Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 16. Juni 2015 - 25 K 3099/14
Gericht
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Parteien es übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Der Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 3. April 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24. Oktober 2014 wird aufgehoben, soweit für das Jahr 2011 Vergnügungssteuer festgesetzt worden ist, die den Betrag von 21.925,80 Euro übersteigt; soweit für die Jahre 2012 und 2013 Vergnügungssteuer festgesetzt worden ist, die pro Jahr 27.865,80 Euro übersteigt und soweit Vorauszahlungen für das Jahr 2014 festgesetzt worden sind, die den Betrag von 27.865,80 Euro übersteigen.Der Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 26. Januar 2015 wird aufgehoben, soweit Vergnügungssteuer festgesetzt worden ist, die den Betrag von 28.029,00 Euro übersteigt.
Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 72 % und die Beklagte zu 28 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin betreibt unter der Anschrift L. , B. -U. -Straße 4 eine gewerbliche Zimmervermietung.
3Mit Schreiben vom 29. Oktober 2013 teilte die Beklagte mit, der Betrieb der Klägerin unterfalle der Vergnügungssteuersatzung vom 22. März 2011; die aufgeführte Quadratmeterzahl sei anhand der Baupläne ermittelt worden (u. a. Summe Kellergeschoss 208,40 qm; Summe Erdgeschoss 258,23 qm und Summe Obergeschoss 35,87 qm); weiterhin seien der Berechnung 365 Veranstaltungstage zugrunde gelegt worden. Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 15. November 2013 zusammengefasst im Wesent-lichen, Flächen seien genannt, die nicht unter die Vergnügunssteuersatzung fielen. Die imObergeschoss gelegenen Umkleideräume und das Bad müssten herausgenommen werden; sie seien nur den weiblichen Gästen zugänglich. Ebenso entfielen die im Untergeschoss gelegenen Umkleideräume für die männlichen Gäste und die dort gelegenen Duschen. Weiterhin entfalle das Solarium als zur Besteuerung relevante Fläche; sexuelle Aktivitäten seien in diesem nicht möglich. Als Fläche, auf denen tatsächlich sexuelle Vergnügungshandlungen stattfänden, scheide der gesamte Wellnessbereich aus; ebenso wenig könnten die Flächen Wintergarten und Theke zur Berechnung herangezogen werden. Vier Zimmer stünden den Gästen mangels Kundenfrequenz jeweils an Sonntagen, Montagen und Dienstagen nicht zur Verfügung; dies reduziere die relevante Fläche erheblich. Der Betrieb habe am 24. und 31. Dezember jeweils geschlossen, somit seien lediglich 363 Tage pro Jahr anzusetzen. Die sich abzeichnenden Steuern könnten ferner von dem Unternehmen wirtschaftlich nicht getragen werden.
4Am 10. Februar 2014 fand eine Ortsbesichtigung der Beklagten in der Betriebsstätte der Klägerin statt, bei welcher die Räumlichkeiten und deren Nutzung im Einzelnen in Augenschein genommen wurden; auf die diesbezüglichen Unterlagen des Ortstermins mit den entsprechenden Flächeneintragungen in den Bauplänen wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 26. Februar 2014 hörte die Beklagte die Klägerin erneut zu der beabsichtigten Festsetzung der Vergnügungssteuer an. In diesem Zusammenhang wurde u. a. ausgeführt, die Liegefläche im Außenbereich vor dem Wellnessbereich sei bei der Berechnung berücksichtigt; hierfür sei jeweils die Hälfte der entsprechenden jährlichen Öffnungstrage zugrunde gelegt worden. Das Zelt im Außenbereich sei mit 363 Öffnungstagen angerechnet. Auf die beigefügte Berechnung der Steuer wird verwiesen.
5Mit Vergnügungssteuerbescheid vom 3. April 2014 setzte die Beklagte die Vergnügungssteuer für den Betrieb der Klägerin ab dem 1. Januar 2011 für die Jahre 2011 bis 2013 auf jeweils den jährlichen Steuerbetrag von 37.425,30 Euro fest; für das Jahr 2014 wurden Vorauszahlungen in Höhe von ebenfalls 37.425,30 Euro erhoben. Dem jährlichen Steuerbetrag liegt zugrunde der Innenbereich mit einer Gesamtfläche von 486,49 qm mit 363 Veranstaltungstagen / Jahr, der Außenbereich Liegefläche von 43,20 qm mit 181,50 Veranstaltungstagen / Jahr und der Außenbereich – Lounge mit Zelt – von 55,80 qm und 363 Veranstaltungstagen / Jahr. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Anlage 1 des Vergnügungssteuerbescheids vom 3. April 2014 zur Berechnung der Vergnügungssteuer Bezug genommen. Dieser Vergnügungssteuer-bescheid wurde der Klägerin am 7. April 2014 zugestellt.
6Der Heranziehung liegt zugrunde die Satzung über die Erhebung von Vergnügungssteuer sowie über die Erhebung einer Steuer auf gezielte Einräumung von Gelegenheiten zu sexuellen Vergnügungen in der Stadt L. vom 22. März 2011 (im Folgenden Sexsteuersatzung 2011) – öffentlich bekannt gemacht in der O. –H. Zeitung vom 28. März 2011 und der Westdeutschen Zeitung vom 28. März 2011 –, die gemäß § 15 Sexsteuersatzung 2011 zum 1. April 2011 in Kraft getreten ist.
7§ 1 Abs. 2 – Steuergegenstand – der Sexsteuersatzung 2011 lautet wie folgt:
8„Desweiteren unterliegt der Betrieb von Bars, Bordellen, Swinger-Clubs und sonstigen Einrichtungen, die der Prostitution dienen, im Stadtgebiet der Stadt L. der Besteuerung.“
9§ 7 – Besteuerung nach der Größe des benutzten Raums – Sexsteuersatzung 2011 hat u. a. folgenden Inhalt:
10„(1) ………….. Für die Veranstaltungen nach § 1 Abs. 2 ist die Steuer grundsätzlich nach der Größe des benutzten Raums zu erheben. Die Größe des Raums berechnet sich nach dem Flächeninhalt der für die Veranstaltung und die Teilnehmer bestimmten Räume einschließlich des Schankraums, aber ausschließlich der Küche, Toiletten u. ä. Nebenräumen. Entsprechendes gilt für Veranstaltungen im Freien.(2) Die Steuer beträgt je Veranstaltungstag und angefangene 10 qm Veranstaltungsfläche in geschlossenen Räumen 2,00 Euro. Bei Veranstaltungen im Freien beträgt die Steuer 0,60 Euro je Veranstaltungstag und angefangene 10 qm Veranstaltungsfläche. Endet eine Veranstaltung erst am Folgetag, wird ein Veranstaltungstag für die Berechnung zugrunde gelegt …………………. .“
11Die Klägerin hat am 7. Mai 2014 Klage gegen den Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 3. April 2014 – zugestellt am 7. April 2014 – erhoben.
12Mit Vergnügungssteuerbescheid – Änderungsbescheid – vom 24. Oktober 2014 ermäßigte die Beklagte den vorherigen Vergnügungssteuerbescheid vom 3. April 2014 um insgesamt 11.868,00 Euro. Diese Herabsetzung beruht zum einen darauf, dass die Sexsteuersatzung 2011 erst mit Wirkung vom 1. April 2011 in Kraft getreten ist, so dass eine Berechnung der Steuer auch erst ab diesem Zeitpunkt hätte erfolgen dürfen – die Absetzung für das Jahr 2011 beträgt 9.690,00 Euro. Für die Erhebungszeiträume 2012, 2013 und Vorauszahlungen 2014 ermäßigt sich die Jahressteuerschuld um jeweils 726,00 Euro, weil der Innenbereich von bisher 486,49 qm auf 479,95 qm neu berechnet wurde, indem die Umkleideräume im Obergeschoss Umkleide I (15,84 qm), welche ausschließlich den angestellten Damen der Klägerin zugänglich sind, aus der Berechnung herausgenommen und die Umkleide II (9,3 qm) aufgenommen wurde, da diese den Kunden zur Verfügung steht – Flächenminderung 6,54 qm.
13Mit Vergnügungssteuerbescheid vom 26. Januar 2015 zog die Beklagte die Klägerin zu Vergnügungssteuer für das Jahr 2015 in Höhe von 36.471,00 Euro heran; dabei wird der Innenbereich mit 479,95 qm und 365 Veranstaltungstragen / Jahr zugrunde gelegt, derAußenbereich I mit 43,20 qm und 39 Veranstaltungstagen sowie der Außenbereich II mit 55,80 qm und 365 Veranstaltungstagen. Auf die beigefügte Berechnung im Einzelnen wird verwiesen. Zur Begründung führte die Beklagte desweiteren aus, für die Veranlagung der Liegefläche im Außenbereich seien die statistischen Auswertungen des Deutschen Wetterdienstes herangezogen worden; hiernach zeichnete die Wetterstation in Düsseldorf in den Jahren 1981 bis 2010 durchschnittlich 39 Sonnentage auf.
14Dem Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 26. Januar 2015 liegt zugrunde die Satzung über die Erhebung einer Steuer auf Vergnügungen sexueller Art in der Stadt L. vom 22. Dezember 2014 (Sexsteuersatzung 2014), die gemäß § 12 Sexsteuersatzung 2014 zum 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist. § 1 – Steuergegenstand – der Sexsteuersatzung 2014 lautet u.a. wie folgt:
15I „Der Besteuerung unterliegen die im Gebiet der Stadt L. veranstalteten nachfolgenden Vergnügungen (Veranstaltungen): ………………………………………………………………….
16(2) die gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen in Bars, Sauna-, FKK- und Swinger-Clubs sowie ähnlichen Einrichtungen.“
17§ 2 – Steuerschuldner – Sexsteuersatzung 2014 hat u.a. folgenden Inhalt:
18„(1) Steuerschuldner ist der Unternehmer der Veranstaltung (Veranstalter).“
19§ 3 – Besteuerung nach der Größe des benutzten Raumes – Sexsteuersatzung 2014 trifft u. a. folgende Bestimmungen:
20„(1) Für die Veranstaltungen nach § 1 Nr. 1 und 2 ist die Steuer nach der Größe des benutzten Raumes zu erheben. Die Größe des Raumes berechnet sich nach dem Flächeninhalt der für die Veranstaltung und die Teilnehmer bestimmten Räume einschließlich des Schankraumes, aber ausschließlich der Küche, Toiletten u. ä. Nebenräumen. Entsprechendes gilt für Veranstaltungen im Freien.(2) Die Steuer beträgt je Veranstaltungstag und angefangene 10 qm Veranstaltungsfläche in geschlossenen Räumen 2,00 Euro. Bei Veranstaltungen im Freien beträgt die Steuer 0,60 Euro je Veranstaltungstag und angefangene 10 qm Veranstaltungsfläche. Endet eine Veranstaltung erst am Folgetrag, wird ein Veranstaltungstag für die Berechnung zugrunde gelegt. …………………………………………………… .“
21Die Klägerin hat gegen den Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 26. Januar 2015 am 19. März 2015 Klage erhoben und zugleich beantragt, ihr gegen die Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Be-gründung des Wiedereinsetzungsantrags wird auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 16. März 2015 sowie die Eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten N. C. vom 16. März 2015 Bezug genommen.
22Zur Begründung der Klage führt die Klägerin zusammengefasst im Wesentlichen aus, die Berechnung hinsichtlich des Vergnügungssteuertatbestandes dürfe nur auf Flächen bezogen werden, auf denen auch tatsächlich Vergnügungshandlungen stattfänden, deshalb falle der Außenbereich aus der steuerlichen Berechnung. Für den Innenbereich seien zu Unrecht 363 Veranstaltungstage für die gesamte Fläche zugrunde gelegt, denn den Gästen stünden mangels Kundenfrequenz jeweils an Sonntagen, Montagen und Dienstagen 4 Zimmer nicht zur Verfügung; insgesamt entfielen auf diese 4 Zimmer 56,34 qm. Bei 52 Wochen im Jahr entfielen also 156 Tage auf die reduzierte Veranstaltungsfläche. Ausweislich der zugrunde liegenden Sexsteuersatzungen seien Küche, Toilette u. ä. Räume nicht in die Flächenberechnung einzubeziehen; damit habe die Beklagte Räumlichkeiten ausgenommen, die nach ihrer Nutzungsart nicht in die gezielte Einräumung von Gelegenheiten zu sexuellen Vergnügungen einbezogen würden. Zu diesen ähnlichen Nebenräumen i. S. d. Sexsteuersatzungen seien die Umkleiden zu rechnen, die Duschen, die Essensausgabe, die Fläche Erweiterung / Aufenthalt sowie Bad. Zudem entfalle der gesamte Wellnessbereich; ebenso wenig könnten die Flächen Wintergarten und Theke zur Berechnung herangezogen werden. Der Bereich der Essensausgabe sei als reine Funktionsfläche der Küche vergleichbar. Die unter der Position Erweiterung / Aufenthalt aufgeführte Fläche bestehe aus mehreren Funktionsflächen wie Bürobereich, Empfang, EDV-Standplätze, Regale für Bademäntel, Musikanlage, Geldwechsler und Stahlschrank. Schließlich entfalteten die erlassenen Steuerbescheide erdrosselnde Wirkung. Die im Durchschnitt zu erzielenden Eintrittspreise ließen es nicht zu, die Steuer auf den Kunden abzuwälzen. Der Standort erfahre ferner aus verkehrstechnischer Sicht einen erheblichen Wettbewerbsnachteil. Wegen des großen Wettbewerbsumfangs sei es unmöglich, die Preise in einer Weise zu erhöhen, dass die Vergnügungssteuerbeträge insbesondere für die zurückliegende Zeit durch Einnahmen aufgebracht werden könnten. Im Übrigen wird die wirtschaftliche Situation durch Schriftsatz vom 10. April 2015 erläutert.
23Die Parteien haben das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit durch Vergnügungssteuer – Änderungsbescheid – vom 24. Oktober 2014 eine Ermäßigung um insgesamt 11.868,00 Euro erfolgt ist.
24Die Klägerin beantragt,
25den Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 3. April 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24. Oktober 2014 und den Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 26. Januar 2015 aufzuheben.
26Die Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen,
28wobei sie mit umfänglichen rechtlichen Erwägungen zur Rechtmäßigkeit der Sexsteuersatzungen vorträgt. Insbesondere macht sie geltend, bei der Heranziehung zu erfassen sei die gesamte Fläche, die bei typisierender Betrachtung den Club in seiner Gesamtheit ausmache. Hierzu gehörten nicht nur Flächen, auf denen sexuelle Handlungen stattfänden, sondern auch Flächen, die beispielsweise der Kontaktaufnahme dienten oder insgesamt betrachtet die Attraktivität des Etablissements steigerten. Hierzu gehörten insbesondere auch der Wellnessbereich, die Theke und der Außenbereich. Im Falle der Klägerin machten insbesondere auch der Wellnessbereich, der Wintergarten und der Außenbereich die Attraktivität des gesamten Etablissements aus. Eine Kontaktaufnahme sei gerade in diesen Bereichen durchaus möglich. Die von der Klägerin genannten Flächen Aufenthalt / Erweiterung seien in die Berechnung nicht mit einbezogen worden. Als Maßstab für die Erdrosselungswirkung sei ein durchschnittlicher Betreiber zugrunde zu legen, da Art. 12 GG keinen Bestandsschutz für die Fortsetzung einer unwirtschaftlichen Betriebsführung gewährleiste. Dass es vorliegend zu einer hohen Steuerfestsetzung gekommen sei, liege an der Festsetzung ab dem Jahr 2011. Die Klägerin könne sich aber nicht darauf berufen, von einer solchen Steuer nichts gewusst zu haben, da die Satzung öffentlich bekanntgemacht worden sei. Grundsätzlich bestehe die Möglichkeit einer Stundung.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
30Entscheidungsgründe:
31Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO, nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2015 für den Fall des – erfolgten – Widerrufs des Vergleichs auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet haben.
32Soweit die Parteien das Verfahren teilweise in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
33Die Klage hat in dem in der Tenorierung ausgesprochenen Umfang Erfolg.
34Dabei erweist sich die Klage insgesamt als zulässig. Allerdings ist hinsichtlich des Vergnügungssteuerbescheids vom 26. Januar 2015 die einmonatige Klagefrist abgelaufen, weil die Zustellung dieses Bescheids ausweislich der Angaben der Klägerinam 27. Januar 2015 erfolgte und die Klageschrift erst am 19. März 2015 bei Gericht einging. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Klagefrist gewährt. Dem Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin ist stattzugeben. Gemäß § 60 Abs. 1 VwGO ist jemandem, der ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert war, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wobei der Klägerin ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen wäre. Vorliegend war der Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden gehindert, die Klagefrist einzuhalten. Dies ergibt sich aus den glaubhaften Angaben in dem Wiedereinsetzungsantrag vom 16. März 2015 sowie der Eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachange-stellten N. C. . Dies zugrunde gelegt liegt weder ein Anwaltsverschulden noch ein anwaltliches Organisationsverschulden vor.
35Die Klage ist entsprechend der Tenorierung teilweise begründet.
36Zunächst ist der angefochtene Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 26. Januar 2015 insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit darin ein Betrag festgesetzt worden ist, der 28.029,00 Euro übersteigt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist der angefochtene Bescheid, soweit er die Klägerin zur Zahlung von Vergnügungssteuer für den Veranlagungszeitraum 2015 heranzieht, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
37Dieser Vergnügungssteuerbescheid findet die Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung einer Steuer auf Vergnügungen sexueller Art in der Stadt L. vom 22. Dezember 2014 (Sexsteuersatzung 2014), die zum 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist. Diese Sexsteuersatzung 2014 der Beklagten ist in einem ordnungsgemäßen Verfahren beschlossen und bekanntgemacht worden; Bedenken insoweit sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
38Die Erhebung der Vergnügungssteuer für die gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen ist mit höherrangigem Recht vereinbar. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Prostitution besteuerbar ist; ebenfalls ist geklärt, dass die Erhebung der Vergnügungssteuer grundsätzlich mit Art. 105 Abs. 2 a GG in Einklang steht,
39vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Juni 2005 – 14 B 143/05 –, juris, Rn. 6.
40Der Betrieb der Klägerin bildet einen Gewerbebetrieb, in dem die Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen eingeräumt wird; die Räumlichkeiten werden Prostituierten zur Verfügung gestellt, die dort ihrer gewerblichen Tätigkeit nachgehen und sexuelle Dienstleistungen anbieten. Der Betrieb der Klägerin unterfällt mithin – dies wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt – dem Steuergegenstand des § 1 Nr. 2 Sexsteuersatzung 2014.
41Der Steuermaßstab des § 3 Abs. 1 Sexsteuersatzung 2014, wonach für die Veranstaltungen nach § 1 Nr. 2 die Steuer nach der Größe des benutzten Raums zu erheben ist, ist rechtswirksam.
42Die Veranstaltungsfläche ist ein tauglicher Steuermaßstab. Das OVG NRW hat diesbezüglich in seinem Beschluss vom 30. August 2012 – 14 A 1753/12 – (juris, Rn. 8 ff.) ausgeführt:
43„Das Vorbringen der Klägerin enthält keine Darlegungen, aus denen folgt, dass der von der Beklagten verwendete Steuermaßstab nach der Größe des benutzten Raumes zu beanstanden wäre. Bei der hier in Rede stehenden Sexsteuer handelt es sich um eine Aufwandsteuer, mit dem der Aufwand des sich sexuell Vergnügenden besteuert wird. Da eine konkrete Besteuerung des Aufwandes des sich Vergnügenden, insbesondere des vergnügenden Freiers, praktisch nicht möglich ist,
44Baden‑Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2011 - 2 S 196/10 -, KStZ 2011, 231 (233),
45kann die Steuer pauschal bei dem Veranstalter des Vergnügens erhoben werden. Ein solches Recht zur Pauschalierung hat die Beklagte in Anspruch genommen.
46In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass fehlende technische Möglichkeiten die Wahl eines Besteuerungsmaßstabes rechtfertigen können, mit dem der Vergnügungsaufwand nur pauschal erfasst wird, soweit ein zumindest lockerer Bezug zum individuellen Vergnügungsaufwand besteht.
47Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2011 ‑ 9 B 78.10 -, http://www.Bundesverwaltungsgericht.de, Rn. 5 m. w. N.
48Der Satzungsgeber ist dabei nicht gehalten, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Ihm steht vielmehr ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der erst dann überschritten wird, wenn ein einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt und die Steuererhebung daher willkürlich wäre.
49Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 ‑ 1 BvL 8/05 -, NVwZ 2009, 968 (971), Urteil des Senats vom 23. Juni 2010 - 14 A 597/09 -, NRWE Rn. 68.
50Es ist plausibel, dass, je mehr Raum für die gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen zur Verfügung steht, ihn auch destomehr Personen gleichzeitig nutzen können. Außerdem kann die Größe des zur gezielten Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen zur Verfügung gestellten Raumes auch ein Merkmal großzügig gehobenerer Ausstattung sein, die sich in einem tendenziell höheren Aufwand zur Erlangung des Vergnügens niederschlägt. Die Größe des genutzten Raums ist deshalb als zulässiger Vergnügungssteuermaßstab seit langem üblich und anerkannt.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2004 ‑ 9 C 3.03 -, NVwZ 2004, 1128 (1130).“
52Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.
53Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Sexsteuersatzung 2014 berechnet sich die Größe des Raums nach dem Flächeninhalt der für die Veranstaltung und die Teilnehmer bestimmten Räume einschließlich des Schankraums, aber ausschließlich der Küche, Toiletten und ähnlichen Nebenräumen. Zu der Veranstaltungsfläche zählen damit nicht nur die von den Prostituierten genutzten Zimmer, sondern auch die sonstigen Räume, die der Anbahnung der sexuellen Kontakte dienen,
54vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Juni 2012 – 14 B 552/12 –, juris, Rn. 13; Beschluss vom 30. B. 2012 – 14 A 1753/12 –, juris, Rn. 22.
55Das OVG NRW hat in dem Beschluss vom 30. August 2012 – 14 A 1753/12 – betont, entgegen der Auffassung der Klägerin seien bei der Fläche für die Veranstaltung nicht nur die Zimmer, in denen die geschlechtsbezogenen Handlungen zwischen Freier und Prostituierten stattfinden, zu berücksichtigen, sondern auch die übrigen Flächen der von der Klägerin betriebenen Einrichtung, in denen Anbahnungen zwischen Prostituierten und Freiern stattfinden. Auch diese Flächen stehen für die gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Handlungen zur Verfügung und werden von den Freiern zur Erlangung des sexuellen Vergnügens in Anspruch genommen. Die Wellness- und Aufenthaltsflächen machen den Charakter des Etablissements aus, werden von den Besuchern und Prostituierten genutzt und gehören damit zu der Veranstaltungsfläche.
56Die Klägerin stützt sich für ihre Auffassung, dass diese Räume nicht versteuert werden dürften, maßgeblich auf das Urteil des VG Stuttgart vom 10. Dezember 2009 – 8 K 3904/09 –, welches bei einem „Laufhaus“ die Flächen des Kontakthofes sowie einer Cafeteria als nicht der Besteuerung unterliegend bewertet hatte. Dieses Urteil ist indes insoweit vom VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 23. Februar 2011 – 2 S 196/10 – aufgehoben worden. Der VGH Baden-Württemberg hat insoweit ausgeführt:
57„Der unmittelbare sexuelle Kontakt zwischen Prostituierten und Kunden findet zwar nur in den einzelnen Zimmern statt. Bei einer sinnorientierten Gesamtschau gehören zur Veranstaltungsfläche jedoch auch die Bereiche desKontakthofs und der Cafeteria. Gerade diese Flächen machen den besonderen Charakter des hier zu beurteilenden Bordells aus und tragen damit zur Attraktivität der vergnügungssteuerpflichtigen Veranstaltung bei. Die Kombination verschiedener Servicebereiche und Aufenthaltsmöglichkeiten soll die Kunden anziehen und ist deshalb untrennbar mit den (verbesserten) Geschäftschancen der Prostituierten verbunden. Typischerweise kann erwartet werden, dass das hier zu beurteilende Bordell wegen seiner besonderen Attraktivität mehr Besucher aufweist bzw. höhere Preise von den Besuchern verlangen kann als eine Einrichtung, die diese Servicebereiche nicht anbietet. Die höhere Umsatzerwartung der Klägerin und dementsprechend der höhere Aufwand der Veranstaltungsbesucher lässt sich danach bei typisierender Betrachtung auch auf die Flächen des Kontakthofs und der Cafeteria zurückführen, weshalb sich die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Aufspaltung der Einrichtungsflächen verbietet. Würde man den Ansatz des Verwaltungsgerichts konsequent zu Ende denken, müsste man auch innerhalb der Zimmer zwischen Bett und den übrigen Flächen differenzieren; eine solche Vorgehensweise kann nicht ernstlich in Betracht kommen.“
58Dies gilt in gleicher Weise auch hier.
59Vorgenanntes Urteil des VGH BW ist durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. März 2012 – 9 B 57/11 – bestätigt worden.
60Allerdings stellt die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 Sexsteuersatzung 2014 darauf ab, dass nicht einzubeziehen sind die Küche, Toiletten und ähnliche Nebenräume. Der satzungsrechtliche Begriff der „ähnlichen Nebenräume“ kann im Rahmen der Auslegung hinreichend konkretisiert werden. Unter diesen Begriff fallen Räume, die weder der sexuellen Betätigung im engeren Sinne noch der Anbahnung der sexuellen Kontakte dienen. Die konkrete Auslegung dieser Bestimmung hat sich an den ausgenommenen Beispielsfällen wie der Küche und der Toiletten zu orientieren, wobei sich der Satzungsgeber als Normgeber eventuelle Unklarheiten zurechnen lassen muss. Bei der so gebotenen sinnorientierten Gesamtschau sind nach Auffassung der Einzelrichterin als ähnliche Nebenräume aus der Veranstaltungsfläche heraus zu rechnen die Bereiche Umkleide I, Umkleide II, Dusche I, Dusche II – jeweils im Kellergeschoss –, Umkleide II, Bad – im Obergeschoss – und der Bereich der Essensausgabe im Erdgeschoss, da die Essensausgabe der aus der Veranstaltungsfläche auszunehmenden Küche gleichzustellen ist. Vorstehende Räumlichkeiten dienen weder der sexuellen Betätigung im engeren Sinne noch der Anbahnung der sexuellen Kontakte und orientieren sich an den in der Satzung beispielhaft aufgezählten Nebenräumen wie der Küche und der Toiletten. Dies führt für den Innenbereich zu einer Fläche von 385,06 qm (im Gegensatz zu 479,95 qm), so dass sich für den Innenbereich eine Steuerschuld in Höhe von 28.470,00 Euro errechnet (39 x 2,00 x 365). Hinzuzurechnen sind – entsprechend dem Vergnügungssteuerbescheid vom 26. Januar 2015 – der Außenbereich I und II.
61§ 3 Abs. 2 Vergnügungssteuersatzung 2014 enthält die Regelung, dass die Steuer je Veranstaltungstag und angefangene 10 qm Veranstaltungsfläche in geschlossenen Räumen 2,00 Euro beträgt, wobei der Flächeninhalt der für die Veranstaltung und die Teilnehmer bestimmten Räume maßgeblich ist. Bei dieser Ausgestaltung der Satzungsbestimmung sind als Fläche nur die Zimmer in Ansatz zu bringen, die tageweise tatsächlich an die Prostituierten vermietet und damit dem Publikum zugänglich sind. Der Steuermaßstab (Flächeninhalt der für die Veranstaltung und die Teilnehmer bestimmten Räume) ist je Veranstaltungstag anzuwenden, deshalb sind tägliche Einzelveran-staltungen anzunehmen mit der Folge, dass auch die jeweils täglich für das Publikum bestimmte Fläche maßgebend ist und damit täglich variieren kann. Räume sind dann nicht täglich für die Veranstaltung und die Teilnehmer bestimmt, wenn sie – wie im Fall der Klägerin – den Kunden jeweils an Sonntagen, Montagen und Dienstagen nicht zur Verfügung stehen. Zu der Auslegung einer derartigen Satzungsbestimmung verhält sich das Urteil des OVG NRW vom 11. Dezember 2013 – 14 A 1948/13 –, das wesentlich darauf abstellt, dass der Steuermaßstab je Veranstaltungstag anzuwenden ist und demnach tägliche Einzelveranstaltungen anzunehmen sind. Dabei legt die Einzelrichterin die Angaben der Klägerin zugrunde, wonach jede Woche 56,34 qm an Veranstaltungsfläche entfallen, dies an 156 Tagen im Jahr. In Abzug zu bringen ist mithin ein weiterer Betrag von 1.872,00 Euro (6 qm x 2 x 156 Tage). Damit errechnet sich eine Vergnügungssteuerschuld der Klägerin für das Jahr 2015 in Höhe von 28.029,00 Euro.
62Die Klägerin ist Steuerschuldnerin gemäß § 2 Abs. 1 Sexsteuersatzung 2014. Nach dieser Vorschrift ist der Unternehmer der Veranstaltung Steuerschuldner. Die Klägerin ist Unternehmerin der Veranstaltung „gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen“ in der von ihr betriebenen, dem Steuertatbestand unterfallenden Einrichtung. Als Betreiberin dieses Betriebs weist sie zu dem Steuergegenstand des Konsumaufwands des sich in einer zu sexuellem Vergnügen bestimmten Einrichtung Vergnügenden die notwendige enge Beziehung auf,
63vgl. zu Vorstehendem OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 14 A 1948/13 –.
64Vorstehende Ausführungen gelten für die Rechtmäßigkeit des Vergnügungssteuer-bescheids der Beklagten vom 3. April 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24. Oktober 2014 entsprechend, soweit die Veranlagung die Jahre 2012 und 2013 sowie die Vorauszahlungen 2014 betrifft. Zugrunde liegt insoweit die Satzung über die Erhebung von Vergnügungssteuer sowie über die Erhebung einer Steuer auf gezielte Einräumung von Gelegenheiten zu sexuellen Vergnügungen in der Stadt L. vom 23. März 2011 (Sexsteuersatzung 2011). Deren Regelungen in § 1 Abs. 2 – Steuergegenstand –, § 3 – Steuerschuldner – und § 7 – Besteuerung nach der Größe des benutzten Raumes – entsprechen den Regelungen der Sexsteuersatzung 2014. Die Beklagte hat der Veranlagung für vorgenannte Zeiträume 363 Veranstaltungstage / Jahr zugrunde gelegt – dies ist zu übernehmen. Für den Innenbereich ergibt sich mithin eine Steuerschuld von 28.314,00 Euro (39 x 2 x 363), abzuziehen sind wiederum 1.872,00 Euro, hinzuzurechnen1.306,80 Euro (Außenbereich II). Für den Außenbereich I setzt die Einzelrichterin nicht den von der Beklagten genannten Betrag von 544,50 Euro – beruhend auf 181,5 Veranstaltungstagen / Jahr – an, sondern den Betrag aus der Heranziehung 2015 in Höhe von 117,00 Euro – beruhend auf 39 Veranstaltungstagen / Jahr –. Insofern ist überzeugend, dass für die Veranlagung der Liegefläche im Außenbereich die statistischen Auswertungen des Deutschen Wetterdienstes maßgebend sind, wonach sich durchschnittlich 39 Sommertage ergeben, in denen die Liegefläche genutzt wird. Für die Jahre 2012, 2013 und 2014 ergibt sich mithin eine jährliche Steuerschuld der Klägerin von 27.865,80 Euro (28.314,00 Euro + 117,00 Euro + 1.306,80 Euro – 1.872,00 Euro).
65Die Heranziehung für das Jahr 2011 folgt vorstehenden Erwägungen, wobei statt 363 Tage 273 Tage zugrunde zu legen sind. Dies ergibt für den Innenbereich eine Steuerschuld in Höhe von 21.294,00 Euro (39 x 2 x 273), abzüglich 468,00 Euro wegen nicht benutzter Zimmer (6 x 2 x 39 Tage), zuzüglich 117,00 Euro Außenbereich I und zuzüglich Außenbereich II 982,80 Euro (6 x 0,60 x 273). Die für das Jahr 2011 seitens der Klägerin geschuldete Vergnügungssteuer beträgt mithin 21.925,80 Euro; die gesamte Steuerlast für die Jahre 2011, 2012, 2013, 2014 und 2015 133.552,20 Euro.
66Der verfassungsrechtliche Begriff der Aufwandsteuer, soweit sie indirekt erhoben wird, gebietet die Abwälzbarkeit der Steuer. Diese Abwälzbarkeit der Steuer vom Steuerschuldner auf den Steuerträger hat aber nicht zum Inhalt, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten werden muss, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag – etwa wie einen durchlaufenden Posten – von dem von der Steuernorm ins Auge gefassten Steuerträger auch ersetzt erhalten. Es genügt vielmehr die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerschuldner den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und die hiernach zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen – Preiserhöhung, Umsatzsteigerung oder Senkung der Kosten – treffen kann. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt,
67vgl. zum Vorstehenden OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 14 A 1948/13 –.
68Die Abwälzbarkeit setzt nicht voraus, dass der Unternehmer die Steuer im Voraus exakt berechnen kann. Vielmehr ist entscheidend, dass er die abzuführende Steuer anhand langfristiger Erfahrungs- und Durchschnittswerte verlässlich kalkulieren kann. Diese Überwälzung ist hier möglich, weil die Klägerin die Steuer in den Mietpreis der Zimmer, die sie den Prostituierten zur Verfügung stellt, einkalkulieren kann oder in den von den Freiern erhobenen Preis. Die Klägerin kann die Steuer auch unmittelbar auf die Steuerträger abwälzen, indem sie einen Eintritt für den Besuch des Etablissements verlangt. Dies alles unterliegt der Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen den drei beteiligten Personengruppen der Einrichtungsbetreiberin, der Prosituierten und der Kunden. Zwar ist die Klägerin erst durch Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 3. April 2014 auchfür die zurückliegenden Jahre 2011, 2012 und 2013 zur Vergnügungssteuer veranlagt worden, sie konnte die zu erwartende Steuerschuld aber in ihre Kalkulation einbeziehen, da die Sexsteuersatzung 2011 am 28. März 2011 öffentlich bekannt gemacht wurde und die Klägerin mithin entsprechende Rückstellungen bilden konnte. Rechnet man die für das Jahr 2015 zu zahlende Vergnügungssteuer von 28.029,00 Euro auf den Tag um, ergibt sich ein täglich zu zahlender Betrag von 76,79 Euro. Dies wiederum umgerechnet auf die 15 Zimmer, die sich im Betrieb der Klägerin befinden, errechnet sich ein Betrag von 5,12 Euro pro Tag pro Zimmer, wobei die Zimmer mehrfach am Tag von der Summe der Kunden aufgesucht werden, so dass eine geringfügige Preiserhöhung verbliebe.
69Die Rechtmäßigkeit der Steuererhebung wird letztlich nicht unter dem Gesichtspunkt der Erdrosselungswirkung der Steuer infrage gestellt. Eine erdrosselnde Steuer verletzt die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG. Das ist dann der Fall, wenn die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage wären, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen. Daraus folgt, dass es nicht auf die wirtschaftliche Situation der Klägerin ankommt,
70vgl. OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 14 A 1948/13 –.
71Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, kann die Vergnügungssteuer im Regelfall durch das Entgelt der Prostituierten bzw. der Kunden erwirtschaftet werden. Dass es zu einer Heranziehung für die Klägerin in solcher Höhe kommt, liegt nicht an einer Erdrosselungswirkung der Steuer, sondern an der Veranlagung für mehrere Jahre, auf die sich die Klägerin einstellen konnte. Für eine steuerbedingte Tendenz zum Absterben der Bordellbranche in L. ist kein Anhaltspunkt ersichtlich. Der in den Sexsteuersatzungen 2011 und 2014 normierte Satz von 2,00 Euro je Veranstaltungstag und angefangene 10 qm Veranstaltungsfläche liegt deutlich unter den der Kammer bekannten Steuersätzen anderer Gemeinden, bei denen ebenfalls erdrosselnde Wirkung verneint wurde (Duisburg 6,50 Euro; Oberhausen 3,00 Euro). Der VGH BW hat in dem bereits benannten Urteil vom 23. Februar 2011 – 2 S 196/10 – ausgeführt, ein Steuersatz von 8,00 Euro / qm der Veranstaltungsfläche sei auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Steuer den Charakter einer unzulässigen Erdrosselungssteuer nicht erhalten dürfe, nicht zu beanstanden.
72Letztendlich wird ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht dadurch begründet, dass Sexsteuer in anderen Städten nicht erhoben wird und dadurch möglicherweise ein Wettbewerbsnachteil für die Klägerin entsteht. Die hier erhobene Aufwandsteuer ist im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz nur an den Verhältnissen im Satzungsgebiet zu messen,
73vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. März 2010 – 14 A 544/09 –.
74Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben,entspricht es billigem Ermessen, die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, weil sie durch teilweise Aufhebung des angegriffenen Vergnügungssteuerbescheids vom 3. April 2014 dem Begehren der Klägerin nachgekommen ist.
75Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.
(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.