Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 09. Nov. 2016 - 1 A 1973/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
- 1
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig und die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn.
- 2
Der Kläger, 21-jähriger afghanischer Staatsangehöriger, reiste eigenen Angaben zufolge über den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn – weitere durchquerte Länder gab der Kläger nicht an – am 29. Dezember 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 29. Januar 2015 einen Asylantrag. Auf Grundlage einer Eurodac-Treffermeldung mit dem Aufgriffsdatum 6. Dezember 2014 („HU2440029480483“) ersuchte die Beklagte die Republik Ungarn mit Schreiben vom 11. Februar 2015 um Aufnahme des Klägers. Die Republik Ungarn erkannte ihre Zuständigkeit für die Durchführung des klägerischen Asylverfahrens mit Schreiben vom 19. März 2015 unter Verweis auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III Verordnung an. Der Kläger habe in Ungarn am 7. Dezember 2014 einen Asylantrag gestellt, kurze Zeit später sei er verschwunden. Sein Verfahren sei am 2. Februar 2015 eingestellt worden.
- 3
Die Beklagte lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid vom 25. März 2015, dem Kläger gegen Empfangsbekenntnis zugegangen am 30. März 2015, als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 2). Die Republik Ungarn sei aufgrund des dort gestellten Asylantrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die sie veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 der Dublin III Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. In Ungarn lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vor.
- 4
Der Kläger hat am 9. April 2015 Klage erhoben (2 A 1973/15) und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt (2 AE 1974/15). Die Beklagte hat der Republik Ungarn daraufhin mit Schreiben vom 20. April 2015 mitgeteilt, dass eine Überstellung aufgrund eines Rechtsmittels mit aufschiebender Wirkung nicht möglich sei. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss vom 10. April 2015 (2 AE 1974/15) abgelehnt. Daraufhin hat die Beklagte der Republik Ungarn mit Schreiben vom 23. April 2015 mitgeteilt, die aufschiebende Wirkung sei zum 10. April 2015 entfallen, die neue Überstellungsfrist ende am 10. Oktober 2015.
- 5
Am 15. September 2015 hat der Kläger beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage unter Abänderung des Beschlusses vom 10. April 2015 nach § 80 Abs. 7 VwGO anzuordnen (2 AE 5078/15). Zur Begründung hat er zum Vorliegen systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn im Wesentlichen ausgeführt, inzwischen bejahten die Verwaltungsgerichte diese vor allem aufgrund der Inhaftierungspraxis in Ungarn zunehmend. Dublin-Rückkehrer würden flächendeckend inhaftiert, Gründe hierfür würden in den zugrunde liegenden Anordnungen nicht genannt. Eine Einzelfallprüfung finde nicht statt. Über Alternativen zur Asylhaft (Stellung einer Kaution, Residenzpflicht, Meldepflichten) werde ebenso wenig wie über Rechtsbehelfe informiert. Die entgegen der Aufnahmerichtlinie ausschließlich in ungarischer Sprache verfassten Haftanordnungen würden erstmals nach 72 Stunden von Gerichten geprüft. Es folgten Haftprüftermine im 60-Tage-Rhythmus. Die Termine setzten die Gerichte im Halbstundentakt an, wobei jeweils bis zu 15 Inhaftierte vorgeführt würden. Stünden für den einzelnen Asylbewerber im Durchschnitt kaum mehr als drei Minuten zur Verfügung, könne von einer individuellen Prüfung in der Sache nicht die Rede sein. Durch die am 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderungen des ungarischen Asylrechts seien die Inhaftierungsvorschriften noch weiter verschärft worden. Asylanträge von Flüchtlingen, die über Serbien eingereist seien, wolle Ungarn zudem künftig als unzulässig ablehnen. Damit werde einem Großteil der Flüchtlinge in Ungarn der Zugang zu einer materiellen Prüfung ihres Asylbegehrens versperrt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Antrag vom 15. September 2015 Bezug genommen.
- 6
Das Verwaltungsgericht Hamburg hat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid vom 25. März 2015 mit Beschluss vom 16. September 2015 (2 AE 5078/15), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, unter Abänderung des Beschlusses vom 10. April 2015 (2 AE 1974/15) angeordnet. Die Beklagte hat der Republik Ungarn daraufhin mit Schreiben vom 22. September 2015 mitgeteilt, dass eine Überstellung aufgrund eines Rechtmittels mit aufschiebender Wirkung vom 16. September 2015 nicht möglich sei.
- 7
Das Verfahren ist am 16. Dezember 2015 von der Kammer 2 auf die Kammer 1 des Verwaltungsgerichts Hamburg übergegangen (neues Az.: 1 A 1973/15).
- 8
Der Kläger beantragt,
- 9
den Bescheid vom 25. März 2015 aufzuheben.
- 10
Aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 20. April 2015 (Bl. 14 d. A.) ergibt sich der Antrag,
- 11
die Klage abzuweisen.
- 12
Zur Begründung verweist die Beklagte auf ihren Bescheid vom 25. März 2015.
- 13
Das Gericht hat das Auswärtige Amt, den UNHCR, den Menschenrechtskommissar des Europarates, Human Rights Watch und Amnesty International um Auskünfte zur Lage von Dublin-Rückkehrern in Ungarn ersucht. Wegen des Ergebnisses der Auskunftsersuchen wird auf die Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes vom 12. November 2015, 3. Dezember 2015, 23. Februar 2016, 3. März 2016 und 1. November 2016, von Amnesty International vom 29. April 2016 sowie des UNHCR vom 17. Juli 2016 und 9. September 2016 Bezug genommen. Die Gerichtsakten der Verfahren 2 AE 1974/15 und 2 AE 5078/15 sowie die Asylakten der Beklagten und die Ausländerakten der Freien und Hansestadt Hamburg sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
I.
- 14
Die Entscheidung kann trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 9. November 2016 ergehen, weil sie am 30. September 2016 (Empfangsbekenntnis Bl. 104 d. A.) ordnungsgemäß mit Hinweis nach § 102 Abs. 2 VwGO geladen worden ist.
II.
- 15
Die zulässige Klage ist unbegründet.
- 16
Der Bescheid vom 25. März 2015 ist nach der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 des Asylgesetzes in der Fassung vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939; im Folgenden: AsylG) maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies gilt sowohl für die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig (hierzu unter 1.) als auch für die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn (hierzu unter 2.).
- 17
1. Die Rechtsgrundlage für die Ablehnung des klägerischen Asylantrags als unzulässig (Nr. 1 des Bescheides vom 25. März 2015) ergibt sich aus § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG.
- 18
Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III Verordnung) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier der Fall, für die Durchführung des klägerischen Asylverfahrens ist nach Maßgabe der Dublin III Verordnung die Republik Ungarn zuständig. Im Einzelnen:
- 19
a) Die Zuständigkeit Ungarns folgt mangels Vorliegens vorrangig heranzuziehender Zuständigkeitskriterien aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Dublin III Verordnung.
- 20
Nach dieser Bestimmung ist, wenn auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 der Dublin III Verordnung genannten Verzeichnissen einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt wird, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Republik Ungarn erfüllt.
- 21
Für den Kläger liegt eine Eurodac-Treffermeldung der Kategorie 2 nach Art. 24 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit dem Aufgriffsdatum 6. Dezember 2014 in Ungarn vor („HU2440029480483“). So werden nach diesen Be-stimmungen Daten einer Person gekennzeichnet, die aus einem Drittstaat kommend beim illegalen Überschreiten der Grenze dieses Mitgliedstaats auf dem Land-, See- oder Luftweg von den zuständigen Kontrollbehörden aufgegriffen wurde.
- 22
Hiermit übereinstimmend hat der Kläger im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 29. Januar 2015 (Bl. 2 ff. der Asylakten) gegenüber der Beklagten angegeben, nicht im Besitz eines Aufenthaltsdokuments/Visums gewesen zu sein und über Serbien in die Republik Ungarn eingereist zu sein. Soweit der Kläger in diesem Gespräch darüber hinaus angegeben hat, vor dem (eintägigen) Aufenthalt in Serbien für 21 Tage in Bulgarien gewesen zu sein, vermag dies eine (vorrangige) Zuständigkeit Bulgariens nach der auch insoweit einzig in Betracht kommenden Regelung in Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Dublin III Verordnung nicht zu begründen, weil es hierfür an Beweismitteln oder Indizien im Sinne dieser Vorschrift mangelt; eine Eurodac-Treffermeldung für Bulgarien liegt nicht vor.
- 23
b) Die Beklagte ist nicht dazu verpflichtet, trotz der nach Maßgabe der Dublin III Verordnung begründeten Zuständigkeit Ungarns das Asylverfahren des Klägers im Hinblick auf die dortigen Verhältnisse selbst durchzuführen.
- 24
aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine Abweichung von den unionsrechtlichen Regelungen zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats nur in extrem gelagerten Ausnahmefällen geboten. Nur dann, wenn ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedsstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GRCh implizieren, dürfte die Überstellung nicht erfolgen (zur Dublin II Verordnung: EuGH, Urt. v. 14.11.2013, C-4/11; Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 u. C-493/10, juris, Rn. 86; diese Rechtsprechung hat in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Dublin III Verordnung ihren ausdrücklichen Niederschlag gefunden).
- 25
Für das in Deutschland durch den Untersuchungsgrundsatz geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Erforderlich ist deshalb, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, Beschl. v. 19.3.2014, 10 B 6/14, juris, Rn. 9).
- 26
bb) Umstände in diesem Sinne und eine sich hieraus ergebende Verpflichtung der Beklagten, das Asylverfahren des Klägers selbst durchzuführen, liegen nicht vor.
- 27
Nach den vorliegenden Erkenntnissen bestehen zwar Zweifel an der Vereinbarkeit wesentlicher Teile des ungarischen Asylrechts und seiner Anwendung mit dem Völker- und Europarecht (UNHCR, Ungarn als Asylland, Juli 2016, Rn. 79 [Asyldokumentation, Ordner Dublin II/III, Abschnitt Ungarn, G 2/16]). Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass nicht besonders schutzbedürftigen Personen, zu denen der Kläger gehört, im Falle der Rückkehr nach Ungarn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (s. bereits EGMR, Urt. v. 3.7.2014, 71392/12, NLMR 2014, 282 ff.; VG Hamburg, Beschl. v. 16.2.2016, 1 AE 300/16, n. v.; Beschl. v. 19.1.2016, 7 AE 4881/15, n. v.; Beschl. v. 1.2.2016, 8 AE 6290/15, n. v.; a. A. VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 28.10.2016, 14 A 4436/16, n. v.; Gerichtsbescheid v. 13.6.2016, 19 A 3708/15, n. v.; Beschl. v. 8.2.2016, 10 AE 6823/15, n. v.; Beschl. v. 7.9.2015, 10 AE 4683/15, n. v.; VGH Mannheim, Urt. v. 13.10.2016, A 11 S 1596/16, juris; Urt. v. 5.7.2016, A 11 S 976/16, juris; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid v. 2.12.2015, 22 K 3263/15.A, juris). Es ist weder zu erwarten, dass der Kläger unter Verstoß gegen das sogenannte Refoulement-Verbot nach Serbien abgeschoben wird (hierzu unter (1)), noch dass ihm in Ungarn durch eine Inhaftierung (hierzu unter (2)) oder die Aufnahmebedingungen im Übrigen (hierzu unter (3)) eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
- 28
(1) Dem Kläger droht nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Abschiebung von Ungarn nach Serbien, wo er eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erfahren könnte (ebenso in vergleichbaren Fällen VG Hamburg, Beschl. v. 16.2.2016, 1 AE 300/16, n. v.; Beschl. v. 19.1.2016, 7 AE 4881/15, n. v.; Beschl. v. 1.2.2016, 8 AE 6290/15, n. v.; a. A. VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 28.10.2016, 14 A 4436/16, n. v.; Gerichtsbescheid v. 13.6.2016, 19 A 3708/15, n. v.; Beschl. v. 8.2.2016, 10 AE 6823/15, n. v.; vgl. zu systemischen Mängeln im Asylsystem Serbiens VG Hamburg, Beschl. v. 1.2.2016, 8 AE 6290/15, n. v. m.w.N.; Beschl. v. 8.2.2016, 10 AE 6823/15, n. v.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid v. 2.12.2015, 22 K 3263/15.A, juris, Rn. 63 ff. m.w.N.).
- 29
(a) Zwar ist nach § 51 Abs. 2 lit. e, Abs. 4 des ungarischen Asylgesetzes (inoffizielle englische Übersetzung [Stand: Juni 2016] abrufbar unter http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain/opendocpdf.pdf?reldoc=y&docid=5773d2594, letzter Abruf am 8. November 2016) ein Asylantrag unzulässig, wenn der Antragsteller über einen sicheren Drittstaat eingereist ist und dort die Möglichkeit gehabt hätte, wirksamen Schutz zu beanspruchen (s. auch Institut für Ostrecht München, Rechtsgutachten über ungarisches Asylrecht vom 2. Oktober 2015, S. 16; im Folgenden: Institut für Ostrecht [Asyldokumentation, a.a.O., G 5/15]). Auch hat Ungarn Serbien, durch das der Kläger nach seinen Angaben vor der Einreise nach Ungarn gereist war, durch die am 22. Juli 2015 in Kraft getretene Regierungsverordnung 191/2015 (VII.21.) Korm. (deutsche Übersetzung: Institut für Ostrecht, S. 5 f.) zu einem sicheren Drittstaat erklärt, so dass im Falle der Annahme der zuständigen ungarischen Asylbehörde, der Kläger hätte in Serbien wirksamen Schutz in Anspruch nehmen können, dessen Abschiebung nach Serbien ohne materielle Prüfung des Asylantrags eingeleitet werden könnte. Dennoch ist die tatsächliche Abschiebung des Klägers von Ungarn nach Serbien nicht überwiegend wahrscheinlich, weil Serbien seit Ende Oktober/Anfang November 2015 die Rückübernahme von Asylbewerbern regelhaft verweigert (ebenso VG Hamburg, Beschl. v. 16.2.2016, 1 AE 300/16, n. v.; Beschl. v. 19.1.2016, 7 AE 4881/15 n. v.; Beschl. v. 1.2.2016, 8 AE 6290/15, n. v.; a. A. VG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 28.10.2016, 14 A 4436/16, n. v.; Gerichtsbescheid v. 13.6.2016, 19 A 3708/15, n. v.; Beschl. v. 8.2.2016, 10 AE 6823/15, n. v.).
- 30
Dies ergibt sich aus den vorliegenden Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes. Danach lehne Serbien seit Ende Oktober/Anfang November 2015 die Übernahme von Drittstaatsangehörigen aus Ungarn ab, sofern nicht nachgewiesen werden könne, dass die Antragsteller tatsächlich über Serbien nach Ungarn eingereist seien. An einen solchen Nachweis würden hohe Anforderungen gestellt: Erforderlich seien entweder eine Registrierung, die allerdings in Serbien grundsätzlich nicht erfolgt sei, oder sonstige Nachweise, z. B. in Form einer Zugfahrkarte. Bloße Indizien, wie die Registrierung an einem serbisch-ungarischen Grenzübergang, lasse Serbien nicht genügen. In der Regel könne der Nachweis, dass die Einreise über Serbien erfolgt sei, nicht erbracht werden. Nach Angaben der ungarischen Einwanderungsbehörde aus dem Januar 2016 habe es bis dahin keinen einzigen Fall gegeben, in dem Serbien der Rückübernahme zugestimmt hätte (Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 27. Januar 2016 [Asyldokumentation, a.a.O., 2016/4], 19. Januar 2016 [Asyldokumentation, a.a.O., 2016/1] und 12. November 2015 [Asyldokumentation, a.a.O., 2015/3]). Gegenteilige Erkenntnisse liegen dem Auswärtigen Amt weiterhin nicht vor (Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 23. Februar 2016 [Asyldokumentation, a.a.O., 2016/2] und 1. November 2016 [Bl. 111 d. A.]).
- 31
Die angenommene regelhafte Ablehnung der Rückübernahme nach Ungarn eingereister Asylbewerber durch Serbien findet auch in den vom UNHCR in seiner aktuellen Stellungnahme genannten Zahlen eine Stütze. Danach habe Serbien in der ersten Hälfte des Jahres 2016 bei den 3.006 durch Ungarn gestellten Übernahmeersuchen nach dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Serbien über die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt (ABl. EU Nr. L 334 v. 19.12.2007, S. 46 ff.; im Folgenden: Rückübernahmeabkommen) nur für 114 Personen die Zustimmung erteilt. Es habe sich um 35 serbische, 27 kosovarische, 22 albanische und 17 türkische Staatsangehörige, sechs Staatsangehörige der ehemaligen Republik Mazedonien und sieben Personen mit sonstiger Staatsangehörigkeit gehandelt (UNHCR, Auskunft vom 9. September 2016 [Bl. 99 f. d. A.]). Syrische und afghanische Staatsangehörige, die einen Großteil der seit Ende des Jahres 2014 über Serbien nach Ungarn eingereisten Asylbewerber ausmachten, sind in dieser Aufzählung nicht genannt (s. auch Hungarian Helsinki Committee, Hungary: Key Asylum Figures as of 1 October 2016, abrufbar unter: „www.helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-Hungary-asylum-figures-1-October-2016.pdf“, letzter Abruf am 8. November 2016).
- 32
Der Annahme, Serbien lehne seit Ende Oktober/Anfang November 2015 regelhaft die Rückübernahme nach Ungarn eingereister Asylbewerber ab, widersprechende Erkenntnisse liegen nicht vor. Solche ergeben sich insbesondere nicht aus dem Bericht des Kommissars für Menschenrechte des Europarates vom 17. Dezember 2015. Darin heißt es zwar, für Dublin-Rückkehrer bestehe ein sehr hohes Risiko, ohne inhaltliche Prüfung ihres Asylbegehrens nach Serbien abgeschoben zu werden (Kommissar für Menschenrechte, Third Party Intervention by the Council of Europe Commissioner for Human Rights, Applications No. 44825/15 and No. 44944/15, Rn. 44 [Asyldokumentation, a.a.O., G 7/15]). Bei einem mehrtägigen Besuch in Ungarn Ende November 2015 sei er informiert worden, dass die neue Sichere-Drittstaaten-Regelung in Bezug auf Serbien sowohl im beschleunigten Verfahren als auch im Grenzverfahren bereits Anwendung gefunden habe und Personen auf dieser Grundlage nach Serbien zurückgeführt worden seien. Wie hoch die Zahl der tatsächlich durchgeführten Abschiebungen war und ob auch Dublin-Rückkehrer von den Abschiebungen betroffen waren, geht aus dem Bericht jedoch nicht hervor. Er geht weder auf die vom Auswärtigen Amt berichtete Änderung der serbischen Rückübernahmepraxis Ende Oktober/Anfang November 2015 ein noch differenziert er zwischen der Situation davor und danach. Zur Bitte des erkennenden Gerichts vom 18. Februar 2016, von der Einschätzung des Auswärtigen Amtes abweichende Erkenntnisse zur Abschiebung von Dublin-Rückkehren von Ungarn nach Serbien ab Ende Oktober/Anfang November 2015 mitzuteilen, ist keine Stellungnahme des Kommissars für Menschenrechte eingegangen.
- 33
Soweit Human Rights Watch von einzelnen Abschiebungen von Ungarn nach Serbien berichtet (Human Rights Watch, Hungary: Locked Up for Seeking Asylum; im Folgenden: Human Rights Watch [Asyldokumentation, a.a.O., G 9/15]), basiert dieser Bericht auf einem Besuch in Ungarn im Oktober 2015, also vor dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Änderung der serbischen Rückübernahmepraxis Ende Oktober/Anfang November 2015, so dass er nur eingeschränkt zur Beurteilung der derzeitigen Lage herangezogen werden kann. Zudem hat Human Rights Watch bereits zu diesem früheren Zeitpunkt festgestellt, dass die Rückführungen in den meisten Fällen von Serbien abgelehnt würden. Ihre Zahl sei seit der Schließung der Grenze am 15. September 2015 von täglich 60 auf sieben bis zehn pro Woche zurückgegangen. Ob Dublin-Rückkehrer überhaupt von solchen Abschiebungen betroffen sind, geht aus dem Bericht nicht hervor. Die Anfrage des erkennenden Gerichts vom 18. Februar 2016, ob Erkenntnisse zur Abschiebung von Dublin-Rückkehren von Ungarn nach Serbien ab Ende Oktober/Anfang November 2015 vorliegen, hat auch Human Rights Watch nicht beantwortet. Amnesty International liegen hierzu ebenfalls keine Erkenntnisse vor (Amnesty International, Auskunft vom 29. April 2016 [Bl. 73 d. A.]).
- 34
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Serbien zukünftig entgegen der seit Ende Oktober/Anfang November 2015 bestehenden Praxis auf der Grundlage des Rückübernahmeabkommens der Rückübernahme von nach Ungarn eingereisten Asylbewerbern im Allgemeinen und Dublin-Rückkehren im Besonderen, bei denen die Einhaltung der Frist gemäß Art. 10 Abs. 1 des Rückübernahmeabkommens im Falle des Aufgreifens und der Übermittlung der Eurodac-Daten im Sinne von Art. 14 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 an das Zentralsystem wie im Falle des Klägers überdies sehr fraglich ist, zustimmen wird.
- 35
(b) Abgesehen davon, dass auch in Ungarn gegen die Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig aufgrund der Einreise über einen sicheren Drittstaat um Rechtsschutz nachgesucht werden kann und z. B. Gerichte in Debrecen, Szeged, Györ und Budapest seit Januar 2016 solche Unzulässigkeitsentscheidungen aufgehoben haben (s. hierzu UNHCR, Auskunft vom 9. September 2016 [Bl. 99 f. d. A.]); UNHCR, Ungarn als Asylland, Juli 2016, Rn. 42 [Asyldokumentation, a.a.O., G 2/16]), führen die ungarischen Behörden nach der Weigerung Serbiens zur Rückübernahme eines nach Ungarn eingereisten Asylbewerbers nach Auskünften des Auswärtigen Amtes in der Praxis eine materielle Prüfung des Asylantrags durch (Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 19. Januar 2016 [Asyldokumentation, a.a.O., 2016/1], 27. Januar 2016 [Asyldokumentation, a.a.O., 2016/4], 3. März 2016 [Asyldokumentation, a.a.O., 2016/3] und 1. November 2016 [Bl. 111 d. A.]; s. auch UNHCR, Ungarn als Asylland, Juli 2016, Rn. 39 und Fn. 89 [Asyldokumentation, a.a.O., G 2/16]).
- 36
(2) Sofern der Kläger nach der Rückkehr nach Ungarn in Asylhaft genommen werden sollte, droht ihm auch insoweit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (ebenso in vergleichbaren Fällen VG Hamburg, Beschl. v. 16.2.2016, 1 AE 300/16, n. v.; Beschl. v. 19.1.2016, 7 AE 4881/15, n. v.; Beschl. v. 1.2.2016, 8 AE 6290/15, n. v.; a. A. VGH Mannheim, Urt. v. 13.10.2016, A 11 S 1596/16, juris, Rn. 34 ff.; Urt. v. 5.7.2016, A 11 S 976/16, juris, Rn. 34 ff.).
- 37
Die Vorschriften des ungarischen Asylgesetzes über die Asylhaft sind grundsätzlich mit den Vorgaben der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. EU Nr. L 180 v. 29.6.2013, 96 ff.) vereinbar (VG Hamburg, Beschl. v. 16.2.2016, 1 AE 300/16, n. v.; Beschl. v. 19.1.2016, 7 AE 4881/15, n. v.; Beschl. v. 1.2.2016, 8 AE 6290/15, n. v.; VG Bayreuth, Beschl. v. 18.11.2015, B 3 S 15.50292, juris, Rn. 24; VG Dresden, Beschl. v. 9.9.2015, 2 L 719/15.A, juris, Rn. 30). Auch die praktische Anwendung dieser Vorschriften lässt keine systemischen Mängel erkennen. Insbesondere erscheint es nicht willkürlich, wenn die ungarischen Behörden davon ausgehen, dass Dublin-Rückkehrer sich durch eine erneute Ausreise dem ungarischen Asylverfahren entziehen werden und deshalb wegen Fluchtgefahr eine Inhaftierung gemäß § 31/A Abs. 1 lit. c) des ungarischen Asylgesetzes zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens für notwendig halten (VG Hamburg, Beschl. v. 16.2.2016, 1 AE 300/16, n. v.; Beschl. v. 19.1.2016, 7 AE 4881/15, n. v.; Beschl. v. 1.2.2016, 8 AE 6290/15, n. v.; Beschl. v. 3.3.2015, 8 AE 5515/14, n. v.; VG Bayreuth, Beschl. v. 18.11.2015, B 3 S 15.50292, juris, Rn. 24; VG Ansbach, Beschl. v. 20.10.2015, AN 3 S 15.50398, juris, Rn. 34).
- 38
Die vorliegenden Berichte über die Haftbedingungen (u. a. UNHCR, Auskunft vom 30. September 2014 [Asyldokumentation, a.a.O., G 6/14]; Kommissar für Menschenrechte, Rn. 16 ff.; aida, Country Report: Hungary, November 2015, im Folgenden: aida [Asyldokumentation, a.a.O., G 6/15]; Pro Asyl, Auskunft vom 31. Oktober 2014 [Asyldokumentation, a.a.O., G 8/14]) weisen zwar auf niedrige Standards und einzelne problematische Umstände hin. Sie lassen aber nicht erkennen, dass während der Inhaftierung regelhaft eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht; insoweit wird Bezug genommen auf die ausführliche Begründung der Kammer 7 des Verwaltungsgerichts Hamburg im Beschluss vom 19. Januar 2016, 7 AE 4881/15:
- 39
„Noch vertretbar erscheint es vor diesem Hintergrund auch, dass – ausgehend von der Annahme einer fortbestehenden Fluchtgefahr – Haftprüfungen im Halbstundentakt und regelmäßig für Gruppen von fünf bis 15 Personen gleichzeitig stattfinden (UNHCR, S. 7; aida, S. 68). Wenngleich eine einzelfallbezogene Überprüfung der Haftanordnung im Rahmen dieser gedrängten Prüfungstermine nur sehr erschwert möglich sein dürfte, enthalten die bislang vorliegenden Berichte keine belastbaren Anhaltspunkte für eine willkürliche Praxis (hierzu eingehend VG Hamburg, Beschl. v. 3.3.2015, 8 AE 5515/14).
- 40
Es ist auch nicht ersichtlich, dass inhaftierte Asylsuchende über einen längeren Zeitraum über ihre Zukunft und die Dauer ihrer Inhaftierung im Ungewissen gelassen werden oder ihnen jede Aussicht auf eine Entlassung genommen wird. Dagegen sprechen die maximale Haftdauer von sechs Monaten nach § 31/A Abs. 7 des ungarischen Asylgesetzes (aida, S. 63; Pro Asyl, S. 2), für deren Überschreitung keine Anhaltspunkte bestehen, und die gesetzlich in regelmäßigen Abständen vorgesehenen Haftprüfungen.
- 41
Auch die konkreten Bedingungen, denen der Antragsteller in einer etwaigen Haft ausgesetzt wäre, lassen keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erwarten. Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzuges den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwerfen, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigen, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind (EGMR, Urt. v. 21.1.2011, Nr. 30696/09, Rn. 221 – M.S.S../.Belgien und Griechenland). Einen Verstoß dagegen nimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für die Überstellung nach Ungarn, wie bereits ausgeführt, nicht an (s.o.; EGMR, Urt. v. 3.7.2014, Nr. 71932/12, Rn. 60 ff. – Mohammadi./. Österreich). Ausgehend vom Gewährleistungsgehalt der Menschenwürde (vgl. Höfling, in Sachs, GG, 7. Aufl., Art. 1 Rn. 19 ff.) wären die Bedingungen der Haft dann menschenunwürdig, wenn die körperliche Integrität, menschengerechte Lebensgrundlagen, elementare Rechtsgleichheit, personale Identität und Integrität bedroht wären. Hiervon dürfte in Ungarn nicht auszugehen sein. Im Einzelnen:
- 42
Zwar existieren in einzelnen Haftanstalten hygienisch problematische Bedingungen und fehlt es dort an einer ausreichenden Ausstattung mit Waschräumen und Duschen; auch wird der Nährwert der Mahlzeiten nicht überwacht (UNHCR S. 3; aida, S. 65; Pro Asyl, S. 5). Die Mindeststandards dürften aber erfüllt sein. Die Inhaftierten können sich tagsüber frei bewegen (Pro Asyl, S. 4) und erhalten regelmäßig etwas zu essen. Es gibt keine Überbelegungen (Pro Asyl, S. 4) und jedenfalls eine ärztliche Grundversorgung ist sichergestellt, wobei Sanitäter bzw. Krankenschwestern permanent anwesend sind und Allgemeinmediziner die Einrichtungen zeitweise besuchen (UNHCR, S. 3; aida, S. 65; Pro Asyl, S. 4). Überdies kann in schwerwiegenden Fällen eine Zuweisung zu den Allgemein- oder Spezialeinrichtungen des Gesundheitssystems erfolgen, sofern dies medizinisch angezeigt ist (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 19.11.2014, S. 4, Asyldokumentation des OVG Hamburg, Ordner Dublin-II/III, Abschnitt Ungarn 2014/1). In einigen Aufnahmeeinrichtungen wird zudem – wenn auch nur für wenige Stunden in der Woche (ecre, S. 25; Pro Asyl, S. 5) – psychologische Betreuung durch Spezialisten und Psychologen gewährt. Soweit in einzelnen Berichten eine expansive Ausgabe sedierender Medikamente an inhaftierte Asylbewerber thematisiert wird (Pro Asyl, S. 5 unter Hinweis auf eine Berichterstattung im „Spiegel“), ist nicht hinreichend zu erkennen, dass es sich hierbei um ein systemisches Vorgehen handelt. Darüber hinaus ist ein gewisses Mindestmaß an Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung gegeben, insbesondere verfügen die Hafteinrichtungen über Computerräume mit Internetzugang und über Fitnessräume, der Außenbereich der Einrichtung in Békéscsaba erlaubt zudem sportliche Aktivitäten im Freien (aida, S. 64, 66; Pro Asyl, S. 5).
- 43
Sofern es im Rahmen von Außenterminen inhaftierter Asylbewerber bei Behörden, Gerichten oder Ärzten zum Einsatz von Handfesseln und Leinen kommt (UNHCR, S. 3; aida, S. 65; Pro Asyl, S. 5), kann darin im Einzelfall ein Mangel der Haftbedingungen nur gesehen werden, wenn es sich nicht um eine notwendige Sicherheitsvorkehrung handelt. Eine gegen Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung kommt in dem maßgeblichen Bezugssystem darin jedoch nicht zum Ausdruck. Die inhaftierten Asylbewerber werden durch diese Behandlung deshalb nicht herabgewürdigt oder stigmatisiert, weil die Behandlung der ungarischen Rechtspraxis nicht fremd ist und etwa auch auf Angeklagte angewandt wird (UNHCR, S. 4), die gemäß Art. 48 Abs. 1 GR-Charta und Art. 6 Abs. 2 EMRK bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig gelten.“
- 44
(3) Auch im Übrigen lassen die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Klägers nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwarten (ebenso in vergleichbaren Fällen VG Hamburg, Beschl. v. 16.2.2016, 1 AE 300/16, n. v.;Beschl. v. 19.1.2016, 7 AE 4881/15, n. v.; Beschl. v. 1.2.2016, 8 AE 6290/15, n. v.; Beschl. v. 8.2.2016, 10 AE 6823/15, n. v.).
- 45
Nach den vorliegenden Berichten ist insbesondere nicht festzustellen, dass die Mindeststandards für die Aufnahme von Asylsuchenden systematisch nicht eingehalten werden und die elementaren Grundbedürfnisse (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in zumutbarer Weise befriedigt werden können. Die Engpässe in den Auffanglagern im Sommer/Herbst 2015 waren nur vorübergehend, die Lager sind nicht mehr voll belegt. Zum 1. Oktober 2016 waren nur 576 Asylbewerber in den Einrichtungen der zuständigen ungarischen Behörde untergebracht (Hungarian Helsinki Committee, Hungary: Key Asylum Figures as of 1 October 2016, abrufbar unter: „www.helsinki. hu/wp-content/uploads/HHC-Hungary-asylum-figures-1-October-2016.pdf“, letzter Abruf am 8. November 2016).
- 46
2. Die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn (Nr. 2 des Bescheides vom 25. März 2015) findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG.
- 47
Soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt nach § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der angeordneten Abschiebung nach Ungarn vor.
- 48
a) Die Republik Ungarn ist für die Durchführung des klägerischen Asylverfahrens zuständig, auf die obigen Ausführungen unter II. 1. wird insoweit verwiesen.
- 49
b) Es steht zudem fest, dass die Abschiebung nach Ungarn durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, wenn die Abschiebung rechtlich zulässig und tatsächlich möglich ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2010, 4 Bs 223/10, juris, Rn. 10). So liegt es hier.
- 50
aa) Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass der Abschiebung ein innerstaatliches Abschiebungshindernis (zu dem auch innerstaatliche Abschiebungshindernisse einschließenden Prüfungsprogramm s. nur OVG Hamburg, a.a.O.) entgegensteht. Insoweit fehlt es an jeglichem Vortrag des Klägers.
- 51
bb) Auch ist nicht anzunehmen, dass die Abschiebung des Klägers nach Ungarn aufgrund unzureichender Kooperation der ungarischen Behörden tatsächlich unmöglich ist.
- 52
Die ungarische Regierung hat die für das Dublin-Verfahren zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten am 27. April 2016 zwar darüber informiert, dass Ungarn keinen weiteren Übernahmeersuchen nach der Dublin-Verordnung zustimmen werde (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 1. November 2016 [Bl. 111 d. A.]; UNHCR, Stellungnahme vom 9. September 2016 [Bl. 99 f. d. A.]). Die Republik Ungarn hat ihre Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers jedoch ausdrücklich mit Schreiben vom 19. März 2015 unter Verweis auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III Verordnung anerkannt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die ungarischen Behörden sich einer Überstellung des Klägers gleichwohl entgegenstellen würden. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes finden weiterhin Überstellungen statt und akzeptiert Ungarn diese (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 1. November 2016 [Bl. 111 d. A.]).
- 53
Die tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung des Klägers ergibt sich auch nicht aus der Anzahl der tatsächlich von Deutschland nach Ungarn im Rahmen des Dublin-Verfahrens erfolgenden Überstellungen. Derartige Abschiebungen finden – wenn auch in relativ geringem Umfang – statt, im Jahr 2015 waren es 192 (Liaisonmitarbeiter des Bundesamtes beim Ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, Auskunft vom 15. August 2016 [Asyldokumentation, a.a.O., G 3/16]), im Zeitraum von Januar 2016 bis August 2016 waren es 226 (Hungarian Helsinki Committee, Hungary: Key Asylum Figures as of 1 October 2016, abrufbar unter: „www.helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-Hungary-asylum-figures-1-October-2016.pdf“, letzter Abruf am 8. November 2016). Aus dem Umstand, dass die Beklagte Abschiebungen nach Ungarn in erheblich höherer Anzahl angeordnet hat, folgt die Unmöglichkeit der Abschiebung des Klägers nicht, da der unterbliebene Vollzug einer Abschiebungsanordnung vielfältige Gründe haben kann und nicht allein auf eine unzureichende Kooperation der ungarischen Behörden zurückzuführen sein muss (s. auch Liaisonmitarbeiter des Bundesamtes beim Ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, Auskunft vom 15. August 2016 [Asyldokumentation, a.a.O., G 3/16]). Im Falle des Klägers hatte die Ausländerbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg die Überstellung des Klägers bereits eingeleitet und einen Flug für den 17. September 2015 gebucht. Dieser wurde nur aufgrund der mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 16. September 2015 (2 AE 5078/15) erfolgten Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vorliegenden Klage wieder storniert (Bl. 90 der Ausländerakten).
III.
- 54
Die Kostenentscheidung beruht auf § 83b AsylG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 09. Nov. 2016 - 1 A 1973/15
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 09. Nov. 2016 - 1 A 1973/15
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 09. Nov. 2016 - 1 A 1973/15 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
Gründe
-
I.
- 1
-
Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.
-
II.
- 2
-
Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.
- 3
-
1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,
-
"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."
- 4
-
Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.
- 5
-
Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).
- 6
-
Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).
- 7
-
Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.
- 8
-
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).
- 9
-
Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.
- 10
-
2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.
- 11
-
Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).
- 12
-
An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 13. Februar 2016 - A 1 K 2059/14 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
|
Entscheidungsgründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
|
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
|
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht Bayreuth
Aktenzeichen: B 3 S 15.50292
Beschluss
vom
3. Kammer
rechtskräftig: Ja
Sachgebiets-Nr. 810
Hauptpunkte:
- Abschiebungsanordnung nach Ungarn;
- keine systemischen Mängel hinsichtlich Ungarn;
- Festhalten am Dublin-Verfahren
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
...
- Antragsteller -
bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...
gegen
Bundesrepublik Deutschland vertreten durch: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Außenstelle M 1 - Zirndorf - Rothenburger Str. 29, 90513 Zirndorf
- Antragsgegnerin -
beteiligt:
Regierung von Oberfranken - Vertreter des öffentlichen Interesses - Ludwigstr. 20, 95444 Bayreuth
wegen Vollzug des Asylgesetzes (AsylG) (Irak-Rücküberstellung nach Ungarn)
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth, 3. Kammer,
durch die Richterin am Verwaltungsgericht ... ohne mündliche Verhandlung am
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller, irakischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben am ... 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ... 2015 einen Asylantrag.
Der Akte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ist ein sogenannter EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für Ungarn zu entnehmen. Aufgrund dessen richtete das Bundesamt am
Mit Bescheid vom
Zur Begründung führt das Bundesamt aus, dass der Asylantrag gemäß § 27a AsylG unzulässig sei, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gem. Art. 18 Abs. 1 b Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Insbesondere lägen in Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vor. Diese Beurteilung werde von verschiedenen deutschen Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten und zuletzt auch durch die Entscheidung des EGMR vom 03.07.2014 bestätigt. Daher würde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft.
Gegen diesen Bescheid bzw. die darin enthaltene Abschiebungsanordnung richtet sich der beim Verwaltungsgericht Bayreuth
die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage gegen die Abschiebungsanordnung anzuordnen.
Außerdem wird beantragt,
dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu bewilligen.
Zur Begründung des Eilantrages wird im Wesentlichen vorgetragen, dass eine Rücküberstellung nach Ungarn unzulässig sei, da das Asylsystem und die Aufnahmebedingungen dieses Landes systemische Mängel aufwiesen. Außerdem bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides, denn im Hinblick auf die jüngste Entscheidung der Bundesregierung im September 2015, Flüchtlinge - die sich in Ungarn aufhielten - ungehindert nach Deutschland einreisen zu lassen, könnte die Antragsgegnerin durch die hier mangelnde Ausübung des Selbsteintrittsrechtes, willkürlich gehandelt haben. Dies gelte auch hinsichtlich der Tatsache, dass für Flüchtlinge aus Syrien das Dublin-Verfahren ausgesetzt worden sei, während es für den Antragsteller weiter angewandt würde.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom
den Antrag abzulehnen.
Das Klageverfahren wird unter dem Az. B 3 K 15.50293 geführt und richtet sich gegen die Ziffern 1. und 2. des Bescheides vom
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte des Klageverfahrens und die Gerichtsakte dieses Verfahrens verwiesen.
II.
1. Der zulässige - insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1, § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylG statthafte und unter Beachtung der einwöchigen Antragsfrist des § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylG fristgerecht gestellte Antrag - ist unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage anordnen, wenn die Klage - wie hier nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG - keine aufschiebende Wirkung hat. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht insbesondere eine summarische Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache und bei offenen Erfolgsaussichten das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs mit dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides abzuwägen.
Die angegriffene Abschiebungsanordnung stellt sich unter Zugrundelegung der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen derzeitigen Sach- und Rechtslage bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig dar, so dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hinter das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung zurückzutreten hat.
Nach § 34 a Abs. 1 AsylG wird die Abschiebung ohne das Erfordernis einer vorherigen Androhung und Fristsetzung insbesondere dann angeordnet, wenn der Ausländer in einen aufgrund unionsrechtlicher Bestimmungen oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylG) abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Abschiebungsanordnung stellt sich als Festsetzung eines Zwangsmittels dar, die erst dann ergehen darf, wenn alle Voraussetzungen für die Abschiebung erfüllt sind. Dies ist in erster Linie die Zuständigkeit des anderen Staates, daneben muss aber auch feststehen, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier - wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt (§ 77 Abs. 2 AsylG) - im Hinblick auf die beabsichtigte Abschiebung nach Ungarn vor.
a) Der Asylantrag ist gemäß § 27a AsylG unzulässig. Die Antragsgegnerin geht zutreffend davon aus, dass Ungarn gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO für die Bearbeitung des Asylantrages und die Wiederaufnahme des Antragstellers zuständig ist. Denn die ungarischen Behörden haben auf das am 15.07.2015 vom Bundesamt gestellte Wiederaufnahmegesuch - dem ein EURODAC - Treffer der Kategorie 1 zugrunde lag - nicht geantwortet.
b) Außergewöhnliche Umstände, die die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO begründen oder möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht.
Das Gericht hält an seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl.
Die Antragsgegnerin führt - wie mittlerweile allgemein bekannt - das Dublin-Verfahren seit dem
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Überstellung an einen Mitgliedsstaat nur dann zu unterlassen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende im zuständigen Mitgliedsstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedsstaat (rück-)überstellten Asylsuchenden im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge hätten (EuGH, U. v. 21.12.2011, Az. C-411/10 u. a. in NVwZ 2012, 417 ff.). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass jeder Verstoß eines zuständigen Mitgliedsstaats gegen einzelne unionsrechtliche Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedsstaat, in dem ein (weiterer) Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Asylsuchenden an den zuständigen Staat zu überstellen (EuGH a. a. O.). Eine solche Sichtweise würde den Kern und die Verwirklichung des Ziels der Dublin II-VO (nunmehr Dublin III-VO) gefährden, rasch denjenigen Mitgliedsstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist (EuGH a. a. O.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hält das Gericht derartige systemische Mängel bezüglich der Asylpraxis in Ungarn nicht für glaubhaft gemacht (so auch VG Ansbach, B. v. 20.10.2015, Az. AN 3 S 15.50398 - in juris; VG Stade, B. v. 04.11.2015, Az. 1 B 1749 und
Auch die am 01.08.2015 in Kraft getretene Verschärfung des ungarischen Asylrechts, insbesondere dergestalt, dass Asylanträge abgelehnt werden dürfen, wenn Asylsuchende über sichere Drittstaaten (z. B. Serbien) eingereist sind, führt nicht per se zum Vorliegen systemischer Mängel. Denn zum einen hat der UNHCR angesichts dieser Verschärfungen bisher keinen Überstellungsstopp nach Ungarn gefordert. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit aber gerade eine besondere Bedeutung zu. Denn die vom UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. VG Stade, a. a. O. Rn. 20). Zum anderen kennt auch das deutsche Asylrecht mit der Vorschrift des § 26a AsylG eine Bestimmung, aufgrund der ein Asylantrag abzulehnen ist, wenn ein Asylbewerber aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist (vgl. VG Augsburg, a. a. O. Rn. 48).
Ein systemischer Mangel ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die ungarischen Aufnahmekapazitäten begrenzt sind. Ungarn ist bemüht, bei der Durchführung von Dublin-Überstellungen darauf zu achten, dass Kapazitäten zur Unterbringung der Dublin-Rückkehrer vorhanden sind. Dies ergibt sich aus einem dem Gericht bekannten Schreiben der Kreisverwaltung Altenkirchen an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Nachdem nunmehr die Mehrzahl der Menschen Ungarn als Zufluchts- und Transitland meidet, ist davon auszugehen, dass die Auslastungen der Unterkünfte deutlich entspannter sind als dies noch im August/September dieses Jahres der Fall war.
c) Ein der Abschiebung nach Ungarn entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG ausnahmsweise von der Antragsgegnerin auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen wäre (vgl. BVerfG, B. v. 17.09.2014, Az. 2 BvR 732/14 - in juris Rn. 11 f.), ist nicht ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gemäß § 83b AsylG werden Gerichtskosten nicht erhoben.
3. Dem Antragsteller kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die mit dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den vorgenannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Der Gegenstandswert beträgt 2.500,00 EUR.
Gründe
I.
Der nach eigenen Angaben 1989 geborene Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger und kurdischer Yezide. Er reiste seinen Angaben zufolge am
Den Erkenntnissen des Bundesamtes zufolge (EURODAC-Treffer) lagen Anhaltspunkte vor für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-Verordnung).
Am
Im Rahmen des Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gab der Antragsteller an, er wolle nicht in einen anderen Mitgliedstaat überstellt werden. Er sei in Ungarn schlecht behandelt worden. Außerdem befänden sich ein Bruder und ein Onkel in Deutschland.
Mit Bescheid vom
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, in Ungarn lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen vor. Zur Begründung wird insgesamt auf den Bescheid Bezug genommen.
Mit einem am
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, das Asylsystem in Ungarn sei wegen der hohen Flüchtlingszahlen überlastet und es drohe Rückkehrern im Dublin-Verfahren Asylhaft.
Es wurde hierzu verwiesen auf folgende Berichte und Entscheidungen:
Helsinki-Committee Mai 2014
Antworten von M. S. (Vorstand von bordermonitoring)
ELENA Weekly Update zu The commissioner for Human Rights in Hungary
Aida
UNHCR Auskunft an VG Düsseldorf
UNHCR Stellungnahme an VG Minden
VG Sigmaringen, B. v. 1.12.2014 - A 2 K 422/14
VG Düsseldorf, B. v. 28.5.2014 - 13 L 172/14 A.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom
Die Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung. Jedoch kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn das Interesse auf Aussetzung des Vollzugs das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides überwiegt. Hierbei sind im Wesentlichen auch die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache zu berücksichtigen. Die Klage des Antragstellers wird mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben. Die angefochtene Abschiebungsanordnung erweist sich unter Berücksichtigung der maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs.1 AsylVfG) aller Voraussicht nach als rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald fest steht, dass sie durchgeführt werden kann.
Die Antragsgegnerin ist zutreffend davon ausgegangen, dass Ungarn nach Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO für die Bearbeitung des Antrages auf internationalen Schutz und für die Wiederaufnahme des Antragstellers zuständig ist. Denn Ungarn hat auf das am 27. Juli 2015 vom Bundesamt gestellte Ersuchen um Wiederaufnahme des Antragstellers, für den ein Eurodac-Treffer hinsichtlich Ungarn festgestellt worden war, nicht geantwortet.
Damit ist Ungarn gemäß Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-Verordnung verpflichtet, den Antragsteller wieder aufzunehmen. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen und die Überstellung kann erfolgen.
Der Antragsteller kann nicht mit Erfolg geltend machen, er habe nicht wissentlich in Ungarn einen Antrag auf Zuerkennung internationalen Schutzes gestellt. Denn bei den Vorschriften der Dublin III-VO handelt es sich überwiegend um Normen, die die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens regeln und dem Antragsteller gerade kein subjektives Recht darauf einräumen, dass sein Asylverfahren in einem bestimmten Mitgliedstaat durchgeführt wird (vgl. Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1. Mai 2015, Rn. 29 und 30 zu § 27 a AsylVfG). Entscheidend ist, dass Ungarn aufgrund der der o.g. Regelungen der Dublin III-VO für die Durchführung des Verfahrens des Antragstellers zuständig geworden ist.
Besondere Umstände, die die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO begründen oder zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO führen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Auslegung der Dublin III-Verordnung, die „einen der Bausteine des von der Europäischen Union errichteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems bildet“, und die sich daraus ergebenden Rechte der Asylbewerber sind durch neuere Entscheidungen desEuropäischen Gerichtshofs geklärt (EuGH, Urteil vom 21.12. 2011 - C-411/10 undC-493/10 - Slg. 2011, I-13905; EuGH, Urteil vom 14.11.2013 - Pui, C-4/11; EuGH, Urteil vom 10.12.2013, C-394/12).
Das in dieser Verordnung und in weiteren Rechtsakten geregelte Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) stützt sich - ähnlich wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Davon kann nur dann abgesehen werden, wenn dieser zuständige Mitgliedsstaat sogenannte „systemische Mängel“ des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufweist, so dass die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gefahr für Asylbewerber bestünde, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Asylbewerber der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat nur mit dem Einwand sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U. v. 10.12.2013, RS: 10-394/12, juris). Diese Rechtsprechung mündete nunmehr in Art. 3 Abs. 2 der Dublin III-VO, der bestimmt, dass im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedsstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat der zuständige Mitgliedsstaat wird. An diesen nunmehr in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO normierten Ausnahmefall sind daher strenge Anforderungen zu stellen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014, 790 ff.). Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK muss im Sinne einer Selbstbetroffenheit speziell auch gerade für den jeweiligen Rechtsschutzsuchenden in seiner konkreten Situation bestehen. Sie liegt maßgeblich dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und das Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, entweder schon der Zugang zu einem Asylverfahren, welches nicht mit grundlegenden Mängeln behaftet ist, verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet, oder dass er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (vgl. OVG NRW a. a. O.).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich der Tatrichter zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Widerlegung dieser Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14, juris).
Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind die regelmäßigen Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort. Den Berichten des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort kommt bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zu.
Nach diesen Grundsätzen ist auf Grundlage des dem Gericht vorliegenden, aktuellen Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern in Ungarn (vgl. Bericht des Hungarian Helsinki Committee zu Asylhaft und zu den Dublin-Verfahren in Ungarn, Stand Mai 2014; Stellungnahme des UNHCR vom 9.5.2014 an das VG Düsseldorf im Verfahren 13 L 172/14.A jeweils abrufbar unter https://m...de; Ungarn Länderbericht des AIDA (Asylum Information Database), Stand 30.4.2014, abrufbar unter http://www.a...org; Bericht von bordermonitoring.eu, Stand Oktober 2013, abrufbar unter http://b...eu) jedenfalls für die Person des Antragstellers derzeit nicht ernsthaft zu befürchten, dass in Ungarn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für den Asylbewerber systemische Mängel aufweisen, die einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen könnten.
Zum 1. Juli 2013 wurde das Asylsystem Ungarns zwar dahingehend verändert, als erneut weitgehende Inhaftierungsgründe für Asylbewerber geschaffen wurden. Diese Rechtsänderungen wurden hinsichtlich der Unbestimmtheit der Haftgründe sowie hinsichtlich der unzureichenden Rechtsbehelfe gegen die Inhaftierung verschiedentlich kritisiert (vgl. Bericht des Hungarian Helsinki Committees a. a. O.; Ungarn Länderbericht des AIDA a. a. O.; UNHCR vom 9.5.2014 a. a. O.). Die genannten Berichte beruhen allerdings im Wesentlichen auf einer Auswertung der geänderten Rechtslage selbst, während Erkenntnisse zur konkreten Handhabung nicht verlässlich vorliegen. Es zu konstatieren, dass der UNHCR - abgesehen von seiner Stellungnahme vom 9. Mai 2014 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf - bislang keine generellen Feststellungen zum Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen in Ungarn getroffen und auch keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen (vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 25.8.2014 - W 6 S 14.50100 - juris). Unter Berücksichtigung der besonderen Relevanz des durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragenen Amtes des UNHCR für die Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens (vgl. EuGH, Urteil vom 30.5.2013 - C 528/11 - NVwZ-RR 2013, 660), kommt dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR besondere Bedeutung zu. Der Auffassung, die z. B. das Verwaltungsgericht des Saarlandes im
Auch wenn die Inhaftierungsregelungen in Ungarn in der Rechtsprechung bisweilen zur Annahme systemischer Mängel geführt haben (vgl. VG München, U. v. 23.9.2014 - M 24 K 13.31329 -; VG Sigmaringen, B. v. 22.4.2014 - A 5 K 972/14 - juris; VG München, B. v. 26.6.2014 - M 24 S 14.50325; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - VG Düssel-dorf,
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dessen Rechtsprechung grundsätzlich über den jeweils entschiedenen Einzelfall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 - 2 C 3.12 - juris), hat mit Urteil vom 3. Juli 2014 im Ergebnis festgestellt, dass systemische Mängel hinsichtlich der Inhaftierungspraxis Ungarns nicht vorliegen und ein tatsächliches Risiko einer schwerwiegenden Beeinträchtigung im Sinne des Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr nach Ungarn nicht bestehe (vgl. EGMR, Urteil vom 3.7.2014 - 71932/12). Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in zwei Entscheidungen ausgeführt, allein die Tatsache, dass das ungarische Asylrecht Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthalte und Ungarn auf dieser Grundlage Dublin-Rückkehrer inhaftiere, sei für sich genommen noch kein begründeter Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems (so auch VG Dresden, B. v. 9.9. 2015 - 2 L 719/15.A). Er stützt sich weiterhin maßgeblich darauf, dass der UNHCR sich bisher nicht generell gegen Rücküberstellungen nach Ungarn ausgesprochen habe (BayVGH, B. v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris; BayVGH, B. v. 27.4.2015 - 14 ZB 13.30076 - juris).
Hinsichtlich der Anwendung der seit
Es liegen derzeit keine Erkenntnisse darüber vor, dass Dublin-Rückkehrer von Ungarn nach Serbien abgeschoben würden. Der Antragsteller selbst trägt auch nicht vor, über Serbien nach Ungarn eingereist zu sein. Sofern teilweise darauf abgestellt wird, es könne angesichts der neuen Gesetzeslage nicht ausgeschlossen werden, dass auch Dublin-Rückkehrer nach Serbien abgeschoben werden und darauf die Annahme systemischer Mängel in Ungarn für diese Personengruppe gestützt werden (VG Düsseldorf, B. v. 20.8.2015 - 15 L 2556/15.A-, juris), folgt das Gericht dieser Auffassung nicht, da sich hierfür aus den Erkenntnisquellen keine Anhaltspunkte ergeben. Aus der geänderten Gesetzeslage in Ungarn lässt sich vielmehr der Versuch erkennen, dem ungehinderten Zustrom von Flüchtlingen Herr zu werden. Die ungarische Regierung scheint bemüht, die Vorschriften der Dublin-Verordnung einzuhalten und für eine geregelte Einreise und Registrierung der Flüchtlinge zu sorgen, die gerade nicht in Ungarn Asyl beantragen wollen, sondern mit dem Ziel Deutschland oder Schweden in den Schengen-Raum einreisen. Daran ändert auch die als „fremdenfeindlich“ kritisierte Einstellung der ungarischen Regierung nichts. Neuerdings werden auch in Deutschland Einrichtungen wie „Transitzonen“ mit Einschränkungen der persönlichen Freiheit der Asylbewerber zur ordnungsgemäßen Abwicklung der Verfahren und sogar die Errichtung von Zäunen zur Gewährleistung der kontrollierten Einreise diskutiert.
Hinsichtlich der vielfach kritisierten Asylhaft ist anzumerken, dass die meisten Asylbewerber, die wie der Antragsteller über die sogenannte Balkanroute in die EU einreisen, Ungarn erklärtermaßen als Transitland betrachten und dort keinen Asylantrag stellen wollen.
Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass sie im Falle einer Rückführung nach Ungarn im Rahmen des Dublin-Verfahrens dort in Asylhaft genommen werden, da die ungarischen Behörden ihre wiederholte Ausreise befürchten müssen und eine Inhaftierung zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens notwendig erscheint. Die im ungarischen Asylgesetz genannten Haftgründe sind insoweit auch nachvollziehbar.
Den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen lässt sich nicht entnehmen, dass die Haftbedingungen an sich menschenunwürdig im oben dargelegten Sinn wären und es dort systematisch zu Menschenrechtsverletzungen kommen würde. Darauf, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GRCh bzw. des Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war, kommt es im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO nicht an (BVerwG, B. v. 6.6.2014 a. a. O.).
Auch die derzeit in vielen Ländern der EU anzutreffenden Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge stellen für sich keinen systemischen Mangel im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO dar. Denn hierbei handelt es sich um rein tatsächliche Probleme, die der unerwartete Zustrom so vieler Menschen mit sich bringt.
Auch der aktuellen Presseberichterstattung zur Verschärfung der Gesetzeslage für Asylbewerber in Ungarn und der Mitteilung der ungarischen Regierung, das Land stoße für die Aufnahme von Flüchtlingen an seine Kapazitätsgrenzen, lässt sich nicht entnehmen, dass das Asylverfahren an sich mit Mängeln behaftet wäre, die eine Gefahr in dem beschriebenen Ausmaß mit sich bringen würde. Von der Ankündigung, keine Rückkehrer im Dublin-Verfahren aufzunehmen, ist die ungarische Regierung nach Intervention der EU-Kommission wieder abgerückt.
Da der Antragsteller auch keiner besonders schutzbedürftigen Personengruppe im Sinne des Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Aufnahme-Richtlinie) angehört, kann er sich einer Überstellung nach Ungarn somit nicht damit entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für ihn in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen würde (vgl. VG Köln, B. v. 28.4.2015 - 17 L 1024/15.A - juris; VG Ansbach, B. v. 16.4.2015 - AN 4 K 14.30119).
Die Anordnung der Abschiebung nach § 34a AsylVfG erscheint somit rechtmäßig. Im Übrigen wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom 7. September 2015 Bezug genommen.
Aus der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Die „Befristung“ auf 0 Monate beschwert den Antragsteller unabhängig von der Frage ihrer Rechtmäßigkeit jedenfalls nicht. Eine solche wird von ihm auch nicht geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.