Verwaltungsgericht Greifswald Beschluss, 21. Mai 2010 - 3 B 383/10

published on 21/05/2010 00:00
Verwaltungsgericht Greifswald Beschluss, 21. Mai 2010 - 3 B 383/10
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Gericht

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Gründe

1

Der sinngemäß gestellte Antrag des Antragstellers,

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ihm für das Verfahren 1. Instanz Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage 3 A 1237/09 gegen den Gebührenbescheid des Antragsgegners vom 25.05.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2009 zu bewilligen,

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hat Erfolg.

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Der Antragsteller ist nach seinen glaubhaft gemachten Angaben nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur teilweise zu übernehmen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat zudem die gemäß § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht.

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Das Gericht ordnet die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO an, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

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a) Allerdings würde die Vollziehung des Gebührenbescheides vor Bestandskraft für den Antragsteller keine unbillige Härte darstellen. Eine unbillige Härte im Sinne der Vorschrift ist anzunehmen, wenn durch die sofortige Vollziehung für den betroffenen Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer wiedergutzumachen sind, etwa bei drohender Insolvenz oder Existenzgefährdung (Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage, § 80, Rn. 116). Eine solche Situation liegt hier nicht vor. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der Antragsteller hilfebedürftig ist und Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende zur Sicherung seiner Existenz erhält. Die Vollziehbarkeit des Gebührenbescheides führt aber nicht dazu, dass sich diese Situation verschlechtern würde, da der Antragsteller gemäß § 54 Abs. 4 Sozialgesetzbuch I (SGB I) i.V.m. §§ 850 ff. ZPO insoweit Pfändungsschutz genießt. Eine Vollstreckung kommt aber in den Ersatzanspruch des Antragstellers gegen den Miterben … aus § 1968 BGB in Betracht, eine Pfändung dieser Forderung erscheint nicht unbillig. Sie würde wirtschaftlich zu dem vom Antragsgegner gewünschten Ergebnis führen.

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b) Es bestehen nach der im Eilverfahren nur gebotenen summarischen Prüfung aber ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts.

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aa) Die Satzung der Stadt A-Stadt über die Erhebung von Friedhofsgebühren vom 18.12.2006 (Gebührensatzung) bietet zwar voraussichtlich die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage der Abgabenerhebung. Nach dem Prüfungsmaßstab des Eilverfahrens bestehen keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Satzung. Insbesondere erscheint die Regelung der Gebührenschuldner in § 2 Gebührensatzung rechtmäßig. Bei der Friedhofsgebühr handelt es sich um eine Benutzungsgebühr. Gebührenschuldner ist der Benutzer der öffentlichen Einrichtung. Das ist derjenige, der die Benutzung beantragt hat. Daneben kommt als Benutzer auch derjenige in Betracht, der zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld nach § 9 Abs. 2 Bestattungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (BestG M-V) nach öffentlichem Recht bestattungspflichtig ist. Auf die bürgerlich-rechtliche Stellung als Erbe kommt es dagegen nicht an (Siemers in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, 07/09, § 6, Anm. 23.10). Dieser Rechtslage trägt § 2 Satz 1 Gebührensatzung Rechnung.

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bb) Jedoch bestehen ernsthafte Bedenken gegen die Rechtsanwendung im Einzelfall, soweit diese die Betätigung des Auswahlermessens des Antragsgegners bei der Heranziehung des Gebührenschuldners betrifft. Schuldner des Gebührenanspruchs ist zunächst der Antragsteller, der die Leistungen des Antragsgegners für die verstorbene A.S. beantragt hat. Daneben sind aber auch die Kinder der Verstorbenen Gebührenschuldner, da sie gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 BestG M-V für die Bestattung der Verstorbenen zu sorgen hatten und die Friedhofsbenutzung damit auch in ihrem Interesse erfolgt. Die Kinder der Verstorbenen und der Antragsteller haften als Gesamtschuldner (§ 2 Satz 2 Gebührensatzung).

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In einem solchen Fall darf der Abgabengläubiger grundsätzlich nach seinem Ermessen auswählen, von welchem Gesamtschuldner er die Leistung fordern will (Auswahlermessen des Abgabengläubigers). Der Abgabengläubiger kann entweder alle oder nur einen Schuldner zur Abgabe heranziehen. Dieses Ermessen ist nach dem Zweck der gesetzlichen Regelung sehr weit. Für dieses Auswahlermessen gilt als Maßstab die Zweckmäßigkeit und die Billigkeit. Der Abgabengläubiger darf, sofern er Willkür vermeidet, denjenigen Gesamtschuldner in Anspruch nehmen, der ihm dafür geeignet erscheint. Ermessensfehler sind nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände der Heranziehung gerade des in Anspruch genommenen Gesamtschuldners entgegenstehen. Auch wenn der Abgabengläubiger grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die finanzielle Leistungsfähigkeit der einzelnen Schuldner zu ermitteln und zu berücksichtigen, so handelt der Abgabengläubiger aber dann in der Regel ermessensfehlerhaft, wenn er in Folge einer falschen rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes den Kreis der Abgabenschuldner unvollständig erfasst hat, weil die Behörde dann von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 17.11.2003 - 1 M 169/03, LKV 2004, 230).

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So liegt es hier. Der Antragsgegner ist in seinen ermessensergänzenden Schriftsätzen vom 08.12.2009 im Verfahren 3 B 1238/09 und 10.05.2010 in diesem Verfahren rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Kinder der verstorbenen A.S. nicht Gebührenschuldner sind. Daraus folgt zwar nicht, dass der Antragsgegner nicht ermessensfehlerfrei den Antragsteller als Gebührenschuldner heranziehen könnte. Eine verfahrensfehlerfreie Entscheidung hat der Antragsgegner bislang jedoch noch nicht getroffen. Dieser Umstand begründet eine hinreichende Erfolgsaussicht in der Hauptsache und in einem eventuellen Anordnungsverfahren.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re
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published on 05/09/2017 00:00

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollst
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Annotations

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Der Erbe trägt die Kosten der Beerdigung des Erblassers.