Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 24. Feb. 2015 - 6a K 5682/14.A
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 24. Juli 1972 geborene Kläger zu 1., die am 16. April 1982 geborene Klägerin zu 2. und der am 18. Juni 2013 geborene Kläger zu 3., der Sohn des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2., sind armenische Staatsangehörige und Volkszugehörige armenisch-orthodoxen Glaubens. Sie stellten am 21. Oktober 2014 in der Bundesrepublik Deutschland Asylanträge. Bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am selben Tag gab der Kläger zu 1. an, er habe Armenien am 3. September 2010 verlassen und sich seitdem bis zu seiner Einreise in die Bundesrepublik am 7. Oktober 2014 in Frankreich aufgehalten, wo er am 7. September 2010 einen Asylantrag gestellt habe. Er wolle nicht nach Frankreich überstellt werden, da er sonst verhaftet und nach Armenien zurückgebracht werde. Die Klägerin zu 2. gab bei ihrer Anhörung an, sie habe ihr Herkunftsland im Mai 2012 verlassen und von Mai 2012 bis zum 29. September 2014 in S. gelebt. Dort habe sie im Juni 2012 einen Asylantrag gestellt. Nach Erhalt von EURODAC-Treffern am 24. und am 27. Oktober 2014 ersuchte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Republik Frankreich am 12. November 2014 um die Wiederaufnahme der Kläger nach Art. 18 Abs. 1 lit. b) und Art. 23 Abs. 4 der VO (EG) Nr. 604/2013 („Dublin III-Verordnung“). Mit Schreiben vom 27. November 2014 informierte das Bundesamt die französischen Asylbehörden darüber, dass die Republik Frankreich nunmehr nach Art. 25 Abs. 2 der Dublin III-Verordnung als zuständig anzusehen sei.
3Mit Bescheid vom 5. Dezember 2014 lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Kläger als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Frankreich an. Zur Begründung verwies das Bundesamt auf die Verordnung (EG) Nr. 604/2013 und erklärte, wegen der dort gestellten Asylanträge und des Umstands, dass Frankreich nicht rechtzeitig auf das Übernahmeersuchen geantwortet habe, sei Frankreich nach Art. 25 Abs. 2 Dublin III-Verordnung für die Bearbeitung der Asylanträge der Kläger zuständig. Gründe für einen Selbsteintritt seien nicht ersichtlich. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2014 akzeptierte die Republik Frankreich das Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes.
4Die Kläger haben am 17. Dezember 2014 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt, den das Gericht mit Beschluss vom 3. Februar 2015 abgelehnt hat (6a L 2012/14.A). Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, die Abschiebungsanordnung habe nicht ergehen dürfen, da nicht feststehe, dass die Überstellung durchgeführt werden könne. Es bestünden Umstände, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Beklagten nach Art. 17 Dublin III-Verordnung rechtfertigten. Der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. seien an chronischer Hepatitis C erkrankt und behandlungsbedürftig. Im Jahr 2014 sei eine ganze Reihe neuer Medikamente in Deutschland zugelassen worden, unter anderem auch der Polymerasehemmer Sofosbuvir. Solche Behandlungsmöglichkeiten seien weder in Armenien noch in Frankreich vorhanden. Die Hepatitis C erfordere eine dauerhafte Behandlung von 24 bis 48 Wochen. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 4 der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Erkrankung des Klägers zu 1. sei bereits lebensbedrohlich, er habe in den letzten zehn Monaten 40 kg Gewicht verloren. In Frankreich sei die Hepatitis C des Klägers zu 1. nicht behandelt worden und die Möglichkeit der Behandlung sei bei einer Rücküberstellung nach Frankreich auch nicht gewährleistet. Dort sei mit ihrer umgehenden Abschiebung nach Armenien zu rechnen. Auch ihr Sohn sei erkrankt. In diesem Zusammenhang legen die Kläger Atteste des D1. Hospitalier V. de S. vom 6. August 2012 (betreffend den Kläger zu 1.) und vom 21. August 2014 (betreffend die Klägerin zu 2.), einen Entlassbrief des Evangelischen Krankenhauses I. gGmbH vom 8. Dezember 2014 über einen dreitägigen stationären Aufenthalt des Klägers zu 3. und eine „Aufenthaltsbescheinigung“ des Evangelischen Krankenhauses I. gGmbH vom 22. Januar 2015 betreffend den Kläger zu 3. vor. Zudem müssten sich der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. dringend einer psychotherapeutischen Behandlung unterziehen. In diesem Zusammenhang legen sie die Kopie eines mit dem Stempel einer Praxis von Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie versehenen Zettels vor, auf dem als Termin handschriftlich „23.12.2014“ und „15:30“ eingetragen ist. Diesen Termin habe die Klägerin zu 2. wahrgenommen, die wegen eines Nervenzusammenbruchs dringend habe behandelt werden müssen. Der Kläger zu 1. sei wegen der Kombination aus Hepatitis C-Erkrankung und psychotraumatischen Störungen zudem reiseunfähig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 7 bis 9, 50 und 51 der Gerichtsakte Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung legen die Kläger weitere ärztliche Bescheinigungen (jeweils eine Bescheinigung des Dr. Q. C. -E. vom 4. September 2013 betreffend den Kläger zu 1. und vom 24. Juni 2014 betreffend die Klägerin zu 2.; Bescheinigungen des Professeur C1. vom CHU D. O. de S. vom 12. September 2013, vom 13. September 2013 und vom 6. Februar 2014 mit Ergebnissen von (Blut‑)Untersuchungen des Klägers zu 1.; eine die Klägerin zu 2. betreffende Bescheinigung des D1. Hospitalier V. de S. vom 2. April 2014, die wortgleich mit der bereits vorgelegten Bescheinigung vom 21. August 2014 ist, und zwei Bescheinigungen des D1. Hospitalier V. de S. vom 31. Januar 2015 und vom 11. Februar 2014 betreffend den Kläger zu 3.) vor.
5Darüber hinaus tragen sie vor, aufgrund des nach Art. 6 Grundgesetz und Art. 8 EMRK gewährleisteten Schutzes der Familie und des Prinzips der Familieneinheit sei es den Klägern unzumutbar, sich von dem Kläger zu 1. zu trennen.
6Außerdem bestünden in Frankreich systemische Mängel. Sie seien in Frankreich bereits gut sechs Monate lang obdachlos gewesen. Als der Kläger zu 3. drei Monate alt gewesen sei, sei ihnen die Unterkunft entzogen worden. Dadurch sei der Kläger zu 3. schwer erkrankt. Bei einer Überstellung nach Frankreich sei damit zu rechnen, dass sie erneut keine Unterkunft bekommen und gezwungen sein würden, auf der Straße zu leben. In diesem Zusammenhang haben die Kläger im gerichtlichen Verfahren die Kopie einer englischsprachigen eidesstattlichen Versicherung der französischen Bevollmächtigten des Klägers zu 1. O1. C2. aus S. überreicht. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 43 der Gerichtsakte Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung legen die Kläger eine Bescheinigung mit einem Briefkopf der Organisation epheta vom 15. Januar 2014 sowie ein undatiertes Schreiben des Comité d’Action et de Promotion Sociales vor, wegen deren Inhalts auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen wird.
7In der mündlichen Verhandlung tragen die Kläger darüber hinaus erstmals vor, ihnen drohe in Frankreich staatliche Verfolgung. In diesem Zusammenhang legt der Kläger zu 1. einen Bescheid der Präfektur Seine-Maritime, durch den sein Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt und er aufgefordert wird, Frankreich zu verlassen, die Kopie eines an ihn adressierten Briefumschlags sowie die Kopie einer gerichtlichen Entscheidung des Cour d´Appel de S. , Chambre de l´Instruction, vom 16. Januar 2015 vor, in der der Antrag der Staatsanwaltschaft, gegen den Kläger zu 1. wegen seiner Ausreise aus dem französischen Staatsgebiet Haftbefehl zu erlassen, abgelehnt wird. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
8Die Kläger beantragen,
9den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Gz.: 5832629-422) vom 5. Dezember 2014, zugestellt am 10. Dezember 2014, aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
11die Klage abzuweisen.
12Sie bezieht sich auf den angegriffenen Bescheid und führt weiter aus, angesichts der aus Frankreich stammenden vorgelegten Atteste sei die Behauptung, die Kläger seien in Frankreich nicht behandelt worden, wenig nachvollziehbar.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 6a K 5682/14.A und 6a L 2012/14.A und des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs ergänzend Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Die Entscheidung ergeht nach § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch die Einzelrichterin, da dieser der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 4. Februar 2015 zur Entscheidung übertragen worden ist. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandeln und entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen eines Fernbleibens von der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
16Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 5. Dezember 2014 verletzt die Kläger im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Das Gericht hat dazu bereits in seinem Beschluss vom 3. Februar 2015 in dem zugehörigen Eilverfahren der Kläger 6a L 2012/14.A ausgeführt:
17„Der Bescheid vom 5. Dezember 2014, mit dem das Bundesamt das Asylverfahren für unzulässig erklärt und die Abschiebung der Antragsteller nach Frankreich angeordnet hat, wird sich im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen.
18Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
19Vorliegend ist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, vom 26. Juni 2013 (sog. „Dublin III-Verordnung“) die Französische Republik der für die Durchführung der Asylverfahren der Antragsteller zuständige Staat. Da die Antragsteller nach eigenen Angaben und ausweislich der EURODAC-Datenbank in Frankreich den ersten Asylantrag gestellt haben und aus Frankreich in das Bundesgebiet eingereist sind, ist gem. Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 7 Abs. 1 und Art. 13 der VO (EU) Nr. 604/2013 dieser Staat für die Prüfung des Asylantrags zuständig und hat gemäß Art. 18 der VO (EU) Nr. 604/2013 die Antragsteller wieder aufzunehmen. Hier ist gemäß Art. 25 VO (EU) Nr. 604/2013 davon auszugehen, dass Frankreich dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben hat, da Frankreich über das dort am 12. November 2014 eingegangene Wiederaufnahmegesuch der Antragsgegnerin nicht innerhalb der nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) Nr. 604/2013 vorgeschriebenen Zweiwochenfrist geantwortet hat. Ungeachtet dessen hat die Französische Republik mit an das Bundesamt gerichteten Schreiben vom 11. Dezember 2014 die Verpflichtung zur Wiederaufnahme der Antragsteller auch anerkannt. Die Antragsteller haben keine Gesichtspunkte vorgetragen, die diese Einschätzung in Frage stellen könnten.
20Die Antragsgegnerin ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 und 3 VO (EU) Nr. 604/2013 verpflichtet, den Antrag selbst zu prüfen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in der französischen Republik systemische Mängel aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GRC) mit sich bringen, dass mit anderen Worten Flüchtlingen in Frankreich in verfahrens- oder materiellrechtlicher Hinsicht kein hinreichender Schutz gewährt würde oder sonstige „systemische Schwachstellen“ bei der Behandlung von Asylbewerbern bestünden.
21Allgemein zur Frage der systemischen Mängel EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 –, NVwZ 2012, 417, und BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris.
22Systemische Mängel im oben genannten Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 EU-GRC bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt – also systemisch – vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
23Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 –, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 13 L 1502/14.A –, juris.
24Dies zugrunde gelegt geht das Gericht nach Recherche in den einschlägigen Datenbanken in Bezug auf die Französische Republik – trotz derzeit vorhandener Probleme, ausreichende Unterbringungskapazitäten für die massiv angestiegene Zahl an Asylbewerbern bereit zu stellen – davon aus, dass letztlich keine hinreichenden Anhaltspunkte für entsprechende Mängel bestehen.
25Ebenso in jüngerer Zeit VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 10. September 2014 – 7a L 1301/14.A –, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 13 L 1502/14.A –, juris ; VG München, Gerichtsbescheid vom 12. Mai 2014 – M 21 K 14.30320 –, juris; VG Bremen, Beschluss vom 4. August 2014 – 1 V 798/14 –, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 12. Januar 2015 ‑ Au 7 S 14.50364 ‑, juris.
26Eingehende und aktuelle Informationen über das französische Asylsystem und die dortigen Unterbringungs- und Versorgungsbedingungen bietet etwa der von der Organisation „Forum réfugiés-Cosi“ und dem Europäischen Flüchtlingsrat erstellte „National Country Report France“ (Stand: Mai 2014), abrufbar in der Datenbank „aida“ (www.asylumineurope.org), und der Bericht „Towards A New Beginning – Refugee Integration in France“ des UNHRC, abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/524aa9a94.html.
27Der Vortrag der Antragsteller, sie hätten in Frankreich mehrere Monate auf der Straße gelebt, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Insoweit bestehen Diskrepanzen zwischen diesem Vortrag und der Kernaussage der im vorliegenden Verfahren in Kopie vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der französischen Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vom 12. Januar 2015, deren Angaben sich allein auf den Antragsteller zu 1. beziehen. Auch die Schreiben betreffend die Bemühungen der Antragsteller um eine Unterkunft, auf die in der eidesstattlichen Versicherung Bezug genommen werden, haben die Antragsteller nicht vorgelegt. Zudem dürfte sich aus der vorgelegten Bescheinigung des D1. Hospitalier V. de S. vom 21. August 2014 ergeben, dass die Antragstellerin zu 2. im August 2014 – kurz vor ihrer Ausreise aus Frankreich – noch eine Unterkunft hatte. Selbst wenn aber nach dem Vorbringen der Antragsteller zeitweise die Gefahr einer Obdachlosigkeit drohen mag, resultiert daraus nicht automatisch das Vorliegen systemischer Mängel.
28Vgl. insoweit VG Karlsruhe, Beschluss vom 9. April 2013 – A 7 K 832/13 –.
29Den vorgenannten Datenbanken ist zu entnehmen, dass sich die Unterbringungssituation in den Departements in Frankreich sehr unterschiedlich darstellt. Ferner nimmt der französische Staat die gegebenen Umstände keinesfalls tatenlos hin. So sind unter anderem Notaufnahmeprogramme entwickelt worden, um die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen zu ergänzen. All dies spricht gegen eine beachtliche Unterschreitung der von dem Unionsrecht vorgesehenen Mindestanforderungen.
30Vgl. insoweit VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. April 2014 – 2 L 55/14.A –, juris; VG Bremen, Beschluss vom 4. August 2014 – 1 V 798/14 –, juris.
31Ob in Frankreich auch die von den Antragstellern angesprochene Therapie mit dem kürzlich zugelassenen neuen Medikament „Sofosbuvir“ verfügbar ist, ist unerheblich. Denn auch wenn in Frankreich ausschließlich die (hoch entwickelte) Standardtherapie erhältlich wäre, würde dies keine „systemischen Mängel“ des französischen Asylsystems begründen. Dass der Antragsteller zu 1. und die Antragstellerin zu 2. gerade auf das genannte neue Medikament angewiesen sind, haben weder der Antragsteller zu 1. noch die Antragstellerin zu 2. behauptet. Ob die etwaige Notwendigkeit einer Behandlung der Abschiebung nach Armenien entgegensteht, ist von den für das Asylverfahren der Antragsteller zuständigen französischen Behörden zu entscheiden.
32Die Abschiebung der Antragsteller nach Frankreich kann auch durchgeführt werden, § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Insbesondere stehen die von den Antragstellern geltend gemachten Erkrankungen ihrer Überstellung nach Frankreich nicht entgegen. Dass den Antragstellern deswegen in Frankreich konkrete Gefahren für Leib oder Leben drohen, haben sie nicht hinreichend konkret dargelegt. Insoweit ist stets eine hinreichend konkrete Darlegung der gesundheitlichen Situation erforderlich, die in der Regel durch ein ärztliches Attest zu untermauern ist. Die Pflicht der Antragsteller zur Mitwirkung an der Erforschung des Sachverhalts folgt aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO und § 74 Abs. 2 AsylVfG und gilt in besonderem Maße für Umstände, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen, wie etwa Erkrankungen. Insoweit muss von einem Kläger, der sich zur Begründung eines Abschiebungshindernisses auf eine Erkrankung beruft, ein Mindestmaß an substantiiertem, durch ein ärztliches Attest belegtem Vortrag erwartet werden.
33Vgl. dazu nur VG München, Urteil vom 24. Februar 2012 – M 22 K 10.30780 –, juris; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 11. Februar 2014 – 6a K 2325/12.A – und vom 17. Juli 2012 – 6a K 4667/10.A –, jeweils juris; siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 2. Januar 2012 – 13 A 2586/11.A –, juris; Bergmann, in: Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Aufl. 2013, § 74 AsylVfG Rdnr. 25 ff.
34Im Falle einer behaupteten psychischen Erkrankung ist angesichts der Unschärfe des Krankheitsbildes sowie der vielfältigen Symptome regelmäßig ein gewissen Mindestanforderungen genügendes fachärztliches Attest vorzulegen, aus dem sich unter anderem nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Arzt zu seiner Diagnose gelangt ist und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt.
35Grundlegend zu den Anforderungen BVerwG, Urteil vom 11. September 2007– 10 C 8.07 –, BVerwGE 129, 251 ff., und Beschluss vom 6. Februar 1995 – 1 B 205/93 –, jeweils juris.
36Die von den Antragstellern im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Atteste genügen den vorgenannten Anforderungen nicht. Soweit der Antragsteller zu 1. und die Antragstellerin zu 2. geltend machen, an Hepatitis C zu leiden, sind die vorgelegten Atteste nicht aussagekräftig. Dem im Hinblick auf den Antragsteller zu 1. vorgelegten Attest des D1. Hospitalier V. de S. vom 6. August 2012 dürfte bereits aufgrund des Umstands, dass es vor gut zweieinhalb Jahren ausgestellt worden ist, keine hinreichende Aussagekraft mehr zukommen. Zwar wird in dem Attest die Diagnose Hepatitis C gestellt, allerdings ist ausweislich dieses Attests „un traitement [est] en cours de discussion“, eine Behandlung also lediglich in der Diskussion. Ob der Antragsteller zu 1. tatsächlich behandlungsbedürftig ist und welcher Art der Behandlung er bedarf, geht daraus nicht hervor. In dem hinsichtlich der Antragstellerin zu 2. vorgelegten Attest des D1. Hospitalier V. de S. vom 21. August 2014 wird lediglich ausgeführt, dass die Klägerin dort in Behandlung ist, dass diese Behandlung in ihrem Heimatland nicht erhältlich ist und ein Ausbleiben der Behandlung außergewöhnlich schwere Konsequenzen hätte. Wegen welcher Erkrankung die Antragstellerin zu 2. in Behandlung gewesen ist und um welche Art von Behandlung es sich handelt, geht aus dem Attest nicht hervor. Sollte es sich – worauf die Worte „Pôle visceral Service d´Hépato-gastroentérologie“ hindeuten könnten – um eine Lebererkrankung der Antragstellerin zu 2. handeln, dürfte dieses Attest im Übrigen belegen, dass die Antragstellerin zu 2. in Frankreich durchaus wegen ihrer Erkrankung Zugang zu medizinischer Behandlung gehabt hat. Aus welchen Gründen dies nach einer Rückkehr nach Frankreich nicht mehr der Fall sein sollte, ist nicht ersichtlich. Gleiches gilt im Hinblick auf den Antragsteller zu 1.
37Auch im Hinblick auf die geltend gemachten psychischen Erkrankungen fehlt es an der Vorlage eines aussagekräftigen Attests.
38Schließlich stehen die geltend gemachten Erkrankungen des Antragstellers zu 3. einer Rückführung der Antragsteller nach Frankreich nicht entgegen. Dass die Erkrankungen des Antragstellers - Mittelohrentzündung und Leistenhoden -, die in dem vorgelegten Entlassbrief des Evangelischen Krankenhauses I. gGmbH vom 8. Dezember 2014 diagnostiziert werden, in Frankreich nicht behandelbar sein könnten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Ungeachtet der Frage, ob der Antragsteller zu 3. überhaupt noch an einer Mittelohrentzündung leidet ist, handelt es sich bei beiden Erkrankung um keine ungewöhnlichen oder besonders schwer zu behandelnden Erkrankungen. Der Bescheinigung des Evangelischen Krankenhauses I. gGmbH vom 21. Januar 2015 ist bereits nicht zu entnehmen, aus welchem Grund sich der Antragsteller dort in stationärer Behandlung befindet.
39Für das Vorliegen einer Reiseunfähigkeit der Antragsteller vermag das Gericht vor diesem Hintergrund keine hinreichenden Anhaltspunkte zu erkennen.
40Soweit der Antragsteller zu 1. im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt schließlich angegeben hat, er wolle nicht, dass sein Antrag in Frankreich geprüft werde, da er dort verhaftet und nach Armenien zurückgebracht werde, führt dies auch nicht dazu, dass die Antragsgegnerin zu Gunsten der Antragsteller ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 der VO (EU) Nr. 604/2013 hätte ausüben müssen. Soweit der Antragsteller zu 1. damit meint, für Dublin-Rückkehrer mit Ausreiseaufforderung sei in der Regel eine Unterbringung in einer Abschiebehafteinrichtung zum Zweck der Abschiebung vorgesehen, ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Antragsteller zu diesem Personenkreis gehören. Bei Familien wird eine solche Unterbringung nicht vollzogen.
41Vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 9. April 2013 – A 7 K 832/13 –.“
42An diesen Erwägungen hält das Gericht unter Berücksichtigung des im vorliegenden Hauptsacheverfahren anzulegenden rechtlichen Prüfungsmaßstabs fest.
43Der Vortrag der Kläger in der mündlichen Verhandlung und die von ihnen in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen führen nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung.
44Soweit die Kläger weitere Bescheinigungen und ärztliche Atteste als Beleg dafür vorgelegt haben, dass sie tatsächlich in Frankreich mehrere Monate lang obdachlos waren, rechtfertigt dies aus den bereits im Beschluss des Gerichts vom 3. Februar 2015 in dem zugehörigen Eilverfahren angeführten Gründen nicht die Annahme systemischer Mängel des französischen Asylsystems. Gegen die Annahme systemischer Mängel spricht darüber hinaus, dass die Kläger offenbar – nach ihrer eigenen Darstellung in der mündlichen Verhandlung und ausweislich der von ihnen vorgelegten Bescheinigung der Organisation „epheta“ vom 15. Januar 2014 – bis September 2013 eine Unterkunft hatten und diese nicht etwa verloren haben, weil in Frankreich Unterkünfte für Asylbewerber und Flüchtlinge nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung gestanden haben mögen. Vielmehr stand der Verlust der Unterkunft der Kläger ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung zufolge im Zusammenhang mit der Verhaftung des Klägers zu 1. im September 2013, nachdem der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. nach eigenen Angaben „geklaute Sachen gekauft“ haben. Dass der Kläger zu 1. verhaftet wurde, ergibt sich aus dem Attest des D1. Hospitalier V. de S. vom 31. Januar 2015. Die vorgelegten Blutuntersuchungsergebnisse vom 12. und 13. September 2013 und vom 6. Februar 2014, die an das Krankenhaus der Justizvollzugsanstalt S. adressiert waren, könnten nahelegen, dass er dort auch mehrere Monate verbrachte. Die Kläger haben in der Folgezeit zudem eine neue Unterkunft gefunden. Die Klägerin zu 2. hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, sie habe seit Februar 2014 eine neue Unterkunft gehabt, was durch die in den Attesten des D1. Hospitalier V. de S. vom 2. April 2014 und vom 21. August 2014 angegebenen Adressen belegt wird. Der Kläger zu 1. verfügte vor seiner Ausreise aus Frankreich im Herbst 2014 ebenfalls wieder über eine Unterkunft, wie aus dem Bescheid der Präfektur Seine-Maritime vom 1. September 2014 und der Adresse auf dem zugehörigen Briefumschlag hervorgeht. Dass der durch diesen Bescheid Betroffene darin als „Q1. L. “ bezeichnet wird, steht dem nicht entgegen. Das in dem Bescheid genannte korrekte Geburtsdatum des Klägers zu 1. wie auch die Angaben betreffend die Klägerin zu 2. und den Kläger zu 3. verdeutlichen, dass der Kläger zu 1. Adressat des Bescheides ist. Unter dem 1. September 2014 wurde auch tatsächlich ein Bescheid der Präfektur Seine-Maritime an den Kläger erlassen, wie die Feststellungen der in Kopie vorgelegten Entscheidung des Cour d´Appel de S. vom 16. Januar 2015 belegen. Der Kläger hat den Bescheid auch tatsächlich erhalten und als an ihn gerichtet verstanden.
45Vor diesem Hintergrund sieht das Gericht auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine individuelle, einer Rückführung nach Frankreich entgegenstehende den Klägern in Frankreich konkret drohende Gefahr der Obdachlosigkeit.
46Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung eine ihnen in Frankreich drohende Verfolgung geltend gemacht haben, steht dies ihrer Rücküberstellung nach Frankreich ebenfalls nicht entgegen. Soweit sie vorgetragen haben, sie würden durch den Schwiegervater der Klägerin zu 2. verfolgt und hätten bereits einen von dessen Sicherheitsleuten aus Armenien in Frankreich gesehen, ist es ihnen zumutbar, die französischen Polizeibehörden um Schutz zu ersuchen. Soweit die Kläger weiter vorgetragen haben, der Vater der Klägerin zu 2. habe aufgrund falscher Anschuldigungen bei den armenischen Behörden eine internationale Ausschreibung des Klägers zu 1. zur Fahndung bei Interpol erreicht, was dazu geführt habe, dass die französischen Behörden einen Haftbefehl gegen den Kläger zu 1. hätten ausstellen wollen, was dieser wiederum nur mit einem gerichtlichen Verfahren habe verhindern können, spricht gegen eine solche „Verfolgung“ die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Kopie der Entscheidung des Cour d´Appel de S. vom 16. Januar 2015. Aus den Feststellungen dieser Entscheidung geht hervor, dass der Kläger zu 1. aufgrund eines Auslieferungsersuchens der armenischen Behörden am 4. März 2014 in Frankreich verhaftet und bereits am 11. April 2014 – geraume Zeit vor seiner Ausreise aus Frankreich – aus der Auslieferungshaft entlassen worden war. Die Entscheidung des Cour d´Appel de S. von 15. Januar 2015 beschäftigt sich nicht mit dieser Freilassung, sondern mit dem Antrag der französischen Staatsanwaltschaft, einen Haftbefehl gegen den Kläger zu 1. zu erlassen, weil dieser gegen die anlässlich seiner Entlassung aus der Auslieferungshaft vom 11. April 2014 gerichtlich auferlegte Verpflichtung, in Frankreich regelmäßig bei einer bestimmten Polizeidienststelle vorstellig zu werden, und gegen das Verbot, das französische Staatsgebiet zu verlassen, verstoßen hatte. Aus der vorgelegten Entscheidung des Cour d´Appel de S. geht hervor, dass die Ablehnung des Erlasses des Haftbefehls im Wesentlichen darauf beruhte, dass der Kläger zu 1. durch den Bescheid der Präfektur Seine-Maritime vom 1. September 2014 – im Widerspruch zu dem gerichtlichen Verbot, Frankreich zu verlassen – gerade dazu aufgefordert worden war, Frankreich zu verlassen, und sich damit zwei gegensätzlichen staatlicherseits ausgesprochenen Aufforderungen gegenüber gesehen hatte. Im Ergebnis kann dahinstehen, ob der Kläger insoweit in Frankreich „verfolgt“ wurde. Jedenfalls kann im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung von einer entsprechenden Gefährdung des Klägers zu 1. durch eine unrechtmäßige Inhaftierung aufgrund eines Auslieferungsersuchens – gegen die er im Übrigen durch Anrufung der französischen Gerichte Rechtsschutz erlangen könnte – nicht mehr ausgegangen werden. Die Frage einer etwaigen Verfolgung der Kläger in Armenien ist von den für das Asylverfahren der Kläger zuständigen französischen Behörden zu entscheiden.
47Schließlich führen aus den bereits im Beschluss des Gerichts vom 3. Februar 2015 angegebenen Gründen auch die in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die Erkrankung des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. an Hepatitis C vorgelegten weiteren ärztlichen Atteste – ungeachtet des Umstands, dass sich aus ihnen die Behandlungsbedürftigkeit dieser Erkrankung bei dem Kläger zu 1. und bei der Klägerin zu 2. ergeben mag – nicht dazu, dass eine Rücküberstellung nach Frankreich nicht möglich ist. Insbesondere die in den Attesten des Dr. C. E. vom 4. September 2013 und vom 24. Juni 2014 enthaltenen Bezugnahmen auf den Krankenhausarzt Dr. S1. , der die Kläger offenbar betreute, belegen wiederum, dass die Kläger in Frankreich Zugang zu medizinischer Behandlung hatten.
48Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn
- 1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.