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| Die Anfechtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 VwGO, § 6 a Satz 1 AGVwGO) zulässig und begründet. Die angegriffene Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
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| Die Kammer hat in den Urteilen vom 16.04.2008 (u.a. 1 K 2683/07, juris = www.vgfreiburg.de > Entscheidungen = www.glücksspielstaatsvertrag.de >Urteile) entschieden, dass das staatliche Sportwettenmonopol in Baden-Württemberg derzeit eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) darstellt und europarechtswidrig ist. An dieser Auffassung hält die Kammer auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2008 fest. Zu den dagegen erhobenen Einwendungen des beklagten Landes ist im Einzelnen zu sagen: |
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| Die Kammer geht in den o. g. Urteilen davon aus, die Europarechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glückspielstaatsvertrages, die das staatliche Sportwettenmonopol begründen (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), erfasse auch die Eingriffsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV sowie die Bestimmungen über die Erlaubnispflicht und das Verbot des Veranstaltens und des Vermittelns unerlaubten Glücksspiels in § 4 Abs. 1 GlüStV. |
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| Das beklagte Land wendet dagegen ein, die vom Verwaltungsgericht angenommene Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols lasse die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 1 GlüStV über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele unberührt. Da eine solche Erlaubnis nicht vorliege, sei die angefochtene Untersagungsverfügung auch bei unterstellter Europarechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols rechtmäßig. |
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| Dem folgt die Kammer nicht. |
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| Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 06.03.2007 (C - 338/04 -Placanica-) ausgeführt, ein polizeiliches Genehmigungsverfahren, mit dem die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer vorherigen Kontrolle unterzogen würden, sei zwar eine ohne weiteres verhältnismäßige Maßnahme. Setze die Erteilung einer solchen polizeilichen Genehmigung aber den Besitz einer Konzession voraus, von deren Erhalt die betroffenen Personen unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen worden seien, hafteten auch dem polizeilichen Genehmigungsverfahren die europarechtlichen Mängel an, die die Konzessionsvergabe berührten (vgl. RdNr. 65 bis 67 des Urteils). |
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| Das gilt gleichermaßen für die Bestimmung über die Erlaubnispflicht für öffentliche Glücksspiele in § 4 Abs. 1 GlüStV. Die danach erforderliche Erlaubnis kann privaten Sportwettenvermittlern oder Sportwettenveranstaltern nicht erteilt werden, weil aufgrund des staatlichen Monopols diese Tätigkeiten nur juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften erlaubt werden (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV), an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind. Ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Erlaubnisverfahren existiert für private Sportwettenveranstalter nicht. Das Fehlen einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV, die sich Private wegen des europarechtswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols nicht hätten beschaffen können, scheidet deshalb als zulässiger Grund einer Untersagung aus. |
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| Entgegen der Auffassung des beklagten Landes folgt aus dem Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 30.05.2007 (RS. 3/06 - Ladbrokes -) nichts anderes. Die Ausführungen des Gerichtshofs unter RdNr. 88, auf die das beklagte Land in diesem Zusammenhang hinweist, betreffen die Antwort auf die fünfte Vorlagefrage (vgl. RdNr. 82 ff.). Mit der fünften Vorlagefrage wollte das vorlegende norwegische Gericht wissen, ob durch Art. 36 EWR eine nationale gesetzliche Regelung präkludiert wird, die das Anbieten und Vermarkten von Glücksspielen untersagt, für die in Norwegen keine Konzession erteilt wurde, die aber nach dem nationalen Recht eines anderen EWR-Staates gestattet sind. Hierzu führt der EFTA-Gerichtshof unter RdNr. 84 aus, sofern und soweit das nationale Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, dass die in den drei Gesetzen enthaltenen Verbote für gewerbsmäßige Anbieter irgendeiner Form von Glücksspielen eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 36 EWR) seien, könnten die nationalen Behörden den ausländischen Anbietern immer noch die Pflicht zur Beantragung einer nationalen Konzession mit denselben auch für einheimische Anbieter geltenden Voraussetzungen und Anforderungen auferlegen. |
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| Das hat auch die Kammer in ihren o. g. Urteilen nicht in Frage gestellt. Zur Beantwortung der Frage, ob die Europarechtswidrigkeit des staatlichen Sportwettenmonopols auch die Erlaubnispflicht des § 4 Abs. 1 GlüStV erfasst, geben diese Ausführungen jedoch nichts her. Denn ein Erlaubnis- oder Konzessionsverfahren für private Veranstalter sieht der Glücksspielstaatsvertrag - wie oben ausgeführt wurde - gerade nicht vor. Vielmehr kann ein privater Anbieter selbst bei Erfüllung sämtlicher materieller Voraussetzungen des Glücksspielstaatsvertrages die erforderliche Erlaubnis nicht erhalten. |
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| Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 22.11.2007 (1 BvR 2218/06) entschieden, dass eine ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung, die - wie im vorliegenden Fall - nicht mit anderen Gefahren für ordnungsrechtliche Schutzgüter, sondern allein mit einem objektiven Verstoß gegen das staatliche Sportwettenmonopol begründet ist, sich wegen der verfassungswidrigen Rechtslage jedenfalls in der Zeit bis zum 28.03.2006 nicht als rechtmäßig erweisen kann. Zwar betrifft diese Entscheidung die Unvereinbarkeit des Monopols mit Art. 12 Abs. 1 GG. Hinsichtlich der Unvereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht kann aber nichts anderes gelten. |
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| Die Kammer ist weiterhin der Auffassung, dass das Sportwettenmonopol des Landes in seiner derzeitigen Ausgestaltung nach wie vor eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EG) darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort unter II. 2 a) - d)). Folgendes ist nochmals zu betonen: |
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| Europarechtlich steht es im Ermessen jedes Mitgliedsstaats, welches Schutzniveau er im Bereich von Glücksspielen gewährleisten will (EuGH, Urt. Schindler, Rdnr. 60, 61; Urt. Zenatti, Rdnr. 33, 34). Er kann sich etwa für ein Präventionsmodell entscheiden, das auf eine wesentliche Verminderung der Gelegenheit zum Spiel ausgerichtet ist, oder auch für ein Kanalisierungsmodell, das darauf abzielt, durch ein auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes Angebot einer begrenzten Zahl konzessionierter Privater die Glücksspieltätigkeiten aus dem Bereich des Illegalen und Kriminellen in geordnete und staatlich überwachte Bahnen zu lenken (EuGH, Urt. Placanica, Rdnr. 54, 55). |
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| Dies bedeutet aber nicht, dass der deutsche Gesetzgeber nach nationalem Recht die Gestaltungsfreiheit hätte, sich für ein Kanalisierungsmodell in Form eines staatlichen Monopols zu entscheiden. Ein solches auf Einnahmeerzielung und Expansion angelegtes, europarechtlich zulässiges Monopol wäre verfassungswidrig (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 , Rdnr. 107, 141). Denn ein staatliches Monopol für Sportwetten ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet ist (BVerfG, a.a.O., Rdnrn. 98, 119, 120). Daher kann die Aufgabe der Länder nach § 10 GlüstV, ein ausreichendes Glücksspielangebot mit dem Ziel der Kanalisierung des Spieltriebs der Bevölkerung (§ 1 Nr. 2, 2. Alt. GlüStV) sicherzustellen, nicht etwa als ein Auftrag verstanden werden, der gleichrangig neben dem Auftrag zur Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV) steht. Vielmehr hat von Verfassungs wegen die Suchtbekämpfung im Vordergrund zu stehen; nur diese rechtfertigt ein Monopol. Die Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots und die Kanalisierung des Spieltriebs sind verfassungsrechtlich nur zulässig, soweit sie als Mittel zum Zweck der Suchtbekämpfung dienen. Dementsprechend ist der Glücksspielstaatsvertrag verfassungskonform auszulegen. |
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| Europarechtlich ist zu untersuchen, ob der Glücksspielstaatsvertrag als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit geeignet ist, die Verwirklichung des - verfassungsrechtlich gebotenen - Ziels der Suchtbekämpfung zu gewährleisten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 32; Urt. Gambelli, Rdnr. 65). Dies bedeutet, dass er kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen muss (EuGH, Urt. Gambelli, Rdnr. 67; Urt. Placanica, Rdnr. 53; siehe auch EFTA-Gerichtshof, Urt. v. 14.03.2007, E-1/06 – Gaming Machines, Rdnr. 53). |
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| Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Sportwetten-Urteil vom 28.3.2006 ein Staatsmonopol nur dann für zulässig erachtet, wenn es konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Spielsucht ausgerichtet und mit materiellrechtlichen Regelungen und strukturellen Sicherungen versehen ist (a.a.O., Rdnr. 120). Insoweit laufen die europarechtlichen und die verfassungsrechtlichen Vorgaben also parallel (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 144). Daher können die Anforderungen, die sich aus dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben, auch zur Beantwortung der Frage der europarechtlichen Kohärenz und Konsistenz herangezogen werden. |
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| Allerdings ist europarechtlich, anders als verfassungsrechtlich, nicht nur die rechtliche Ausgestaltung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit maßgeblich, sondern es kommt auch auf ihre tatsächlichen Anwendungsmodalitäten (EuGH, Urt. Zenatti, Rdnr. 37, Urt. Gambelli, Rdnr. 75, 76) und ihre Handhabung in der Praxis an (EuGH, Urt. Rosengren, Rdnr. 46). Jedoch sind die vom Europäischen Gerichtshof geforderte „Kohärenz“ und „Systematik“ hinsichtlich der Begrenzung der Wetttätigkeiten ohne normative Vorgaben zur Ausgestaltung eines staatlichen Monopolbetriebs kaum denkbar, so dass zunächst das rechtliche Regelungssystem in den Blick zu nehmen ist. Seine tatsächliche Umsetzung darf aber nicht aus den Augen verloren werden. |
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| Die Kammer hält auch bei Berücksichtigung der aktuellen Situation an der Auffassung fest, dass es an einer rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Monopols fehlt, die als konsequenter und aktiver bzw. systematischer und kohärenter Beitrag zur Vermeidung und Abwehr von Spiel- und Wettsucht angesehen werden kann (vgl. Urteile vom 16.4.2008, dort unter II.2.e.). Bereits in der Gestaltung des terrestrischen Vertriebssystems liegt ein wesentlicher Strukturmangel (dazu unter 1.), der auch durch Folge- und Begleitmaßnahmen nicht kompensiert wird (dazu unter 2.). Schließlich fehlt es daneben an einem effektiven Kontrollsystem (dazu unter 3.). |
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| 1. Schon mit der Wahl und Einrichtung der Vertriebswege hat das Land Baden-Württemberg einen Weg beschritten, der angesichts der Anzahl der Wettannahmestellen (dazu a.), ferner der unterlassenen begleitenden Bekämpfung des illegalen Wettmarktes (dazu b.) sowie schließlich mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung des Annahmestellenwesens (dazu c.) und seine betont wirtschaftliche Basis (dazu d.) nicht wirklich der Zielerreichung dienen kann. |
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| a) Bereits die äußerst geringe Reduktion der Zahl der Annahmestellen spricht gegen einen Systemwechsel bzw. -wandel, wie er erforderlich gewesen wäre, um einen konsequenten Übergang von einem aus rein unternehmerischem - d.h. wirtschaftlichem - Kalkül hervorgegangenen Annahmestellennetz im Jahr 2006 zu einem zulässigerweise nur an Begrenzung und Kanalisierung der Wettleidenschaft orientiertem Vertriebssystem zu belegen. Die Zahl der noch Anfang 2006 vorhandenen 3.764 baden-württembergischen Annahmestellen ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf 3.612 gesunken. Das bedeutet eine Verminderung um absolut nur 152 und relativ nur etwa 4% der Stellen. Kamen früher 2.852 Einwohner auf eine Annahmestelle, so sind es heute immer noch 2.972, d.h. jede der noch vorhandenen Annahmestellen versorgt geringfügig mehr Einwohner, nämlich 120. |
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| An dem vom Bundesverfassungsgericht im Sportwettenurteil vom 28.3.2006 (dort Rdnr. 138) bzw. in der Baden-Württemberg betreffenden Entscheidung vom 4.7.2006 (1 BvR 138/05 - juris) erhobenen und beanstandeten Befund, wonach Sportwetten über ein breit gefächertes Netz von Lotto-Annahmestellen vertrieben werden, welches mit der Maxime „weites Land - kurze Wege“ einhergeht, hat sich damit in quantitativer Hinsicht so gut wie nichts geändert. |
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| Gründe, die diesen in quantitativer Hinsicht auffälligen und problematischen Ausgangsbefund in positiver Hinsicht relativieren könnten, sind nicht vorhanden. Bereits normativ geht weder aus dem GlüStV (§ 10 Abs. 3) noch aus dem AGGlüStV (§§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, 7 Abs. 1) hervor, wie die beabsichtigte Begrenzung der Zahl der Annahmestellen zwecks Gewährleistung eines ausreichenden Spielangebots in absoluten Zahlen bzw. zumindest in methodischer Hinsicht durchzuführen ist. Die Umsetzung ist folglich der Aufsichtsbehörde und der staatlichen Toto-Lotto GmbH (im Folgenden: STLG) überlassen, ohne dass es normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften oder andere orientierende Hilfen gäbe. Wie die Vertreter der STLG letztlich selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, ist Ausgangspunkt für die künftigen Bedarfszahlen die „historisch gewachsene“ Zahl der Annahmestellen des Jahres 2006 gewesen. In ihrem Vertriebskonzept vom Juni 2008 (dort Seite 4, Mitte) führt die STLG zwar aus, aufgrund des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts sei in der Zeit nach 2006 der Wegfall von Annahmestellen nicht mehr durch die Aufnahme neuer Annahmestellen in das Vertriebsnetz ausgeglichen worden. Der bloße Verzicht auf eine Ausweitung und die schlichte Hinnahme des Wegfalls von Stellen lediglich im Rahmen der üblichen Fluktuation stellen jedoch alles andere als eine aktive und systematische Begrenzungspolitik dar. Berücksichtigt man ferner die Angaben des Beklagten-Vertreters in der mündlichen Verhandlung vom 16.4.2008, wonach in etwa 40 bis 50 Fällen für geschlossene Annahmestellen jeweils sogar noch Ersatz zugelassen wurde (entweder in Gestalt des Weiterbetriebs durch einen neuen Inhaber oder aber durch Eröffnung einer neuen Annahmestelle in der Nachbarschaft), ist diese ohnehin schon äußerst geringfügige und eher als passiv zu bezeichnende Reduktion sogar noch in sich zurückhaltend gewesen. |
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| Schlüssig und überzeugend geht eine systematische Politik auch nicht aus dem Vertriebskonzept der STLG vom Juni 2008 hervor. Vielmehr ist dort (Seiten 4 ff.) feststellbar, dass die vom Monopolisten im Mai 2008 vorgefundene Zahl von 3.630 Annahmestellen schlicht mit einem Bedarfsberechnungsmodell „überzogen“ und „gebilligt“ wurden, welches nicht darlegt, wie es anhand von „Einwohnerbewegungen“, „Verteilung der Kaufkraft“ sowie „Einkaufsströmen“ zu den konkreten Richtwerten für ländliche, städtische und großstädtische Gebiete gelangt. Ohnehin lässt die Verwendung dieser eher an Marketingstrategien erinnernden Parameter nicht erkennen, welchen tauglichen Beitrag sie zum ausschließlich zulässigen Ziel einer Vermeidung und Begrenzung von Glücksspielsucht leisten können. Die Kammer verkennt nicht die sowohl im Vertriebskonzept als auch in der mündlichen Verhandlung von den Vertretern der STLG geäußerten Schwierigkeiten, konkrete Zahlen zu greifen. Dieses Dilemma ist jedoch letztlich auf das Fehlen konkreter Vorgaben im Gesetz bzw. durch die Aufsichtsbehörde zurückzuführen. Gerade eine nicht - oder jedenfalls nicht ausschließlich - vom Monopolisten selbst ermittelte Zahl der erforderlichen Annahmestellen wäre weitaus weniger anfällig für etwaige (und wenn auch noch so unbewusste) systemwidrige und unzulässige Rücksichten auf vorhandene Vertriebsstrukturen gewesen. |
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| b) Daran ändert nichts, dass das RP Karlsruhe das Vertriebskonzept im Kontext der Erteilung der Glücksspielerlaubnis prüft bzw. bereits - offensichtlich mit dem Ergebnis der Billigung - geprüft hat. Denn gerade auch von der Aufsichtsbehörde kamen insoweit in der mündlichen Verhandlung keine substantiierten Argumente, welche die dargelegten Bedenken hätten zerstreuen können. Zwar prognostiziert das Vertriebskonzept in der Endstufe die Absicht, mit ca. 3.300 Annahmestellen auszukommen. Notwendige Bedingung hierfür soll aber der Rückgang der nach dem GlüStV illegalen Konkurrenzangebote terrestrisch und im Internet tätiger privater Wettanbieter und -vermittler sein. Das RP Karlsruhe hat insoweit ausgeführt, gegen die (ca. 30 % bis 50 % des Sportwettenumsatzes erzielenden) Internetanbieter solle zunächst mit Grundverfügungen vorgegangen werden (zu einem solchen Fall vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 5.11.2007 - 6 S 2223/07 -, ZfWG 2007, 432), um dann auf einer nächsten Stufe unter Zusammenarbeit mit den Banken oder notfalls auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 4 GlüStV die Finanzströme betreffend untersagte Sportwetten zu unterbrechen. Damit aber wird deutlich, dass sich ein überaus wichtiger Teilbereich der Glücksspielpolitik (noch) in einem äußerst „frühen Stadium“ befindet. Ein möglicher Schritt zur Austrocknung des illegalen Glücksspielmarkts wurde folglich bislang unterlassen. Obwohl die strukturellen Gefahren eines staatlichen Glücksspielmonopols spätestens seit Frühjahr 2006 bekannt waren, wurde dem Monopolisten nicht nur die Erstellung eines Vertriebskonzepts überlassen, sondern auch (noch) keine wirklichen Schritte unternommen , eine Begrenzung der Vertriebswege zugleich mit der Bekämpfung der wirtschaftlichen Basis des illegalen Sportwettenmarkts konsequent zu begleiten. |
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| c) Ferner weist diese fortdauernd auf Breite angelegte Vertriebsstruktur auch qualitativ erhebliche Mängel auf, weil sie (noch) nicht systematisch und konsequent vom Charakter einer „grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 125) und eines „allerorts verfügbaren normalen Gutes des täglichen Lebens“ (vgl. Sportwettenurteil Rdnr. 138) Abstand nimmt. Mit dem Vertrieb der Sportwetten in Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakläden sowie in Supermärkten und Tankstellen hat der Monopolist an der gesuchten „bewussten Nähe zum Kunden“ (Sportwettenurteil Rdrn. 138) nichts geändert. Dass die STLG diese Betriebsstätten im Rahmen des Kanalisierungsauftrags für den Zweck der kommunizierten Suchtprävention als „besonders geeignet“ darstellt (Vertriebskonzept Seite 5), verstellt den Blick darauf, dass gerade diese Vertriebsform des legalen Sportwettenangebots in der Öffentlichkeit problematischem Spielverhalten weiterhin Vorschub leistet. So ist es nach Auffassung der Kammer inkonsequent, dass die STLG für sich in Anspruch nimmt, zur Erfüllung des Ordnungsauftrags derzeit und bis auf weiteres auf die konkrete hohe Zahl von Annahmestellen angewiesen zu sein, aus dieser „Präsenzforderung“ jedoch gleichwohl nicht die Notwendigkeit ableitet, ein weitaus zurückhaltenderes als aktuell an den Tag gelegtes Werbeverhalten zu betreiben. Vielmehr betreibt der Monopolist parallel zur breitflächigen Vermarktung eine intensive - wenngleich um die Möglichkeit auffordernden, anreizenden oder ermunternden Charakters reduzierte sowie im Fernsehen, im Internet und über Telekommunikationsanlagen verbotene - Werbung mittels Radio, Printmedien, Litfasssäulen und Postwurfsendungen. Es ist nicht ersichtlich und von den Vertretern der STLG in der mündlichen Verhandlung auch nicht überzeugend dargelegt worden, warum die (aus Sicht der STLG weiterhin erforderliche) breit gefächerte „physische Präsenz“ von Glücksspielannahmestellen eine zusätzliche, über den Ort der Leistung hinausgehende weitere Werbung als Begleitmaßnahme benötigt. |
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| An dem nach Auffassung der Kammer folglich fortdauernden Signal, man vertreibe immer noch, wenngleich nunmehr modifiziert, ein Gut des täglichen Lebens, ändern auch sonstige Modalitäten beim Vertrieb nichts. Die Wirkung von Vorkehrungen wie Identifizierung des Kunden unter Verwendung einer Kundenkarte, Verstärkung des Minderjährigenschutzes sowie Hinweise auf Spielscheinen und Aufklärungsmaterial über die Gefahren des Spiels (vgl. Vertriebskonzept, Seite 6) wird nach Auffassung der Kammer schon vor dem Hintergrund der nahezu unveränderten Annahmestellen-Zahl überschätzt. Gerade weil die in den Annahmestellen verkehrenden Kunden des Einzelhandels, zu denen regelmäßig auch Kinder und Jugendliche gehören, die Parallelität des Verkaufs von Glücksspielen mit demjenigen von Produkten des täglichen Bedarfs ständig wahrnehmen, darf ein Gewöhnungseffekt nicht vernachlässigt werden. Selbst das neuerdings getrennte „Kassenwesen“, also ein doppelter Kassiervorgang bei gleichzeitigem Einkauf von Waren aus dem Hauptsortiment und von Lotterieprodukten, kann niemanden darüber hinwegtäuschen, dass Verkaufsstellen zugleich auch Annahmestellen sind. Ferner steht im Zeitalter zahlreicher, verschiedenster Kundenkarten eine spezifisch disziplinierende Funktion einer solchen Karte im Bereich des Glücksspiels nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest. Das beklagte Land hat zwar Umsatzrückgänge bei den Sportwetten im Jahr 2007 von 28 % (Oddset-Kombiwette) bzw. 48 % (Toppwette) sowie im ersten Quartal 2008 von weiteren 22 % bzw. 32 % zum Beweis der Restriktionswirkung des Monopols ins Feld geführt. Eine nähere Analyse, worauf diese Rückgänge tatsächlich beruhen, und eine Aussage dazu, ob dies nicht nur ein vorübergehendes Phänomen ist, gibt es bislang jedoch nicht. Insofern ist der schon im Kammerurteil vom 16.4.2008 enthaltene Hinweis nicht nachhaltig entkräftet worden, der immerhin im Jahr 2007, also in Kenntnis eines künftig erforderlichen Restriktionskurses erstellte Geschäftsbericht 2006 der STLG gehe selbst von nur „vorübergehenden“ Umsatzrückgängen aus. |
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| d) Einen zentralen und fortdauernden Strukturmangel sieht die Kammer schließlich im wirtschaftlichen Aufbau des Annahmestellensystems. Der Monopolist bedient sich beim Vertrieb seines Wettangebots privater Dritter, die mittels umsatzabhängiger und folglich stets die Gefahr einer extensiven Vermarktung in sich bergender Provisionen bezahlt werden. Wie in der Vergangenheit auch, erhalten die Annahmestelleninhaber derzeit einen festen und einheitlichen Provisionssatz (Vertriebskonzept, Seite 11/12). Dieser liegt für alle Glücksspiele (ausgenommen Rubbellos, wo es 10 % sind) bei 6,6 % des bei den Annahmestellen getätigten Spieleinsatzes. Vergegenwärtigt man sich, dass angesichts des in 2007 in Baden-Württemberg getätigten Glücksspielumsatzes von ca. 1 Mrd. EUR jede der Annahmestellen hierzu einen (durchschnittlichen) Umsatz von etwa 270.000,-- EUR beitrug, was wiederum einer (durchschnittlichen) Jahresprovision (ohne Rubbellos) von etwa 18.000,-- EUR entsprach, kann diese Einnahmequelle wirtschaftlich nicht vernachlässigt werden. |
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| Das gilt ungeachtet der in Nr. 8 des jeweiligen Zusatzvertrages zwischen der STLG und den Annahmestellenleitern vereinbarten Bedingung, wonach die Verkaufsstelle nur im Nebenerwerb betrieben werden und der Spielbetrieb nicht die vorrangige Einnahmequelle sein darf. Diese Regelung ist nach Auffassung der Kammer ungeeignet, eine relevante Begrenzung und Steuerung des Wirtschaftsgebarens eines Annahmestellenleiters auszuüben. Mit dieser Formulierung sind schon Auslegungs- und Erfüllungsschwierigkeiten vorprogrammiert. Denn die Grenze zwischen Haupt- und Nebenerwerb kann periodisch durchaus fließend sein, ferner bleibt unklar, ob spätere Änderungen eine Mitteilungspflicht auslösen und schließlich kann kaum von allen der mehr als 3.600 Vertragspartner erwartet werden, dass diese ständig ihre möglicherweise zeitlich variierenden Erwerbsverhältnisse vor Augen haben. Weitaus problematischer allerdings ist es, dass das RP Karlsruhe - seitens der STLG übrigens bezeichnenderweise unwidersprochen - dem Begriff des „Nebenerwerbs“ die Auslegung gibt, das gesamte Glücksspielgeschäft dürfe bis 49 % des Umsatzes ausmachen. Es liegt aber selbst bei Parallelwertung durch einen Nicht-Kaufmann auf der Hand, dass ein dieser Interpretation noch genügender Umsatz von „nur“ 40 % bis 49 % wirtschaftlich für einen Annahmestelleninhaber von erheblicher Bedeutung ist. Ein wirtschaftliches „Standbein“ in dieser Größenordnung übt nämlich auf den Provisionsnehmer erhebliche Anreizwirkungen hin auf eine Umsatzsteigerung aus. Das gilt auch ungeachtet dessen, dass Sportwetten wiederum nur 4 % des gesamten Jahresglücksspielumsatzes ausmachen. Gerade weil die Bereitstellung des gesamten Wett- und Lotterieangebots in den Annahmestellen erfolgt (vgl. Seite 7 des Vertriebskonzepts - wenngleich dies unter dem Gesichtspunkt der „besseren sozialen Kontrolle“ hervorhebend), kann in wirtschaftlicher Hinsicht ein Anreiz des Annahmestelleninhabers, auch für Sportwetten Umsätze zu erzielen, vernünftigerweise nicht verneint werden. Zwar ist eine Reduktion der Umsatzabhängigkeit im Jahr 2009 vorgesehen und es soll dann auch der Einsatz weiterer umsatzunabhängiger Faktoren bei der Ausgestaltung der Provision geprüft werden (vgl. Vertriebskonzept, Seite 12), die zuvor dargelegten aktuellen - d.h. im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt existierenden - Mängel werden durch eine bloße Absicht jedoch nicht behoben. |
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| 2. Die vorgenannten strukturellen Mängel des Vertriebskonzepts beeinträchtigen die Erreichung des Ziels der Spielsuchtbekämpfung auch derart gravierend, dass sie nach Auffassung der Kammer nicht durch die Kompensationsmaßnahmen des Beklagten wirklich ausgeglichen werden, die auf diesen Gebieten bis zum heutigen Zeitpunkt konkret ergriffen und umgesetzt wurden. |
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| a) Das System der Spielersperre in seiner jetzigen Ausgestaltung ist nicht geeignet, spielsuchtgefährdete oder gar klar spielsüchtige Wettteilnehmer zu identifizieren und von einer weiteren Teilnahme effektiv auszuschließen. Das zeigen schon die geringen Zahlen der tatsächlich verhängten Sperren: Im ersten Quartal 2008 wurden im Wege der Fremdsperre lediglich 9 Spieler durch die STLG gesperrt und damit effektiv vor sich selbst geschützt. Angesichts eines geschätzten Anteils von ca. 4 % Spielsüchtigen unter den Sportwettenteilnehmern (vgl. Stöver, Bremer Institut für Drogenforschung - BISDRO - , Glücksspiel in Deutschland - Eine repräsentative Untersuchung zur Teilhabe und Problemlage des Spielens um Geld, Dezember 2006, S.7 - aufrufbar unter: www.gluecksspielsucht.de > Forschungsergebnisse) und bei einer Gesamtzahl von 3612 Annahmestellen und bundesweit 250.000 Spielsüchtigen ist dies eine nur sehr geringe Zahl. Diese erklärt sich schon daraus, dass die Kriterien für die Verhängung einer Fremdsperre im Glücksspielstaatsvertrag, aber auch im Ausführungsgesetz nicht klar definiert werden. Auch die Kriterien, anhand deren die Annahmestellenbetreiber nach dem vorgelegten Sozialkonzept Spielsuchtgefährdete identifizieren sollen (unverhältnismäßig hohe Einsätze in Relation zum Einkommen, häufige große Verluste etc. - siehe § 9 Abs.1 S.1 Nr.2 GlüStV und S.26 der Schulungsunterlagen für die Verkaufsstellen als Anlage zum Sozialkonzept) sind kaum praktikabel, weil die Annahmestelleninhaber - außer bei persönlicher Bekanntschaft mit dem Teilnehmer oder in Fällen eines offensichtlichen äußeren Erscheinungsbildes - regelmäßig keine Kenntnis von den Einkommensverhältnissen ihrer Kunden und auch nicht von der Höhe ihrer sonstigen Einsätze bei anderen Annahmestellen haben. Obendrein lässt sich eine persönliche Identifizierung als Spielsüchtiger anhand übermäßig hoher und häufiger Einsätze und Verluste seitens der Teilnehmer leicht durch das Aufsuchen zahlreicher verschiedener Annahmestellen vermeiden, wie sie aufgrund des dichten Netzes buchstäblich „an jeder Straßenecke“ vorhanden sind. Von daher verfängt das Argument des Beklagten nicht, der durchschnittliche Spieleinsatz bei den Sportwetten betrage nur zwischen 8,50 und 14 EUR, so dass schon jeder davon abweichende höhere Einsatz auffalle und dem Annahmestellenbetreiber ggf. Anlass für Nachfragen geben könne. Ganz abgesehen davon beträgt nach eigenen Angaben der STLG der Höchsteinsatz pro Tipp auf einem Spielschein immerhin 250 EUR, so dass bis zu einem solchen Betrag wohl keine Nachfrage indiziert erscheint. Zudem wurde im Termin deutlich, dass die STLG gegenüber Fremdsperren eher eine zurückhaltende Linie verfolgt. Zum einen geht sie davon aus, dass die wirklich suchtgefährdeten Spieler sich ohnehin bei den privaten gewerblichen Sportwettenanbietern aufhalten, die 80% des gesamten Sportwettenmarktes ausmachen, und zum anderen befürchtet sie erklärtermaßen, Spielsuchtgefährdete sonst ganz aus den Augen bzw. an die private Konkurrenz zu verlieren. Sie favorisiert daher die Eigensperre, zu der sich der suchtgefährdete Spieler aufgrund nachhaltiger sozialpädagogischer Einwirkungen und Gesprächen mit Suchtberatungsstellen, Annahmestellenbetreibern und Bezirksdirektoren entschließt. Das Argument des Beklagten, andernfalls würden solche Spieler gleich zur privaten Konkurrenz abwandern, die ohnehin 80% des Marktes bediene, stellt im Übrigen das staatliche Monopol in aller Deutlichkeit selbst in Frage. |
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| Auch das Anfang 2008 eingeführte Oddset-Informationssystem trägt bei genauer Betrachtung nicht zu einer effektiveren Handhabung des im Glücksspielstaatsvertrag angelegten Instruments der Fremdsperre bei. Der Spielerschutz ist hier nur ein Nebeneffekt, da dieses System primär der Aufdeckung von Spielmanipulationen anhand ungewöhnlich hoher Umsatzzahlen bei einzelnen Annahmestellen dient und deshalb allenfalls mittelbar in Fällen über den Schwellenwerten (3000, 7000 und 10.000 EUR) liegender Umsätze dazu führen kann, dass eine bestimmte Annahmestelle und die dort wettenden Spieler und deren Verhalten genauer in den Blick genommen werden. Die genannten Schwellenwerte sind zudem derart hoch angesetzt, dass sie angesichts eines Durchschnittsumsatzes einer Annahmestelle von lediglich 180 EUR wöchentlich kaum dazu taugen, auf Spielsucht indizierende hohe Einsätze einzelner Spieler aufmerksam zu werden. Eine individuelle Identifizierung Spielsüchtiger anhand der Kundenkartenidentifizierung und der Datenbankinformationen der STLG über die Häufigkeit und Höhe der Einsätze und der Verluste ist außerdem schon aus Datenschutzgründen gar nicht möglich. |
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| b) Das zum Schutz spielsuchtgefährdeter Spieler und zur Vorbeugung der Spielsucht durchaus effektive und sinnvolle Instrument von nur maximal zuzulassenden Höchsteinsätzen pro Spieler gibt es schließlich nach wie vor nur in der seinerzeit von der Kammer in ihren Grundsatzurteilen als nicht zureichend qualifizierten rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung, die bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Die Halbierung der Höhe des möglichen Einsatzes pro Tipp bei Oddset-Wetten von 500.- EUR auf 250.- EUR ändert nichts daran, dass mit mehreren Spielscheinen und an verschiedenen Annahmestellen weiterhin um insgesamt große Summen gespielt werden kann. Das Argument des Beklagten, eine weitere Verbesserung der Höchsteinsatzregelung sei schon deshalb nicht erforderlich, weil eine Höchstgrenze nur in Relation zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Sportwettenteilnehmers sinnvoll sei, verkennt, dass sich der Spielerkreis wohl überwiegend nicht aus finanziell und sozial besser Gestellten zusammensetzt, für die auch Einsätze von mehreren hundert Euro kein Problem darstellen, sondern aus Personen, die gerade durch das Wetten versuchen, ihre insoweit wirtschaftlich eher bescheidene Stellung aufzubessern (vgl. Hayer/Meyer, Das Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten, Mai 2005, S.100, 101 - abrufbar unter: www.landesfachstelle-gluecksspielsucht-nrw.de/pdf/ gefaehrdungspotenzial-Hayer-Meyer.pdf, wonach 35% der befragten Sportwettenteilnehmer arbeitslos, Rentner, Student, oder berufsunfähig waren und 60% nur zwischen 500 -1500 EUR netto verdienten). Auch das Argument, eine strengere Höchstgrenzenregelung sei nicht erforderlich, weil ein einmaliges Spiel mit einem hohen Einsatz noch keine Suchtgefahren auslöse, spricht nicht gegen eine Höchstgrenzenregelung, die den Gesamteinsatz eines Spielers etwa pro Woche limitiert (siehe insoweit etwa Ziff.14 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags - abrufbar unter www.gluecksspielsucht.de > Materialien > Stellungnahmen). |
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| c) Was die Spielsuchtbekämpfung und insbesondere die Prävention angeht, verkennt die Kammer nicht, dass hier ausweislich des mittlerweile vorliegenden Vertriebskonzepts und des ebenfalls jetzt vorgelegten Sozialkonzepts sowohl im Bereich der Hinweise, der Beratungsangebote als auch der Schulungen der Mitarbeiter der Annahmestellen deutliche Fortschritte gegenüber dem vom Bundesverfassungsgericht noch missbilligten Zustand im Jahre 2006 zu verzeichnen sind, als es in dieser Richtung gar keine bzw. nur sehr wenige Bemühungen gab. Inzwischen kann davon ausgegangen werden, dass die Annahmestellenbetreiber und deren Personal alle geschult wurden und regelmäßig auch weiter zum Thema Suchtgefahren und Jugendschutz geschult werden. Es ist auch nicht zu übersehen, dass in großem Umfang und optisch auffällig auf Flyern, Plakaten, Hinweisschildern, Broschüren, Spielquittungen, Internetseiten usw. auf die Gefahren der Spielsucht und auf das Spielverbot für unter 18-Jährige hingewiesen wird. Außerdem existiert mittlerweile ein Fachbeirat, der beratend tätig wird. |
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| Das vermag aber nicht, die strukturellen Mängel des staatlichen monopolisierten Sportwettensystems mit einem landesweit dichten Netz umsatzorientiert operierender Annahmestellen zu konterkarieren, die betont kundennah im direkten Kontext mit dem Vertrieb alltäglicher Waren und ohne wirkliche Distanz zu Jugendlichen arbeiten und dadurch der Missachtung des Spieler- und Jugendschutzes sowie der Spielsucht erst einmal deutlich Vorschub leisten. |
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| d) Auch die Schulungen der Annahmestellenbetreiber (vgl. Ziff.4 des Vertriebskonzepts, Ziff.4.6 des Sozialkonzepts , Ziff.4 des Annahmestellenzusatzvertrags) vermögen offenbar nur sehr begrenzt, den systemimmanent bestehenden Zielkonflikt aufzulösen, dem sie sich ausgesetzt sehen, wenn sie einerseits einträglich wirtschaften wollen, sich andererseits dabei aber ohne wirtschaftlichen Anreiz allein aus Rücksicht auf Jugendliche und Spielsuchtgefährdete selbst zurücknehmen sollen. Schon der bloße Umstand, dass es offenbar nötig erscheint, durch intensive Schulungen überhaupt die für jedermann leicht verständliche und eingängige Minimalregel des Jugendschutzes, nämlich das Spielverbot für unter 18-Jährige, gegenüber den Annahmestellenbetreibern zu betonen, obwohl die entsprechenden Regelungen schon seit Jahrzehnten existieren (vgl. § 6 Abs.2 JuSchG), zeigt, dass schon nach Ansicht der STLG hier ein aus ökonomischen Interessen gespeistes Potential an tendenzieller Missachtung des Jugendschutzes besteht, das allein durch die Geltung des JuSchG offenbar noch nicht ausreichend eingedämmt wird. Soweit zum Jugendschutz geschult wird, stellt dies eine „Schulung“ zu einer bloßen Selbstverständlichkeit dar. Soweit zu Suchtgefahren mit dem Ziel geschult wird, die Annahmestellenbetreiber in die Lage zu versetzen, beratend bzw. abratend auf Spieler einzuwirken bzw. spielsüchtige Spieler zu erkennen und dann durch Schaltung einer Sperre am weiteren Spiel zu hindern, ergibt sich aus dem oben Gesagten, dass die Annahmestellenbetreiber ganz offenkundig die dafür wirklich wesentlichen Informationen über Einkommensverhältnisse, Spielergebnis, Häufigkeiten des Spiels und Verluste der bei ihnen Wetten abschließenden Personen nicht haben und allenfalls zufällig erlangen können bzw. sich in einem Rollenkonflikt zwischen Verkäufer und invasiv in die Privatsphäre des Kunden hineinforschenden Sozialarbeiter wiederfinden (siehe die vorgelegte Dokumentation und Auswertung der Schulungen für Januar bis März 2008 der mit den Schulungen beauftragten Evangelischen Gesellschaft: Suchtberatungsstelle „eva“, S. 14). Aus der Dokumentation ergibt sich insoweit auch, dass viele Annahmestellenbetreiber eher dazu neigen, den Zielkonflikt zugunsten eigener wirtschaftlichen Interessen zu lösen, und zu einem nicht unbeträchtlichen Teil obendrein selbst aktive Spieler sind, von denen manche sogar Tendenzen zur Spielsucht in sich tragen (siehe Dokumentation S.10 ). |
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| Die im Wesentlichen übereinstimmenden Ergebnisse des im April 2008 bei 110 Lottoannahmestellen in Baden-Württemberg durchgeführten sog. „Mystery-Shopping“ (= Testkauf, Testspielaktion) und der in der mündlichen Verhandlung von den STLG Mitarbeitern dargelegten eigenen Erfahrungen mit Testkäufen/Testspielern zeigen zudem deutlich, dass offenbar selbst intensive Schulungen keinen nachhaltigen Effekt erzielen, denn in einer prozentual weit überdurchschnittlichen Zahl von Fällen (laut Mysteryshopping: ca. 62 % , laut eigener Testaktionen der STLG: ca. 50 %) war es Kunden möglich, ohne Ausweiskontrolle zu spielen und Wetten abzuschließen. (In die gleiche Richtung weisen auch die in einem FOCUS-Artikel (Ausgabe v. 7.7.2008) zitierte Untersuchungen zum gleichen Thema in Bayern). |
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| e) Was die nunmehr allenthalben anzutreffenden Warnhinweise bezüglich der Spielsuchtgefahren angeht, ist angesichts des aus der Psychologie bekannten Phänomens der kognitiven Dissonanz (Verarbeitung konfligierender Informationen/Erfahrungen: z.B. „Ich rauche“ - „Rauchen ist schädlich“) und der Erfahrungen z.B. mit entsprechenden Hinweisen auf die tödlichen Gefahren des Rauchens auf Zigarettenpackungen, die von vielen Rauchern schon nach eigener Aussage gar nicht mehr wahrgenommen, sondern ausgeblendet werden (siehe dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Dissonanz), fraglich, inwieweit ein vornehmlich aus finanziellen Erwägungen (Gewinnerwartung) gespeistes und durch entsprechende Werbung sogar noch erregtes Interesse an der Sportwettenteilnahme dadurch wirklich nennenswert wieder eingedämmt wird. |
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| f) Auch die rechtlichen und tatsächlichen Regelungen über die Art und den Zuschnitt des Sportwettenangebots sind nach wie vor in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht geeignet, die Spielsucht konsistent und systematisch einzudämmen. Eine Beschränkung der Sportwetten, denen insbesondere bei den Oddset-Wetten wegen ihrer festen Gewinnquoten ein besonders hohes Suchtpotential zugeschrieben wird, durch die Begrenzung des Spielangebots (nur geringe Zahl wöchentlicher Wettpaarungen, Verzicht auf überproportional suchtgefährliche Varianten wie z.B. Live-Wetten oder Verzicht auf Wetten mit erhöhter Manipulierbarkeit des Sportereignisses wie z.B. Wetten auf die Zahl der in einem Fußballspiel gezeigten gelben Karten ) findet sich ebenso wie die Reduzierung der Gewinnausschüttungen auf maximal 50 - 55% lediglich pauschal formuliert unter Ziff.5.2 des Sozialkonzepts der STLG. Ein wirklich handhabbarer und detailliert kontrollierbarer Rahmen wird damit indessen nicht vorgegeben. Auch die nach wie vor gültigen Teilnahmebedingungen für die Oddset-Kombi- und Top-Wette, die das Finanzministerium am 08.11.2007 bekanntgemacht hat und die von der STLG als ein lediglich weiter Rahmen des Erlaubten im Sinne einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verstanden und der Gestaltung ihres Spielangebots zugrunde gelegt werden, enthalten keine wirklich klaren Einschränkungen und Vorgaben für eine Begrenzung des Spielangebots. Sie widersprechen zudem in ihrer noch immer unverändert aktuell gültigen Form teilweise direkt § 21 Abs.1 GlüStV, der ausdrücklich regelt, dass nur auf den Ausgang von Sportereignissen gewettet werden kann, also Live-Wetten auf Zwischenspielstände und dergleichen ausgeschlossen sind. Die Teilnahmebedingungen für die Oddset-Top-Wette (GABl. v. 20.12.2007, S.648) lassen hingegen unter § 3 Abs.1, Abs.5 und Abs.6 auch Wetten nicht nur auf den Ausgang, sondern auch auf bestimmte Ereignisse innerhalb eines Sportereignisses zu. Dasselbe gilt für die Oddset-Kombi-Wette (GABl. 20.12.2007, S. 639), deren Teilnahmebedingungen Wetten auf einen bestimmten Ausgang oder ein bestimmtes Ergebnis, aber auch auf ein bestimmtes Ereignis zulassen. § 21 Abs.1 GlüStV ist im Übrigen normativ defizitär, da diese Vorschrift es ohne jegliche weitere inhaltliche Vorgaben der erst zum Jahresende 2008 notwendigen Erteilung der Glücksspielerlaubnis durch das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde überlässt, im Detail Art und Zuschnitt des Angebots ggf. durch entsprechende Auflagen sicherzustellen. Ferner liegen interne Richtlinien zu Art und Zuschnitt des Sportwettenangebots auf der Verwaltungsebene der Glücksspielaufsichtsbehörde bisher nicht vor. Wie sich in der mündlichen Verhandlung herausstellte, besteht vor diesem Hintergrund noch nicht einmal vollständige Klarheit, ob etwa die sogenannte Handicap-Wette danach ein zulässiges Sportwettenangebot sein soll oder nicht. Der seit 01.01.2008 eingerichtete Fachbeirat (§ 10 Abs.1 S. 2 GlüStV) hat sich bisher zwar unter anderem auch mit dem Sportwettenangebot befasst, ohne dass diese Arbeit sich aber bislang in konkreten Empfehlungen, Beschlüssen oder Leitlinien niedergeschlagen hätte. Insgesamt offenbart sich auch hier ein derzeit bestehendes normativ-regulatives Strukturdefizit, das es mangels klarer Vorgaben aktuell noch immer genau besehen allein der STLG, also dem wirtschaftlich interessierten Monopolisten, selbst überlässt, zu definieren, welches Angebot seiner Ansicht nach zulässig bzw. unzulässig ist. Von dieser Definitionsmacht hat die STLG bisher aber nur in nicht wirklich dauerhaft selbstbindender Weise und nur nach eher vagen, zufälligen Kriterien Gebrauch gemacht. |
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| g) Ähnliches gilt für die Werbebeschränkungen . Hier findet sich neben der inhaltlich nur sehr vagen gesetzlichen Vorgabe in § 5 Abs.1, Abs.2 GlüStV, die Werbung dürfe nur informativ aufklärend, aber nicht aufmunternd, anreizend, irreführend und an Jugendliche gerichtet sein, bislang nur unter Ziff.5.3 des Sozialkonzepts der STLG eine katalogartige Aneinanderreihung ähnlich unbestimmter Begriffe, die zu einer positiven wie negativen Abgrenzung beitragen sollen und immerhin durch einige Beispiele zu einer gewissen Konkretisierung beitragen können (keine Darstellung als unbedenkliche Freizeitbeschäftigung, keine gezielte Ansprache eine jugendlichen Publikums, keine Werbung mit jugendlichen Werbeträgern und keine Versprechen eines schnellen risikolosen Reichtums usw.). Außerdem soll es inzwischen bundesweit zwischen den Ländern abgesprochene Werberichtlinien geben. Die Beaufsichtigung bundesweiter Werbeaktionen des Toto-Lotto-Blocks (DTLB) ist dabei allerdings noch ungeklärt. Die Bedenken, wie sie die Kammer gegenüber dem Werbekonzept der STLG in ihren Grundsatzurteilen vom April 2008 geäußert hat, sind damit aber nicht ausgeräumt. Insbesondere die Werbung mit der Dachmarke Lotto, die schon nach den eigenen Unterlagen und Broschüren der STLG deutlich mit ihren Unterprodukten z.B. Oddset, KENO etc. genannt und somit in Verbindung gebracht wird (Oddset, die Sportwette von Lotto - siehe www.lotto-bw.de > oddset), ist nach wie vor überregional mit zum Spiel animierender Werbung aktiv und zwar mit immer wieder besonders auffälliger, selbst vom beklagten Land als „atypisch“ qualifizierter Werbung, die mit immer wieder neuen besonderen Anlässen wie z.B. der Fußballeuropameisterschaft oder dem 50-jährigen Bestehen von Lotto Bad.-Württ. gerechtfertigt wird. Da die STLG sogar nach Ergehen des Bundesverfassungsgerichtsurteils noch im Sommer 2006 anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 aggressiv und namentlich für Oddset geworben hat, ist es auch besonders darlegungsbedürftig, konnte von der STLG im Termin aber nicht überzeugend dargelegt werden, dass Oddset nicht zum sogenannten „accepted set“ der deutlich und anpreisend beworbenen Dachmarke Lotto-BW gehören soll, also nicht mit deren Nennung vom Adressatenpublikum positiv mitassoziiert werden soll. |
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| Auch sonst geht die überregional auftretende Sportwettenwerbung weit darüber hinaus, dass sich nur die Annahmestellen selbst mit Flyern, örtlich geschalteten Anzeigen, Wimpeln, Schaufenstergestaltung etc. auf rein örtlicher Ebene dem Publikum bekannt machen und im Rahmen des dem staatlichen Monopolisten aufgegebenen Kanalisierungskonzepts über ihre Existenz informieren. Das ist auch nicht etwa zufällig so, sondern direkte Folge des Zielkonflikts, der darin besteht, dass der staatliche Monopolist STLG neben dem von ihm immer wieder hervorgehobenen insbesondere im Internet anzutreffenden breiten privaten Sportwettenmarkt existiert, also kein wirkliches Monopol im echten Sinne besitzt und daher anders als ein echter Monopolist gegenüber dieser Konkurrenz werbend bestehen muss, derer er sich in absehbarer Zeit wohl so schnell nicht wird entledigen können. |
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| Nach wie vor ist es auch so, dass der Glücksspielstaatsvertrag selbst keine Werbeeinschränkung hinsichtlich der Printmedien und des Rundfunks sowie der Postwurfsendungen und großflächiger Plakatwerbung regelt, so dass diese weiterhin zulässig sind (vgl. zu Bedenken insbesondere gegenüber unverlangt zugesandten Werbematerialien, wie Postwurfsendungen: Ziff.4 der Stellungnahme des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. zum Entwurf des GlüStV - a.a.O.). Dem Beklagten mag zwar zuzugeben sein, dass dem Land ein gewisser Beurteilungsspielraum dahingehend zukommt, selbst einzuschätzen und zu entscheiden, welche Werbeträger es für besonders aggressiv, öffentlichkeitswirksam, jugendnah und suchtfördernd hält und daher beschränken will. Wenig überzeugend ist insoweit allerdings sein Hinweis, die genannten noch zulässigen Werbeträger (Radio, großflächige Plakate, Printmedien) sprächen anders als das Internet und das Fernsehen das vorwiegend zu schützende jugendliche Publikum nur wenig an. Auch wenn die Leseneigung bei Jugendlichen zurückgegangen sein mag, dürfte doch das Radio als leicht konsumierbares Medium ebenso wie das Fernsehen ohne weiteres auch und gerade Jugendliche erreichen. Dafür, dass auch Plakatwerbung Jugendliche durchaus erreicht, spricht zudem, dass die STLG den Boxer Krasniqi, der als Sympathieträger gerade auch Jugendliche anspricht, im Rahmen der Suchtaufklärungskampagnen selbst auf großflächigen Plakaten auftreten lässt. Der bloße Ausschluss von Internetwerbung (und Fernsehwerbung) dürfte im Übrigen wohl schon deshalb nicht ausreichen, weil gar nicht dargetan ist, dass es sich nach der Spielerstruktur bei den Sportwettenteilnehmern der terrestrischen Annahmestellen vorzugsweise um Personen mit Internetzugang handelt. Vielmehr könnten als Kunden gerade technikferne, ältere Kunden in Betracht kommen, die keinen Internetzugang haben, oder aber Jugendliche, die zwar einen Internetzugang haben, aber noch nicht über eigene Kreditkarten verfügen, wie sie für eine Sportwettenteilnahme im Internet unerlässlich ist. |
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| 3. Schließlich fehlt es derzeit an einem wirksamen Kontrollsystem, das die Ausrichtung des Monopols am Ziel der Suchtbekämpfung sicherstellt. Europarechtlich kommt es für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zentral auf die Effektivität der Überwachung und die Durchsetzung einer wirklich restriktiven Glücksspielpolitik an (vgl. EFTA-Gerichtshof, Urt. vom 14.03.2007, E -1/06, - Gaming Machines -, Rdnr. 51). Auch das Bundesverfassungsgericht verlangt strukturelle Sicherungen, die für die Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht sorgen; der Gesetzgeber muss geeignete staatliche Kontrollinstanzen mit ausreichender Distanz zu den fiskalischen Interessen des Staates einrichten (BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.a.O., Rdnrn.120, 154). Denn nur so kann gesichert werden, dass ein Konflikt mit dem Ziel der Suchtbekämpfung nicht zugunsten der fiskalischen Interessen des Staates ausgeht (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 127 f.) |
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| a) Der Glücksspielstaatsvertrag sieht zwar in § 9 eine finanzverwaltungsferne Glücksspielaufsicht vor. Diese kann aber derzeit auf kein wirksames normatives Kontrollsystem zurückgreifen. Auf das Instrument der Glücksspielerlaubnis, die an die Erfüllung konkreter Voraussetzungen gebunden ist (§ 2 Abs. 2 AG-GlüStV) und mit Bedingungen und Auflagen versehen werden kann (§ 2 Abs. 1 Satz 2 AG-GlüStV), kann die Glücksspielaufsicht nach derzeitiger, für die Entscheidung des Gerichts maßgeblicher Rechtslage allenfalls in geringfügigem Umfang als Kontrollmechanismus zurückgreifen. Denn der Landesgesetzgeber hat dem Monopolisten über die vom Bundesverfassungsgericht zugebilligte Übergangszeit hinaus einen weiteren Zeitraum bis zum 31.12.2008 zugestanden, in dem er seine bereits zum 01.01.2007 veranstalteten Glücksspiele ohne Erlaubnis fortführen darf (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AG-GlüStV). Gleiches gilt für die Annahmestellen, die ihre Vermittlung ohne Erlaubnis bis zum 31.12.2008 fortsetzen dürfen, wenn sie bereits am 01.01.2007 in ein öffentliches Glücksspiel des Landes vermittelt haben (§ 7 Abs. 4 AG-GlüStV). Andere Kontrollinstrumente der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten oder einzelnen Annahmestellen sind gesetzlich nicht vorgesehen. Der Aufsicht bleibt in der Vielzahl der Fälle, in denen die Übergangsregelungen der §§ 2 Abs.1 Satz 3, 7 Abs. 4 AG-GlüStV greifen, nur die Möglichkeit, im Einzelfall Anordnungen nach § 9 GlüStV zu treffen. Damit diese Möglichkeit als effektiver Kontrollmechanismus wirkt, bedürfte es gerade angesichts der Vielzahl der Annahmestellen einer entsprechend gut ausgestatteten Glücksspielaufsicht. Hierzu enthält das Gesetz jedoch keinerlei Vorgaben. |
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| b) Tatsächlich ist die Glücksspielaufsicht personell auch schwach besetzt. Im gesamten Glücksspielreferat des Regierungspräsidiums Karlsruhe, das für ganz Baden-Württemberg zuständig ist, sind vier Juristen, sechs Mitarbeiter im gehobenen Dienst und fünf weitere Mitarbeiter für den Schreibdienst und Ähnliches tätig. Das Sachgebiet „Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel und gewerbliche Spielevermittler“ betreuen ein Jurist und ein Mitarbeiter des gehobenen Dienstes. Der vom beklagten Land hervorgehobene Austausch zwischen den Mitarbeitern der einzelnen Sachgebiete ist nur begrenzt, wie die mündliche Verhandlung vom 16.04.2008 anschaulich belegt hat. Dort war als Beklagtenvertreter allein der Sachgebietsleiter für die Unterbindung unerlaubten Glücksspiels anwesend, der viele Fragen zum Bereich der Aufsicht und Erlaubnisse für staatlich veranstaltetes Glücksspiel nicht beantworten konnte. |
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| Die Mitarbeiter des Monopolisten, die mit monopolinternen Kontrollfunktionen befasst sind, können entgegen der vom beklagten Land vertretenen Auffassung nicht bei der personellen Ausstattung der Glücksspielaufsicht berücksichtigt werden. Schon § 10 Abs. 6 GlüStV setzt die Trennung der staatlichen Glücksspielaufsicht und des Monopolisten als Glücksspielveranstalter nach § 10 Abs. 2 GlüStV voraus. Vor allem aber kann von der europarechtlich gebotenen effektiven Überwachung des Monopolisten nicht mehr die Rede sein, wenn ihm als einem Unternehmen, das seine Wirtschaftlichkeit im Auge behalten muss, die Kontrolle über sich selbst übertragen wird. Vielmehr verlangt eine effektive Überwachung, dass die Endkontrolle der staatlichen, von fiskalischen Interessen unabhängigen Aufsicht vorbehalten bleibt. |
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| c) Dies schließt sicher kein „System der Kontrolle der Kontrolle“ aus, auf das sich das beklagte Land beruft. Ein solches System muss aber derartige strukturelle Sicherungen enthalten, dass eine effektive Kontrolle des Monopolisten durch die staatliche Aufsicht gewährleistet ist. Das ist hier nicht der Fall. |
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| aa) Das Gesetz räumt dem Monopolisten weite Spielräume bei der Ausgestaltung des Vertriebskonzepts (§ 7 Abs. 1 AG-GlüStV) sowie bei Art und Zuschnitt des Wettangebots ein, die ab 01.01.2009 in der Erlaubnis im Einzelnen zu regeln sind (§ 21 Abs. 1 Satz 2 GlüStV). Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien wenigstens als Hilfe zur Interpretation der gesetzlichen Vorgaben - etwa welche Kriterien neben der räumlichen Bevölkerungsstruktur für das Vertriebskonzept noch zu berücksichtigen sind (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4: „insbesondere“) oder welche Wetten als Einzelwetten auf den Ausgang eines Sportereignisses (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV) angesehen werden können - existieren jedoch nicht. |
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| bb) Auch Beschlüsse des inzwischen eingeführten Fachbeirats, die ungeachtet der rein beratenden Funktion dieses Gremiums (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV) als Orientierungshilfe dienen könnten, liegen nicht vor. Gerade beim zulässigen Wettangebot bestehen aber erhebliche Unsicherheiten, wie die Diskussion in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten einschließlich der Vertreter der STLG über die Zulässigkeit von Handicap-Wetten deutlich gezeigt hat. |
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| cc) Das inzwischen vorliegende Vertriebskonzept der STLG -das fast ein halbes Jahr zu spät erstellt worden ist, ohne dass dies zu irgendwelchen Konsequenzen der Glücksspielaufsicht gegenüber der STLG geführt hätte - ist zwar von der Glücksspielaufsicht gebilligt worden, jedoch mangels Integrierbarkeit in eine Glücksspielerlaubnis in keiner Weise abgesichert. |
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| dd) Allein im Bereich der Werbung sollen bundesweite, dem Gericht allerdings nicht vorgelegte Richtlinien existieren. Außerdem ist zwischen der Glücksspielaufsicht und der STLG eine Vorlage neuer Werbemaßnahmen vor Veröffentlichung abgesprochen. |
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| ee) Darüber hinaus bestehen strukturelle Sicherungen des Systems der Kontrolle der Kontrolle derzeit nicht. Die Ankündigung, dem Monopolisten in seiner Erlaubnis als Nebenbestimmung aufzugeben, mindestens halbjährliche unangekündigte Kontrollen zur Einhaltung des Jugendschutzes und des Spielerschutzes in allen Annahmestellen durchzuführen und der Aufsicht darüber halbjährlich zu berichten, weist in die richtige Richtung, ist aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht umgesetzt worden. Eine Glücksspielerlaubnis für die STLG - mit entsprechender Nebenbestimmung - liegt bislang nicht vor. |
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| ff) Sonstige Informations- oder Berichtspflichten der STLG zu bestimmten Themen bestehen nicht. In der mündlichen Verhandlung wurde zwar von monatlichen Gesprächsrunden über anstehende Probleme berichtet, gleichzeitig zeigte sich aber, dass die Glücksspielaufsicht weder über das aktuelle Wettangebot des Monopolisten noch über den konkreten Bestand der Annahmestellen und die einzelnen Fälle von Beanstandungen bei von der STLG veranlassten Kontrollen informiert war. Vielmehr erklärte der Vertreter des beklagten Landes, dass die Glücksspielaufsicht außerhalb des Bereichs der Werbung grundsätzlich davon ausgehe, dass die STLG sich an die gesetzlichen Vorgaben halte. Die STLG werde gebeten, die Glücksspielaufsicht zu benachrichtigen, wenn rechtliche Probleme auftauchten; sie teile der Aufsicht auf Anfrage Kontrollergebnisse mit. Diese Haltung der Glücksspielaufsicht gegenüber dem Monopolisten ist mit dem Auftrag einer effektiven Überwachung offensichtlich nicht zu vereinbaren. Schon bei einer Kontrolle staatlicher Behörden wäre ein solcher Vertrauensvorschuss unangebracht (vgl. dazu auch Millgramm, DVBl 2008, 821, 827 f., insbes. Fn. 29); dies gilt umso mehr für die Kontrolle der STLG, einer juristischen Person des Privatrechts, die bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März 2006 primär umsatzorientiert gewirtschaftet hat und auch heute als Gesellschaft mit beschränkter Haftung wirtschaftlich handeln muss (siehe nur §§ 17, 19 InsO). Allein die Tatsache, dass das Land 100% der Gesellschaftsanteile hält, legt zwar vereinfachte Kontrollmöglichkeiten nahe, lässt die Überwachungspflichten aber keinesfalls entfallen (vgl. dazu EFTA-Gerichtshof, Urt. Gaming Machines, Rdnr. 51). |
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| gg) Dass die in der mündlichen Verhandlung von den Beklagtenvertretern erwähnten „sporadischen Kontrollen“ des Sportwettenangebots des Monopolisten sowie die 22 vom Referatsleiter persönlich getätigten Testkäufe ohne Bezug zu den von der STLG großflächig angelegten Testkaufserien keine wirksame „Kontrolle der Kontrolle“ darstellen, bedarf keiner näheren Ausführung. |
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| hh) Die Kammer verkennt nicht, dass die STLG gerade mit den Testkaufserien durch Externe einerseits und die Bezirksdirektionen andererseits sowie die Zusatzverträge mit den Verkaufsstellen, die bei Verstößen gegen die gesetzlichen Verpflichtungen aus dem GlüStV und dem AG-GlüStV Sanktionsmöglichkeiten bis zur fristlosen Kündigung des Vertrags vorsehen, Ansatzpunkte für ein System der „Kontrolle der Kontrolle“ geschaffen hat. Ohne durchsetzbare, festgelegte Berichts- und Meldepflichten gegenüber der Glücksspielaufsicht kann aber von einer effektiven Überwachung nicht die Rede sein. |
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| ii) Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse der Testkäufe mit einer Quote von etwa 50% Beanstandungen (so die Auskunft der Vertreter der STLG in der mündlichen Verhandlung; die Ergebnisse des Mystery-Shopping lagen bei einer noch höheren Beanstandungsquote von 62 %) nahelegen, dass dieser Missstand, wie oben ausgeführt, durch das Provisionsmodell strukturell bedingt ist und allein durch ein effektives Überwachungssystem nicht beseitigt werden wird. |
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| Das staatliche Sportwettenmonopol erweist sich auch unter Berücksichtigung des aktuellen Vorbringens des Beklagten und der jetzigen Sachlage weiterhin auch deshalb als derzeit (noch) europarechtswidrig, weil es eine zur Erreichung der Ziele des GlüStV nicht erforderliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt (vgl. Urteile vom 16.04.2008, dort II.3). |
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| Im Termin ist erneut deutlich geworden, dass das staatliche Monopol nur im Bereich der terrestrischen Annahmestellen ein echtes, nämlich gegen illegale Konkurrenz wirklich durchsetzbares Monopol darstellt, hingegen im Bereich des vom Angebot der STLG entsprechend den Vorschriften des GlüStV nicht abgedeckten Sportwettenmarktes im Internet ein sehr großes illegales Sportwettenangebot privater Veranstalter existiert, über das nach Schätzungen zwischen 30 - 50 % des gesamten Sportwettenumsatzes erzielt werden. Ferner hat sich bestätigt, dass dieses private Internetangebot jedenfalls bislang vom Beklagten insbesondere wegen der damit verbundenen rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten noch nicht in nennenswertem Umfang durch Ordnungsverfügungen gegen die Veranstalter bzw. mittels Kooperationsabsprachen mit Banken über eine Drosselung der Finanzierung durch Kreditkartenabbuchungen zurückgedrängt wurde. Damit bleibt es bei dem Grundkonflikt, dass das staatliche Sportwettenmonopol, weil es sich gegenüber dem Internetangebot behaupten muss, nach wie vor einem starken Anreiz ausgesetzt ist, sich ebenso wie private Sportwettenanbieter durch offensive, aktive Werbestrategien zu behaupten, um erklärtermaßen einer Abwanderung von Sportwettenteilnehmern in diesen illegalen Bereich gegenzusteuern. Unverändert geblieben ist auch der Umstand, dass die STLG ihre Sportwetten über ein Vertriebsnetz vermarktet, das sich aus einer Vielzahl umsatzabhängiger privater Annahmestelleninhaber zusammensetzt und sich somit von privaten Sportwettenanbietern hinsichtlich der Anreize zur Missachtung von Spielerschutz- und Suchtbekämpfungsmaßnahmen nicht wesentlich unterscheidet. |
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| Was die Effektivität der Kontrolle und die Durchsetzungsmacht der STLG gegenüber ihren privaten Vertragspartnern im Vertriebsnetz angeht, ist ihr zwar zuzugestehen, dass sie in der Praxis nicht nur die Möglichkeit hat, gegenüber einer Annahmestelle mit rechtlichen Maßnahmen wie Abmahnungen, Vertragsstrafen oder fristloser Kündigung einzuschreiten, sondern diese darüber hinaus auch rein tatsächlich direkt durch Abkoppelung der Annahmestelle von der zentralen computergestützten Sportwettenannahme und -vermittlung aus ihrem Vertriebsnetz nehmen kann, wenn es zu Schwierigkeiten kommt, was die staatliche Aufsichtsbehörde gegenüber privaten Sportwettenveranstalten nicht tun könnte. Allerdings ist dem entgegenzuhalten, dass sich ein Annahmestelleninhaber auch gegen ein solches schlichtes Abkoppeln vom Vertriebsnetz ohne weiteres vor den ordentlichen Gerichten mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Wehr setzen könnte, da auch ein faktisches Abkoppeln vom Vertriebsnetz gegen den Annahmestellenvertrag verstoßen würde, wenn es grundlos erfolgt bzw. der Anlass bestritten wird. Unter diesem Aspekt wäre die faktische Durchsetzungsmacht zwar größer als gegenüber Sportwettenvermittlern, die an andere Sportwettenanbieter als die STLG vermitteln, aber letztlich auch nicht wieder so signifikant größer, dass sich hieraus die Erforderlichkeit eines staatlichen Monopols begründen ließe. |
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| Es mag auch zutreffen, dass es für die staatliche Aufsichtsbehörde einen geringeren Aufwand darstellt, lediglich das Werbekonzept eines einzigen staatlichen Sportwettenmonopolisten zu kontrollieren anstatt die Werbekonzepte von drei bis vier großen überregional auftretenden internationalen Sportwettenanbietern zu prüfen. Andererseits erfordert die Kontrolle der Werbung noch den geringsten Aufwand im Rahmen der gesamten Kontrolltätigkeit, denn in der Regel wird es sich um nur wenige gleichlautende Plakate, Werbespots oder Hinweiszettel handeln, die sich relativ leicht und schnell auf Verstöße gegen die Werbeeinschränkungen aus dem GlüStV kontrollieren lassen. |
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| Wie das vorgelegte Sozialkonzept des Verbands der Europäischen Wettunternehmer (VEWU) zeigt, sind diese auch durchaus bereit, sich freiwillig Beschränkungen hinsichtlich der Gewinnausschüttungsquote, der Art und des Zuschnitts der Sportwettenangebote und der Ausgestaltung ihrer Wettbüros aufzuerlegen, ein System der Spielersperre zu installieren, einen Sicherungsfond gegen Insolvenzausfälle einzurichten und Jugendlichen konsequent den Zugang zu verweigern, so dass es ihnen gegenüber jedenfalls nicht einer stärkeren und dichteren staatlichen Kontrolle als gegenüber den privaten Annahmestelleninhabern der STLG bedürfte. |
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| Was die Kriminalitätsrisiken und Betrugsgefahren angeht, hat das beklagte Land selbst eingeräumt, dass diese nicht an erster Stelle der Ziele stehen, mit denen das staatliche Monopol zu rechtfertigen ist. Das insoweit nach den europarechtlichen Vorgaben darlegungsbelastete Land hat es auch nicht vermocht, zur Frage negativer bisheriger Erfahrungen mit den privaten Betreibern legaler Glücksspiele (Pferdewetten, Geldspielautomaten, Spielcasinos) sowie mit den privaten Annahmestelleninhabern der STLG hinsichtlich der Kriminalitätsbelastung aussagekräftigen Angaben zu machen. Es mag zwar sein, dass es in diesem Bereich Dunkelziffern gibt und dass die Anzeigefreudigkeit von Kriminalitätsopfern gering ist, die sich im Bereich illegaler Glücksspiele womöglich wegen eigener Teilnahme nach § 285 StGB strafbar machen würden. Hier aber geht es um legale Glücksspielbereiche, die obendrein seit Jahrzehnten von Privaten betrieben werden, so dass bei wirklichen Missständen zu erwarten wäre, dass entsprechende Kriminalitätsbelastungen zumindest ansatzweise bekannt geworden wären. Dafür fehlt hier aber jeder Anhaltspunkt. Zwar mag immerhin ein gewisser Anteil der mit Untersagungsverfügungen landesweit geschlossenen ca.700 privaten Sportwettenbüros selbst nach Bestätigung der Untersagungsverfügungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Vermittlungstätigkeit tatsächlich nicht aufgegeben und sich damit als nicht rechtstreu bzw. mit Blick auf § 284 StGB womöglich sogar als kriminell erwiesen haben. Das besagt aber nicht, dass ein staatliches Monopol erforderlich ist, um mit dem Sportwettenbetrieb verbundene Kriminalitätsgefahren zu bekämpfen. |
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| Noch einmal zu bestätigen ist schließlich, dass das Sportwettenmonopol mangels systematischer und kohärenter Zielverfolgung auch EG-wettbewerbswidrig ist. (vgl. dazu bereits Urteil vom 16.4.2008, unter II.4.). Der Einwand des beklagten Landes, die Ausführungen der Kammer in den Urteilen vom 16.4.2008 ließen nicht erkennen, welcher Bezug der Wettbewerbsvorschriften zum subjektiven Recht des jeweiligen Klägers bestehe bzw. es werde übersehen, dass die Wettbewerbsvorschrift des Art. 82 EG sich nicht an den Staat, sondern an Unternehmen richte, greift nicht durch. |
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| Die Prüfung des Sportwettenmonopols erfolgt am Maßstab des Art. 86 EG. Adressaten von Art. 86 Abs. 1 EG sind ausschließlich die Mitgliedstaaten und nicht die Unternehmen selbst, für die wiederum direkt nur Art. 81 und 82 EG gelten. Den Mitgliedsstaaten stehen Hoheitsträger im Staatsgebiet, insbesondere die Gebietskörperschaften gleich. Gerade im Bereich von - wie hier - Dienstleistungsmonopolen gelangt Art. 86 EG in Verbindung mit den Wettbewerbsregeln zur Anwendung (Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2007, B. Art. 86 im System des EG-Vertrags, Rnrn. 55, 56; von Burchard, in: Schwarze, EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 49 Rnr. 87 [unter Hinweis darauf, dass der EuGH offenbar Art. 86 Abs. 2 EG gegenüber Art. 49 EG als speziellere Vorschrift ansehe] und Art. 86 Rnr. 11). Die Tatsache, dass Art. 86 Abs. 1 EG die Existenz von Unternehmen voraussetzt, die bestimmte besondere oder ausschließliche Rechte innehaben, ist nicht dahin zu verstehen, dass alle besonderen und ausschließlichen Rechte notwendigerweise mit dem EG-Vertrag vereinbar sind. Dies hängt vielmehr von den Vertragsvorschriften ab, auf die Art. 86 Abs. 1 EG verweist (so zu Art. 90 Abs. 1 EG-Vertrag: EuGH, Urt. v. 19.3.1991 - C-202/88 - [Telekommunikations-Endgeräte], Leitsatz 2; von Burchard, a.a.O., Art. 86, Rnr. 27). Zu den zu beachtenden Vorschriften gehören - soweit vorliegend bedeutsam - insbesondere der ausdrücklich in Art. 86 Abs. 1 EG genannte Art. 82, ferner aber gerade auch die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr (EuGH, Urt. v. 18.6.1991 - C-260/89 [ERT], Rnr. 27). Dem Anwendungsbereich des Art. 86 EG unterfallen folglich auch Maßnahmen eines Mitgliedstaats (hier: Inkraftsetzen einer Gesetzesbestimmung), mit denen er eine Lage schafft, in der das bevorrechtigte Unternehmen schon durch die bloße Ausübung des übertragenen Rechts (hier: monopolartige Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten) zwangsläufig gegen den Vertrag verstoßen muss (EuGH, Urt. v. 11.12.1997 - C-55/96 [Job Centre] - Rnr. 29; von Burchard, a.a.O., Art. 86 Rnr. 37). Ein wettbewerbswidriges Verhalten der STLG muss sich damit aber das beklagte Land zugleich als unzulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zurechnen lassen (so auch von Burchard, a.a.O., Art. 49 Rnr. 88), worauf sich der jeweilige grundfreiheitsberechtigte Kläger wiederum für den Erfolg seiner Klage berufen kann. |
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| Die angefochtene Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums ist auch insoweit rechtswidrig und aufzuheben, als sie die Vermittlung von Sportwetten an solche Veranstalter untersagt, die im Bundesgebiet ansässig sind. Zwar vermittelte der Kläger in der Vergangenheit Sportwetten nur an einen in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen und dort konzessionierten Sportwettenveranstalter. Die angefochtene Verfügung untersagt aber darüber hinaus umfassend auch jede Vermittlungstätigkeit für im Bundesgebiet ansässige Sportwettenveranstalter. Eine solche Dienstleistung ohne grenzüberschreitenden Bezug wird vom Schutz der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG nicht erfasst. Ob die Verfügung insoweit bereits deshalb rechtlichen Bedenken unterliegt, weil die Ermittlungen und Feststellungen, die zum Erlass der Verfügung führten, keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Vermittlung an einen im Bundesgebiet ansässigen privaten Veranstalter ergaben, kann offen bleiben. Denn jedenfalls leidet die Verfügung an einem zu ihrer Rechtswidrigkeit führenden Ermessensfehler. Da das staatliche Sportwettenmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung keine rechtmäßige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedsstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, soweit sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne der Art. 55, 48 EG erfolgen. Auf derartige Wettvermittlungen beschränkte sich die bisherige Tätigkeit des Klägers. Vor diesem Hintergrund kann das beklagte Land das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel, landesweit die Vermittlung von Sportwetten an private Veranstalter zu unterbinden, weil es diese Tätigkeit wegen des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält, nicht mehr verwirklichen. Der terrestrische Vertrieb von Sportwetten betrifft in ganz erheblichem Umfang Sportwettenveranstalter, die im EU-Ausland ansässig sind, weil sie ihr Sportwettengeschäft auch über terrestrische Annahmestellen abwickeln. Entfällt demnach derzeit für das beklagte Land die Möglichkeit, die Vermittlung von Sportwetten an im EU-Ausland ansässige Sportwettenveranstalter zu unterbinden, bedarf es im Rahmen der Ermessensausübung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV tragfähiger Erwägungen, die ein Einschreiten gegen die Sportwettenvermittlung im Inland rechtfertigen, obwohl die weit umfangreichere grenzüberschreitende Vermittlung ins EU-Ausland hingenommen werden muss. Solche Erwägungen finden sich weder in der angefochtenen Untersagungsverfügung noch sind sie bisher vorgetragen worden. |
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| Der Kläger ist nicht Angehöriger eines Mitgliedsstaats, sondern Drittstaatsangehöriger. Drittstaatsangehörige können sich grundsätzlich nicht auf Art. 49 EG berufen. Von der Möglichkeit des Art. 49 Satz 2 EG, die Dienstleistungsfreiheit auf in der Gemeinschaft ansässige Drittstaatsangehörige auszudehnen, wurde - soweit ersichtlich - bislang kein Gebrauch gemacht (vgl. Schwarze, EU-Kommentar, 1. Auflage 2000, Art. 49 EGV, RdNr. 36). Ob im vorliegenden Fall der persönliche Geltungsbereich des Art. 49 EG im Wege eines Assoziierungsabkommens auf Drittstaatsangehörige ganz oder teilweise erstreckt wurde, erscheint fraglich, kann aber offen bleiben. Die angefochtene Untersagungsverfügung erweist sich nämlich auch dann als rechtswidrig, wenn sich der Kläger nicht auf Art. 49 EG berufen kann. |
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| Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV steht es im Ermessen des Regierungspräsidiums, die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür zu untersagen. Auf den einzelnen Fall bezogene Ermessenserwägungen enthält die angefochtene Untersagungsverfügung nicht. Vielmehr schreitet das Regierungspräsidium landesweit gegen jeden privaten Sportwettenvermittler mit Untersagungsverfügungen ein, weil es dessen Tätigkeiten aufgrund des staatlichen Sportwettenmonopols für unerlaubt hält. Da dieses in seiner derzeitigen Ausgestaltung jedoch keine gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt und deshalb gemeinschaftsrechtswidrig ist, müssen - jedenfalls bis zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung - Wettvermittlungen an in EU-Mitgliedstaaten ansässige und dort konzessionierte Sportwettenveranstalter vom beklagten Land hingenommen werden, wenn sie durch Unionsbürger oder in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaften im Sinne von Art. 55, 48 EG erfolgen. Mit einem Einschreiten ausschließlich gegen Sportwettenvermittlungen durch im Bundesgebiet ansässige Drittstaatsangehörige lässt sich das mit den Untersagungsverfügungen verfolgte Ziel nicht erreichen, landesweit die Vermittlung von Sportwetten durch Private zu unterbinden, um auf diese Weise die Spielleidenschaft zu begrenzen und die Spielsucht zu bekämpfen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Unterbindung grenzüberschreitender Sportwettenvermittlungen in das EU-Ausland ausschließlich gegenüber Drittstaatsangehörigen mit dem bei der Ermessensausübung zu wahrenden Gleichbehandlungsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (vgl. hierzu OVG Saarland, Beschl. v. 25.04.2007 - 3 W 24/06 - juris). |
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