Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 11. Feb. 2015 - 2 K 1369/14
Gericht
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Abschlusszeugnisses vom ... und des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2014 verpflichtet, der Klägerin ein Abschlusszeugnis der Berufsfachschule für Freizeitwirtschaft nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ohne die Angaben über die Versäumnisse der Klägerin zu erteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Abschlusszeugnisses der Berufsfachschule für Freizeitwirtschaft ohne die Eintragung von Fehlzeiten.
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Die am ... geborene Klägerin besuchte in der Zeit ... die Berufsfachschule für Freizeitwirtschaft an der ... und bestand die Abschlussprüfung.
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Ihr wurde unter dem ... neben einem Zeugnis über den Erwerb der Fachhochschulreife ein Abschlusszeugnis erteilt, das neben den Einzelnoten sowie der Durchschnittsnote der Abschlussprüfung und dem Vermerk über ihre erworbene Berechtigung, die Berufsbezeichnung „staatlich geprüfte Assistentin für Freizeitwirtschaft“ zu führen, folgenden Eintrag enthält:
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„Versäumnisse seit Beginn der Ausbildung:
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entschuldigt
220 Stunden (davon im 1./2. Jahr: 69/151 Stunden)
unentschuldigt
79 Stunden (davon im 1./2. Jahr: 29/50 Stunden)“.
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Mit einem als „Einspruch“ bezeichneten Schreiben vom 17. Februar 2014 bat die Klägerin bei der Beklagten darum, den Absatz mit den Versäumnissen zu streichen und ein korrigiertes Abschlusszeugnis zu erstellen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Rechtsgrundlage für die Eintragung der Fehlzeiten sei § 13 Abs. 2 APO-AT.
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Die Klägerin hat am 19. März 2014 Klage erhoben und am gleichen Tag um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Die Kammer hat dem Antrag der Klägerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit – inzwischen rechtskräftigem – Beschluss vom 9. April 2014 (2 E 1370/14) stattgegeben.
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Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin aus, dass § 13 Abs. 2 APO-AT die Beklagte nicht zur Eintragung der Fehlzeiten ermächtige. Dies ergebe sich neben der Auslegung der Vorschrift aus verfassungsrechtlichen Erwägungen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin ein Abschlusszeugnis der Berufsfachschule für Freizeitwirtschaft nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ohne die Angaben über die Versäumnisse der Klägerin zu erteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hält sie ihren im Vorverfahren vertretenen Rechtsstandpunkt aufrecht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte zum Aktenzeichen 2 E 1370/14 sowie der Sachakte der Beklagten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
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Die zulässige Klage, über die die Berichterstatterin gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO im Einverständnis mit den Beteiligten anstelle der Kammer entscheidet, hat auch in der Sache Erfolg.
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Die Eintragung der Versäumnisse der Klägerin im Abschlusszeugnis vom 17. Juni 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2014 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin kann die Erteilung eines Abschlusszeugnisses der Berufsfachschule für Freizeitwirtschaft ohne die Eintragung von Fehlzeiten beanspruchen, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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Anspruchsgrundlage für die Erteilung des Abschlusszeugnisses ist § 10 Satz 1 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung der Berufsfachschule für Freizeitwirtschaft (APO-FZW) vom 25. Juli 2000 (HmbGVBl. S. 251). Hiernach erhält, wer die Berufsfachschule für Freizeitwirtschaft erfolgreich abgeschlossen hat, darüber ein Abschlusszeugnis. Gemäß § 10 Satz 2 APO-FZW wird hierin vermerkt, dass die Absolventin oder der Absolvent berechtigt ist, die Berufsbezeichnung „Staatlich geprüfte Assistentin für Freizeitwirtschaft“ oder „Staatlich geprüfter Assistent für Freizeitwirtschaft“ zu führen. Die Klägerin erfüllt – dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig – die Voraussetzungen des § 10 Satz 1 APO-FZW, da sie die Berufsfachschule für Freizeitwirtschaft durch Bestehen der Abschlussprüfung gemäß §§ 8, 9 APO-FZW erfolgreich abgeschlossen hat.
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Diesen Anspruch hat die Beklagte durch Ausstellung des Abschlusszeugnisses vom ... bislang nicht hinreichend erfüllt. Dies folgt zum einen daraus, dass sie entgegen der Vorschrift des § 9b Abs. 2 APO-FZW keinen schriftlichen Vermerk auf dem Abschlusszeugnis angebracht hat, aus dem die Zuerkennung der Fachhochschulreife hervorgeht, sondern hierüber ein gesondertes Zeugnis ausgestellt hat. Zum anderen folgt dies daraus, dass sie auf dem Abschlusszeugnis der Klägerin Angaben über deren Versäumnisse seit Beginn der Ausbildung aufgenommen hat, für deren Eintragung es an der erforderlichen rechtlichen Grundlage fehlt.
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Das Erfordernis einer rechtlichen Grundlage ergibt sich dabei daraus, dass es sich bei während des Schulbesuchs aufgetretenen Fehlzeiten – seien sie entschuldigt oder unentschuldigt – um datenschutzrechtlich sensible Daten handelt, deren Eintragung in einem Abschlusszeugnis für den Betroffenen, der sich mit diesem Zeugnis um einen Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz bewirbt, nachteilige Konsequenzen haben kann, wobei dies insbesondere für behinderte und chronisch kranke Schülerinnen und Schüler der Fall sein dürfte. Eine Rechtsgrundlage für den mit der Eintragung dieser Daten daher verbundenen Eingriff in die gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 GG grundrechtlich geschützte Rechtsposition des Betroffenen ist jedoch nicht vorhanden.
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Dabei kann dahinstehen, ob eine diesbezügliche Regelung allein in einer Rechtsverordnung überhaupt genügen würde oder ob es wegen der grundrechtlichen Bedeutung nicht sogar einer Regelung in einem formellen Gesetz bedürfte, an der es sowohl im Hamburgischen Schulgesetz (v.16.4.1997, HmbGVBl. S. 97, in der vom 8.2.2014 bis 13.6.2014 gültigen Fassung, HmbGVBl. S. 208 – HmbSG) als auch in anderen Gesetzen ersichtlich fehlt. Denn auch in den in Betracht kommenden Rechtsverordnungen fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage zur Eintragung von Fehlzeiten in Abschlusszeugnissen:
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In den Vorschriften der APO-FZW fehlt es an Bestimmungen über derartige Zeugniseintragungen vollständig. Auch auf die Vorschrift des § 13 Abs. 2 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Berufsbildende Schulen – Allgemeiner Teil – (APO-AT) vom 25. Juli 2000 (HmbGVBl. S. 183), wonach „in den Zeugnissen (…) die Versäumnisse der Schülerin oder des Schülers im Bewertungszeitraum mit der Unterscheidung „entschuldigt“ oder „unentschuldigt“ angegeben“ werden, konnte die Beklagte die Angaben in dem Abschlusszeugnis nicht stützen.
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Dabei dürfte die Vorschrift des § 13 APO-AT zwar gemäß § 1 Satz 1 APO-AT neben den Bestimmungen der APO-FZW Anwendung finden, da abweichende Regelungen zu den hier streitgegenständlichen Zeugniseintragungen in der APO-FZW nicht vorhanden sind und gleichzeitig nicht davon auszugehen ist, dass die Regelungen der §§ 9b, 10 APO-FZW die in Abschlusszeugnissen zulässigen Eintragungen abschließend bestimmen.
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Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass die Vorschrift auf Abschlusszeugnisse der berufsbildenden Schulformen und Bildungsgänge anzuwenden ist, und folgt – entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten – daraus, dass in § 13 Abs. 2 APO-AT („in den Zeugnissen“) eine Einschränkung auf bestimmte Zeugnisarten nicht vorgenommen wird, nicht, dass die Vorschrift sich auf sämtliche der in § 10 APO-AT genannten Zeugnisarten bezieht. Vielmehr ergibt sich aus einer an Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck orientierten, verfassungsfreundlichen Auslegung des § 13 Abs. 2 APO-AT, dass die Vorschrift sich allein auf Jahres- und Halbjahreszeugnisse nach § 13 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 und 2 APO-AT bezieht. Im Einzelnen:
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Der Wortlaut des § 13 Abs. 2 APO-AT lässt sich mit einer Anwendung auf andere als Halbjahres- und Jahreszeugnisse nur schwer vereinbaren: Bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten wäre die Vorschrift des § 13 Abs. 2 APO-AT nicht nur auf Abschlusszeugnisse i.S.d. § 10 Abs. 4 APO-AT, sondern auf alle Zeugnisarten i.S.d. § 10 APO-AT und damit auch auf Abgangszeugnisse i.S.d. § 10 Abs. 3 APO-AT sowie auf Zeugnisse der Fachhochschulreife i.S.d. § 10 Abs. 5 APO-AT anwendbar. Abgesehen davon, dass die Beklagte in der praktischen Anwendung dieser Rechtsauffassung insofern nicht konsequent ist, als sie in dem der Klägerin gesondert erteilten Zeugnis über die Fachhochschulreife einen Eintrag über die Versäumnisse während der Ausbildungszeit nicht vorgenommen hat, ist bei Zugrundelegung dieser Auslegung vor allem fraglich, für welchen „Bewertungszeitraum“ die Versäumnisse gemäß § 13 Abs. 2 APO-AT bei anderen als Halbjahres- und Jahreszeugnissen jeweils eingetragen werden sollen: So dürfte es bei einem Abgangszeugnis i.S.d. § 10 Abs. 3 APO-AT jedenfalls in den Fällen des § 14 Abs. 4 Satz 1 APO-AT, d.h. in den Fällen, in denen die Schülerin oder ein Schüler die Ausbildung innerhalb der ersten beiden Monate beendet, bereits an einer Bewertung fehlen, da dieses Zeugnis keine Noten enthält, d.h. eine Leistungsbeurteilung unterbleibt. Bei einem Zeugnis über die Fachhochschulreife i.S.d. § 10 Abs. 5 APO-AT dürfte es zwar nicht an einer Bewertung, wohl aber an einem Bewertungszeitraum fehlen. Denn mit dem Zeugnis der Fachhochschulreife wird gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 APO-AT bescheinigt, dass der Schüler oder die Schülerin die Anforderungen für den Erwerb der Fachhochschulreife erfüllt hat, und wird gemäß § 10 Abs. 5 Satz 2 APO-AT die Fachhochschulprüfung bewertet, nicht aber die während des gesamten Berufsschulbesuchs – oder während eines anderen Zeitraums – erbrachten Leistungen des Schülers oder der Schülerin. Gleiches gilt im Ergebnis auch für Abschlusszeugnisse i.S.d. § 10 Abs. 4 APO-AT. Auch in diesem Fall gibt es keinen Bewertungszeitraum, da nicht die Leistungen der Schülerin oder des Schülers während des letzten Halbjahres oder Jahres an der Berufsfachschule, sondern lediglich die in der Abschlussprüfung gezeigten Leistungen – punktueller – Gegenstand der Bewertung sind. Dies ergibt sich u.a. aus § 11 Abs. 5 Satz 1 APO-AT, wonach das Abschlusszeugnis die Endnoten für die Prüfungsfächer und gegebenenfalls die Note für die besondere Lernleistung und also keine Aussage über die Leistungen der Schülerin oder des Schülers in einem bestimmten Zeitraum enthält, sowie aus §§ 8, 9 APO-FZW, aus denen sich der – punktuelle – Gegenstand der Abschlussprüfung ergibt. Insbesondere lässt sich den maßgeblichen Vorschriften nicht entnehmen, dass mit dem Abschlusszeugnis die Leistungen der Schülerin oder des Schülers während der gesamten Ausbildungszeit an der Berufsfachschule bewertet werden, wovon die Beklagte angesichts der für den gesamten Ausbildungszeitraum eingetragenen Fehlzeiten offenbar auszugehen scheint. Im Gegensatz hierzu enthält die Vorschrift des § 11 Abs. 4 Satz 1 APO-AT ausdrücklich Angaben darüber, welcher Zeitraum bei Jahres- und Halbjahreszeugnissen für die Bewertung der Leistungen des Schülers oder der Schülerin herangezogen werden und also „Bewertungszeitraum“ i.S.d. § 13 Abs. 2 APO-AT sein soll.
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Auch aus gesetzessystematischen Gründen ist davon auszugehen, dass mit „den Zeugnissen“ gemäß § 13 Abs. 2 APO-AT allein auf die in § 13 Abs. 1 APO-AT genannten Zeugnisse, d.h. Jahres- und Halbjahreszeugnisse i.S.d. § 10 Abs. 1 und 2 APO-AT, Bezug genommen werden soll. Zwar findet sich die Regelung über die Angabe von Versäumnissen nicht als weiterer Satz innerhalb des ersten Absatzes des § 13 APO-AT, sondern in einem gesonderten zweiten Absatz. Hierbei dürfte es sich allerdings um ein redaktionelles Versehen handeln. Denn im Gegensatz zu § 13 Abs. 3 Satz 1 APO-AT heißt es in § 13 Abs. 2 APO-AT nicht „alle Zeugnisse“, sondern lediglich „in den Zeugnissen“. Durch die Formulierung in § 13 Abs. 3 Satz 1 APO-AT dürfte der Verordnungsgeber bezweckt haben, den Bezug zu § 13 Abs. 1 und 2 APO-AT aufzulösen. Dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn nach der Vorstellung des Verordnungsgebers bereits mit der Vorschrift des § 13 Abs. 2 APO-AT „alle Zeugnisse“ erfasst wären.
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Für die einschränkende Auslegung des § 13 Abs. 2 APO-AT spricht auch der Vergleich mit den bestehenden Regelungen für Zeugnisse von allgemeinbildenden Schulen in Hamburg, nach denen es in Abgangs- und Abschlusszeugnissen unzulässig ist, Eintragungen über Versäumnisse aufzunehmen: So heißt es in § 11 Abs. 5 Satz 1 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Grundschule und die Jahrgangsstufen 5 bis 10 der Stadtteilschule und des Gymnasiums (APO-GrundStGy) vom 22. Juli 2011 (HmbGVBl. S. 325), dass „in den Zeugnissen, die nicht Abgangs- oder Abschlusszeugnisse sind, (…) die versäumten Unterrichtstage und -stunden (…) angegeben“ werden. Gleiches gilt nach der Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife (APO-AH) vom 25. März 2008 (HmbGVBl. S. 137): Während gemäß §§ 15 Abs. 4 und 16 Abs. 4 APO-AH in Halbjahreszeugnissen und Jahreszeugnissen die Anzahl der insgesamt versäumten sowie der davon unentschuldigten Unterrichtsstunden aufzunehmen ist, fehlt es sowohl in § 17 APO-AH für Abgangszeugnisse als auch in § 18 APO-AH für Zeugnisse der allgemeinen Hochschulreife an derartigen Regelungen.
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Für eine unterschiedliche Behandlung der Schülerinnen und Schüler von allgemeinbildenden Schulen zu Schülerinnen und Schülern von berufsbildenden Schulen bei der Vergabe von Abschlusszeugnissen besteht jedoch kein sachlicher Grund. Beide Schülergruppen, die auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt miteinander konkurrieren, legen bei Bewerbungen die Abschlusszeugnisse bzw. Zeugnisse der allgemeinen Hochschulreife oder Fachhochschulreife den zukünftigen Arbeitgebern bzw. Ausbildungsbetrieben vor (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 28.8.2001, 13 MA 2718/01, juris, Rn. 6). Das von der Beklagten vorgebrachte Interesse des zukünftigen Arbeitgebers bzw. Ausbildungsbetriebs an der Information über Fehlzeiten der Bewerberinnen und Bewerber dürfte – so es denn allgemein eine derartige Eintragung rechtfertigen kann – im Hinblick auf beide Schülergruppen bestehen und kann daher einen sachlichen Grund i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG für die unterschiedliche Behandlung nicht darstellen. Gleiches gilt für das durch den Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Interesse der Beklagten daran, mit der Eintragung der Fehlzeiten eine zweckmäßige Disziplinierung der Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf den regelmäßigen Unterrichtsbesuch zu erzielen. Auch die Erwägung des Beklagtenvertreters, dass es sich bei Berufsschülerinnen und -schülern vor allem um erwachsene Schüler handele, während bei Schülerinnen und Schülern von Stadtteilschulen und Gymnasien in der Sekundarstufe regelmäßig eine weitere Beschulung auf einer allgemeinbildenden bzw. einer berufsbildenden Schule erfolge, könnte die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Zum einen dürfte jedenfalls ein nicht unerheblicher Teil beider Gruppen gleichermaßen um Ausbildungsplätze konkurrieren. Zum anderen dürfte im Falle einer Weiterbeschulung der Eingriff in die grundrechtlich geschützte Rechtsposition gerade geringer sein, so dass eine diesbezügliche Privilegierung der Schülerinnen und Schüler allgemeinbildender Schulen gegenüber denjenigen von berufsbildenden Schulen umso weniger gerechtfertigt erschiene. Aus dem gleichen Grund kann die Argumentation des Beklagtenvertreters, die unterschiedliche Behandlung von Schülerinnen und Schülern berufsbildender Schulen gegenüber Schülerinnen und Schülern, die mit dem Abschlusszeugnis die allgemeine Hochschulreife erhielten, sei dadurch zu rechtfertigen, dass letztere sich vor allem um Studienplätze bei den Hochschulen bewürben, wo die Fehlzeiten während der Schulzeit ohnehin von keinem Interesse seien, nicht überzeugen. Insbesondere im vorliegenden Fall, in dem gemäß § 9b Abs. 2 APO-FZW auf dem Abschlusszeugnis der Berufsfachschule die Zuerkennung der Fachhochschulreife und damit das Erreichen eines allgemeinbildenden Schulabschlusses zu vermerken ist, zeigt sich die Vergleichbarkeit beider Schülergruppen in besonderer Deutlichkeit.
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Dabei dürfte die Eintragung von Fehlzeiten in Abschlusszeugnissen zudem innerhalb der Gruppe der Schülerinnen und Schülern der berufsbildenden Schulen zu einer gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verstoßenden Benachteiligung von behinderten und chronisch kranken Schülerinnen und Schülern führen. Denn diese Schülerinnen und Schüler dürften aufgrund ihrer Behinderung bzw. Erkrankung regelmäßig höhere Fehlzeiten haben als ihre nicht behinderten bzw. gesunden Mitschülerinnen und -schüler, so dass die Eintragung von Fehlzeiten in ihrem Abschlusszeugnis sie auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt stärker benachteiligen würde.
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Die mit der so verstandenen Auslegung des § 13 Abs. 2 APO-AT einhergehende unterschiedliche Behandlung von Angaben über Versäumnisse in Jahres- und Halbjahreszeugnissen einerseits und Abschluss- und Abgangszeugnissen sowie Zeugnissen über allgemeinbildende Schulabschlüsse andererseits erscheint ferner sowohl zweckmäßig als auch erforderlich. Denn während im Fall der Erteilung eines Jahres- oder Halbjahreszeugnisses weiterhin ein Anspruch auf Beschulung besteht und der mit der Eintragung der Fehlzeiten verbundene Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung daher gering sein dürfte, geht mit Vergabe der letztgenannten Zeugnisse die Beendigung des Schulverhältnisses einher und erfolgt unter Vorlage dieser Zeugnisse regelmäßig eine Bewerbung um einen Arbeits-, Ausbildungs- oder (Fach-)Hochschulplatz. Der mit der Eintragung verbundene Eingriff in die gemäß Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit und das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG herzuleitende Recht auf informationelle Selbstbestimmung würde daher im Bereich von Abschluss- und Abgangszeugnissen sowie Zeugnissen über allgemeinbildende Schulabschlüsse ungleich schwerer wiegen. Dies würde sich im Falle behinderter oder chronisch kranker Schülerinnen und Schüler von berufsbildenden Schulen in besonderer Deutlichkeit auswirken.
II.
- 31
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1, 709 Satz 2 ZPO.
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(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,
- 1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens; - 2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 4.
über den Streitwert; - 5.
über Kosten; - 6.
über die Beiladung.
(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.
(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.