Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 20. Jan. 2015 - 6 K 2405/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten zum wiederholten Mal über die baurechtliche Zulässigkeit einer von der Beigeladenen errichteten und von der Beklagten nunmehr mit streitgegenständlichem Bauschein vom 4. März 2013 genehmigten Balkonanlage.
3Die Beigeladene ist ein Wohnungsbauunternehmen und Eigentümerin des zu Anfang der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts errichteten Wohngebäudes T. Straße 129 und 131 (Gemarkung T1. , Flur 4, Flurstücke 255 und 256). Die nördliche, an dem Nachbargebäude T. Straße 133 (Flurstück 195) gelegene, 11,16 m lange Gebäudewand des Hauses ist nicht grenzständig errichtet, sondern weist im vorderen, zur T. Straße hin ausgerichteten Teil ca. 25 cm Grenzabstand auf, der sich bis zur gartenseitigen Gebäudeecke auf 42 cm erhöht.
4Die Kläger sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft T. Straße 133 in Gelsenkirchen (Gemarkung T1. , Flur 4, Flurstück 195) und haben Sondereigentum an der im dritten Obergeschoss liegenden, südlich ausgerichteten Wohnung. Das 1979 errichtete Gebäude der Wohnungseigentümergemeinschaft ist zu dem Grundstück der Beigeladenen in Teilbereichen der Giebelwand ebenfalls nicht grenzständig errichtet und weist eine etwas geringere Bebauungstiefe auf als das Haus der Beigeladenen. Die Balkone der südlichen Wohnungen sind nahe der Grenze zu dem Grundstück der Beigeladenen angelegt, im Wesentlichen loggienartig zurückgebaut und reichen nur geringfügig über die eigentliche Rückwand des eigenen Hauses hinaus.
5Die betreffenden Grundstücke liegen im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans Nr. 82, „L. -T2. -Straße und T. Straße zwischen H.-----straße und H1.----straße “ der Beklagten vom 5. April 1963, der für diesen Bereich unter anderem geschlossene Bauweise festsetzt.
6Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den nachfolgenden Kartenausschnitt Bezug genommen:
7 8Die Beigeladene beantragte bei der Beklagten erstmals am 3. Juni 2008 die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren zum Umbau des Hauses T. Straße 129 und 131. Geplant waren der Abriss der vorhandenen und die Errichtung einer neuen Balkonanlage. Die Beklagte erteilte die begehrte Baugenehmigung am 7. Juli 2008. Die zu dieser Baugenehmigung gehörenden grüngestempelten Planzeichnungen stellen sowohl das Gebäude der Beigeladenen als auch das der Wohnungseigentümergemeinschaft als auf der Grenze aneinandergebaute Gebäude dar und die Stützen der zu errichtenden Balkonanlage in Verlängerung der Außenwand ebenfalls grenzständig. Die eigentlichen Balkone sollten der Planzeichnung zufolge in einem Grenzabstand von 22 cm an diese Stützen montiert werden. Diese Baugenehmigung war in der Folge Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Klage- und Eilverfahrens gleichen Rubrums (6 K 5380/08 und 6 L 1542/08). Nachdem die Kammer mit Beschluss vom 2. Februar 2009 im Verfahren 6 L 1542/08 die aufschiebende Wirkung der Nachbarklage der Kläger gegen die Baugenehmigung vom 7. Juli 2008 angeordnet hatte, erklärte die Beigeladene am 27. August 2009, aus der ihr am 7. Juli 2008 erteilten Baugenehmigung betreffend die vier dem Grundstück T. Straße 133 zugewandten Balkone keine Rechte mehr herleiten zu wollen.
9Bereits zuvor, am 15. Juni 2009, hatte die Beigeladene bei der Beklagten die Erteilung einer neuen Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren für den bereits erfolgten Abriss der vorhandenen und die Errichtung einer neuen Balkonanlage einschließlich seitlicher Sichtschutzelemente an dem Haus T. Straße 131 beantragt. Die Beklagte erteilte der Beigeladenen antragsgemäß am 2. Juli 2009 die Genehmigung.
10Ausweislich der mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauzeichnungen sollten die Balkone sowohl am Gebäude als auch an insgesamt vier Stahlstützen, die bis zur Höhe der Balkonbrüstung im dritten Obergeschoss reichen sollten, befestigt werden. Die beiden zu dem Grundstück T. Straße 133 gelegenen Stützen sollten grenzständig ausgeführt werden, während die zu dieser Seite liegenden Balkone selbst mit einem Abstand von 12 cm zur Flurstücksgrenze errichtet werden sollten.
11Auch diese Baugenehmigung war in der Folge Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Klage- und Eilverfahrens gleichen Rubrums (6 K 3112/09 und 6 L 765/09). Zunächst ordnete die Kammer mit Beschluss vom 29. Oktober 2009 die aufschiebende Wirkung der Nachbarklage der Kläger gegen die Baugenehmigung vom 2. Juli 2009 an und hob später mit Urteil vom 14. September 2011 die der Beigeladenen von der Beklagten erteilte Baugenehmigung zur Errichtung der vier streitgegenständlichen grenznahen Balkone auf.
12Am 21. Mai 2012 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten erneut eine Baugenehmigung zur Errichtung von acht Balkonen im nördlichen Bereich der rückwärtigen Außenwand ihres Gebäudes T. Straße 131. Die Beklagte erteilte daraufhin am 4. März 2013 die im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Baugenehmigung.
13Ausweislich der grüngestempelten Bauvorlagen weist die geplante Balkonanlage mit jeweils zwei Balkonen pro Etage eine Tiefe von 2,27 m und eine Breite von insgesamt 7,26 m auf. Die gesamte Balkonanlage hat an der dem Grundstück T. Straße 133 zugewandten Seite eine Höhe über der Geländeoberfläche von 10,79 m (eigentliche Balkonbrüstung) bzw. von 11,69 m (einschließlich der geplanten durchgängigen Sichtschutzwand). Weiterhin sieht die Baugenehmigung vor, den sich zwischen den beiden Häusern ergebenen Spalt auf der nördlichen Seite im Bereich des wegen der unterschiedlichen Bebauungstiefe vorhandenen 60 cm langen Versprungs der beiden Häuser durch das Aufbringen von Dämmmaterial zu schließen.
14Gegen diese, ihnen nicht zugestellte Baugenehmigung haben die Kläger am 13. Mai 2013 die vorliegende Klage erhoben. Sie sind im Wesentlichen der Auffassung, das Vorhaben verstoße gegen brandschutzrechtliche Vorschriften. Auch abstandflächenrechtliche Vorschriften seien verletzt. Das Schließen der Lücke zwischen den Gebäuden auf der Rückseite führe nicht dazu, dass das Gebäude nunmehr als grenzständig anzusehen sei. Schließlich sei das Vorhaben auch in der nunmehr genehmigten Form rücksichtslos, da trotz zu errichtender Sichtschutzwände eine Einblicknahme in ihre Wohnung möglich sei. Hierzu sei es nur erforderlich, um die Sichtschutzwand herumzusehen.
15Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
16die der Beigeladenen durch die Beklagte unter dem Datum des 4. März 2013 erteilte Baugenehmigung – Az. 02080-12-01 – aufzuheben.
17Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
18die Klage abzuweisen.
19Sie ist der Auffassung, das Vorhaben verstoße in der jetzt genehmigten Ausgestaltung nicht gegen § 6 Bauordnung NRW (BauO NRW). Zudem sei das Haus T. Straße 133 in südlicher Richtung ebenfalls nicht grenzständig errichtet, wie aus den genehmigten Bauzeichnungen zur Errichtung des Gebäudes selbst hervorgehe. Brandschutzrechtliche Vorschriften seien nicht verletzt, da die „Seitenwände“ einer Balkonanlage nicht als Gebäudeabschlusswände auszuführen seien.
20Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Inhaltlich schließt sie sich den Ausführungen der Beklagten an.
21Die Kammer hat am 8. September 2014 durch die Berichterstatterin einen Ortstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll vom selben Tage verwiesen.
22Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Gerichtsakten 6 K 5380/08, 6 K 3112/09, 6 L 1542/08, 6 L 765/08, 6 L 521/09 ergänzend Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
25Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 4. März 2013 ist hinsichtlich nachbarschützender Vorschriften rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
26Ein Nachbar kann nur dann erfolgreich gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung vorgehen, wenn sie gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts verstößt und eine Befreiung oder Abweichung von diesen Vorschriften nicht vorliegt oder unter Berücksichtigung nachbarlicher Belange nicht hätte erteilt werden dürfen. Ob das Vorhaben objektiv, d. h. hinsichtlich derjenigen Vorschriften, die nicht nachbarschützend sind, rechtmäßig ist, ist dagegen im Nachbarverfahren unerheblich. Gemessen an diesen Maßstäben ist die angefochtene Baugenehmigung nicht zu beanstanden.
271. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des in Rede stehenden Vorhabens richtet sich nach §§ 30, 34 BauGB in Verbindung mit der BauNVO 1968, da das Grundstück der Beigeladenen innerhalb des einfachen Bebauungsplans Nr. 82 der Beklagten vom 22. Mai 1972 liegt. Das genehmigte Vorhaben verstößt jedoch nicht zu Lasten der Kläger gegen das hier allein in Betracht kommende und in § 34 Abs. 1 BauGB bzw. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO verankerte bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme
28Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
29Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 21. Januar 1983 ‑ 4 C 59.79 ‑, BauR 1983, 449, vom 28. Oktober 1993 ‑ 4 C 5.93 ‑, DVBl 1994, 697 und vom 23. September 1999 ‑ 4 C 6.98 ‑, DVBl 2000, 192; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 3. September 1999 ‑ 10 B 1283/99 ‑, NVwZ 1999, 1360, und vom 29. August 2011 - 2 B 940/11 -, juris.
30Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass die Kläger durch die angefochtene Baugenehmigung unzumutbar beeinträchtigt werden. Soweit die Kläger in der Vergangenheit geltend gemacht haben, sie befürchteten Einsichtsmöglichkeiten von den genehmigten Balkonen in ihre Wohnräume und auf ihren Balkon, sei darauf hingewiesen, dass bei der nunmehr streitigen Genehmigung im Unterschied zu vorangegangenen Baugenehmigungen hinsichtlich der Balkone eine über die gesamte Balkonbreite reichende durchgängige Sichtschutzwand bis 1,90 m oberhalb des höchsten Balkonbodens vorgesehen ist, sodass Einsichtsmöglichkeiten bei bestimmungsgemäßer Balkonnutzung ausgeschlossen sein dürften. Ohne dass es darauf ankäme, sei darauf hingewiesen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des OVG NRW Nachbarn in innerstädtisch bebauten Gebieten - wie hier - hinnehmen müssen, dass Grundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es dadurch von benachbarten Grundstücken bzw. Wohnhäusern aus zu Einsichtsmöglichkeiten in das eigene Grundstück kommt. Ein Nachbar kann nicht beanspruchen, dass ein benachbarter Bauherr sein Grundstück nur so ausnutzt, dass die Möglichkeit eines Einblicks nicht gegeben ist.
31Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Februar 2014 - 7 B 1416/13 -, juris, vom 14. Februar 2013 - 7 B 99/13 -, juris, vom 6. Juni 2012 - 7 B 487/12 -, juris, vom 9. Februar 2009 - 10 B 1713/08 -, BRS 74 Nr. 181,vom 1. Juni 2007 - 7 A 3852/06 -, BRS 71 Nr. 127, OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. Januar 2012 - 2 M 157/11 -, juris.
32Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liegt auch nicht mit Blick auf eine Verschattung der Wohnräume der Kläger durch die Neuerrichtung der Balkone vor.
33In einem bebauten innerstädtischen Wohngebiet müssen Nachbarn es ebenfalls hinnehmen, dass Grundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es dadurch zu einer gewissen Verschattung des eigenen Grundstücks bzw. von Wohnräumen kommt.
34Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. Juni 2014 - 7 A 1276/13 -, juris, Beschlüsse vom 6. Juni 2012 - 7 B 487/12 -, juris; vom 9. Februar 2009 - 10 B 1713/08 -, BRS 74 Nr. 181 und vom 1. Juni 2007 - 7 A 3852/06 -, BRS 71 Nr. 127.
35Hiervon ausgehend begründet der zu erwartende Schattenwurf kein Abwehrrecht gegen das streitige Bauvorhaben. Der Schattenwurf des Balkonneubaus ist als hinnehmbar zu bewerten. Das Wohnzimmer der Kläger ist aufgrund seiner westlichen Ausrichtung in den Morgenstunden bereits durch ihr eigenes Gebäude verschattet. In der Mittagszeit bis in den Nachmittag hinein erfolgt schon jetzt aufgrund des Gebäudeversprungs - ohne den Balkonneubau - eine teilweise Verschattung durch das Gebäude der Beigeladenen. Zudem ist für eine Verschattung des Wohnzimmers der Kläger von Süden aus weniger das Nachbargebäude der Beigeladenen, sondern vielmehr der Umstand wesentlich, dass der klägerische Balkon als Loggia ausgestaltet ist und daher die eigene südliche Giebelwand des klägerischen Gebäudes dem Wohnzimmer der Kläger bereits viel Tageslicht nimmt, wie Fotos - gefertigt beim Ortstermin am 21. Januar 2009 im Verfahren 6 L 1542/08 gleichen Rubrums - belegen.
372. Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts sind ebenfalls nicht ersichtlich.
38Das gilt zunächst für den von den Klägern gerügten Verstoß gegen Brandschutzvorschriften. Das streitgegenständliche Bauvorhaben wurde von der Beklagten zutreffend im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 68 BauO NRW geprüft. Nach § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW beschränkt sich die präventive bauaufsichtliche Prüfung im vereinfachten Genehmigungsverfahren auf die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den in dieser Norm ausdrücklich aufgeführten Vorschriften. Brandschutzrechtliche Bestimmungen sind dort - mit Ausnahme von § 17 BauO NRW für die Prüfung von Sonderbauten - nicht aufgeführt.
39Dennoch ist die Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich befugt Brandschutzbelange zu prüfen, wenn sie Rechtsverstöße erkennt, die außerhalb ihrer obligatorischen Prüfungspflicht liegen. Sie ist hierzu sogar verpflichtet, wenn die Gefährdung hochwertiger Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit von Menschen droht.
40Vgl. OVG NRW, Urteile vom 28. Januar 2009 -10 A 1075/08-, juris und vom 26. Juni 2014 -7 A 2057/12-, juris; Beschluss vom 18. Juli 2013 - 7 A 1040/13 -, juris, Sächsisches OVG, Beschluss vom 25. Februar 1998 - 1 S 38/98 -, juris.
41Bei einem solchen Sachverhalt darf die Baubehörde nicht eine Genehmigung für ein Vorhaben erteilen, dessen Verwirklichung wegen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben von Menschen unverzüglich durch bauaufsichtliches Einschreiten unterbunden werden müsste. Das setzt aber voraus, dass ein solcher Verstoß offensichtlich vorliegt.
42Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. Juni 2014 - 7 A 2057/12 -, juris; Beschluss vom 18. Juli 2013 - 7 A 1040/13 -, juris.
43Von einem solchen offensichtlichen Verstoß, auf den sich auch ein Nachbar berufen kann, kann nur dann die Rede sein, wenn eine entsprechende Vorschrift ersichtlich verletzt ist. Das ist hier nicht der Fall. Die BauO NRW verhält sich über die abstandrechtliche Privilegierung von Balkonen hinaus nicht über deren weitere Ausgestaltung, insbesondere nicht darüber, ob bei der Errichtung von Balkonen Gebäudeabschlusswände herzustellen sind, die bestimmten Brandschutzanforderungen unterfallen. Besondere brandschutzrechtliche Anforderungen an Balkone und deren Brüstungen und Sichtschutzwände ließen sich nur stellen, wenn man einen Balkon als einen "Annex zum Wohnhaus" und damit als ein Gebäude ansieht, für das dann sämtliche Vorschriften der BauO NRW und damit auch § 31 BauO NRW gelten würde. Ob ein Balkon jedoch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 BauO NRW erfüllt, erscheint im Hinblick auf Schutzzweck und Überdachung nicht unproblematisch. Gerichtlich entschieden wurde diese Frage – soweit der erkennenden Kammer bekannt – bislang für einen Balkon (noch) nicht,
44offengelassen von VG Köln, Beschluss vom 27. Januar 2009 - 2 L 1747/09 -, juris,
45sondern nur für eine Terrassenüberdachung, die als "Annex zum Wohnhaus" die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 BauO NRW erfüllt, weshalb die Herstellung einer Gebäudeabschlusswand erforderlich ist, an die ihrerseits dann die brandschutzrechtlichen Anforderungen des § 31 BauO NRW zu stellen sind.
46Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. November 2007 - 7 E 737/07-, juris.
47Bei dieser Sachlage lässt sich zumindest nicht feststellen, dass durch die streitgegenständliche Genehmigung der Balkonanlage (ohne seitliche Brandschutzwand) im vereinfachten Verfahren offensichtlich gegen bauordnungsrechtliche Brandschutzvorschriften verstoßen wird, sodass die Frage, ob eine Abweichung von § 31 BauO NRW nach 73 BauO NRW vorliegend zulässig wäre, dahingestellt bleiben kann.
48Vgl. zur Abweichung von § 31 BauO NRW bei einer Terrassenüberdachung OVG NRW, Beschluss vom 24. September 2014 - 2 B 570/14 -, juris, und VG Köln, Beschluss vom 12. Mai 2014 - 8 L 375/14 - , juris.
49Ob durch die Errichtung der Balkonanlage ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Abstandflächenrechts vorliegt, kann die Kammer offenlassen, denn auf einen solchen Verstoß könnten die Kläger sich nicht berufen.
50Dass die Balkone mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung, im Gegensatz zu früheren Baugenehmigungen, nunmehr als in allen Teilen ihrer Nordseite grenzständige Anlage genehmigt werden, liegt auf der Hand, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf keiner weiteren Ausführungen. Desweiteren ist bei isolierter Betrachtung der Balkonanlage eine seitliche Abstandfläche nach § 6 Abs. 1 Ziffer a) BauO NRW gegenüber dem klägerischen Grundstück nicht erforderlich. Da in dem Bebauungsplan Nr. 82 lediglich geschlossene Bauweise festgesetzt ist, aber keine Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche enthalten sind, bestimmt sich die überbaubare Grundstücksfläche entsprechend § 34 BauGB nach der in der näheren Umgebung vorhandenen Bebauung. Vorliegend wird die nähere Umgebung hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche maßgeblich durch die weiter als die genehmigte Balkonanlage in die hinteren Grundstücksbereiche hereinragenden Anbauten an die Gebäude T. Straße 127 und 143 geprägt.
51Fraglich ist allein, ob eine isolierte abstandflächenrechtliche Betrachtung der Balkone angezeigt ist oder durch den Anbau der Balkone die Frage der Abstandfläche für die gesamte nördliche Giebelwand neu aufgeworfen wird. Würde die Frage der Abstandfläche für den gesamten nördlichen Giebel neu aufgeworfen, läge ein Abstandflächenverstoß vor, da wesentliche Teile der Abstandfläche auf dem klägerischen Grundstück lägen. Eine exakte Neuberechnung der Abstandfläche für den gesamten nördlichen Giebel ist anhand der vorgelegten Verwaltungsvorgänge zwar nicht möglich, eine Neuvermessung des Gebäudes T. Straße 129/131 hat jedoch ergeben, dass der nördliche Giebel zwischen 25 cm und 42 cm von der Grenze zum klägerischen Grundstück entfernt aufsteht. Da damit - obwohl im Bebauungsplan geschlossene Bauweise festgesetzt ist - eine Inanspruchnahme des § 6 Abs. 1 Satz 2 Ziffer a) BauO NRW wegen des Grenzabstandes nicht in Betracht käme, fände § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW Anwendung. Nach § 6 Abs. 2 BauO NRW müsste die Abstandfläche des Giebels, die selbst unter Inanspruchnahme der Halbierungsregel des § 6 Abs. 6 BauO NRW mindestens drei Meter beträgt, auf dem Baugrundstück der Beigeladenen selbst liegen. Das wäre erkennbar nicht der Fall, wesentliche Teile lägen auf dem klägerischen Grundstück.
52Auf eine solche mögliche Abstandflächenverletzung könnten die Kläger sich indes nicht berufen. Die Geltendmachung eines solchen Abwehrrechts verstößt hier unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und stellt sich somit als unzulässige Rechtsausübung dar. Es ist allgemein anerkannt, dass der Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben der Ausübung und Geltendmachung von Rechten eine inhaltliche Schranke setzt. Dies gilt insbesondere auch für den Bereich des Öffentlichen Rechts. Das Gebot, sich so zu verhalten, wie Treu und Glauben es verlangen, gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts.
53Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Dezember 1994 - 8 B 201/94 -, juris, OVG NRW, Beschluss vom 7. August 1997 ‑ 7 A 150/96 -, juris.
54Die Unzulässigkeit der Rechtsausübung knüpft hier zum einen daran an, dass die Kläger oder ihre Rechtsvorgänger durch das früher auf ihrem Grundstück aufstehende Gebäude die nicht grenzständige, sondern nur grenznahe Errichtung der nördlichen Giebelwand des Gebäudes der Beigeladenen selbst verursacht haben (1), und zum anderen daran, dass sie die Einhaltung des Mindestabstandes von den Beigeladenen einforderten, obwohl sie selbst mit ihrem Gebäude diesen Mindestabstand nicht einhalten (2).
55(1) Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten in diesem und in dem vorangegangenen Verfahren 6 K 5380/08 stand zum Zeitpunkt der Errichtung der Wohnhäuser T. Straße 131/129 in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf dem Grundstück der Kläger ein „altes“ Gebäude auf. Dieses Gebäude war auf das Grundstück der Beigeladenen in dem Maße überbaut, in dem das Gebäude der Beigeladenen heute von der Grenze zurückspringt, sodass bis zum Abriss dieses ehemaligen Gebäudes auf dem Klägergrundstück die Gebäude T. Straße 133 und 131 aneinandergebaut waren, jedoch nicht auf der Grenze, sondern zwischen 25 cm und 42 cm südlich der Grundstücksgrenze. Eine Modernisierung des Gebäudes der Beigeladenen durch Errichtung größerer Balkone wegen einer durch eigenes Verhalten der Rechtsvorgänger der Kläger verursachten nicht grenzständigen Errichtung der Giebelwand abwehren zu wollen, widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben, zumal die nördliche Giebelwand des Gebäudes der Beigeladenen unverändert bestehen bleibt und selbst bei seinerzeitiger grenzständiger Errichtung des nördlichen Giebels des Hauses T. Straße 131 sich die neue grenzständig errichtete Balkonanlage heute nicht anders darstellen würde.
56(2) Sofern der Anbau der streitgegenständlichen Balkonanlage die Abstandflächenfrage unter anderem für die gesamte nördliche Giebelwand des Hauses T. Straße 131 neu aufwerfen sollte, läge die von dem Giebel ausgelöste Abstandfläche wie ausgeführt, zu wesentlichen Teilen auf dem klägerischen Grundstück. Auf diesen Abstandflächenverstoß könnten sich die Kläger auch deshalb nicht berufen, weil das auf ihrem Grundstück errichtete Gebäude die nach § 6 BauO NRW erforderlichen Abstandflächen in wenigstens vergleichbaren Umfang ebenfalls nicht einhält. Derjenige, der selbst mit seinem Gebäude den erforderlichen Grenzabstand nicht einhält, kann billigerweise nicht verlangen, dass der Nachbar die Abstandfläche freihält. Ein eigener Abstandflächenverstoß hindert den dadurch begünstigten Eigentümer zwar nicht schlechthin daran, die Baurechtswidrigkeit eines nachbarlichen Vorhabens unter dem Aspekt des Abstandflächenrechts anzugreifen. Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis erlaubt in diesen Fällen eine Abwehrmaßnahme jedoch nur dann, wenn die Verletzung nachbarschützender Abstandregelungen durch das angegriffene Vorhaben schwerer wiegt als die Abstandflächenverletzung des klagenden Nachbarn.
57Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 2014 - 2 A 1599/13 -, juris.
58Das ist vorliegend nicht der Fall. Ausweislich der zur Baugenehmigung vom 28. Mai 1979 gehörenden grüngestempelten Bauvorlagen weist das klägerische Grundstück im straßenrandnahen Bereich eine Breite von 16,45 m, im Bereich der Straßenfront des Hauses T. Straße 131 eine Breite von 16,34 m und im Bereich der streitgegenständlichen Balkonanlage eine Breite von 16,03 m auf. Ebenfalls entsprechend den grüngestempelten Bauvorlagen ist das aufstehende Gebäude der Kläger in allen Geschossen mit einer Breite von 15,99 m genehmigt. Ob das klägerische Gebäude zu beiden seitlichen Grenzen mit einem geringen Abstand von insgesamt 4 cm auf Höhe der grenzständigen Balkone bis zu insgesamt 46 cm an der Straßenfront errichtet wurde, oder nur zum Gebäude der Beigeladenen, wofür sowohl der zur Baugenehmigung vom 28. Mai 1979 als auch der zur streitgegenständlichen Baugenehmigung gehörende Lageplan spricht, kann dahingestellt bleiben. In beiden Fällen lägen vergleichbare gegenseitige Abstandflächenverletzungen vor.
59Denn für die Bewertung des Gewichts des Abstandsflächenverstoßes ist in erster Linie die Beeinträchtigung der durch die Abstandsflächenvorschriften geschützten nachbarlichen Belange in den Blick zu nehmen. Das Gewicht eines Abstandsflächenverstoßes bestimmt sich außerdem nach dem Ausmaß, in dem die jeweils erforderliche Abstandfläche zu Lasten des Nachbarn nicht eingehalten wird.
60Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2012 - 2 B 983/12 -, juris.
61Auf die Belange des Brandschutzes, die Belichtung, Belüftung und Besonnung des Nachbargrundstücks sowie die Wahrung eines ausreichenden Sozialabstands wirkt sich die nördliche Giebelwand der Beigeladenen nicht intensiver aus als die südliche Giebelwand des klägerischen Gebäudes. Beide Giebel verfügen über keinerlei Öffnungen, die Gebäude sind in etwa gleich hoch und weisen eine vergleichbare Bebauungstiefe auf. Unterschiede mögen bei dem jeweiligen Grenzabstand der Giebel bestehen. Diese liegen jedoch im Bereich von nur wenigen Zentimetern und führen nicht dazu, dass der grenzfernere Giebel (vermutlich der der Beigeladenen) als die schwerer wiegende Abstandflächenverletzung zu betrachten wäre. Die vorzunehmende wertende Betrachtung erfordert keine zentimetergenaue quantitative Entsprechung der gegenseitigen Inanspruchnahme der Nachbargrundstücke für die eigenen Abstandflächen.
62Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2012 - 2 B 983/12 -, juris.
63Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese keinen Sachantrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3 VwGO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 20. Jan. 2015 - 6 K 2405/13
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 20. Jan. 2015 - 6 K 2405/13 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
Der Wert des Streitgegenstands wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, der zulässige Antrag sei unbegründet; die Interessenabwägung falle zu Lasten der Antragsteller aus, da nicht erkennbar sei, dass die streitige Baugenehmigung gegen Nachbarschutz vermittelnde Vorschriften des öffentlichen Rechts verstoße.
4Die dagegen mit der Beschwerde fristgemäß vorgebrachten Einwände führen zu keinem anderen Ergebnis. Die angegriffene Baugenehmigung ist summarischer Prüfung zufolge nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise rechtswidrig.
5Der Senat vermag nicht festzustellen, dass das Vorhaben gegen das Rücksicht-nahmegebot verstößt. Auch im Rahmen einer Gesamtschau ist mit Blick auf das Volumen des Vorhabengebäudes, die durchgehende Bebauung von der V.--straße bis zum G. , die Höhen des Vorhabengebäudes und der Gebäude der Antragsteller und die Stellung der Gebäude der Antragsteller auf dem Grundstück weder die angesprochene „erdrückende Wirkung“ gegenüber dem Grundstück der Antragsteller noch sonst eine rechtlich relevante Rücksichtslosigkeit anzunehmen.
6Eine erdrückende Wirkung wird angenommen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht oder wenn die Größe des „erdrückenden“ Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls ‑ und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen - derartig übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird.
7Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2010 - 7 A 3199/08 -, BRS 76 Nr. 181 = BauR 2011, 248 und Beschlüsse vom 24. April 2012 - 7 B 242/12 -, und vom 6. Juni 2012 - 7 B 487/12 -.
8Eine solche Wirkung kann angesichts der Umstände des Einzelfalls nicht angenommen werden.
9Der zur V.--straße gelegene höchste Dachfirst des geplanten Hauses des Beigeladenen ist nach den Angaben im amtlichen Lageplan 79,99 m ü. N. N. und damit lediglich 2,3 m höher als der Dachfirst des an der V.--straße gelegenen Wohnhauses der Antragsteller (First 77,69 ü. N. N.). Zum G. hin fällt das geplante Gebäude in drei Stufen (79,085 m ü. N. N., Brüstungshöhe 77,265 m ü. N. N., Brüstungshöhe 74,49 m ü. N. N.) ab, so dass die Höhendifferenz zwischen dem Wohnhaus der Antragsteller am G. und dem Vorhaben an der östlichen Gebäudeabschlusswand einschließlich der Brüstungen nur 2,75 m beträgt (74,49 m ü. N. N. - 71,74 m ü. N. N.) und somit keinesfalls von einem „Übermaß an Höhe“ des streitgegenständlichen Gebäudes gesprochen werden kann. Auch der Vergleich des absoluten Höhenunterschiedes des Vorhabengebäudes und des am G. gelegenen Wohnhauses der Antragsteller von ca. 8,25 m (Dachfirsthöhe 79,99 m ü. N. N. – 71,74 m ü. N. N.) führt nicht zur Annahme einer erdrückenden Wirkung. Vielmehr handelt es sich um einen im innerstädtischen Bereich nicht unüblichen Höhenversprung aneinander stehender Gebäude. Unter Berücksichtigung der Bautiefe des Gebäudes des Beigeladenen von etwa 21 m ändert daran auch nichts, dass dieses an der zur V.--straße ausgerichteten Seite ca. doppelt so hoch ist, wie das Flachdachgebäude der Antragsteller am G. . Die Annahme eines unzumutbaren „Eingemauertseins“ scheidet auch hinsichtlich ihres Innenhofes aus. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass die befürchtete Entstehung einer „Innenhofsituation“ im Wesentlichen Folge der baulichen Ausnutzung des Grundstücks der Antragsteller ist. Eine erdrückende Wirkung wäre selbst dann nicht anzunehmen, wenn die Ostseite des Grundstücks der Antragsteller überhaupt nicht bebaut wäre.
10Gegenüber den Antragstellern resultiert eine Rücksichtslosigkeit im Rechtssinne auch nicht aus den vom Vorhaben des Beigeladenen ausgehenden Einsichtsmöglichkeiten. In einem bebauten innerstädtischen Wohngebiet müssen Nachbarn hinnehmen, dass Grundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht (insbesondere § 6 BauO NRW) vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es dadurch zu Einsichtsmöglichkeiten kommt, die in einem bebauten Gebiet üblich sind.
11Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. Juni 2007 ‑ 7 A 3852/06 -, BRS 71 Nr. 127, vom 9. Februar 2009 - 10 B 1713/08 -, BRS 74 Nr. 181 und vom 6. Juni 2012 - 7 B 487/12 -.
12Die Antragsteller können nicht beanspruchen, dass das Grundstück des Beigeladenen nicht oder nur so bebaut wird, dass die Möglichkeit eines Einblicks nicht gegeben ist. In Anbetracht der Vorgaben des Bebauungsplanes und der Lage des Grundstücks des Beigeladenen mussten die Antragsteller mit einer durchgehenden Bebauung dieses Grundstücks rechnen. Die geschaffenen Einsichtsmöglichkeiten gehen ihrer Qualität nach nicht über eine regelmäßig hinzunehmende gegenseitige Einsichtnahme in die jeweiligen Ruhebereiche hinaus. Mangels einer durch das Vorhaben veranlassten unangemessenen Benachteiligung des Grundstücks der Antragsteller ist es irrelevant, ob die Planänderung auch im Interesse des Beigeladenen erfolgte.
13Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Annahme, auch bei der Erteilung der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB seien Nachbarrechte der Antragsteller nicht verletzt worden.
14Soweit die Antragsteller rügen, nicht sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB hätten vorgelegen und hinsichtlich des 2. Dachgeschosses fehle es gänzlich an einer Befreiung, verkennen sie die Reichweite ihrer Abwehrrechte. § 31 Abs. 2 BauGB hat zwar mit dem Gebot der Würdigung nachbarlicher Interessen drittschützende Wirkung. Das bedeutet aber lediglich, dass nur bei einer fehlerhaften Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans ein nachbarlicher Abwehranspruch gegeben ist, dass also bei nachbarschützenden Festsetzungen jeder Fehler bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB zur Aufhebung der Baugenehmigung führen muss. Demgegenüber besteht Drittschutz des Nachbarn bei einer rechtswidrigen Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung vielmehr nur, wenn seine nachbarlichen Interessen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind; alle übrigen denkbaren Fehler einer Befreiung machen diese und die auf ihr beruhende Baugenehmigung zwar objektiv rechtswidrig, vermitteln dem Nachbarn aber keinen Abwehranspruch, weil seine eigenen Rechte nicht berührt werden. Unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, ist dabei nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat.
15Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 1998 - 4 B 64.98 -, BauR 1998, 1206 = BRS 60 Nr. 183, und Urteil vom 19. September 1986 - 4 C 8.84 -, BauR 1987, 70 = BRS 46 Nr. 173; OVG NRW, Beschluss vom 17. Februar 2011 - 7 B 1803/10 -, BRS 78 Nr. 188.
16Dass hier von einer nachbarsschützenden Festsetzung des Bebauungsplanes abgewichen wird, haben die Antragsteller schon nicht dargelegt. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots liegt aus obigen Gründen nicht vor.
17Den von den Antragstellern geltend gemachten objektivrechtlichen Verstößen - der Bebauungsplan sei unwirksam und das Vorhaben füge sich hinsichtlich seines Höhenmaßes, der Dachneigung und der Geschossflächenzahl nicht in die nähere Umgebung ein - kommt keine nachbarschützende Wirkung zu. Selbiges gilt hinsichtlich des schon nicht dargelegten Wertverlustes ihres Grundstücks.
18Aus der geltend gemachten fehlenden Angrenzerbeteiligung der Antragsteller im Sinne von § 74 BauO NRW können diese letztlich ebenfalls keine abwehrfähige Rechtsposition herleiten. Hierzu hat bereits das Verwaltungsgericht aufgezeigt, dass ein solcher Verfahrensfehler unabhängig von einer materiellen Rechtsverletzung des Nachbarn keinen Anspruch des nichtbeteiligten Nachbarn auf Aufhebung des Verwaltungsaktes begründen kann, abgesehen davon ist ohnehin von einer Heilung des Mangels nach den zumindest entsprechend anwendbaren Regelungen des § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 VwVfG NRW bzw. von einer Unbeachtlichkeit gemäß § 46 VwVfG NRW auszugehen.
19Vgl. hierzu etwa: OVG NRW, Beschluss vom 14. Juni 2013 - 2 B 492/13 -; Johlen, in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Auflage, 2011, § 74 Rn. 87a; Schönenbroicher/Kamp/ BauO NRW, 2012, Rn. 1, 31 zu § 74.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO; es entspricht der Billigkeit, den Antragstellern auch die Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil dieser einen Antrag gestellt und sich damit selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
21Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
22Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der baurechtlichen Genehmigung für den Dachgeschossausbau des Reihenhauses der Beigeladenen.
3Der Kläger ist Miteigentümer des Grundstücks Gemarkung C. , Flur 3, Flurstück 1000 mit der Bezeichnung Q. 20 in C. . Die Beigeladenen sind Eigentümer des benachbarten Grundstücks Gemarkung C. , Flur 3, Flurstück 960 mit der Bezeichnung Q. 18a. Die Grundstücke sind mit beidseitig grenzständigen Häusern bebaut; ihre zum Rhein hin gelegenen Gärten grenzen an die in diesem Bereich unbebaute H.-------straße . Die Häuser gehören zu einer am Ufer des Rheins nordwestlich der St.-N. -Kirche gelegenen zweigeschossigen Reihenhauszeile mit einer Länge von etwa 90 m. Die Gebäude liegen im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. 7526-12 der Beklagten, der u. a. ein reines Wohngebiet und geschlossene Bauweise sowie als Höchstmaß zwei Vollgeschosse festsetzt.
4Am Reihenhaus des Klägers befindet sich eine etwa 0,80 m breite Außentreppe, die vom Balkon des Obergeschosses in den Garten führt, dabei eine Höhe von ca. 3 m überwindet und etwa 4 m hinter der rückwärtigen Gebäudewand auf dem Gartengelände fußt. Die Treppe hält einen Abstand von etwa 0,2 m zum Grundstück der Beigeladenen. Der Errichtung dieser Treppe hatten die früheren Eigentümer des Grundstücks der Beigeladenen unter dem 10. Mai 1986 zugestimmt. Die Beklagte genehmigte die Außentreppe unter dem 21. Januar 1987 bauaufsichtlich. Wegen der Einzelheiten wird auf die hierzu vorliegende Genehmigungsakte der Beklagten (BA 4) Bezug genommen.
5Im Dachgeschoss ist das Reihenhaus des Klägers nachträglich durch einen Aufbau erweitert worden. Dieser besteht aus einer Dachgaube mit einer vorgelagerten, durch eine bodentiefe Fenstertür erreichbaren und überdachten Dachterrasse sowie einem Fenster. Die Dachterrasse hat einen Abstand von 2,50 m zum Grundstück der Beigeladenen, das Fenster hält mit seiner seitlichen Begrenzung einen Abstand von 1,50 m zum Grundstück der Beigeladenen. Unter dem 27. Juni 2012 erteilte die Beklagte dem Kläger die nachträgliche Genehmigung für den als „Gaube und Dachterrasse“ bezeichneten Dachaufbau. Wegen der Einzelheiten wird auf die hierzu vorliegende Genehmigungsakte der Beklagten (BA 3) Bezug genommen.
6Die Beigeladenen stellten unter dem 27. September 2010 einen Bauantrag für den Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken und die Errichtung von straßenseitigen Dachaufbauten sowie an der zum Rhein gewandten Seite. In den eingereichten Unterlagen erklärte der Entwurfsverfasser, das dargestellte Vorhaben entspreche den Anforderungen des Brandschutzes. Im Februar 2011 reichten die Beigeladenen neue Unterlagen für eine der Größe nach reduzierte Ausführung des Vorhabens ein. Wegen der Einzelheiten der Ausführung wird auf die mit einem Grünstempel versehenen Bauvorlagen (BA 2, Bl. 32 bis 34) Bezug genommen. Die Beklagte erteilte den Beigeladenen sodann unter dem 18. Februar 2011 die Baugenehmigung für das als Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken und Errichtung einer Gaube zur Straßenseite und einer Gaube zur Gartenseite charakterisierte Vorhaben. Beigefügt war der Hinweis, die Genehmigung erfolge im vereinfachten Verfahren nach § 68 BauO NRW, im vereinfachten Genehmigungsverfahren erstrecke sich die bauaufsichtliche Prüfung nur auf den in § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW beschriebenen Umfang. Die Beigeladenen zeigten den Baubeginn bei der Beklagten am 27. Februar 2012 an.
7Der Kläger hat am 28. März 2012 Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt: Bei dem Vorhaben handele es sich nicht um eine Gaube, sondern um ein Zwerchhaus, welches eine seitliche Abstandfläche werfe, die auf seinem Grundstück liege. Es sei zwar kein Zwerchhaus im Rechtssinne, weil die Front nicht in Verlängerung der Hauswand aufsteige, sondern etwa 36 cm dahinter. Optisch bestehe jedoch kein Unterschied zwischen der genehmigten Gaube und einem Zwerchhaus. Es handele sich auch nicht um ein völlig untergeordnetes Bauteil, denn es diene dem Vollausbau des Dachgeschosses. Außerdem verstoße der Ausbau des Dachgeschosses gegen den Bebauungsplan. Dieser lasse nur eine zweigeschossige Bebauung zu. Bei dem Dachgeschoss der Beigeladenen handele es sich jedoch um ein drittes Vollgeschoss. Die hierzu vorgelegte Berechnung sei falsch. Auch seien die für den Brandschutz erforderlichen Abstandflächen nicht eingehalten. Schließlich verstoße das Vorhaben auch gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der wuchtige und massive Eindruck störe durch seine Neigung zum Dach hin. Es entstehe Schattenwurf auf sein Grundstück. Insbesondere seien sein Balkon, der an das Haus grenzende Teil des Gartens und die Räumlichkeiten zum Garten hin betroffen.
8Der Kläger hat beantragt,
9die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 18. Februar 2011 aufzuheben.
10Die Beklagte hat - nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts - beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 8 L 403/12 - in der Sache Stellung genommen.
11Die Beigeladenen haben im erstinstanzlichen Verfahren - nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts - ebenfalls den Antrag gestellt, die Klage abzuweisen.
12Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 3. August 2012 abgewiesen.
13Der Kläger trägt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung vor: Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts weiche von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ab. Es liege ein Verstoß gegen das Abstandflächenrecht vor. Das Verwaltungsgericht habe das in Rede stehende Bauteil zu Unrecht als Dachgaube angesehen, obwohl es als Zwerchhaus einzustufen sei. Es verlängere die Außenwand des Gebäudes über die Traufe hinaus in den Dachbereich. Dass das Zwerchhaus nicht voll auf der Außenwand aufsitze, sondern um 36 cm zurückgebaut sei, ändere daran nichts. Optisch sei keinerlei Unterschied zum direkten Aufsetzen auf die Außenwand zu erkennen. Das Zwerchhaus stelle sich als selbständiges Bauteil dar. Es ordne sich nach Ausmaß und Gestaltung gegenüber dem Dach nicht unter. Es liege auch ein Verstoß gegen § 35 Abs. 6 BauO NRW vor. Der Mindestabstand betrage nach dem Gesetz 1,25 m, der genehmigte Abstand dagegen nur 73,5 cm. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Gaube in der Feuerwiderstandsklasse F 90 errichtet worden sei und dass deshalb das Abstandgebot nach der Kommentierung zur Bauordnung entfalle. Diese Literaturmeinung widerspreche dem klaren Gesetzeswortlaut. Abgesehen davon sei ein danach mögliches Verfahren nach § 73 BauO NRW nicht durchgeführt worden. Die Beklagte müsse auch nach § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO Anforderungen des Brandschutzes prüfen. Dass diese Anforderungen nicht eingehalten seien, folge schon daraus, dass die Fenster der Gaube geöffnet werden könnten. Der Dachaufbau weise auch eine erdrückende Wirkung auf. Seine eigene Dachgaube sei bauaufsichtlich genehmigt. Sie sei in bescheidener Größe errichtet und halte die Abstandflächen vorn und seitlich ein. Die auf seinem Grundstück vorhandene grenznahe Außentreppe sei ebenfalls bauaufsichtlich genehmigt und zudem mit Zustimmung der früheren Eigentümer des Nachbargrundstücks errichtet worden. Es gehe ihm um die zum Garten hin befindliche Dachgaube der Beigeladenen.
14Der Kläger beantragt,
15den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
16Die Beklagte stellt im Berufungsverfahren keinen Antrag. Sie nimmt Bezug auf ihren Vortrag im Verfahren 8 L 403/12. Ergänzend führt sie aus: Am 10. April 2014 habe eine Ortsbesichtigung im Haus der Beigeladenen stattgefunden. Nach den von den Beigeladenen vorgelegten Unterlagen sei die Gaube in F 90-Bauart ausgeführt. Im vereinfachten Genehmigungsverfahren seien brandschutztechnische Anforderungen nach § 17 BauO NRW nicht zu prüfen.
17Die Beigeladenen stellen im Berufungsverfahren ebenfalls keinen Sachantrag.
18Sie treten dem Vorbringen des Klägers entgegen und tragen im Wesentlichen vor: Die Gaube löse keine Abstandfläche aus. Sie sei um 36 cm zurückgesetzt, es handele sich eindeutig nicht um ein Zwerchhaus. In der näheren Umgebung befänden sich verschiedene vergleichbare Dachaufbauten. Der erforderliche Brandschutz sei durch eine Fachbauleitererklärung vom 7. August 2012 und weitere Unterlagen nachgewiesen. Die Beklagte habe die Beachtung des Brandschutzes am 12. März 2012 bestätigt.
19Der Berichterstatter des Senats hat die Örtlichkeit am 27. Mai 2014 in Augenschein genommen. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die hierzu gefertigte Niederschrift Bezug genommen.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte - auch zu dem in der Hauptsache erledigten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 8 L 403/12 - und der beigezogenen bauaufsichtlichen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten übereinstimmend auf eine solche verzichtet haben; §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO.
23Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
24Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die angefochtene Genehmigung vom 18. Februar 2011 gegen Bestimmungen verstößt, die auch seinem Schutz als Nachbar der Beigeladenen dienen. Dies gilt sowohl für das Bauordnungsrecht (dazu A.) als auch für das Bauplanungsrecht (dazu B.).
25A. Die Genehmigung leidet nicht an einem Verstoß gegen nachbarschützendes Bauordnungsrecht, auf den sich der Kläger berufen kann. Ein Verstoß gegen nachbarrechtsrelevantes Abstandrecht gemäß § 6 BauO NRW liegt zwar vor, weil das zur Rheinseite gelegene Vorhaben der Beigeladenen Abstandflächen auslöst, die auf das Grundstück des Klägers fallen; auf diesen Verstoß kann er sich aber nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht berufen (dazu I.); es liegt ferner nicht der gerügte Verstoß gegen § 35 Abs. 6 BauO NRW vor (dazu II.).
26I. Auf den Verstoß gegen Abstandrecht, der hier vorliegt (dazu 1.), kann sich der Kläger nach dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben nicht berufen, weil sich dies wegen auf seinem Grundstück vorhandener baulicher Anlagen, die den gebotenen Abstand gegenüber dem Grundstück der Beigeladenen nicht einhalten, als unzulässige Rechtsausübung darstellt (dazu 2.).
271. Der dem Rhein zugewandte Dachaufbau der Beigeladenen löst eine Abstandfläche im Sinne von § 6 BauO NRW aus, die seitlich auf das Grundstück des Klägers fällt: Es handelt sich zwar nicht - wie der Kläger meint - um ein Zwerchhaus (dazu a); der Dachaufbau ist allerdings - anders als die Beigeladenen meinen - nicht als abstandflächenrechtlich privilegierte Gaube zu werten, sondern als selbständiger Dachaufbau, der eine seitliche Abstandfläche wirft, die auf das Grundstück des Klägers fällt (dazu b).
28a) Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW sind vor Außenwänden von Gebäuden Flächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten (Abstandflächen). Unter „Außenwänden“ im Sinne des § 6 BauO NRW sind die über der Geländeoberfläche liegenden Wände zu verstehen, die von außen sichtbar sind und das Gebäude gegen die Außenluft abschließen.
29Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. November 2009 - 7 B 1350/09 -, BRS 74 Nr. 136.
30Danach sind die äußeren Begrenzungen des Dachaufbaus der Beigeladenen als Außenwände grundsätzlich in die Betrachtung einzubeziehen. Eine Beurteilung der äußeren Begrenzung als Außenwand - mit der Folge einer seitlichen Abstandfläche zum Grundstück des Klägers - ist aber dann nicht gerechtfertigt, wenn es sich nur um einen (unselbständigen) Bestandteil des Dachs handelt. Ist ein Dachaufbau bloßer Bestandteil des Dachs, auf dem er errichtet ist, machen seine äußeren Begrenzungen die Einhaltung eigener Abstandflächen nicht erforderlich. Erweist sich ein Dachaufbau dagegen als ein vom Dach losgelöster selbständiger Bauteil, sind seine äußeren Begrenzungen - einschließlich etwaiger Fensterfronten - regelmäßig als Außenwände oder als Teil von Außenwänden des Gebäudes anzusehen, die eigene Abstandflächen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW auslösen.
31Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Januar 2004 - 10 B 1811/03 -, BRS 67 Nr. 127 und vom 29. April 2010 - 7 B 201/10 -, juris.
32Dem Vorhaben ist allerdings nicht schon deshalb die Eigenschaft eines Dachbestandteils abzusprechen, weil es sich um ein „Zwerchhaus“ handelt, wie der Kläger meint. Ein Zwerchhaus (zwerch = althochdeutsch für quer) verlängert die Außenwand des Gebäudes über die Traufe hinaus in den Dachbereich; es steigt von der Geländeoberfläche aus bis in den Dachbereich auf und stellt sich dort als Dachaufbau dar; funktional dient es dazu, im Dachbereich zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Seitenwände eines Zwerchhauses lösen als Außenwände seitliche Abstandflächen aus,
33vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Januar 1999
34- 10 A 4072/97 -, juris,
35weil es sich bei einem Zwerchhaus nicht um einen unselbständigen Bestandteil des Dachs handelt. Der genehmigte rheinseitige Dachaufbau ist kein Zwerchhaus in diesem Sinne. Nach den Bauvorlagen stellt er sich nicht als Verlängerung der Außenwand dar, weil er mit 36 cm nach Lage der Dinge deutlich hinter der Außenwand zurückbleibt. Er durchbricht vielmehr die Dachhaut. Dies entspricht im Übrigen auch dem tatsächlichen Eindruck des entsprechend den Vorlagen umgesetzten Vorhabens, wie er sich aus den vorliegenden Fotos und den Feststellungen des Berichterstatters anlässlich der Ortsbesichtigung ergibt.
36b) Allerdings handelt es sich gleichwohl um einen Dachaufbau, der nicht mehr als Bestandteil des Dachs, sondern als selbständiges Bauteil zu werten ist und deshalb eine seitliche Abstandfläche auslöst.
37Ob die vorderen bzw. seitlichen äußeren Begrenzungen eines auf einer geneigten Dachfläche errichteten Dachaufbaus die Einhaltung eigener Abstandflächen erforderlich machen oder jedenfalls bei der Berechnung der vor den Außenwänden des Gebäudes einzuhaltenden Abstandflächen berücksichtigt werden müssen, hängt davon ab, wie sie im Einzelfall bei wertender Betrachtung rechtlich zu qualifizieren sind.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 10 B 1811/03 -, BRS 67 Nr. 127.
39Als mögliche Kriterien für die vorzunehmende Wertung kommen beispielsweise in Betracht: Die Unterordnung des Dachaufbaus nach Ausmaß und Gestaltung im Verhältnis zum Dach, die Funktion des Dachaufbaus und der Umfang der zusätzlichen Auswirkungen, die der Dachaufbau auf die durch die Abstandflächenvorschriften geschützten Belange haben kann.
40Daran gemessen handelt es sich hier nicht mehr um einen Bestandteil des Dachs, sondern um einen als selbständig zu wertenden Dachaufbau. Dies ergibt sich schon mit Blick auf die Ausmaße des Aufbaus, der nach den Bauvorlagen, bei einer Betrachtung von der Gartenseite aus etwa die Hälfte der Dachfläche in Anspruch nimmt. Dies bestätigen im Übrigen auch die - dem Senat in der Beratung vermittelten - tatsächlichen Eindrücke des Berichterstatters bei der Ortsbesichtigung, nach denen der Aufbau den Dachbereich der Gartenseite des Hauses der Beigeladenen optisch dominiert. Daraus folgt mit Blick auf die planungsrechtlich durch den vorliegenden Bebauungsplan vorgegebene geschlossene Bauweise, dass der Aufbau entweder die gebotene Abstandfläche hätte einhalten oder grenzständig hätte errichtet werden müssen.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juli 2008
42- 7 B 195/08 -, BRS 73 Nr. 119.
432. Auf diesen Verstoß gegen § 6 BauO NRW kann sich der Kläger aber nach dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (dazu a) nicht berufen, weil sich dies wegen der grenznahen Außentreppe, die vom Balkon des ersten Obergeschosses in den Garten führt, und seiner Dachterrasse, die den gesetzlich gebotenen Abstand nicht einhalten, als unzulässige Rechtsausübung darstellt (dazu b).
44a) Die Geltendmachung eines Abwehrrechts gegen einen nachbarlichen Verstoß gegen § 6 BauO NRW stellt sich als unzulässige Rechtsausübung und damit als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar, wenn der Grundstückseigentümer selbst in vergleichbarer Weise gegen Abstandrecht verstößt. Die Unzulässigkeit der Rechtsausübung ist dabei nicht bezogen auf ein zielgerichtetes Verhalten in der Vergangenheit zu beurteilen, sie knüpft vielmehr an die gegenwärtige Geltendmachung des Abwehrrechts an. Maßgeblich ist, ob der Eigentümer mit der Wahrung von Abstandflächen nach § 6 BauO NRW die Beachtung einer Vorschrift einfordert, deren Anforderungen er selbst nicht einhält. Das allgemeine Rechtsverständnis billigt es einem Grundstückseigentümer nicht zu, rechtliche Abwehrmaßnahmen gegen eine durch einen Nachbarn hervor gerufene Beeinträchtigung zu ergreifen und zugleich diesem Nachbarn quasi spiegelbildlich dieselbe Beeinträchtigung zuzumuten. Denn der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz beruht auf einem Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit, das maßgeblich durch die objektiven Grundstücksverhältnisse geprägt ist. Erst aus der Störung des nachbarlichen Gleichgewichts und nicht schon aus der Abweichung von öffentlich-rechtlichen Normen ergibt sich deshalb der Abwehranspruch des Nachbarn.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2010 - 7 B 1840/09 -, juris.
46b) Die Berufung auf den Verstoß der Beigeladenen gegen § 6 BauO NRW ist hier eine solche unzulässige Rechtsausübung, weil der Kläger selbst zulasten des Grundstücks der Beigeladenen mit der Außentreppe und dem eigenen rheinseitigen Dachaufbau in vergleichbarer Weise gegen Abstandrecht verstößt.
47Die Außentreppe des Klägers von dem Balkon des Obergeschosses in den Garten ist jedenfalls nach § 6 Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 BauO NRW als Anlage, die höher als 1 m über der Geländeoberfläche und dazu geeignet ist, von Menschen betreten zu werden, in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 1 bis 7 BauO NRW zu beurteilen.
48Vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt: OVG NRW, Urteil vom 17. Januar 2008 - 7 A 2761/06 -, juris.
49Sie bleibt auch nicht nach § 6 Abs. 7 BauO NRW bei der Bemessung der Abstandfläche außer Betracht. Die Treppe müsste mithin eine Abstandfläche von 3 m einhalten (vgl. § 6 Abs. 5 Satz 5 BauO NRW). Eine Freistellung vom Abstandserfordernis mit Blick auf vorrangiges Planungsrecht nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW ist nicht gegeben. In der festgesetzten geschlossenen Bauweise müsste grenzständig gebaut werden. Auch im Fall einer nach Maßgabe des Planungsrechts optional zulässigen grenzständigen Bebauung wäre die in Rede stehende weder grenzständige noch den gebotenen Abstand wahrende Bebauung nicht zulässig.
50Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Juli 2008
51- 7 B 195/08 -, BRS 73 Nr. 119.
52Der Dachaufbau des Klägers, der aus einer Gaube mit bodentiefer Fenstertür, Fenster und vorgelagerter, überdachter Dachterrasse besteht, ist als selbständiger Dachaufbau zu werten, der eine Abstandfläche auslöst und teilweise auf das Grundstück der Beigeladenen wirft. Nach den vorstehend zitierten Grundsätzen kommt es für die Beurteilung auf eine wertende Gesamtbetrachtung an, die auf Ausmaß und Gestaltung im Verhältnis zum Dach, die Funktion des Aufbaus und den Umfang der zusätzlichen Auswirkungen abstellt, die der Aufbau auf die durch die Abstandflächenvorschriften geschützten Belange haben kann.
53Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 10 B 1811/03 -, BRS 67 Nr. 127.
54Danach erscheint der Aufbau als funktionale Einheit, die nicht nur - wie eine Gaube - der Verbesserung der Belichtung der Innenräume des Dachgeschosses, sondern auch als Dachterrasse dient und durch die Überdachung die Nutzung auch für Zeiträume schlechterer Witterungsbedingungen ermöglicht.
55Vgl. zum ähnlichen Sachverhalt eines auf dem Dach einer Gaube angelegten Dachbalkons: OVG NRW, Beschluss vom 22. November 2001
56- 10 B 1378/01 -, BRS 64 Nr. 121.
57Der Aufbau verfügt überdies unter Berücksichtigung der Maße der Gaube und der Erstreckung der überdachten Dachterrasse in der Tiefe und zur Seite hin über im Verhältnis zum Dach nicht unerhebliche Ausmaße; angesichts der funktionalen Gestaltung als Dachterrasse ist er auch für die Belange, deren Schutz § 6 BauO NRW dient (u.a. Sozialabstand), nicht unerheblich. Aus den vorstehend im Zusammenhang mit der Außentreppe aufgezeigten Gründen ist der Dachaufbau auch nicht mit Blick auf vorrangiges Planungsrecht nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW von Abstandserfordernissen freigestellt.
58Der Verstoß des Klägers gegen § 6 BauO NRW wiegt bei wertender Gesamtbetrachtung jedenfalls nicht weniger schwer als der Verstoß der Beigeladenen gegen § 6 BauO NRW. Dies ergibt sich schon allein aus einer Einbeziehung des Dachaufbaus in die vergleichende Betrachtung. Zwar sind dessen Ausmaße absolut und in Relation zur Dachfläche geringer als diejenigen des Aufbaus der Beigeladenen, auch ist die vom Dachaufbau des Klägers auf das Nachbargrundstück geworfene Abstandfläche kleiner als diejenige, die vom Aufbau der Beigeladenen auf das Klägergrundstück geworfen wird. Aufgrund der zusätzlichen funktionalen Ausrichtung des Dachaufbaus des Klägers auch als Dachterrasse mit Wetterschutz stellt dieser allerdings gleichwohl bereits eine gleich schwer wiegende Beeinträchtigung dar. Hinzu kommt der Verstoß durch die Außentreppe.
59Der Verstoß des Klägers gegen § 6 BauO NRW ist nicht ausnahmsweise unbeachtlich. Der Umstand der Genehmigung des Dachaufbaus und der Treppe durch die Beklagte ist für die Frage, ob eine unzulässige Rechtsausübung vorliegt, unerheblich. Dies ergibt sich aus der bereits vorstehend zitierten Rechtsprechung des Senats. Die Erteilung einer Genehmigung vermag zwar gegenüber der Behörde Bestandsschutz zu vermitteln; sie ändert jedoch nichts an der faktischen Nichteinhaltung der gesetzlich geforderten Abstandflächen und hat keinen Einfluss auf die zwischen den Nachbarn bestehende Wechselbeziehung.
60Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2010 - 7 B 1840/10 - , juris, m. w. N.
61Soweit der Kläger darauf verweist, dass für seine Außentreppe auch eine Nachbarzustimmung vorliegt, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Es entspricht der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, dass eine vorliegende Angrenzerzustimmung nichts an einem materiellen Abstandverstoß ändert und der Bewertung eines Nachbarrechtsbehelfs als treuwidrig nicht entgegen steht.
62Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Mai 2010
63- 7 B 330/10 -.
64Diese Auffassung hat auch in der fachwissenschaftlichen Literatur Zustimmung gefunden.
65Vgl. Johlen, in: Gädtke u. a., BauO NRW, Kommentar, 12. Auflage, § 6, Rn. 43.
66II. Die Genehmigung verstößt auch nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise gegen § 35 Abs. 6 BauGB.
67Nach dieser Vorschrift sind auch Dachaufbauten so anzuordnen und herzustellen, dass ein Brand nicht auf andere Gebäude oder Gebäudeteile übertragen werden kann (Satz 1); von der Außenfläche von Gebäudeabschlusswänden und von der Mittellinie gemeinsamer Gebäudeabschlusswände (§ 31 Abs. 2 BauO NRW) oder Gebäudetrennwände müssen sie mindestens 1,25 m entfernt sein (Satz 2). Die vom Kläger als verletzt gerügte Vorgabe des § 35 Abs. 6 Satz 2 BauO NRW wird vom Vorhaben der Beigeladen zwar nicht eingehalten. Die Entfernung des rheinseitigen Dachaufbaus zur Mittellinie der gemeinsamen Gebäudetrennwände liegt mit dem den Bauvorlagen zu entnehmenden Maß von 73,5 cm deutlich unter dem genannten Maß von 1,25 m. Diese Vorgaben sind hier aber von der Beklagten mit Blick auf § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW im vereinfachten Genehmigungsverfahren als für die Genehmigung nicht erhebliche Anforderungen ausgeklammert geblieben.
68Ein Nachbarrechtsverstoß ist auch nicht darin zu sehen, dass die Beklagte entgegen einer gleichwohl bestehenden Prüfungspflicht die Prüfung dieser Brandschutzaspekte unterlassen und das Vorhaben zugelassen hat. Die Bauaufsichtsbehörde ist über die Prüfung nach § 68 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BauO NRW hinaus nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet, die Prüfung auf Brandschutzvorschriften zu erstrecken, wenn die Gefährdung hochwertiger Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit von Menschen droht.
69Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Januar 2009
70- 10 A 1075/08 -, BRS 74 Nr. 156.
71Bei einem solchen Sachverhalt darf die Baubehörde nicht eine Genehmigung für ein Vorhaben erteilen, dessen Verwirklichung wegen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben von Menschen unverzüglich durch bauaufsichtliches Einschreiten unterbunden werden müsste. Das setzt aber voraus, dass ein solcher Verstoß offensichtlich vorliegt.
72Vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juli 2013
73- 7 A 1040/13 -, juris.
74Von einem solchen offensichtlichen Verstoß, auf den sich auch ein Nachbar berufen kann, kann nur dann die Rede sein, wenn eine entsprechende Vorschrift verletzt ist und auch eine Abweichung gemäß § 73 BauO NRW offensichtlich ausgeschlossen ist. Das ist hier nicht der Fall. Eine Abweichung ist angesichts der aufgezeigten Ausgestaltung des Dachaufbaus in der Feuerwiderstandsklasse F 90 nicht von vornherein ausgeschlossen. Nach Maßgabe des § 73 BauO NRW kommt eine Abweichung in Betracht, wenn sie unter Berücksichtigung der Zwecke der Anforderungen des § 35 Abs. 6 Satz 2 BauO NRW und unter Würdigung der nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Letztlich handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls. Dass diese Voraussetzungen hier offensichtlich nicht erfüllt wären, vermag der Senat angesichts der in tatsächlicher Hinsicht nicht bestrittenen Ausführungen der Beigeladenen und der Feststellungen der Beklagten zur baulichen Beschaffenheit des Dachaufbaus nicht zu erkennen. Die vom Kläger angesprochene Möglichkeit, die - zum Rhein hin gelegenen und zur Seite abgeschirmten - Fenster des Dachaufbaus zu öffnen, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
75B. Es liegt auch kein Verstoß gegen nachbarschützendes Bauplanungsrecht vor. In Betracht kommt insoweit allein das Gebot der Rücksichtnahme.
76Vorhabenbedingte Beeinträchtigungen der Belichtung und Besonnung sind hier nicht als unzumutbar zu werten. In bebauten innerörtlichen Bereichen sind entsprechende Einwirkungen vielmehr regelmäßig - und so auch hier - hinzunehmen.
77Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2007
78- 7 A 3852/06 - , BRS 71 Nr. 127 und Urteil vom 9. Juni 2011 - 7 A 1494/09 -, m. w. N.
79Das Gleiche gilt nach den vorstehend zitierten Entscheidungen für Einsichtnahmemöglichkeiten in den rückwärtigen Gartenbereich des Klägers.
80In Anwendung der in der vorzitierten Rechtsprechung dargestellten Grundsätze zur Rücksichtslosigkeit von Vorhaben, die eine „erdrückende Wirkung“ gegenüber Nachbargrundstücken entfalten, kann schließlich nach dem Eindruck des Berichterstatters, den er bei der Ortsbesichtigung gewonnen und dem Senat in der Beratung vermittelt hat, auch nicht von einer solchen „erdrückenden Wirkung“ des Dachaufbaus der Beigeladenen gegenüber dem Grundstück des Klägers ausgegangen werden.
81Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO; es entspricht nicht der Billigkeit, dem Kläger auch die im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Diese haben - anwaltlich vertreten - im Berufungsverfahren keinen Sachantrag gestellt; sie haben sich damit selbst nicht dem Risiko ausgesetzt, Kosten des Klägers übernehmen zu müssen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO); angesichts dessen wäre es unbillig, den Kläger mit ihren außergerichtlichen Kosten zu belasten.
82Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
83Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO nicht ersichtlich sind.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
3Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.
4Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde weiterverfolgten Antrag,
5die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung einschließlich der erteilten Abweichung vom 11. Dezember 2013 anzuordnen,
6im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die Interessenabwägung falle zum Nachteil der Antragstellerin aus. Bei summarischer Prüfung sei es überwiegend wahrscheinlich, dass das Vorhaben des Beigeladenen nicht gegen nachbarschützende Vorschriften verstoße. Im Rahmen einer Gesamtbewertung des konkreten Einzelfalls sei insbesondere ein Verzicht auf die Errichtung einer Gebäudeabschlusswand zum Grundstück der Antragstellerin gerechtfertigt.
7Die dagegen von der Beschwerde erhobenen Einwände bleiben ohne Erfolg.
8Soweit in diesem Gesetz oder in aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften nichts anderes geregelt ist, kann die Genehmigungsbehörde gemäß § 73 Abs. 1Satz 1 BauO NRW Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind.
9Da durch die bauordnungsrechtlichen Vorschriften die schutzwürdigen und schutzbedürftigen Belange und Interessen regelmäßig schon in einen gerechten Ausgleich gebracht worden sind, ist die Abweichung kein Instrument zur Legalisierung gewöhnlicher Rechtsverletzungen. Die Voraussetzungen für eine Abweichung sind nur dann gegeben, wenn im konkreten Einzelfall eine besondere Situation vorliegt, die sich vom gesetzlichen Regelfall derart unterscheidet, dass die Nichtberücksichtigung oder Unterschreitung des normativ festgelegten Standards gerechtfertigt ist. Es muss ein Sachverhalt gegeben sein, der von dem der gesetzlichen Regelung der Abstandflächen zugrunde liegenden Normalfall in so deutlichem Maß abweicht, dass die strikte Anwendung des Gesetzes zu Ergebnissen führt, die der Zielrichtung der Norm nicht entsprechen. Steht eine Abweichung von zwingendem Recht - etwa, wie hier, von§ 31 Abs. 1, Abs. 4 BauO NRW - in Rede, setzt die Zulassung einer Abweichung in diesem Sinne eine (auf die jeweilige Vorschrift, von der abgewichen werden soll, abgestimmte) atypische (Grundstücks-)Situation voraus.
10Vgl. zu § 31 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW: OVG NRW, Beschluss vom 5. November 2007 - 7 E 737/07 -, juris Rn. 7 und 9; allgemein: OVG NRW, Urteile vom 29. August 2012 - 2 A 723/11 -, juris Rn. 82 (zu § 6 BauO NRW), und vom 3. Mai 2007 - 7 A 2364/06 -, BRS 71 Nr. 139 = juris Rn. 44; Hartmann, in: Schönenbroicher/Kamp, BauO NRW, 1. Aufl. 2012,§ 73 Rn. 3 f.; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, BauO NRW, Band II, Stand Mai 2007, § 73 Rn. 7 ff.; Johlen, in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Aufl. 2011, § 73 Rn. 19b und 19c.
11Bei einer Abweichung von Vorgaben des zwingenden Rechts (wie z. B. § 31 Abs. 1, Abs. 4 BauO NRW) sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 73 Abs. 1Satz 1 BauO NRW demnach restriktiv zu handhaben. Zu prüfen ist, welche nachbarlichen bzw. öffentlichen Belange mit der Norm verfolgt werden. Erst dann kann die Frage beantwortet werden, ob die Abweichung gleichwohl ausnahmsweise mit den nachbarlichen sowie den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Außerdem müssen übergreifend die mit dem einschlägigen Recht verfolgten Belange überprüft werden, die sich nicht nur aus dem Bauordnungsrecht ergeben können.
12Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Januar 2009 - 10 A 1075/08 -, BRS 74 Nr. 156 = juris Rn. 50, 54 und 56; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, BauO NRW, Band II, Stand Mai 2007, § 73 Rn. 11.
13Legt man diese Maßstäbe an, zieht die Beschwerde das Ergebnis der Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts bei summarischer Betrachtung nicht ernstlich in Zweifel.
14Das Verwaltungsgericht hat - in der Sache mit dem genannten rechtlichen Ansatz übereinstimmend - argumentiert, die vorliegende Situation sei atypisch, weil sie von der Zielrichtung der Brandschutzvorschrift des § 31 Abs. 1, Abs. 4 BauO NRW nicht mehr erfasst sei. Die Aufgabe von Gebäudeabschlusswänden, das Übergreifen eines Brands auf das Nachbargrundstück zu begrenzen, komme aufgrund der Einzelfallumstände nicht zum Tragen. Dies ergebe sich daraus, dass die streitgegenständliche Überdachungskonstruktion zum einen aus nicht brennbaren Baustoffen bestehe, die nicht selbständig zu einer Brandweiterleitung beitrügen. Zum anderen werde die Überdachung nach sachverständiger Einschätzung des Brandschutzingenieurs C. vom S. -T. ‑Kreis im Brandfall innerhalb kurzer Zeit versagen und eine thermisch geleitete Feuer und Rauchabführung nach oben hin sicherstellen. Schließlich regle die Baugenehmigung, dass unterhalb der Überdachung keine Brandlasten erlaubt seien.
15Dem setzt die Beschwerde nichts Erhebliches entgegen.
16Dass § 31 Abs. 1, Abs. 4 BauO NRW dem Brand- und auch dem Nachbarschutz dient, hat das Verwaltungsgericht nicht in Abrede gestellt. Vielmehr hat es die angefochtene Baugenehmigung/Abweichungsentscheidung (vornehmlich auch) an den nachbarlichen Interessen der Antragstellerin gemessen. Es ist - wie dargestellt - unter Berücksichtigung der nach Lage der Dinge zu beachtenden Gesamtumstände der Frage nachgegangen, ob im zugrunde liegenden Sachkontext des von § 31 Abs. 1, Abs. 4 BauO NRW grundsätzlich geforderten Brandschutzes durch eine Gebäudeabschlusswand ausnahmsweise eine atypische (Grundstücks-)Situation gegeben ist. Wie gesagt, ist für die Möglichkeit einer Abweichung von § 31 Abs. 1 und Abs. 4 BauO NRW nicht allein ausschlaggebend, wie das Grundstück selbst beschaffen und zugeschnitten ist. Maßgebend ist stattdessen, ob sich die Abweichung vor dem strengen normativen Hintergrund des Brandschutzes rechtfertigen lässt.
17Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass das Verwaltungsgericht und die Antragsgegnerin die Bedeutung des Brandschutzes bei der Prüfung der Abweichungszulassung verkannt oder fehlgewichtet hätten. Mit den Ausführungen des Brandsachverständigen C. vom 14. April 2014 setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass dessen vom Verwaltungsgericht ausgewertete, begründete Einschätzung, eine Gefährdung der Nachbarbebauung im Brandfall sei in der gegebenen Nachbarsituation nicht zu befürchten, fehlerhaft sein könnte. Da der Brandsachverständige bei seiner Stellungnahme die konkreten örtlichen Gegebenheiten vor Augen und gewürdigt hatte, lässt sich gegen seine Expertise nicht pauschal einwenden, es sei eine einheitliche Betrachtung mit dem Wohnhaus geboten; im Brandfall sei die Gefährdung der Nachbarn in Reihenhäusern erheblich erhöht. Dies sind allgemein gehaltene Gesichtspunkte, welche den Blick auf die konkrete Gefahreneinschätzung des Sachverständigen nicht verändern, der sowohl die Grundstücksverhältnisse als auch die Dachkonstruktion brandsachverständig bewertet hat. Aus demselben Grund unerheblich ist der Vortrag der Beschwerde, die Häuserreihe sei nur direkt über einen Fußweg erreichbar.
18Die Erwägungen des oben zitierten Beschlusses des 7. Senats des beschließenden Gerichts vom 5. November 2007 - 7 E 737/07 -, juris Rn. 13, hinsichtlich des Gefahrenpotentials von Terrassenüberdachungen ohne Errichtung einer Gebäudeabschlusswand bei einer Reihenhausbebauung lassen sich insofern nicht unmittelbar und ohne Weiteres auf den zu entscheidenden Fall mit seinen Besonderheiten übertragen. Die Gefahrenabschätzung hat für jede konkrete Genehmigungs‑ bzw. Abweichungssituation neu zu erfolgen, wie dies auch hier geschehen ist. Dies belegt der von dem Verwaltungsgericht hervorgehobene Umstand, dass nach dem Inhalt der Genehmigung unter der Überdachung keine Brandlasten zu sein haben. Dies ist einer der Aspekte, der eine Abweichung von der abstrakten Vorgabe des § 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 BauO NRW im Einzelfall ausnahmsweise begründen kann.
19Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
20Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
21Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 10.000,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die von der Klägerin vorgebrachten, für die Prüfung maßgeblichen Einwände (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
4Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
5Derartige Zweifel weckt das Antragsvorbringen nicht.
6Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,
7die der Beigeladenen von der Beklagten erteilte Baugenehmigung vom 5. Juli 2012 aufzuheben,
8im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Baugenehmigung verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe keinen Gebietsgewährleistungsanspruch. Das genehmigte Vorhaben sei ihr gegenüber nicht rücksichtslos. Die Klägerin könne nicht geltend machen, dass das Vorhaben ihrem Grundstück gegenüber die nach § 6 BauO NRW erforderliche Abstandfläche nicht einhalte.
9Die dagegen von der Klägerin erhobenen Einwände haben keinen Erfolg.
10Der Zulassungsantrag zeigt nicht auf, dass der Klägerin ein Gebietsgewährleistungsanspruch zusteht.
11Die für die Beurteilung des Gebietscharakters maßgebliche nähere Umgebung eines Grundstücks wird dadurch ermittelt, dass in zwei Richtungen, nämlich in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung und in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Bei der Ermittlung der näheren Umgebung ist die Betrachtung auf das Wesentliche zurückzuführen und sind Fremdkörper und Ausnahmen außer Acht zu lassen, solange beispielsweise die erkennbaren „Grundzüge der Planung“ durch sie nicht berührt werden. Bei der für die Prüfung erforderlichen Bestandsaufnahme ist grundsätzlich alles tatsächlich Vorhandene in den Blick zu nehmen. Die Grenzen der näheren Umgebung sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen. Es darf aber nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt, sondern es muss auch die Bebauung der weiteren Umgebung des Grundstücks insoweit berücksichtigt werden, als auch sie noch „prägend“ auf dasselbe einwirkt. Wie weit die wechselseitige Prägung - und damit die „nähere Umgebung“ - reicht, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls.
12Vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 11. Februar 2000 - 4 B 1.00 -, BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 34 und 44, und vom 20. August 1998 - 4 B 79.98 -, BRS 60 Nr. 176 = juris Rn. 7 f.; OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 2013 - 2 A 3010/11 -, BauR 2013, 1817 = juris Rn. 77.
13An diesem Maßstab gemessen ist offensichtlich, dass das Verwaltungsgericht hinsichtlich der gebietsprägenden maßgebenden näheren Umgebung nicht allein auf die Bebauung an der W.-straße abstellen musste. Dem Verwaltungsgericht, das die Örtlichkeit im Rahmen eines Ortstermins am 4. Juni 2013 in Augenschein genommen hat, ist anhand der verfügbaren Karten und Luftbilder darin zuzustimmen, dass mindestens auch noch die Bebauung an den nächsten kreuzenden Querstraßen in den Blick zu nehmen ist. Andernfalls würde der Gebietsrahmen in dem hier in Rede stehenden dicht bebauten innerstädtischen Bereich ohne ersichtlichen Grund zu eng gezogen. Städtebauliche Zäsuren, die eine andere Betrachtungsweise gebieten würden, legt der Zulassungsantrag nicht dar. Auch Baulichkeiten mit einer anderen Nutzungsstruktur oder Größe können das streitige Nachbarverhältnis nach der jeweiligen städtebaulichen Situation prägen. Gerade wegen deren Verkehrsfunktion strahlen die Nutzungen entlang der C.-Straße in die umliegenden Quartiere - die Bebauung an der von ihr abzweigenden W.-straße eingeschlossen - ab. Soweit sich in der W.-straße etliche freiberufliche Nutzungen entwickelt haben, sind diese im Zusammenhang mit den großen Verwaltungsgebäuden - u. a. des ehemaligen Kreishauses in der C.-Straße 92 - zu sehen, welche die Umgebung westlich und östlich von ihr entscheidend prägen. Von einem allgemeinen Wohngebiet kann daher keine Rede sein. Warum von dieser - richtigen - Prämisse aus eine Erweiterung des ehemaligen Kreishauses unter Gebietsgewährleistungsgesichtspunkten nicht möglich sein soll, erklärt der Zulassungsantrag nicht.
14Der Zulassungsantrag macht im Weiteren nicht deutlich, dass die Klägerin sich erfolgreich auf einen Verstoß gegen § 6 BauO NRW zu ihren Lasten berufen kann.
15Wie das Verwaltungsgericht - und zuvor auch der beschließende Senat in seinem Beschluss vom 30. August 2012 - 2 B 983/12 -, juris Rn. 14 ff. - ausgeführt haben, hindert ein eigener Abstandflächenverstoß den dadurch begünstigten Eigentümer zwar nicht schlechthin daran, die Baurechtswidrigkeit eines nachbarlichen Vorhabens unter dem Aspekt des Abstandflächenrechts anzugreifen. Aus dem auch im öffentlichen Baurecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben ist jedoch abzuleiten, dass in einer derartigen Situation nur solche Rechtsverstöße abgewehrt werden können, die den Eigentümer stärker beeinträchtigen als sein eigener Rechtsverstoß das Nachbargrundstück beeinträchtigt. Für die Vergleichbarkeit der Verstöße ist neben dem Grenzverlauf auch die Qualität der beeinträchtigten Belange unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalls von Bedeutung.
16Vgl. nochmals auch OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2012 - 2 B 197/12 -, S. 13 des amtlichen Umdrucks, m. w. N.
17Für die Bewertung des Gewichts des Abstandflächenverstoßes ist demnach in erster Linie die Beeinträchtigung der durch die Abstandflächenvorschriften geschützten nachbarlichen Belange des Brandschutzes, der Belichtung, der Belüftung und der Besonnung des Nachbargrundstücks sowie der Wahrung eines ausreichenden Sozialabstands in den Blick zu nehmen. Das Gewicht eines Abstandflächenverstoßes bestimmt sich außerdem primär nach dem Ausmaß, in dem die jeweils erforderliche Abstandfläche zu Lasten des Nachbarn nicht eingehalten wird. Andere „qualitative“ Parameter wie First- und Traufhöhen, Länge, Breite, Grundfläche, Geschossfläche und Erscheinungsbild des geplanten Gebäudes sowie eine etwaige intensivere bauliche Ausnutzung des Nachbargrundstücks spielen hingegen entweder bei der Bemessung der Abstandfläche keine Rolle oder gehen in dieser Bemessung auf.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2010 - 7 B 1840/09 -, juris Rn. 14.
19Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht argumentiert, auf die abstandflächenrechtlich beachtlichen Nachbarbelange wirke sich das Vorhaben der Beigeladenen nicht intensiver aus als das vorhandene Gebäude der Klägerin. Im grenznahen Bereich verfügten die Gebäude über fast die gleiche Bautiefe und Wandhöhe sowie einen ähnlichen Grenzabstand. Beide Gebäude wiesen in der Grenzwand keine Fensteröffnungen auf, so dass eine Verschlechterung der Besonnung, Belichtung oder Belüftung nicht zu befürchten sei. Auf die von der Klägerin angeführte Massigkeit des Vorhabens und seine straßenbildprägende Wirkung komme es nicht an.
20Dem setzt der Zulassungsantrag nichts Erhebliches entgegen. Daraus, dass sich die Klägerin bei der Errichtung ihres Neubaus in jeder Hinsicht - auch im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung - an die vorhandene Bebauung in der W.-straße habe halten müssen, ergibt sich nicht, dass die Abstandflächenverstöße nicht vergleichbar sind. Auch mit dem Hinweis auf die nach Auffassung der Klägerin gegebene Wechselwirkung bzw. das entstandene Austauschverhältnis der Gebäude an der W.‑straße geht der Zulassungsantrag auf die spezifisch an abstandflächenrechtlichen Kriterien ausgerichtete Gedankenführung des Verwaltungsgerichts nicht ein.
21Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
22Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
23Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
24Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.