geschlossen werden. Entsprechendes gilt bei all den vom Verwaltungsgericht im Einzelnen wiedergegebenen Bemerkungen des Zweitprüfers in seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren (VG-Urteil S. 21 bis 25). Der Zweitprüfer ist vielmehr in seiner Stellungnahme ausdrücklich und zielgerichtet auf den Vortrag der Klägerin eingegangen und hat dargelegt, dass und weshalb er eine Beurteilung mit zwei Punkten für sachgerecht hält. Mit der Formulierung „hätte er/sie sich nur die Mühe gemacht, einen subsumtionsfähigen Obersatz zu bilden … wäre ihm/ihr womöglich aufgegangen...“, wird zwar in deutlicher Form, jedoch zutreffend, die Ansicht des Prüfers zum Ausdruck gebracht, dass ein Obersatz fehlt und deshalb die nachfolgenden Ausführungen fehlerhaft sind. Entsprechendes gilt, soweit er darauf hinweist, dass die Klägerin rund 1 ½ Seiten auf die völlig unproblematische Kausalität verschwendet hat. Diese Äußerung steht im Zusammenhang damit, dass die Klägerin sich in ihrer Widerspruchsbegründung auf die Zeitnot bei der Klausur beruft, mit der sie fehlende oder unvollständige Ausführungen erklären will. Dass sich die Stellungnahme des Zweitprüfers in weiten Teilen wie eine Rechtfertigungsschrift hinsichtlich der vergebenen Punktzahl liest, dürfte sich daraus ergeben, dass den im Überdenkungsverfahren vorgebrachten Hinweisen und Einwendungen des Widersprechenden nicht gefolgt worden ist. Eine mangelnde Offenheit gegenüber den von der Klägerin im Widerspruchsverfahren erhobenen Rügen lässt sich hieraus nicht ableiten.
83 
Die Anforderungen an die Klausurbearbeitung sind auch nicht überspannt. Die Klägerin wurde nicht „heruntergeprüft“ und der Zweitprüfer hat auch die Anforderungen an die Beurteilung und die zu vergebende Note nicht verkannt. Eine an erheblichen Mängeln leidende, im Ganzen nicht mehr brauchbare Leistung ist mangelhaft und mit 1 bis 3 Punkten zu bewerten (§ 15 JAPrO). Dieser Notenbeschreibung entsprechen sowohl das Gutachten des Zweitprüfers als auch seine Ausführungen im Überdenkungsverfahren. Es ist zwar richtig, wie das Verwaltungsgericht formuliert, dass ein Prüfer nicht verlangen darf, dass bereits für die Schwellennote „ausreichend“ alle im Sachverhalt angelegten Probleme erkannt und weitgehend zutreffend bearbeitet werden. Auch trifft zu, dass der Bereich der Note „ausreichend“ zwischen 4 und 6 Punkten eine Leistung erfasst, „die trotz ihrer Mängel durchschnittlichen Anforderungen noch entspricht“. Dies hat der Zweitprüfer nicht verkannt und deutlich die Mängel in der Klausurbearbeitung aufgezeigt und benannt. Die dagegen vorhandenen positiven Ansätze wurden in hinreichendem Umfang erwähnt. Dass - was das Verwaltungsgericht bemängelt (Urteilsabdruck S. 24/25) - die Negativäußerungen des Prüfers überwiegen, ist der Notenvergabe geschuldet, nicht jedoch einer fehlerhaften Einordnung der Prüfungsleistung der Klägerin in das Notensystem des § 15 JAPrO.
84 
Klausur Nr. 6
85 
Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Aufgabenstellung nicht außerhalb des Prüfungsstoffes liegt. Nach § 5 Nr. 9a und b JAPrO sind Studien- und Prüfungsfächer das Staatsrecht (ohne Notstandsverfassungsrecht) und aus dem Verfassungsprozessrecht im Überblick: die grundlegenden Verfahrensarten (Organstreit, Normenkontrolle, Verfassungsbeschwerde, Bund-Länder-Streitigkeiten). Die Aufgabenstellung dieser Klausur stellt keine Anforderungen, die über das Staatsrecht oder einen Überblick hinsichtlich verfassungsprozessualer Fragen hinausgeht, die nicht mit Grundkenntnissen und allgemeinen Rechtsanwendungs- und Auslegungsregelungen beherrschbar wären. Soweit das Verwaltungsgericht rügt, die Prüfer hätten zu Unrecht die Diskussion einer sogenannten „verkappten Regierungsvorlage“ gefordert, findet das im Akteninhalt keinen Anhalt. Keiner der beiden Prüfer hat in den Klausurrandbemerkungen, seinem Gutachten oder seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren eine diesbezügliche Erörterung verlangt oder deren Fehler bemängelt.
86 
Fehl geht allerdings die Ansicht des Beklagten, die Frage, ob eine Aufgabenstellung außerhalb des Prüfungsstoffes liege, sei dem Verfahrensrecht zuzuordnen und deshalb nach Verstreichen der Rügefrist (§ 24 Abs. 2 Satz 3 JAPrO 1993) unbeachtlich (§ 24 Abs. 2 Satz 4 JAPrO). Die Frage, was Prüfungsstoff der Ersten Juristischen Staatsprüfung sein kann, ist dem materiellen Prüfungsrecht und nicht dem Prüfungsverfahrensrecht, das den Ablauf, nicht aber den Inhalt der Prüfung bestimmt, zuzuordnen.
87 
Klausur Nr. 7
88 
Soweit das Verwaltungsgericht die Einwendungen der Klägerin als nicht durchschlagend angesehen hat, stimmt dem der Senat zu. Das dagegen gerichtete Berufungsvorbringen der Klägerin, das im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag wiederholt, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
89 
Soweit das Verwaltungsgericht die Beurteilung des Erstprüfers beanstandet, die Klausur habe § 31 Abs. 2 BestattungsG nicht als eigenständige Ermächtigungsgrundlage für den Kostenbescheid geprüft, ist dies fehlerhaft. Denn die Klägerin hat in ihrer Klausur (dort S. 6/7) die genannte Regelung gerade nicht als eigenständige Ermächtigungsgrundlage geprüft, sondern ausgeführt: „Also sind S. und T. nach § 31 II BestattungsG verpflichtet, die Kosten der Bestattung des V. zu tragen, mithin nach allgemeinen gesetzlichen Grundlagen i.S.v. § 2 I a Nr. 2 GSBW“.
90 
Auch soweit der Erstgutachter die Prüfung der Widerspruchsbefugnis durch die Klägerin (Klausur Seite 17) mit der Randbemerkung „welches Recht?“ versehen hat, sind Bewertungsfehler nicht erkennbar. Denn hiermit wird offenkundig eine Erläuterung der - von der Klägerin angeführten - Adressaten-theorie angemahnt, nach der für den Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts stets die Möglichkeit einer Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG besteht. Im Übrigen ist die Bearbeitung der Widerspruchsbefugnis in dem ausgearbeiteten Erstgutachten nicht negativ erwähnt worden.
91 
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Erstprüfer habe die Ausführungen der Klägerin zu Aufgabe 2 nicht weiter in die Bewertung einbezogen, entbehrt der tatsächlichen Grundlage. Auch das Verwaltungsgericht erkennt, dass der Prüfer sehr wohl Mängel bei der Bearbeitung dieser Aufgabe aufgezeigt hat, es vermisst jedoch die Bewertung aus seiner Sicht positiver Ansätze in der Klausur. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn ein Prüfer bei der Vergabe der Note „mangelhaft (2 Punkte)“ die Fehler und Mängel in den Vordergrund stellt und mehr oder minder Selbstverständliches nur abhakt. Hier hat der Erstprüfer in seinem schriftlichen Gutachten zusätzlich ausgeführt, dass die Klägerin die elektronische Signatur zumindest kurz angesprochen und somit also auch Positives gesehen hat.
92 
Soweit das Verwaltungsgericht als Prüfungsleitlinie vorgeben will, dass eine Bewertung mit 2 Punkten „voraussetzt, dass annähernd keine substantiellen Kenntnisse vorhanden sind“, ist auf die normative Regelung des § 15 JAPrO zu verweisen.
93 
Weitere Ausführungen zu den Vorgaben des Verwaltungsgerichts für eine Neubewertung erübrigen sich, da eine solche nicht vorzunehmen ist.
94 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
95 
Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.
96 
Beschluss vom 10. November 2010
97 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt (vgl. §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 36.1 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327).
98 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
25 
Der Schriftsatz des Vertreters der Klägerin vom 14.11.2010 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 104 Abs. 3 S. 2 VwGO).
26 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die zulässige auf Neubescheidung zielende Verpflichtungsklage der Klägerin abweisen müssen, da der Bescheid des Landesjustizprüfungsamtes vom 19.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.06.2008 rechtmäßig ist und deshalb die Klägerin eine Neubewertung ihrer Prüfungsleistungen nicht beanspruchen kann.
27 
Auf den vorliegenden Rechtsstreit findet die Verordnung des Justizministeriums über die Ausbildung und Prüfung der Juristen in der Fassung vom 07.05.1993 (GBl. S. 314, zuletzt geändert durch VO vom 25.09.2000, GBl. S. 665 - JAPrO 1993 -) Anwendung, da die Klägerin ihr Studium im Wintersemester 2001/2002 begann und im Frühjahr 2005 erstmals an der Ersten juristischen Staatsprüfung teilnahm (§ 62 Abs. 1 JAPrO i.d.F. vom 08.10.2002 - GBl. S. 391 - mit späteren Änderungen). Nach § 15 JAPrO 1993 ist der Kandidat von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen und hat die Prüfung nicht bestanden, wenn er u.a. nicht in wenigstens drei Aufsichtsarbeiten vier oder mehr Punkte erreicht hat. Dies ist hier der Fall, da die Klägerin lediglich in der Klausur Nr. 1 im Zivilrecht und in der Aufsichtsarbeit Nr. 6 im Öffentlichen Recht vier und mehr Punkte erreicht hat. Weder das Prüfungsverfahren noch die Bewertung der einzelnen Prüfungsleistungen der Klägerin weisen Rechtsfehler auf.
28 
Entgegen der Ansicht der Klägerin und des Verwaltungsgerichts kann der Senat keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit in der Form feststellen, dass die Kandidaten, die ihre Klausuren am Prüfungsort Mannheim geschrieben haben, gegenüber denjenigen, die ihre Prüfung in Freiburg, Heidelberg, Konstanz oder Tübingen abgelegt haben, gleichheitswidrig benachteiligt worden sind. Nach dem Grundsatz der Chancengleichheit müssen für vergleichbare Prüflinge soweit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.04.1991 - 1 BvR 419/81 u.a. -, BVerfGE 84, 34 [52-55]). Unstreitig sind an allen Prüfungsorten die gleichen Aufgaben gestellt worden. Dass unterschiedliche Prüfungsbedingungen vorgelegen haben, wird weder vorgetragen noch ist dies ersichtlich, und auch die bei der Bewertung der einzelnen Prüfungsleistungen geltenden Notenstufen bzw. Punktzahlen (§ 14 JAPrO 1993) sind identisch. Dass die Bewertungskriterien an den einzelnen Prüfungsorten unterschiedlich gehandhabt worden sind, kann der Senat nicht feststellen.
29 
Das Verwaltungsgericht glaubt, unterschiedliche, den Grundsatz der Chancengleichheit verletzende Bewertungsmaßstäbe deshalb annehmen zu können, weil die Durchfallquote in Mannheim höher sei als an anderen Prüfungsstandorten und gute Noten nicht oder kaum vergeben würden, ohne dass nachzuweisen sei, dass hierfür besondere Umstände in Bezug auf den Prüfungsort Mannheim vorlägen. Diese Feststellungen tragen den vom Verwaltungsgericht gezogenen Schluss nicht.
30 
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass als Maßstab für die verwaltungsgerichtliche Kontrolle eines Prüfungsergebnisses, das auf der individuellen Ermittlung von Leistungen des Prüflings durch mehrere Prüfer beruht, nicht in Betracht kommt, ob und inwieweit die Bewertungen der einzelnen Prüfer von statistischen Durchschnittswerten abweichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.08.1998 - 6 B 49/98 -, DVBl. 1998, 1351 [1352]). Statistische Unterschiede in der Notenvergabe bzw. der Durchfallquote an verschiedenen Prüfungsorten, die zugleich Studienorte sein können, aber nicht sein müssen, stellen für sich genommen keinen hinreichenden Anknüpfungspunkt für die Annahme eines Chancengleichheitsverstoßes dar.
31 
Allerdings kann ein Prüfungsmangel darin liegen, dass unangemessene Anforderungen an die Prüflinge und die von ihnen zu erbringenden Leistungen gestellt werden. Nicht prinzipiell auszuschließen ist, dass ein solch unangemessener Prüfungsmaßstab nur von einigen Prüfern, etwa denen eines bestimmten Prüfungsabschnitts (also z.B. einer bestimmten Klausur) angelegt wird. Entsprechendes wäre auch für die Prüfer an einem bestimmten Prüfungsort denkbar.
32 
In allen diesen Fällen wäre jedoch schon für die Annahme des Anscheins eines hieraus resultierenden Prüfungsmangels erforderlich, dass eine Reihe von Indizien auf einen solchen Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit hinweist. Die bloße Feststellung, dass in einer bestimmten Prüfung die Ergebnisse - einschließlich der Durchfallquote (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 08.11.2002 - 9 S 2361/02 -, NVwZ-RR 2003, 214 f.) - an einem bestimmten Prüfungsort signifikant schlechter sind als an anderen Prüfungsorten bzw. landesweit, reicht hierfür nicht aus. Erst dann, wenn eine solche Feststellung durch weitere Hinweise gestützt und auch nicht durch entgegenstehende Umstände entkräftet ist, kann bis zum - dann der prüfenden Institution obliegenden - Beweis des Gegenteils von einem Prüfungsmangel ausgegangen werden.
33 
Im vorliegenden Fall führt eine Betrachtung der verschiedenen hier zu beachtenden Gesichtspunkte dazu, dass ein Anschein für das Vorliegen des Prüfungsmangels eines unangemessenen Prüfungsmaßstabes am Prüfungsort Mannheim nicht angenommen werden kann:
34 
Zwar ergibt sich aus der von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 26.10.2010 in einem Parallelverfahren (9 S 591/10) vorgelegten Statistik, die auch in diesem Verfahren eingeführt und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, dass die Durchfallquote aller nach der JAPrO 1993 geprüften Kandidaten in Mannheim 58,33 % betragen hat, während in Freiburg 36,42 %, in Heidelberg 36,17 %, in Konstanz 39,04 % und in Tübingen 35,90 % die Prüfung nicht bestanden haben. Demnach war die Durchfallquote in Mannheim deutlich höher als an den anderen Prüfungsorten und damit auch als im Landesdurchschnitt. Dies gilt auch, wenn dabei die so genannten „Notenverbesserer“ unberücksichtigt bleiben.
35 
Dieses Bild verändert sich jedoch deutlich, wenn alleine die Wiederholer betrachtet werden, die bei der im Herbst 2007 letztmals eröffneten Möglichkeit, nach der - alten - JAPrO 1993 geprüft zu werden, ein besonderes Gewicht haben. Zunächst fällt auf, dass die Quote an Wiederholern in Mannheim mit 93,85 % aller derjenigen, die die Prüfung bisher noch nicht bestanden haben - also ohne die „Notenverbesserer“ -, bzw. mit 63,54 % aller Teilnehmer (einschließlich der Notenverbesserer) deutlich höher war als an anderen Studienorten (Wiederholer ohne Notenverbesserer: zwischen 56,99 % in Konstanz und 85,71 % in Freiburg, Landesdurchschnitt: 76,23 %; Wiederholer absolut: zwischen 36,30 % in Konstanz und 49,65 % in Heidelberg, Landesdurchschnitt: 45,27 %). Dies führte dazu, dass in Mannheim zwar die deutlich geringste Zahl an Prüflingen teilnahm (Mannheim 96, Heidelberg 141, Konstanz 146, Freiburg 173, Tübingen 195), jedoch die Zahl der Wiederholer in Mannheim absolut höher war als in Konstanz (Mannheim 61, Konstanz 53) und die Abstände zu den übrigen Prüfungsorten sowohl absolut als auch relativ abnahmen (Heidelberg 70 oder nur 15 % mehr als in Mannheim; Freiburg 72 oder nur 18 % mehr als in Mannheim und Tübingen 84 oder nur 38 % mehr als in Mannheim). Zwar war auch bezogen allein auf die Wiederholer - die Zahl der Erstteilnehmer war in Mannheim mit 4 so niedrig, dass sich aus ihr nichts ableiten lässt - die Durchfallquote in Mannheim mit 62,30 % um 9,95 % höher als im Landesdurchschnitt, sie war aber immer noch - geringfügig - besser als in Konstanz mit 64,15 %. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung insoweit vorgetragen hat, es müsse davon ausgegangen werden, dass neben Mannheim auch in Konstanz überzogene Prüfungsanforderungen gestellt worden seien, lässt dies ihre Argumentation hinsichtlich des Prüfungsorts Mannheim nicht plausibler werden.
36 
Da Konstanz mit einer Gesamtdurchfallquote von 39,04 % deutlich besser als Mannheim und nur geringfügig schlechter als die übrigen Studienorte abschnitt, müsste aus diesen Zahlen zum Beleg für einen unangemessenen Prüfungsmaßstab geschlossen werden, dass dieser Prüfungsmaßstab - bezogen auf sämtliche Prüfungsteilnehmer - allein in Mannheim, bezogen aber auf die Wiederholer - und nur auf sie - auch in Konstanz unangemessen gewesen sei. Da die Prüfer nicht erkennen können, ob es sich beim Bearbeiter einer Klausur um einen Wiederholer oder einen sonstigen Teilnehmer handelt, die Klausurenpakete nach den zufällig den Kandidaten zugeteilten Nummern zusammengestellt werden und in Konstanz also nur ein einheitlicher Prüfungsmaßstab angenommen werden kann, ist diese Aussage in sich widersprüchlich und daher nicht möglich. Schon dies spricht klar gegen den Anschein eines besonderen und damit die Chancengleichheit verletzenden Prüfungsmaßstabes in Mannheim.
37 
Näher liegt deshalb der Schluss, dass der besonders hohe Anteil an Erstteilnehmern in Konstanz die Schwäche der Wiederholer ausgleicht und deshalb zwar die Wiederholer in Mannheim und in Konstanz gleichermaßen schwach sind, aber sich dennoch die Durchfallquote aller in Konstanz im Bereich des Durchschnitts bewegt.
38 
Darüber hinaus trägt auch das vom Verwaltungsgericht genannte Indiz nicht, dass gerade im Prädikatsbereich die Noten in Mannheim deutlich schlechter seien. Vielmehr lagen die Mannheimer Ergebnisse der Ersten juristischen Staatsprüfung vom Herbst 2007 derjenigen Kandidaten, die sich nach der JAPrO 2002 der Prüfung unterzogen haben und die - mit Ausnahme der Klausur Nr. 5 - die gleichen Arbeiten fertigen mussten, deutlich über dem Durchschnitt, obwohl ihre Leistungen von denselben Prüfern ohne erkennbare Differenzierung im „Gesamtpaket“ bewertet wurden. Auch wenn es sich bei der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Liste um Endergebnisse und nicht um die Ergebnisse allein der schriftlichen Prüfung handelt, so ist nicht anzunehmen, dass die überdurchschnittlichen Noten in Mannheim (im Prädikatsbereich ab vollbefriedigend über 54 % gegenüber im Durchschnitt des Landes 22,4 %, in Tübingen nur 14,6 %; keiner der 22 Prüflinge in Mannheim hat nicht bestanden) allein auf den mündlichen Teil der Prüfung zurückzuführen sind.
39 
Ob hiermit, wie der Beklagte vorträgt, belegt ist, dass in Mannheim nicht „heruntergeprüft“ wird, oder ob es möglicherweise sonstige Einflüsse und Besonderheiten gegeben hat, die dieses gute Abschneiden der Prüflinge plausibel machen könnte, bedarf keiner Klärung. Aus den obigen Ausführungen folgt jedenfalls, dass sich aus der statistischen Zusammenstellung der Prüfungsergebnisse bei der Ersten juristischen Staatsprüfung im Herbst 2007 nach der JAPrO 1993 nicht der Schluss ziehen lässt, am Prüfungsort Mannheim werde chancengleichheitswidrig ein anderer Beurteilungs- oder Bewertungsmaßstab zugrundegelegt als bei der Korrektur der Klausuren, die an anderen Prüfungsorten geschrieben wurden.
40 
Die Annahme der Klägerin einer generell nicht ordnungsgemäßen Bewertung der Klausuren in Mannheim wird auch nicht dadurch bestärkt, dass dort zu wenige Hochschullehrer prüften (Schriftsatz vom 14.11.2010) und ein „Prüferpool“ bestehe.
41 
Richtig ist, dass als Prüfer an der Ersten juristischen Staatsprüfung die Professoren des Rechts an den Universitäten der Prüfungsorte, die in eine Planstelle der Besoldungsgruppe C 4 eingewiesen sind, und die ordentlichen und außerordentlichen Professoren des Rechts an den Universitäten der Prüfungsorte mitwirken (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Juristenausbildungsgesetz i.d.F. vom 18.05.1971; siehe hierzu § 11 JAG i.d.F. vom 16.07.2003 - GBl. S. 354 -; ähnlich jetzt § 3 Abs. 1 Nr. 1 b JAG 2003). Doch nehmen auch andere Personen, die die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzen oder als Universitätslehrer in der juristischen Ausbildung tätig sind, kraft Berufung durch das Justizministerium an der Prüfung teil (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 JAG 1971 = § 3 Abs. 1 Nr. 1 c JAG 2003).
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Weder das Juristenausbildungsgesetz noch die Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung schreiben ein bestimmtes Verhältnis vor, in dem Universitätsprofessoren und sonstige Prüfer bei der Korrektur der Arbeiten im Ersten juristischen Staatsexamen beteiligt sein müssen. Ein Erfahrungssatz dahin, dass Hochschullehrer andere - den Kandidaten günstigere - Bewertungsmaßstäbe anwendeten als Prüfer aus der juristischen Praxis, besteht nicht. Statistiken über die Notenvergabe bei Klausurbewertungen, die zwischen Universitätslehrern und sonstigen Prüfern unterscheiden, werden nach Angaben des Beklagten nicht geführt. In der Spruchpraxis des seit vielen Jahren mit entsprechenden Rechtsstreitigkeiten befassten entscheidenden Senats lässt sich eine solche Behauptung auch nicht verifizieren.
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Die Behauptung der Klägerin, es gebe eine Art „Mannheimer Prüfungspool“, da die an diesem Prüfungsort tätigen Praxisprüfer zur Korrektur der Klausuren herangezogen würden, ist bereits im Ausgangspunkt nicht zutreffend. Sie wird auch im Verfahren der Klägerin widerlegt. Von den von ihr angegriffenen Klausuren wurde die Klausur Nr. 2 von einem Stadtrechtsrat aus Freiburg und einem Vorsitzenden Richter am Landgericht in Ellwangen korrigiert, die Klausur Nr. 3 von einem Richter am Oberlandesgericht in Karlsruhe und einem Richter am Landgericht Konstanz, die Klausur Nr. 4 von einem Richter am Landgericht Karlsruhe und einem Staatsanwalt in Karlsruhe, die Klausur Nr. 5 von einem Oberstaatsanwalt aus Karlsruhe und einem Prüfer des Landesjustizprüfungsamtes, die Klausur Nr. 6 von einem Honorarprofessor in Tübingen und einem Richter am VGH Mannheim, der aber im Staatsministerium Baden-Württemberg tätig war, und lediglich die Klausur Nr. 7 von einem Richter am Verwaltungsgerichtshof in Mannheim und einem Vorsitzenden Richter an diesem Gericht, wobei zu bemerken ist, dass Letzterer auch die Klausur Nr. 7 der Klägerin bei dem Freiversuch in Freiburg korrigiert hatte. Im Übrigen erschließt sich dem Senat nicht, weshalb die berufliche Tätigkeit an einem Prüfungsort, die nicht zugleich mit einer Lehrtätigkeit an der betreffenden Universität verbunden ist, den Rückschluss darauf zulassen könnte, all diese Prüfer legten besonders strenge Maßstäbe an mit dem Ziel, die Prüflinge „herunterzuprüfen“.
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Die Behauptung der Klägerin, eine entsprechende Zielvorstellung oder auch nur Maßstabbildung finde in gemeinsamen Prüferbesprechungen statt, lässt sich - unbeschadet der Frage einer hieraus folgenden Relevanz - für das Erste juristische Staatsexamen schon in tatsächlicher Hinsicht nicht erhärten. Die Klägerin hat insoweit in der mündlichen Verhandlung angegeben, entsprechende Äußerungen seien ihr von einem Prüfer für das Zweite Staatsexamen bekannt geworden. Dies stellt der Beklagte für das Zweite Staatsexamen auch nicht in Abrede. Für das Erste Examen würden jedoch vom Landesjustizprüfungsamt solche Vorbesprechungen weder initiiert, noch nehme es daran teil oder sei ihm bekannt, dass solche stattfänden.
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Nur eine entsprechende Absprache mit dem Ziel, besonders strenge Maßstäbe anzulegen, und ihre Umsetzung in der nachfolgenden Bewertung aber könnte überhaupt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit darstellen. Hierfür fehlen jedoch jegliche Anhaltspunkte, so dass auch eine weitere Aufklärung des Senats nicht veranlasst ist. Dies gilt auch angesichts der Äußerung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil (dort S. 7/8), wonach sich der Eindruck, dass in Mannheim ganz erheblich „heruntergeprüft“ wurde, aus einer ganzen Reihe von Bewertungen von Aufsichtsarbeiten aus diesem Prüfungstermin und damit zusammenhängenden, gerichtsbekannt gewordenen Ausführungen von Prüfern ergebe. Das Verwaltungsgericht hat seine vorgeblichen Erkenntnisse nicht offengelegt und auch nicht näher präzisiert, und es versteht sich im Übrigen von selbst, dass die von ihm - im vorliegenden Fall zu Unrecht - angenommenen Fehlbewertungen der Kandidatenleistungen durch einzelne Prüfer nicht den Rückschluss auf einen generell unzulässigen Bewertungsmaßstab rechtfertigen.
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Die Klägerin hat auch nicht deshalb einen Anspruch auf Neubewertung ihrer Aufsichtsarbeiten Nrn. 2 bis 7, weil konkret in ihrem Fall bei der Bewertung dieser Arbeiten kein einziger und lediglich bei der nicht angegriffenen Klausur Nr. 1 ein Hochschullehrer als Prüfer tätig gewesen ist. Richtig ist, dass der, auch von der Beklagten angestrebte, beträchtliche Anteil von Universitätsprofessoren bei der Prüfung der Klägerin auch nicht ansatzweise erreicht ist. Dies stellt indes keinen Rechtsfehler dar.
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Wie oben aufgezeigt, enthält weder das Juristenausbildungsgesetz noch die Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung eine konkrete Vorgabe für die Beteiligung der verschiedenen Prüfergruppen an der Ersten juristischen Staatsprüfung im schriftlichen Teil. Es trifft auch nicht zu, wie die Klägerin vorträgt, dass im Ersten juristischen Staatsexamen die Aufsichtsarbeiten ausschließlich von Hochschullehrern gestellt würden. Nach § 12 Abs. 2 JAPrO 1993 werden die Aufgaben vom Justizprüfungsamt gestellt, das Aufgabenvorschläge der Rechtsfakultäten oder einzelner Prüfer einholt. Damit findet der Schluss der Klägerin, weil Hochschullehrer die Aufgaben stellten, müssten sie auch in prozentual bedeutendem Umfang an der Korrektur beteiligt werden, keine normative Stütze. Darauf, von wem die Prüfungsaufgaben beim Termin Herbst 2007 gegenüber dem Landesjustizprüfungsamt eingereicht worden sind, kommt es somit nicht an, so dass es insoweit auch keiner weiteren Aufklärung bedarf.
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Das Ziel der juristischen Staatsprüfung erfordert nicht, bereits dann, wenn lediglich ein einziger Universitätslehrer an der Korrektur der Aufsichtsarbeiten im Ersten juristischen Staatsexamen teilgenommen hat, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit gegenüber den Prüflingen anzunehmen, deren Aufsichtsarbeiten in beträchtlichem Umfang von Hochschullehrern korrigiert wurden. Hauptziel der Ersten juristischen Staatsprüfung ist es nicht festzustellen, ob sich der Student in wissenschaftlicher Vertiefung exemplarisch mit den wichtigsten Gebieten des Strafrechts, des Zivilrechts usw. auseinandersetzen kann. Die Erste juristische Staatsprüfung dient der Feststellung, ob der Kandidat das wissenschaftliche Studienziel erreicht hat und damit für den juristischen Vorbereitungsdienst fachlich geeignet ist (§ 1 Abs. 2 S. 2 JAPrO 1993).
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Was Ziel des juristischen Studiums ist, beschreibt § 4 JAPrO 1993. Danach soll sich der Student in wissenschaftlicher Vertiefung exemplarisch mit den wichtigsten Gebieten des Zivilrechts, des Strafrechts, des Öffentlichen Rechts, des Verfahrensrechts und einer Wahlfachgruppe, jeweils unter Einschluss der europarechtlichen Bezüge, sowie den rechtsphilosophischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen der Rechtsordnung befassen. Er soll sich dadurch mit den Methoden der Rechtswissenschaft vertraut machen und die Fähigkeit entwickeln, das Recht mit Verständnis anzuwenden (§ 4 Abs. 1 JAPrO 1993). Es wird also, entgegen der Ansicht der Klägerin, zwar eine vertiefte Befassung, nicht aber eine Auseinandersetzung gefordert, ein Vertrautmachen mit den Methoden der Rechtswissenschaft und der Kandidat soll die Fähigkeit entwickeln, das Recht mit Verständnis anzuwenden. Weshalb diese Fähigkeiten von Praktikern nicht geprüft werden könnten, erschließt sich dem Senat nicht. Nimmt man zusätzlich § 4 Abs. 2 JAPrO 1993 in den Blick, wonach die Lehrveranstaltungen die praktische Bedeutung und Anwendung des Rechts angemessen berücksichtigen und Praktiker in geeigneten Lehrveranstaltungen mitwirken sollen, so lässt sich kein Postulat dahingehend aufstellen, dass Universitätsprofessoren zwingend in einem nicht unbeträchtlichen Umfang bei der Korrektur einzelner Klausuren mitwirken müssten. Dies ändert selbstredend nichts daran, dass die Universitätsprofessoren als „geborene Prüfer“ zur Abnahme der Prüfungsleistungen herangezogen werden sollen.
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Der Senat kann bei keiner der Bewertungen der Aufsichtsarbeiten Nrn 2 bis 7 einen Rechts- oder Beurteilungsfehler erkennen oder einen sonstigen Mangel, der zu einer Neubewertung der Arbeiten führen müsste.
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Das Bundesverfassungsgericht verlangt für die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der juristischen Staatsprüfungen, von deren Zweck auszugehen. Dieser besteht darin, denjenigen Bewerbern den Zugang zum angestrebten Beruf zu verwehren, die fachlichen Mindestanforderungen nicht genügen. Er ist nicht nur für den Umfang der Qualifikationsnachweise, sondern auch für deren Bewertung maßgebend. Daraus folgt, dass zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen im Prinzip nicht als falsch bewertet werden und zum Nichtbestehen führen dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt einerseits dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch bewertet werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.04.1991 - 1 BvR 419/81 u.a. -, BVerfGE 84, 34 [54]).
52 
Der rechtlichen Überprüfung ist dabei die vom Kandidaten abgegebene schriftliche Prüfungsleistung und deren Beurteilung durch den Prüfer zugrundezulegen. Letztere erschließt sich anhand seiner Randbemerkungen, seines Bewertungsgutachtens und seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren.
53 
Von diesen rechtlichen Vorgaben ausgehend erweisen sich die Angriffe der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Klausuren als erfolglos. Im Einzelnen gilt:
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Klausur Nr. 2
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Die Klägerin und das Verwaltungsgericht halten die Bewertung des Erstprüfers hinsichtlich der Ausführungen der Klägerin im Zusammenhang mit §§ 766, 126 BGB für nicht nachvollziehbar. Der Prüfer hätte erkennen müssen, dass es sich bei der Angabe des § 126 Abs. 2 BGB statt § 126 Abs. 1 BGB lediglich um ein Schreibversehen gehandelt habe, wie es sich aus den nachfolgenden Ausführungen der Klägerin in der Klausur ergebe. Dieser Angriff geht indes fehl. Der Erstkorrektor hat als Randbemerkung in der Arbeit (dort S. 16) die Passage „Vertrag im Sinne von § 126 I BGB“ unterstrichen und mit der Randbemerkung versehen: „Schriftform bei Verträgen in § 126 II BGB geregelt“. In seinem schriftlichen Gutachten hat er in diesem Zusammenhang ausgeführt: „Die Voraussetzungen einer wirksamen Bürgschaftsbestellung einschließlich der Einhaltung der Schriftform gemäß § 766 S. 1 BGB werden vom Verfasser im Ergebnis zutreffend bejaht (vgl. aber Anmerkung S. 16)“. Im Überdenkungsverfahren hebt der Prüfer nochmals hervor, dass er bei der Bewertung positiv gewichtet hat, dass die Klägerin § 766 S. 1 BGB gesehen und die Einhaltung dieser Formvorschrift zutreffend bejaht hat. Wenn zugleich darauf hingewiesen wird, dass eine Abgrenzung zwischen § 126 Abs. 1 und Abs. 2 BGB nicht erfolgt sei, die Ausführungen zu § 126 BGB in die Gesamtbewertung nicht eingeflossen seien, sondern lediglich den „auch ansonsten schwachen Gesamteindruck der Arbeit bestätigt“ habe, so ist hierin - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - gerade kein Widerspruch zur Begutachtung selbst zu sehen. Das Verwaltungsgericht übersieht, dass ein Prüfer sein „Bewertungssystem“ nicht in jedem Fall offen legen muss (vgl. Senatsbeschluss vom 16.09.2002 - 9 S 1704/02 -). Ein offener Widerspruch zwischen der Begründung und der Benotung im Gutachten und der Stellungnahme im Überdenkungsverfahren mag geeignet sein, Zweifel an einer ordnungsgemäßen Bewertung zu erzeugen. Einen solchen Widerspruch kann der Senat hier nicht erkennen.
56 
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Erstprüfer habe gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen, weil er der Klägerin das Fehlen der Prüfung einer möglichen analogen Anwendung der Formvorschrift des § 492 BGB und einer mögliche Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB angelastet habe, trifft nicht zu. Richtig ist insoweit, dass der Erstprüfer in seinem Gutachten ausführt: „Auf eine mögliche analoge Anwendung der Formvorschrift des § 492 BGB geht der Verfasser nicht ein, ebenso wenig wie auf eine mögliche Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB“. Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin unstreitig eine analoge Anwendung des § 492 BGB nicht geprüft hat. Soweit sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragen und im Berufungsverfahren vertieft hat, eine solche Prüfung habe schon deshalb nicht erwartet werden können, weil die analoge Anwendung des § 492 BGB auf Bürgschaftserklärungen von der Rechtsprechung immer abgelehnt worden sei und auch in der Literatur nicht kontrovers diskutiert werde, stellt dies hier die Erwartung des Prüfers nach Erörterung des Problems nicht in Frage.
57 
Für die Beurteilung, ob eine Rechtsfrage kontrovers diskutiert wird, kommt es auf den Zeitpunkt der Prüfungsleistung an (vgl. Senatsurteil vom 17.02.2004 - 9 S 2075/02 -, WissR 2004, 168). Bei der Ersten juristischen Staatsprüfung im Herbst 2007 ist es deshalb nicht als verfehlt zu bewerten, wenn der Prüfer zum damaligen Zeitpunkt die Erörterung der genannten Frage für wünschenswert erachtet hat, da in der Literatur, die der Beklagte im Schriftsatz vom 14.07.2010 aufgelistet hat, eine entsprechende Problematik aufgezeigt wurde. Dies besagt in der Tat jedoch nichts darüber, ob in der konkreten Beurteilung der Klausur das Unterlassen entsprechender Ausführungen durch den Kandidaten als Mangel bewertet werden darf. Zutreffend hebt das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zwar darauf ab, dass ein Verstoß gegen allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe vorliegen kann, wenn bereits zum Erreichen einer unteren Notenstufe Ausführungen zu einer speziellen Problematik gefordert werden. Dies ist hier jedoch nicht zu erkennen.
58 
Zunächst ist klarzustellen, dass die Frage, welche Leistungen in einer bestimmten Prüfung von den Kandidaten erwartet werden können und inwieweit eine konkrete Leistung diesen Erwartungen genügt - von willkürlichen Fehleinschätzungen abgesehen -, Teil des gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraums der zur Beurteilung der Examensleistung berufenen Prüfer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.1994, a.a.O., S. 583). Im Überdenkungsverfahren legt der Erstprüfer offen, dass er die unterlassene Prüfung der §§ 492, 138 BGB nicht als Fehler gewertet habe, allerdings bei seiner Bewertung auch Punkte für Ausführungen zu diesen Vorschriften vergeben habe, die die Klägerin nicht habe erzielen können. Diese Erläuterung ist plausibel und es besteht entgegen der Ansicht der Klägerin sehr wohl ein Unterschied zwischen der Bewertung als Fehler und der bloß unterlassenen Punktevergabe. Eine Bewertung als Fehler kann - ohne Verstoß gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze - bereits positiv erbrachte Leistungen in ihrer Wertigkeit reduzieren, während die Nichtvergabe weiterer Punkte den bisher erreichten Stand nicht beeinflusst.
59 
Soweit das Verwaltungsgericht festzustellen glaubt, der Prüfer sei fälschlich davon ausgegangen, eine Prüfung des § 138 BGB habe gänzlich gefehlt, ist dies unzutreffend. Richtig ist lediglich, dass der Erstprüfer davon ausgegangen ist, die Klägerin habe § 138 BGB bei der Bewältigung der Aufgabe 2 nicht geprüft. Dies ist jedoch richtig, da in der Klausur der Klägerin weder die genannte Norm noch deren tatbestandliche Voraussetzungen erwähnt werden. Soweit das Verwaltungsgericht die Ansicht vertritt, durch die Erwähnung und Prüfung einer möglichen Übersicherung der Forderung durch die Bürgschaft werde „eindeutig § 138 BGB inhaltlich geprüft“ greift es in unzulässiger Weise in den Beurteilungsspielraum des Prüfers ein und setzt seine Interpretation des Klausurinhalts an die Stelle der allein dem Prüfer überlassenen Beurteilung. Soweit das Verwaltungsgericht die Einwendungen der Klägerin gegen die Beurteilung der Klausur als nicht durchschlagend angesehen hat, stimmt der Senat dem zu und verweist hierauf.
60 
Der Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren, die Prüfung von § 355 BGB sei im Sachverhalt nicht angelegt, zeigt keinen Beurteilungs- oder Bewertungsmangel auf. Der Erstprüfer hat, wie sich aus seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren ergibt, die Prüfung der Widerrufsbelehrung deshalb für angezeigt erachtet, weil schon die Verwendung von Anführungszeichen [sic.„ Widerrufsrecht nach § 355 BGB“] eindeutig anzeige, was Inhalt der Belehrung sei, und auch der Hinweis in der Aufgabenstellung, seit der Bestellung der Sicherheiten seien drei Jahre vergangen, dafür spreche, dass hier die Frage der Widerrufsfrist zu thematisieren gewesen sei. Diese Begründung ist schlüssig und nachvollziehbar und der Prüfer hält sich damit im Rahmen seines Beurteilungsspielraums.
61 
Ebenso fehl gehen die Angriffe der Klägerin gegen die Bemerkungen des Gutachtens zu den Aufgaben 3 und 4 mit dem Inhalt: „Die hier angelegten Probleme (Übergang von Grundschuld bzw. Bürgschaft auf jeweils Leistenden, Problem des „Wettlaufs der Sicherer“, Bestimmung der Quote entsprechend § 426 Abs. 1 BGB, Frage eines Gesamtschuldverhältnisses) werden allesamt nicht gesehen/behandelt.“ Die Ausführungen der Klägerin zu den Aufgaben Nrn 3 und 4 sind, was sie auch nicht bestreitet, sehr knapp. Ihre Auffassung, ein „Wettlauf der Sicherer“ sei im Sachverhalt nicht angelegt, wird nicht näher dargelegt, sondern lediglich behauptet. Dass solche Ausführungen falsch gewesen wären, weil ein „Wettlauf der Sicherer“ ein akzessorisches Sicherungsmittel, etwa eine Hypothek voraussetze, hier aber nach dem Sachverhalt eine nichtakzessorische Grundschuld bestellt worden sei, stellt die Erörterungsbedürftigkeit der Probleme, die der Prüfer im Sachverhalt als angelegt gesehen hat, nicht in Frage. Zudem wird im Berufungsverfahren von dem Beklagten unwidersprochen vorgetragen, ein Bürge habe in analoger Anwendung der §§ 774 Abs. 1 Satz 1, 412, 401 Abs. 1 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung einer nichtakzessorischen Sicherheit.
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Klausur Nr. 3
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Hinsichtlich der Behandlung der Klagefrist ist ein Bewertungsfehler nicht erkennbar. Der Erstprüfer führt in seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren auf Vorhaltungen der Klägerin aus: „Die Wertung (der Widersprecherin), die ersten fünf Seiten enthielten ausschließlich richtige Ausführungen, ist nicht nachvollziehbar. Es fehlen schon notwendige Ausführungen zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, obwohl der Sachverhalt deutlich darauf hinweist.“ Hieraus zieht das Verwaltungsgericht den verfehlten Schluss, der Prüfer sei von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen, denn die Klägerin habe in ihrer Klausurarbeit auf S. 4 auf § 4 Satz 1 KSchG hingewiesen. Das Verwaltungsgericht übersieht, dass der Erstgutachter die fehlende Prüfung, ob das Kündigungsschutzgesetz überhaupt im vorliegenden Fall anwendbar ist, rügt. Eine solche Prüfung ist durch die Klägerin aber nicht erfolgt. Weshalb sie vom Prüfer nicht hätte gefordert werden dürfen, legen weder das Verwaltungsgericht noch die Klägerin dar. Der persönliche und sachliche Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes im vorliegenden Fall ist aber, wie der Beklagte vorträgt und sich dem erkennenden Senat geradezu aufdrängt, durchaus prüfungswürdig, da es sich um ein sechsmonatiges Arbeitsverhältnis auf Probe in einer Zahnarztpraxis handelt.
64 
Ein fehlerhafter Maßstab des Prüfers ergibt sich auch nicht daraus, dass er fälschlicherweise eine zumindest „überschlägige Berechnung des Fristendes hinsichtlich der Klageerhebung verlangt habe“, wie das Verwaltungsgericht meint. Insoweit enthält die Korrekturbemerkung des Erstprüfers in der Klausur das Wort „Fristende?“. Im Gutachten selbst ist im Zusammenhang mit Fristen vermerkt: „So wird entgegen dem Sachverhalt zunächst die ordentliche Kündigung geprüft, wobei die Ausführungen insbesondere hinsichtlich der Kündigungsfrist nicht brauchbar sind. Dass auch die außerordentliche Kündigung fristgebunden ist, wird übersehen“. Dass sich hieraus schlussfolgern ließe, der Prüfer habe eine „überschlägige Berechnung des Fristendes“ gefordert, wie dies die Klägerin in ihrer Widerspruchsbegründung vorträgt, ist nicht zwingend. In seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren hat der Erstprüfer zwar die Diktion der Klägerin übernommen, jedoch ausgeführt, dass die fehlende überschlägige Berechnung des Fristendes in seine Bewertung nicht eingeflossen sei. Dies ist plausibel und nachvollziehbar angesichts der übrigen zahlreichen vom Prüfer dargelegten Mängel bzw. Lücken der Klausurbearbeitung und stellt insbesondere keinen Widerspruch zur Begutachtung oder zu Anmerkungen auf der Arbeit dar.
65 
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts hat der Erstprüfer auch nicht dadurch in den Antwortspielraum der Klägerin eingegriffen, dass er bei der Prüfung des Zugangs der Kündigung deren fehlende Subsumtion unter die Voraussetzungen der wiedergegebenen Definition kritisiert und diese Kritik die sich anschließenden allgemeinen Erwägungen zu Treu und Glauben umfasst. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts, dass nach herrschender Meinung dem Zugang nicht entgegenstehe, wenn der Empfänger u. a. wegen Urlaubs nicht in der Lage ist, vom Inhalt der übermittelten Erklärung Kenntnis zu nehmen, führt insoweit nicht weiter. In der konkreten Fallgestaltung sollte einem Arbeitnehmer während seines Urlaubs durch Schreiben, das auf seinen Arbeitsplatz gelegt wurde, gekündigt werden. Hier eine lebensnahe Interpretation von Zugangsdefinitionen zu fordern, ist nicht zu beanstanden.
66 
Die Behauptung des Verwaltungsgerichts, die Ausführungen des Erstprüfers zur Schriftform der Kündigung gemäß § 126 BGB seien falsch, da er im Gegensatz zur Klägerin die Anforderungen an die formelle Rechtmäßigkeit einer schriftlichen Kündigung einerseits und deren materielle Rechtmäßigkeit andererseits verkenne, ist ihrerseits unzutreffend. Als Klausurbemerkung hat der Erstprüfer hinsichtlich der Schriftform lediglich bemerkt: „Obwohl nur D. unterschrieben hat?“ und in seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren ausgeführt, da die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers erforderlich sei (§ 126 Abs. 1 BGB), sei die Frage, wer Aussteller sei, zu erörtern. Dieses an die Kandidatin gerichtete Ansinnen hält sich im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Prüfers, da auch das Bundesarbeitsgericht bereits für die Beurteilung der Einhaltung der Schriftform eine ordnungsgemäße Unterzeichnung der vertretungsberechtigten Arbeitgeber fordert (vgl. BAG, Urteil vom 21.04.2005 - 2 AZR 162/04 -, NJW 2005, 2572). Auch die Qualifizierung der Ausführungen der Klägerin zu § 622 BGB in der Klausurrandbemerkung als „nicht vertretbar“ ist - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - nicht zu beanstanden. Sie bezieht sich auf die Aussage der Klägerin: „Die 14-tägige Kündigungsfrist wurde daher nicht wirksam vereinbart, da diese gegen die Regelung des § 622 III BGB verstößt“. Dieses Ergebnis ist in der Tat unvertretbar, was auch das Verwaltungsgericht erkennt, indem es die Formulierung der Klägerin für unglücklich erachtet, jedoch aus dem Kontext schließen zu können glaubt, der Prüfer habe die Ausführungen zur Kündigungsfrist nicht als falsch oder fehlerhaft werten dürfen. Dies hat er in seinem Gutachten auch nicht, sondern die Ausführung, insbesondere hinsichtlich der Kündigungsfrist als „nicht brauchbar“ bezeichnet, was durch seinen Beurteilungsspielraum gedeckt ist.
67 
Soweit das Verwaltungsgericht die Einwände der Klägerin gegen die Beurteilung der Klausur zurückgewiesen hat, schließt sich der Senat dem an; dies gilt insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, die Prüfungsaufgaben lägen außerhalb des Prüfungsstoffes (bezüglich der Prüfung des AGG vgl. Senatsbeschluss vom 25.08.2009 - 9 S 1099/09 -). Soweit die Klägerin meint, die Prüfer hätten sich mit den Anforderungen, die an den Prüfling gestellt werden, nicht auseinandergesetzt, verkennt sie den Gehalt der Äußerung des Erstprüfers im Überdenkungsverfahren; soweit sie im Übrigen die Bewertung der Klausur im Zusammenhang mit der Prüfung des AGG angreift (Schriftsatz vom 24.05.2010, S. 16/17), so setzt sie ihre Bewertung der Klausur an die Stelle derjenigen der Prüfer. Ein Beurteilungs- oder Bewertungsfehler wird hiermit nicht aufgezeigt. Dies gilt auch, soweit es sich um die Behandlung der Haftung des in die Gesellschaft Eingetretenen handelt (Klageschrift S. 21/22).
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Klausur Nr. 4
69 
Das Verwaltungsgericht hält die Bewertung dieser Klausur (lediglich) deshalb fälschlicher Weise (siehe oben) für fehlerhaft, weil insgesamt in Mannheim ein unzutreffender Bewertungsmaßstab zugrunde gelegt worden sei. Die einzelnen Rügen der Klägerin gegen die Prüferbeurteilungen hält es jedoch nicht für durchschlagend. Letzteres hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend näher begründet, sodass der Senat hierauf verweisen kann. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren - zulässigerweise - diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts angreift, bleibt ihr Bemühen ohne Erfolg.
70 
Die Erstprüferin, der sich der Zweitprüfer angeschlossen hat, führt in ihrem Gutachten aus: „Verfasser setzt sich ausführlich mit den verschiedenen Vorsatztheorien auseinander, erkennt jedoch nicht, dass nach keiner der Theorien dolus eventualis vorliegt. Er meint, wer sich mit einer Gefährdung abfindet, findet sich auch mit der Verletzung ab“. Auf den Vortrag der Klägerin im Widerspruchsverfahren, der im Berufungsverfahren der Sache nach nur wiederholt wird, führt die Erstprüferin im Überdenkungsverfahren aus: „Richtig ist, dass der Kandidat bei C. alle Vorsatztheorien dargestellt hat. Die Aufgabe lautet jedoch nicht, die verschiedenen Vorsatztheorien darzustellen, sondern sie auf einen gegebenen Sachverhalt anzuwenden. Dies hat Verfasser vorliegend jedoch nicht getan, sonst hätte er erkannt, dass nach keiner Vorsatztheorie vorliegend ein Verletzungsvorsatz vorgelegen hat. Der Sachverhalt in der Aufgabe war eindeutig formuliert, nämlich, dass sich C. mit der Entstehung einer gefährlichen Situation abgefunden hat, jedoch nicht damit rechnete, dass es zu Verletzungen kommen wird. Damit ist die Lösung des Verfassers nach allen Meinungen in Literatur und Rechtsprechung unvertretbar.“ Dass dies zutrifft, kann der Senat ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens feststellen, zumal das von der Klägerin für ihre Ansicht herangezogene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.06.2000 - 4 Str 172/00 - offensichtlich aufgrund der besonderen Fallgestaltung keine auf den Klausurfall übertragbaren Grundsätze enthält.
71 
Soweit das Verwaltungsgericht die Kritik der Klägerin an der fehlenden positiven Bewertung der von ihr dargelegten Theorien zum Versuchsbeginn ablehnt, ist lediglich darauf hinzuweisen, dass zwar das Verwaltungsgericht es für nicht vertretbar erachtet hat, den Versuchsbeginn bereits in der Vollendung der Manipulation an den Bremsen zu sehen. Die Erstprüferin hat dagegen jedoch lediglich ausgeführt: „Verfasser setzt sich ebenfalls mit allen Theorien zum unmittelbaren Ansetzen auseinander, erkennt jedoch nicht, dass nach allen Theorien das unmittelbare Ansetzen auch nach der Lösung des Verfassers erst in der Übergabe des manipulierten Fahrzeuges an S. zur Probefahrt zu sehen ist, nicht schon in der Manipulation selbst“. Genau dies trifft zu. Damit wird die Klausur der Klägerin gewürdigt, insbesondere ihr Lösungsansatz. Zum Vortrag der Klägerin hinsichtlich der „Prüfung von § 263 StGB“ ist noch darauf hinzuweisen, dass die Prüfer nur das bewerten können und dürfen, was in der Klausur niedergeschrieben ist, und nicht das, was der Klausurverfasser meint zum Ausdruck gebracht zu haben. Es ist zwar richtig, dass ein Prüfer sich bemühen muss, den Gedankengang des Prüflings nachzuvollziehen. Unvollkommene Ausführungen sind jedoch unvollkommen und als solche auch zu bewerten.
72 
Soweit die Klägerin vorträgt, das Strafprozessrecht gehöre nur im Überblick zum Prüfungsstoff und daher dürfe die Prüfung einer analogen Anwendung einzelner Vorschriften nicht erwartet werden, übersieht sie, dass die Auslegungsmethode der Analogie zum Grundbestand der Rechtswissenschaft gehört und deshalb von einem Kandidaten im Ersten juristischen Examen erwartete werden kann.
73 
Klausur Nr. 5
74 
Die Klägerin hebt darauf ab, die kurze Prüfung von § 315b StGB sei zu Recht erfolgt. Das Verwaltungsgericht vertritt die Ansicht, die Klägerin habe eine eigentliche Prüfung nicht vorgenommen, sondern lediglich eine Klarstellung und deshalb sei die Bewertung durch den Erstprüfer, die Erörterung dieser Vorschrift sei fernliegend gewesen, zu bemängeln. Beides ist unrichtig.
75 
Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Erstprüfer bei einer „normalen Trunkenheitsfahrt“ eine Prüfung der Vorschrift über den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) für fernliegend hält. Dies ist durch seinen Beurteilungsspielraum gedeckt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts beruht auf einer Motivforschung hinsichtlich der Ausführungen der Klägerin. Ein sachlicher Anknüpfungspunkt hierfür fehlt.
76 
Wenn die Prüfer die Kenntnis der Grenzwerte für die absolute Fahrtüchtigkeit erwarten, so liegt hierin keine Überdehnung der Prüfungsanforderungen. Die Ausführungen in der Klausur hinsichtlich der Urkundeneigenschaft eines Kfz-Kennzeichens sind, wie die Prüfer rechtsfehlerfrei bemängelten, nicht nur als solche zu beanstanden, sondern auch in sich widersprüchlich, da die Klägerin in ihrer Arbeit zum einen dem Kennzeichen Urkundenqualität beimisst und zum anderen erst durch dessen Entfernen vom Pkw einen entsprechenden Straftatbestand für verwirklicht erachtet. Auf diesen Unterschied ist in der Korrektur hingewiesen worden. Der Erstprüfer hat - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - nicht in den Antwortspielraum des Prüflings eingegriffen, indem er eine Nachteilszufügungsabsicht durch die Entfernung des Kfz-Kennzeichens „im Hinblick auf die Polizei“ bereits im Ansatz für falsch hält. Denn die Klägerin begründet ihre - von keiner gewichtigen Stimme in Rechtsprechung oder Literatur vertretene - Ansicht nicht, wie der Erstprüfer im Überdenkungsverfahren darlegt.
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Die Ausführungen des Zweitgutachters, die gelegentlich sehr pointiert sind, zeigen gleichwohl noch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Bewertungsgrundsatz der Sachlichkeit auf, der jeden Prüfer dazu verpflichtet, sachfremde Erwägungen zu unterlassen und Prüfungsleistungen mit innerer Distanz und emotionsfrei zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.09.1984 - 7 C 57/83 -, BVerwGE 70, 143 [151 f.] und Senatsurteil vom 24.04.1990 - 9 S 3227/89 -).
78 
Die Forderung, der Prüfer müsse die Prüfungsleistung objektiv beurteilen, bedeutet nicht, dass die Bewertung und Beurteilung nicht von der Persönlichkeit des Prüfers geprägt sein dürfte. Dies ändert nichts daran, dass er stets zur Sachlichkeit verpflichtet ist, dass er sich zu bemühen hat, die Darlegungen des Prüflings richtig zu verstehen und auf dessen Gedankengänge einzugehen. All das schließt es indes nicht aus, auf schlechte schriftliche Leistungen mit harten Bemerkungen zu reagieren, etwa eine abwegige Äußerung mit dem Begriff „Unsinn“ oder inhaltsleere Ausführungen mit der Bezeichnung „Phrasen“ zu kennzeichnen (so BVerwG, Urteil vom 20.09.1984, a.a.O.). Auch drastische Anmerkungen lassen als solche nicht den Schluss auf die Unsachlichkeit der Beurteilung zu; gleiches gilt auch für eine Häufung negativer Bewertungen. Unsachlich wird die Bewertung erst dann, wenn der Prüfer seiner Verärgerung über schwache Prüfungsleistungen freien Lauf lässt und dadurch die Gelassenheit und emotionale Distanz verliert, ohne die eine gerechte Beurteilung schwerlich gelingen kann. Ob dies der Fall ist, bemisst sich - wie oben bereits ausgeführt - anhand der Korrekturbemerkungen auf der Klausur, des Gutachtens sowie der Stellungnahme im Überdenkungsverfahren.
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Als Randbemerkungen in der Klausur finden sich Worte wie „schief“ (dreimal), „ganz schief“ (einmal), „abseitig“ (einmal), „abwegig“ (einmal) sowie die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil bereits erwähnten Bemerkungen: „schwache Darstellung!“, „ist nur „vorliegend“ ein Unfall ein Unglücksfall?“, „Subsumtion?“, „Was soll das heißen?“, „falsche Baustelle“. Diese Anmerkungen rechtfertigen nicht den Schluss, der Zweitprüfer sei emotional gehindert gewesen, die Klausur sachgerecht zu bewerten. Eine Subsumtion oder Argumentation als „schief“ oder „ganz schief“ zu bezeichnen, verdeutlicht - noch nicht einmal in drastischer Weise -, dass der Prüfer einen Mangel der Prüfungsleistung sieht. Für die Kennzeichnung mit „abwegig“ gilt nichts anderes. Abwegige Auffassungen dürfen auch als solche bezeichnet werden. Gleiches gilt für eine schwache Darstellung, wobei der Zusatz „ist nur „vorliegend“ ein Unfall ein Unglücksfall?“ wohl als Begründung zu verstehen ist. Die Verwendung der Worte „falsche Baustelle“ weist unschwer auf einen Aufbaufehler hin.
80 
Das Gutachten, mit dem der Zweitprüfer die Note mangelhaft (2 Punkte) begründet, zeigt - auch im Zusammenhang mit den Klausurrandbemerkungen - keine unsachliche Korrektur der Klausur auf. Es heißt dort zwar, „die Arbeit ist ganz klar nicht mehr brauchbar! ... Danach wird kein einziges der Klausurprobleme sauber behandelt. …“ Dies ist eine deutliche Ausdrucksweise. Sie ist jedoch auch angebracht, denn der Zweitprüfer hat jedenfalls dann, wenn er eine vom Erstprüfer abweichende, schlechtere Note vergibt, ohne auf weitere, nicht bereits vom Erstprüfer aufgezeigte Mängel zu verweisen, darzutun, weshalb die schlechtere Note vergeben wird (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 10.11.2010 - 9 S 591/10 -).
81 
Die Ausführungen des Zweitprüfers im Überdenkungsverfahren zeigen weder auf, dass er bei der Korrektur der Arbeit das Gebot der Sachlichkeit verletzt hat, noch, dass er aufgrund einer emotionalen Voreingenommenheit im Überdenkungsverfahren nicht in der Lage gewesen ist, seine Beurteilung anhand des Widerspruchsvorbringens sachgerecht zu überprüfen.
82 
Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass im Überdenkungsverfahren der Prüfer grundsätzlich nur die gegenüber seiner Beurteilung vorgebrachten Rügen zu behandeln hat, nicht aber auch diejenigen, die sich gegen den anderen Beurteiler richten. Stellt aber der Zweitgutachter im Wesentlichen die gleichen Mängel fest wie sein Mitprüfer, der eine bessere Note vergeben hat, so ist es verständlich, wenn er seiner Verwunderung darüber Ausdruck verleiht, dass sogar diese bessere Note als nicht ordnungsgemäß erteilt angesehen wird. Auf eine Voreingenommenheit beim Überdenken der Rügen kann hieraus nicht geschlossen werden. Entsprechendes gilt bei all den vom Verwaltungsgericht im Einzelnen wiedergegebenen Bemerkungen des Zweitprüfers in seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren (VG-Urteil S. 21 bis 25). Der Zweitprüfer ist vielmehr in seiner Stellungnahme ausdrücklich und zielgerichtet auf den Vortrag der Klägerin eingegangen und hat dargelegt, dass und weshalb er eine Beurteilung mit zwei Punkten für sachgerecht hält. Mit der Formulierung „hätte er/sie sich nur die Mühe gemacht, einen subsumtionsfähigen Obersatz zu bilden … wäre ihm/ihr womöglich aufgegangen...“, wird zwar in deutlicher Form, jedoch zutreffend, die Ansicht des Prüfers zum Ausdruck gebracht, dass ein Obersatz fehlt und deshalb die nachfolgenden Ausführungen fehlerhaft sind. Entsprechendes gilt, soweit er darauf hinweist, dass die Klägerin rund 1 ½ Seiten auf die völlig unproblematische Kausalität verschwendet hat. Diese Äußerung steht im Zusammenhang damit, dass die Klägerin sich in ihrer Widerspruchsbegründung auf die Zeitnot bei der Klausur beruft, mit der sie fehlende oder unvollständige Ausführungen erklären will. Dass sich die Stellungnahme des Zweitprüfers in weiten Teilen wie eine Rechtfertigungsschrift hinsichtlich der vergebenen Punktzahl liest, dürfte sich daraus ergeben, dass den im Überdenkungsverfahren vorgebrachten Hinweisen und Einwendungen des Widersprechenden nicht gefolgt worden ist. Eine mangelnde Offenheit gegenüber den von der Klägerin im Widerspruchsverfahren erhobenen Rügen lässt sich hieraus nicht ableiten.
83 
Die Anforderungen an die Klausurbearbeitung sind auch nicht überspannt. Die Klägerin wurde nicht „heruntergeprüft“ und der Zweitprüfer hat auch die Anforderungen an die Beurteilung und die zu vergebende Note nicht verkannt. Eine an erheblichen Mängeln leidende, im Ganzen nicht mehr brauchbare Leistung ist mangelhaft und mit 1 bis 3 Punkten zu bewerten (§ 15 JAPrO). Dieser Notenbeschreibung entsprechen sowohl das Gutachten des Zweitprüfers als auch seine Ausführungen im Überdenkungsverfahren. Es ist zwar richtig, wie das Verwaltungsgericht formuliert, dass ein Prüfer nicht verlangen darf, dass bereits für die Schwellennote „ausreichend“ alle im Sachverhalt angelegten Probleme erkannt und weitgehend zutreffend bearbeitet werden. Auch trifft zu, dass der Bereich der Note „ausreichend“ zwischen 4 und 6 Punkten eine Leistung erfasst, „die trotz ihrer Mängel durchschnittlichen Anforderungen noch entspricht“. Dies hat der Zweitprüfer nicht verkannt und deutlich die Mängel in der Klausurbearbeitung aufgezeigt und benannt. Die dagegen vorhandenen positiven Ansätze wurden in hinreichendem Umfang erwähnt. Dass - was das Verwaltungsgericht bemängelt (Urteilsabdruck S. 24/25) - die Negativäußerungen des Prüfers überwiegen, ist der Notenvergabe geschuldet, nicht jedoch einer fehlerhaften Einordnung der Prüfungsleistung der Klägerin in das Notensystem des § 15 JAPrO.
84 
Klausur Nr. 6
85 
Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Aufgabenstellung nicht außerhalb des Prüfungsstoffes liegt. Nach § 5 Nr. 9a und b JAPrO sind Studien- und Prüfungsfächer das Staatsrecht (ohne Notstandsverfassungsrecht) und aus dem Verfassungsprozessrecht im Überblick: die grundlegenden Verfahrensarten (Organstreit, Normenkontrolle, Verfassungsbeschwerde, Bund-Länder-Streitigkeiten). Die Aufgabenstellung dieser Klausur stellt keine Anforderungen, die über das Staatsrecht oder einen Überblick hinsichtlich verfassungsprozessualer Fragen hinausgeht, die nicht mit Grundkenntnissen und allgemeinen Rechtsanwendungs- und Auslegungsregelungen beherrschbar wären. Soweit das Verwaltungsgericht rügt, die Prüfer hätten zu Unrecht die Diskussion einer sogenannten „verkappten Regierungsvorlage“ gefordert, findet das im Akteninhalt keinen Anhalt. Keiner der beiden Prüfer hat in den Klausurrandbemerkungen, seinem Gutachten oder seiner Stellungnahme im Überdenkungsverfahren eine diesbezügliche Erörterung verlangt oder deren Fehler bemängelt.
86 
Fehl geht allerdings die Ansicht des Beklagten, die Frage, ob eine Aufgabenstellung außerhalb des Prüfungsstoffes liege, sei dem Verfahrensrecht zuzuordnen und deshalb nach Verstreichen der Rügefrist (§ 24 Abs. 2 Satz 3 JAPrO 1993) unbeachtlich (§ 24 Abs. 2 Satz 4 JAPrO). Die Frage, was Prüfungsstoff der Ersten Juristischen Staatsprüfung sein kann, ist dem materiellen Prüfungsrecht und nicht dem Prüfungsverfahrensrecht, das den Ablauf, nicht aber den Inhalt der Prüfung bestimmt, zuzuordnen.
87 
Klausur Nr. 7
88 
Soweit das Verwaltungsgericht die Einwendungen der Klägerin als nicht durchschlagend angesehen hat, stimmt dem der Senat zu. Das dagegen gerichtete Berufungsvorbringen der Klägerin, das im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag wiederholt, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
89 
Soweit das Verwaltungsgericht die Beurteilung des Erstprüfers beanstandet, die Klausur habe § 31 Abs. 2 BestattungsG nicht als eigenständige Ermächtigungsgrundlage für den Kostenbescheid geprüft, ist dies fehlerhaft. Denn die Klägerin hat in ihrer Klausur (dort S. 6/7) die genannte Regelung gerade nicht als eigenständige Ermächtigungsgrundlage geprüft, sondern ausgeführt: „Also sind S. und T. nach § 31 II BestattungsG verpflichtet, die Kosten der Bestattung des V. zu tragen, mithin nach allgemeinen gesetzlichen Grundlagen i.S.v. § 2 I a Nr. 2 GSBW“.
90 
Auch soweit der Erstgutachter die Prüfung der Widerspruchsbefugnis durch die Klägerin (Klausur Seite 17) mit der Randbemerkung „welches Recht?“ versehen hat, sind Bewertungsfehler nicht erkennbar. Denn hiermit wird offenkundig eine Erläuterung der - von der Klägerin angeführten - Adressaten-theorie angemahnt, nach der für den Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts stets die Möglichkeit einer Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG besteht. Im Übrigen ist die Bearbeitung der Widerspruchsbefugnis in dem ausgearbeiteten Erstgutachten nicht negativ erwähnt worden.
91 
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Erstprüfer habe die Ausführungen der Klägerin zu Aufgabe 2 nicht weiter in die Bewertung einbezogen, entbehrt der tatsächlichen Grundlage. Auch das Verwaltungsgericht erkennt, dass der Prüfer sehr wohl Mängel bei der Bearbeitung dieser Aufgabe aufgezeigt hat, es vermisst jedoch die Bewertung aus seiner Sicht positiver Ansätze in der Klausur. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn ein Prüfer bei der Vergabe der Note „mangelhaft (2 Punkte)“ die Fehler und Mängel in den Vordergrund stellt und mehr oder minder Selbstverständliches nur abhakt. Hier hat der Erstprüfer in seinem schriftlichen Gutachten zusätzlich ausgeführt, dass die Klägerin die elektronische Signatur zumindest kurz angesprochen und somit also auch Positives gesehen hat.
92 
Soweit das Verwaltungsgericht als Prüfungsleitlinie vorgeben will, dass eine Bewertung mit 2 Punkten „voraussetzt, dass annähernd keine substantiellen Kenntnisse vorhanden sind“, ist auf die normative Regelung des § 15 JAPrO zu verweisen.
93 
Weitere Ausführungen zu den Vorgaben des Verwaltungsgerichts für eine Neubewertung erübrigen sich, da eine solche nicht vorzunehmen ist.
94 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
95 
Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.
96 
Beschluss vom 10. November 2010
97 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt (vgl. §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 36.1 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327).
98 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Neubewertung zweier Aufsichtsarbeiten in der zweiten Staatsprüfung für Juristen, die Neuabnahme und Bewertung des Aktenvortrags in der mündlichen Prüfung sowie die Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote.

2

Der Kläger schloss sein rechtwissenschaftliches Studium durch die erste Prüfung für Juristen mit der Note „vollbefriedigend“ (10,90 Punkte) ab. Seine Leistungen als Referendar in den Stationen des juristischen Vorbereitungsdienstes wurden wie folgt bewertet:

3

Strafrechtsstation

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Zivilrechtsstation

„gut“ 

(14 Punkte)

Wahlstation

„gut“ 

(15 Punkte)

Verwaltungsstation

„befriedigend“

(9 Punkte)

Anwaltsstation (zweigeteilt, jeweils)

„gut“ 

(15 Punkte)

Wahlstation

„sehr gut“

(17 Punkte)

4

In der zweiten Staatsprüfung für Juristen fertigte der Kläger vom 7. bis 19. Februar 2008 die Aufsichtsarbeiten, welche zunächst wie folgt bewertet wurden:

5

Zivilrecht I

„gut“ 

(13 Punkte)

Zivilrecht II

„befriedigend“

(9 Punkte)

Zivilrecht III

„mangelhaft“

(3 Punkte)

ZHG     

„ausreichend“

(5 Punkte)

Strafrecht I

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Strafrecht II

„befriedigend“

(7 Punkte)

Öffentliches Recht I

„gut“ 

(14 Punkte)

Öffentliches Recht II

„mangelhaft“

(3 Punkte)

6

Am 26. Juni 2008 unterzogen sich der Kläger und seine Mitprüflinge, darunter die Zeugen A. und B., der mündlichen Prüfung, die von der Zeugin C. als Vorsitzende und Prüferin im Pflichtfach Öffentliches Recht, dem Zeugen D. als Prüfer im Pflichtfach Strafrecht, dem Zeugen Dr. E. als Prüfer im Wahlfach Öffentliches Recht sowie den Rechtsanwalt Dr. G. als Prüfer im Pflichtfach Zivilrecht abgenommen wurde. Der Aktenvortrag und die vier Abschnitte des Prüfungsgesprächs wurden wie folgt bewertet:

7

Aktenvortrag

„ausreichend“

(6 Punkte)

Pflichtfach Zivilrecht

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Pflichtfach Öffentliches Recht

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Pflichtfach Strafrecht

„befriedigend“

(8 Punkte)

Wahlfach Öffentliches Recht

„gut“ 

(14 Punkte)

8

Der Prüfungsausschuss sah von einer Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote ab. Der Kläger erreichte ausweislich des Ergebnisbescheids vom selben Tag in der zweiten Staatsprüfung für Juristen die Note „befriedigend“ (8,78 Punkte).

9

Der Kläger legte gegen den Bescheid mit einem auf den 30. Juni 2008 datierten und beim Gemeinsamen Prüfungsamt am 1. Juli 2008 eingegangenen Schreiben Widerspruch ein. Er führte aus, die Schlussentscheidung sei fehlerhaft, da eine Anhebung über das rechnerisch ermittelte Ergebnis hinaus nicht „ernsthaft erwogen“ worden sei und der Prüfungsausschuss darüber erneut zu entscheiden habe. Dazu nahmen die Prüfer Stellung und hielten an ihrer Entscheidung fest. Der Kläger begründete den Widerspruch unter dem 26. November 2008 weiter. In einer zusätzlichen Widerspruchsbegründung vom 22. März 2009 führte der Kläger dazu aus, dass er die Promotion und einen Master-Abschluss erworben habe und als […] tätig sei. In den beiden auf den 23. Juli 2010 datierten ergänzenden Widerspruchsbegründungen wandte sich der Kläger im Einzelnen gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeiten ZR III und ZHF. Die Gutachter der Aufsichtsarbeit ZR III blieben in ihren ergänzenden Stellungnahmen vom 3. August 2010 und 7. September 2010 bei ihrer Bewertung. Die Gutachter der Aufsichtsarbeit ZHG hoben mit ihren ergänzenden Stellungnahmen vom 24. August 2010 und 6. September 2010 ihre Bewertung auf die Note „ausreichend“ (6 Punkte) an. Mit einer zusätzlichen Widerspruchsbegründung vom 24. September 2010 brachte der Kläger vor, der Prüfungsausschuss sei „zumindest teilweise befangen“ und müsste die Entscheidung über die Abweichung überdenken. Das Gemeinsame Prüfungsamt der Beklagten schrieb die Zeugin C., den Zeugen D. und den Zeugen Dr. E. unter dem 30. September 2010 an und bat um Stellungnahme; der Prüfer Dr. G. war mittlerweile verstorben. Die Zeugin C. teilte mit Schreiben vom 29. November 2011 „nach Rücksprache mit Herrn D. und Herrn Dr. E. und im Einverständnis mit diesen“ mit, dass die erzielte Notenanhebung nicht zu einer – gegenüber der bisherigen – anderslautenden Entscheidung über die Vergabe von Zusatzpunkten führe. Nach einer weiteren Widerspruchsbegründung vom 23. Dezember 2010 änderte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2011 die Gesamtnote auf „befriedigend“ (8,87 Punkte) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.

10

Zur Begründung der am 7. Juni 2011 erhobenen Klage bringt der Kläger vor, er habe wegen der von ihm erhobenen Bewertungsrügen Anspruch auf Neubewertung der zwei angegriffenen Klausuren durch jeweils beide Votanten. Er könne eine Neuentscheidung über die Vergabe von Zusatzpunkten beanspruchen. Ferner habe er Anspruch auf eine erneute Abnahme des Aktenvortrags, da die Zeugin C. und der Zeuge D. befangen gewesen seien. Die Zeugin C. habe im Zuge der Eröffnung des Gesamtergebnisses geäußert, sie habe sich während des Aktenvortrags des Klägers gefühlt wie in einer seiner Unterrichtsstunden und sie selbst habe in einem der beiden Examina das Prädikat knapp verfehlt. Der Zeuge D. habe ebenfalls geäußert, dass er selbst in einem der beiden Examina das Prädikat knapp verfehlt habe. Ferner habe der Zeuge D. ihn, den Kläger, während der Strafrechtsprüfung angeschrien mit den Worten „Sind Sie wahnsinnig?“ und nach Eröffnung des Ergebnisses der mündlichen Prüfung mitgeteilt, er sei bei Betreten des Prüfungsraums durch den Kläger von dessen Erscheinungsbild enttäuscht gewesen. Der Kläger trägt weiter vor, er habe der für das Gemeinsame Prüfungsamt tätigen Zeugin F. in einem Gespräch einige Tage nach der mündlichen Prüfung die „persönlichen Dinge“ eröffnet, aber auf ihr Anraten hin nicht in seinen Widerspruch einbezogen.

11

Der Kläger beantragt,

12

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2011, soweit entgegenstehend, zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über das Ergebnis der zweiten Staatsprüfung für Juristen neu zu bescheiden

13

1. nach Neubewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III,
2. nach Neubewertung der Aufsichtsarbeit ZHG,
3. nach Neuabnahme und Bewertung des Kurzvortrags,
4. nach Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote.

14

Die Beklagte beantragt

15

die Klage abzuweisen.

16

Die Beklagte verteidigt die getroffene Prüfungsentscheidung, tritt den Rügen gegen die Bewertung der beiden bezeichneten Aufsichtsarbeiten, den gegen zwei Prüfer erhobenen Rügen der Befangenheit und den gegen die Entscheidung über die Abweichung vom rechnerischen Ergebnis erhobenen Rügen entgegen.

17

Das Gericht hat den Kläger in Person angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C., D., Dr. E., A., B. und F.. Einen Beweisantrag des Klägers im Hinblick auf Äußerungen der Zeugin C. im Zusammenhang mit der mündlichen Prüfung hat das Gericht abgelehnt.

18

Die Sachakten der Beklagten, bestehend aus der Prüfungsakte, dem Widerspruchsvorgang und einem Hefter mit den Aufgabenstellungen der Aufsichtsarbeiten, sind beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Auf diese sowie auf die Gerichtsakte wird wegen der Einzelheiten einschließlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die Entscheidung trifft die Kammer gemäß § 112 VwGO in der sich nach einem Wechsel in der Zusammensetzung zwischen Eröffnung der mündlichen Verhandlung am 23. Januar 2014 und Schluss der mündlichen Verhandlung am 11. Dezember 2014 ergebenden geschäftsplanmäßigen Besetzung (vgl. Clausing, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 112 Rn. 4).

I.

20

Die zulässige Klage hat in der Sache gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO keinen Erfolg. Der Bescheid vom 26. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat den Kläger frei von Rechtsfehlern über das Ergebnis der zweiten Staatsprüfung für Juristen mit der Note „befriedigend“ (8,87 Punkte) beschieden.

21

Grundlage der Prüfungsentscheidung sind die für juristische Prüfungen einschlägigen Vorschriften im Deutschen Richtergesetz (i.d.G. der Bekanntmachung v. 19.4.1972, BGBl. I S. 713, in den maßgebenden Bestimmungen zuletzt geändert durch Gesetz v. 11.7.2002, BGBl. I S. 2592 – DRiG), die hinsichtlich der zweiten Staatsprüfung für Juristen in den beteiligten Ländern durch die Übereinkunft der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein über ein Gemeinsames Prüfungsamt und die Prüfungsordnung für die zweite Staatsprüfung für Juristen (ratifiziert durch Gesetz v. 26.6.1972, HmbGVBl. S. 119; letzte Änderung ratifiziert durch Gesetz v. 19.2.2008, HmbGVBl. S. 71 – LÜ) umgesetzt worden sind (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 8.9.2004, 9 A 34/04, juris Rn. 23 ff.).

22

Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass die Beklagte ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bescheidet. Im Einzelnen kann der Kläger weder eine Neubewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III (1.) oder der Aufsichtsarbeit ZHG (2.) noch eine Neuabnahme und Bewertung des Kurzvortrags (3.) noch eine Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote (4.) verlangen.

23

1. Der Kläger kann keine Neubewertungen der Aufsichtsarbeit ZHG beanspruchen. Ausgehend von den Maßstäben der gerichtlichen Kontrolle (a)) hat die übereinstimmende Bewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III durch Erst- und Zweitvotanten mit der Note „mangelhaft“ (3 Punkte) Bestand (b)).

24

a) Die Bewertung der Aufsichtsarbeiten in der zweiten Prüfung für Juristen durch je zwei Votanten findet ihre Grundlage in § 11 Abs. 1 LÜ. Bei der Bewertung der Leistungen in berufsbezogenen Prüfungen ist ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum anzuerkennen (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 54; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 877 ff.). Das Gebot der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG erfordert eine Bewertung der Leistungen aller Prüflinge nach den Maßstäben der Prüfer. Das Gericht kann sich nicht an die Stelle der Prüfer setzen. Das Gericht kann nur überprüfen, ob das Verfahren eingehalten wurde, anzuwendendes Recht verkannt wurde, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzt wurden oder sachfremde Erwägungen ausschlaggebend waren (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, Rn. 56). Es obliegt dem Prüfling, konkrete und substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung zu benennen (BVerwG, Beschl. v. 23.12.1993, 6 B 19/93, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 326, juris Rn. 8; OVG Hamburg, Beschl. v. 17.7.2008, 3 Bf 351/07.Z, NVwZ-RR 2008, 851, juris Rn. 23). Der prüfungsrechtliche Bewertungsspielraum ist jedoch auf prüfungsspezifische Wertungen beschränkt, erstreckt sich also nicht auf alle fachlichen Fragen, die den Gegenstand der Prüfung bilden (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, Rn. 49). Unter fachlichen Fragen fallen sowohl Fragen, die fachwissenschaftlich geklärt sind, als auch solche, die in der Fachwissenschaft kontrovers behandelt werden (BVerwG, Urt. v. 17.12.1997, 6 B 55/97, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 385). Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar sind, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden; eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, Rn. 57).

25

b) Daran gemessen zeigen die vom Kläger erhobenen Einwendungen keinen für das Ergebnis erheblichen Fehler in der Bewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III auf.

26

In der Aufsichtsarbeit waren gemäß dem Bearbeitervermerk aus Anwaltssicht die Erfolgsaussichten einer bereits erhobenen Klage sowie das Bestehen sonstiger Ansprüche in einem Gutachten darzustellen. Bei Unzulässigkeit der Klage war in einem Hilfsgutachten zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen. Nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatten die Eigentümer eines Vorderlieger-Grundstücks die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zugunsten eines Hinterlieger-Grundstücks übernommen, eine Baulastfläche als ständig freizuhaltenden Zugang in einer Breite von mindestens 2,75 m zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich bestand eine Zufahrt über das Vorderlieger-Grundstück jedoch nur in einer Breite von 2,35 m. Die Mandanten kauften das Hinterlieger-Grundstück in der Annahme, die Breite betrage tatsächlich 2,75 m. Im Kaufvertrag wurde eine Grunddienstbarkeit vereinbart, nach welcher der Eigentümer des Hinterlieger-Grundstücks die mit der Baulast belastete Teilfläche zum Begehen und Befahren als Zugang nutzen könne. Die Gewährleistung wurde ausgeschlossen. Die Mandanten hatten bereits Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises erhoben, dabei Anfechtung und hilfsweise Rücktritt erklärt. Sie begehrten den Kaufpreis nebst Zinsen zurück und erstrebten die Erstattung weiterer Kosten.

27

Die vom Kläger gegen die Prüferkritik erhobenen Rüge betreffend die Prüfungsreihenfolge einzelner Ansprüche (aa)), die Prüfungsreihenfolge von Zulässigkeit und Begründetheit der zivilgerichtlichen Klage (bb)) sowie die Abgrenzung eines Mangels und eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (cc)) dringen nicht durch.

28

aa) Der Einwand des Klägers gegen die Prüferkritik an der Reihenfolge, in der die Ansprüche geprüft wurden, dringt nicht durch.

29

Der Kläger begann die Prüfung mit Ansprüchen aus Rückgewährschuldverhältnis nach Rücktritt (S. 1 der Bearbeitung).

30

Der Erstvotant merkte am Rand der Bearbeitung sowie im Erstvotum an, es sei wegen der erklärten Anfechtung besser mit Bereicherungsansprüchen zu beginnen. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte der Erstvotant aus, die Prüfungsreihenfolge sei aus seiner Sicht kein für die Beurteilung wichtiger Umstand. Der Zweitvotant hielt im Zweitvotum die Anfechtung für vorrangig und bekräftigte in seiner ergänzenden Stellungnahme, es stünden nach dem Wunsch des Mandanten die Anfechtung und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen im Vordergrund. Deshalb sei es geboten gewesen, mit der Anfechtung materiell-rechtlich zu beginnen.

31

Der Kläger hat gegen die Prüferkritik eingewandt, die Reihenfolge der Prüfung sei vertretbar und lediglich eine Frage der Zweckmäßigkeit.

32

Damit ist kein Fehler in der Bewertung der vom Kläger erbrachten Prüfungsleistung aufgezeigt. Der Antwortspielraum des Prüflings umfasst es nicht, eine erkennbar unzweckmäßige Prüfungsreihenfolge zu wählen. Zwar dürften nach der Grundregel die einen wirksamen Vertrag voraussetzenden Ansprüche auf Rückgewähr vor gesetzlichen Ansprüchen auf Herausgabe der Bereicherung zu prüfen sein. Wenn ein Mandant jedoch bereits vorrangig Anfechtung und hilfsweise Rücktritt erklärt hat, drängt sich auf, zunächst die sich aufgrund des durchdringenderen Gestaltungsrechts der Anfechtung etwaig ergebenden gesetzlichen Bereicherungsansprüche zu prüfen. Ansonsten käme es bei der Prüfung eines Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises aus Rückgewährschuldverhältnis zu einer leicht vermeidbaren Inzidentprüfung, ob der nach § 346 Abs. 1 BGB vorausgesetzte Vertrag durch Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend vernichtet ist. Darüber hinaus umfasst der aus einer Anfechtung wegen Arglist folgende Bereicherungsanspruch gemäß §§ 818 Abs. 2, Abs. 4, 819 Abs. 1, 142 Abs. 2 BGB auch den Wert der gezogenen Nutzungen.

33

bb) Ebenso hat die Prüferkritik an der Prüfungsreihenfolge von Zulässigkeit und Begründetheit Bestand.

34

Der Kläger prüfte die Zulässigkeit (S. 21 der Bearbeitung) nach einer die Prüfung in der Sache beinhaltenden Schlüssigkeitsstation (S. 1 ff. der Bearbeitung).

35

Der Erstvotant übte an dieser Reihenfolge keine Kritik. Der Zweitvotant bemerkte im Zweitvotum, es sei geboten, mit der Zulässigkeit der Klage zu beginnen. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte er aus, es sei nach seinem Verständnis vorweg die Zulässigkeit kurz zu prüfen, da in diesem Fall der Anwalt das Mandat von einem Kollegen übernommen habe.

36

Der Kläger hat gegen die Prüferkritik eingewandt, die gewählte Reihenfolge sei vertretbar. Etliche Voraussetzungen der Zulässigkeit richteten sich nach der materiellen Rechtslage.

37

Zu Recht hat der Zweitvotant einen dem Einzelfall nicht angemessen Prüfungsaufbau gerügt. Wie im Widerspruchsbescheid ausgeführt, hat der Kläger in der Bearbeitung die Besonderheit des Einzelfalls übersehen, die darin liegt, dass nach Erhebung der Klage ein Anwaltswechsel stattgefunden hat. Für den Fall, dass der Mandant die Erhebung einer Klage erst noch beabsichtigt und der Bearbeitervermerk nichts anderes anordnet, mag in einer Anwaltsklausur üblicherweise die materielle Rechtslage vor der Zulässigkeit eines sich auf Grundlage der Prüfung in der Sache erst zu bestimmenden Rechtsbehelfs zu erörtern sein. Gemäß Bearbeitervermerk waren aber die Erfolgsaussichten der erhobenen Klage zu prüfen. Dies impliziert die Prüfung von Zulässigkeit und Begründetheit in dieser Reihenfolge. Bei Unzulässigkeit der Klage war in einem Hilfsgutachten zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen, was ebenfalls eine Prüfung der Zulässigkeit vor einem Einstieg in die Sachprüfung voraussetzt.

38

cc) Desgleichen ist die Prüferkritik hinsichtlich der Abgrenzung zwischen einem dem Kaufgegenstand anhaftenden Mangel und einem Wegfall der Geschäftsgrundlage des Kaufvertrags nicht zu beanstanden.

39

Der Kläger führte aus (S. 4 f. der Bearbeitung), ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB, d.h. ein Abweichen von der vereinbarten Beschaffenheit, scheide aus, weil eine Zufahrt zum Grundstück vereinbart sei, nicht aber eine Breite von 2,75 m. Ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB sei gegeben, da keine Eignung zur Bebauung als vorausgesetzter Verwendung bestehe. Der Kläger prüfte und bejahte sodann einen Anspruch aus Rückgewährschuldverhältnis wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (S. 10 ff. der Bearbeitung).

40

Der Erstvotant bemerkte am Rand der vom Kläger vorgenommenen Erörterung eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (S. 11 der Bearbeitung): „Dies begründet doch den Mangel“. Im Erstvotum führte er aus, es werde übersehen, dass wegen der Überwegung eine Grunddienstbarkeit bewilligt worden sei. Diese Grunddienstbarkeit habe sich auf eine Zuwegung mit einer ganz bestimmten Breite bezogen. Eine Verneinung der Beschaffenheitsvereinbarung sei kaum vertretbar. In seiner ergänzenden Stellungnahme setzte der Erstvotant hinzu, zur Beschaffenheit des Grundstücks dürfte eine mindestens 2,75 breite Zuwegung gehören. Der Zweitvotant legte im Zweitvotum dar, ein Wegfall der Geschäftsgrundlage liege sicherlich nicht vor. Die Baulast über die Grunddienstbarkeit sei Vertragsbestandteil geworden. In seiner ergänzenden Stellungnahme bezog der Zweitvotant sich auf die ergänzende Stellungnahme des Erstvotanten.

41

Der Kläger hat eingewandt, die Annahme eines Rechtsbindungswillens für eine Beschaffenheitsvereinbarung widerspreche dem im Kaufvertrag enthaltenen Gewährleistungsausschluss. Die Prüfung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage müsse vertretbar sein. Eine als vertretbar eingestufte Entscheidung dürfe nicht an anderer Stelle als falsch bewertet werden.

42

Die Votanten haben zu Recht kritisiert, dass der Kläger eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB verneint und einen Wegfall der Geschäftsgrundlage bejaht hat. Die in § 7 des Kaufvertrages enthaltenen Regelungen über die Folgen von Mängeln und Pflichtverletzungen beinhalten einen Haftungsausschluss und betreffen nicht die logisch vorrangige Frage, wann tatbestandlich Mängel vorliegen, also insbesondere die Frage einer Beschaffenheitsvereinbarung. Dieser Unterschied zeigt sich insbesondere darin, dass ein tatbestandlicher Ausschluss von Mängeln notwendig Gewährleistungsansprüchen entgegenstünde, ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss jedoch nach § 444 Alt. 1 BGB nicht wirksam ist, falls der Verkäufer arglistig gehandelt hat, was in der Aufsichtsarbeit in Betracht zu ziehen war. Es ist widersprüchlich, wenn der Kläger wegen der Breite der Zufahrt einen Sachmangel (S. 5 der Bearbeitung) und zugleich einen Wegfall der Geschäftsgrundlage (S. 11 der Bearbeitung) bejaht. Die Geschäftsgrundlage kann keine Überdeckung mit dem Inhalt des Geschäfts aufweisen. Geschäftsgrundlage sind gemäß § 313 Abs. 1, Abs. 2 BGB wesentliche Umstände und wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nicht der Inhalt des Vertrags selbst.

43

2. Der Kläger kann auch keine Neubewertung der Aufsichtsarbeit ZHG beanspruchen. Nach dem anzulegenden Maßstab (a)) hat die im Überdenkungsverfahren von beiden Votanten auf die Note „ausreichend“ (6 Punkte) angehobene Bewertung der Aufsichtsarbeit ZHG Bestand (b)).

44

a) Die Bewertung obliegt den Prüfern in den Grenzen ihres Beurteilungsspielraums (s.o. 1. a)). Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist dabei die prüferische Entscheidung in der Fassung, wie sie von den Prüfern im Rahmen ihrer Überdenkungsentscheidung getroffen worden ist (OVG Münster, Urt. v. 12.6.2013, 14 A 1600/11, NWVBl 2014, 68, juris Rn. 40; vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.3.2001, 6 B 6/01, NVwZ 2001, 922, juris Rn. 4).

45

b) Die vom Kläger gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeit ZHG erhobenen Bedenken zeigen keinen Beurteilungsfehler auf.

46

Nach dem Bearbeitervermerk war eine Entscheidung des Gerichts über eine Klage zu entwerfen. Die Klägerin in der Aufsichtsarbeit hatte Klage erhoben mit den angekündigten Klageanträgen, die Zwangsvollstreckung aus einem vorangegangenen Urteil des Beklagten gegen ihren Ehemann für unzulässig zu erklären 1. in bestimmte, näher bezeichnete Gegenstände und 2. in eine angebliche Forderung des Ehemanns der Klägerin gegen die Hausbank auf Rückgewähr einer Sicherungsgrundschuld an einem Grundstück, das im Miteigentum beider Eheleute stand. In der Aufsichtsarbeit erklärte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor Stellung der Anträge den Rechtsstreit hinsichtlich des angekündigten Antrags zu 2. für erledigt.

47

Die klägerischen Einwände gegen die Prüferkritik im Hinblick auf den Verkündungsvermerk (aa)), die Bezeichnung der Drittwiderspruchsklage im Urteilstatbestand (bb)), die Darstellung des erledigten Klageantrags (cc)), die Darstellung des Miteigentums (dd)), die Datumsangabe für eine Darlehensrückzahlung (ee)), die Bezeichnung des betreffenden Kraftfahrzeugs (ff)) sowie die Schlüsselgewalt (gg)) dringen nicht durch.

48

aa) Der – zunächst berechtigte – Einwand des Klägers hinsichtlich des Verkündungsvermerks hat sich durch die von den Votanten im Überdenkungsverfahren vorgelegten ergänzenden Stellungnahmen erledigt.

49

In der Bearbeitung zeigte der vom Kläger erstellte Urteilsentwurf keinen Verkündungsvermerk.

50

Dies wurde im ursprünglichen Erstvotum als Fehler moniert. Das ursprüngliche Zweitvotum schloss sich dem ursprünglichen Erstvotum an. In seiner ergänzenden Stellungnahme räumte der Erstvotant auf den Einwand des Klägers hin ein, dass der Verkündungsvermerk nicht vom Richter, sondern vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auf das Urteil gesetzt werde. Der Zweitvotant verhielt sich in seiner ergänzenden Stellungnahme nicht ausdrücklich zu diesem Punkt, schloss sich jedoch der durch die ergänzende Stellungnahme des Erstvotanten auf „ausreichend“ (6 Punkte) erhöhten Bewertung an.

51

Hinsichtlich des Verkündungsvermerks ist nunmehr keine Prüferkritik mehr geübt. Der Erstvotant hat seine im ursprünglichen Erstvotum geübte unberechtigte Kritik zurückgenommen. Der Zweitvotant hatte zunächst im ursprünglichen Zweitvotum durch Inbezugnahme des ursprünglichen Erstvotums die unberechtigte Kritik geteilt. Für den Zweitvotanten bestand, nachdem er von der ergänzenden Stellungnahme des Erstvotanten Kenntnis genommen und sich die Notenanhebung zu Eigen gemacht hatte, keine Veranlassung mehr zu weiteren Ausführungen zu der hinsichtlich des Verkündungsvermerks erledigten Prüferkritik.

52

bb) Der Einwand des Klägers hinsichtlich der Bezeichnung der Drittwiderspruchsklage im Urteilstatbestand zeigt keinen Bewertungsfehler auf.

53

Der Kläger führte im Einleitungssatz des Urteilstatbestandes ausdrücklich aus, es werde mit einer „Drittwiderspruchsklage“ vorgegangen (S. 3 der Bearbeitung), und begründete in der Zulässigkeitsprüfung die Statthaftigkeit einer Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 Abs. 1 ZPO (S. 9 der Bearbeitung)

54

In den Randbemerkungen (S. 3 und S. 9 der Bearbeitung) monierten die Votanten die Vornahme einer Bewertung im Urteilstatbestand. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte der Erstvotant aus, die Einordnung als Drittwiderspruchsklage sei erst im Rahmen der Zulässigkeit vorzunehmen. Der Zweitvotant bekräftigte in seiner ergänzenden Stellungnahme, die rechtliche Qualifizierung als Drittwiderspruchsklage habe im Tatbestand nichts zu suchen.

55

Der Kläger hat dagegen eingewandt, „unstreitige Rechtsbegriffe“, wie hier derjenige der Drittwiderspruchsklage, dürften im Tatbestand Verwendung finden.

56

Zu Recht hat der Kläger in den Entscheidungsgründen die rechtliche Einordnung als „Drittwiderspruchsklage“ normativ begründet. Denn, wie in der Klageerwiderung hervorgehoben, war in der Aufsichtsarbeit insoweit kein „unstreitiger Rechtsbegriff“ gegeben. Der Begriff „Drittwiderspruchsklage“ wurde von den Parteien im Sachverhalt der Aufsichtsarbeit nicht verwendet, so dass er vom Kläger im Urteilstatbestand nicht hätte zugrunde gelegt werden dürfen.

57

cc) Die Prüferkritik hinsichtlich der Darstellung des erledigten Klageantrags lässt keinen Beurteilungsfehler erkennen.

58

Der Kläger (S. 6 f.) stellte im entworfenen Urteilstatbestand zunächst – jeweils unter Einrückung im Original – folgende Anträge der Parteien dar:

59

„Die Klägerin beantragt

60

1. [es folgt der zu 1. angekündigte Klageantrag]

61

und beantragte zunächst

62

2. [es folgt der zu 2. angekündigte Klageantrag].“

63

Die Beklagte beantragt,

64

die Klage abzuweisen.“

65

Am Ende des entworfenen Urteilstatbestandes führte der Kläger (S. 8 der Bearbeitung) aus: „Aufgrund des Verzichts des Beklagten […] hat das Amtsgericht Siegen den diesbezüglichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss […] aufgehoben. In der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2007 hat die Klägerin den Antrag für erledigt erklärt.“

66

Die Votanten bemerkten am Rand der Darstellung des Klageantrags zu 2.: „hatte den Antrag angekündigt“. Der Erstvotant legte im Erstvotum dar, dass dem Verfasser nicht bekannt sei, dass Anträge nach § 137 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung gestellt sind. Die beiden Votanten hoben in ihren ergänzenden Stellungnahmen hervor, dass Klageanträge vor der mündlichen Verhandlung erst angekündigt würden.

67

Die Votanten notierten am Ende des Urteilstatbestandes: „Diese Form der Darstellung mag den Erfordernissen des § 313 ZPO entsprechen und auch in der Ausbildungslit. empfohlen werden – unüblich, mißverständlich und verwirrend ist sie jedenfalls.“ Im Erstvotum heißt es, der Tatbestand unterrichte im Wesentlichen vollständig, Probleme bestünden bei der ungeschickten Darstellung des Geschehens zum erledigten Klagantrag. Das Zweitvotum schließt sich dem Erstvotum an.

68

Der Kläger hat eingeräumt, es sei sicherlich richtig, dass Anträge in der Klageschrift lediglich angekündigt würden. Die gewählte Formulierung sei aber nicht falsch. In § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO werde davon ausgegangen, dass Anträge bereits in der Klageschrift gestellt würden. Erledigungserklärungen unterfielen nicht als Anträge § 313 Abs. 2 ZPO und gehörten in die Prozessgeschichte.

69

Die Prüfer haben die konkrete Darstellungsweise kritisiert, ohne damit die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschritten zu haben. Die vom Kläger in seiner Bearbeitung gewählte Formulierung „beantragte zunächst“ lässt nicht erkennen, dass – anders als ein Antrag zu 1. – ein Antrag zu 2. in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden war. Aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ergibt sich nur, dass die Klageschrift einen bestimmten Antrag enthalten soll, d.h. es muss ein bestimmter Antrag formuliert werden. Vorbereitende Schriftsätze sollen nach § 130 Nr. 2 ZPO die Anträge enthalten, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt. Erst die mündliche Verhandlung wird gemäß § 137 Abs. 1 ZPO dadurch eingeleitet, dass die Parteien ihre Anträge stellen. Die Ankündigung des Antrags zu 2. hätte – als zur Prozessgeschichte gehörend – in der Zeitform Perfekt dargestellt werden müssen. Zudem wird der Leser nach der vom Kläger gewählten Darstellungsweise erst am Ende des Urteilstatbestandes über den erledigten Teil des Rechtsstreits informiert. Es ist eine nicht zu beanstandende prüfungsspezifische Wertung, diese Darstellung als ungeschickt zu würdigen, denn es hätte der üblichen Darstellungsweise entsprochen und hätte den Leser besser geführt, den erledigten Teil des Rechtsstreits zwar als Teil der Prozessgeschichte, aber vor den Anträgen darzustellen, die von den Parteien in der mündlichen Verhandlung gestellten wurden.

70

dd) Die Prüfer haben den ihnen zukommen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der von ihnen kritisierten Darstellung des Miteigentums im Urteilstatbestand nicht überschritten.

71

Der Kläger führte im Urteilstatbestand (S. 3 f. der Bearbeitung) aus: „Am 30.08.2003 trafen die Eheleute L. vor dem Notar K. eine Vereinbarung (Bl. 6 d. A.), nach der u.a. der streitgegenständliche Dielenschrank, der zuvor Eigentum des Herrn L. gewesen war, an die Klägerin übereignet wurde. Das Grundstück St. Straße 5, ... S., dessen Miteigentümerin die Klägerin zu einem Bruchteil von ½ ist, war von der notariellen Vereinbarung nicht erfasst. Am 04.03.2005 bestellten die Eheleute L. der Sparbank S. AG eine Grundschuld über […] Euro 20.000,- als Sicherheit für ein bei der Sicherungsnehmerin gesamtschuldnerisch aufgenommenes Darlehen.“

72

Die Votanten strichen den zweiten der drei zitierten Sätze durch und notierten am Rand der Bearbeitung „überflüssig“.

73

Der Kläger hat dagegen eingewandt, auf die Darstellung des Miteigentums am Grundstück komme es wegen § 91a ZPO, d.h. der Regelung über die Kostenentscheidung bei Erledigung, an. Der gestrichene Satz beziehe sich auf die Eigentumsverhältnisse am Grundstück, möge er auch „leicht missverständlich formuliert“ sein.

74

Zwar bedurfte es in dem Urteilsentwurf an geeigneter Stelle der Darstellung des Miteigentums am Grundstück. Doch betraf der konkret der Prüferkritik unterliegende Satz einen Dielenschrank als Teil des beweglichen Vermögens. In diesem Zusammenhang erfolgte der Hinweis auf das Miteigentum der Klägerin am Grundstück in der Tat am falschen Ort und deplatziert. Der Angabe, dass das Grundeigentum von der notariellen Vereinbarung nicht erfasst war, bedurfte es an dieser Stelle ebenso wenig.

75

ee) Der Einwand des Klägers, es habe einer Datumsangabe für die Darlehensrückzahlung nicht bedurft, zeigt keinen Fehler in der Bewertung durch die Votanten auf.

76

Der Kläger führte aus (S. 4 der Bearbeitung): „Das Darlehen wurde von den Eheleuten zwischenzeitlich zurückgezahlt.“

77

Die Prüfer brachten dazu die Randbemerkung an: „genau: 30.4.2007“

78

Dagegen hat der Kläger eingewandt, es bestehe keine Notwendigkeit, das Datum der Darlehensrückzahlung im Tatbestand aufzuführen.

79

Die Wendung „zwischenzeitlich“ ist jedoch – wie in der Klageerwiderung ausgeführt – sehr unpräzise und erfüllt nicht die Informationsfunktion des Tatbestandes, da diverse Geschehnisse als zeitliche Anknüpfungsmerkmale in Betracht kommen. Für die Frage, ob die Pfändung aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 19. November 2007 zulässig war, kommt es darauf an, ob die Eheleute das Darlehen bereits zu diesem Zeitpunkt zurückgezahlt hatten.

80

ff) Auch der Einwand des Klägers, es habe keiner genaueren Bezeichnung des Kraftfahrzeugs bedurft, zeigt keinen Fehler in der Bewertung durch die Votanten auf.

81

Der Kläger (S. 5 der Bearbeitung) gab im Urteilstatbestand an: „Im Jahr 2006 wurde der BMW angeschafft“ (S. 5).

82

Die Prüfer notierten am Rand: „ungenau: welcher?“

83

Der Kläger hat dagegen eingewandt, es bestehe angesichts des Klageantrags keiner Notwendigkeit einer näheren Bezeichnung.

84

Der entworfene Urteilstatbestand durfte von den Prüfern insoweit als unzureichend moniert werden. In dem Gerichtsverfahren, das u.a. die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in bestimmte bewegliche Sachen zum Gegenstand hatte, erforderte die Informationsfunktion des Urteilstatbestandes die Mitteilung, welche konkrete Sache i.S.d. § 90 BGB Gegenstand der Ausführungen war, etwa durch eine geeignete Inbezugnahme auf den Klageantrag.

85

gg) Nicht zu beanstanden ist die Prüferkritik hinsichtlich der Erörterung der Schlüsselgewalt.

86

Der Kläger (S. 13 der Bearbeitung) führte aus: „Bei dem Fahrzeugkauf handelte es sich nämlich um ein Geschäft zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs des Ehegatten nach § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB, denn bei dem Lebensstandard des Bauträgers, der mit Immobilien hunderttausende Euro bewegte, gehört ein Fahrzeug der Mittelklasse zum Lebensbedarf der Familie.“

87

Die Votanten bemerkten dazu am Rand der Bearbeitung: „das Auto gehört noch nicht zur Basisversorgung“, „Kl. war pleite!“, „falsche Spur“.

88

Der Kläger hat dagegen eingewandt, er sei in seinen Ausführungen mit gewichtigen Argumenten davon ausgegangen, dass das für die Einkäufe genutzte Fahrzeug in diesem Einzelfall noch zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Eheleute gezählt habe. Durch die vorgenommene abwägende Argumentation sei sein Standpunkt zumindest fachlich vertretbar.

89

Die prüfungsspezifische Wertung verletzt den Antwortspielraum des Prüflings nicht. Zumindest reicht die Argumentation des Klägers nicht hin, um ein § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB unterfallendes Geschäft zu bejahen. Nach dieser Vorschrift ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Maßstab ist das, was von einem Ehegatten selbständig, d.h. ohne Konsultation und Mitwirkung des anderen, zwecks Bedarfsdeckung erledigt zu werden pflegt (BGH, Urt. v. 13.2.1985, IVb ZR 72/83, BGHZ 94, 1). Der Kläger hat in seiner Bearbeitung nicht dargestellt, dass diese Voraussetzungen vorgelegen hätten.

90

3. Der Kläger kann ferner nicht die Neuabnahme und Bewertung des Aktenvortrags beanspruchen. Einen solchen Anspruch hätte der Kläger nur dann, wenn das Prüfungsverfahren oder die Bewertung des in der mündlichen Prüfung vom 26. Juni 2008 gehaltenen Aktenvortrags an einem Fehler litte, der nur durch Wiederholung der Prüfungsleistung behoben werden könnte. Nach dem anzulegenden Maßstab (a)) ist einer solcher Fehler weder in formeller Hinsicht (b)) noch in materieller Hinsicht (c)) aufgezeigt.

91

a) Die Abnahme des Aktenvortrags als erster Teil der mündlichen Prüfung beruht auf § 16 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 LÜ. Die Bewertung obliegt gemäß § 17 Abs. 1 LÜ dem Prüfungsausschuss, dem insoweit ein prüfungsrechtlicher Beurteilungsspielraum zukommt. Aus § 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG folgt die Verfahrensanforderung, dass sich ein Prüfer der Mitwirkung enthalten muss, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Soweit sich die Rüge der Befangenheit auf Äußerungen stützt, die durch die Prüfer im Verfahren der Leistungsbewertung abgegeben werden, sind diese Äußerungen am Gebot der Sachlichkeit zu messen. Hiernach haben die Prüfer die Prüfungsleistung mit innerer Distanz und frei von Emotionen zur Kenntnis zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 24.2.1993, 6 C 35/92, BVerwGE 92, 132, juris Rn. 19). Unsachlich wird die Bewertung dann, wenn der Prüfer seiner Verärgerung über schwache Prüfungsleistungen freien Lauf lässt und dadurch die Gelassenheit und emotionale Distanz verliert, ohne die eine gerechte Beurteilung schwerlich gelingen kann (BVerwG, Beschl. v. 8.3.2012, 6 B 36/11, juris Rn. 16; Urt. v. 20.9.1984, 7 C 57/83, juris Rn. 36). Eine Befangenheit von Prüfern kann sich ferner daraus ergeben, wenn diese sich von vornherein darauf festgelegt haben, ihre Benotung nicht zu ändern oder ihnen die Fähigkeit fehlt, eigene Fehler zu erkennen und einzuräumen oder diese mit dem ihnen objektiv gebührenden Gewicht zu bereinigen (vgl. BVerwG, Urt. 4.5.1999, 6 C 13/98, juris Rn. 58). Es obliegt dem Prüfling nach § 6 Abs. 5 Satz 1 LÜ, eine Beeinträchtigung des Prüfungsablaufs – und damit insbesondere eine Besorgnis der Befangenheit – unverzüglich zu rügen. Die Rüge ist nach § 6 Abs. 5 Satz 2 LÜ spätestens nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses unbeachtlich, es sei denn, der Referendar hat die Verspätung der Rüge nicht zu vertreten. An die Unverzüglichkeit der Rüge im Falle einer behaupteten Voreingenommenheit oder Befangenheit eines Prüfers ist insbesondere dann ein strenger Maßstab anzulegen, wenn der Prüfling mündliche Äußerungen des Prüfers beanstandet; dies dient neben der Wahrung der Chancengleichheit gegenüber anderen Prüfungsteilnehmern auch dazu, der Prüfungsbehörde eine möglichst zeitnahe Überprüfung des Sachverhalts zu ermöglichen (VGH München, Beschl. v 20.8.2012, 7 ZB 12.554, juris, Rn. 10 m.w.N.).

92

b) Daran gemessen dringen die vom Kläger gegen die Mitwirkung der Zeugen C. (aa)) und D. (bb)) als Prüfer erhobenen Rügen einer Besorgnis der Befangenheit nicht durch.

93

aa) Die Zeugin C. musste sich nicht von der Mitwirkung als Vorsitzende des Prüfungsausschusses enthalten. Die Rüge einer Besorgnis der Befangenheit dränge selbst dann nicht durch, wenn unterstellt würde, die Zeugin C. habe sich so geäußert, wie es der Kläger vorbringt. Der vom Kläger beantragten Beweiserhebung bedurfte es insoweit nicht. Im Einzelnen:

94

Soweit der Kläger vorbringt, die Zeugin C. habe ihm in der Vorbesprechung am 24. Juni 2008 unangenehme Fragen über das Liebesleben [des Kollegen] gestellt und von ihrer Zeit in dessen Kursen in K. erzählt, ist die Rüge einer Besorgnis der Befangenheit jedenfalls nach § 6 Abs. 5 Satz 2 LÜ verspätet. Denn es handelt sich um Umstände, die dem Kläger bereits vor Beginn der mündlichen Prüfung bekannt geworden sind und die er deshalb vor Antritt der mündlichen Prüfung hätte geltend machen müssen. Unabhängig davon wäre auf Grundlage des Vortrags des Klägers keine Besorgnis der Befangenheit anzunehmen. Es erscheint möglich, dass sich die Zeugin im Vorgespräch etwa nur auflockernd innerhalb der Grenzen eines „small talks“ geäußert hat.

95

Soweit der Kläger vorbringt, die Zeugin C. habe im Zuge der Eröffnung des Prüfungsergebnisses geäußert, sie habe sich während der Prüfung wie in einer der Unterrichtsstunden des Klägers gefühlt, wäre darin eine Prüferkritik an der vom Kläger als Prüfling verwandten Vortrags- und Darstellungsweise zum Ausdruck gekommen, die den Boden der Sachlichkeit nicht verlassen hätte.

96

Soweit der Kläger vorträgt, die Zeugin C. habe darauf hingewiesen, dass sie selbst in einem der beiden juristischen Examina kein Prädikat erzielt habe, lässt dies nicht darauf schließen, dass sie bei der prüferischen Entscheidungsfindung das Gebot der Sachlichkeit missachtet hätte. Es ist nicht erkennbar, dass die Zeugin C. ein ihr selbst fehlendes Prädikatsexamen als Begründung heranziehen wollte, um dem Prüfling ein Prädikatsexamen zu versagen. Es ist nicht ersichtlich, dass ein solcher Hinweis der Prüfer mehr beinhaltete als tröstende Worte an den Kläger, der ausgehend von seinen eigenen Angaben in der persönlichen Anhörung „natürlich absolut enttäuscht“ war, das erhoffte Prädikatsexamen nicht erreicht zu haben.

97

Soweit der Kläger geltend macht, die Zeugin C. habe sich nach Eröffnung des Prüfungsergebnisses geweigert, Vorgänge in der mündlichen Prüfung in das von ihr geführte Protokoll aufzunehmen, zeigt er schon kein fehlerhaftes Verhalten der Vorsitzenden und damit erst recht keinen Grund für eine Besorgnis der Befangenheit auf. Über die mündliche Prüfung ist gemäß § 19 Satz 1 LÜ eine vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses zu unterzeichnende Niederschrift aufzunehmen, in der die Gegenstände und die Einzelbewertungen der mündlichen Prüfung, die Entscheidung nach § 17 Abs. 3 LÜ, die Prüfungsnote und die Schlussentscheidung des Prüfungsausschusses mit der Gesamtnote festgestellt werden. Neben den Noten sind dabei gemäß § 19 Satz 2 LÜ auch die festgesetzten Punktzahlen niederzulegen. Weitere Umstände sind in die Niederschrift nicht aufzunehmen.

98

bb) Der Zeuge D. musste sich ebenso wenig einer Mitwirkung als Mitglied des Prüfungsausschusses enthalten.

99

Soweit der Kläger vorträgt, der Zeuge D. sei ihn in der Pflichtfachprüfung im Strafrecht „zwischenzeitlich geradezu aggressiv“ angegangen, habe ihn mit den Worten „Sind sie wahnsinnig?“ schreiend unterbrochen und sodann einem Mitprüfling das Wort erteilt, hat das Gericht auf Grundlage der Beweisaufnahme nicht die Überzeugung erlangt, dass sich die Umstände wie vom Kläger geschildert zugetragen haben. Die Angaben des persönlich angehörten Klägers genügen für sich genommen nicht, um dem Gericht die notwendige Überzeugung zu verschaffen. Zwar hat der Kläger in seiner persönlichen Anhörung insofern keine Belastungstendenz gegen den Zeugen D. erkennen lassen, als der Kläger auch angegeben hat, der Zeuge habe nach Eröffnung des für ihn, den Kläger, nicht erwünschten Prüfungsergebnisses ihm gegenüber geäußert: „Sie sind ein Macher, Sie schaffen das auch so.“ Auch hat der Kläger die dem Zeugen D. zugeschriebene Äußerung nicht gänzlich ohne Zusammenhang dargestellt. Der Kläger hat bekundet, der Zeuge D. habe auf die Antwort zu einer der Fragen, an wen genau man sich im Hinblick auf einen internationalen Haftbefehl wenden solle in einer deutschen Botschaft, an den Botschafter oder an eine andere Person, geäußert: „Sind Sie wahnsinnig?“. Doch belegen weder die Aussagen der als Zeugen vernommenen drei verbliebenen Prüfer D., Dr. E. und C. noch die Aussagen der als Zeugen vernommenen Mitprüflinge A. und B. insoweit die Schilderung des Klägers. Im Einzelnen:

100

Der Zeuge D. hat bekundet, dass ihm die mündliche Prüfung selbst nicht mehr erinnerlich sei. Der Zeuge Dr. E. hat angegeben, sich nur noch an ein im Anschluss an die Prüfung zwischen der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses und dem Kläger geführtes Gespräch zu erinnern. Die beiden Zeugenaussagen sind insoweit nicht ergiebig.

101

Die weiteren Zeugen haben ausgesagt, sich an die mündliche Prüfung zu erinnern, nicht aber an die dem Zeugen D. zugeschriebene Äußerung. Es wäre aber zu erwarten gewesen, dass sie sich erinnert und dies in ihrer Zeugenaussage bekundet hätten, wenn sich der Zeuge D. als Prüfer gegenüber dem Kläger als Prüfling aggressiv verhalten, ihn angeschrien und unterbrochen hätte. So hat die Zeugin A. den klägerischen Vortrag nicht bestätigt, aber in ihrer Vernehmung bekundet, der Zeuge D. sei als Prüfer mit den gegebenen Antworten „nicht so richtig zufrieden“ gewesen, habe die Prüflinge der Reihe nach raten lassen und die Fragen dann weitergereicht. Der Zeuge B. hat zwar ausgesagt, sich an den Ablauf der mündlichen Prüfung zu erinnern, und detailliert bekundet, sich über die Art der Prüfungsführung geärgert zu haben, da der Zeuge D. als Prüfer im Strafrecht ein, zwei Fragen gestellt und dann bei diesem Fragenkomplex verharrt habe. Doch hat der Zeuge B. bekundet, sich an konkrete Äußerungen nicht erinnern zu können. Die Aussagen der vom Kläger als Zeugen benannten Mitprüflinge A. und B. sind glaubhaft. Sie sind detailreich und lassen, zumal sie Kritik am Prüfungsstil des Zeugen D. beinhalteten, keine Tendenz zugunsten des Zeugen D. oder zulasten des Klägers erkennen. Die Zeugin C. hat glaubhaft ausgesagt, sich an die mündliche Prüfung zu erinnern, nicht aber an eine Äußerung des Zeugen D. „Sind Sie wahnsinnig?“. Die Zeugin hat in ihrer Vernehmung den Eindruck vermittelt, dass es ihr um die gewissenhafte Darstellung des selbst Wahrgenommenen gehe. Sie hat sich offen geäußert und beispielsweise dargelegt, dass der Aktenvortrag „– außerhalb des Protokolls – in einem Maschinengewehrtempo“ so gewesen sei, dass man sich „erschlagen“ gefühlt habe. Angesichts der verstrichenen Zeit war ein höherer Detailreichtum der Zeugenaussage nicht zu erwarten. Eine gegen den Kläger gerichtete Belastungstendenz lässt die Zeugenaussage nicht erkennen. Die Zeugin hat bekundet, sie habe sich aus Anlass der Ladung als Zeugin zur mündlichen Verhandlung über die darin als Beweisthema genannten Äußerungen Gedanken gemacht, da der Kläger „ja sicherlich eine solche Behauptung auch nicht völlig aus der Luft gegriffen“ aufstelle. Die Zeugin hat zugunsten des Klägers die Möglichkeit angeführt, dass eine auf den Fall und die Lösung bezogene Kritik missverstanden und auf die Person bezogen worden sei. Schließlich ergibt sich aus der Aussage der für das Gemeinsame Prüfungsamt tätigen Zeugin F. nichts dafür, dass der Kläger ihr gegenüber die dem Zeugen D. zugeschriebene Äußerung zeitnah wiederholt hätte. Die Zeugin F. hat angegeben, sich nicht daran zu erinnern, dass in dem kurz nach der mündlichen Prüfung mit dem Kläger geführten Gespräch die Befangenheit eines Prüfers in Rede gestanden habe.

102

Soweit der Kläger angegeben hat, der Zeuge D. habe bemerkt, dass sich der Prüfungsausschuss wegen der Tätigkeit des Klägers als geschäftsführender Gesellschafter mit seinem Lebenslauf eine andere Erscheinung vorgestellt habe, ist das Gericht ebenfalls nicht davon überzeugt, dass diese Bemerkung gefallen ist. Es ist nicht erweislich, dass es zu einer gegen die Person des Klägers gerichteten Äußerung gekommen ist. Es ist mindestens ebenso wahrscheinlich, dass der Kläger eine sachliche Kritik an seinem in der mündlichen Prüfung gezeigten Leistungsbild missverstanden und auf sein persönliches Erscheinungsbild bezogen hat. In der Vernehmung haben weder der Zeuge D. selbst noch die weiteren Zeugen C., Dr. E., A. und B. ausgesagt, dass der Zeuge D. sich in der vom Kläger geschilderten Weise geäußert habe. Dagegen, dass eine solche Bemerkung gefallen ist, spricht auch, worauf die Zeugen C. und D. in ihren Aussagen zutreffend hingewiesen zu haben, dass die Notenverkündung und Notenbegründung in die Aufgabe der Vorsitzenden und nicht der weiteren Mitglieder des Prüfungsausschusses fällt.

103

Soweit der Kläger vorträgt, der Zeuge D. habe auf ein ihm selbst fehlendes Prädikatsexamen hingewiesen, kann dahinstehen, ob eine solche Äußerung gefallen ist. Denn eine solche Äußerung könnte – ebenso wie im Fall der Zeugin C. (s.o. aa)) – keine Besorgnis der Befangenheit begründen. Gegen eine Voreingenommenheit des Zeugen D. gegen die Person des Klägers spricht in diesem Zusammenhang zusätzlich die vom Kläger dem Zeugen D. zugeschriebene aufmunternde Äußerung: „Sie sind ein Macher, Sie schaffen das auch so.“

104

Unabhängig davon steht einer gegen den Zeugen D. als Prüfer erhobenen Befangenheitsrüge entgegen, dass der Kläger sie unter Verletzung seiner Obliegenheit aus § 6 Abs. 5 Satz 1 LÜ nicht unverzüglich erhoben hat. Der Aktenvortrag wurde vom Prüfungsausschuss am 26. Juni 2008 abgenommen. Eine Rüge der Befangenheit hat der Kläger erstmals in der ergänzenden Widerspruchsbegründung vom 24. September 2010 schriftlich niedergelegt und dort geltend gemacht, der Prüfungsausschuss sei „zumindest teilweise befangen“. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger zuvor bereits mündlich eine Rüge der Befangenheit erhoben hätte. Die mündliche Erhebung einer solchen Rüge belegen weder die Aussagen der als Zeugen vernommenen Prüfer C., D., Dr. E. oder der als Zeugen vernommenen Mitprüflinge A. und B. noch die Aussage der für das Gemeinsame Prüfungsamt tätig gewordenen Zeugin F.. Insbesondere ist der klägerische Vortrag nicht erwiesen, die Zeugin F. habe dem Kläger in Kenntnis der von ihm später mit der hiesigen Klage zur Begründung der Befangenheitsrüge vorgebrachten Umstände geraten, zur Vermeidung von Unstimmigkeiten gegenüber der Prüfungskommission den Widerspruch zunächst auf die Überprüfung der Hebeentscheidung sowie die Bewertung der betroffenen Klausuren zu beschränken. Der persönlich angehörte Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, er habe im Jahr 2008 von den „Prüfern ja auch noch etwas“ gewollt. Dies spricht gegen die Annahme, dass der Kläger einzelne Prüfer aus dem weiteren Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit ausschließen wollte. Die Angaben des persönlich angehörten Klägers, im Laufe des sich nach der Eröffnung des Prüfungsergebnisses ergebenden Gesprächs sei es „auch Richtung Befangenheit“ gegangen, wie er genau formuliert habe, wisse er nicht mehr, belegen nicht, dass der Kläger bereits gegenüber dem anwesenden Prüfungsausschuss selbst eine substantiierte Rüge der Befangenheit des Zeugen D. erhoben hätte. Der persönlich angehörte Kläger hat angegeben, nicht mehr zu wissen, welche „persönlichen Dinge“ über die Bemerkung der Zeugin C. über seinen […]-Kollegen hinaus er in dem mit der Zeugin F. nach der mündlichen Prüfung geführten Gespräch mitgeteilt habe. Die Zeugin F. hat in ihrer Vernehmung bekundet, sich nicht daran zu erinnern, dass in dem kurz nach der mündlichen Prüfung mit dem Kläger geführten Gespräch die Befangenheit eines Prüfers in Rede gestanden habe. Sie hat nicht bekundet, dass sie den Kläger in der von ihm geschilderten Weise beraten habe, sondern lediglich, dass sie ihm geraten habe, einen Verbesserungsversuch zu unternehmen, der auch neben einem Widerspruchsverfahren betrieben werden könne.

105

Zudem stehen einer Erhebung der Befangenheitsrüge der auch im öffentlichen Recht geltende Grundsatz von Treu und Glauben und das daraus folgende Verbot widersprüchlichen Verhaltens entgegen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, hat die Verwirkung als Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben für die gesamte Rechtsordnung Gültigkeit; sie bildet einen Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens und besagt, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (BVerwG, Beschl. v. 17.8.2011, 3 B 36/11, ZOV 2011, 222, juris Rn. 5 m.w.N.). Diese Voraussetzungen einer Verwirkung sind gegeben. Das erforderliche Umstandsmoment liegt darin, dass der Kläger mit dem Widerspruchsschreiben vom 30. Juni 2008 die bisherigen Prüfer zur Überdenkung ihrer nach § 17 Abs. 3 LÜ getroffenen Entscheidung aufgefordert und ausgeführt hat, er hoffe und sei zuversichtlich, dass bei Vornahme einer fehlerfreien Entscheidung eine Bewertung mit einem Prädikat herauskommen werde. Das erforderliche Zeitmoment ist durch den Ablauf von mehr als zwei Jahren zwischen der mündlichen Prüfung vom 26. Juni 2008 und der erstmaligen Erhebung einer Befangenheitsrüge am 24. September 2010 erfüllt.

106

c) In materieller Hinsicht dringt die gegen die Bewertung des Aktenvortrags mit der Note „ausreichend“ (6 Punkte) erhobene Rüge nicht durch.

107

Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung angegeben, er habe das Gefühl gehabt, dass die Prüfer sich von seinem Vortragsstil „erschlagen“ gefühlt hätten. In Übereinstimmung damit hat die als Zeugin vernommene Vorsitzende des Prüfungsausschusses C. angegeben, die Vortragsweise sei „– außerhalb des Protokolls – in einem Maschinengewehrtempo“ so gewesen, dass man „erschlagen“ worden sei. Der eine Prüfer habe von dem Aktenvortrag das mitbekommen und der andere jenes, und die Prüfer hätten insgesamt teilweise nicht mehr folgen können. Hiermit ist kein Unvermögen der Prüfer, sondern eine Schwäche des Aktenvortrags aufgezeigt, welche zu gewichten Aufgabe der Prüfer in Ausfüllung ihres Beurteilungsspielraums war. Es begründet keinen Bewertungsfehler, bei der Bewertung des Aktenvortrags auf dessen Verständlichkeit und den Vortragsstil abzustellen.

108

4. Der Kläger kann schließlich keine Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote der zweiten Staatsprüfung für Juristen verlangen. Die Entscheidung des Prüfungsausschusses, vom rechnerischen Ergebnis weder zulasten noch zugunsten des Klägers abzuweichen, hat Bestand. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist die Abweichungsentscheidung in der Fassung, die sie im Überdenkungsverfahren gefunden hat. Die vom Kläger erhobenen Rügen zeigen nicht auf, dass die Entscheidung des Prüfungsausschusses ausgehend von der einschlägigen Rechtsgrundlage (a)) die an sie gestellten formellen (b)) und materiellen (c)) Anforderungen verfehlen würde.

109

a) Die Entscheidung über eine Abweichung beruht auf der landesrechtlichen Regelung in § 17 Abs. 3 LÜ, welche die bundesrechtlichen Vorgaben des § 5d Abs. 4 DRiG umsetzt. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 LÜ darf der Prüfungsausschuss bei seiner Entscheidung über das Ergebnis der Prüfung von der nach § 17 Abs. 2 LÜ rechnerisch ermittelten Gesamtnote abweichen, wenn dies auf Grund des Gesamteindrucks den Leistungsstand des Referendars besser kennzeichnet. Hierbei sind nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 LÜ auch die Leistungen im Vorbereitungsdienst zu berücksichtigen. Sofern der Prüfungsausschuss dem Grunde nach eine Abweichung vornimmt, ist die Abweichung der Höhe nach dadurch beschränkt, dass sie gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 a.E. LÜ auf das Bestehen der Prüfung keinen Einfluss haben und nach § 17 Abs. 3 Satz 2 LÜ ein Drittel des durchschnittlichen Umfangs einer Notenstufe nicht übersteigen darf. Eine rechnerisch ermittelte Anrechnung von im Vorbereitungsdienst erteilten Noten auf die Gesamtnote ist gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 LÜ ausgeschlossen.

110

b) Ausgehend davon zeigen die vom Kläger erhobenen Einwendungen keinen formellen Fehler der Abweichungsentscheidung auf. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist dabei die prüferische Entscheidung in der Fassung der Überdenkungsentscheidung (vgl. OVG Münster, Urt. v. 12.6.2013, 14 A 1600/11, NWVBl 2014, 68, juris Rn. 40). Weder das Ausgangsverfahren, in dem der Prüfungsausschuss am Tag der mündlichen Prüfung seine ursprüngliche Entscheidung getroffen hat (aa)), noch das durchgeführte Überdenkungsverfahren (bb)) lässt einen formellen Fehler erkennen.

111

aa) Das Ausgangsverfahren, in dem der Prüfungsausschuss am Tag der mündlichen Prüfung seine ursprüngliche Entscheidung getroffen hat, von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nicht abzuweichen, lässt keinen Fehler erkennen. Der vom Kläger erhobene Einwand, für eine „seriöse Befassung“ mit seinen Stationszeugnissen habe den Prüfern vor der ursprünglichen Abweichungsentscheidung zu wenig Zeit zur Verfügung gestanden, dringt nicht durch.

112

Es genügt, dass sich der Prüfungsausschuss aus den ihm vorliegenden Bewertungen der schriftlichen und mündlichen Prüfungsleistungen und auch aus den Leistungen im juristischen Vorbereitungsdienst einen Gesamteindruck über den Leistungsstand bilden konnte. Die Zeugnisse über die vom Kläger im juristischen Vorbereitungsdienst durchlaufenen Ausbildungsstationen lagen bei der am Tag der mündlichen Prüfung getroffenen Entscheidung vor. Die Entscheidung des Prüfungsausschusses gegen eine Abweichung setzt kein präsentes Wissen aller Prüfer hinsichtlich des vollständigen Inhalts sämtlicher Stationszeugnisse über den juristischen Vorbereitungsdienst voraus. Es ist bereits Ausdruck einer dem Prüfungsausschuss obliegenden prüfungsspezifischen Wertung, ob er in den ihm bekannten Umständen Anhaltspunkte dafür sieht, ausnahmsweise von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abzuweichen, und diesen Anhaltspunkten beispielsweise durch Lektüre der Stationszeugnisse nachgeht. Dies folgt daraus, dass für die Abweichungsentscheidung die Bewertungskriterien des jeweiligen Prüfungsausschusses maßgeblich sind, dem der Gesetzgeber hinsichtlich des Gesamteindrucks des Leistungsstands einen weiten Beurteilungsspielraum verleiht.

113

Das Gesetz enthält eine prüfungsrechtliche Beurteilungsermächtigung, die es ausschließt, dass ein Gericht bei der Überprüfung der Entscheidung des Prüfungsausschusses über eine Abweichung von der Durchschnittspunktzahl seinen eigenen Gesamteindruck vom Leistungsstand des Kandidaten zum Maßstab nimmt (BVerwG, Urt. v. 7.10.1988, 7 C 2/88, juris Rn. 19). Bei der Regelung über die Abweichungsbefugnis handelt es sich um eine typische Härtefallklausel, die Unbilligkeiten und ungewollten Härten einer schematischen Rechtsanwendung im Einzelfall begegnen und gegebenenfalls dem Gesamteindruck des Prüfungsorgans ausnahmsweise zum Durchbruch verhelfen will, freilich auch Korrekturen nach unten ermöglicht (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 10).

114

Ausgehend von der auf eine Härtefallkorrektur begrenzten Funktion der Abweichungsentscheidung muss der Prüfungsausschuss die Stationszeugnisse nur hinsichtlich der darin ausgewiesenen Noten kennen, um seine Entscheidung ordnungsgemäß treffen zu können. Nach diesen Maßstäben bestand im Ausgangsverfahren für den Prüfungsausschuss hinreichend Zeit, sich unter Berücksichtigung der Stationsnoten mit dem Leistungsbild der Prüflinge einschließlich desjenigen des Klägers zu befassen. Am Tag der mündlichen Prüfung lagen dem Prüfungsausschuss insbesondere die Zeugnisse über die Stationen des juristischen Vorbereitungsdienstes vor, so dass der ausweislich ihrer Stellungnahme vom 21. Juli 2008 um 9.00 Uhr eingetroffenen Vorsitzenden, der Zeugin C., und den frühzeitig eingetroffenen drei weiteren Prüfern hinreichend Gelegenheit blieb, sich aus den bisherigen Leistungen bereits vor dem ersten um 10.00 Uhr beginnenden Aktenvortrag ein umfassendes Bild von allen Prüfungskandidaten zu verschaffen.

115

Die Kammer schließt sich der weitergehenden Forderung nicht an, die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der notwendigen Befassung mit den Leistungen im juristischen Vorbereitungsdienst formuliert hat. Es hat in Auslegung der § 5d Abs. 4 DRiG in das nordrhein-westfälische Landesrecht umsetzenden Regelung angenommen, die Prüfer hätten für eine unerlässliche Verschaffung eines Gesamteindrucks die im Vorbereitungsdienst erteilten Einzelzeugnisse nicht nur mit ihrer jeweiligen Endnote, sondern auch mit ihrem Inhalt zur Kenntnis zu nehmen (OVG Münster, Urt. v. 9.1.2008, 14 A 3658/06, DÖV 2008, 608, juris Rn. 65). Die für diese Forderung gegebene Begründung ist nicht tragfähig. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen angeführt, dass es keinen allgemeinen Bewertungsgrundsatz gebe, aufgrund dessen im Vergleich zu den Prüfungsleistungen bessere Noten im Vorbereitungsdienst, gleichgültig wann und in welcher Ausbildungssituation sie erzielt worden sind, den Leistungsstand eines Prüflings besser kennzeichnen als der rechnerisch ermittelte Wert. Diese Ausführungen sind nachvollziehbar, da sie die Aussagekraft der im juristischen Vorbereitungsdienst erzielten Noten zu Recht relativieren und ihnen keine höhere Bedeutung beimessen als den in der zweiten Prüfung erbrachten Leistungen. Die Ausführungen bieten jedoch keine Grundlage für die Annahme, dass hinsichtlich der im juristischen Vorbereitungsdienst gezeigten Leistungen der Prüfungsausschuss die Zeugnisse ihrem vollständigen Inhalt nach erfassen müsse. Denn auch hinsichtlich der Bewertungen der schriftlichen Leistungen in der zweiten Prüfung wird eine solche Forderung – zu Recht – nicht aufgestellt. Soweit in der Rechtsprechung anderer Obergerichte an die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen angeknüpft wird, werden die Folgen, die sich aus einer Pflicht zur Kenntnisnahme der vollständigen Stationszeugnisse ergäben, sogleich eingeschränkt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat sich darauf zurückgezogen, dass die Kenntnisnahme in der Begründung des Prüfungsausschusses für die Entscheidung, nicht von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abzuweichen, nicht zum Ausdruck kommen müsse (VGH Kassel, Beschl. v. 10.9.2008, 8 UZ 1815/07, juris Rn 46). Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat es genügen lassen, dass allein der Prüfungsausschussvorsitzende die Ausbildungszeugnisse nicht nur hinsichtlich der Noten, sondern in ihrem gesamten Inhalt zur Kenntnis nimmt, um das dadurch vermittelte Bild an die anderen Ausschussmitglieder weitergeben zu können (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 30.11.2009, OVG 10 N 50.08, juris Rn. 10).

116

Aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt sich nicht, dass über die in den Ausbildungsnoten zum Ausdruck kommenden Ergebnisse im Vorbereitungsdienst hinaus notwendig auch die Inhalte der Stationszeugnisse in die Entscheidung über eine Abweichung einfließen müssen. Es ergibt sich allenfalls die Forderung, dass die erzielten Stationsnoten in die Abweichungsentscheidung gemäß § 5d Abs. 4 Satz 1 DRiG einbezogen werden müssen. So hat das Bundesverwaltungsgericht Zweifel gegen eine Auffassung angemeldet, dass gemäß § 5d Abs. 4 Satz 1 DRiG erst bei einer Entscheidung der Höhe nach, inwieweit von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird, die im Vorbereitungsdienst erbrachten Leistungen einzubeziehen seien (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 11). Das Bundesverwaltungsgericht hat es in dem von ihm entschiedenen Einzelfall jedenfalls genügen lassen, dass der Prüfungsausschuss seine Entscheidung auf einen Vergleich der im Prüfungsverfahren und im Vorbereitungsdienst erzielten Noten gestützt hatte (BVerwG, a.a.O, Rn. 11; der zugrundeliegende Sachverhalt ergibt sich aus der Entscheidung der Vorinstanz, OVG Münster, Urt. v. 27.2.1997, 22 A 1326/94, NWVBl. 1997, 380, juris Rn. 19).

117

Dem Landesrecht kann die Forderung, der Prüfungsausschuss müsse bei seiner Entscheidung nach § 17 Abs. 3 LÜ die Stationszeugnisse nicht nur hinsichtlich der Noten, sondern in ihrem gesamten Inhalt zur Kenntnis nehmen, jedenfalls nicht entnommen werden. Der Landesgesetzgeber geht ausweislich § 16 Abs. 2 LÜ davon aus, dass es hinreicht, den Mitgliedern des Prüfungsausschusses rechtzeitig vor der mündlichen Prüfung die Namen der Referendare, die Ergebnisse ihrer Aufsichtsarbeiten und den von ihnen gewählten Schwerpunktbereich mitzuteilen. Es ist vom Landesgesetzgeber demgegenüber keine Vorkehrung dafür getroffen worden, allen Prüfern eine Volllektüre der Stationszeugnisse zu ermöglichen.

118

Das Bundesrecht lässt ebenso wenig die Forderung erkennen, der Prüfungsausschuss müsse bei seiner Entscheidung nach § 5d Abs. 4 DRiG hinsichtlich der im Vorbereitungsdienst erbrachten Leistungen mehr als nur die Ausbildungsnoten berücksichtigen. Einer weitergehenden Forderung steht vielmehr der mit der Einführung der Abweichungsbefugnis verfolgte Gesetzeszweck entgegen. Der Bundesgesetzgeber hat die Abweichungsbefugnis durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (v. 16.8.1980, BGBl I S. 1451, zunächst in § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG, sodann durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes v. 25.7.1984, BGBl. I S. 995, in § 5d Abs. 4 Satz 1 DRiG verschoben) eingeführt. Der gesetzgeberische Zweck, die Folgen zu mildern, die sich aus der zugleich vorgenommenen Abschaffung einer automatischen Anrechnung der im juristischen Vorbereitungsdienst erbrachten Leistungen ergeben, geht aus der Entstehungsgeschichte hervor. Ursprünglich hatte § 5d Satz 2 des Deutschen Richtergesetzes in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (v. 10.9.1971, BGBl. I S. 1557) eine landesrechtliche Regelung zugelassen, dass bei der Entscheidung über das Ergebnis der zweiten Prüfung Noten für Leistungen im Vorbereitungsdienst bis zu einem Drittel auf die Gesamtnote angerechnet werden. Die Bundesregierung sah in ihrem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (BT-Drs. 8/3312, S. 2) insoweit noch keine Änderung vor. Der Bundesrat nahm zu dem Regierungsentwurf dahingehend Stellung (BT-Drs. 8/3312, S. 6), dass es zur Vereinheitlichung der Prüfungsbestimmungen insbesondere unerlässlich sei, die Möglichkeit der Anrechnung der Ausbildungsnote auf das Ergebnis der zweiten Prüfung abzuschaffen. Die Regierungsmehrheit im Bundestag wollte den Vorschlag des von der damaligen Opposition dominierten Bundesrates einerseits nicht von der Hand weisen, andererseits dem Vorschlag auch nicht ohne Ergänzung folgen, sondern die Möglichkeit einer Berücksichtigung der Stationsnoten im Einzelfall offen halten. Die Einführung einer Abweichungsbefugnis durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes beruht auf einer Beschlussempfehlung und einem Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags (BT-Drs. 8/3972, S. 6). Dort heißt es:

119

„Die Mehrheit hält die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung nicht für geeignet, die an sich wünschenswerte Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen und Leistungsbewertung zu erreichen. Sie hält es für bedenklich, die Anrechnung von Ausbildungsnoten bei der zweiten Prüfung ganz auszuschließen. Die zweite Prüfung spiegelt notwendigerweise den Leistungsstandard eines Referendars nur im Zeitpunkt der Prüfung wider. Die sich daraus ergebenden Unsicherheiten für die Gesamtbeurteilung können am besten durch Berücksichtigung der Leistungen während der Ausbildung verringert werden.“

120

Ferner kommt die Eigenart der Abweichungsentscheidung, die sie gegenüber anderen prüferischen Entscheidungen wie der Bewertung einer Einzelleistung strukturell unterscheidet, auch hinsichtlich der Umstände zu tragen, von denen die Prüfer sich Kenntnis verschaffen müssen, um eine ordnungsgemäße prüferische Entscheidung treffen zu können. Die Bewertung einer einzelnen Prüfungsleistung erfordert, dass der Prüfer die zu bewertende Prüfungsleistung vollständig zur Kenntnis nimmt. Mit der zu bewertenden Prüfungsleistung sind zugleich alle Umstände erschöpfend erfasst, die potentiell zur Grundlage der prüferischen Entscheidung gemacht werden können. Demgegenüber muss der Prüfungsausschuss, um die Abweichungsentscheidung zu treffen, zwar die in den mündlichen und praktischen Prüfungsleistungen sowie die im juristischen Vorbereitungsdienst erzielten Noten zur Kenntnis nehmen. Es ist aber bereits Ausdruck einer dem Prüfungsausschuss obliegenden prüfungsspezifischen Wertung, ob der Prüfungsausschuss in den ihm bekannten Umständen Anhaltspunkte dafür sieht, ausnahmsweise von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abzuweichen und diesen Anhaltspunkten beispielsweise durch Lektüre der Stationszeugnisse oder der Aufsichtsarbeiten nebst Erst- und Zweitvoten der Gutachter nachzugehen.

121

Die Forderung, dass der Prüfungsausschuss die Stationszeugnisse ihrem Inhalt nach würdigen müsse, um sich den erforderlichen Gesamteindruck über den Leistungsstand zu verschaffen, kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Prüfungsausschuss dazu berufen wäre, als eine den Ausbildern in den Stationen übergeordnete, höhere prüferische Instanz eine eigene Bewertung der vom Referendar im juristischen Vorbereitungsdienst des Landes Bremen, Hamburg oder Schleswig-Holstein erbrachten Leistungen vorzunehmen. Eine solche Stellung kommt dem Prüfungsausschuss jedoch nicht zu. Der Prüfungsausschuss hat keine eigene Bewertung der Leistungen im juristischen Vorbereitungsdienst oder auch der in der zweiten Prüfung für Juristen erbrachten schriftlichen Leistungen vorzunehmen, sondern den sich insbesondere auf Grundlage der Einzelnoten ergebenden Gesamteindruck des Leistungsstandes zu beurteilen. Der für die mündliche Prüfung eingesetzte Prüfungsausschuss hatte auch vor der – um eine Abweichungsbefugnis gemilderten – Abschaffung der automatischen Anrechnung der Stationsnoten keine den Gutachtern der schriftlichen Einzelleistungen oder den Stationsausbildern übergeordnete Stellung inne. Der begrenzte Rahmen der Abweichungsentscheidung äußert sich etwa auch in der Begrenztheit der Folgen einer fehlerhaften Abweichungsentscheidung. Da die Abweichungsentscheidung das Prüfungsgeschehen nicht prägt und es sich bei § 5d Abs. 4 DRiG um eine lediglich ergänzende Regelung handelt, muss insbesondere nicht die mündliche Prüfung wiederholt werden, um einen Fehler in der Abweichungsentscheidung heilen zu können (BVerwG, Urt. v. 10.10.2002, 6 C 7/02, juris Rn. 17).

122

bb) Das Überdenkungsverfahren ist von dem mit den drei verbliebenen Prüfern ((1)) rechtsfehlerfrei besetzten ((2)) zuständigen Prüfungsausschuss ordnungsgemäß durchgeführt worden. Dem Prüfungsausschuss lagen die erforderlichen Akten vor ((3)). Die an eine Kollegialentscheidung im Hinblick auf den Meinungsaustausch unter den Mitgliedern zu stellenden Anforderungen sind im Einzelfall erfüllt ((4)).

123

(1) Der Prüfungsausschuss war im Überdenkungsverfahren entgegen dem vom Kläger erhobenen Einwand nicht unterbesetzt. Nach Versterben des Prüfers Dr. G. konnte und musste der mit den drei verbleibenden Prüfern besetzte Prüfungsausschuss das Überdenkungsverfahren abschließen.

124

Den einschlägigen Vorschriften ist zum einen die Vorgabe zu entnehmen, dass der Prüfungsausschuss aus vier Prüfern besteht, zum anderen die Vorgabe, dass der die mündliche Prüfung abnehmende Prüfungsausschuss derselbe ist, der die Entscheidung über eine Abweichung trifft. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 LÜ wird die mündliche Prüfung von einem einschließlich des Vorsitzenden aus vier Prüfern bestehenden Prüfungsausschuss abgenommen, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 LÜ im Anschluss an die mündliche Prüfung über die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen berät. „Der Prüfungsausschuss“ ist das in § 17 Abs. 3 LÜ benannte Organ, das die Entscheidung trifft, ob von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird. Damit ist aufgrund der systematischen Stellung der Norm derjenige Prüfungsausschuss gemeint, der die mündliche Prüfung abgenommen und nach § 17 Abs. 1 LÜ bewertet hat. Demgegenüber fehlt es an einer Vorschrift, die bestimmt, dass der Prüfungsausschuss nicht der gleiche sein müsse wie der zur Abnahme der mündlichen Prüfung berufene Prüfungsausschuss. Eine solche Vorschrift wäre ausgehend von der Gesetzesgeschichte zu erwarten gewesen. So gab es in § 11 Abs. 1 Satz 5 der ursprünglichen Fassung der Übereinkunft der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein über ein Gemeinsames Prüfungsamt und die Prüfungsordnung für die Große Staatsprüfung für Juristen (in Landesrecht überführt durch Gesetz v. 26.6.1972, HmbGVBl. S. 119) eine Vorschrift, die bestimmte, dass der damals zur Bewertung der Aufsichtsarbeiten einzusetzende Prüfungsausschuss aus vier Mitgliedern nicht der gleiche sein musste wie derjenige zur Abnahme der mündlichen Prüfung.

125

Der zuständige Prüfungsausschuss, der am Tag der mündlichen Prüfung getroffenen Entscheidung noch aus vier Mitgliedern bestanden hatte, musste und durfte nach dem Versterben des Prüfers Dr. G. nicht mit einem neuen vierten Mitglied nachbesetzt werden. Dies folgt aus dem Gebot der Chancengleichheit in berufseröffnenden Prüfungen gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GF.

126

Verstirbt nach der mündlichen Prüfung ein Prüfer, kann nicht sowohl der Vorgabe aus § 16 Abs. 1 LÜ, dass der Prüfungsausschuss aus vier Mitgliedern besteht, als auch der Vorgabe aus § 17 Abs. 2 LÜ, dass der die Abweichungsentscheidung vornehmende Prüfungsausschuss mit demjenigen identisch ist, der die mündliche Prüfung abgenommen hat, Genüge getan werden. Dem Gebot des geringstmöglichen Eingriffs in die Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien entspricht es, in diesem Fall die Abweichungsentscheidung durch den bisherigen Prüfungsausschuss überdenken zu lassen, wenngleich in der Besetzung mit den verbleibenden drei Mitgliedern. Aufgrund des Gebots der Chancengleichheit ist eine wegen Bewertungsfehlern beanstandete Prüfungsentscheidung unter Mitwirkung der bisherigen Prüfer zu überdenken (BFH, Urt. v. 28.11.2002, VII R 27/02, BFHE 201, 471, juris Rn. 6 ff.). Denn es müssen soweit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien wie bei den Mitprüflingen gelten (BVerwG, Urt. v. 28.10.2004, 6 B 51.04, juris Rn. 20). Die dafür erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, ist in erster Linie Aufgabe des zuständigen Normgebers; bei Fehlen einer normativen Bestimmung sind die Gerichte aufgerufen, die Lücke in der Regelung des Prüfungsablaufs so zu schließen, dass der Prüfling bei der Überprüfung einer strittigen Bewertung den geringstmöglichen Nachteil erleidet (BVerwG, Urt. v. 19.12.2001, 6 C 14/01, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400, juris Rn. 27), indes dadurch auch keinen Vorteil gegenüber anderen Prüflingen erlangt (BFH, Urt. v. 28.11.2002, VII R 27/02, BFHE 201, 471, juris Rn. 6). Eine Überdenkung als selbstkritische und selbständige Überprüfung der eigenen Beurteilung (OVG Münster, Urt. v. 18.4.2012, 14 A 2687/09, juris Rn. 73) war nur den Prüfern möglich, die an der zur Überdenkung gestellten ursprünglichen Entscheidung beteiligt waren. Wäre die vakante vierte Stelle mit einem neuen Prüfer nachbesetzt worden, hätte der Prüfungsausschuss seine Entscheidung am Maßstab seiner Bewertungskriterien nicht überdenken können, sondern es hätte sich ein neu zusammengesetzter Prüfungsausschuss am Maßstab seiner erst noch zu bildenden Bewertungskriterien mit der Frage der Abweichung erstmals befassen müssen. Zu dem Gesamteindruck aller Prüfungsleistungen i.S.d. § 5d Abs. 4 DRiG gehört nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 10.10.2002, 6 C 7/02, juris Rn. 17), der sich die Kammer anschließt, grundsätzlich auch der durch die mündliche Prüfung vermittelte Eindruck. Auf eine Berücksichtigung des Eindrucks der mündlichen Prüfung würde ohne Not verzichtet, wenn der Prüfungsausschuss in neuer Zusammensetzung mit einem vierten Mitglied, das nicht an der mündlichen Prüfung mitgewirkt hat, die Entscheidung über die Abweichung treffen müsste.

127

(2) Entgegen den vom Kläger erhobenen Bedenken war auch bei der Überdenkungsentscheidung kein Prüfer einer Besorgnis der Befangenheit ausgesetzt, die seiner Mitwirkung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG entgegengestanden hätte. In der im Überdenkungsverfahren von der Vorsitzenden für den Prüfungsausschuss abgegebenen Stellungnahme vom 29. November 2010 heißt es:

128

„Da Herr Rechtsanwalt Dr. G. zwischenzeitlich verstorben ist, kann eine solche Stellungnahme nur noch von den o. g. Prüfern abgegeben werden. Rein vorsorglich weise ich darauf hin, dass die nachfolgenden Ausführungen das Votum aller drei verbliebenen Mitglieder der Prüfungskommission darstellen. Selbst eine abweichende Auffassung von Herrn Dr. G. – wenn (rein hypothetisch) eine solche zu seinen Lebzeiten erfolgt wäre – könnte somit an der jetzigen Entscheidung der Kommission nichts ändern.“

129

In dieser Äußerung kommt der erreichte einvernehmliche Meinungsstand der verbliebenen drei Mitglieder des Prüfungsausschusses zum Ausdruck. Es ist aber nicht der Schluss möglich, dass den verbliebenen drei Mitgliedern die Bereitschaft gefehlt hätte, sich mit entsprechenden Argumenten des vierten Mitglieds zugunsten einer Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote auseinanderzusetzen.

130

(3) Für die Zwecke der Überdenkung der Abweichungsentscheidung bedurfte es nicht der Vorlage weiterer Aktenbestandteile. Nach den dargestellten Grundsätzen setzt bereits die ursprüngliche Entscheidung des Prüfungsausschusses kein präsentes Wissen aller Prüfer hinsichtlich des vollständigen Inhalts der Stationszeugnisse über die im juristischen Vorbereitungsdienst gezeigten Leistungen voraus (s.o. aa)). Ein solches Wissen müssen sich die Prüfer deshalb auch im Überdenkungsverfahren nur verschaffen, wenn sich nach dem Maßstab ihrer prüfungsspezifischen Wertung entsprechende Anhaltspunkte ergeben.

131

Die den Prüfern im Überdenkungsverfahren vorliegenden Aktenbestandteile genügten. Die Zeugin C. wurde mit Schreiben des Gemeinsamen Prüfungsamtes vom 30. September 2010 gebeten, nach Rücksprache mit den übrigen Prüfern unter erneuter Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums im Hinblick auf eine Notenanhebung Stellung zu nehmen. Die Zeugen D. und Dr. E. wurden mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 ersucht, sich mit der Zeugin C. in Verbindung zu setzen und unter erneuter Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums im Hinblick auf eine Notenanhebung Stellung zu nehmen. Jeweils in Kopie beigefügt wurden das klägerische Schreiben vom 24. September 2010, dass auf die Notenanhebung in der Aufsichtsarbeit ZHG als Anlass der Überdenkung verweist, sowie das Protokoll der mündlichen Prüfung.

132

(4) Für die Zwecke der Überdenkung der Abweichungsentscheidung sind die Anforderungen an den für eine Kollegialentscheidung erforderlichen Meinungsaustausch gewahrt. Die Mitglieder des Prüfungsausschusses haben sich im Überdenkungsverfahren zwar nicht erneut physisch an einem Ort getroffen und auch nicht die Entscheidung etwa in einer Telefonkonferenz getroffen. Doch ist die von der Zeugin C. dem Gemeinsamen Prüfungsamt übermittelte Stellungnahme im Überdenkungsverfahren nach Rücksprache und im Einvernehmen der verbliebenen Prüfer erstellt worden. Im Einzelfall setzte ein ordnungsgemäßes Überdenkungsverfahren eine gleichzeitige Anwesenheit oder eine gleichzeitige Kommunikation aller Mitglieder des Prüfungsverfahrens nicht voraus.

133

Dabei kann dahinstehen, ob die ursprüngliche Entscheidung des Prüfungsausschusses über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote notwendig die gleichzeitige Anwesenheit aller Mitglieder erforderte oder auch auf andere Weise eine Entscheidung zulässig gewesen wäre. Zwar ist der Prüfungsausschuss nach § 17 Abs. 3 LÜ verpflichtet, vor der Eröffnung des Ergebnisses die Entscheidung zu treffen, ob von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird. Zu diesem Zeitpunkt ist der Prüfungsausschuss noch am Prüfungsort versammelt. Doch steht in Frage, ob etwa dann, wenn der Prüfungsausschuss es am Tag der mündlichen Prüfung versäumt hat, die Entscheidung über eine Abweichung zu treffen, er notwendig noch einmal zusammentreten muss oder eine andere Verfahrensweise möglich ist. Denn während die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen gemäß § 17 Abs. 1 LÜ ausdrücklich voraussetzt, dass der Prüfungsausschuss über die Bewertung berät, findet sich im Gesetzeswortlaut keine entsprechende Verfahrensanforderung für die nach § 17 Abs. 3 LÜ zu treffende Abweichungsentscheidung.

134

Zumindest sind an das Überdenkungsverfahren in Ermangelung besonderer Vorschriften in der Prüfungsordnung nicht notwendig die gleichen Verfahrensanforderungen zu stellen, wie an die ursprüngliche prüferische Entscheidung. Selbst soweit das Prüfungsverfahren eine Beratung verlangt, gilt dies nicht ohne weiteres auch für das Überdenkungsverfahren (VGH Mannheim, Urt. v. 9.5.1995, 9 S 2341/93, DVBl. 1995, 1356, juris Rn. 29). Die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Überdenkungsverfahren ergeben sich aus seiner Funktion. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Beschl. v. 9.10.2012, 6 B 39/12, juris Rn. 5; vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 39), welche sich die Kammer zu Eigen macht, besteht ein grundrechtlich fundierter Anspruch von Prüflingen, bereits im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens ihre Einwände gegen die Bewertungen der Prüfer vorzubringen, um deren wirksame Nachprüfung zu erreichen. Das Überdenkungsverfahren hat die Funktion, einen der Eigenart prüferischer Entscheidungen angepassten Rechtsschutz zu gewähren (BFH, Urt. v. 28.11.2002, VII R 27/02, BFHE 201, 471; FG München, Urt. v. 18.4.2012, 4 K 309/09, EFG 2012, 1602). Während effektiver Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich dadurch gewährleistet wird, dass in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Letztentscheidung dem Gericht obliegt, verbleibt in den Grenzen eines prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums die Letztentscheidung den Prüfern. Das Überdenkungsverfahren ist so auszugestalten, dass es dem wirksamen Rechtsschutz dient, welcher nach der Eigenart der zur Überdenkung anstehenden prüferischen Entscheidung möglich ist. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 16.4.1997, 6 C 9/95, juris Rn. 36), der sich die Kammer anschließt, sind für das Überdenkungsverfahren keine starren Regelungen aufzustellen und kommt, abhängig von den Umständen des Einzelfalls, auch ein Umlaufverfahren in Frage. Den Bedenken, dass einzelne Prüfer bei der mündlichen Beratung im Prüfergremium bessere Möglichkeiten hätten, ihre Erwägungen in die Entscheidung des Prüfungsausschusses einfließen zu lassen, als dies bei einer Abstimmung im Umlaufverfahren der Fall sei (so VGH Kassel, Urt. v. 13.10.1994, 6 UE 2077/90, DVBl 1995, 436 , juris Rn. 85), kann dabei dadurch Rechnung getragen werden, dass die Durchführung eines Umlaufverfahrens auf den Fall beschränkt wird, in dem sich die Prüfer auf eine einheitliche Haltung einigen können (OVG Schleswig, Urt. v. 8.10.1993, 3 L 47/93, DÖV 1994, 394, juris Rn. 35).

135

Im Einzelfall genügte die Handhabung des Verfahrens den durch Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG vorgegebenen spezifischen Zielen des Überdenkungsverfahrens.

136

In tatsächlicher Hinsicht legt die Kammer dabei ausgehend von den Sachakten und der durchgeführten Beweisaufnahme folgenden Ablauf des Überdenkungsverfahrens zugrunde: Die Stellungnahme vom 29. Oktober 2011 gegenüber dem Gemeinsamen Prüfungsamt wurde von der Zeugin C. nach Rücksprache mit den Zeugen D. und Dr. E. und im Einverständnis mit diesen abgegeben. Nach den Angaben der Zeugin C. in ihrer Vernehmung hat sie als Vorsitzende des Prüfungsausschusses den beiden verbliebenen Mitprüfer mit einer E-Mail den Entwurf der später am 29. Oktober 2011 abgegebenen Stellungnahme zugesandt und sie um Mitteilung gebeten, falls sie Änderungs- oder Verbesserungswünsche hätten. Vor der Abgabe der Stellungnahme hatte die Zeugin C. telefonisch oder auf anderem Wege Kontakt mit den Mitprüfern. Die Zeugin hat ihre Erinnerung auf die ihr als Ausdrucke vorliegenden E-Mails gestützt. Die Aussage der Zeugin C. ist auch hinsichtlich des Ablaufs des Überdenkungsverfahrens tendenzfrei sowie hinreichend detailreich und ebenso glaubhaft wie hinsichtlich des Geschehens am Tag der mündlichen Prüfung (dazu s.o. 3. b) bb)).

137

In rechtlicher Hinsicht genügte das geschilderte Umlaufverfahren, um im Einzelfall ein rechtsschutzwirksames Überdenkungsverfahren zu gewährleisten. Die Entscheidung ist vom Prüfungsausschuss getroffen worden, nachdem alle Mitglieder Gelegenheit zum Meinungsaustausch hatten. Jedem der Prüfer hätte es offen gestanden, Änderungswünsche anzubringen und auch auf einer nochmaligen Zusammenkunft zu bestehen, wenn dies nach seiner prüfungsspezifischen Wertung angezeigt gewesen wäre. Nach Gegenstand und Anlass des Überdenkungsverfahrens bestanden keine Besonderheiten, die eine bestimmte Verfahrensweise erfordert hätten. Es bedurfte insbesondere keiner gleichzeitigen Anwesenheit der Mitglieder des Prüfungsausschusses an einem Ort oder der gleichzeitigen Kommunikation aller Mitglieder des Prüfungsausschusses etwa in einer Telefonkonferenz, um eine tatsächlich wirksame Überprüfung zu gewährleisten.

138

Den Gegenstand des Überdenkungsverfahrens bildete die Abweichungsentscheidung. Hinsichtlich des einzuhaltenden Verfahrens kommt zum Tragen, dass sich bei der Überdenkung der Abweichungsentscheidung die rechtsschutzwirksame Auseinandersetzung mit Einwänden des Prüflings nicht in der gleichen Weise vollziehen kann und deshalb auch nicht in der gleichen Weise vollziehen muss, wie bei der Überdenkung der Bewertung einer Einzelleistung. Bezieht sich das Überdenkungsverfahren auf die von einem Prüfer vorgenommenen Bewertung einer Einzelleistung, muss der jeweilige Prüfer selbstkritisch und selbständig seine eigene Beurteilung überprüfen (OVG Münster, Urt. v. 18.4.2012, 14 A 2687/09, juris Rn. 73). Damit das Verfahren des Überdenkens der Prüfungsentscheidung seinen Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings effektiv zu schützen, konkret erfüllen kann, muss insoweit gewährleistet sein, dass die Prüfer ihre Bewertungen hinreichend begründen, dass der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Korrekturbemerkungen der Prüfer einsehen kann, dass die daraufhin vom Prüfling erhobenen substantiierten Einwände den beteiligten Prüfern zugeleitet werden, dass die Prüfer sich mit den Einwänden des Prüflings auseinandersetzen und, soweit diese berechtigt sind, ihre Bewertung der betroffenen Prüfungsleistung korrigieren sowie alsdann auf dieser – möglicherweise veränderten – Grundlage erneut über das Ergebnis der Prüfung entscheiden (BVerwG, Beschl. v. 9.10.2012, 6 B 39/12, juris Rn. 6). Der Prüfer muss sein Bewertungsergebnis begründen, indem er seine Bewertungsmaßstäbe erkennen lässt und diese auf die Bewertungsgrundlage anwendet und Stärken und Schwächen der Prüfungsleistung aufzeigt. Etwa kann die Prüferkritik an einer juristischen Einzelleistung differenziert Fehler unter den Aspekten der Sachverhaltserfassung, Norminterpretation, Subsumtion, Methodik, Logik oder Sprache aufzeigen und darstellen, wie schwer diese Fehler nach den Kriterien des Prüfers gewichtet werden. Der Weg des Prüfers zu dem gefundenen Bewertungsergebnis wird auf diese Weise nachvollziehbar und überprüfbar gemacht. Soweit der Prüfling rügt, dass seinen Fehlern ein geringeres Gewicht zukomme, berührt dies prüfungsspezifische Wertungen, hinsichtlich derer dem Prüfer ein Beurteilungsspielraum zukommt, so dass ein Gericht nur die Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums kontrollieren kann. Soweit ein Prüfling aber das Vorliegen eines fachlichen Fehlers bestreitet, obliegt dem Gericht die Letztentscheidung über die Vertretbarkeit der vom Prüfling gegebenen Antwort. Bezieht sich das Überdenkungsverfahren hingegen auf die den Gesamteindruck des Leistungsstands in den Blick nehmende Entscheidung des Prüfungsausschusses, ob von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird, ist eine nach fachlichen Fragen einerseits und prüfungsspezifischen Wertungen andererseits differenzierende Auseinandersetzung mit der prüferischen Entscheidung nicht zu leisten. Die von den Prüfern einvernehmlich getroffene prüfungsspezifische Wertung, dass nach dem Gesamteindruck kein eine Abweichung rechtfertigender Härtefall vorliegt, konnte von den Mitgliedern des Prüfungsausschusses selbstkritisch und selbständig überdacht werden, wenn nur – wie im eingeschlagenen Umlaufverfahren – ein Meinungsaustausch zwischen den Mitgliedern möglich war. Es ist kein Mehrwert ersichtlich, der sich aus einem neuerlichen Zusammentritt des Prüfungsausschusses an einem Ort oder etwa einer Telefonkonferenz für den wirksamen Rechtsschutz des Prüflings ergeben hätte.

139

Es war auch nicht auf Grund des konkreten Anlasses des Überdenkungsverfahrens eine Entscheidung im Umlaufverfahren ausgeschlossen. Die Überdenkung, auf die sich die vom Kläger erhobenen Einwände beziehen, hatte mit der Anhebung der Bewertung in der Aufsichtsarbeit ZHG unter Beibehaltung der Notenstufe „ausreichend“ im Punktwert von 5 auf 6 Punkte und damit einhergehend einer Änderung der rechnerisch ermittelten Gesamtnote von 8,78 auf 8,87 Punkte einen begrenzten und überschaubaren Anlass. Der rechnerische Abstand zu der im Gesamtergebnis erstrebten nächsten Notenstufe „vollbefriedigend“ war von 0,22 auf immer noch 0,13 Punkte verringert worden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Prüfungsausschuss die von ihm angelegten Kriterien im Überdenkungsverfahren verändert hätte. Ein Umlaufverfahren war dem Anlass des Überdenkungsverfahrens angemessen, zumal nach dem Gesetz eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nur ausnahmsweise zulässig ist (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 9), mithin im Regelfall angenommen werden muss, dass die anhand der gesetzlichen Gewichtungsregelungen rechnerisch ermittelte Gesamtnote dem wahren Leistungsstand entspricht.

140

c) Die materiellen Anforderungen sind durch die Abweichungsentscheidung in der Gestalt, die sie im Überdenkungsverfahren gefunden hat, erfüllt. Der Prüfungsausschuss hat mit seiner Entscheidung, von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nicht abzuweichen, den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Die Kammer schließt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 9) an, nach der die Ermächtigung eine Abweichung nur ausnahmsweise zulässt und es verbietet, die Prüfer immer schon dann zu einer Höherstufung zu verpflichten, wenn einzelne dafür sprechende Umstände vorliegen. Die vom Kläger im Widerspruchsverfahren erhobene Rüge hinsichtlich der Berücksichtigung der Notenanhebung in der Aufsichtsarbeit ZHG hat sich im Überdenkungsverfahren erledigt (aa)). Die Leistungen des Klägers in der mündlichen Prüfung und im juristischen Vorbereitungsdienst sind entgegen der erhobenen Rüge hinreichend berücksichtigt worden (bb)). Die Rüge im Hinblick darauf, dass der Kläger die Gesamtnote „vollbefriedigend“ in der ersten Prüfung für Juristen erreicht und in der zweiten Prüfung knapp verfehlt hat, dringt nicht durch (cc)). Die außerhalb des juristischen Vorbereitungsdienstes vom Kläger erbrachten Leistungen haben zu Recht keine Berücksichtigung gefunden (dd)). Die Rüge hinsichtlich der Äußerung über eine wohlwollende Beurteilung in den Einzelnoten der mündlichen Prüfung zeigt keinen Fehler in der Bewertung auf (ee)).

141

aa) Die Abweichungsentscheidung leidet nicht deshalb an einem Sachverhaltsfehler, weil die nachträgliche Anhebung der Bewertung in der Aufsichtsarbeit ZHG auf die Note „ausreichend“ (6 Punkte) ursprünglich keine Berücksichtigung hatte finden können. Der am Tag der mündlichen Prüfung getroffenen ursprünglichen Abweichungsentscheidung lag zunächst die – damals zutreffende – Annahme zugrunde, die Aufsichtsarbeit ZHG sei mit der Note „ausreichend“ (5 Punkte) bewertet worden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 19.12.2001, 6 C 14/01, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400, juris Rn. 32), der sich die Kammer anschließt, muss der Prüfungsausschuss die Abweichungsentscheidung auch dann neu treffen, wenn schriftliche Arbeiten neu bewertet worden sind. Der Prüfungsausschuss hat im Überdenkungsverfahren unter Einbeziehung der Anhebung der Bewertung in der Aufsichtsarbeit ZHG an seiner Entscheidung festgehalten. In der Stellungnahme des Prüfungsausschusses vom 29. November 2011 wird zutreffend hervorgehoben, dass ein Notensprung damit nicht verbunden war und es bei einer ausreichenden Klausurleistung verblieb. Ohne Bewertungsfehler erkennen zu lassen, wird ausgeführt, dass das Gesamtbild der schriftlichen Prüfungsleistungen mit insgesamt fünf Klausuren im Bereich zwischen 3 und 9 Punkten und drei Klausuren im Bereich zwischen 12 und 14 Punkten weiterhin von sehr stark schwankenden Leistungen geprägt sei, die schwerpunktmäßig im mangelhaften bis befriedigenden Bereich und nicht im zumindest vollbefriedigenden Bereich angesiedelt seien.

142

bb) Die Entscheidung über die Abweichung hat die mündlichen Leistungen und die Leistungen im Vorbereitungsdienst auch im Überdenkungsverfahren hinreichend einbezogen. Wie in der der Stellungnahme vom 29. November 2011 zutreffend dargelegt, zeigte der Kläger auch in der mündlichen Prüfung nicht konstant Leistungen im oberen Bereich der Notenskala. Der Kläger hat nicht nur im rechtsfehlerfrei mit der Note „ausreichend“ (6 Punkte) bewerteten Aktenvortrag, sondern auch im strafrechtlichen Abschnitt des Prüfungsgesprächs mit der Note „befriedigend“ (8 Punkte) keine mindestens vollbefriedigenden Leistungen gezeigt. Ohne Bewertungsfehler erkennen zu lassen, hat sich für den Prüfungsausschuss ausweislich der Stellungnahme ein Leistungsbild ergeben, das der Notenstufe „vollbefriedigend“ auch unter Berücksichtigung der im Vorbereitungsdienst gezeigten Leistungen nicht entsprochen habe.

143

Es lässt keinen Beurteilungsfehler erkennen, nicht bereits darin eine Härte zu sehen, dass der Kläger in drei der vier Abschnitte des Prüfungsgesprächs in der mündlichen Prüfung deutlich bessere Bewertungen erzielt hat als im Aktenvortrag und im Durchschnitt in den Aufsichtsarbeiten. Sowohl in den Aufsichtsarbeiten als auch in der mündlichen Prüfung hat der Kläger nicht nur vereinzelt Prädikatsnoten verfehlt. Die Abweichungsbefugnis nach § 17 Abs. 3 LÜ dient nicht dazu, die gesetzliche Gewichtung nach § 17 Abs. 2 LÜ zu korrigieren, weder hinsichtlich des höheren Gewichts der schriftlichen Leistungen gegenüber den mündlichen Leistungen (70,00 v.H. gegenüber 30,00 v.H.), noch hinsichtlich des höheren Gewichts des Aktenvortrags gegenüber den einzelnen Abschnitten des Prüfungsgesprächs (8,00 v.H. gegenüber 5,50 v.H.).

144

Es überschreitet nicht den dem Prüfungsausschuss zukommenden Beurteilungsspielraum, darin keine den Fall des Klägers gegenüber den typischen Fallgestaltungen heraushebende Härte zu sehen, dass die meisten der Stationsnoten des Klägers deutlich besser sind als die rechnerisch ermittelte Gesamtnote. Zwar wäre der Prüfungsausschuss nicht gehindert gewesen, auch unter Berücksichtigung der Stationsnoten eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote vorzunehmen. Allerdings war er nicht dazu verpflichtet. Es gibt keinen allgemein gültigen Erfahrungssatz, dass ein Referendar, der in den Stationen des juristischen Vorbereitungsdienstes durchgehend – oder wie der Kläger fast durchgehend – Noten im Prädikatsbereich erzielt hat, in der zweiten Prüfung für Juristen die Note „vollbefriedigend“ erreichen müsste.

145

cc) Soweit der Kläger einwendet, das knappe Verfehlen einer Notenstufe und ein erheblicher Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Staatsexamen hätten zu einer Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote führen müssen, ist damit kein Beurteilungsfehler aufgezeigt. Wie vom Prüfungsausschuss in der Stellungnahme vom 29. Oktober 2011 aufgezeigt, hätte die Anhebung der Gesamtnote auf mindestens 9,00 Punkte zugunsten des Klägers rechnerisch mehr als zwei zusätzlichen Punkten in der Bewertung der vier Abschnitte des Prüfungsgesprächs oder zwei zusätzlichen Punkten in der Bewertung des Aktenvortrags entsprochen. Wird der Punktwert für eine bessere Note nur knapp verfehlt, liegt darin allein noch keine eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote rechtfertigende ungewollte Härte (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn 10). Es ist nicht untypisch, dass sich ein Prädikatsexamen aus der ersten Prüfung in der zweiten Prüfung für Juristen nicht wiederholt.

146

dd) Sofern ein Prüfer gegenüber dem Kläger geäußert haben sollte, es sei nicht sein „Lebenswerk“ zu würdigen, wäre dies nicht zu beanstanden. Außerhalb des Vorbereitungsdienstes gezeigte Leistungen können nur dann in die Gesamtbeurteilung des Leistungsstandes einbezogen werden, wenn sie eine Aussage hinsichtlich der Inhalte und Ziele des Vorbereitungsdienstes enthalten (VG Köln, Urt. v. 9.9.2010, 6 K 2738/09, juris Rn. 62, 64). Die Promotion des Klägers zum Doctor iuris, der Erwerb des Grades eines Magister Legum oder die Tätigkeit als […] stehen ohne erkennbaren Bezug zu Inhalten und Zielen des Vorbereitungsdienstes.

147

ee) Soweit die Prüfer in der ursprünglichen Eröffnung des Gesamtergebnisses ausgeführt haben, eine positive Abweichungsentscheidung komme nicht in Betracht, weil bei den Einzelnoten bereits im Zweifel zugunsten des Prüflings entschieden worden sei, ist darin kein Beurteilungsfehler zu sehen. Ein Beurteilungsausfall würde voraussetzen, dass die Prüfer eine Abweichung nicht erwogen hätten. Kein Beurteilungsausfall liegt vor, wenn der Prüfungsausschuss, wie im vorliegenden Fall, eine Abweichung erwägt und ablehnt. Dabei ist es nicht beurteilungsfehlerhaft, wenn der Prüfungsausschuss bei der Entscheidung gegen eine Abweichung berücksichtigt, dass er die Noten für die mündlichen Prüfungsleistungen – ausgehend von seinen Bewertungskriterien – wohlwollend vergeben hat.

II.

148

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.