Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 19. Juli 2016 - 19 K 6935/15
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Juli 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2015 verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII durch Übernahme der Kosten für die Beschulung durch die Web Individualschule vom 1. August 2015 bis zum 31. Juli 2016 zu bewilligen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Beklagte zu 85 % und der Kläger zu 15 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.2001 geborene Kläger wurde zum Schuljahresbeginn 2007/2008 in der Grundschule G. im Stadtgebiet der Beklagten eingeschult. Zu Beginn des Schuljahres 2010/2011 wechselte der Kläger auf die Grundschule U. und wiederholte dort die dritte Klasse. Erstmals im Oktober 2011 wurden beim Kläger ein Asperger Syndrom (ICD-10: F84.5) sowie eine Feinmotorikstörung (ICD-10: F82.1) und Grobmotorikstörung (ICD-10: F82.0) diagnostiziert. Der Kläger wurde sodann im Januar 2012 der Spezialambulanz für Autismus Spektrum Störungen in der M. Klinik C. vorgestellt. Dort wurde die Diagnose Asperger Syndrom bestätigt und die Diagnose Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem aufsässigem Verhalten (ICD-10: F91.3) gestellt. Später kamen – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – die Diagnosen Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung (ICD-10: F92.0), kombinierte Störungen schulischer Fähigkeiten (ICD-10: F81.3), eine abnorme Hörempfindung/Hyperakusis (H93.2) sowie Anorexie (ICD-10: R63.0) hinzu. Zum Schuljahresbeginn 2012/2013 wechselte der Kläger auf die Realschule I. . Seit Sommer 2012 erhielt der Kläger eine von der Beklagten bewilligte Autismustherapie in der heilpädagogischen Praxis E. . Im Januar 2013 stellte die Bezirksregierung E1. einen sonderpädagogischen Förderbedarf mit den Förderschwerpunkten Hören und Kommunikation sowie emotionale und soziale Entwicklung fest. Dem gemeinsamen Unterricht an der Realschule I. wurde zugestimmt. Im Februar 2013 wechselte der Kläger auf das M1. Gymnasium im Stadtgebiet der Beklagten. Während dieser Zeit verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Klägers. Nach den Angaben seiner Mutter zeigte er zu Hause depressive Verhaltensweisen und äußerte suizidale Absichten. Nachdem die Eltern des Klägers gegenüber der Beklagten erfolglos die Übernahme der Kosten für eine Beschulung an der I1. Schule in N. geltend gemacht hatte, wechselte der Kläger im laufenden Schuljahr 2013/2014 aufgrund einer Eigeninitiative der Eltern des Klägers ohne Mitwirkung der Beklagten sodann auf die B. G1. Schule, eine Förderschule für körperliche und motorische Entwicklung in L. . Mit Bescheid vom 23. Juni 2014 änderte die Bezirksregierung E1. den sonderpädagogischen Förderbedarf des Klägers entsprechend ab. Die Autismustherapie wurde auf Wunsch der Eltern des Klägers nicht fortgeführt. Nachdem es im Frühjahr/Sommer 2014 zu einer (erneuten) Verschlechterung des Zustands des Klägers mit der Folge hoher Fehlzeiten in der Schule kam, befürwortete die Mutter des Klägers eine Beschulung durch die Web Individualschule C1. . Der Vater des Klägers sprach sich zu diesem Zeitpunkt indes für eine weitere Beschulung durch die B. G1. Schule aus. Nach der Durchführung eines familiengerichtlichen Verfahrens einigten sich die Eltern des Klägers darauf, die Beschulung an der B. G1. Schule bei gleichzeitiger – von der Beklagten bewilligten – Therapie im Autismus Therapie Zentrum L. fortzuführen. Im Hilfeplangespräch am 1. Dezember 2014 wurde festgestellt, dass der Besuch der B. G1. Schule weiterhin problematisch sei und es zu hohen Fehlzeiten des Klägers komme. Im Hilfeplangespräch vom 18. März 2015 wurde zwar darauf hingewiesen, dass der Besuch der Schule etwas regelmäßiger erfolge (etwa die Hälfte der regulären Schulzeit), weiterhin aber an dem Ziel der Integration gearbeitet werden müsse. Insbesondere die Leistungen des Klägers hätten nachgelassen, so dass unter aktuellen Voraussetzungen die Versetzung in die Klasse neun gefährdet sei. Nach den Osterferien 2015 besuchte der Kläger die Schule nicht mehr und legte entsprechende ärztliche Atteste vor. Am 23. April 2015 beantragten die Eltern des Klägers für diesen die Übernahme der Kosten für die Beschulung durch die Web Individualschule C1. . In einem Gutachten vom 6. Mai 2015 stellte die Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin C2. fest, der Besuch der B. G1. Schule habe beim Kläger zu Schlafstörungen und einem pathologischen Essverhalten mit deutlicher Gewichtsabnahme, die dringend gestoppt werden müsse, geführt. Ein Schulbesuch sei wegen depressiver Verhaltensstörung psychisch nicht möglich. Der Besuch einer Internetschule sei medizinisch notwendig und sinnvoll. Auch der Leiter des Autismus Therapie Zentrums L. , Herr M2. , hielt im Kurzbericht vom 8. Mai 2015 fest, dass eine weitere Beschulung nicht mehr vertretbar sei. Seit der Information, dass die Versetzung des Klägers gefährdet sei, weise dieser schwere depressive Symptome einschließlich Suizidalität und Abmagerung auf. Gegebenenfalls sei nach psycho- und physischer Stabilisierung der Versuch der Reintegration in der Schule denkbar.
3Am 1. Juni 2015 begann der Unterricht an der Web Individualschule. In einem ersten Kurzbericht vom 1. Juli 2015 wurde festgestellt, dass der Kläger in allen Fächern überwiegend sehr gute Ergebnisse erziele. Vereinzelt habe er Probleme mit offenen Fragestellungen, seine Motivation sei insgesamt sehr hoch.
4Mit Bescheid vom 19. Juni 2015 ordnete die Bezirksregierung L. das Ruhen der Schulpflicht des Klägers bis zum 31. Juli 2016 an. Mit Bescheid vom 7. Juli 2015 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Web Individualschule ab. Die Beschulung wirke dem Ziel, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und der Entwicklung von mehr Selbstständigkeit, entgegen. Grundlage für die Hilfe sei nach wie vor das Hilfeplangespräch am 18. März 2015 und die darin festgelegten Ziele.
5Den am 20. Juli 2015 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass die Integration an der B. G1. Schule gescheitert sei und die im Hilfeplangespräch vom 18. März 2015 getroffenen Vereinbarungen nicht Grundlage für den Ablehnungsbescheid sein könnten, da wesentliche Veränderungen seitdem eingetreten seien (lebensbedrohliche Gewichtsabnahme, depressive Stimmung bis zu Suizidgedanken).
6Der den Kläger seit Ende Juli 2015 psychotherapeutisch behandelnde Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie Dr. F. stellte unter dem 2. September 2015 fest, dass momentan keine Beschulung im Rahmen einer Schule selbst mit Schulbegleiter möglich sei. Es bestünden massive Ängste und Zwänge des Klägers sowie ein sozialer Rückzug. Die Internetschule sei momentan die einzige gangbare Möglichkeit.
7Unter dem 29. September 2015 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 7. Juli 2015 zurück. Der Antrag auf die Übernahme der Kosten für die Web Individualschule sei nicht so rechtzeitig gestellt worden, dass eine pflichtgemäße Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen möglich gewesen sei. Die Web Beschulung schränke den Aktionsrahmen für den Kläger, die Möglichkeit der Begegnung und Auseinandersetzung mit anderen Jugendlichen und Erwachsenen stark ein. Einen lebensbedrohlichen Gewichtsverlust, Depression und Suizidgedanken mit dem Wechsel der Schule zu therapieren und nicht an einen stationären Klinikaufenthalt zu denken, lenke den Blick auf die Erziehungsverantwortlichen und ihr eigenes Sozialsystem. Die Beschulung durch die Webschule bedeute, den Kläger in die Isolation im mütterlichen Haushalt vor den PC zu führen. Dies widerspreche offensichtlich dem Grundgedanken der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, der Auseinandersetzung mit Mitschülern, Lehrern, zunehmende selbstständige Erweiterung des eigenen Sozialraumes. Insgesamt gehe es im Rahmen der geeigneten und notwendigen Eingliederungshilfe nicht um die Beschulung. Viel wichtiger seien die Erziehungssignale, in einem schwierigen sozialen Umfeld, sich den Herausforderung zu stellen, Misserfolge zu nutzen, neue Ressourcen mithilfe der Fachkräfte, die vorhanden waren und es noch sind, zu erarbeiten. Es sollte dringend über eine stationäre Diagnostik unter Einbezug der Schule als Teilaspekt gesprochen und entschieden werden. Die massiven körperlichen und psychischen Warnsignale des Klägers seien ernst zu nehmen und müssten psychiatrisch abgeklärt werden. Auch sollte ein Wechsel auf eine Internatsschule mit einem speziellen Angebot für Asperger Autisten kein Tabuthema sein. Alle Hilfsangebote, die mehr soziale Kontakte schaffen, seien zu prüfen und mit sämtlichen Beteiligten zu eruieren.
8Der Kläger hat am 15. Oktober 2015 Klage erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen ergänzend zu seinem bisherigen Vortrag aus, eine alternative Form der Beschulung als durch die Web Individualschule komme derzeit für ihn nicht in Betracht.
9Der Kläger beantragt,
10den Bescheid vom 7. Juli 2015 und den Widerspruchsbescheid vom 29. September 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII durch Übernahme der Kosten für die Beschulung durch die Web Individualschule vom 1. Juni 2015 bis zum 31. Juli 2016 zu bewilligen,
11festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Rahmen des Widerspruchsverfahrens notwendig war.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen die Gründe aus dem Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, durch die Beschulung werde eine Verfestigung der Isolation des Klägers befürchtet, was der angestrebten Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft widerspreche, die auch durch die Autismustherapie erreicht werden solle.
15Im Lernstandsbericht der Web Individualschule von November 2015 heißt es, dass der Kläger in den ersten sechs Monaten eine schwankende Motivation gezeigt habe. Aktuell sei die Motivation jedoch sehr hoch. Bei weiterem positiven Verlauf bestünde keine Sorge bezüglich des angestrebten Abschlusses (Fachoberschulreife). Im Entwicklungsbericht des Autismus Therapie Zentrums L. vom 20. November 2015 heißt es, dass sich zunächst nach dem Beginn der Beschulung durch die Web Individualschule eine Verbesserung des allgemeinen Zustands des Klägers gezeigt habe. Dann sei es zu einer deutlichen Verschlechterung des Gesamtzustandes gekommen, insbesondere zwanghafte Verhaltensweisen hätten im Zusammenhang mit einer festen Zahnspange zugenommen.
16Ende des Jahres begann der Kläger sich aktiv in der Flüchtlingshilfe zu engagieren. Im Hilfeplangespräch vom 23. November 2015 wurde festgestellt, dass der Kläger viel Lernstoff bei der Webschule aufgeholt habe. Es wurde protokolliert: „Gingen die Beteiligten im März 2015 noch davon aus, dass es gemeinsam gelingen könnte S. wieder an den normalen Unterricht der B. G1. Schule heranzuführen, ist dies inzwischen überholt und muss als gescheitert angesehen werden.“ Als Hauptziel der Hilfe wurde nun die Heranführung an den normalen Schulbetrieb einer öffentlichen Schule festgehalten, wofür ein längerer Zeitraum von zwei Jahren als erforderlich angesehen wurde.
17Nach der erfolgreichen Durchführung eines auf die vorläufige Übernahme der Kosten für die Web Individualschule gerichteten Eilrechtsschutzverfahrens, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Dezember 2015 dem Kläger ab dem 1. Dezember 2015 bis zum 31. Juli 2016 vorläufig Leistungen der Jugendhilfe nach § 35a SGB VIII.
18Nach dem Bericht des Autismus Therapie Zentrums L. vom 6. Mai 2016 sei es Anfang des Jahres aufgrund massiver Spannungen im häuslichen Kontext, der festen Zahnspange und einer neuen Lehrerin zu einer krisenhaften Verschlechterung gekommen. Im Ergebnis habe sich alles wieder stabilisiert. Seine schulische Perspektive beurteile der Kläger wechselhaft. Die Beschulung an einer Förderschule sei aus Sicht des Therapeuten zum jetzigen Zeitpunkt nur mit längerer Vorbereitungszeit erfolgversprechend. Aus therapeutischer Sicht sei der sinnvollste Weg, einen ersten Abschluss auf der Web Individualschule zu machen und danach die weitere Schullaufbahn zu planen.
19Im Hilfeplangespräch vom 9. Mai 2016 wurde festgestellt, der Kläger erarbeite sich in der Web Individualschule gute Leistungen und engagiere sich zunehmend selbstständig in der Flüchtlingshilfe. Die Beziehung zu seinen Eltern habe sich entspannt. Alle Beteiligten hielten an dem langfristigen Ziel einer Beschulung in einer öffentlichen Schule fest. Es sei verfrüht darüber zu sprechen, wie diese konkret aussehen könne. Hauptziel sei es, den Kläger an den normalen Schulbetrieb einer öffentlichen Schule heranzuführen. Hier sei ein längerer Zeitraum, vielleicht auch zwei Jahre, notwendig.
20Mit Bescheid vom 22. Juni 2016 ordnete die Bezirksregierung L. das weitere Ruhen der Schulpflicht des Klägers vom 1. August 2016 bis zum 31. Juli 2017 an.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, den der Akte des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens 19 L 3071/15 einschließlich der dort beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, sowie den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe
23I. Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
24Der Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2015 und der Widerspruchsbescheid vom 29. September 2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in Verbindung mit § 36a Abs. 3 SGB VIII einen Anspruch auf Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der für die Beschulung durch die Web Individualschule entstandenen Kosten für die Zeit vom 1. August 2015 bis zum 31. Juli 2016 in Höhe von 9.444,00 Euro.
25Da der Kläger am 1. Juni 2015 mit der Beschulung durch die Web Individualschule C1. ohne vorherige positive Entscheidung über die Hilfegewährung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe begonnen hat, liegt ein Fall der unzulässigen Selbstbeschaffung vor, bei der vor dem Hintergrund des Entscheidungsprimats des Jugendamtes (§ 36a Abs. 1 SGB VIII) grundsätzlich kein Anspruch auf Ersatz der hierfür getätigten Aufwendungen besteht. Nach § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 – 3 SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für Hilfen, die abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft wurden, nur dann verpflichtet, wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf (rechtzeitig) in Kenntnis gesetzt hat (1.), die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (2.) und die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (3.).
261. Die Eltern des Klägers haben die Beklagte als Träger der öffentlichen Jugendhilfe hier vor der Selbstbeschaffung gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII über den Hilfebedarf nicht rechtzeitig in Kenntnis gesetzt. Das "Inkenntnissetzen" umfasst grundsätzlich eine Beantragung der begehrten Jugendhilfeleistungen, wobei für einen solchen Antrag keine besondere Form vorgeschrieben ist und er auch in der Form schlüssigen Verhaltens gestellt werden kann.
27Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. August 2014 – 12 A 3019/11 –, juris Rn. 38 ff. mit Verweis u.a. auf BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2011 - 5 B 43.10 -, juris.
28Von einem rechtzeitigen Inkenntnissetzen ist dann auszugehen, wenn der Antrag in zeitlicher Hinsicht so gestellt wurde, dass der Jugendhilfeträger – vor Beginn der begehrten Hilfemaßnahme – zur pflichtgemäßen Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen in der Lage ist.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, juris.
30Das Jugendhilferecht ist nämlich kein Recht der reinen Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen, sondern verpflichtet den Träger der Jugendhilfe zur partnerschaftlichen Hilfe. Nur so kann der Jugendhilfeträger seiner Gesamtverantwortung im Sinne des § 97 SGB VIII und seiner Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2, 3 SGB VIII gerecht werden.
31Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. August 2014 – 12 A 3019/11 –, juris Rn. 38 ff.
32Dies zugrunde gelegt erfolgte der von den Eltern des Klägers am 23. April 2015 gestellte Antrag auf Übernahme der Kosten für die Beschulung durch die Web Individualschule deshalb nicht rechtzeitig, weil selbst bei Annahme einer straffen Verfahrensführung der Beklagten für eine pflichtgemäße Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen Zeit bis zu Beginn des Schuljahres 2015/2016 am 1. August 2015, siehe § 7 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW, zuzubilligen war. Zuzubilligen sind dem Jugendhilfeträger unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles – insbesondere vor dem Hintergrund noch einzuholender fachärztlicher und ggf. schulischer Stellungnahmen – für die pflichtgemäße Prüfung eines Antrags auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in der Regel drei bis vier Monate.
33So auch die Entscheidung OVG NRW, Urteil vom 16. November 2015 – 12 A 1639/14 –, juris, in der bei einem am 11. April 2012 gestellten Antrag auf Eingliederungshilfe von der Zulässigkeit der Selbstbeschaffung ab dem darauffolgenden Schuljahr im August 2012 ausgegangen wurde.
34Eine (analoge) Anwendung der Bearbeitungsfrist des § 14 Abs. 2 Satz 2 bzw. 4 SGB IX von zwei bzw. bei Einholung eines Gutachtens vier Wochen gilt mangels der Eigenschaft des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe für die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Rahmen der Jugendhilfe als Rehabilitationsträger im Sinne von § 14 SGB IX nicht,
35vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2005 – 5 C 18/04 –, juris Rn. 27.
36Insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei der hier geltend gemachten Hilfeleistung um Ersatz für die in Zeitabschnitte – Schul(halb)jahre – zu unterteilende Beschulung an einer öffentlichen Schule handelt, die im Übrigen in den Schulferien vom 29. Juni bis 11. August 2015 nicht stattfand, war hier der Beklagten nicht zuzumuten, vor dem 1. August 2015 eine den verfahrensrechtlichen Anforderungen aus § 36 Abs. 2 SGB VIII entsprechende Entscheidung zu treffen,
37so im Ergebnis auch im hiesigen Eilverfahren OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2015 – 12 B 1289/15 –, juris Rn. 36.
38Trotz der Tatsache, dass zwischen den Beteiligten das Vorliegen einer seelischen Störung und einer Teilhabebeeinträchtigung aufgrund zahlreicher fachärztlicher Stellungnahmen unstreitig war, so war der Beklagten hier zumindest ein ausreichender Zeitraum zuzubilligen, um eigene Feststellungen zu treffen und dem Kläger auf der Grundlage des sich ergebenden Gesamtbildes im Rahmen eines Planungsprozesses eine seinem Förderungsbedarf entsprechende Schule vorzuschlagen. Da für die Ermittlung des konkreten Hilfebedarfs und konkreter Hilfemöglichkeiten die Beklagte auch auf das Mitwirken sowohl des Klägers bzw. dessen Eltern, ggf. der bisherigen B. G1. Schule, sowie anderer Schulen oder etwa auch des Schulamtes angewiesen war, erscheint ein kürzerer Zeitraum – insbesondere auch vor dem Hintergrund, das erst am 19. Juni 2015 die Bezirksregierung L. das Ruhen der Schulpflicht anordnete und damit neue Tatsachen schaffte – unangemessen. Darauf, ob die Beklagte hier auch tatsächlich den gesamten Prüfungszeitraum für sich beansprucht, kommt es nicht an.
39Dass der Kläger mit dem Besuch der Web Individualschule seit dem 1. Juni 2015 vollendete Tatsachen geschaffen hat, steht der Annahme einer rechtzeitigen Antragstellung im Hinblick auf das am 1. August 2015 beginnende Schuljahr 2015/2016 nicht entgegen, da bei Jugendhilfemaßnahmen, die in zeitliche Abschnitte unterteilt werden können, auch im Falle einer ursprünglich unzulässigen Selbstbeschaffung ein Anspruch für einen nachfolgenden Zeitabschnitt in Betracht kommt, wenn die Selbstbeschaffung nachträglich zulässig geworden ist.
40Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. November 2015 – 12 A 1639/14 –, juris Rn. 84 ff.
41Auf eine unzulässige Selbstbeschaffung kann sich das Jugendamt für derartige Zeiträume nicht mehr berufen. Denn diese führt lediglich dazu, dass für den davon betroffenen Zeitraum keine Kostenerstattung in Betracht kommt; sie hat indes nicht zur Konsequenz, dass der Anspruch auch für zukünftige Zeitabschnitte ausgeschlossen ist. Insoweit enthob auch eine etwaige – von der Beklagten vermutete – Festlegung des Klägers auf die Web Individualschule die Beklagte nicht von der ihr nach dem SGB VIII obliegenden Verpflichtung zur zeitgerechten Überprüfung des Anspruchs des Klägers,
42vgl. in einem ähnlichen Fall: OVG NRW, Urteil vom 16. November 2015 – 12 A 1639/14 –, juris Rn. 87.
432. In dem hier maßgeblichen Zeitraum haben auch im Sinne des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe nach § 35a SGB VIII vorgelegen. Mit der im Nachhinein noch erreichbaren Sicherheit ist davon auszugehen, dass der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VIII in Verbindung mit § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschulung an der Web Individualschule zur Erreichung einer angemessenen Schulbildung besessen hat.
44a. Insoweit setzt § 35a Abs. 1 SGB VIII voraus, dass die seelische Gesundheit des Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für seinen Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Bei kumulativen Vorliegen beider Voraussetzungen geht das Gesetz von einer "seelischen Behinderung" aus (vgl. § 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII), wobei es ausreicht, wenn der Betreffende von einer solchen Behinderung bedroht ist.
45Dass der Kläger nach den vorliegenden fachärztlichen Diagnosen - insbesondere dem diagnostizierten Asperger Syndrom - an einer seelischen Störung im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII leidet, die zu einer fortwährenden Teilhabebeeinträchtigung im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII führt, drängt sich nach dem in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten Werdegang des Klägers auf. Das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 35a SGB VIII ist auch nicht von der Beklagten in Frage gestellt worden.
46b. Der Besuch der Web Individualschule stellt sich bei dieser Ausgangslage auch bis zum 31. Juli 2016 als erforderliche und geeignete Maßnahme der Eingliederungshilfe dar. Nach § 35a Abs. 3 SGB VIII richten sich Aufgabe und Ziel der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie die Art der Leistungen nach § 53 Abs. 3 und 4 Satz 1 sowie den §§ 54, 56 und 57 SGB XII, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden. Dementsprechend erhalten nach § 35a Abs. 3 SGB VIII in Verbindung mit § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII seelisch behinderte Kinder Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung.
47Grundsätzlich obliegt die Entscheidung darüber, welche die geeignete und notwendige Hilfe ist, dem Jugendhilfeträger, dem bei dieser ein Beurteilungsspielraum zusteht, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Entscheidung stellt das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses dar, das nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation zu enthalten hat, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Die gerichtliche Kontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet worden sind, ob sachfremde Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt wurden,
48vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. August 2015 – 12 B 598/15 –, juris Rn. 2.
49Hat demgegenüber das Jugendamt nicht rechtzeitig oder nicht in einer den vorgenannten Anforderungen entsprechenden Weise über die begehrte Hilfeleistung entschieden, können an dessen Stelle die Betroffenen den sonst der Behörde zustehenden nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Davon ist hier auszugehen, weil die sowohl im Bescheid vom 7. Juli 2015 und im Widerspruchsbescheid vom 29. September 2015 enthaltende Begründung dafür, die Beschulung durch die Web Individualschule als Eingliederungshilfemaßnahme sei nicht erforderlich (aa.) und geeignet (bb.), weder nachvollziehbar noch fachlich vertretbar ist.
50aa. Die pauschal gehaltenen Ausführungen im Widerspruchsbescheid, es sollte dringend über eine stationäre Diagnostik unter Einbezug der Schule als Teilaspekt gesprochen und entschieden werden, da die massiven körperlichen und psychischen Warnsignale des Klägers ernst zu nehmen seien und psychiatrisch abgeklärt werden, tragen die Annahme, die Web Beschulung sei nicht erforderlich, nicht. Denn die stationäre Diagnostik – selbst wenn vorübergehend der Besuch einer Klinikschule möglich wäre – stellt gerade keine mit dem Antrag verfolgte Hilfe zur angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII in Verbindung mit § 35a Abs. 3 SGB VIII dar. Außerdem wird nicht plausibel dargelegt, welche Erkenntnis eine stationäre Diagnostik bringen sollte. Auch der Hinweis im Widerspruchsbescheid, ein Wechsel auf eine Internatsschule mit einem speziellen Angebot für Asperger Autisten dürfe kein Tabuthema sein, stellt die Erforderlichkeit der Beschulung durch die Web Individualschule nicht in Frage. Zum einen hat die Beklagte keine konkrete Internatsschule benannt, die in Kenntnis des gegebenen Beeinträchtigungsbild des Klägers, insbesondere vor dem Hintergrund der ruhenden Schulpflicht und des festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfs, aufnahmebereit wäre. Zum anderen hätte die Beklagte sich auch mit den aktuellen, die Schulfähigkeit in Frage stellenden fachärztlichen Stellungnahmen, namentlich der der Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin C2. vom 6. Mai 2015 und der des Leiters des Autismus Therapie Zentrums L. , Herr M2. , vom 8. Mai 2015 auseinandersetzen müssen, die sich gegen eine weitere Beschulung an einer (öffentlichen) Schule aussprachen. Dies berücksichtigt, hätte es der Beklagten – wollte sie sich auf den Standpunkt stellen, eine Beschulung sei durch die Web Individualschule nicht erforderlich – oblegen, eine dem Beeinträchtigungsbild des Klägers angemessen Rechnung tragende Perspektive für eine erfolgreiche Beschulung aufzuzeigen.
51bb. Die Begründung des Ablehnungsbescheids vom 7. Juli 2015 und die des Widerspruchbescheides vom 29. September 2015 sind auch im Hinblick auf die Feststellung der Ungeeignetheit der Beschulung durch die Web Individualschule nicht nachvollziehbar und fachlich vertretbar. Es ist nicht nachvollziehbar, dass infolge des Unterrichts durch die Web Individualschule die soziale Isolation des Klägers verschärft würde. Dass der Kläger im Schuljahr 2015/16 keine (staatlich anerkannte) Schule besuchte, war nicht dadurch bedingt, dass er durch die Web Individualschule unterrichtet wurde, sondern beruhte darauf, dass mit Bescheid vom 19. Juni 2015 das Ruhen seiner Schulpflicht bis zum 31. Juli 2016 festgestellt wurde. Inwieweit in dieser Situation der Unterricht durch die Web Individualschule, der immerhin den - internetgestützten - Kontakt zu den dortigen Lehrpersonen erfordert, die soziale Isolation des Klägers verschärfen soll, ist nicht erkennbar. Ganz im Gegenteil scheint sich die außerschulische soziale Situation des Klägers seit der Beschulung durch die Web Individualschule insgesamt verbessert zu haben. So engagiert sich der Kläger zum Beispiel zunehmend selbstständig in der Flüchtlingshilfe und das Verhältnis zu seinen Eltern, insbesondere zu seinem Vater, hat sich entspannt. Dabei wird nicht verkannt, dass der Unterricht durch die Web Individualschule in erster Linie den Hilfebedarf des Klägers im Bereich Schulbildung abdeckt und in den übrigen Bereichen, in denen der Kläger an der Teilhabe beeinträchtigt ist - insbesondere soweit seine Freizeitgestaltung und außerschulische Kontakte zu Gleichaltrigen und Erwachsenen betroffen sind - seinen Hilfebedarf nicht (vollständig) abdecken dürfte. Aus der Regelung des § 35a SGB VIII kann aber der Rechtssatz, dass eine Hilfemaßnahme den gesamten Eingliederungshilfebedarf abdecken muss, nicht abgeleitet werden,
52vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2015 – 12 B 1289/15 –, juris Rn. 25.
53Hilfebedarf in unterschiedlichen Bereichen kann es geboten erscheinen lassen, verschiedene Hilfeleistungen zu kombinieren oder durch mehrere Einzelleistungen den Gesamtbedarf des Hilfebedürftigen abzudecken. Um dem Ziel der Eingliederungshilfe nach möglichst umfassender Bedarfsdeckung in allen von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Bereichen gerecht zu werden, kann es, wenn nicht sogleich der Gesamtbedarf gedeckt werden kann, erforderlich sein, Hilfeleistungen zumindest und zunächst für diejenigen Teilbereiche zu erbringen, in denen dies möglich ist. Steht etwa eine bestimmte Hilfeleistung tatsächlich zeitweilig nicht zur Verfügung oder wird eine bestimmte Hilfe vom Hilfeempfänger oder dessen Erziehungsberechtigten (zeitweise) nicht angenommen, kann es gleichwohl geboten sein, die Hilfen zu gewähren, die den in anderen Teilbereichen bestehenden (akuten) Bedarf abdecken.
54Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2015 – 12 B 1289/15 –, juris Rn. 28.
55Etwas anderes kann - mit Blick auf den Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe - dann anzunehmen sein, wenn die Gewährung der Hilfe für einen Teilbereich die Erreichung des Eingliederungszieles in anderen von der Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereichen erschweren oder vereiteln würde, es also zu Friktionen zwischen Hilfemaßnahmen käme. Nachteilige Wechselwirkungen mit anderen Hilfeleistungen können die fachliche Geeignetheit einer (begehrten) Leistung für einen Teilleistungsbereich in Frage stellen. Dies ist eine Frage der fachlich sinnvollen Abstimmung verschiedener Hilfeleistungen aufeinander.
56Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2015 – 12 B 1289/15 –, juris Rn. 29.
57Dass durch den Besuch der Web Individualschule andere Hilfemaßnahmen wie die im streitgegenständlichen Zeitraum durchgeführte Autismustherapie vereitelt oder konterkariert würde, ist nicht anzunehmen. Zwar macht die Beklagte geltend, durch die Beschulung werde eine Verfestigung der Isolation des Klägers befürchtet, was der angestrebten Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft widerspreche, die auch durch die Autismustherapie erreicht werden solle. Dieser Gedanke ist nicht nachvollziehbar. Die Art der Beschulung erweitert im Gegenteil die Partizipation des Klägers am sozialen Leben – wenn auch nur gering. Denn ohne die Beschulung über das Internet würde er – aufgrund des Ruhens der Schulpflicht und anderer vorhandener Beschulungsalternativen – noch nicht einmal den Kontakt über Videofunktion zu seinem Lehrer haben. Außerdem sind ausweislich des Protokolls des Hilfeplangesprächs vom 23. November 2015 sowie vom 9. Mai 2016 in der letzten Zeit – trotz Beschulung durch die Web Individualschule – Fortschritte in der Zusammenarbeit des Klägers mit dem Therapeuten festzustellen. Insgesamt hat sich seit der Beschulung durch die Web Individualschule die Fähigkeit des Klägers zu sozialen Kontakten eher verbessert; so geht er etwa regelmäßig einer ehrenamtlichen Tätigkeit in der Flüchtlingshilfe nach und der Kontakt zu seinem Vater hat sich intensiviert.
58Auch die Erwägung, die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers könnten nicht mit einem Schulwechsel therapiert werden, trägt die Ablehnung der Übernahme der Kosten der Web Individualschule nicht. Die etwaige Erforderlichkeit einer Therapie des Klägers, die über die bisherige Inanspruchnahme von Ärzten und Therapeuten hinausgeht, steht der Gewährung der begehrten Kostenübernahme nicht entgegen. Ein Bedarf an Eingliederungshilfe entsteht vielmehr nicht selten erst auch dadurch, dass zu einem früheren Zeitpunkt keine ausreichenden pädagogischen, diagnostischen und therapeutischen Hilfestellungen erfolgten bzw. zunächst ausreichend erscheinende Hilfestellungen nicht griffen. Defizite dieser Art sind typischerweise Auslöser eines Bedarfs an Jugendhilfe und stehen der Geltendmachung eines aktuellen - gegebenenfalls durch unzureichende bisherige Therapien geprägten - Bedarfs nicht etwa anspruchsvernichtend gegenüber.
59Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Dezember 2015 – 12 B 1289/15 –, juris Rn. 33 m.w.N..
60Die zugrunde gelegt, konnten der Kläger bzw. dessen sorgeberechtigten Eltern an Stelle der Beklagten den nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Kommt es für die Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe mithin auf die ex-ante-Betrachtung des leistungsberechtigten Klägers bzw. dessen Eltern an, erschien es ohne Weiteres fachlich vertretbar, sich (zunächst) für eine weitere Beschulung auf der Web Individualschule zu entscheiden. Diese Bildungseinrichtung war – zumindest aus der ex-ante Perspektive – geeignet, dem Kläger auch in Ansehung seines spezifischen Beeinträchtigungsprofils eine adäquate Schulbildung zu vermitteln. Da die Eltern des Klägers, was die Stellungnahme der Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin C2. vom 6. Mai 2015 und der Bericht des Leiters des Autismus Therapie Zentrums L. , Herr M2. , vom 8. Mai 2015 stützen, mit der konkreten Gefahr rechnen mussten, dass der Kläger auf der B. G1. Förderschule nicht angemessen beschult wird und die ohnehin bestehende Teilhabebeeinträchtigung sich erheblich verschlimmern werde, war ihnen in dieser Situation nicht zuzumuten, den Kläger dennoch weiter zum Besuch einer staatlich anerkannten (Förder-)Schule zu zwingen, zumal es der Beklagten nicht gelungen war, eine dem Beeinträchtigungsbild des Klägers angemessen Rechnung tragende Perspektive für eine erfolgreiche Beschulung aufzuzeigen.
613. Schließlich ist auch davon auszugehen, dass die Deckung des Bedarfs im Sinne von § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII keinen zeitlichen Aufschub mehr geduldet hat. § 36a Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB VIII setzt voraus, dass eine Leistung im Hinblick auf die Art und Dringlichkeit des Hilfebedarfs im Einzelfall unaufschiebbar ist, so dass der Hilfeerfolg bei jedweder Verzögerung nachhaltig gefährdet würde oder es dem Leistungsberechtigten nicht zugemutet werden kann, bis zur Bekanntgabe des Hilfe bewilligenden Verwaltungsaktes bzw. bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung zu warten.
62Mit Blick auf die bereits zuvor durchgeführten Wechsel der öffentlichen Schulen, die hohen Fehlzeiten in der B. G1. Schule und die erfolgte Anordnung des Ruhens der Schulpflicht war es dem Kläger angesichts der festgestellten Beeinträchtigungslage und der drohenden Gefahr einer Verfestigung und Verschlimmerung derselben nicht zuzumuten, abzuwarten. Von einem unaufschiebbaren Bedarf ist nämlich regelmäßig gerade auch dann auszugehen, wenn der bei Kindern und Jugendlichen dauerhaft bestehende Bedarf an adäquater Bildungsvermittlung wegen drohenden Verlustes an Zeit, die nicht nachgeholt, sondern nur angehängt werden kann, nicht mehr oder nicht ausreichend gedeckt werden kann,
63vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. November 2015 – 12 A 1639/14 –, juris Rn. 123.
644. Als "erforderliche Aufwendungen", welche die Beklagte nach alldem gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII für die selbst beschaffte Hilfe in dem streitgegenständlichen Zeitraum zu übernehmen verpflichtet ist, sind in Anwendung des Rechtsgedankens des § 683 Satz 1 in Verbindung mit § 670 BGB diejenigen Aufwendungen anzusehen, welche die Eltern des Klägers nach ihrem subjektiv vernünftigen Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich halten durften.
65Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, juris, und Beschluss vom 28. Juni 2012 ‑ 12 A 2374/11 -, juris.
66Darunter fällt namentlich auch das hier geltend gemachte monatlich an die Web Individualschule zu zahlende Schulgeld.
67II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
68Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 67 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
69III. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO wurde die Zuziehung des Bevollmächtigten auch im Vorverfahren für notwendig erklärt, da es dem Kläger aufgrund der speziellen Sach- und Rechtslage nicht zuzumuten war, das Vorverfahren ohne anwaltliche Vertretung zu führen.
70Beschluss:
71Der Gegenstandswert wird auf 11.018,00 Euro festgesetzt.
72Gründe:
73Die Festsetzung des Gegenstandswertes ist nach §§ 23, 33 RVG, § 52 Abs. 1 GKG erfolgt und orientiert sich an den mit dem Klageantrag geltend gemachten Kosten für den Besuch der Web Individualschule.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 19. Juli 2016 - 19 K 6935/15
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Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 19. Juli 2016 - 19 K 6935/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Juli 2010 dazu verpflichtet, die Kosten des Besuchs der Privatschule E. durch die Klägerin in den Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 zu übernehmen.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 1999 geborene Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten ihrer Beschulung auf der Privatschule E. in X. für die Schuljahre 2010/2011 und 2011/2012 durch die Beklagte.
3Die Klägerin besuchte ab dem Jahr 2002 eine Kindertagesstätte und erhielt bereits vorschulisch eine ergotherapeutische und logopädische Behandlung, nachdem ein Sprachentwicklungsrückstand und Wahrnehmungsstörungen diagnostiziert worden waren. Zum Schuljahr 2005/2006 wurde die Klägerin auf der T. schule X. , einer städtischen Gemeinschaftsgrundschule, eingeschult. Dort wiederholte sie die 1. Klasse. Einhergehend mit der Diagnose eines unterlagernden Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms wurde die Klägerin ab dem Jahr 2007 durch Frau Dr. C. E1. , Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und Psychotherapeutin in X. , verhaltenstherapeutisch und medikamentös behandelt. Ebenfalls ab dem Jahr 2007 nahm die Klägerin eine lerntherapeutische Behandlung in der Praxis J. E. in X. wahr.
4Ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten vom 21. Dezember 2009 erkundigte sich die Mutter der Klägerin am 10. Dezember 2009 nach Fördermöglichkeiten für die Klägerin, da diese in der Schule Probleme wegen einer Dyskalkulie und eines ADS habe, woraufhin ein Hausbesuch am 17. Dezember 2009 vereinbart worden sei. Aus dem Vermerk geht weiter hervor, dass die Klägerin von ihren Eltern umfassend versorgt und intensiv gefördert werde. Sie zeige sich im Gespräch aufgeschlossen und freundlich und besuche derzeit die 4. Klasse der GGS T. schule. Die Klägerin berichte, sie gehe gerne zur Schule, habe dort aber keine Freunde und werde auch nicht zu Geburtstagen eingeladen. Sie spiele in der Pause Fangen mit anderen Kindern. Das Fach Sport möge sie besonders gerne, Mathematik dagegen nicht. Sie fahre alleine zur Schule mit einem Roller. Sie sei bereits einmal mit ihrer Klasse zu einer Klassenfahrt gefahren und freue sich auf die nächste. Nachmittags spiele sie mit ihrem Bruder oder nehme am Vereinstraining (Schwimmen und Leichtathletik) teil. Die Eltern hätten sich dahingehend geäußert, dass die Entwicklung der Klägerin bedingt durch eine Sprachentwicklungsverzögerung, eine Störung der Körperwahrnehmung und Entzündungen der Ohren, die zeitweise das Hörvermögen eingeschränkt hätten, problematisch verlaufen sei. Sie habe Ergo- und Sprachtherapie erhalten und werde lerntherapeutisch behandelt. Ihre guten Leistungen seien nur durch das Zusammenwirken von intensiver häuslicher, schulischer und lerntherapeutischer Unterstützung entstanden. Sie zeige sich sehr lernmotiviert und ehrgeizig und habe eine uneingeschränkte Empfehlung zum Besuch einer Real- oder Gesamtschule erhalten. Sorge bereite allerdings ihre Tendenz zum sozialen Rückzug. In der Kinderarztpraxis E1. seien Dyskalkulie und ADS diagnostiziert worden. Es sei zu befürchten, dass die Klägerin mit dem Besuch einer weiterführenden Regelschule wegen der großen Klassenverbände und mangelnder individueller Förderung überfordert sei und keinen angemessen Schulabschluss erreichen könne.
5Am 21. Dezember 2009 fand eine „Einzelberatung/weiterführende Schulen“ an der T. schule statt, bei der die Klassenlehrerin der Klägerin, Frau D. T. , mit deren Eltern das in der Grundschule gezeigte Arbeits- und Sozialverhalten sowie die erkennbare Leistungsfähigkeit und -bereitschaft besprach. Aus der zugehörigen Niederschrift geht hervor, dass die Klassenlehrerin „nach heutigem Stand der Erkenntnisse den Besuch einer Realschule oder einer Gesamtschule“ empfehle. Unter „besondere Bemerkungen“ ist weiter festgehalten: „M. sollte eine Realschule besuchen, die auf die besonderen Bedürfnisse von M. Rücksicht nimmt!“.
6Unter dem 1. Februar 2010 beantragten die Eltern der Klägerin die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII. Die Klägerin solle ab der 5. Klasse die Privatschule E. besuchen, da sie dort optimale Bedingungen vorfände, um einen angemessenen Schulabschluss zu erreichen, ohne durch ihre Teilleistungsstörungen und die damit verbundenen seelischen Probleme benachteiligt zu sein. Schon seit früher Kindheit habe sie Probleme, dauerhafte Kontakte zu anderen Kindern zu knüpfen, weil sie auch durch eine Sprachentwicklungsverzögerung belastet sei. Daraus habe sich eine tiefe Verunsicherung entwickelt, die sich in der Schulzeit verstärkt habe, da sie in ihrem Lernverhalten durch eine Dyskal-kulie und ADHS beeinträchtigt sei. Auch wenn durch diverse Therapien eine gewisse Besserung eingetreten sei, neige sie dazu, sich bei Kritik abgelehnt zu fühlen, so dass sie sich in der Schule oft zurückziehe. Sie sei wenig selbstbewusst und befürchte immer, dass man über sie und ihre Probleme spreche und sie den Anforderungen nicht genügen könne. Jedoch sei sie sehr lernwillig und könne einige Defizite mit viel Fleiß ausgleichen. Es sei zu befürchten, dass sie in einer staatlichen Realschule mit großen Klassen und fehlender individueller Zugehens-weise der Lehrer nicht zu einem angemessenen Schulabschluss gelangen könne. Dem Antrag waren ein Zwischenbericht über die lerntherapeutische Behandlung und die Schulzeugnisse der Klägerin beigefügt.
7In ihrem auf den 29. Januar 2010 datierten schulischen Gutachten wies die damalige Klassenlehrerin der Klägerin, Frau D. T. , darauf hin, dass sich die Klägerin von Anfang an ihren Lehrerinnen gegenüber sehr aufgeschlossen gezeigt und sich gegenüber ihren Mitschülern freundlich verhalten habe. Sie habe allerdings bisher keinen altersangemessenen Kontakt zu ihren Mitschülern aufgebaut. Es sei ihr bei Gruppenarbeiten nur sehr bedingt gelungen, eigene Ideen einzubringen. Auf dem Schulhof habe sie sich entweder alleine beschäftigt oder mit sehr viel jüngeren Kindern gespielt. Um Konflikte zu lösen, habe sie stets die unterstützende Hilfe durch ihre Lehrerinnen benötigt. Sie sei in der Lage, Gelerntes sicher anzuwenden, und könne gut etwas auswendig lernen. Jedoch falle es ihr schwer, neues Wissen in vorhandene Strukturen einzubinden. Oft scheitere sie an der Art und Weise der Aufgabenstellung, die sie nicht verstehe. Wenn man mit ihr die eigentliche Aufgabe bespreche und mit ihr Beispiele durchgehe, so sei sie in der Lage, die Aufgaben sicher zu lösen. Allerdings gelinge ihr der Transfer auf ähnliche Aufgaben nur bedingt. Zum einen sei sie auf eine sehr intensive Zuwendung ihrer Lehrerinnen und zum anderen auf eine umfassende außerschulische Förderung ihrer Eltern und einer Therapeutin angewiesen. Sie benötige eine durchgängige individuelle Zuwendung und Hilfe, durch die sie ohne Zeitdruck an klar strukturierte, überschaubare und individuell differenzierte Aufgaben herangehen könne. Auch nach der Grundschule sei es wichtig, dass sie schulisch und außerschulisch weiterhin intensiv gefördert werde.
8In ihrem ärztlichen Attest vom 10. März 2010 führte die Kinder- und Jugendärztin und Kinder- und Jugendtherapeutin Dr. C. E1. u. a. aus, dass die Klägerin in allen schulischen und leistungsbezogenen Anforderungen auf Unterstützung durch Lehrer, Eltern oder Lerntherapeutin angewiesen sei. Die geringsten Herausforderungen oder Schwierigkeiten ließen sie ansonsten resignieren und sie sei dann nicht mehr in der Lage, sich konstruktiv mit dem Problem auseinander zu setzen. Sie habe trotz aller Unterstützung nur ein sehr geringes Selbstwertgefühl. Die Klägerin benötige auf der weiterführenden Schule eine kleine Gruppe, in der eine gezielte persönliche Ansprache und Unterstützung möglich sei. In einer Regelschulform würde sie „untergehen“. In diesem Sinne drohe eine seelische Behinderung im Sinne von § 35a SGB VIII.
9Das Schulamt für den S. -F. -Kreis nahm unter dem 5. Juli 2010 dahingehend Stellung, dass aus schulfachlicher Sicht keine Beschulung an einer Privatschule notwendig sei, da die Klägerin die Schulformempfehlung „Real-oder Gesamtschule“ erhalten habe. Falls es dennoch zu Problemen in der weiterführenden Schule komme, sei dort die Einleitung eines AO-SF-Verfahrens angezeigt.
10Nach Durchführung einer Hilfeplankonferenz lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme der Kosten für den Besuch einer Privatschule mit Bescheid vom 28. Juli 2010 ab. Zur Begleitung und Unterstützung des Übergangs auf eine weiterführende Schule bewilligte sie im Umfang von 40 Fachleistungsstunden eine Dyskalkulietherapie. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Übernahme der Kosten für den Besuch einer Privatschule nur im Ausnahmefall möglich sei, wenn alle staatlichen schulischen Fördermaßnahmen nicht ausreichten, um eine angemessene Schulbildung zu ermöglichen. Aus dem gewonnenen Gesamtbild gemäß den Berichten von Eltern und Schule sowie dem medizinischen Gutachten ergebe sich, dass die Klägerin in ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben infolge der Teilleistungs- und Aufmerksamkeitsstörung nicht so massiv beeinträchtigt sei, dass eine Beschulung im staatlichen Regelschulsystem nicht möglich sei, zumal sie in ihrer bisherigen Schullaufbahn auf einer Regelschule beständig befriedigende Leistungen auch im Fach Mathematik gezeigt habe. Durch intensive Unterstützung ihrer Eltern sei die Klägerin sozial eingebunden und werde medizinisch/verhaltenstherapeutisch begleitet. Nach Vorgabe der Schulaufsichtsbehörde erscheine es zur Abwendung der von Eltern und Gutachterin befürchteten Schulschwierigkeiten ausreichend, wenn die Klägerin mit ihrem Wechsel auf eine Real- oder Gesamtschule weiterhin konsequent häuslich begleitet werde und eine Dyskalkulietherapie stattfinde; bei dem Schulwechsel sei die Fachstelle für AD(H)S zu beteiligen mit der Option, bei auftretenden Lernproblemen den weiteren Förderbedarf abzuklären. Selbstwertproblematik und emotionale Instabilität erforderten eine individuelle Behandlung im Rahmen des Leistungskatalogs der Krankenversicherung. Ergänzend stehe die Schul- und Erziehungsberatung zur Verfügung.
11Die Klägerin, die seit dem Schuljahr 2010/2011 die Privatschule E. besucht, hat am 19. August 2010 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Sie gehöre unstreitig zum Kreis der Eingliederungsberechtigten nach § 35a SGB VIII. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei auch der Besuch einer Privatschule zur Sicherstellung des Erwerbs einer angemessenen Schulbildung erforderlich. Dem ärztlichen Attest der Frau Dr. E1. vom 10. März 2010 sowie den Stellungnahmen der Klassenlehrerin und der Therapeutin J. E. könne entnommen werden, dass sie, die Klägerin, in allen schulischen und leistungsbezogenen Anforderungen immer auf Unterstützung durch Lehrer, Eltern oder Lerntherapeuten angewiesen sein werde. Die geringsten Herausforderungen oder Schwierigkeiten ließen sie ansonsten resignieren und sie sei dann nicht mehr in der Lage, sich mit den Problemen konstruktiv auseinander zu setzen. Ihr Selbstwertgefühl sei gering. Aufgrund der erwähnten Stellungnahmen sei auch der Besuch der Privatschule E. erforderlich, um ihrem Behinderungsbild gerecht zu werden und ihr eine angemessene Schulbildung zu ermöglichen. Der Verweis auf das staatliche Regelschulsystem führe hier nicht weiter, da nicht ersichtlich sei, dass sie an der Regelschule unter Berücksichtigung ihrer Beeinträchtigungen angemessen gefördert werden könne.
12Die Klägerin hat beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Juli 2010 zu verpflichten, die Kosten des Besuchs der Privatschule E. durch die Klägerin in den Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 zu übernehmen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat vorgetragen: Entgegen der Auffassung der Klägerin sei im vorliegenden Fall eine Beschulung an einer Regelschule geeignet, um eine angemessene Schulausbildung zu gewährleisten. Die B. -F1. -Realschule in X. sei z. B. in der Lage, der Klägerin die nötigen Rahmenbedingungen zum Erreichen eines angemessenen Schulabschlusses zu verschaffen. Die Beschulung von Kindern mit ADHS sei im Alltag an Regelschulen nichts Außergewöhnliches und werde mit gutem Erfolg durchgeführt. Im Zusammenwirken der Eltern, der Lehrkräfte der Schule, des Jugendamtes, der Bezirksregierung und ggf. weiterer Fachkräfte sei die Ausarbeitung eines individuellen Förderkonzeptes für die Klägerin möglich. Nach den Angaben der Schulleiterin der B. -F1. -Real-schule verfüge die Schule über drei zertifizierte Beratungslehrer, die im Rahmen von umfangreichen Fortbildungsmaßnahmen in Bezug auf individuelle und nachhaltige Förderung von Schülerinnen und Schülern mit ADHS-Problematik geschult seien. Des Weiteren unterhalte die Schule ein enges und gut funktionierendes Netzwerk zu Sonderpädagogen und anderen externen Stellen wie Ge-sundheitsamt, Kompetenznetzwerken und Elterngruppen. Dies zeige, dass an dieser Schule mit der Problematik ernsthaft umgegangen werde. Ein individuelles Förderkonzept der Klägerin habe mangels Mitwirkung ihrer Eltern bislang nicht realisiert werden können. Eine Prognose dahingehend, dass die Klägerin an der Regelschule keinen adäquaten Abschluss erreichen könne, sei nicht tragfähig.
17Mit dem angefochtenen Urteil vom 10. November 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
18Ob die Klägerin zum Personenkreis der nach § 35a SGB VIII Berechtigten zu zählen sei, könne dahingestellt bleiben. Denn die Beschulung auf einer Privatschule sei jedenfalls nicht zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung erforderlich. Die Beklagte könne sich insoweit auf den Vorrang der Beschulung im öffentlichen Schulwesen berufen. Im Hinblick auf die schulischen Leistungen, welche die Klägerin auf der Grundschule gezeigt habe, und die hierauf basierende Empfehlung für den Besuch einer weiterführenden Schule könne auch unter Berücksichtigung der bei der Klägerin vorliegenden Teilleistungsstörungen nicht davon ausgegangen werden, dass es für sie unmöglich sei, eine weiterführende Regelschule zu besuchen, sofern sie - wie bisher - familiär und außerschulisch gefördert werde. Die Eignung der von der Beklagten vorgeschlagenen B. -F1. -Realschule sei von Klägerseite lediglich pauschal bestritten worden. Darüber hinaus habe es den Eltern der Klägerin frei gestanden, die Möglichkeiten der individuellen Förderung an anderen öffentlichen Schulen abzuklären, gegebenenfalls auch mit Hilfe des AD(H)S-Netzwerkes bei der Bezirksregierung L. . Die frühzeitige Festlegung auf den Besuch einer Privatschule könne nicht dazu führen, dass der gesetzliche Vorrang der Förderung im staatlichen Schulsystem auf Kosten der Eingliederungshilfe umgangen werde. Die im Verwaltungsverfahren eingeholten ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen der Klassenlehrerin und Therapeutin böten keine hinreichende Grundlage dafür, dass die Klägerin im öffentlichen Schulsystem nicht gefördert werden könne. Die Entscheidung der Beklagten, zunächst auf den Besuch einer öffentlichen Regelschule zu verweisen und insoweit zur Vermeidung oder Abmilderung von Umstellungsschwierigkeiten eine (Dyskalkulie-)Therapie zu bewilligen, die gegebenenfalls den Bedürfnissen der Klägerin entsprechend hätte umgestellt werden können, sei vor diesem Hintergrund nachvollziehbar und fachlich nicht zu beanstanden.
19Mit Beschluss vom 25. Oktober 2012 hat der Senat die Berufung der Klägerin wegen des Vorliegens des Zulassungsgrundes der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen.
20Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen vor:
21Das angefochtene Urteil widerspreche den Bestimmungen des § 36 Abs. 2 SGB VIII über das Hilfeplanverfahren. Ob bei ihr, der Klägerin, die Voraussetzungen der Eingliederungshilfe vorlägen, könne nicht offen bleiben. Bereits bei der Antragstellung hätten ihre Eltern auf die bestehende Teilhabebeeinträchtigung hingewiesen. Aufgrund der Kontaktschwierigkeiten, der tiefen Verunsicherung, die sich entwickelt habe, und des mangelnden Selbstbewusstseins sei zu befürchten, dass sie in einer öffentlichen Realschule mit großen Klassen und fehlender individueller Zugangsweise der Lehrer nicht zu einem angemessenen Schulabschluss kommen könne. Die behandelnde Kinder- und Jugendpsychiaterin, Frau Dr. E1. , habe das Vorliegen einer seelischen Störung gegenüber dem Jugendamt der Beklagten bestätigt. Das Jugendamt habe indes, obwohl die Voraussetzungen der Eingliederungshilfe nach seiner Einschätzung vorgelegen hätten, keine Ermittlung der geeigneten Hilfeart vorgenommen. Anfragen der Beklagten an schulische Stellen seien nicht zielführend beantwortet worden. Soweit die Einleitung eines AO-SF-Verfahrens angesprochen worden sei, habe die Grundschule dazu keinen Anlass gesehen. Daran sei der Jugendhilfeträger gebunden. Die Bestimmung einer Schule für soziale und emotionale Entwicklung als Förderort wäre im vorliegenden Fall auch unzulässig, da dort nur nach den Lehrplänen der Hauptschule unterrichtet werde. Erst nach Klageerhebung habe die Beklagte auf die B. -F1. -Realschule verwiesen. Nachfragen bei der Beklagten, ob diese Schule die Rahmenbedingungen für eine Beschulung unter Berücksichtigung ihrer, der Klägerin, Beeinträchtigungen biete, hätten jedoch keinen Aufschluss gebracht. Das Verwaltungsgericht habe insoweit keine Sachaufklärung betrieben. Wenn keine geeignete Beschulung im öffentlichen Schulwesen zur Verfügung stehe, liege ein Fall des Systemversagens vor. In einem solchen Fall sei das Jugendamt verpflichtet, im Rahmen des § 35a SGB VIII auch Kosten für den Besuch einer Privatschule zu übernehmen. Auf den Vorrang des öffentlichen Schulsystems könne sich die Beklagte nur berufen, wenn die von ihr benannte Schule konkret eine Beschulungsmöglichkeit unter Berücksichtigung der Beeinträchtigungen der Klägerin darstellen würde. Das sei hinsichtlich der B. -F1. -Realschule in X. nicht aufgeklärt. Die Beklagte begnüge sich mit allgemeinen Ausführungen. Ihre, der Klägerin, Eltern hätten sich seinerzeit dazu entschlossen, sie die erste Klasse wiederholen zu lassen, weil sich herausgestellt habe, dass sie in der Schule vollständig isoliert gewesen sei. Sie sei dann in die Klasse von Frau T. gekommen, die für die Ausbildung der Referendare an der Schule zuständig gewesen sei. Frau T. sei im Unterricht über den kompletten Zeitraum ihres, der Klägerin, weiteren Besuchs der Grundschule jeweils durch einen (wechselnden) Referendar bzw. eine Referendarin unterstützt worden. In der Klasse seien maximal 23 Schüler gewesen. Auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Erörterungstermin habe die Zeugin Dr. E1. eindrucksvoll die seit Jahren bestehende seelische Störung und die im schulischen Bereich bestehende Teilhabebeeinträchtigung bestätigt und dargelegt, dass sie, die Klägerin, einer intensiven Begleitung im Rahmen von kleinen Lerngruppen bedürfe. Bei Besuch einer Regelschule habe die Befürchtung im Raum gestanden, dass sie zum Mobbingopfer werden würde. Die Einschätzung der Zeugin, sie, die Klägerin, würde an einer Regelschule untergehen, beruhe darauf, dass dort die Rahmenbedingungen fehlten, welche sie aufgrund ihrer tief greifenden Entwicklungsstörungen für eine erfolgreiche Beschulung benötige. Nach der Aussage der Zeugin E. sei die Eignung der Beschulung auf der Privatschule E. als Maßnahme der Eingliederungshilfe in ihrem Fall bewiesen. Die Angaben der Zeugin C1. zu den Klassenstärken an der B. -F1. -Realschule seien falsch, was sich den Informationen der Stadtelternpflegschaft X. entnehmen lasse. Es seien auch Fälle bekannt, in denen Kindern mit entsprechender Beeinträchtigung ein Nachteilsausgleich seitens der Realschule verwehrt worden sei. Speziell ausgebildete Pädagogen mit lerntherapeutischer Fachausbildung habe die Realschule zu keiner Zeit beschäftigt. Soweit die Zeugin C1. angegeben habe, die Schüler an ihrer Schule seien nicht in herausgehobener Weise „schwierig“ und von einem „sozialen Brennpunkt“ könne keine Rede sein, treffe dies nicht zu. Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Beklagten hätten mindestens bis 2012 einen Ordnungs-, Kontroll- und Sicherheitsdienst auf dem Gelände des Schulzentrums und damit auch der Realschule wahrgenommen. Die Zeugin C1. habe gerade nicht bestätigt, dass an ihrer Schule vergleichbare Möglichkeiten der individuellen Begleitung von Schülern bestünden, wie sie während des Grundschulbesuchs der Klägerin gegeben gewesen seien. Dort sei die damalige Klasse 4b mit 21 Schülern sehr klein gewesen; in der Klasse hätten jeweils die Klassenlehrerin oder ein Fachlehrer sowie zusätzlich zwei Integrationshelferinnen und eine Lehramtsanwärterin gearbeitet, so dass ein Großteil der Unterrichtsstunden doppelt bzw. teilweise sogar dreifach besetzt gewesen sei. Nach alldem stelle die B. -F1. -Realschule keine geeignete Beschulungsmöglichkeit für sie, die Klägerin, dar. Soweit sich die Beklagte auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts berufen habe, wonach der „Kernbereich der pädagogischen Aufgabe der Schule“ nicht Gegenstand einer Leistung der Eingliederungshilfe sein könne, sei diese Rechtsprechung hier nicht einschlägig und widerspreche auch der ständigen verwaltungsgerichtlichen Judikatur. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei das Hilfeplanverfahren nicht fachlich fehlerfrei abgeschlossen worden. Die bewilligte Dyskalkulietherapie betreffe nur einen kleinen Ausschnitt aus dem komplexen Hilfebedarf, der sich bereits aus der ärztlichen Stellungnahme der Frau Dr. E1. vom 10. März 2010 ergeben habe. Eine inhaltliche Aussage der Schulverwaltung zu der Frage, ob unter diesen Voraussetzungen einer Beschulung der Klägerin auf einer öffentlichen Schule möglich sei, sei nicht herbeigeführt worden.
22Die Klägerin beantragt,
23das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Juli 2010 zu verpflichten, die Kosten des Besuchs der Privatschule E. durch die Klägerin in den Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 zu übernehmen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie trägt im Wesentlichen vor:
27Die Unterstellung, es gebe keine individuelle Zugehensweise von Lehrern an öffentlichen Schulen, sei haltlos. Jeder Lehrer sei verpflichtet, seinen Schülern eine den Fähigkeiten entsprechende Förderung anzubieten. Das Jugendamt entscheide in eigener Verantwortung über die Eignung einer Hilfe und deren Notwendigkeit. Wenn es vorrangig verpflichtete Leistungserbringer gebe, sei das Jugendamt nicht zuständig. Auch im Falle der Durchführung eines AO-SF-Verfahrens verbleibe die Entscheidung über den Förderort bei den Eltern. Der Besuch einer Schule mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung sei für die Klägerin weder indiziert noch jemals vorgeschlagen worden. Der Vorwurf über die verspätete Mitteilung eines Platzes an der Realschule sei unbegründet. Der Antrag auf Eingliederungshilfe entbinde die Eltern nicht von ihrer allgemeinen Verpflichtung, Informationsveranstaltungen weiterführender Schulen und sonstige Informationsquellen zu nutzen, um eine geeignete Schule für ihr Kind zu finden. Schüler mit Teilleistungsstörungen und ADHS würden seit jeher an Regelschulen beschult, so dass insoweit umfangreiche Erfahrungen bestünden. Nachdem die Klägerin über einen Zeitraum von fünf Jahren erfolgreich eine Regelschule besucht habe, lägen keine Hinweise auf ein zwangsläufiges Scheitern an einer weiterführenden Regelschule vor. Mit einer pauschalen Ablehnung der örtlichen Realschule sei ein Systemversagen nicht zu begründen. Die Beweisaufnahme im gerichtlichen Erörterungstermin habe die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestätigt. Die Vernehmung der Ärztin Dr. E1. habe keine neuen Erkenntnisse gebracht. Ihre Aussagen zu Teilhabebeeinträchtigungen seien wenig professionell und von Vorurteilen geprägt. Ohne belegbare Anhaltspunkte sei sie davon ausgegangen, dass die Klägerin an einer Regelschule zum Mobbingopfer würde. Unergiebig sei auch die Vernehmung der Zeugin E. verlaufen. Die Eignung ihrer Privatschule als Teilhabeleistung stehe nicht im Streit; hier gehe es vielmehr darum, ob diese Leistung auch erforderlich sei. Zur Frage einer Teilhabebeeinträchtigung der Klägerin an einer öffentlichen Schule habe die Zeugin allein angegeben, dass die Klägerin eine Regelschule allein aufgrund der Größe als erschreckend wahrnehme. Die von der Zeugin benannten Vorteile der Privatschule gehörten zu dem, was in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als „Kernbereich der pädagogischen Aufgabe der Schule“ bezeichnet werden müsse. Daher sei schon fragwürdig, ob es sich bei dem Angebot der Privatschule überhaupt um Teilhabeleistungen im Sinne von § 35a SGB VIII handele. Soweit die Zeugin die relative Überschaubarkeit der Privatschule als entscheidenden Vorteil benannt habe, sei dies lediglich eine Rahmenbedingung. Die Zeugin C1. habe belegt, dass die B. -F1. -Realschule mit der Beschulung von Kindern mit Teilleistungsschwächen vertraut und geübt sei. Der Sorge des Mobbings werde kompetent begegnet. Zu keiner Zeit hätten sich die Eltern der Klägerin nach konkreten bedarfsgerechten Möglichkeiten der Beschulung ihrer Tochter an dieser Regelschule erkundigt. Sie hätten vielmehr schon lange vor dem anstehenden Wechsel auf eine weiterführende Schule beschlossen, dass der Besuch einer Privatschule alternativlos sei. Selbstverständlich könne eine geeignete Förderung von Kindern mit Beeinträchtigungen im schulischen Bereich von einer Regelschule geleistet werden, so auch von der B. -F1. -Realschule. Soweit der Zeugin C1. von Klägerseite eine Falschaussage unterstellt worden sei, solle dies aus Gründen der Sachlichkeit nicht weiter kommentiert werden, zumal der Vorwurf ohnehin belanglos sei. Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit einer Maßnahme der Eingliederungshilfe stehe dem Jugendhilfeträger ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliege. Nach den hierbei zugrunde zu legenden Maßstäben habe die Beklagte auf den Antrag der Klägerin hin die erforderlichen und gesetzlich gebotenen Schritte in angemessener Weise umgesetzt. Sie habe Stellungnahmen der Grundschule, der behandelnden Ärztin und des Schulamtes eingeholt. Auf der Grundlage der vorliegenden Informationen sei dann der Antrag im Rahmen einer Hilfeplankonferenz abgelehnt worden, da nicht erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin an einer Regelschule nicht weiterhin erfolgreich beschult werden könne. Wären weitere Hilfen erforderlich geworden, damit die Klägerin eine Regelschule mit Erfolg besuchen könne, so wären diese zur Verfügung gestellt worden. Dies sei zum Zeitpunkt vor der Schulaufnahme jedoch nicht absehbar gewesen.
28Der Berichterstatter des Senats hat Frau Dr. C. E1. als sachverständige Zeugin sowie Frau J. E. , die Leiterin der Privatschule E. , und Frau L1. C1. , die Leiterin der B. -F1. -Realschule in X. , als Zeuginnen vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Vernehmungen wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 27. März 2014 verwiesen. Ferner ist eine - unter dem 26. Mai 2014 abgegebene - dienstliche Stellungnahme der Leiterin der T. -schule und früheren Klassenlehrerin der Klägerin, Frau D. T. , eingeholt worden.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
30E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
31Das Gericht kann nach §§ 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 VwGO im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
32Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Verpflichtungsklage der Klägerin ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2010 ist, soweit mit ihm die Übernahme der Kosten für den Privatschulbesuch abgelehnt wurde, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Kosten des Besuchs der Privatschule E. in den Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 nach § 36a Abs. 3 SGB VIII übernimmt.
33Haben Leistungsberechtigte sich - wie hier - eine Leistung, die grundsätzlich im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe gewährt werden kann, ohne Mitwirkung und Zustimmung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe bereits von Dritten selbst beschafft, so führt eine solche Selbstbeschaffung schon nach der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats nicht zum ersatzlosen Wegfall des Primäranspruchs auf Hilfe durch das Jugendamt. Vielmehr ist anerkannt, dass der Träger der Jugendhilfe (sekundär) zur Erstattung von Kosten bzw. Aufwendungen für bereits anderweitig durchgeführte Maßnahmen verpflichtet sein kann.
34Vgl. auch zu Folgendem: OVG NRW, Urteile vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 548, juris, und vom 20. Juni 2008 - 12 A 739/06 -, jeweils m. w. N.
35Der (sekundäre) Anspruch auf Erstattung der Kosten bzw. Aufwendungen ist in derselben Weise vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Hilfetatbestands abhängig wie die primäre Verpflichtung des Jugendhilfeträgers zur Hilfegewährung.
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. März 2003 - 12 A 1193/01 -, FEVS 55, 86, juris, m. w. N. insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, und Beschluss vom 18. August 2004 - 12 A 1174/01 -, juris; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 11. August 2005 - 5 C 18/04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
37Allerdings ist der Hilfesuchende nur dann zur Selbstbeschaffung einer Jugendhilfeleistung berechtigt, wenn er hierauf zur effektiven Durchsetzung eines bestehenden Jugendhilfeanspruchs angewiesen ist, weil der öffentliche Jugendhilfeträger sie nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt hat, das für die Leistungsgewährung vorgesehene System also versagt hat. Ein solches „Systemversagen“ liegt vor, wenn die Leistung vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht erbracht wird, obwohl der Hilfesuchende die Leistungserbringung durch eine rechtzeitige Antragstellung und seine hinreichende Mitwirkung ermöglicht hat und auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung vorliegen. In einer solchen Situation darf sich der Leistungsberechtigte die Leistung selbst beschaffen, wenn es ihm wegen der Dringlichkeit seines Bedarfs nicht zuzumuten ist, die Bedarfsdeckung aufzuschieben.
38Vgl. den Senatsbeschluss vom 18. August 2004 - 12 A 1174/01 -, a. a. O., m. w. N.
39Diese Grundsätze sind als § 36a Abs. 3 SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz - KICK - vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) zum 1. Oktober 2005 ausdrücklich normiert worden,
40so schon OVG NRW, Urteil vom 4. Februar 2009 - 12 A 255/08 -, m. w. N.
41Nach § 36a Abs. 3 SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für Hilfen, die abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft wurden, nur verpflichtet,
421. wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1),
432. die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und
443. die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3).
45Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
46Die Klägerin kann für sich in Anspruch nehmen, die Beklagte über den Hilfebedarf rechtzeitig i. S. v. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII in Kenntnis gesetzt zu haben. Das „Inkenntnissetzen“ umfasst grundsätzlich auch eine Beantragung der begehrten Jugendhilfeleistungen, wobei für einen solchen Antrag keine besondere Form vorgeschrieben ist und er auch in der Form schlüssigen Verhaltens gestellt werden kann.
47Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2011 - 5 B 43.10 -, JAmt 2011, 274, juris, mit Hinweis auf Beschluss vom 22. Mai 2008 - 5 B 130.07 -, JAmt 2008, 600, juris.
48Der Antrag muss dabei so rechtzeitig gestellt werden, dass der Jugendhilfeträger zur pflichtgemäßen Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen in der Lage ist.
49Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
50Das Jugendhilferecht ist nämlich kein Recht der reinen Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen, sondern verpflichtet den Träger der Jugendhilfe zur partnerschaftlichen Hilfe. Nur so kann der Jugendhilfeträger seiner Gesamtverantwortung i. S. d. § 97 Abs. 1 SGB VIII und seiner Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2, 3 SGB VIII gerecht werden.
51In diesem Sinne ist der auf den 1. Februar 2010 datierte Antrag, dem alle wesentlichen schulischen, medizinischen und therapeutischen Unterlagen beigefügt waren, offenkundig rechtzeitig angebracht worden. Wie aus der Eingangsbestätigung hervorgeht, lag der Antrag der Beklagten am 4. Februar 2010 vor. Der mehr als fünf Monate umfassende Zeitraum bis zum Beginn der Sommerferien am 15. Juli 2010 war ausreichend bemessen, um bei straffer Verfahrensführung noch vor Anfang des Schuljahres 2010/2011 eine Entscheidung über den Antrag zu treffen.
52In dem hier maßgeblichen Zeitraum haben auch i. S. d. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe nach § 35a SGB VIII vorgelegen. Der Senat sieht es mit der im Nachhinein noch erreichbaren Sicherheit für die hier streitgegenständlichen Schuljahre 2010/2011 und 2011/2012 als gegeben an, dass die Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VIII i. V. m. §§ 53, 54 SGB XII, § 12 Nr. 2 EinglVO einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschulung an der Privatschule E. zur Erreichung einer angemessenen Bildung besessen hat.
53Insoweit setzt § 35a Abs. 1 SGB VIII voraus, dass
541. die seelische Gesundheit des Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für seinen Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
552. daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
56Bei kumulativen Vorliegen beider Voraussetzungen geht das Gesetz von einer „seelischen Behinderung“ aus (vgl. § 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII), wobei es ausreicht, wenn der Betreffende von einer solchen Behinderung bedroht ist.
57Eine seelische Störung i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII ist der Klägerin schon mit der fachärztlichen Stellungnahme der Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. E1. vom 10. März 2010 bescheinigt worden. Darin wurde der Klägerin eine tief greifende Entwicklungsstörung attestiert, darüber hinaus eine komplexe Wahrnehmungsstörung sowie eine Dyskalkulie als Teilleistungsstörung und schließlich eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung. Gegen die - von der Beklagten auch nicht in Frage gestellte - Richtigkeit dieser Diagnosen, derer Herleitung und Auswirkungen in einem Begleitschreiben näher beschrieben wurden, und die die Ärztin bei ihrer Vernehmung als sachverständige Zeugin im Wesentlichen deckungsgleich bestätigt hat, bestehen keine Bedenken.
58Unter Berücksichtigung aller vorliegenden schulischen und medizinischen bzw. therapeutischen Erkenntnisse und der plausiblen Angaben der Eltern ist gleichfalls von einer - durch die seelische Erkrankung hervorgerufenen - Teilhabebeeinträchtigung der Klägerin auszugehen.
59Die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft ist im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung ist zu erwarten, wenn die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Betroffenen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt.
60Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris; vom 28. September 2000 - 5 C 29.99 -, BVerwGE 112, 98, juris; vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, FEVS 58, 477, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1799/08 -, NVwZ-RR 2010, 59, juris; OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2011 - 12 A 1168/11 -, juris, m. w. N.
61Erforderlich ist daher, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispielsweise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
62Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2007 - 12 A 457/06 -, vom 12. November 2008 - 12 A 2551/08 -, vom 29. Mai 2008 - 12 A 3841/06 -, juris, vom 19. Februar 2010 - 12 A 2745/09 - und vom 13. August 2010 - 12 A 1237/09 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, FEVS 58, 477, juris.
63Während die Beurteilung, ob die seelische Gesundheit im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, regelmäßig Aufgabe von Ärzten oder Psychotherapeuten ist, fällt die Einschätzung, ob die Teilhabe des jungen Menschen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist bzw. eine solche Beeinträchtigung droht, in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit zunächst in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.
64Vgl. etwa Meysen, in: Münder/Meysen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 35a Rn. 33, m. w. N.
65Die Feststellung der Beeinträchtigung nach § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII ist deshalb auch nicht Ziel der Stellungnahme nach § 35a Abs. 1a SGB VIII. Dem insoweit vielmehr allein entscheidungsbefugten zuständigen Jugendamt - und damit auch dem Gericht im Überprüfungsfall - ist es allerdings unbenommen, vor der abschließenden Beurteilung des Vorliegens der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen und der Entscheidung über die Rechtsfolge ärztliche/psychotherapeutische oder andere fachliche Stellungnahmen einzuholen und auf diese Weise zu einer Entscheidung in fachlichem Zusammenwirken von ärztlichen/psychotherapeutischen und sozialpädagogischen Fachkräften unter der Federführung des Jugendamtes zu kommen.
66Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2010 - 12 A 2745/09 -, m. w. N.
67Dessen eingedenk hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass bei der Klägerin eine - von der Beklagten mit ihrem Bescheid vom 28. Juli 2010 auch dem Grunde nach anerkannte - Teilhabebeeinträchtigung vorgelegen hat, weil ihre soziale Funktionstüchtigkeit vor allem infolge eines Entwicklungsrückstandes nachhaltig eingeschränkt war. Aus der fachärztlichen Stellungnahme vom 10. März 2010 geht hervor, dass die Klägerin bereits im Kindergarten Schwierigkeiten hatte, sich in die Gruppe zu integrieren, sie mit zunehmendem Alter ihre eigenen Schwächen umso deutlicher wahrnahm und ihr Selbstwertgefühl trotz aller Unterstützung nur sehr gering ist. Zu den festgestellten Entwicklungsverzögerungen hat Frau Dr. E1. bei ihrer Vernehmung als sachverständige Zeugin ergänzend ausgeführt, dass die Klägerin, wenn auch körperlich altersgemäß entwickelt, im emotionalen Bereich „noch viel kindlicher“ wirke. Dieser Befund wird auch durch das schulische Gutachten vom 29. Januar 2010 bestätigt. Darin führte die Klassenlehrerin aus, die Klägerin habe „bislang keinen altersangemessenen Kontakt“ zu ihren Mitschülern aufgebaut; auf dem Schulhof beschäftige sie sich „entweder alleine oder … mit sehr viel jüngeren Kindern“. Die Problematik der „Selbstentwertung“ hat die Zeugin E. bei ihrer Vernehmung ebenfalls bestätigt. Dass sich bei der Klägerin aufgrund ihrer Entwicklungsverzögerung eine „tiefe Verunsicherung“ entwickelt hat, sie dazu neigt, sich „abgelehnt zu fühlen“ und sich „in der Schule oft zurückzieht“, hatten die Eltern schon in ihrem Antrag vom 1. Februar 2010 ausgeführt; diese Beschreibung der Beeinträchtigungen der Klägerin deckt sich mit den ärztlichen und schulischen Erkenntnissen.
68Der Besuch der Privatschule E. stellt sich auch als erforderliche und geeignete Maßnahme der Jugendhilfe dar. Dabei folgt aus den Grundsätzen zum Systemversagen, dass die Erforderlichkeit und Eignung der selbstbeschafften Maßnahme hier aus der damaligen Perspektive der leistungsberechtigten Klägerin zu beurteilen ist.
69Denn auch bei der Selbstbeschaffung einer aus fachlichen Gründen abgelehnten bzw. vom Hilfeplan ausgeschlossenen Leistung ist im Hinblick auf § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zunächst zu prüfen, ob der vom Jugendamt aufgestellte Hilfeplan (bzw. das Hilfekonzept) verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, nicht von sachfremden Erwägungen beeinflusst und fachlich vertretbar ist. Diese Prüfung erstreckt sich dabei nicht auf eine reine Ergebniskontrolle, sondern erfasst auch die von der Behörde - maßgeblich ist die letzte Behördenentscheidung - gegebene Begründung. Denn diese muss für den Betroffenen nachvollziehbar sein, um ihn in die Lage zu versetzen, mittels einer Prognose selbst darüber zu entscheiden, ob eine Selbstbeschaffung (dennoch) gerechtfertigt ist. Hat das Jugendamt die begehrte Hilfe aus im vorgenannten Sinne vertretbaren Erwägungen abgelehnt, besteht weder ein Anspruch des Betroffenen auf die begehrte Eingliederungshilfeleistung noch auf den Ersatz von Aufwendungen für eine selbst beschaffte Hilfe. Der Regelung des § 36a Abs. 3 SGB VIII liegt in dem Sinne der Gedanke des Systemversagens zugrunde, dass die selbst beschaffte Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt worden sein muss. Hat demgegenüber das Jugendamt nicht rechtzeitig oder nicht in einer den vorgenannten Anforderungen entsprechenden Weise über die begehrte Hilfeleistung entschieden, können an dessen Stelle die Betroffenen den sonst der Behörde zustehenden nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Denn in dieser Situation sind sie - obgleich ihnen der Sachverstand des Jugendamtes fehlt - dazu gezwungen, im Rahmen der Selbstbeschaffung des § 36a Abs. 3 SGB VIII eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme zu treffen. Weil nun ihnen die Entscheidung aufgebürdet ist, eine angemessene Lösung für eine Belastungssituation zu treffen, hat dies zur Folge, dass die Verwaltungsgerichte nur das Vorhandensein des jugendhilferechtlichen Bedarfs uneingeschränkt zu prüfen, sich hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe aber auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten zu beschränken haben. Ist die Entscheidung der Berechtigten in diesem Sinne fachlich vertretbar, kann ihr etwa im Nachhinein nicht mit Erfolg entgegnet werden, das Jugendamt hätte eine andere Hilfe für geeignet gehalten.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris; zum Systemversagen vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 -, JAmt 2014, 41, juris.
71Ausgehend von diesen Maßstäben ist zunächst festzustellen, dass die Beklagte die Grenzen fachlicher Vertretbarkeit bei ihrer Hilfeplanung überschritten hat, weil ihr Hilfekonzept, das dem Bescheid vom 28. Juli 2010 zugrunde lag, keine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthielt. Denn es drängte sich auf, dass die jugendhilferechtliche Bedarfslage der Klägerin, wie sie insbesondere bereits aus dem schulischen Gutachten vom 29. Januar 2010 und der fachärztlichen Stellungnahme vom 10. März 2010 ersichtlich war, hiermit nur unzureichend erfasst und abgearbeitet wurde.
72Die frühere Klassenlehrerin der Klägerin, Frau T. , hatte in ihrem Gutachten u. a. ausgeführt, dass die Klägerin „auf eine sehr intensive Zuwendung ihrer Lehrerinnen … angewiesen“ sei; sie brauche „eine durchgängige individuelle Zuwendung und Hilfe, durch die sie ohne Zeitdruck an klar strukturierte, überschaubare und individuell differenzierte Aufgaben herangehen kann“; auch nach der Grundschule sei es „wichtig, dass M. schulisch und außerschulisch weiterhin intensiv gefördert wird“.
73Die behandelnde Kinderärztin und -therapeutin, Frau Dr. E1. , hatte in ihrer Stellungnahme u. a. darauf hingewiesen, dass die Klägerin „in allen schulischen und leistungsbezogenen Anforderungen … immer auf Unterstützung durch Lehrer, Eltern oder Lerntherapeuten angewiesen“ sei; auf einer weiterführenden Schule werde sie „eine kleine Gruppe brauchen, in der eine gezielte persönliche Ansprache und Unterstützung möglich sind“; „in einer Regelschulform würde das Mädchen 'untergehen'“.
74Ungeachtet der Frage, ob eine hinreichende Grundlage für die letztgenannte Prognose der Fachärztin bestand, musste die Beklagte nach den ansonsten im Wesentlichen übereinstimmenden, vorstehend zitierten Aussagen von Frau T. und Frau Dr. E1. , die jeweils auf mehrjährigen Erfahrungen im Umgang mit der Klägerin beruhten und gegen deren Richtigkeit die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfeplanung auch nichts Substantielles eingewandt hatte, davon ausgehen, dass die Klägerin im schulischen Anforderungsbereich einer ausgesprochen intensiven Unterstützung und Begleitung durch das Lehrpersonal bedarf, um ihrem Potential entsprechend mit Erfolg beschult werden zu können. Vor diesem Hintergrund konnte sich die Beklagte in der Begründung ihres Bescheides vom 28. Juli 2010 nicht darauf zurückziehen, dass die Klägerin „in ihrer bisherigen Schullaufbahn auf einer Regelschule beständig befriedigende Leistungen auch im Fach Mathematik gezeigt hat“. Denn die Beklagte hätte als naheliegend in ihre Erwägungen einbeziehen müssen, dass dieser schulische Erfolg maßgeblich auf Rahmenbedingungen beruhte (wie hier: geringe Klassenstärke, mehrere Lehr- und Betreuungskräfte im Unterricht), deren Fortbestand an einer weiterführenden staatlichen Regelschule nicht als gesichert angesehen werden konnte. Das in der fachärztlichen Stellungnahme angesprochene Erfordernis einer „kleinen Gruppe“ findet sich in der Bescheidbegründung lediglich im Sachverhalt wieder; eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Aspekt blieb die Beklagte schuldig. Die gebotene Befassung mit der Frage, ob die üblichen Klassenstärken an den staatlichen Real- oder Gesamtschulen einer erfolgreichen Beschulung der Klägerin entgegenstehen, wurde auch nicht durch den Verweis auf die Stellungnahme des Schulamtes des S. -F. -Kreises vom 5. Juli 2010 ersetzt, das „nach eingehender Prüfung keine Notwendigkeit für eine Beschulung auf einer Privatschule“ sehe. Denn auch diese - ohnehin nur kurz gehaltene - Stellungnahme geht nicht auf die in Rede stehende Frage ein. Allein der Hinweis des Schulamtes darauf, dass die „Einleitung eines AO-SF-Verfahrens angezeigt“ sei, „falls es dennoch zu Problemen in der weiterführenden Schule kommen sollte“, greift im gegebenen Zusammenhang zu kurz. Abgesehen davon, dass auf die Inanspruchnahme sonderpädagogischer Förderung nur verwiesen werden kann, wenn eine diesbezügliche wirksame schulrechtliche Entscheidung über einen sonderpädagogischen Förderbedarf vorliegt,
75vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris, m. w. N.,
76hat die Beklagte auch nicht ansatzweise dargelegt, dass die Klägerin aus den in § 19 Abs. 1 SchulG NRW, § 3 Abs. 1 AO-SF (jeweils in der im Zeitpunkt der Bescheidung maßgeblichen Fassung) genannten Gründen nicht am Unterricht einer allgemeinen Schule teilnehmen könne. Die Beklagte trägt vielmehr selbst vor, dass der Besuch einer Schule mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung für die Klägerin „weder indiziert noch jemals vorgeschlagen“ worden sei, ohne allerdings im Hilfeplanverfahren dargelegt zu haben, dass die alternativ dann nur in Betracht kommende sonderpädagogische Förderung in der allgemeinen Schule in den hier streitgegenständlichen Schuljahren bereits an den in Betracht kommenden weiterführenden Regelschulen installiert war; so hat die Zeugin C1. etwa bei ihrer Vernehmung am 27. März 2014 angegeben, dass Gemeinsamer Unterricht an der B. -F1. -Realschule erst seit dem laufenden Schuljahr stattfinde. Ebenso wenig hat die Beklagte bei ihrer Hilfeplanung aufgezeigt, dass eine sonderpädagogische Förderung an einer weiterführenden Regelschule - unterstellt, es läge ein entsprechender Förderbedarf vor und eine solche Förderung würde auch angeboten - dem spezifischen Beeinträchtigungsprofil der Klägerin auch im Rahmen einer „normalen“ Klassenstärke gerecht werden würde.
77Kommt es für die Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe mithin auf die ex-ante-Betrachtung der leistungsberechtigten Klägerin an, erschien es aus deren Perspektive - bzw. letztlich aus dem Blickwinkel der sie gesetzlich vertretenden Eltern - ohne Weiteres fachlich vertretbar, sich für eine weitere Beschulung auf der Privatschule E. zu entscheiden. Dass diese Bildungseinrichtung geeignet ist, der Klägerin auch in Ansehung ihres spezifischen Beeinträchtigungsprofils eine adäquate Schulbildung zu vermitteln, stand und steht außer Frage und wird im Nachhinein durch die vorliegenden Zeugnisse aus der 5. bis 8. Klasse bestätigt. Die seinerzeit getroffene Entscheidung erwies sich auch nicht unter dem Erforderlichkeitsaspekt als unvertretbar. Nach den vorliegenden Erfahrungen und fachlichen Erkenntnissen, die sich vor allem in dem schulischen Gutachten vom 29. Januar 2010 und der ärztlichen Stellungnahme vom 10. März 2010 widerspiegelten, mussten die Eltern der Klägerin mit der konkreten Gefahr rechnen, dass ihre Tochter auf einer weiterführenden staatlichen Schule nicht angemessen beschult werden könne und die ohnehin bestehende Teilhabebeeinträchtigung sich erheblich verschlimmern werde. In dieser Situation war ihnen nicht zuzumuten, die Klägerin - gleichsam zu „Versuchszwecken“ - dennoch auf einer Regelschule anzumelden, zumal es der Beklagten, wie dargelegt, im Hilfeplanverfahren nicht gelungen war, eine dem Beeinträchtigungsbild der Klägerin angemessen Rechnung tragende Perspektive für eine erfolgreiche Beschulung im öffentlichen Schulwesen aufzuzeigen.
78Die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach die Übernahme von Schulgeld für eine private Ersatzschule als eine vom Kernbereich der pädagogischen Arbeit umfasste Leistung keine im Rahmen der Eingliederungshilfe vom Sozialhilfeträger zu erbringende Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII ist,
79vgl. BSG, Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 10/11 R -, BSGE 112, 196, juris,
80steht dem Kostenübernahmeanspruch der Klägerin nicht entgegen, auch wenn § 35a Abs. 3 SGB VIII u. a. auf § 54 SGB XII verweist. Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf den Bereich der jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfe, die zu dem - nach Auffassung des Senats unhaltbaren - Ergebnis führen würde, dass Privatschulkosten durch den Träger der Jugendhilfe in keinem Fall zu übernehmen sind, also auch dann nicht, wenn im Einzelfall davon auszugehen ist, dass eine bedarfsdeckende Hilfe im öffentlichen Schulwesen nicht zu erhalten ist, kommt aufgrund der folgenden Erwägungen nicht in Betracht:
81Zunächst ist aus dem Wortlaut von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, § 12 EinglVO nicht abzuleiten, dass „Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung“ nur die Schulbildung begleitende bzw. unterstützende Leistungen sind, wie vom Bundessozialgericht angenommen.
82Vgl. hierzu neben der vorstehend zitierten Entscheidung auch BSG, Urteil vom 22. März 2012 -B 8 SO 30/10 R -, BSGE 110, 301, juris.
83Der Begriff der „Hilfen“ ist zielorientiert und daher umfassend zu verstehen. Er ist nicht auf Maßnahmen limitiert, die an eine anderweitig gewährleistete Schulbildung angelehnt sind. Dabei ergibt sich aus § 12 EinglVO nichts anderes. Dementsprechend hatte das Bundesverwaltungsgericht schon zum seinerzeit noch geltenden § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG festgestellt, dass die hiernach möglichen Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung „nicht auf solche untergeordneter oder flankierender Art beschränkt“ sind und auch solche Hilfen umfassen, die dem behinderten Menschen „Zugang zu einer angemessenen Schulbildung“ ermöglichen.
84Vgl. Urteil vom 28. April 2005 - 5 C 20.04 -,BVerwGE 123, 316, juris.
85Die auf der Annahme eines Verhältnisses der Spezialität beruhende Argumentation des Bundessozialgerichts lässt sich aber vor allem deshalb nicht fruchtbar machen, weil bei der hier in Rede stehenden jugendhilferechtlichen Fallgestaltung das Verständnis des § 10 Abs. 1 SGB VIII im Vordergrund steht, wonach die „Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, … durch dieses Buch nicht berührt“ werden. Diese Regelung beschreibt aber nach allgemeiner Auffassung ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis.
86Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010 - 5 C 7.09 -, BVerwGE 137, 85, juris; OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2012 - 12 B 1018/12 -, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1874/08 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 23. April 2009 - 12 CE 09.686 -, juris; NdsOVG, Urteil vom 27. April 2005 - 4 LC 343/04 -, JAmt 2005, 360, juris; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 10 Rn. 20 ff.; Schellhorn, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 10 Rn. 6 ff., Meysen, in: FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 10 Rn. 2 ff.
87Von diesem Verständnis geht auch die Begründung zum Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) aus, mit dem die „Schulen“ erstmals ausdrückliche Erwähnung in § 10 Abs. 1 SGB VIII gefunden haben, indem sie darauf abstellt, dass die „Leistungen der Schulträger vorrangig gegenüber Leistungen der Sozialhilfe zu erbringen sind“.
88Vgl. BT-Drs. 15/5616, S. 25.
89In seiner jüngeren Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht,
90vgl. Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris,
91unter Bezugnahme auf den in § 10 Abs. 1 SGB VIII verankerten Grundsatz des Nachrangs bzw. der Subsidiarität der Jugendhilfe erneut betont, dass dieses Prinzip nur greift, wenn nach den Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe zu erhalten ist. Auf den Ansatz des Bundessozialgerichts, schulische Förderleistungen könnten einen Anspruch auf jugendhilferechtliche Eingliederungshilfe im Wege der Spezialität ausschließen, wenn der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrer in der Schule betroffen wäre, hat sich das Bundesverwaltungsgericht nur insofern gestützt, als es geprüft hat, ob die in jenem Verfahren streitgegenständliche Schulbegleitung mit der pädagogischen Arbeit der Lehrer konfligiert. Ein solcher Konflikt setzt aber ein Nebeneinander von Beschulung (im öffentlichen Schulwesen) und Eingliederungshilfemaßnahme voraus; daran fehlt es indes, wenn die Eingliederungshilfe allein auf die Ermöglichung der Beschulung an einer Privatschule zielt.
92Schließlich ist auch davon auszugehen, dass die Deckung des Bedarfs i. S. v. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII keinen zeitlichen Aufschub mehr geduldet hat. Mit Blick auf den absehbar anstehenden Wechsel auf eine weiterführende Schule war es der Klägerin angesichts ihrer festgestellten Beeinträchtigungslage und der drohenden Gefahr einer Verfestigung und Verschlimmerung nicht zuzumuten, sich zunächst auf eine weitere Beschulung an einer Regelschule einzulassen, nachdem die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfeplanung nicht aufzuzeigen vermochte hatte, dass dieser Weg zu einer adäquaten Bedarfsdeckung führt.
93Als „erforderliche Aufwendungen“, welche die Beklagte nach alldem gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII für die selbst beschaffte Hilfe in den streitgegenständlichen Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 zu übernehmen verpflichtet ist, sind in Anwendung des Rechtsgedankens des § 683 Satz 1 i. V. m. § 670 BGB diejenigen Aufwendungen anzusehen, welche die Eltern der Klägerin nach ihrem subjektiv vernünftigen Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich halten durften.
94Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 548, juris, und Beschluss vom 28. Juni 2012 - 12 A 2374/11 -, juris.
95Darunter fallen namentlich das monatlich an die Privatschule zu zahlende Schulgeld sowie eine etwaig geleistete Aufnahmegebühr; steuerliche Vorteile sind in Abzug zu bringen.
96Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
97Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 67 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
98Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Namentlich fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die sich auch nicht aus der vorstehend thematisierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Ausschluss von Privatschulkosten aus dem Leistungskatalog der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe ergibt. Dass diese Rechtsprechung auf den Bereich des Jugendhilferechts nicht übertragbar ist, folgt - wie dargelegt - insbesondere aus dem Verständnis des § 10 Abs. 1 SGB VIII als Vorrang-Nachrang-Regelung, das in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt ist.
Der erstattungsberechtigte Träger der öffentlichen Jugendhilfe kann die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen. Der Ablauf der Fristen, die ohne sein Verschulden verstrichen sind, wirkt nicht gegen ihn. Dies gilt nicht für die Verfahrensfristen, soweit der Träger der öffentlichen Jugendhilfe das Verfahren selbst betreibt.
(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben im Rahmen ihrer Planungsverantwortung
- 1.
den Bestand an Einrichtungen und Diensten festzustellen, - 2.
den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Erziehungsberechtigten für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln und - 3.
die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben rechtzeitig und ausreichend zu planen; dabei ist Vorsorge zu treffen, dass auch ein unvorhergesehener Bedarf befriedigt werden kann.
(2) Einrichtungen und Dienste sollen so geplant werden, dass insbesondere
- 1.
Kontakte in der Familie und im sozialen Umfeld erhalten und gepflegt werden können, - 2.
ein möglichst wirksames, vielfältiges, inklusives und aufeinander abgestimmtes Angebot von Jugendhilfeleistungen gewährleistet ist, - 3.
ein dem nach Absatz 1 Nummer 2 ermittelten Bedarf entsprechendes Zusammenwirken der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien sichergestellt ist, - 4.
junge Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte junge Menschen mit jungen Menschen ohne Behinderung gemeinsam unter Berücksichtigung spezifischer Bedarfslagen gefördert werden können, - 5.
junge Menschen und Familien in gefährdeten Lebens- und Wohnbereichen besonders gefördert werden, - 6.
Mütter und Väter Aufgaben in der Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander vereinbaren können.
(3) Die Planung insbesondere von Diensten zur Gewährung niedrigschwelliger ambulanter Hilfen nach Maßgabe von § 36a Absatz 2 umfasst auch Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung.
(4) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe in allen Phasen ihrer Planung frühzeitig zu beteiligen. Zu diesem Zwecke sind sie vom Jugendhilfeausschuss, soweit sie überörtlich tätig sind, im Rahmen der Jugendhilfeplanung des überörtlichen Trägers vom Landesjugendhilfeausschuss zu hören. Das Nähere regelt das Landesrecht.
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen darauf hinwirken, dass die Jugendhilfeplanung und andere örtliche und überörtliche Planungen aufeinander abgestimmt werden und die Planungen insgesamt den Bedürfnissen und Interessen der jungen Menschen und ihrer Familien Rechnung tragen.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Juli 2010 dazu verpflichtet, die Kosten des Besuchs der Privatschule E. durch die Klägerin in den Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 zu übernehmen.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 1999 geborene Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten ihrer Beschulung auf der Privatschule E. in X. für die Schuljahre 2010/2011 und 2011/2012 durch die Beklagte.
3Die Klägerin besuchte ab dem Jahr 2002 eine Kindertagesstätte und erhielt bereits vorschulisch eine ergotherapeutische und logopädische Behandlung, nachdem ein Sprachentwicklungsrückstand und Wahrnehmungsstörungen diagnostiziert worden waren. Zum Schuljahr 2005/2006 wurde die Klägerin auf der T. schule X. , einer städtischen Gemeinschaftsgrundschule, eingeschult. Dort wiederholte sie die 1. Klasse. Einhergehend mit der Diagnose eines unterlagernden Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms wurde die Klägerin ab dem Jahr 2007 durch Frau Dr. C. E1. , Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und Psychotherapeutin in X. , verhaltenstherapeutisch und medikamentös behandelt. Ebenfalls ab dem Jahr 2007 nahm die Klägerin eine lerntherapeutische Behandlung in der Praxis J. E. in X. wahr.
4Ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten vom 21. Dezember 2009 erkundigte sich die Mutter der Klägerin am 10. Dezember 2009 nach Fördermöglichkeiten für die Klägerin, da diese in der Schule Probleme wegen einer Dyskalkulie und eines ADS habe, woraufhin ein Hausbesuch am 17. Dezember 2009 vereinbart worden sei. Aus dem Vermerk geht weiter hervor, dass die Klägerin von ihren Eltern umfassend versorgt und intensiv gefördert werde. Sie zeige sich im Gespräch aufgeschlossen und freundlich und besuche derzeit die 4. Klasse der GGS T. schule. Die Klägerin berichte, sie gehe gerne zur Schule, habe dort aber keine Freunde und werde auch nicht zu Geburtstagen eingeladen. Sie spiele in der Pause Fangen mit anderen Kindern. Das Fach Sport möge sie besonders gerne, Mathematik dagegen nicht. Sie fahre alleine zur Schule mit einem Roller. Sie sei bereits einmal mit ihrer Klasse zu einer Klassenfahrt gefahren und freue sich auf die nächste. Nachmittags spiele sie mit ihrem Bruder oder nehme am Vereinstraining (Schwimmen und Leichtathletik) teil. Die Eltern hätten sich dahingehend geäußert, dass die Entwicklung der Klägerin bedingt durch eine Sprachentwicklungsverzögerung, eine Störung der Körperwahrnehmung und Entzündungen der Ohren, die zeitweise das Hörvermögen eingeschränkt hätten, problematisch verlaufen sei. Sie habe Ergo- und Sprachtherapie erhalten und werde lerntherapeutisch behandelt. Ihre guten Leistungen seien nur durch das Zusammenwirken von intensiver häuslicher, schulischer und lerntherapeutischer Unterstützung entstanden. Sie zeige sich sehr lernmotiviert und ehrgeizig und habe eine uneingeschränkte Empfehlung zum Besuch einer Real- oder Gesamtschule erhalten. Sorge bereite allerdings ihre Tendenz zum sozialen Rückzug. In der Kinderarztpraxis E1. seien Dyskalkulie und ADS diagnostiziert worden. Es sei zu befürchten, dass die Klägerin mit dem Besuch einer weiterführenden Regelschule wegen der großen Klassenverbände und mangelnder individueller Förderung überfordert sei und keinen angemessen Schulabschluss erreichen könne.
5Am 21. Dezember 2009 fand eine „Einzelberatung/weiterführende Schulen“ an der T. schule statt, bei der die Klassenlehrerin der Klägerin, Frau D. T. , mit deren Eltern das in der Grundschule gezeigte Arbeits- und Sozialverhalten sowie die erkennbare Leistungsfähigkeit und -bereitschaft besprach. Aus der zugehörigen Niederschrift geht hervor, dass die Klassenlehrerin „nach heutigem Stand der Erkenntnisse den Besuch einer Realschule oder einer Gesamtschule“ empfehle. Unter „besondere Bemerkungen“ ist weiter festgehalten: „M. sollte eine Realschule besuchen, die auf die besonderen Bedürfnisse von M. Rücksicht nimmt!“.
6Unter dem 1. Februar 2010 beantragten die Eltern der Klägerin die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII. Die Klägerin solle ab der 5. Klasse die Privatschule E. besuchen, da sie dort optimale Bedingungen vorfände, um einen angemessenen Schulabschluss zu erreichen, ohne durch ihre Teilleistungsstörungen und die damit verbundenen seelischen Probleme benachteiligt zu sein. Schon seit früher Kindheit habe sie Probleme, dauerhafte Kontakte zu anderen Kindern zu knüpfen, weil sie auch durch eine Sprachentwicklungsverzögerung belastet sei. Daraus habe sich eine tiefe Verunsicherung entwickelt, die sich in der Schulzeit verstärkt habe, da sie in ihrem Lernverhalten durch eine Dyskal-kulie und ADHS beeinträchtigt sei. Auch wenn durch diverse Therapien eine gewisse Besserung eingetreten sei, neige sie dazu, sich bei Kritik abgelehnt zu fühlen, so dass sie sich in der Schule oft zurückziehe. Sie sei wenig selbstbewusst und befürchte immer, dass man über sie und ihre Probleme spreche und sie den Anforderungen nicht genügen könne. Jedoch sei sie sehr lernwillig und könne einige Defizite mit viel Fleiß ausgleichen. Es sei zu befürchten, dass sie in einer staatlichen Realschule mit großen Klassen und fehlender individueller Zugehens-weise der Lehrer nicht zu einem angemessenen Schulabschluss gelangen könne. Dem Antrag waren ein Zwischenbericht über die lerntherapeutische Behandlung und die Schulzeugnisse der Klägerin beigefügt.
7In ihrem auf den 29. Januar 2010 datierten schulischen Gutachten wies die damalige Klassenlehrerin der Klägerin, Frau D. T. , darauf hin, dass sich die Klägerin von Anfang an ihren Lehrerinnen gegenüber sehr aufgeschlossen gezeigt und sich gegenüber ihren Mitschülern freundlich verhalten habe. Sie habe allerdings bisher keinen altersangemessenen Kontakt zu ihren Mitschülern aufgebaut. Es sei ihr bei Gruppenarbeiten nur sehr bedingt gelungen, eigene Ideen einzubringen. Auf dem Schulhof habe sie sich entweder alleine beschäftigt oder mit sehr viel jüngeren Kindern gespielt. Um Konflikte zu lösen, habe sie stets die unterstützende Hilfe durch ihre Lehrerinnen benötigt. Sie sei in der Lage, Gelerntes sicher anzuwenden, und könne gut etwas auswendig lernen. Jedoch falle es ihr schwer, neues Wissen in vorhandene Strukturen einzubinden. Oft scheitere sie an der Art und Weise der Aufgabenstellung, die sie nicht verstehe. Wenn man mit ihr die eigentliche Aufgabe bespreche und mit ihr Beispiele durchgehe, so sei sie in der Lage, die Aufgaben sicher zu lösen. Allerdings gelinge ihr der Transfer auf ähnliche Aufgaben nur bedingt. Zum einen sei sie auf eine sehr intensive Zuwendung ihrer Lehrerinnen und zum anderen auf eine umfassende außerschulische Förderung ihrer Eltern und einer Therapeutin angewiesen. Sie benötige eine durchgängige individuelle Zuwendung und Hilfe, durch die sie ohne Zeitdruck an klar strukturierte, überschaubare und individuell differenzierte Aufgaben herangehen könne. Auch nach der Grundschule sei es wichtig, dass sie schulisch und außerschulisch weiterhin intensiv gefördert werde.
8In ihrem ärztlichen Attest vom 10. März 2010 führte die Kinder- und Jugendärztin und Kinder- und Jugendtherapeutin Dr. C. E1. u. a. aus, dass die Klägerin in allen schulischen und leistungsbezogenen Anforderungen auf Unterstützung durch Lehrer, Eltern oder Lerntherapeutin angewiesen sei. Die geringsten Herausforderungen oder Schwierigkeiten ließen sie ansonsten resignieren und sie sei dann nicht mehr in der Lage, sich konstruktiv mit dem Problem auseinander zu setzen. Sie habe trotz aller Unterstützung nur ein sehr geringes Selbstwertgefühl. Die Klägerin benötige auf der weiterführenden Schule eine kleine Gruppe, in der eine gezielte persönliche Ansprache und Unterstützung möglich sei. In einer Regelschulform würde sie „untergehen“. In diesem Sinne drohe eine seelische Behinderung im Sinne von § 35a SGB VIII.
9Das Schulamt für den S. -F. -Kreis nahm unter dem 5. Juli 2010 dahingehend Stellung, dass aus schulfachlicher Sicht keine Beschulung an einer Privatschule notwendig sei, da die Klägerin die Schulformempfehlung „Real-oder Gesamtschule“ erhalten habe. Falls es dennoch zu Problemen in der weiterführenden Schule komme, sei dort die Einleitung eines AO-SF-Verfahrens angezeigt.
10Nach Durchführung einer Hilfeplankonferenz lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme der Kosten für den Besuch einer Privatschule mit Bescheid vom 28. Juli 2010 ab. Zur Begleitung und Unterstützung des Übergangs auf eine weiterführende Schule bewilligte sie im Umfang von 40 Fachleistungsstunden eine Dyskalkulietherapie. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Übernahme der Kosten für den Besuch einer Privatschule nur im Ausnahmefall möglich sei, wenn alle staatlichen schulischen Fördermaßnahmen nicht ausreichten, um eine angemessene Schulbildung zu ermöglichen. Aus dem gewonnenen Gesamtbild gemäß den Berichten von Eltern und Schule sowie dem medizinischen Gutachten ergebe sich, dass die Klägerin in ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben infolge der Teilleistungs- und Aufmerksamkeitsstörung nicht so massiv beeinträchtigt sei, dass eine Beschulung im staatlichen Regelschulsystem nicht möglich sei, zumal sie in ihrer bisherigen Schullaufbahn auf einer Regelschule beständig befriedigende Leistungen auch im Fach Mathematik gezeigt habe. Durch intensive Unterstützung ihrer Eltern sei die Klägerin sozial eingebunden und werde medizinisch/verhaltenstherapeutisch begleitet. Nach Vorgabe der Schulaufsichtsbehörde erscheine es zur Abwendung der von Eltern und Gutachterin befürchteten Schulschwierigkeiten ausreichend, wenn die Klägerin mit ihrem Wechsel auf eine Real- oder Gesamtschule weiterhin konsequent häuslich begleitet werde und eine Dyskalkulietherapie stattfinde; bei dem Schulwechsel sei die Fachstelle für AD(H)S zu beteiligen mit der Option, bei auftretenden Lernproblemen den weiteren Förderbedarf abzuklären. Selbstwertproblematik und emotionale Instabilität erforderten eine individuelle Behandlung im Rahmen des Leistungskatalogs der Krankenversicherung. Ergänzend stehe die Schul- und Erziehungsberatung zur Verfügung.
11Die Klägerin, die seit dem Schuljahr 2010/2011 die Privatschule E. besucht, hat am 19. August 2010 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Sie gehöre unstreitig zum Kreis der Eingliederungsberechtigten nach § 35a SGB VIII. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei auch der Besuch einer Privatschule zur Sicherstellung des Erwerbs einer angemessenen Schulbildung erforderlich. Dem ärztlichen Attest der Frau Dr. E1. vom 10. März 2010 sowie den Stellungnahmen der Klassenlehrerin und der Therapeutin J. E. könne entnommen werden, dass sie, die Klägerin, in allen schulischen und leistungsbezogenen Anforderungen immer auf Unterstützung durch Lehrer, Eltern oder Lerntherapeuten angewiesen sein werde. Die geringsten Herausforderungen oder Schwierigkeiten ließen sie ansonsten resignieren und sie sei dann nicht mehr in der Lage, sich mit den Problemen konstruktiv auseinander zu setzen. Ihr Selbstwertgefühl sei gering. Aufgrund der erwähnten Stellungnahmen sei auch der Besuch der Privatschule E. erforderlich, um ihrem Behinderungsbild gerecht zu werden und ihr eine angemessene Schulbildung zu ermöglichen. Der Verweis auf das staatliche Regelschulsystem führe hier nicht weiter, da nicht ersichtlich sei, dass sie an der Regelschule unter Berücksichtigung ihrer Beeinträchtigungen angemessen gefördert werden könne.
12Die Klägerin hat beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Juli 2010 zu verpflichten, die Kosten des Besuchs der Privatschule E. durch die Klägerin in den Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 zu übernehmen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat vorgetragen: Entgegen der Auffassung der Klägerin sei im vorliegenden Fall eine Beschulung an einer Regelschule geeignet, um eine angemessene Schulausbildung zu gewährleisten. Die B. -F1. -Realschule in X. sei z. B. in der Lage, der Klägerin die nötigen Rahmenbedingungen zum Erreichen eines angemessenen Schulabschlusses zu verschaffen. Die Beschulung von Kindern mit ADHS sei im Alltag an Regelschulen nichts Außergewöhnliches und werde mit gutem Erfolg durchgeführt. Im Zusammenwirken der Eltern, der Lehrkräfte der Schule, des Jugendamtes, der Bezirksregierung und ggf. weiterer Fachkräfte sei die Ausarbeitung eines individuellen Förderkonzeptes für die Klägerin möglich. Nach den Angaben der Schulleiterin der B. -F1. -Real-schule verfüge die Schule über drei zertifizierte Beratungslehrer, die im Rahmen von umfangreichen Fortbildungsmaßnahmen in Bezug auf individuelle und nachhaltige Förderung von Schülerinnen und Schülern mit ADHS-Problematik geschult seien. Des Weiteren unterhalte die Schule ein enges und gut funktionierendes Netzwerk zu Sonderpädagogen und anderen externen Stellen wie Ge-sundheitsamt, Kompetenznetzwerken und Elterngruppen. Dies zeige, dass an dieser Schule mit der Problematik ernsthaft umgegangen werde. Ein individuelles Förderkonzept der Klägerin habe mangels Mitwirkung ihrer Eltern bislang nicht realisiert werden können. Eine Prognose dahingehend, dass die Klägerin an der Regelschule keinen adäquaten Abschluss erreichen könne, sei nicht tragfähig.
17Mit dem angefochtenen Urteil vom 10. November 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
18Ob die Klägerin zum Personenkreis der nach § 35a SGB VIII Berechtigten zu zählen sei, könne dahingestellt bleiben. Denn die Beschulung auf einer Privatschule sei jedenfalls nicht zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung erforderlich. Die Beklagte könne sich insoweit auf den Vorrang der Beschulung im öffentlichen Schulwesen berufen. Im Hinblick auf die schulischen Leistungen, welche die Klägerin auf der Grundschule gezeigt habe, und die hierauf basierende Empfehlung für den Besuch einer weiterführenden Schule könne auch unter Berücksichtigung der bei der Klägerin vorliegenden Teilleistungsstörungen nicht davon ausgegangen werden, dass es für sie unmöglich sei, eine weiterführende Regelschule zu besuchen, sofern sie - wie bisher - familiär und außerschulisch gefördert werde. Die Eignung der von der Beklagten vorgeschlagenen B. -F1. -Realschule sei von Klägerseite lediglich pauschal bestritten worden. Darüber hinaus habe es den Eltern der Klägerin frei gestanden, die Möglichkeiten der individuellen Förderung an anderen öffentlichen Schulen abzuklären, gegebenenfalls auch mit Hilfe des AD(H)S-Netzwerkes bei der Bezirksregierung L. . Die frühzeitige Festlegung auf den Besuch einer Privatschule könne nicht dazu führen, dass der gesetzliche Vorrang der Förderung im staatlichen Schulsystem auf Kosten der Eingliederungshilfe umgangen werde. Die im Verwaltungsverfahren eingeholten ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen der Klassenlehrerin und Therapeutin böten keine hinreichende Grundlage dafür, dass die Klägerin im öffentlichen Schulsystem nicht gefördert werden könne. Die Entscheidung der Beklagten, zunächst auf den Besuch einer öffentlichen Regelschule zu verweisen und insoweit zur Vermeidung oder Abmilderung von Umstellungsschwierigkeiten eine (Dyskalkulie-)Therapie zu bewilligen, die gegebenenfalls den Bedürfnissen der Klägerin entsprechend hätte umgestellt werden können, sei vor diesem Hintergrund nachvollziehbar und fachlich nicht zu beanstanden.
19Mit Beschluss vom 25. Oktober 2012 hat der Senat die Berufung der Klägerin wegen des Vorliegens des Zulassungsgrundes der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen.
20Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen vor:
21Das angefochtene Urteil widerspreche den Bestimmungen des § 36 Abs. 2 SGB VIII über das Hilfeplanverfahren. Ob bei ihr, der Klägerin, die Voraussetzungen der Eingliederungshilfe vorlägen, könne nicht offen bleiben. Bereits bei der Antragstellung hätten ihre Eltern auf die bestehende Teilhabebeeinträchtigung hingewiesen. Aufgrund der Kontaktschwierigkeiten, der tiefen Verunsicherung, die sich entwickelt habe, und des mangelnden Selbstbewusstseins sei zu befürchten, dass sie in einer öffentlichen Realschule mit großen Klassen und fehlender individueller Zugangsweise der Lehrer nicht zu einem angemessenen Schulabschluss kommen könne. Die behandelnde Kinder- und Jugendpsychiaterin, Frau Dr. E1. , habe das Vorliegen einer seelischen Störung gegenüber dem Jugendamt der Beklagten bestätigt. Das Jugendamt habe indes, obwohl die Voraussetzungen der Eingliederungshilfe nach seiner Einschätzung vorgelegen hätten, keine Ermittlung der geeigneten Hilfeart vorgenommen. Anfragen der Beklagten an schulische Stellen seien nicht zielführend beantwortet worden. Soweit die Einleitung eines AO-SF-Verfahrens angesprochen worden sei, habe die Grundschule dazu keinen Anlass gesehen. Daran sei der Jugendhilfeträger gebunden. Die Bestimmung einer Schule für soziale und emotionale Entwicklung als Förderort wäre im vorliegenden Fall auch unzulässig, da dort nur nach den Lehrplänen der Hauptschule unterrichtet werde. Erst nach Klageerhebung habe die Beklagte auf die B. -F1. -Realschule verwiesen. Nachfragen bei der Beklagten, ob diese Schule die Rahmenbedingungen für eine Beschulung unter Berücksichtigung ihrer, der Klägerin, Beeinträchtigungen biete, hätten jedoch keinen Aufschluss gebracht. Das Verwaltungsgericht habe insoweit keine Sachaufklärung betrieben. Wenn keine geeignete Beschulung im öffentlichen Schulwesen zur Verfügung stehe, liege ein Fall des Systemversagens vor. In einem solchen Fall sei das Jugendamt verpflichtet, im Rahmen des § 35a SGB VIII auch Kosten für den Besuch einer Privatschule zu übernehmen. Auf den Vorrang des öffentlichen Schulsystems könne sich die Beklagte nur berufen, wenn die von ihr benannte Schule konkret eine Beschulungsmöglichkeit unter Berücksichtigung der Beeinträchtigungen der Klägerin darstellen würde. Das sei hinsichtlich der B. -F1. -Realschule in X. nicht aufgeklärt. Die Beklagte begnüge sich mit allgemeinen Ausführungen. Ihre, der Klägerin, Eltern hätten sich seinerzeit dazu entschlossen, sie die erste Klasse wiederholen zu lassen, weil sich herausgestellt habe, dass sie in der Schule vollständig isoliert gewesen sei. Sie sei dann in die Klasse von Frau T. gekommen, die für die Ausbildung der Referendare an der Schule zuständig gewesen sei. Frau T. sei im Unterricht über den kompletten Zeitraum ihres, der Klägerin, weiteren Besuchs der Grundschule jeweils durch einen (wechselnden) Referendar bzw. eine Referendarin unterstützt worden. In der Klasse seien maximal 23 Schüler gewesen. Auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Erörterungstermin habe die Zeugin Dr. E1. eindrucksvoll die seit Jahren bestehende seelische Störung und die im schulischen Bereich bestehende Teilhabebeeinträchtigung bestätigt und dargelegt, dass sie, die Klägerin, einer intensiven Begleitung im Rahmen von kleinen Lerngruppen bedürfe. Bei Besuch einer Regelschule habe die Befürchtung im Raum gestanden, dass sie zum Mobbingopfer werden würde. Die Einschätzung der Zeugin, sie, die Klägerin, würde an einer Regelschule untergehen, beruhe darauf, dass dort die Rahmenbedingungen fehlten, welche sie aufgrund ihrer tief greifenden Entwicklungsstörungen für eine erfolgreiche Beschulung benötige. Nach der Aussage der Zeugin E. sei die Eignung der Beschulung auf der Privatschule E. als Maßnahme der Eingliederungshilfe in ihrem Fall bewiesen. Die Angaben der Zeugin C1. zu den Klassenstärken an der B. -F1. -Realschule seien falsch, was sich den Informationen der Stadtelternpflegschaft X. entnehmen lasse. Es seien auch Fälle bekannt, in denen Kindern mit entsprechender Beeinträchtigung ein Nachteilsausgleich seitens der Realschule verwehrt worden sei. Speziell ausgebildete Pädagogen mit lerntherapeutischer Fachausbildung habe die Realschule zu keiner Zeit beschäftigt. Soweit die Zeugin C1. angegeben habe, die Schüler an ihrer Schule seien nicht in herausgehobener Weise „schwierig“ und von einem „sozialen Brennpunkt“ könne keine Rede sein, treffe dies nicht zu. Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Beklagten hätten mindestens bis 2012 einen Ordnungs-, Kontroll- und Sicherheitsdienst auf dem Gelände des Schulzentrums und damit auch der Realschule wahrgenommen. Die Zeugin C1. habe gerade nicht bestätigt, dass an ihrer Schule vergleichbare Möglichkeiten der individuellen Begleitung von Schülern bestünden, wie sie während des Grundschulbesuchs der Klägerin gegeben gewesen seien. Dort sei die damalige Klasse 4b mit 21 Schülern sehr klein gewesen; in der Klasse hätten jeweils die Klassenlehrerin oder ein Fachlehrer sowie zusätzlich zwei Integrationshelferinnen und eine Lehramtsanwärterin gearbeitet, so dass ein Großteil der Unterrichtsstunden doppelt bzw. teilweise sogar dreifach besetzt gewesen sei. Nach alldem stelle die B. -F1. -Realschule keine geeignete Beschulungsmöglichkeit für sie, die Klägerin, dar. Soweit sich die Beklagte auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts berufen habe, wonach der „Kernbereich der pädagogischen Aufgabe der Schule“ nicht Gegenstand einer Leistung der Eingliederungshilfe sein könne, sei diese Rechtsprechung hier nicht einschlägig und widerspreche auch der ständigen verwaltungsgerichtlichen Judikatur. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei das Hilfeplanverfahren nicht fachlich fehlerfrei abgeschlossen worden. Die bewilligte Dyskalkulietherapie betreffe nur einen kleinen Ausschnitt aus dem komplexen Hilfebedarf, der sich bereits aus der ärztlichen Stellungnahme der Frau Dr. E1. vom 10. März 2010 ergeben habe. Eine inhaltliche Aussage der Schulverwaltung zu der Frage, ob unter diesen Voraussetzungen einer Beschulung der Klägerin auf einer öffentlichen Schule möglich sei, sei nicht herbeigeführt worden.
22Die Klägerin beantragt,
23das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Juli 2010 zu verpflichten, die Kosten des Besuchs der Privatschule E. durch die Klägerin in den Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 zu übernehmen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie trägt im Wesentlichen vor:
27Die Unterstellung, es gebe keine individuelle Zugehensweise von Lehrern an öffentlichen Schulen, sei haltlos. Jeder Lehrer sei verpflichtet, seinen Schülern eine den Fähigkeiten entsprechende Förderung anzubieten. Das Jugendamt entscheide in eigener Verantwortung über die Eignung einer Hilfe und deren Notwendigkeit. Wenn es vorrangig verpflichtete Leistungserbringer gebe, sei das Jugendamt nicht zuständig. Auch im Falle der Durchführung eines AO-SF-Verfahrens verbleibe die Entscheidung über den Förderort bei den Eltern. Der Besuch einer Schule mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung sei für die Klägerin weder indiziert noch jemals vorgeschlagen worden. Der Vorwurf über die verspätete Mitteilung eines Platzes an der Realschule sei unbegründet. Der Antrag auf Eingliederungshilfe entbinde die Eltern nicht von ihrer allgemeinen Verpflichtung, Informationsveranstaltungen weiterführender Schulen und sonstige Informationsquellen zu nutzen, um eine geeignete Schule für ihr Kind zu finden. Schüler mit Teilleistungsstörungen und ADHS würden seit jeher an Regelschulen beschult, so dass insoweit umfangreiche Erfahrungen bestünden. Nachdem die Klägerin über einen Zeitraum von fünf Jahren erfolgreich eine Regelschule besucht habe, lägen keine Hinweise auf ein zwangsläufiges Scheitern an einer weiterführenden Regelschule vor. Mit einer pauschalen Ablehnung der örtlichen Realschule sei ein Systemversagen nicht zu begründen. Die Beweisaufnahme im gerichtlichen Erörterungstermin habe die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestätigt. Die Vernehmung der Ärztin Dr. E1. habe keine neuen Erkenntnisse gebracht. Ihre Aussagen zu Teilhabebeeinträchtigungen seien wenig professionell und von Vorurteilen geprägt. Ohne belegbare Anhaltspunkte sei sie davon ausgegangen, dass die Klägerin an einer Regelschule zum Mobbingopfer würde. Unergiebig sei auch die Vernehmung der Zeugin E. verlaufen. Die Eignung ihrer Privatschule als Teilhabeleistung stehe nicht im Streit; hier gehe es vielmehr darum, ob diese Leistung auch erforderlich sei. Zur Frage einer Teilhabebeeinträchtigung der Klägerin an einer öffentlichen Schule habe die Zeugin allein angegeben, dass die Klägerin eine Regelschule allein aufgrund der Größe als erschreckend wahrnehme. Die von der Zeugin benannten Vorteile der Privatschule gehörten zu dem, was in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als „Kernbereich der pädagogischen Aufgabe der Schule“ bezeichnet werden müsse. Daher sei schon fragwürdig, ob es sich bei dem Angebot der Privatschule überhaupt um Teilhabeleistungen im Sinne von § 35a SGB VIII handele. Soweit die Zeugin die relative Überschaubarkeit der Privatschule als entscheidenden Vorteil benannt habe, sei dies lediglich eine Rahmenbedingung. Die Zeugin C1. habe belegt, dass die B. -F1. -Realschule mit der Beschulung von Kindern mit Teilleistungsschwächen vertraut und geübt sei. Der Sorge des Mobbings werde kompetent begegnet. Zu keiner Zeit hätten sich die Eltern der Klägerin nach konkreten bedarfsgerechten Möglichkeiten der Beschulung ihrer Tochter an dieser Regelschule erkundigt. Sie hätten vielmehr schon lange vor dem anstehenden Wechsel auf eine weiterführende Schule beschlossen, dass der Besuch einer Privatschule alternativlos sei. Selbstverständlich könne eine geeignete Förderung von Kindern mit Beeinträchtigungen im schulischen Bereich von einer Regelschule geleistet werden, so auch von der B. -F1. -Realschule. Soweit der Zeugin C1. von Klägerseite eine Falschaussage unterstellt worden sei, solle dies aus Gründen der Sachlichkeit nicht weiter kommentiert werden, zumal der Vorwurf ohnehin belanglos sei. Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit einer Maßnahme der Eingliederungshilfe stehe dem Jugendhilfeträger ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliege. Nach den hierbei zugrunde zu legenden Maßstäben habe die Beklagte auf den Antrag der Klägerin hin die erforderlichen und gesetzlich gebotenen Schritte in angemessener Weise umgesetzt. Sie habe Stellungnahmen der Grundschule, der behandelnden Ärztin und des Schulamtes eingeholt. Auf der Grundlage der vorliegenden Informationen sei dann der Antrag im Rahmen einer Hilfeplankonferenz abgelehnt worden, da nicht erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin an einer Regelschule nicht weiterhin erfolgreich beschult werden könne. Wären weitere Hilfen erforderlich geworden, damit die Klägerin eine Regelschule mit Erfolg besuchen könne, so wären diese zur Verfügung gestellt worden. Dies sei zum Zeitpunkt vor der Schulaufnahme jedoch nicht absehbar gewesen.
28Der Berichterstatter des Senats hat Frau Dr. C. E1. als sachverständige Zeugin sowie Frau J. E. , die Leiterin der Privatschule E. , und Frau L1. C1. , die Leiterin der B. -F1. -Realschule in X. , als Zeuginnen vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Vernehmungen wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 27. März 2014 verwiesen. Ferner ist eine - unter dem 26. Mai 2014 abgegebene - dienstliche Stellungnahme der Leiterin der T. -schule und früheren Klassenlehrerin der Klägerin, Frau D. T. , eingeholt worden.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
30E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
31Das Gericht kann nach §§ 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 VwGO im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
32Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Verpflichtungsklage der Klägerin ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2010 ist, soweit mit ihm die Übernahme der Kosten für den Privatschulbesuch abgelehnt wurde, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Kosten des Besuchs der Privatschule E. in den Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 nach § 36a Abs. 3 SGB VIII übernimmt.
33Haben Leistungsberechtigte sich - wie hier - eine Leistung, die grundsätzlich im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe gewährt werden kann, ohne Mitwirkung und Zustimmung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe bereits von Dritten selbst beschafft, so führt eine solche Selbstbeschaffung schon nach der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats nicht zum ersatzlosen Wegfall des Primäranspruchs auf Hilfe durch das Jugendamt. Vielmehr ist anerkannt, dass der Träger der Jugendhilfe (sekundär) zur Erstattung von Kosten bzw. Aufwendungen für bereits anderweitig durchgeführte Maßnahmen verpflichtet sein kann.
34Vgl. auch zu Folgendem: OVG NRW, Urteile vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 548, juris, und vom 20. Juni 2008 - 12 A 739/06 -, jeweils m. w. N.
35Der (sekundäre) Anspruch auf Erstattung der Kosten bzw. Aufwendungen ist in derselben Weise vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Hilfetatbestands abhängig wie die primäre Verpflichtung des Jugendhilfeträgers zur Hilfegewährung.
36Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. März 2003 - 12 A 1193/01 -, FEVS 55, 86, juris, m. w. N. insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, und Beschluss vom 18. August 2004 - 12 A 1174/01 -, juris; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 11. August 2005 - 5 C 18/04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
37Allerdings ist der Hilfesuchende nur dann zur Selbstbeschaffung einer Jugendhilfeleistung berechtigt, wenn er hierauf zur effektiven Durchsetzung eines bestehenden Jugendhilfeanspruchs angewiesen ist, weil der öffentliche Jugendhilfeträger sie nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt hat, das für die Leistungsgewährung vorgesehene System also versagt hat. Ein solches „Systemversagen“ liegt vor, wenn die Leistung vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht erbracht wird, obwohl der Hilfesuchende die Leistungserbringung durch eine rechtzeitige Antragstellung und seine hinreichende Mitwirkung ermöglicht hat und auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung vorliegen. In einer solchen Situation darf sich der Leistungsberechtigte die Leistung selbst beschaffen, wenn es ihm wegen der Dringlichkeit seines Bedarfs nicht zuzumuten ist, die Bedarfsdeckung aufzuschieben.
38Vgl. den Senatsbeschluss vom 18. August 2004 - 12 A 1174/01 -, a. a. O., m. w. N.
39Diese Grundsätze sind als § 36a Abs. 3 SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz - KICK - vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) zum 1. Oktober 2005 ausdrücklich normiert worden,
40so schon OVG NRW, Urteil vom 4. Februar 2009 - 12 A 255/08 -, m. w. N.
41Nach § 36a Abs. 3 SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für Hilfen, die abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft wurden, nur verpflichtet,
421. wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1),
432. die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und
443. die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3).
45Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
46Die Klägerin kann für sich in Anspruch nehmen, die Beklagte über den Hilfebedarf rechtzeitig i. S. v. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII in Kenntnis gesetzt zu haben. Das „Inkenntnissetzen“ umfasst grundsätzlich auch eine Beantragung der begehrten Jugendhilfeleistungen, wobei für einen solchen Antrag keine besondere Form vorgeschrieben ist und er auch in der Form schlüssigen Verhaltens gestellt werden kann.
47Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2011 - 5 B 43.10 -, JAmt 2011, 274, juris, mit Hinweis auf Beschluss vom 22. Mai 2008 - 5 B 130.07 -, JAmt 2008, 600, juris.
48Der Antrag muss dabei so rechtzeitig gestellt werden, dass der Jugendhilfeträger zur pflichtgemäßen Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen in der Lage ist.
49Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
50Das Jugendhilferecht ist nämlich kein Recht der reinen Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen, sondern verpflichtet den Träger der Jugendhilfe zur partnerschaftlichen Hilfe. Nur so kann der Jugendhilfeträger seiner Gesamtverantwortung i. S. d. § 97 Abs. 1 SGB VIII und seiner Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2, 3 SGB VIII gerecht werden.
51In diesem Sinne ist der auf den 1. Februar 2010 datierte Antrag, dem alle wesentlichen schulischen, medizinischen und therapeutischen Unterlagen beigefügt waren, offenkundig rechtzeitig angebracht worden. Wie aus der Eingangsbestätigung hervorgeht, lag der Antrag der Beklagten am 4. Februar 2010 vor. Der mehr als fünf Monate umfassende Zeitraum bis zum Beginn der Sommerferien am 15. Juli 2010 war ausreichend bemessen, um bei straffer Verfahrensführung noch vor Anfang des Schuljahres 2010/2011 eine Entscheidung über den Antrag zu treffen.
52In dem hier maßgeblichen Zeitraum haben auch i. S. d. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe nach § 35a SGB VIII vorgelegen. Der Senat sieht es mit der im Nachhinein noch erreichbaren Sicherheit für die hier streitgegenständlichen Schuljahre 2010/2011 und 2011/2012 als gegeben an, dass die Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VIII i. V. m. §§ 53, 54 SGB XII, § 12 Nr. 2 EinglVO einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschulung an der Privatschule E. zur Erreichung einer angemessenen Bildung besessen hat.
53Insoweit setzt § 35a Abs. 1 SGB VIII voraus, dass
541. die seelische Gesundheit des Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für seinen Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
552. daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
56Bei kumulativen Vorliegen beider Voraussetzungen geht das Gesetz von einer „seelischen Behinderung“ aus (vgl. § 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII), wobei es ausreicht, wenn der Betreffende von einer solchen Behinderung bedroht ist.
57Eine seelische Störung i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII ist der Klägerin schon mit der fachärztlichen Stellungnahme der Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. E1. vom 10. März 2010 bescheinigt worden. Darin wurde der Klägerin eine tief greifende Entwicklungsstörung attestiert, darüber hinaus eine komplexe Wahrnehmungsstörung sowie eine Dyskalkulie als Teilleistungsstörung und schließlich eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung. Gegen die - von der Beklagten auch nicht in Frage gestellte - Richtigkeit dieser Diagnosen, derer Herleitung und Auswirkungen in einem Begleitschreiben näher beschrieben wurden, und die die Ärztin bei ihrer Vernehmung als sachverständige Zeugin im Wesentlichen deckungsgleich bestätigt hat, bestehen keine Bedenken.
58Unter Berücksichtigung aller vorliegenden schulischen und medizinischen bzw. therapeutischen Erkenntnisse und der plausiblen Angaben der Eltern ist gleichfalls von einer - durch die seelische Erkrankung hervorgerufenen - Teilhabebeeinträchtigung der Klägerin auszugehen.
59Die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft ist im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung ist zu erwarten, wenn die seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Betroffenen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung erwarten lässt.
60Vgl. BVerwG, Urteile vom 11. August 2005 - 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris; vom 28. September 2000 - 5 C 29.99 -, BVerwGE 112, 98, juris; vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, FEVS 58, 477, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1799/08 -, NVwZ-RR 2010, 59, juris; OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2011 - 12 A 1168/11 -, juris, m. w. N.
61Erforderlich ist daher, dass eine nachhaltige Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit des Betreffenden vorliegt oder eine solche droht. Dies ist beispielsweise bei einer auf Versagensängsten beruhenden Schulphobie, bei einer totalen Schul- und Lernverweigerung, bei einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt oder bei einer Vereinzelung in der Schule anzunehmen, nicht aber bereits bei bloßen Schulproblemen und Schulängsten, wie sie auch andere Kinder teilen.
62Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1998 - 5 C 38.97 -, FEVS 49, 487, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2007 - 12 A 457/06 -, vom 12. November 2008 - 12 A 2551/08 -, vom 29. Mai 2008 - 12 A 3841/06 -, juris, vom 19. Februar 2010 - 12 A 2745/09 - und vom 13. August 2010 - 12 A 1237/09 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. März 2007 - 7 E 10212/07 -, FEVS 58, 477, juris.
63Während die Beurteilung, ob die seelische Gesundheit im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, regelmäßig Aufgabe von Ärzten oder Psychotherapeuten ist, fällt die Einschätzung, ob die Teilhabe des jungen Menschen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist bzw. eine solche Beeinträchtigung droht, in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit zunächst in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.
64Vgl. etwa Meysen, in: Münder/Meysen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 35a Rn. 33, m. w. N.
65Die Feststellung der Beeinträchtigung nach § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII ist deshalb auch nicht Ziel der Stellungnahme nach § 35a Abs. 1a SGB VIII. Dem insoweit vielmehr allein entscheidungsbefugten zuständigen Jugendamt - und damit auch dem Gericht im Überprüfungsfall - ist es allerdings unbenommen, vor der abschließenden Beurteilung des Vorliegens der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen und der Entscheidung über die Rechtsfolge ärztliche/psychotherapeutische oder andere fachliche Stellungnahmen einzuholen und auf diese Weise zu einer Entscheidung in fachlichem Zusammenwirken von ärztlichen/psychotherapeutischen und sozialpädagogischen Fachkräften unter der Federführung des Jugendamtes zu kommen.
66Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2010 - 12 A 2745/09 -, m. w. N.
67Dessen eingedenk hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass bei der Klägerin eine - von der Beklagten mit ihrem Bescheid vom 28. Juli 2010 auch dem Grunde nach anerkannte - Teilhabebeeinträchtigung vorgelegen hat, weil ihre soziale Funktionstüchtigkeit vor allem infolge eines Entwicklungsrückstandes nachhaltig eingeschränkt war. Aus der fachärztlichen Stellungnahme vom 10. März 2010 geht hervor, dass die Klägerin bereits im Kindergarten Schwierigkeiten hatte, sich in die Gruppe zu integrieren, sie mit zunehmendem Alter ihre eigenen Schwächen umso deutlicher wahrnahm und ihr Selbstwertgefühl trotz aller Unterstützung nur sehr gering ist. Zu den festgestellten Entwicklungsverzögerungen hat Frau Dr. E1. bei ihrer Vernehmung als sachverständige Zeugin ergänzend ausgeführt, dass die Klägerin, wenn auch körperlich altersgemäß entwickelt, im emotionalen Bereich „noch viel kindlicher“ wirke. Dieser Befund wird auch durch das schulische Gutachten vom 29. Januar 2010 bestätigt. Darin führte die Klassenlehrerin aus, die Klägerin habe „bislang keinen altersangemessenen Kontakt“ zu ihren Mitschülern aufgebaut; auf dem Schulhof beschäftige sie sich „entweder alleine oder … mit sehr viel jüngeren Kindern“. Die Problematik der „Selbstentwertung“ hat die Zeugin E. bei ihrer Vernehmung ebenfalls bestätigt. Dass sich bei der Klägerin aufgrund ihrer Entwicklungsverzögerung eine „tiefe Verunsicherung“ entwickelt hat, sie dazu neigt, sich „abgelehnt zu fühlen“ und sich „in der Schule oft zurückzieht“, hatten die Eltern schon in ihrem Antrag vom 1. Februar 2010 ausgeführt; diese Beschreibung der Beeinträchtigungen der Klägerin deckt sich mit den ärztlichen und schulischen Erkenntnissen.
68Der Besuch der Privatschule E. stellt sich auch als erforderliche und geeignete Maßnahme der Jugendhilfe dar. Dabei folgt aus den Grundsätzen zum Systemversagen, dass die Erforderlichkeit und Eignung der selbstbeschafften Maßnahme hier aus der damaligen Perspektive der leistungsberechtigten Klägerin zu beurteilen ist.
69Denn auch bei der Selbstbeschaffung einer aus fachlichen Gründen abgelehnten bzw. vom Hilfeplan ausgeschlossenen Leistung ist im Hinblick auf § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zunächst zu prüfen, ob der vom Jugendamt aufgestellte Hilfeplan (bzw. das Hilfekonzept) verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, nicht von sachfremden Erwägungen beeinflusst und fachlich vertretbar ist. Diese Prüfung erstreckt sich dabei nicht auf eine reine Ergebniskontrolle, sondern erfasst auch die von der Behörde - maßgeblich ist die letzte Behördenentscheidung - gegebene Begründung. Denn diese muss für den Betroffenen nachvollziehbar sein, um ihn in die Lage zu versetzen, mittels einer Prognose selbst darüber zu entscheiden, ob eine Selbstbeschaffung (dennoch) gerechtfertigt ist. Hat das Jugendamt die begehrte Hilfe aus im vorgenannten Sinne vertretbaren Erwägungen abgelehnt, besteht weder ein Anspruch des Betroffenen auf die begehrte Eingliederungshilfeleistung noch auf den Ersatz von Aufwendungen für eine selbst beschaffte Hilfe. Der Regelung des § 36a Abs. 3 SGB VIII liegt in dem Sinne der Gedanke des Systemversagens zugrunde, dass die selbst beschaffte Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt worden sein muss. Hat demgegenüber das Jugendamt nicht rechtzeitig oder nicht in einer den vorgenannten Anforderungen entsprechenden Weise über die begehrte Hilfeleistung entschieden, können an dessen Stelle die Betroffenen den sonst der Behörde zustehenden nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Denn in dieser Situation sind sie - obgleich ihnen der Sachverstand des Jugendamtes fehlt - dazu gezwungen, im Rahmen der Selbstbeschaffung des § 36a Abs. 3 SGB VIII eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme zu treffen. Weil nun ihnen die Entscheidung aufgebürdet ist, eine angemessene Lösung für eine Belastungssituation zu treffen, hat dies zur Folge, dass die Verwaltungsgerichte nur das Vorhandensein des jugendhilferechtlichen Bedarfs uneingeschränkt zu prüfen, sich hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe aber auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten zu beschränken haben. Ist die Entscheidung der Berechtigten in diesem Sinne fachlich vertretbar, kann ihr etwa im Nachhinein nicht mit Erfolg entgegnet werden, das Jugendamt hätte eine andere Hilfe für geeignet gehalten.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris; zum Systemversagen vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 -, JAmt 2014, 41, juris.
71Ausgehend von diesen Maßstäben ist zunächst festzustellen, dass die Beklagte die Grenzen fachlicher Vertretbarkeit bei ihrer Hilfeplanung überschritten hat, weil ihr Hilfekonzept, das dem Bescheid vom 28. Juli 2010 zugrunde lag, keine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthielt. Denn es drängte sich auf, dass die jugendhilferechtliche Bedarfslage der Klägerin, wie sie insbesondere bereits aus dem schulischen Gutachten vom 29. Januar 2010 und der fachärztlichen Stellungnahme vom 10. März 2010 ersichtlich war, hiermit nur unzureichend erfasst und abgearbeitet wurde.
72Die frühere Klassenlehrerin der Klägerin, Frau T. , hatte in ihrem Gutachten u. a. ausgeführt, dass die Klägerin „auf eine sehr intensive Zuwendung ihrer Lehrerinnen … angewiesen“ sei; sie brauche „eine durchgängige individuelle Zuwendung und Hilfe, durch die sie ohne Zeitdruck an klar strukturierte, überschaubare und individuell differenzierte Aufgaben herangehen kann“; auch nach der Grundschule sei es „wichtig, dass M. schulisch und außerschulisch weiterhin intensiv gefördert wird“.
73Die behandelnde Kinderärztin und -therapeutin, Frau Dr. E1. , hatte in ihrer Stellungnahme u. a. darauf hingewiesen, dass die Klägerin „in allen schulischen und leistungsbezogenen Anforderungen … immer auf Unterstützung durch Lehrer, Eltern oder Lerntherapeuten angewiesen“ sei; auf einer weiterführenden Schule werde sie „eine kleine Gruppe brauchen, in der eine gezielte persönliche Ansprache und Unterstützung möglich sind“; „in einer Regelschulform würde das Mädchen 'untergehen'“.
74Ungeachtet der Frage, ob eine hinreichende Grundlage für die letztgenannte Prognose der Fachärztin bestand, musste die Beklagte nach den ansonsten im Wesentlichen übereinstimmenden, vorstehend zitierten Aussagen von Frau T. und Frau Dr. E1. , die jeweils auf mehrjährigen Erfahrungen im Umgang mit der Klägerin beruhten und gegen deren Richtigkeit die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfeplanung auch nichts Substantielles eingewandt hatte, davon ausgehen, dass die Klägerin im schulischen Anforderungsbereich einer ausgesprochen intensiven Unterstützung und Begleitung durch das Lehrpersonal bedarf, um ihrem Potential entsprechend mit Erfolg beschult werden zu können. Vor diesem Hintergrund konnte sich die Beklagte in der Begründung ihres Bescheides vom 28. Juli 2010 nicht darauf zurückziehen, dass die Klägerin „in ihrer bisherigen Schullaufbahn auf einer Regelschule beständig befriedigende Leistungen auch im Fach Mathematik gezeigt hat“. Denn die Beklagte hätte als naheliegend in ihre Erwägungen einbeziehen müssen, dass dieser schulische Erfolg maßgeblich auf Rahmenbedingungen beruhte (wie hier: geringe Klassenstärke, mehrere Lehr- und Betreuungskräfte im Unterricht), deren Fortbestand an einer weiterführenden staatlichen Regelschule nicht als gesichert angesehen werden konnte. Das in der fachärztlichen Stellungnahme angesprochene Erfordernis einer „kleinen Gruppe“ findet sich in der Bescheidbegründung lediglich im Sachverhalt wieder; eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Aspekt blieb die Beklagte schuldig. Die gebotene Befassung mit der Frage, ob die üblichen Klassenstärken an den staatlichen Real- oder Gesamtschulen einer erfolgreichen Beschulung der Klägerin entgegenstehen, wurde auch nicht durch den Verweis auf die Stellungnahme des Schulamtes des S. -F. -Kreises vom 5. Juli 2010 ersetzt, das „nach eingehender Prüfung keine Notwendigkeit für eine Beschulung auf einer Privatschule“ sehe. Denn auch diese - ohnehin nur kurz gehaltene - Stellungnahme geht nicht auf die in Rede stehende Frage ein. Allein der Hinweis des Schulamtes darauf, dass die „Einleitung eines AO-SF-Verfahrens angezeigt“ sei, „falls es dennoch zu Problemen in der weiterführenden Schule kommen sollte“, greift im gegebenen Zusammenhang zu kurz. Abgesehen davon, dass auf die Inanspruchnahme sonderpädagogischer Förderung nur verwiesen werden kann, wenn eine diesbezügliche wirksame schulrechtliche Entscheidung über einen sonderpädagogischen Förderbedarf vorliegt,
75vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris, m. w. N.,
76hat die Beklagte auch nicht ansatzweise dargelegt, dass die Klägerin aus den in § 19 Abs. 1 SchulG NRW, § 3 Abs. 1 AO-SF (jeweils in der im Zeitpunkt der Bescheidung maßgeblichen Fassung) genannten Gründen nicht am Unterricht einer allgemeinen Schule teilnehmen könne. Die Beklagte trägt vielmehr selbst vor, dass der Besuch einer Schule mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung für die Klägerin „weder indiziert noch jemals vorgeschlagen“ worden sei, ohne allerdings im Hilfeplanverfahren dargelegt zu haben, dass die alternativ dann nur in Betracht kommende sonderpädagogische Förderung in der allgemeinen Schule in den hier streitgegenständlichen Schuljahren bereits an den in Betracht kommenden weiterführenden Regelschulen installiert war; so hat die Zeugin C1. etwa bei ihrer Vernehmung am 27. März 2014 angegeben, dass Gemeinsamer Unterricht an der B. -F1. -Realschule erst seit dem laufenden Schuljahr stattfinde. Ebenso wenig hat die Beklagte bei ihrer Hilfeplanung aufgezeigt, dass eine sonderpädagogische Förderung an einer weiterführenden Regelschule - unterstellt, es läge ein entsprechender Förderbedarf vor und eine solche Förderung würde auch angeboten - dem spezifischen Beeinträchtigungsprofil der Klägerin auch im Rahmen einer „normalen“ Klassenstärke gerecht werden würde.
77Kommt es für die Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe mithin auf die ex-ante-Betrachtung der leistungsberechtigten Klägerin an, erschien es aus deren Perspektive - bzw. letztlich aus dem Blickwinkel der sie gesetzlich vertretenden Eltern - ohne Weiteres fachlich vertretbar, sich für eine weitere Beschulung auf der Privatschule E. zu entscheiden. Dass diese Bildungseinrichtung geeignet ist, der Klägerin auch in Ansehung ihres spezifischen Beeinträchtigungsprofils eine adäquate Schulbildung zu vermitteln, stand und steht außer Frage und wird im Nachhinein durch die vorliegenden Zeugnisse aus der 5. bis 8. Klasse bestätigt. Die seinerzeit getroffene Entscheidung erwies sich auch nicht unter dem Erforderlichkeitsaspekt als unvertretbar. Nach den vorliegenden Erfahrungen und fachlichen Erkenntnissen, die sich vor allem in dem schulischen Gutachten vom 29. Januar 2010 und der ärztlichen Stellungnahme vom 10. März 2010 widerspiegelten, mussten die Eltern der Klägerin mit der konkreten Gefahr rechnen, dass ihre Tochter auf einer weiterführenden staatlichen Schule nicht angemessen beschult werden könne und die ohnehin bestehende Teilhabebeeinträchtigung sich erheblich verschlimmern werde. In dieser Situation war ihnen nicht zuzumuten, die Klägerin - gleichsam zu „Versuchszwecken“ - dennoch auf einer Regelschule anzumelden, zumal es der Beklagten, wie dargelegt, im Hilfeplanverfahren nicht gelungen war, eine dem Beeinträchtigungsbild der Klägerin angemessen Rechnung tragende Perspektive für eine erfolgreiche Beschulung im öffentlichen Schulwesen aufzuzeigen.
78Die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach die Übernahme von Schulgeld für eine private Ersatzschule als eine vom Kernbereich der pädagogischen Arbeit umfasste Leistung keine im Rahmen der Eingliederungshilfe vom Sozialhilfeträger zu erbringende Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII ist,
79vgl. BSG, Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 10/11 R -, BSGE 112, 196, juris,
80steht dem Kostenübernahmeanspruch der Klägerin nicht entgegen, auch wenn § 35a Abs. 3 SGB VIII u. a. auf § 54 SGB XII verweist. Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf den Bereich der jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfe, die zu dem - nach Auffassung des Senats unhaltbaren - Ergebnis führen würde, dass Privatschulkosten durch den Träger der Jugendhilfe in keinem Fall zu übernehmen sind, also auch dann nicht, wenn im Einzelfall davon auszugehen ist, dass eine bedarfsdeckende Hilfe im öffentlichen Schulwesen nicht zu erhalten ist, kommt aufgrund der folgenden Erwägungen nicht in Betracht:
81Zunächst ist aus dem Wortlaut von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, § 12 EinglVO nicht abzuleiten, dass „Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung“ nur die Schulbildung begleitende bzw. unterstützende Leistungen sind, wie vom Bundessozialgericht angenommen.
82Vgl. hierzu neben der vorstehend zitierten Entscheidung auch BSG, Urteil vom 22. März 2012 -B 8 SO 30/10 R -, BSGE 110, 301, juris.
83Der Begriff der „Hilfen“ ist zielorientiert und daher umfassend zu verstehen. Er ist nicht auf Maßnahmen limitiert, die an eine anderweitig gewährleistete Schulbildung angelehnt sind. Dabei ergibt sich aus § 12 EinglVO nichts anderes. Dementsprechend hatte das Bundesverwaltungsgericht schon zum seinerzeit noch geltenden § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG festgestellt, dass die hiernach möglichen Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung „nicht auf solche untergeordneter oder flankierender Art beschränkt“ sind und auch solche Hilfen umfassen, die dem behinderten Menschen „Zugang zu einer angemessenen Schulbildung“ ermöglichen.
84Vgl. Urteil vom 28. April 2005 - 5 C 20.04 -,BVerwGE 123, 316, juris.
85Die auf der Annahme eines Verhältnisses der Spezialität beruhende Argumentation des Bundessozialgerichts lässt sich aber vor allem deshalb nicht fruchtbar machen, weil bei der hier in Rede stehenden jugendhilferechtlichen Fallgestaltung das Verständnis des § 10 Abs. 1 SGB VIII im Vordergrund steht, wonach die „Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, … durch dieses Buch nicht berührt“ werden. Diese Regelung beschreibt aber nach allgemeiner Auffassung ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis.
86Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010 - 5 C 7.09 -, BVerwGE 137, 85, juris; OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2012 - 12 B 1018/12 -, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1874/08 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 23. April 2009 - 12 CE 09.686 -, juris; NdsOVG, Urteil vom 27. April 2005 - 4 LC 343/04 -, JAmt 2005, 360, juris; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 10 Rn. 20 ff.; Schellhorn, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 10 Rn. 6 ff., Meysen, in: FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 10 Rn. 2 ff.
87Von diesem Verständnis geht auch die Begründung zum Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) aus, mit dem die „Schulen“ erstmals ausdrückliche Erwähnung in § 10 Abs. 1 SGB VIII gefunden haben, indem sie darauf abstellt, dass die „Leistungen der Schulträger vorrangig gegenüber Leistungen der Sozialhilfe zu erbringen sind“.
88Vgl. BT-Drs. 15/5616, S. 25.
89In seiner jüngeren Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht,
90vgl. Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris,
91unter Bezugnahme auf den in § 10 Abs. 1 SGB VIII verankerten Grundsatz des Nachrangs bzw. der Subsidiarität der Jugendhilfe erneut betont, dass dieses Prinzip nur greift, wenn nach den Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe zu erhalten ist. Auf den Ansatz des Bundessozialgerichts, schulische Förderleistungen könnten einen Anspruch auf jugendhilferechtliche Eingliederungshilfe im Wege der Spezialität ausschließen, wenn der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrer in der Schule betroffen wäre, hat sich das Bundesverwaltungsgericht nur insofern gestützt, als es geprüft hat, ob die in jenem Verfahren streitgegenständliche Schulbegleitung mit der pädagogischen Arbeit der Lehrer konfligiert. Ein solcher Konflikt setzt aber ein Nebeneinander von Beschulung (im öffentlichen Schulwesen) und Eingliederungshilfemaßnahme voraus; daran fehlt es indes, wenn die Eingliederungshilfe allein auf die Ermöglichung der Beschulung an einer Privatschule zielt.
92Schließlich ist auch davon auszugehen, dass die Deckung des Bedarfs i. S. v. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII keinen zeitlichen Aufschub mehr geduldet hat. Mit Blick auf den absehbar anstehenden Wechsel auf eine weiterführende Schule war es der Klägerin angesichts ihrer festgestellten Beeinträchtigungslage und der drohenden Gefahr einer Verfestigung und Verschlimmerung nicht zuzumuten, sich zunächst auf eine weitere Beschulung an einer Regelschule einzulassen, nachdem die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfeplanung nicht aufzuzeigen vermochte hatte, dass dieser Weg zu einer adäquaten Bedarfsdeckung führt.
93Als „erforderliche Aufwendungen“, welche die Beklagte nach alldem gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII für die selbst beschaffte Hilfe in den streitgegenständlichen Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 zu übernehmen verpflichtet ist, sind in Anwendung des Rechtsgedankens des § 683 Satz 1 i. V. m. § 670 BGB diejenigen Aufwendungen anzusehen, welche die Eltern der Klägerin nach ihrem subjektiv vernünftigen Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich halten durften.
94Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 548, juris, und Beschluss vom 28. Juni 2012 - 12 A 2374/11 -, juris.
95Darunter fallen namentlich das monatlich an die Privatschule zu zahlende Schulgeld sowie eine etwaig geleistete Aufnahmegebühr; steuerliche Vorteile sind in Abzug zu bringen.
96Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
97Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 67 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
98Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Namentlich fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die sich auch nicht aus der vorstehend thematisierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Ausschluss von Privatschulkosten aus dem Leistungskatalog der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe ergibt. Dass diese Rechtsprechung auf den Bereich des Jugendhilferechts nicht übertragbar ist, folgt - wie dargelegt - insbesondere aus dem Verständnis des § 10 Abs. 1 SGB VIII als Vorrang-Nachrang-Regelung, das in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt ist.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird über die bereits im angegriffenen Urteil ausgesprochene Verpflichtung hinaus verpflichtet, die Kosten des Privatschulbesuchs des Klägers - bestehend aus Schulgeld, Fahrtkosten, Aufwendungen für Lernmittel sowie Klassenfahrten und -ausflüge - im Zeitraum vom 22. August 2012 bis zum Juli 2013 zu übernehmen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger zu 15 %, die Beklagte zu 85 %, die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 10 %, die Beklagte zu 90 %. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für die Beschulung des Klägers auf der G. Q. O. .
3Bei dem im Februar 2000 geborenen Kläger wurde im Jahr 2004 die Diagnose ADHS gestellt. Im Jahr 2006 wurden u.a. ein Aspergersyndrom (ICD-10: F84.5) mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung sowie eine umschriebene motorische Entwicklungsstörung (ICD-10: F82) diagnostiziert. Im Jahr 2010 wurden zusätzlich Zwangsgedanken und -handlungen (ICD-10: F42.2) und eine chronische motorische oder vokale Ticstörung (ICD-10: F95.1) festgestellt. Von 2007 bis 2009 wurde der Kläger heilpädagogisch gefördert. Aufgrund eines Antrags nach § 35a SGB VIII wurde in einem Hilfeplan vom 4. November 2010 dem Kläger, der zu diesem Zeitpunkt im fünften Schuljahr war und die L. -T. -Schule (Förderschule Sprache) besuchte, ein Integrationshelfer ab dem 25. Oktober 2010 gewährt. Diese Hilfe wurde nach kurzer Zeit - am 5. November 2010 - eingestellt, da an diesem Tag ein Wechsel in die 5. Klasse der F. -L1. -Schule, Kompetenzzentrum für sonderpädagogische Förderung mit den Förderschwerpunkten Sprache, Lernen und emotionale und soziale Entwicklung stattfand.
4Vom 25. Januar 2012 bis zum 29. März 2012 wurde der Kläger stationär in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der S. L2. W. behandelt.
5Mit Schreiben vom 10. April 2012, bei der Beklagten eingegangen am 11. April 2012, beantragte der Kläger, vertreten durch seine Eltern, die Übernahme der Kosten einer Privatschule. Beigefügt war ein Entlassungsbericht des Fachbereichs Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der S. L2. W. vom 26. März 2012, in dem als Diagnosen Asperger-Syndrom (ICD-10: F84.5), Hyperkinetische Störung Sozialverhalten (ICD-10: F90.1), Enuresis nichtorganisch (ICD-10: F98.0) sowie Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt (ICD-10: F42.2) genannt werden. Weiter heißt es:
6„Unseren Informationen und unserem klinischen Eindruck nach ist Q2. in seiner aktuellen Klasse kognitiv stark unterfordert. Er zeigte in unserer Klinikschule eine gute kognitive Leistungsfähigkeit und einen, in Anbetracht der restlichen Problematik erstaunlichen, Wissendurst und Wunsch nach mehr Anforderung. Die kognitive Unterforderung triggert Q1. generellen Drang andere Kinder zu drangsalieren und abzuwerten, zudem führt die Langeweile zu noch mehr Störverhalten. Wir empfehlen einen Schulrahmen mit möglichst kleinen Klassen, einer möglichst hohen Betreuungsdichte, einem geringen Stundenumfang, wenigen anderen auffälligen Schülern und einer stabilen Begleitung durch möglichst wenig Lehrerwechsel. Eine Betreuung durch ein gut geschultes, im Umgang mit stark auffälligen, sozialverhaltensgestörten und autistischen Kindern erfahrenes pädagogisches Team ist dringend anzuraten. Aktuell halten wir Q1. für nicht regelschulfähig.“
7Nach den Osterferien, d.h. ab dem 17. April 2012, hospitierte der Kläger in der 5. Klasse der G. Q. O. in L3. . Zum Mai 2012 erfolgte die Anmeldung des Klägers auf dieser Schule.
8Am 27. April 2012 überreichten die Eltern des Klägers persönlich eine Aufstellung des Schulgeldes der G. Q. O. , in der ein klassenstufenabhängiges Schulgeld von monatlich zwischen 700 und 875 € sowie eine einmalige Aufnahmegebühr in Höhe von 1.250 € aufgeführt waren.
9Mit Schreiben vom 30. April 2012 erinnerten die Eltern des Klägers an ihren Antrag vom 10. April 2012 und teilten - offenbar in Reaktion auf eine mündliche Anfrage während der Übergabe der Kostenaufstellung am 27. April 2012 - mit, dass sie sich nicht im Besitz der Unterlagen des AO-SF-Verfahrens befänden. Mit Schreiben vom 2. Mai 2012 wurden den Eltern des Klägers auszufüllende Formulare und Fragebögen übersandt. Ein ausgefüllter Formularantrag auf Leistungen nach § 35a SGB VIII ging am 9. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Der Schulbericht der F. -L1. -Schule vom 10. Mai 2012 ging am 15. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Hierin heißt es u.a.:
10„Q2. zeigt eine extrem hohe Ablenkbarkeit, Q1. ist in einer Lerngruppe von 11 Schülern, die sich aus ES und LE Schülern zusammensetzt, nur schwer zu fördern.
11(…)
12Q2. ist ein Einzelgänger, seine Kontaktaufnahme zu Mitschülern kommt selten an. Meist ist diese unangemessen, unangepasst. Sozialkontakte sind aufgrund Q2. Störung kaum möglich. Es entstehen regelmäßig Konflikte mit Mitschülern.
13(…)
14Q2. benötigt eine wirklich kleine Lerngruppe (4-5 Schüler) durchschnittlich intelligenter Schüler, um seiner Leistungsfähigkeit entsprechend gefördert zu werden. Größere Lerngruppen führen bei Q2. zu einer hohen Konflikt-Problematik, die der Entwicklung seiner schulischen Leistungen, aufgrund seines speziellen Störungsbildes, entgegen stehen. Sonderpädagogische Maßnahmen bei einem autistischen Störungsbild wie Asperger greifen am Kompetenzzentrum aufgrund der Gruppengröße und der Zusammensetzung der Lerngruppen nicht.“
15Unter dem 18. Mai 2012 bat die Sachbearbeiterin der zentralen Koordinierungsstelle § 35a SGB VIII (51/32) den zuständigen Sachbearbeiter im Bereich 51/30
16- Hilfen für junge Menschen und ihre Familien und Bezirkssozialarbeit - um Abgabe einer sozialpädagogischen Stellungnahme. Wohl kurz danach ging eine „Stellungnahme zur Einteilung nach dem multiaxialen Klassifikationsschema nach ICD“ der S. L2. W. , Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters vom 15. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Sie führte auf:
17„Achse I: klinisch psychiatrisches Syndrom
18Hyperkinetische Störung Sozialverhalten (ICD10: F90.1)
19Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt (ICD10: F42.2)
20Enuresis nichtorganisch (ICD10: F98.0)
21Achse II: Umschriebene Entwicklungsstörungen
22Asperger-Syndrom (ICD10: F84.5)
23Achse III: Intelligenzniveau
24Eine Testung mittels eines HAWIK ergab einen durchschnittlichen IQ von 102 IQ-Punkten. Die einzelnen Untertests ergaben
25- Sprachverständnis 107
26- Wahrnehmungsgebundenes logisches Denken 94
27- Verarbeitungsgeschwindigkeit 109
28- Arbeitsgedächtnis 99
29Achse IV: körperliche Symptomatik
30diverse Allergien (Frühblüher, Katzen, Hunde) und Asthma.
31Achse V: Assoziierte aktuelle abnorme psychosoziale Umstände
32- 6.3 Ereignisse, die zur Herabsetzung der Selbstachtung führen
33- 8. Chronische zwischenmenschliche Belastung im Zusammenhang mit Schule oder Arbeit
34- 35
8.0 Streitbeziehungen mit Schülern/Mitarbeitern
- 36
8.1 Sündenbockzuweisung durch Lehrer/Ausbilder
- 37
8.2 Allgemeine Unruhe in der Schule bzw. Arbeitssituation
Achse VI: Globalbeurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus
39Tiefgreifende und schwerwiegende soziale Beeinträchtigung“
40Anlässlich eines Telefongesprächs am 15. Juni 2012 teilte der zuständige Sachbearbeiter der Mutter des Klägers mit, dass alle Antragsunterlagen vorlägen und nunmehr ein Hausbesuch zur Prüfung der Teilhabebeeinträchtigung stattfinden müsse, dessen Termin noch mitgeteilt werde. Aufgrund des hohen Arbeitsanfalls sei mit einer längeren Bearbeitungsdauer zu rechnen.
41Bei einem weiteren Telefongespräch am 6. Juli 2012 teilte die Mutter des Klägers telefonisch mit, dass der sonderpädagogische Förderbedarf für den Kläger aufgehoben worden sei und sie den Bescheid übermitteln werde.
42Mit Schreiben vom 12. Juli 2012, Eingang am selben Tag, überreichten die Eltern des Klägers den Bescheid vom 19. Juni 2012 über die Aufhebung des Förderbedarfs für den Kläger sowie drei Absagen von zwei Realschulen und einer Gesamtschule.
43Unter dem 16. Juli 2012 wandte sich die Beklagte an die Eltern des Klägers und forderte sie auf, sich mit den Absagen der Schulen an das Schulamt der Stadt L3. zu wenden und angesichts des Nachrangs der Jugendhilfe die Suche nach einer entsprechenden Schule fortzuführen. Unabhängig davon werde das Prüfungsverfahren, ob beim Kläger eine Teilhabebeeinträchtigung vorliege, weiter betrieben. Es werde um Vorlage einer Kopie des Antrags auf Beendigung der sonderpädagogischen Förderung gebeten. Die Eltern des Klägers teilten telefonisch am 2. August 2012 mit, dass sie keine Kopie dieses Antrags besäßen. Auf ein weiteres Schreiben vom 15. August 2012, dass der Antrag auf Beendigung der sonderpädagogischen Förderung benötigt werde, baten die Eltern des Klägers die Beklagte mit Schreiben vom 23. August 2012, sich selbst an das Schulamt zu wenden, und übersandten dem Schulamt eine Einverständniserklärung vom 26. August 2012. Mit Schreiben vom 27. August 2012 forderte das Jugendamt die Antragsunterlagen beim Schulamt an. Sie gingen am 29. August 2012 dort ein. Das Jugendamt wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 10. September 2012 an das Schulamt und bat, die vorrangigen Leistungen der Schule zu realisieren. Die Eltern des Klägers wurden mit Schreiben vom selben Tag aufgefordert, die Suche nach einer Schule für den Kläger fortzusetzen.
44Mitte Juli bis Anfang August 2012 befand sich der Kläger mit seiner Familie im Urlaub. Am 13. August 2012 wurde ein Hausbesuch für den 23. August 2012 vereinbart.
45Unter dem 20. September 2012 erstellte der zuständige Sozialpädagoge eine Sozialpädagogische Stellungnahme, in der er eine Teilhabebeeinträchtigung des Klägers in den Bereichen Familienbeziehungen, Umfeld/soziale Kontakte, Schule, Alltagsbewältigung/Selbstversorgung und Erholung und Freizeit feststellte. Die Voraussetzungen für eine Hilfegewährung nach § 35a SGB VIII lägen vor. Als geeignete Maßnahmen wurden nach der Beratung im Team der Zentralen Fachstelle am 20. September 2012 ein Integrationshelfer für den Fall einer Regelbeschulung und eine begleitende Autismustherapie erachtet. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 hörte die Beklagte den Kläger daraufhin zu einer beabsichtigten Ablehnung der Übernahme der Kosten für die G. Q. O. an. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2012 bat der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers um Akteneinsicht und übersandte am 6. November 2012 eine Vollmacht. Nach im November 2012 gewährter Akteneinsicht erinnerte die Beklagte unter dem 9. Januar 2012 an das Anhörungsschreiben vom 1. Oktober 2012 und setzte eine Frist zur Stellungnahme bis zum 30. Januar 2013. Am 5. Februar 2013 ging die Stellungnahme bei der Beklagten sein. Hierin wurde u.a. aufgeführt: Das sowohl von der F. -L1. -Schule als auch den S. L2. W. für den Kläger geforderte Lernumfeld finde sich in der G. Q. O. . Dort werde der Kläger aktuell in einer Klasse mit fünf weiteren Kindern unterrichtet. Die Schule habe betreut und betreue mehrere Kinder mit der Diagnose Asperger, so dass die Pädagogen dieser Schule mit den damit einhergehenden Anforderungen vertraut seien. Beigefügt war ein Abschlussbericht der S. L2. W. vom 27. August 2012, in dem die Aussagen zum Lernumfeld, die bereits im Kurzbericht vom 26. März 2012 enthalten waren, wiederholt wurden.
46Mit Bescheid vom 19. März 2013 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Freie Q. O. ab. Die Vermittlung einer Schulausbildung sei in erster Linie Aufgabe der staatlichen Schulverwaltung, die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII sei demgegenüber nachrangig. Von der Eingliederungshilfe seien nur unterstützende Hilfsmaßnahmen zum Schulbesuch, nicht jedoch die Schulkosten selbst umfasst. Kinder mit Autismus seien nach der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorrangig in die Regelschule zu integrieren. Es kämen verschiedene unterstützende Hilfsmaßnahmen in Betracht. Eine Prüfung hinsichtlich eines anderen Förderbedarfs als des Förderbedarfs Sprache sei nicht durchgeführt oder angestrebt worden. Bereits bei der Antragstellung am 10. April 2012 sei die Hospitation des Klägers auf der G. Q. O. ab dem 17. April 2012 vereinbart gewesen. Andere Fördermöglichkeiten innerhalb des staatlichen Schulsystems seien überhaupt nicht mehr in Erwägung gezogen worden und hätten nicht mehr hinreichend geklärt werden können. Die ärztliche Stellungnahme der S. L2. W. zur fehlenden Regelbeschulbarkeit des Klägers mache das vom Schulamt und Jugendamt durchzuführende Verfahren nicht obsolet; zudem sei nicht erkennbar, ob und in welchem Umfang die Ärzte über die Fördermöglichkeiten des staatlichen Schulsystems unterrichtet seien. Zudem solle durch die Leistungen der Jugendhilfe nur eine angemessene, nicht die bestmögliche Schulbildung ermöglicht werden. Die G. Q. O. entspreche in ihrem Profil eher einer Regelschule. Sie unterscheide sich von einer solchen im Wesentlichen nur durch die geringere Anzahl von Schülern und andere pädagogische Konzepte. Über speziell ausgebildetes Personal zur Betreuung und Förderung von Kindern mit Autismusstörung verfüge die Schule nicht.
47Der Kläger hat am 23. April 2013 Klage erhoben, zu deren Begründung er ausgeführt hat: Die Beklagte habe ihm, dem Kläger, eine konkrete, individuell bedarfsgerechte Fördermöglichkeit nicht benennen können. Sie lasse völlig unberücksichtigt, dass er in einem Regelschulsetting nicht adäquat beschulbar sei. Es habe nicht zu seinen Pflichten gehört, den Nachweis zu führen, dass eine Beschulung im öffentlichen Schulsystem nicht möglich sei. Vielmehr sei die Prüfung dieser Voraussetzungen Aufgabe der Beklagten, die dieser aber nicht nachgekommen sei. Der Nachweis einer Beschulungsmöglichkeit im öffentlichen Schulwesen sei damit nicht geführt, so dass § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seinem Anspruch nicht entgegenstehe.
48An der F. -L1. -Schule sei er unterfordert gewesen, eine Hospitation an einer Gesamtschule habe aber wiederum bestätigt, dass er in großen Klassen nicht beschulbar sei. Die Beschulung auf der Q. sei ohne jede Einschränkung erfolgreich. Das Lehr- und Betreuungspersonal der G. Q. O. besuche regelmäßig Fortbildungen und habe reichhaltige Erfahrungen mit seelisch beeinträchtigten Kindern, insbesondere würden dort regelmäßig auch Kinder mit Asperger-Syndrom beschult. Zwar sei es richtig, dass der Antrag auf Leistungen nach § 35a SGB VIII seinerzeit kurzfristig gestellt worden sei. Allerdings seien er, der Kläger, sowie seine Problematik der Beklagten bekannt gewesen. Er habe unter seiner schulischen Situation und der Ausgrenzung gelitten, weshalb er zu Hause kaum noch zu führen gewesen sei. Eine Rückkehr in die schulische Situation, welche für seine psychische Dekompensation mitverantwortlich gewesen sei, sei ihm nach der Klinikentlassung nicht zumutbar gewesen.
49Seine Eltern hätten im Zeitraum von Mai 2012 bis Mai 2014 folgende Kosten aufgewandt:
50Aufnahmegebühr 1.250,00 €
51Schulgeld Mai 2012 bis Mai 2013 je 700 € 9.100,00 €
52Schulgeld Juni 2013 und Juli 2013 je 750 € 1.500,00 €
53Schulgeld August 2013 bis Mai 2014 je 825 € 8.250,00 €
54Schulbücher 483,90 €
55Deutsch-Lektüren 13,90 €
56Klassenausflüge/Klassenfahrten 635,00 €
57Schülerfahrtkosten (Differenz zu Schoko-Ticket) 305,85 €
58Gesamtaufwendungen = 21.538,65 €
59Zur Erstattung dieser Aufwendungen sei die Beklagte verpflichtet, weil er, der Kläger, sich diese Leistungen zulässigerweise selbst beschafft habe. Der Antrag auf Kostenübernahme sei bereits am 10. April 2012 gestellt worden. Überdies sei sein jugendhilferechtlicher Bedarf bereits seit dem nicht abgeschlossenen Verfahren auf Bewilligung eines Integrationshelfers, welches im Jahr 2010 beim Jugendamt anhängig gewesen sei, bekannt gewesen. Die Selbstbeschaffung habe auch keinen Aufschub geduldet, es habe eine dringliche Bedarfslage vorgelegen.
60Der Kläger hat beantragt,
61die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. März 2013 zu verpflichten, dem Kläger Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten der Beschulung in der G. Schule O. für die Zeit von Mai 2012 bis zum 31. Mai 2014 zu bewilligen.
62Die Beklagte hat beantragt,
63die Klage abzuweisen.
64Zur Begründung hat sie auf den Nachrang der Jugendhilfe verwiesen. Die Eltern des Klägers hätten sich lediglich bei drei Regelschulen um eine Aufnahme des Klägers bemüht; im Gebiet der Beklagten gebe es aber eine Vielzahl von Schulen, bei denen sich die Eltern des Klägers hätten erkundigen müssen. Die Eltern des Klägers hätten stattdessen im Wege der nicht akzeptablen Selbstbeschaffung für Tatsachen gesorgt, indem sie den Kläger bereits im April 2012 in der streitbefangenen Privatschule hätten hospitieren lassen, was in eine regel- und planmäßige Unterrichtsteilnahme übergegangen sei.
65Mit Urteil vom 27. Mai 2014 hat das Verwaltungsgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten (Schulkosten und Fahrtkosten) der Beschulung in der G. Schule O. für die Zeit von August 2013 bis Mai 2014 zu bewilligen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
66Zwar könnten Leistungen nach § 35a SGB VIII grundsätzlich nicht für alle Zukunft erstritten werden, sondern nur zeitabschnittsweise, hier grundsätzlich nur für ein Schuljahr. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 19. März 2013 enthalte daher auch keine über das Schuljahr 2012/2013 hinausgehende Regelung. Der Kläger habe nach seinem von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag aber für das Schuljahr 2013/2014 rechtzeitig einen neuen Antrag gestellt, so dass die Klage hinsichtlich dieses Schuljahres als Untätigkeitsklage zulässig sei.
67Die Klage sei allerdings nur teilweise begründet. Der Kläger habe für die Zeit von Mai 2012 bis Ende des Schuljahres 2012/2013 (Juli 2013), die in dem angegriffenen Bescheid geregelt sei, keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII. Dem geltend gemachten Anspruch stehe insoweit bereits die Vorschrift des § 36a SGB VIII entgegen. Für die Zeit von Mai 2012 bis Juli 2013 sei der Kläger nicht zur Selbstbeschaffung berechtigt gewesen. Den Eltern des Klägers sei es zuzumuten gewesen, die Deckung des Bedarfs über den Zeitpunkt der Antragstellung - 10. April 2012 - hinaus bis zum Abschluss der notwendigen Ermittlungen hinauszuschieben. Die Eltern des Klägers hätten die Hospitation und Aufnahme ihres Kindes auf der G. Q. O. nach den Osterferien 2012 bereits selbst durchgeführt, ohne dass die Beklagte Gelegenheit gehabt habe, über den Antrag vom 10. April 2012 in angemessener Zeit, wofür in der Regel drei bis vier Monate zuzubilligen seien, zu entscheiden. Daraus lasse sich schließen, dass die Eltern von vornherein auf eine Beschulung auf der G. Q. O. festgelegt gewesen seien und damit keine Grundlage für das erforderliche kooperative Zusammenwirken mit der Beklagten geschaffen hätten.
68Für die Zeit von Mai 2012 bis Juli 2012 sei die Beklagte bereits rechtlich an der begehrten Entscheidung gehindert gewesen. Denn ihr sei die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs durch Bescheid des Schulamtes vom 19. Juni 2012 erst am 12. Juli 2012 mitgeteilt worden. Während des Bestehens des sonderpädagogischen Förderbedarfs habe der Kläger eine allgemeine Schule, zu der auch die Freie Q. O. als Ganztagsschule gehöre, schulrechtlich nicht besuchen dürfen. Nachdem die Eltern die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs erst im Juli 2012 mitgeteilt hätten, hätten sie nicht damit rechnen können, dass es schon kurze Zeit später vor Beginn des neuen Schuljahres zu einer Entscheidung der Beklagten kommen würde. Dies habe zur Folge, dass aufgrund der abschnittsweisen Bewilligung für den gesamten Zeitraum des Schuljahres 2012/2013 der geltend gemachte Anspruch entfalle, denn die Prüffrist habe erst mit dem Monat August 2012 begonnen. Zu jenem Zeitpunkt sei die Hilfe schon beschafft gewesen. Es liege auch keine Ausnahme im Sinne von § 36a Abs. 3 SGB VIII vor. Die Deckung des Bedarfs sei vorliegend auch nach Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht unaufschiebbar gewesen. Den vorliegenden Stellungnahmen sei nicht zu entnehmen gewesen, dass ein Eilfall vorgelegen habe und der Schulwechsel sofort oder binnen weniger Tage habe erfolgen müssen.
69Soweit die Klage auch die Erstattung der Schulkosten betreffend das weitere Schuljahr 2013/2014 betreffe, lägen dagegen die Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 SGB VIII vor. Bezüglich dieses Schuljahres sei dem Kläger zuzubilligen, den Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Hilfebedarf rechtzeitig im Sinne von § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII in Kenntnis gesetzt zu haben. Auf eine unzulässige Selbstbeschaffung könne sich die Beklagte insoweit nicht mehr berufen. Trotz der aufgezeigten unzulässigen Selbstbeschaffung, die den geltend gemachten Anspruch für das Schuljahr 2012/2013 ausgeschlossen habe, komme ab dem sich anschließenden abtrennbaren Leistungsabschnitt, also mit Beginn des Schuljahres 2013/2014, eine Kostenübernahme in Betracht. In dem hier maßgeblichen Zeitraum hätten auch im Sinne des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe nach § 35a SGB VIII vorgelegen. Die Kammer sehe es als gegeben an, dass der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VIII i.V.m. §§ 53, 54 SGB XII, § 12 Nr. 2 EinglVO einen Anspruch im Schuljahr 2013/2014 auf Übernahme der Kosten für die Beschulung auf der G. Q. O. zur Erreichung einer angemessenen Bildung besessen habe.
70Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35a SGB VIII sei zwischen den Beteiligten nicht streitig und im Übrigen auch gegeben. Bei dem Kläger liege seit mehr als sechs Monaten eine Beeinträchtigung seiner seelischen Gesundheit vor. Aus den ärztlichen Stellungnahmen der S. L. W. , in der der Kläger mehrere Monate stationär behandelt worden sei, vom 26. März 2012 und 27. August 2012 ergebe sich, dass der Kläger im Sommer 2012 an einem Asperger-Syndrom (ICD-10: F84.5), an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens (ICD-10: F90.1), an einer nichtorganischen Enuresis (ICD-10: F98.0) und an Zwangsgedanken und gemischten Zwangshandlungen (ICD-10: F42.2) gelitten habe. Die ärztlichen Berichte seien auf der Grundlage der geforderten ICD-Klas-sifikation ergangen und von dem Chefarzt der Abt.1, Dr. T1. C. , der Ltd. Oberärztin der Abt. 1, S1. , sowie der fallführenden Therapeutin und Dipl.-Psychologin I. und der Stationsärztin X. erstellt worden. Aufgrund der eingehend beschriebenen, umfangreichen Diagnosen gehe die Kammer davon aus, dass auch im Schuljahr 2013/2014 eine seelische Störung im Sinne der ICD vorlag, die nach Auffassung der Gutachter auch durch die damalige schulische Unterforderung entstanden sei. Hierdurch sei die Teilnahme des Klägers am Leben in der Gesellschaft im maßgeblichen Zeitraum zumindest bedroht gewesen. Zu beurteilen sei in diesem Zusammenhang die selbstbestimmte und altersgemäße Ausübung sozialer Funktionen und Rollen in den zentralen Lebensbereichen Familie, Schule und sozialem Umfeld, wie etwa Freundeskreis und Sport. Die zuständige Fachkraft der Beklagten komme in der sozialpädagogischen Stellungnahme zur Teilhabebeeinträchtigung vom 20. September 2012 zu dem Ergebnis, dass die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gemeinschaft in den Bereichen Familienbeziehungen, Umfeld, Bildung/Ausbildung, Selbstversorgung/häusliches Leben, Erholung und Freizeit beeinträchtigt sei oder eine Beeinträchtigung zu erwarten sei. Die Kammer habe keinen Anlass, an diesen Feststellungen zu zweifeln. Der Besuch der G. Q. O. stelle sich auch für das Schuljahr 2013/2014 als erforderliche und geeignete Maßnahme der Jugendhilfe dar. Inwieweit eine selbstbeschaffte Maßnahme nicht nur geeignet, sondern auch alternativlos sein müsse, könne dahinstehen, weil die Beklagte trotz ihrer prüfenden, beratenden und steuernden Aufgabe im Rahmen des kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses dem Kläger keine hinreichend konkrete und geeignete Alternative nachgewiesen habe. Namentlich auf das öffentliche Schulsystem müsse sich der Kläger in Anwendung des Nachranggrundsatzes aus § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nur dann verweisen lassen, wenn nach den konkreten Umstanden des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zur Verfügung stehe. Die Beklagte habe nicht konkret dargelegt, dass und an welchen öffentlichen Schulen die besonderen Unterrichtsbedingungen geboten würden, mit denen man der seelischen Erkrankung des Klägers hatte begegnen können. Sie habe nur allgemein auf das öffentliche Schulsystem und den möglichen Einsatz eines Integrationshelfers hingewiesen. Damit stelle sich die Fortsetzung der derzeitigen Beschulung als alternativlos dar, so dass die Beklagte sich auch nicht darauf berufen könne, dass der Besuch der G. Q. O. keine geeignete Maßnahme darstelle.
71Von den geltend gemachten Aufwendungen für die Zeit von August 2013 bis Mai 2014 seien allerdings nur die Schulkosten und Fahrtkosten zu übernehmen. Der Erstattungsanspruch nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII sei am Aufwendungsersatz im zivilrechtlichen Auftragsverhältnis bzw. bei der Geschäftsführung ohne Auftrag orientiert, namentlich an § 683 BGB. Lege man dies zugrunde, umfasse der Erstattungsanspruch die Aufwendungen, die die Eltern nach ihrem subjektiv vernünftigen Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich hätten halten dürfen. Das treffe für die Aufwendungen für die Schulkosten und Fahrtkosten zu, nicht aber für die Aufwendungen für Schulbücher, die Klassenausflüge und Klassenfahrten, die zum maßgeblichen Zeitpunkt der Tätigung der Aufwendungen insbesondere im Hinblick auf die noch ungeklärte Kostenfrage und die grundsätzlich nachrangige Verpflichtung des Jugendhilfeträgers nicht übernommen werden brauchten, zumal die Kosten auch bei öffentlichen Schulen von den Eltern zu tragen seien.
72Mit Beschluss vom 30. Oktober 2014 hat der Senat auf den Zulassungsantrag des Klägers die Berufung insoweit zugelassen, als es um die Übernahme der Beschulungskosten vom 22. August 2012 bis Juli 2013 geht. Im Übrigen hat er den Zulassungsantrag abgelehnt.
73Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor: Die Beklagte sei jedenfalls noch vor Schulbeginn im August 2012 in der Lage gewesen, sowohl die Anspruchsvoraussetzungen als auch die infrage kommenden Hilfemaßnahmen pflichtgemäß zu prüfen, weshalb er, der Kläger, ab Schuljahresbeginn zur Selbstbeschaffung berechtigt gewesen sei. Das Jugendamt habe schon seit vielen Jahren Kenntnis von seiner Bedarfslage besessen und noch im Jahr 2010 in einem Hilfeplanverfahren die Notwendigkeit einer Integrationshilfe anerkannt. Das Jugendamt habe auf reichhaltige Vorbefunde zurückgreifen können, so dass Anlass zu der Annahme bestehe, dass es für den streitgegenständlichen Antrag nicht unbedingt der Ausschöpfung eines Zeitraumes von drei Monaten bedurft habe, um eine Entscheidungsreife herzustellen. Seine Bedarfslage sei dadurch geprägt gewesen, dass er kurz vor der Hospitation an der G. Q. O. langfristig in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der S. L2. W. untergebracht gewesen sei, die ausweislich der vorliegenden Berichte infolge seiner kognitiven Unterforderung dringend einen Schulwechsel in eine Schule mit möglichst kleinen Klassen nahegelegt habe, was im Übrigen auch durch den Schulbericht bestätigt werde. Zudem habe die Existenz einer schulrechtlichen Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderbedarf nicht einer Entscheidung der Beklagten, sondern allenfalls einer Bewilligung entgegengestanden. Nichts habe das Jugendamt davon abgehalten, die übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach Antragstellung soweit zu prüfen, dass im Fall der Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs eine zeitnahe Entscheidung möglich gewesen wäre. Gerade aufgrund der bestehenden Vorkenntnisse der Beklagten habe erwartet werden können, dass diese bereits ab Antragstellung am 10. April 2012 Aktivitäten zur Herbeiführung der Entscheidungsreife des Antrags entfalten würde. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte mit dem Schulbericht vom 10. Mai 2012 bereits darüber informiert worden sei, dass sonderpädagogische Maßnahmen nicht griffen, es also naheliegend gewesen sei, jugendhilfliche Lösungsansätze zu prüfen. Im Übrigen sei die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs Sprache nur pro forma erfolgt, weil man angenommen habe, dass die Förderschule für sprachliche Entwicklung, der man den Kläger dann zugewiesen habe, angesichts der dortigen Rahmenbedingungen - vergleichsweise kleine Klassen, Mitschüler mit uneingeschränkten kognitiven Fähigkeiten - auch zur Förderung des Klägers als Autisten geeignet gewesen seien. Dies erkläre auch die sofortige Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs auf Antrag der Eltern des Klägers.
74Die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs im Juli 2012 könne nicht zur Folge haben, dass für den gesamten Zeitraum des Schuljahres 2012/2013 der geltend gemachte Anspruch entfalle. Die Frist für die Prüfung des Antrags habe nicht erst im August 2012 begonnen. Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Eltern des Klägers hätten sich von vornherein auf eine Beschulung auf der G. Q. O. festgelegt und damit keine Grundlage für das erforderliche kooperative Zusammenwirken mit der Beklagten geschaffen, entbehre jeglicher Rechtfertigung. Dies zeige sich bereits darin, dass die Eltern des Klägers sogar mit Schreiben vom 1. Februar 2013 die ersatzweise durch die Beklagte angebotene Autismustherapie angenommen hätten. Nach den Erfahrungen im Jahr 2010 hätten die Eltern des Klägers zudem damit rechnen müssen, dass die Beklagte die Entscheidung zeitlich hinauszögern würde. Im Übrigen sei es ohne Belang, ob seine Eltern sich auf die Privatschule festgelegt hätten, denn jedenfalls habe das Jugendamt der beklagten keine Schule oder eine tragfähige Konzeption zur Deckung seiner, des Klägers, Bedarfslage vorgeschlagen.
75Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe ein Eilfall vorgelegen. In diesem Zusammenhang sei auf den Kurzbericht der S. L2. W. hinzuweisen, nach dem der Kläger zum damaligen Zeitpunkt nicht für regelschulfähig gehalten worden sei. Daher habe die dringende Notwendigkeit bestanden, eine Lösung außerhalb des Regelschulsystems zu suchen. Angesichts dessen habe die Beklagte nicht mehrere Monate Zeit gehabt, um ein Konzept zu entwickeln; auch wäre der Einsatz eines Integrationshelfers keine denkbare Alternative gewesen, da die festgestellte Regelschul-Unfähigkeit eine solche Maßnahme sinnlos erscheinen lasse. Aus den Verwaltungsakten ergebe sich zudem, dass für die Beklagte bereits im Oktober 2012 ein Bewilligungsbescheid nicht mehr denkbar gewesen sei. Auch lasse die Begründung des Ablehnungsbescheides, die ausschließlich auf den Vorrang von Leistungen des öffentlichen Schulsystems abstelle, erkennen, dass eine Kostenübernahme zu einem Privatschulbesuch nicht zum Instrumentarium möglicher Jugendhilfeleistungen der Beklagten gehöre; diese Feststellung hätte aber bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt getroffen werden können.
76Es sei hervorzuheben, dass seine Eltern unmittelbar vor seiner Aufnahme in die S. L2. W. unter einem erheblichen Belastungsdruck gestanden hätten, da er, der Kläger, aufgrund seiner permanenten schulischen Unterforderungssituation einerseits und wegen der behinderungsspezifisch eingeschränkten emotionalen Kontrolle ein massives Aggressionspotential habe erkennen lassen, welches ihn schließlich selbst veranlasst habe, um seine stationäre Aufnahme zu bitten. Von daher sei für seine Eltern vollkommen klar gewesen, dass sofort nach seiner Entlassung eine schulische Alternative mit dem Ziel einer stärkeren intellektuellen Herausforderung habe gefunden werden müssen.
77Die angefochtene Entscheidung sei auch insoweit zu ändern als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen den Umfang des geltend gemachten Anspruchs auf Schulgeld und Fahrtkosten reduziere und eine Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für Schulbücher, Klassenausflüge und Klassenfahrten hingegen verneine. Bezüglich der Aufwendungen für Schulbücher sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, diese Kosten müssten auch die Eltern von Kindern an staatlichen Schulen tragen, unzutreffend. Gemäß § 96 SchulG bestehe grundsätzlich Lernmittelfreiheit unter Anrechnung eines Eigenanteils. Klassenausflüge und Klassenfahrten seien an der G. Q. O. ein untrennbarer Bestandteil des pädagogischen Konzeptes. An der Schule befinde sich eine große Zahl von Schülerinnen und Schülern mit vergleichbaren Verhaltensstörungen und -auffälligkeiten. Die Schule habe eine erhebliche Integrationsaufgabe zu bewältigen, insbesondere wenn man berücksichtige, dass ein Schulwechsel an eine Privatschule häufig unterjährig erfolge. Angesichts dessen würden an der Privatschule die Klassenfahrten als wesentlicher Bestandteil der zu leistenden Integrationsaufgabe betrachtet und auch regelmäßig und häufiger durchgeführt als an öffentlichen Schulen. An einer Entscheidung hierüber sei der Senat nicht gehindert.
78Der Kläger beantragt,
79das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte auch zu verpflichten, die Kosten des Besuches der G. Q. O. - bestehend aus Schulgeld, Fahrtkosten, Aufwendungen für Lernmittel und Klassenausflüge und Klassenfahrten - im Schuljahr 2012/2013 zu übernehmen.
80Die Beklagte beantragt,
81die Berufung zurückzuweisen.
82Sie ist der Ansicht, dass die Berufung zu Unrecht zugelassen worden sei, weil das Zulassungsvorbringen unzureichend gewesen sei. Weiter trägt sie vor: Nachdem die Eltern des Klägers sich damit einverstanden erklärt hätten, dass die Beklagte die Unterlagen des AO-SF-Verfahrens direkt beim Schulamt anforderte, seien diese am 3. September 2012 bei der Beklagten eingegangen. Aus dem Kurzbericht der F. -L1. -Schule habe sich ergeben, dass der Kläger seit der Entlassung aus der Klinik in der G. Q. O. hospitierte. Es habe geheißen, dass er weiterhin eine kleine Lerngruppe und individuelle Förderung benötige. Ein Förderbedarf im Sinn des sonderpädagogischen Förderbedarfs „Sprache“ habe danach nicht mehr vorgelegen. Die Eltern des Klägers, so habe es geheißen, wünschten eine Aufhebung des Förderbedarfs, da sie einen Wechsel zur Privatschule beabsichtigten. Dies alles sei dem Jugendamt zuvor nicht bekannt gewesen. Aus den Unterlagen lasse sich schließen, dass die Eltern sich zugleich mit der Antragstellung auf die G. Q. O. unwiderruflich festgelegt hätten. Diesbezüglich hätten sie nicht mit offenen Karten gespielt. Entgegen der Auffassung des Senates sei es daher auf schulische Alternativvorschläge der Beklagten gar nicht angekommen. Im Übrigen habe der Kläger auf die Anhörung vom 1. Oktober 2012 erst mit anwaltlichem Schreiben vom 1. Februar 2013 reagiert. Eine Kostenübernahme für Schulbücher und Klassenfahrten komme nicht in Betracht. Dieses Begehren sei auch mit dem Zulassungsschriftsatz nicht geltend gemacht worden. Auch die Zulassung der Berufung verhalte sich hierzu nicht.
83Mit Bescheid vom 6. August 2014 hob die Beklagte den Ablehnungsbescheid vom 19. März 2013 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt: Gemäß dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf sei die Beklagte verpflichtet, für den Kläger unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19. März 2013 die Schul- und Fahrtkosten für die Beschulung an der G. Q. O. für den Zeitraum August 2013 bis Mai 2014 zu übernehmen. Nach Beratung in der Fachkonferenz vom 24. Juli 2014 würden die Schul- und Fahrtkosten bis zum 10. Juli 2016 übernommen. Die Kosten im Zeitraum August 2013 bis Juli 2014 würden erstattet.
84Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
85Entscheidungsgründe:
86Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Rüge der Beklagten, die Zulassung der Berufung sei zu Unrecht erfolgt, ist insoweit unerheblich, denn wegen der Bindung des Berufungsgerichts an die Berufungszulassung sind Zulässigkeit oder Begründetheit des Zulassungsantrags nicht Gegenstand der Prüfung im Berufungsverfahrens.
87Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juli 1999 - 1 C 15.98 -, juris.
88Im hier nach dem Zulassungsbeschluss allein verfahrensgegenständlichen Zeitraum des Schuljahrs 2012/2013 - d.h. vom 22. August 2012 bis Juli 2013 - ist die Verpflichtungsklage des Klägers zulässig und begründet.
89Der Zulässigkeit der Klage steht dabei nicht entgegen, dass die Beklagte den ablehnenden Bescheid vom 19. März 2013 mit Bescheid vom 6. August 2014 aufgehoben hat. Das Klagebegehren hat sich damit nicht erledigt, da die Beklagte in dem Bescheid vom 6. August 2014 eine Kostenübernahme - in Reaktion auf das verwaltungsgerichtliche Urteil - erst für den hier nicht verfahrensgegenständlichen Zeitraum ab August 2013 erklärt hat. Der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage steht auch nicht entgegen, dass nach der Aufhebung des Ablehnungsbescheides keine den Anspruch des Klägers für das Schuljahr 2012/2013 ablehnende Entscheidung der Beklagten vorliegt. Denn die Aufhebung des Ablehnungsbescheids ändert nichts am prozessualen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, der durch das Gericht zu prüfen ist.
90Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1985
91- 3 C 63.84 -, juris.
92Die Klage ist für den hier noch verfahrensgegenständlichen Zeitraum des Schul-jahres 2012/2013 auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der vom 22. August 2012 bis Juli 2013 entstandenen Kosten seiner Beschulung auf der G. Q. O. aus §§ 35a, 36a Abs. 3 SGB VIII.
93Haben Leistungsberechtigte sich - wie hier - eine Leistung, die grundsätzlich im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe gewährt werden kann, ohne Mitwirkung und Zustimmung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe bereits von Dritten selbst beschafft, so führt eine solche Selbstbeschaffung schon nach der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats nicht zum ersatzlosen Wegfall des Primäranspruchs auf Hilfe durch das Jugendamt. Vielmehr ist anerkannt, dass der Träger der Jugendhilfe (sekundär) zur Erstattung von Kosten bzw. Aufwendungen für bereits anderweitig durchgeführte Maßnahmen verpflichtet sein kann.
94Vgl. auch zu Folgendem: OVG O. , Urteile vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 548, juris, und vom 20. Juni 2008 - 12 A 739/06 -, jeweils m.w.N.
95Der (sekundäre) Anspruch auf Erstattung der Kosten bzw. Aufwendungen ist in derselben Weise vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Hilfetatbestands abhängig wie die primäre Verpflichtung des Jugendhilfeträgers zur Hilfegewährung.
96Vgl. OVG O. , Urteil vom 14. März 2003 - 12 A 1193/01 -, FEVS 55, 86, juris, m.w.N. insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, und Beschluss vom 18. August 2004 - 12 A 1174/01 -, juris; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 11. August 2005
97- 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
98Allerdings ist der Hilfesuchende nur dann zur Selbstbeschaffung einer Jugendhilfeleistung berechtigt, wenn er hierauf zur effektiven Durchsetzung eines bestehenden Jugendhilfeanspruchs angewiesen ist, weil der öffentliche Jugendhilfeträger sie nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt hat, das für die Leistungsgewährung vorgesehene System also versagt hat. Ein solches "Systemversagen" liegt vor, wenn die Leistung vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht erbracht wird, obwohl der Hilfesuchende die Leistungserbringung durch eine rechtzeitige Antragstellung und seine hinreichende Mitwirkung ermöglicht hat und auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung vorliegen. In einer solchen Situation darf sich der Leistungsberechtigte die Leistung selbst beschaffen, wenn es ihm wegen der Dringlichkeit seines Bedarfs nicht zuzumuten ist, die Bedarfsdeckung aufzuschieben.
99Vgl. OVG O. , Beschluss vom 18. August 2004
100- 12 A 1174/01 – juris, m.w.N.
101Diese Grundsätze sind als § 36a Abs. 3 SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz - KICK - vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) zum 1. Oktober 2005 ausdrücklich normiert worden,
102so schon OVG O. , Urteil vom 4. Februar 2009
103- 12 A 255/08 -, m.w.N.
104Nach § 36a Abs. 3 SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für Hilfen, die abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft wurden, nur verpflichtet, 1. wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1), 2. die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und 3. die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3).
105Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
106Zum einen hat der Kläger die Beklagte auch im Hinblick auf das Schuljahr 2012/2013 rechtzeitig von seinem Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt, § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII.
107Das „Inkenntnissetzen" umfasst grundsätzlich auch eine Beantragung der begehrten Jugendhilfeleistungen, wobei für einen solchen Antrag keine besondere Form vorgeschrieben ist und er auch in der Form schlüssigen Verhaltens gestellt werden kann.
108Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2011 - 5 B 43.10 -, JAmt 2011, 274, juris, mit Hinweis auf Beschluss vom 22. Mai 2008 - 5 B 130.07 -, JAmt 2008, 600, juris.
109Der Antrag muss dabei so rechtzeitig gestellt werden, dass der Jugendhilfeträger zur pflichtgemäßen Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen in der Lage ist.
110Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2005
111- 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
112Das Jugendhilferecht ist nämlich kein Recht der reinen Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen, sondern verpflichtet den Träger der Jugendhilfe zur partnerschaftlichen Hilfe. Nur so kann der Jugendhilfeträger seiner Gesamtverantwortung i.S.d. § 79 Abs. 1 SGB VIII und seiner Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2, 3 SGB VIII gerecht werden.
113Vgl. OVG O. , Urteil vom 22. August 2014
114- 12 A 3019/11 -, juris.
115In diesem Sinne ist der am 11. April 2012 bei der Beklagten eingegangene Antrag, der ausdrücklich auf die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form der Kostenübernahme für den Besuch einer Privatschule gerichtet war, rechtzeitig angebracht worden. Der Antrag verhielt sich bereits zur Ungeeignetheit der Förderschule; ihm war mit dem „Kurzbericht“ der S. L2. W. vom 26. März 2012 ein fachärztlicher Bericht i.S.v. § 35a Abs. 1a SGB VIII beigefügt, der die seelische Erkrankung des Klägers i.S.v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII beschrieb sowie Hinweise auf die Teilhabebeeinträchtigung des Klägers und Empfehlungen für seine adäquate Beschulung enthielt. Der Beklagten verblieb damit ausreichend Zeit, bis zum Beginn des neuen Schuljahres, gut vier Monate nach Antragseingang, die notwendigen eigenen Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII zu treffen und dem Kläger auf der Grundlage des sich ergebenden Gesamtbildes eine seinem Förderungsbedarf entsprechende Schule vorzuschlagen. Zwar musste das Jugendamt der Beklagten im Hinblick auf eine alternative Schule frühestens ab dem 6. Juli 2012 in den Entscheidungsprozess eintreten, als ihm von den Eltern die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs telefonisch mitgeteilt wurde. Dennoch ist nicht erkennbar, dass erst nach Kenntnis von der Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs Veranlassung zur Prüfung der Voraussetzungen des § 35 SGB VII und zur Erarbeitung eines Hilfekonzepts bestanden hätte. Dass die bisherige Beschulung des Klägers keine angemessene Schulbildung darstellte, war der Beklagten spätestens nach Vorlage des Schulberichts vom 10. Mai 2012 am 15. Mai 2012 bekannt; angesichts dessen hätte bereits ab diesem Zeitpunkt Veranlassung bestanden, den konkreten Hilfebedarf und die konkreten Hilfsmöglichkeiten - etwa auch durch Nachfragen beim Schulamt - zu ermitteln. Nachdem den Eltern des Klägers bereits am 15. Juni 2012 mitgeteilt worden war, die Unterlagen seien vollständig und nunmehr sei ein Hausbesuch durchzuführen, wäre wohl auch angesichts des Familienurlaubs von Mitte Juli bis Anfang August noch ausreichend Zeit für einen Hausbesuch und die Prüfung der Teilhabebeeinträchtigung des Klägers bis zu Beginn des neuen Schuljahres gewesen. Dass bei derart zeitnaher Klärung - zumal der Hilfefall der Beklagten bekannt und die Problematik weitgehend geklärt war - dann nach Vorlage des Bescheides über die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs bei der gebotenen straffen Verfahrensführung keine Entscheidung innerhalb der noch verbleibenden sechs Wochen bis zum Beginn des Schuljahres hätte erfolgen können, ist nicht ersichtlich. Die Notwendigkeit zu zügiger Entscheidung musste sich der Beklagten auch bereits deshalb aufdrängen, weil nach der Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs die bisherige Beschulung des Klägers auf der F. -L1. -Schule nicht mehr in Betracht kam und der sowohl im Bericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 als auch im Schulbericht vom 10. Mai 2012 aufgeführte Hilfebedarf des Klägers eine Beschulung im Regelschulsystem jedenfalls als äußerst problematisch erscheinen lassen musste.
116Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren vorträgt, ihr Jugendamt habe erst mit dem Eingang der Unterlagen aus dem AO-SF-Verfahren am 3. September 2012 erfahren, dass der Kläger seit der Entlassung aus der Klinik in der G. Q. O. hospitierte, er weiterhin eine kleine Lerngruppe und individuelle Förderung benötige und ein sonderpädagogischer Förderbedarf „Sprache“ nicht mehr vorgelegen habe, ist dies – ungeachtet des Umstandes, dass die Unterlagen des Schulamtes am 29. August 2012 bei der Beklagten eingingen - angesichts der zuvor durch den Kläger überreichten Informationen - des Berichts der S. L2. W. , des Berichts der F. -L1. -Schule und des Bescheides über die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs - sowie der Mitteilung vom 30. April 2012 über die Hospitation des Klägers an der G. Q. O. nicht nachvollziehbar; sollte es aufgrund der Bearbeitung durch verschiedene Stellen innerhalb des Jugendamtes zu Informationsverlusten gekommen sein, wäre dies jedenfalls der Beklagten anzulasten.
117Dass der Kläger sich - wie von der Beklagten angeführt - bereits mit der Hospitation ab dem 17. April 2012 und dem ab Mai 2012 stattfindenden regulären Schulbesuch auf die G. Q. O. festgelegt habe, steht der Annahme einer rechtzeitigen Antragstellung im Hinblick auf das am 22. August 2012 beginnende Schuljahr 2012/2013 nicht entgegen, da bei Jugendhilfemaßnahmen, die - wie im vorliegenden Fall - in zeitliche Abschnitte unterteilt werden können, auch im Falle einer ursprünglich unzulässigen Selbstbeschaffung ein Anspruch für einen nachfolgenden Zeitabschnitt in Betracht kommt, wenn die Selbstbeschaffung nachträglich zulässig geworden ist.
118Vgl. OVG O. , Urteile vom 25. April 2012
119- 12 A 659/11 -, juris, und vom 22. März 2006
120- 12 A 806/03 -, juris, m.w.N.; Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris.
121Auf eine unzulässige Selbstbeschaffung kann sich das Jugendamt für derartige Zeiträume nicht mehr berufen,
122vgl. OVG O. , Beschluss vom 21. Juni 2012
123- 12 A 2229/11 -, juris,
124denn diese führt lediglich dazu, dass für den davon betroffenen Zeitraum keine Kostenerstattung in Betracht kommt; sie hat indes nicht zur Konsequenz, dass der Anspruch auch für zukünftige Zeitabschnitte ausgeschlossen ist. Insoweit enthob auch eine etwaige Festlegung des Klägers auf die G. Q. O. die Beklagte nicht von der ihr nach dem SGB VIII obliegenden Verpflichtung zur zeitgerechten Überprüfung des Anspruchs des Klägers.
125Auch die weiteren Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII liegen vor. Zum einen ist die Anforderung des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII erfüllt. Der Senat sieht es mit der im Nachhinein noch erreichbaren Sicherheit für das hier streitgegenständliche Schuljahr 2012/2013 als gegeben an, dass der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VIII i.V.m. §§ 53, 54 SGB XII, § 12 Nr. 2 EinglVO einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschulung an der G. Q. O. zur Erreichung einer angemessenen Bildung besessen hat.
126Zunächst gehört auch die Übernahme der Kosten einer Privatbeschulung zu den grundsätzlich nach § 35a SGB VIII möglichen Hilfemaßnahmen. Die von der Beklagten im ablehnenden Bescheid vom 19. März 2013 vertretene Ansicht, dass die Übernahme von Schulgeld für eine private Ersatzschule als eine vom Kernbereich der pädagogischen Arbeit umfasste Leistung keine im Rahmen der Eingliederungshilfe vom Sozialhilfeträger zu erbringende Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII ist,
127so BSG, Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 10/11 R -, BSGE 112, 196, juris,
128steht dem Kostenübernahmeanspruch des Klägers nicht entgegen, auch wenn § 35a Abs. 3 SGB VIII u.a. auf § 54 SGB XII verweist. Eine Übertragung dieser sozialgerichtlichen Rechtsprechung auf den Bereich der jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfe, die zu dem - nach Auffassung des Senats unhaltbaren - Ergebnis führen würde, dass Privatschulkosten durch den Träger der Jugendhilfe in keinem Fall zu übernehmen sind, also auch dann nicht, wenn im Einzelfall davon auszugehen ist, dass eine bedarfsdeckende Hilfe im öffentlichen Schulwesen nicht zu erhalten ist, kommt aufgrund der folgenden Erwägungen nicht in Betracht:
129Zunächst ist aus dem Wortlaut von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, § 12 EinglVO nicht abzuleiten, dass „Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung“ nur die Schulbildung begleitende bzw. unterstützende Leistungen sind, wie vom Bundessozialgericht angenommen.
130Vgl. hierzu neben der vorstehend zitierten Entscheidung auch BSG, Urteil vom 22. März 2012
131- B 8 SO 30/10 R -, BSGE 110, 301, juris.
132Der Begriff der „Hilfen“ ist zielorientiert und daher umfassend zu verstehen. Er ist nicht auf Maßnahmen limitiert, die an eine anderweitig gewährleistete Schulbildung angelehnt sind. Dabei ergibt sich aus § 12 EinglVO nichts anderes. Dementsprechend hatte das Bundesverwaltungsgericht schon zum seinerzeit noch geltenden § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG festgestellt, dass die hiernach möglichen Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung „nicht auf solche untergeordneter oder flankierender Art beschränkt“ sind und auch solche Hilfen umfassen, die dem behinderten Menschen „Zugang zu einer angemessenen Schulbildung“ ermöglichen.
133Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 5 C 20.04 -, BVerwGE 123, 316, juris.
134Die auf der Annahme eines Verhältnisses der Spezialität beruhende Argumentation des Bundessozialgerichts lässt sich aber vor allem deshalb nicht fruchtbar machen, weil bei der hier in Rede stehenden jugendhilferechtlichen Fallgestaltung das Verständnis des § 10 Abs. 1 SGB VIII im Vordergrund steht, wonach die „Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, … durch dieses Buch nicht berührt“ werden. Diese Regelung beschreibt aber nach allgemeiner Auffassung ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis.
135Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010 - 5 C 7.09 -, BVerwGE 137, 85, juris; OVG O. , Beschluss vom 18. Oktober 2012 - 12 B 1018/12 -, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1874/08 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 23. April 2009 - 12 CE 09.686 -, juris; NdsOVG, Urteil vom 27. April 2005 - 4 LC 343/04 -, JAmt 2005, 360, juris; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 10 Rn. 20 ff.; Schellhorn, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 10 Rn. 6 ff., Meysen, in: Münder/Mey-sen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 10 Rn. 2 ff.
136Von diesem Verständnis geht auch die Begründung zum Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) aus, mit dem die „Schulen“ erstmals ausdrückliche Erwähnung in § 10 Abs. 1 SGB VIII gefunden haben, indem sie darauf abstellt, dass die „Leistungen der Schulträger vorrangig gegenüber Leistungen der Sozialhilfe zu erbringen sind“.
137Vgl. BT-Drs. 15/5616, S. 25.
138Dass die Übernahme der Kosten für den Besuch einer Privatschule als Leistung der Eingliederungshilfe in der Form der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung i.S.d. § 35a Abs. 3 des SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII in Betracht kommen kann, hat das Bundesverwaltungsgericht jüngst als grundsätzlich geklärt angesehen. Es hat dazu ausgeführt, dass die Bereitstellung der räumlichen, sächlichen, personellen und finanziellen Mittel für die Erlangung einer angemessenen, den Besuch weiterführender Schulen einschließenden Schulbildung auch solcher Kinder und Jugendlicher, deren seelische Behinderung festgestellt ist oder die von einer solchen bedroht sind, grundsätzlich nicht dem Träger der Kinder- und Jugendhilfe, sondern dem Träger der Schulverwaltung obliege. Da die Schulgeldfreiheit in Verbindung mit der Schulpflicht eine Leistung der staatlichen Daseinsvorsorge darstelle und aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialgesetzbuches gefunden habe, sei grundsätzlich für einen gegen den Träger der Kinder- und Jugendhilfe gerichteten Rechtsanspruch auf Übernahme der für den Besuch einer Privatschule anfallenden Aufwendungen (Aufnahmebeitrag, Schulgeld etc.) kein Raum. Ausnahmen von diesem durch das Verhältnis der Spezialität geprägten Grundsatz seien nur für den Fall in Betracht zu nehmen, dass auch unter Einsatz unterstützender Maßnahmen keine Möglichkeit bestehe, den Hilfebedarf des jungen Menschen im Rahmen des öffentlichen Schulsystems zu decken, mithin diesem der Besuch einer öffentlichen Schule aus objektiven oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen unmöglich bzw. unzumutbar sei.
139Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2015
140- 5 B 61.14 -, juris.
141Eine derartige Ausnahmekonstellation lag im Fall des Klägers im Schuljahr 2012/2013 vor. Dabei ist unstreitig, dass auch in diesem Zeitraum die Voraus-setzungen des § 35a SGB VIII vorlagen. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur seelischen Beeinträchtigung des Klägers und der hieraus resultierenden Teilhabebeeinträchtigung Bezug genommen werden; es erscheint ausgeschlossen, dass sich die Situation insoweit im Schuljar 2012/2013 wesentlich anders dargestellt hat als im Schuljahr 2013/2014, zu dem das Verwaltungsgericht seine Ausführungen gemacht hat.
142Der Besuch der G. Q. O. stellt sich im Schuljahr 2012/2013 auch als erforderliche und geeignete Maßnahme der Jugendhilfe dar. Dabei folgt aus den Grundsätzen zum Systemversagen, dass die Erforderlichkeit und Eignung der selbstbeschafften Maßnahme hier aus der damaligen Perspektive des leistungsberechtigten Klägers zu beurteilen ist.
143Denn auch bei der Selbstbeschaffung einer aus fachlichen Gründen abgelehnten bzw. vom Hilfeplan ausgeschlossenen Leistung ist im Hinblick auf § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zunächst zu prüfen, ob der vom Jugendamt aufgestellte Hilfeplan (bzw. das Hilfekonzept) verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, nicht von sachfremden Erwägungen beeinflusst und fachlich vertretbar ist. Diese Prüfung erstreckt sich dabei nicht auf eine reine Ergebniskontrolle, sondern erfasst auch die von der Behörde - maßgeblich ist die letzte Behördenentscheidung - gegebene Begründung. Denn diese muss für den Betroffenen nachvollziehbar sein, um ihn in die Lage zu versetzen, mittels einer Prognose selbst darüber zu entscheiden, ob eine Selbstbeschaffung (dennoch) gerechtfertigt ist. Hat das Jugendamt die begehrte Hilfe aus im vorgenannten Sinne vertretbaren Erwägungen abgelehnt, besteht weder ein Anspruch des Betroffenen auf die begehrte Eingliederungshilfeleistung noch auf den Ersatz von Aufwendungen für eine selbst beschaffte Hilfe. Der Regelung des § 36a Abs. 3 SGB VIII liegt in dem Sinne der Gedanke des Systemversagens zugrunde, dass die selbst beschaffte Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt worden sein muss. Hat demgegenüber das Jugendamt nicht rechtzeitig oder nicht in einer den vorgenannten Anforderungen entsprechenden Weise über die begehrte Hilfeleistung entschieden, können an dessen Stelle die Betroffenen den sonst der Behörde zustehenden nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Denn in dieser Situation sind sie - obgleich ihnen der Sachverstand des Jugendamtes fehlt - dazu gezwungen, im Rahmen der Selbstbeschaffung des § 36a Abs. 3 SGB VIII eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme zu treffen. Weil nun ihnen die Entscheidung aufgebürdet ist, eine angemessene Lösung für eine Belastungssituation zu treffen, hat dies zur Folge, dass die Verwaltungsgerichte nur das Vorhandensein des jugendhilferechtlichen Bedarfs uneingeschränkt zu prüfen, sich hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe aber auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten zu beschränken haben. Ist die Entscheidung der Berechtigten in diesem Sinne fachlich vertretbar, kann ihr etwa im Nachhinein nicht mit Erfolg entgegnet werden, das Jugendamt hätte eine andere Hilfe für geeignet gehalten.
144Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
145- 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris; zum Systemversagen vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 -, JAmt 2014, 41, juris.
146Ausgehend von diesen Maßstäben ist zunächst festzustellen, dass es bis zum Erlass des ablehnenden Bescheides der Beklagten vom 19. März 2013 schon deshalb den Eltern des Klägers oblag, über die Eignung und Erforderlichkeit der selbstbeschafften Hilfe zu befinden, weil es an einer auf ihre Vertretbarkeit hin zu prüfenden Entscheidung des Jugendamtes von vornherein fehlte. Durch den Erlass des Bescheides vom 19. März 2013 ist keine erhebliche Änderung der Sachlage eingetreten. Die der Antragsablehnung zugrundeliegenden Erwägungen offenbaren eine Überschreitung der Grenzen fachlicher Vertretbarkeit, die das Jugendamt bei seiner Entscheidungsfindung zu beachten gehabt hätte.
147Das Jugendamt der Beklagten hat im Bescheid vom 19. März 2013 darauf verwiesen, dass die Vermittlung einer Schulbildung in erster Linie Aufgabe der staatlichen Schulverwaltung sei. Nach der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen seien Kinder mit Autismus vorrangig in die Regelschule zu integrieren. Der Förderbedarf behinderter Kinder könne auch in integrativen Lerngruppen im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts gedeckt werden. Es kämen verschiedene unterstützende Hilfemaßnahmen in Betracht, um einen durch die Behinderung bestehenden Nachteil auszugleichen. Durch ein AO-SF-Verfah-ren sei ein bestehender sonderpädagogischer Bedarf zu ermitteln und durch eine Schule mit geeignetem Förderschwerpunkt sei der bestehende Nachteil auszugleichen.
148Der damit erfolgte Verweis des Klägers auf das öffentliche Schulsystem war fachlich nicht vertretbar. Ein seelisch behindertes oder von einer solchen Behinderung bedrohtes Kind muss sich in Anwendung des Nachranggrundsatzes aus § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nur dann auf das öffentliche Schulsystem verweisen lassen, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auch zur Verfügung steht, d. h. präsent ist,
149vgl. OVG O. , Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, juris; Beschluss vom 19. September 2011 - 12 B 1040/11 -, juris; siehe auch HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1874/08 -, juris,
150beziehungsweise eine Verpflichtung des Schulsystems rechtzeitig realisierbar und nach den Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe zu erhalten ist.
151Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
152- 5 C 21.11 -, juris.
153Der gegebenenfalls unter Beteiligung der Schulaufsichtsbehörden zu führende Nachweis einer solchen bedarfsdeckenden Hilfe im öffentlichen Schulsystem durch Aufzeigen einer konkreten Alternative zum Privatschulbesuch obliegt dem Jugendamt.
154Vgl. OVG O. , Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris; Urteil vom 25. April 2012
155- 12 A 659/11 -, juris.
156Ein Eingriff in die Rechte der Eltern des hilfebedürftigen Kindes ist im Nachweis einer Schule, durch deren Besuch der jeweilige Hilfebedarf gedeckt werden kann, keinesfalls zu sehen.
157Den Nachweis einer solchen konkreten Alternative zum Privatschulbesuch hat die Beklagte allein durch den bloßen Verweis darauf, es kämen „verschiedene unterstützende Hilfemaßnahmen“ in Betracht, indes nicht erbracht. Sie hat dem Kläger im gesamten Verfahren keine öffentliche Schule nachgewiesen, auf der sein sowohl im Kurzbericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 als auch im Schulbericht vom 10. Mai 2012 beschriebener Bedarf an einem Unterricht in einer kleinen Klasse (5-6 Schüler) und hoher Betreuungsdichte hätte gedeckt werden können. Die Annahme, dieser Bedarf an einer Beschulung in einer kleinen Klasse könne bei Unterstützung durch einen Integrationshelfer auch durch den Besuch einer Regelschule mit normaler Klassenstärke gedeckt werden, ist angesichts des Fehlens jeden objektiven Anhaltspunktes für ihre Trag-fähigkeit fachlich nicht vertretbar.
158Auf den Besuch einer Förderschule konnte die Beklagte den Kläger bereits deshalb nicht verweisen, weil der Verweis auf eine Beschulung an einer öffentlichen Förderschule anstelle einer privaten Bildungseinrichtung nur in Betracht kommt, wenn eine diesbezügliche wirksame schulrechtliche Entscheidung über einen sonderpädagogischen Förderbedarf und den Förderort vorliegt, was hier nicht der Fall war.
159Vgl. OVG O. , Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris, m.w.N.
160Davon abgesehen hat die F. -L1. -Schule einen Wechsel des Förderschwerpunktes im Mai 2012 offenbar nicht für notwendig erachtet. Anderenfalls wäre die Schulaufsichtsbehörde darüber zu unterrichten gewesen (vgl. § 18 Abs. 3 AO-SF).
161Kommt es für die Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe mithin auf die ex-ante-Betrachtung des leistungsberechtigten Klägers an, hier bezogen auf den Zeitpunkt vor Beginn des Schuljahres 2012/2013, erschien es aus dessen Perspektive - bzw. letztlich aus dem Blickwinkel der ihn gesetzlich vertretenden Eltern - ohne Weiteres fachlich vertretbar, sich für eine (weitere) Beschulung auf der G. Q. O. zu entscheiden. Dass diese Bildungseinrichtung geeignet ist, dem Kläger auch in Ansehung seines spezifischen Beeinträchtigungsprofils eine adäquate Schulbildung zu vermitteln, begegnet auch nicht deshalb Zweifeln, weil die G. Schule O. kein ausgewiesenes Konzept für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Erkrankungen aus dem Autismus-Spektrum besitzt, denn nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers haben die Lehrkräfte der Privatschule Erfahrungen mit Schülern mit Störungen aus dem Autismus-Spektrum und besuchen entsprechende Fortbildungen. Auch der Kurzbericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 riet lediglich zur Betreuung durch ein gut geschultes, im Umgang mit stark auffälligen, sozialverhaltensgestörten und autistischen Kindern erfahrenes pädagogisches Team, ohne ein auf autistische Störungen spezialisiertes Konzept für angeraten zu halten.
162Die seinerzeit getroffene Entscheidung erwies sich auch nicht unter dem Erfor-derlichkeitsaspekt als unvertretbar. Nach den fachlichen Erkenntnissen und vorliegenden Erfahrungen - insbesondere mit Blick auf die Schulwechsel des Klägers in der Vergangenheit - mussten die Eltern mit der konkreten Gefahr rechnen, dass ihr Sohn auf einer staatlichen Schule nicht angemessen beschult werden könne und die ohnehin bestehende Teilhabebeeinträchtigung sich erheblich verschlimmern würde. In dieser Situation war ihnen nicht zuzumuten, den Kläger erneut auf einer Regelschule anzumelden, zumal es der Beklagten, wie dargelegt, im Verwaltungsverfahren nicht gelungen war, eine tragfähig begründete Entscheidung zu treffen, und sich überdies abzeichnete, dass der im Mai 2012 aufgenommene Besuch der Q. erfolgreich verlief.
163Auch die Bestimmungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl. II 2008 S. 1420) stehen der Kostenübernahme der Privatschulkosten durch die Beklagte nicht entgegen. Gemäß Art. 24 Abs. 1 der Konvention erkennen die Vertragsstaaten das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung an. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen. Dabei stellen die Vertragsstaaten nach Art. 24 Abs. 2 der Konvention sicher, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden (a)), Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben (b)), angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden (c)), Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern (d)) und in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden (e)).
164Dieser Bestimmung lässt sich - unabhängig von der Frage ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit - keinesfalls ein Verbot entnehmen, einen behinderten Schüler auf einer Privatschule, an der behinderte und nichtbehinderte Kinder und Jugendliche gemeinsam unterrichtet werden, zu fördern, wenn und soweit das staatliche Schulsystem (noch) keine adäquate Förderung zur Verfügung stellt.
165Vgl. hierzu auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 18. März 2014 - J 1.460 Sch -, JAmt 2004, 253, wonach Art. 24 UN-Behindertenkonvention dazu führt, dass der Hilfebedürftige gegenüber dem Privatschulbesuch nicht auf den möglichen Besuch einer Förderschule verwiesen werden darf.
166Schließlich ist auch davon auszugehen, dass die Deckung des Bedarfs i.S.v. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII keinen zeitlichen Aufschub mehr geduldet hat. Mit Blick darauf, dass der sonderpädagogische Förderbedarf aufgehoben war, eine Beschulung des Klägers auf einer Förderschule damit nicht in Betracht kam, und angesichts der sowohl im Schulbericht vom 10. Mai 2012 als auch im Bericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 zum Ausdruck kommenden Bedarfslage des Klägers war es diesem nicht zuzumuten, sich zunächst auf eine weitere Beschulung an einer Regelschule einzulassen, nachdem die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfeplanung nicht aufzuzeigen vermochte hatte, dass dieser Weg zu einer adäquaten Bedarfsdeckung führte. Von einem unaufschiebbaren Bedarf ist nämlich regelmäßig gerade auch dann auszugehen, wenn der bei Kindern und Jugendlichen dauerhaft bestehende Bedarf an adäquater Bildungsvermittlung wegen drohenden Verlustes an Zeit, die nicht nachgeholt, sondern nur angehängt werden kann, nicht mehr oder nicht ausreichend gedeckt werden kann.
167Vgl. bereits Zulassungsbeschluss des Senates vom 30. Oktober 2014 - 12 A 1639/14 -, juris.
168Als „erforderliche Aufwendungen", welche die Beklagte nach alldem gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII für die selbst beschaffte Hilfe im hier allein streitgegenständlichen Schuljahr 2012/2013 zu übernehmen verpflichtet ist, sind in Anwendung des Rechtsgedankens des § 683 Satz 1 i. V. m. § 670 BGB diejenigen Aufwendungen anzusehen, welche die Eltern des Klägers nach ihrem subjektiv vernünftigen Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich halten durften.
169Vgl. OVG O. , Urteile vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 48, juris, und vom 22. August 2014 - 12 A 3019/11 -, juris, sowie Beschluss vom 28. Juni 2012 - 12 A 2374/11 -, juris.
170Darunter fallen zunächst das monatlich an die Privatschule zu zahlende Schulgeld sowie die Fahrtkosten. Zudem zählen hierzu auch die Kosten für Schulbücher und Klassenfahrten und -ausflüge.
171Der Senat ist nicht deshalb daran gehindert, über den Umfang der für das Schuljahr 2012/2013 zu erstattenden Kosten zu entscheiden, weil das Verwaltungsgericht für das Schuljahr 2013/2014, das auch in dieser Hinsicht nicht mehr streitgegenständlich ist, entschieden hat, dass die Kosten für Schulbücher, Klassenfahrten und -ausflüge nicht von der Beklagten zu erstatten sind. Weder aus dem Zulassungsbeschluss noch aus dem Berufungsantrag des Klägers ist eine derartige Beschränkung zu entnehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger, soweit es den hier noch im Streit stehenden Zeitraum betrifft, am erstinstanzlich geltend gemachten Umfang des Kostenerstattungsanspruchs festhält, der sich nach der im Schriftsatz vom 20. Mai 2014 aufgeführten Kostenaufstellung ersichtlich auch auf die Aufwendungen für Lernmittel und Klassenfahrten und ‑ausflüge erstreckte.
172Die Kosten für Bücher und Klassenfahrten und -ausflüge sind auch von der Beklagten zu übernehmen. Es handelt sich insoweit um Aufwendungen die durch den Besuch einer bestimmten, aufgrund der Behinderung des Klägers für notwendig erachteten Einrichtung bedingt sind.
173Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation auch BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1975 - V C 19.74 -, BVerwGE 48, 228, juris; VG München, Urteil vom 28. Januar 2004 - M 18 K 03.6555 -, juris.
174Diese Kosten entstehen nicht wie bei nichtbehinderten Schülern als notwendige Bedürfnisse des täglichen Lebens, sondern notwendigerweise durch die besonderen Verhältnisse der Behinderung. Dies gilt in besonderem Maße für die Kosten für Klassenfahrten und -ausflüge, die nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers wichtiger Bestandteil des pädagogischen Konzepts der Privatschule sind. Insoweit kommt es auf die hypothetische Kontrollüberlegung, ob derartige Kosten bei Besuch einer Regelschule ebenso entstehen würden, nicht an.
175Vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1975
176- V C 19.74 -, BVerwGE 48, 228, juris.
177Der Kläger durfte diese Aufwendungen auch für erforderlich halten; es ist nicht ersichtlich, wie er eine angemessene Schulbildung an der Privatschule ohne Schulbücher und Deutschlektüren hätte erhalten sollen. Dasselbe gilt angesichts der Verankerung der Veranstaltungen im pädagogischen Konzept der G. Schule O. auch für die schulischen Veranstaltungen in Form von Klassenfahrten und -ausflügen.
178Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenverteilung im zweitinstanzlichen Verfahren berücksichtigt dabei die unterschiedlichen Erfolgsquoten des Klägers im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
179Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
180Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.
(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.
(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.
(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.
(1) Der Personensorgeberechtigte und das Kind oder der Jugendliche sind vor der Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Hilfe und vor einer notwendigen Änderung von Art und Umfang der Hilfe zu beraten und auf die möglichen Folgen für die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen hinzuweisen. Es ist sicherzustellen, dass Beratung und Aufklärung nach Satz 1 in einer für den Personensorgeberechtigten und das Kind oder den Jugendlichen verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form erfolgen.
(2) Die Entscheidung über die im Einzelfall angezeigte Hilfeart soll, wenn Hilfe voraussichtlich für längere Zeit zu leisten ist, im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte getroffen werden. Als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe sollen sie zusammen mit dem Personensorgeberechtigten und dem Kind oder dem Jugendlichen einen Hilfeplan aufstellen, der Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthält; sie sollen regelmäßig prüfen, ob die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist. Hat das Kind oder der Jugendliche ein oder mehrere Geschwister, so soll der Geschwisterbeziehung bei der Aufstellung und Überprüfung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe Rechnung getragen werden.
(3) Werden bei der Durchführung der Hilfe andere Personen, Dienste oder Einrichtungen tätig, so sind sie oder deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung zu beteiligen. Soweit dies zur Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer erforderlich ist, sollen öffentliche Stellen, insbesondere andere Sozialleistungsträger, Rehabilitationsträger oder die Schule beteiligt werden. Gewährt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Leistungen zur Teilhabe, sind die Vorschriften zum Verfahren bei einer Mehrheit von Rehabilitationsträgern nach dem Neunten Buch zu beachten.
(4) Erscheinen Hilfen nach § 35a erforderlich, so soll bei der Aufstellung und Änderung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe die Person, die eine Stellungnahme nach § 35a Absatz 1a abgegeben hat, beteiligt werden.
(5) Soweit dies zur Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer erforderlich ist und dadurch der Hilfezweck nicht in Frage gestellt wird, sollen Eltern, die nicht personensorgeberechtigt sind, an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung beteiligt werden; die Entscheidung, ob, wie und in welchem Umfang deren Beteiligung erfolgt, soll im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte unter Berücksichtigung der Willensäußerung und der Interessen des Kindes oder Jugendlichen sowie der Willensäußerung des Personensorgeberechtigten getroffen werden.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem unter dem Aktenzeichen 19 K 6935/15 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf anhängigen Hauptsacheverfahren, längstens bis zum 31. Juli 2016, Eingliederungshilfe gem. § 35a SGB VIII durch Übernahme der Kosten für den Unterricht durch die X. -J. schule zu gewähren.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
1
G r ü n d e:
2Der Antragsteller hat mit seiner Beschwerde Erfolg.
3Die zulässige Beschwerde ist auch begründet. Der Antragsteller hat mit seinem nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO der Prüfung zugrundezulegenden Beschwerdevorbringen glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Übernahme der Kosten seines Unterrichts durch die X. -J. schule vorliegen.
4Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung von wesentlichen Nachteilen oder drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund), dass dem Hilfesuchenden mit Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf die begehrte Regelung zusteht (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m.§ 920 Abs. 2 ZPO.
5Wird mit der begehrten Regelung die Hauptsache vorweggenommen, gelten gesteigerte Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, indem ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür sprechen muss, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist.
6Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9.12 -, NVwZ 2013, 1344, juris; Beschlüsse vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 -, BVerwGE 109, 258, juris, und vom 14. Dezember 1989 - 2 ER 301.89 -, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15, juris; OVG NRW, Beschlüs-se vom 27. Januar 2014 - 12 B 1422/13 -, juris, vom 15. Januar 2014 - 12 B 1478/13 -, juris, Beschlüsse vom 14. Februar 2013 - 12 B 107/13 -, juris, vom 27. Juni 2012 - 12 B 426/12 -, juris, vom 21. Februar 2011 - 13 B 1722/10 -, juris, vom 8. Januar 2010
7- 19 B 1004/09 -, NWVBl 2010, 328, juris, und vom 16. März 2007 - 7 B 134/07 -, NVwZ-RR 2007, 661, juris.
8Überdies kommt eine Vorwegnahme der Hauptsache nur in Betracht, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gut zu machende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
9Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Januar 2014
10- 12 B 1422/13 -, juris, vom 15. Januar 2014 - 12 B 1478/13 -, juris, vom 14. Juni 2012 - 12 B 433/12 -, juris, vom 29. September 2011 - 12 B 983/11 -, juris, und vom 20. Januar 2010 - 12 B 1655/09 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -, BVerfGE 79, 69, juris, m. w. N.
11Diese Voraussetzungen für eine zeitweilige Vorwegnahme der Hauptsache liegen in beiderlei Hinsicht vor.
12Der Senat sieht es zunächst als hochgradig wahrscheinlich an, dass der Antragsteller die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form der Übernahme der Kosten für den Unterricht durch die X. -J. schule C. beanspruchen kann.
13Die Gewährung von Eingliederungshilfe setzt nach § 35a Abs. 1 SGB VIII voraus, dass,
141. die seelische Gesundheit des Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für seinen Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
152. daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
16Bei kumulativem Vorliegen beider Voraussetzungen geht das Gesetz von einer "seelischen Behinderung" aus (vgl. § 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII), wobei es ausreicht, wenn der Betreffende von einer solchen Behinderung bedroht ist.
17Dass der Antragsteller nach den vorliegenden fachärztlichen Diagnosen - insbesondere dem diagnostizierten Asperger Syndrom (F84.5) - an einer seelischen Störung i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII leidet, die zu einer fortwährenden Teilhabebeeinträchtigung i. S. d. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII führt, drängt sich nach dem in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten Werdegang des Antragstellers auf. Das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 35a SGB VIII ist auch weder von der Antragsgegnerin noch dem Verwaltungsgericht in Frage gestellt worden.
18Bei dieser Ausgangslage stellt sich der Unterricht des Antragstellers an der X. -J. schule auch als erforderliche und geeignete Maßnahme der Eingliederungshilfe dar.
19Nach § 35a Abs. 3 SGB VIII richten sich Aufgabe und Ziel der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie die Art der Leistungen nach § 53 Abs. 3 und 4 Satz 1 sowie den §§ 54, 56 und 57 SGB XII, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden. Dementsprechend erhalten nach § 35a Abs. 3 SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII seelisch behinderte Kinder Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung.
20Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Maßnahme der Jugendhilfe handelt es sich um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses. Dieses Ergebnis erhebt nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit, muss jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Dem Träger der Jugendhilfe steht ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Diese Kontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet worden sind, ob sachfremde Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt wurden.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1999 - 5 C 4.98 -, BVerwGE 109, 155, juris; OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 12 A 2470/13 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 28. Oktober 2014 - 12 ZB 13.2025 -, juris.
22Dies zugrundegelegt führt die notwendige Beachtung des Kindeswohls im vorliegenden Fall zu einer Reduzierung des Beurteilungsspielraums auf die Übernahme der Kosten des Unterrichts durch die X. -J. schule als einzig geeignete und erforderliche Hilfemaßnahme. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Übernahme der Kosten für die X. -J. schule abzulehnen, entspricht den Anforderungen an Sachangemessenheit und Nachvollziehbarkeit nicht.
23Dabei ist zunächst unstreitig, dass der Unterricht durch die X. -J. schule eine angemessene Wissensvermittlung darstellt; so ist im Protokoll des Hilfeplangesprächs vom 23. November 2015 festgehalten, dass der Antragsteller im Unterricht mitarbeite und große Rückstände aufgearbeitet habe. Die Übernahme der Kosten stellt sich auch als erforderlich dar, da nicht ersichtlich ist, wie eine angemessene Schulbildung des Antragstellers im Schuljahr 2015/2016, in dem er durch Bescheid der Schulbehörde vom 19. Juni 2015 von der Schulpflicht befreit ist - womit das Ruhen der Schulpflicht nach § 40 Abs. 2 SchulG NRW gemeint sein dürfte - anderenfalls sichergestellt werden sollte. Die Antragsgegnerin hat demgegenüber im Bescheid vom 7. Juli 2015 eine Übernahme der Kosten für den Unterricht durch die X. -J. schule unter Verweis auf den Hilfeplan vom 18. März 2015, in dem als Hauptziel die Heranführung des Antragstellers an den Unterricht auf der B. -G. -Schule formuliert worden war, abgelehnt. Diese Begründung ist bereits deshalb nicht nachvollziehbar, weil - wovon die Antragsgegnerin bei der Erteilung ihres Ablehnungsbescheides auch Kenntnis hatte - seit der letzten Hilfeplankonferenz durch den bereits erwähnten Bescheid vom 19. Juni 2015 das Ruhen der Schulpflicht bis zum 31. Juli 2016 angeordnet worden war. Ist Voraussetzung für ein derartiges Ruhen der Schulpflicht gemäß § 40 Abs. 2 SchulG NRW aber, dass das betreffende Kind bzw. der betreffende Jugendliche selbst nach Ausschöpfen aller Möglichkeiten sonderpädagogischer Förderung nicht gefördert werden kann, so konnte die Antragsgegnerin jedenfalls nicht ohne weitere Erwägungen davon ausgehen, dass der Hilfebedarf des Antragstellers durch den Besuch der B. -G. -Schule gedeckt werden konnte. Hiergegen spricht auch der Kurzbericht des B1. -U. -A. L. /C1. vom 8. Mai 2015, in dem ausgeführt ist, dass aus therapeutischer Sicht alle Beteiligten ihre Möglichkeiten bis an die Grenze ausgelotet hätten, aber dennoch das Ziel einer Integration des Antragstellers in die B. -G. -Schule nicht habe erreicht werden können und eine Beschulung im üblichen schulischen Rahmen nicht möglich erscheine. Nachvollziehbare Erwägungen dazu, wie nunmehr der Anspruch des Antragstellers auf Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung nach § 35a Abs. 3 SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII befriedigt werden sollte, enthält der Bescheid vom 7. Juli 2015 nicht. Der Widerspruchsbescheid vom 29. September 2015 empfiehlt eine stationäre Diagnostik und enthält die Formulierung, der Wechsel auf eine Internatsschule mit einem speziellen Angebot für Asperger dürfe kein Tabuthema sein. Konkrete Ausführungen dazu, ob mit einer derartigen Schule der Hilfebedarf des Antragstellers gedeckt werden könnte, die der Antragsgegnerin oblegen hätten,
24vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 12 B 1360/12 -, juris,
25ergeben sich hieraus nicht. Auch ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass eine stationäre Diagnostik in absehbarer Zeit zu einer angemessenen Schulbildung beitragen würde. Soweit die Antragsgegnerin im Verfahren vorgetragen hat, dass es „im Rahmen der Hilfe für den Antragsteller nicht um die Beschulung“ gehe, verkennt sie, dass § 35a Abs. 3 SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII gerade einen Anspruch auf Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung gewährt.
26Die Antragsgegnerin konnte ihre Entscheidung auch nicht nachvollziehbar darauf stützen, dass die Maßnahme ungeeignet sei, weil die soziale Isolation des Antragstellers hierdurch verschärft werde, und ein Schulwechsel kein Mittel sei, einen lebensbedrohlichen Gewichtsverlust, Depression und suizidale Gedanken mit dem Wechsel der Schule zu therapieren.
27Zum einen ist nicht nachvollziehbar, dass infolge des Unterrichts durch die X. -J. schule die soziale Isolation des Antragstellers verschärft würde. Dass der Antragsteller im Schuljahr 2015/16 keine Schule besucht, ist nicht dadurch bedingt, dass er durch die X. -J. schule unterrichtet wird, sondern beruht darauf, dass mit Bescheid vom 19. Juni 2015 das Ruhen seiner Schulpflicht bis zum 31. Juli 2016 festgestellt wurde. Inwieweit in dieser Situation der Unterricht durch die X. -J. schule, der immerhin den - internetgestützten - Kontakt zu den dortigen Lehrpersonen erfordert, die soziale Isolation des Antragstellers verschärfen soll, ist nicht erkennbar.
28Dabei wird nicht verkannt, dass der Unterricht durch die X. -J. schule in erster Linie den Hilfebedarf des Antragstellers im Bereich Schulbildung abdeckt und in den übrigen Bereichen, in denen der Antragsteller an der Teilhabe beeinträchtigt ist - insbesondere soweit seine Freizeitgestaltung und Kontakte zu Gleichaltrigen betroffen sind - seinen Hilfebedarf nicht abdecken dürfte. Aus der Regelung des § 35a SGB VIII kann aber der Rechtssatz, dass eine Hilfemaßnahme den gesamten Eingliederungshilfebedarf abdecken muss, nicht abgeleitet werden. Dieser Satz findet weder im Wortlaut des § 35a SGB VIII oder den von dieser Norm in Bezug genommenen Vorschriften eine Verankerung, noch lässt er sich aus der Systematik oder aus dem Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe folgern.
29Während der Wortlaut des § 35a SGB VIII noch offen ist, spricht die Systematik des Gesetzes in gewichtiger Weise dafür, dass Eingliederungshilfeleistungen auch darauf ausgerichtet sein dürfen, einen Teilbedarf zu decken. So greift § 35a Abs. 3 SGB VIII mit der Inbezugnahme auf § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII und damit die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung selbst einen Teilleistungsbereich heraus und geht davon aus, dass es Hilfen gibt, die gerade auf die Deckung dieses (Teil-) Bedarfs zugeschnitten sind. Die systematische Gesamtschau mit den weiteren von § 35a Abs. 3 SGB VIII in Bezug genommenen Leistungstatbeständen unterstützt dieses Ergebnis. Diese enthalten ebenfalls in der Regel - wie sich aus der jeweiligen Verwendung des Wortes "insbesondere" ergibt - beispielhafte Aufzählungen (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, § 26 Abs. 2 und 3 SGB IX, § 33 Abs. 2, 3 und 6 SGB IX), die ein offenes Leistungssystem normieren und jeweils darauf ausgerichtet sind, den Bedarf in bestimmten Bereichen zu decken.
30Dieses Auslegungsergebnis wird durch den Sinn und Zweck der Regelungen über die Eingliederungshilfe bestätigt. Aufgabe und Ziel der Eingliederungshilfe werden durch die über § 35a Abs. 3 SGB VIII entsprechend anwendbare Regelung des § 53 Abs. 3 SGB XII näher bestimmt. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es danach, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern.
31Zwar hat der Jugendhilfeträger möglichst den gesamten Hilfebedarf abzudecken, der durch die seelische Behinderung hervorgerufen wird, und deshalb alle von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereiche in den Blick zu nehmen. Hilfebedarfe in unterschiedlichen Lebensbereichen sollen dabei nach Möglichkeit einheitlich abgedeckt werden und etwa die Eingliederungshilfe mit der Erziehungshilfe kombiniert werden (vgl. § 35a Abs. 4 Satz 1 SGB VIII). Hilfeleistungen sind demnach so auszuwählen und aufeinander abzustimmen, dass sie den gesamten Bedarf so weit wie möglich erfassen. Denn aus dem (sozialhilferechtlichen) Bedarfsdeckungsgrundsatz, der im Bereich der jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfe in § 35a Abs. 2 SGB VIII (vgl. "Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall ... geleistet") verankert ist, folgt, dass grundsätzlich der gesamte im konkreten Einzelfall anzuerkennende Hilfebedarf seelisch behinderter oder von einer solchen Behinderung bedrohter Kinder oder Jugendlicher abzudecken ist. Das erfordert, dass sich der Träger der öffentlichen Jugendhilfe - bzw. im Fall der zulässigerweise selbstbeschafften Hilfe der Leistungsberechtigte - der Art und Form nach aller Leistungen und Hilfen bedienen kann, die zur Deckung des konkreten und individuellen eingliederungsrechtlichen Bedarfs geeignet und erforderlich sind. Dies kann es jedoch gerade bedingen, dass der durch Teilhabebeeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen erzeugte Hilfebedarf nur durch verschiedene, auf den jeweiligen Bereich zugeschnittene Leistungen abgedeckt werden kann und muss, um die Aufgabe der Eingliederungshilfe zu erfüllen. Hilfebedarf in unterschiedlichen Bereichen kann es geboten erscheinen lassen, verschiedene Hilfeleistungen zu kombinieren oder durch mehrere Einzelleistungen den Gesamtbedarf des Hilfebedürftigen abzudecken. Um dem Ziel der Eingliederungshilfe nach möglichst umfassender Bedarfsdeckung in allen von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Bereichen gerecht zu werden, kann es, wenn nicht sogleich der Gesamtbedarf gedeckt werden kann, erforderlich sein, Hilfeleistungen zumindest und zunächst für diejenigen Teilbereiche zu erbringen, in denen dies möglich ist. Steht etwa eine bestimmte Hilfeleistung tatsächlich zeitweilig nicht zur Verfügung oder wird eine bestimmte Hilfe vom Hilfeempfänger oder dessen Erziehungsberechtigten (zeitweise) nicht angenommen, kann es gleichwohl geboten sein, die Hilfen zu gewähren, die den in anderen Teilbereichen bestehenden (akuten) Bedarf abdecken.
32Etwas anderes kann - mit Blick auf den dargelegten Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe - dann anzunehmen sein, wenn die Gewährung der Hilfe für einen Teilbereich die Erreichung des Eingliederungszieles in anderen von der Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereichen erschweren oder vereiteln würde, es also zu Friktionen zwischen Hilfsmaßnahmen käme. Nachteilige Wechselwirkungen mit anderen Hilfeleistungen können die fachliche Geeignetheit einer (begehrten) Leistung für einen Teilleistungsbereich in Frage stellen. Dies ist eine Frage der fachlich sinnvollen Abstimmung verschiedener Hilfeleistungen aufeinander.
33Dass der Gesamtbedarf durch eine bestimmte Hilfemaßnahme nicht gedeckt wird, schließt es mithin - entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts - nicht aus, dass sie geeignet und erforderlich sein kann, einen Teilbedarf zu decken und insoweit ein Anspruch auf Eingliederungshilfe besteht; es sei denn, die Gewährung der Hilfe für diesen Teilbedarf würde Hilfemaßnahmen für andere von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffene Lebensbereiche vereiteln oder konterkarieren.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris, m.w.N.
35Dass durch den Besuch der X. -J. schule die von der Antragsgegnerin gewährte Autismustherapie vereitelt oder konterkariert würde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr sind ausweislich des Protokolls des Hilfeplangesprächs vom 23. November 2015 in der letzten Zeit Fortschritte in der Zusammenarbeit des Antragstellers mit dem Therapeuten festzustellen. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragstellers hat sich zudem seit der Beschulung durch die X. -J. schule seine Fähigkeit zu sozialen Kontakten eher verbessert; so geht er etwa regelmäßig einer ehrenamtlichen Tätigkeit nach, macht Einkäufe, und der Kontakt zu seinem Vater hat sich verbessert.
36Auch die Erwägung, die psychischen Beeinträchtigungen des Antragsgegners könnten nicht mit einem Schulwechsel therapiert werden, trägt die Ablehnung der Übernahme der Kosten der X. -J. schule nicht. Die etwaige Erforderlichkeit einer Therapie des Antragstellers, die über die bisherige Inanspruchnahme psychiatrischer Hilfe hinausgeht, steht der Gewährung der begehrten Kostenübernahme nicht entgegen. Ein Bedarf an Eingliederungshilfe entsteht vielmehr nicht selten erst auch dadurch, dass zu einem früheren Zeitpunkt keine ausreichenden pädagogischen, diagnostischen und therapeutischen Hilfestellungen erfolgten bzw. zunächst ausreichend erscheinende Hilfestellungen nicht griffen. Defizite dieser Art sind typischerweise Auslöser eines Bedarfs an Jugendhilfe und stehen der Geltendmachung eines aktuellen - gegebenenfalls durch unzureichende bisherige Therapien geprägten - Bedarfs nicht etwa anspruchsvernichtend gegenüber.
37Vgl. VG Bayreuth, Urteil vom 11. September 2007
38- B 3 K 05.23 -, juris.
39Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 SGB VIII für den geltend gemachten Anspruch kommt es unmittelbar nicht an, weil der Antragsteller in der Sache einen Anspruch auf Gewährung einer Jugendhilfeleistung verfolgt. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur Erlangung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII kann regelmäßig lediglich eine Anordnung für die Zukunft erfolgen, da es für die Vergangenheit an einem Anordnungsgrund fehlen dürfte; ob ein Kostenerstattungsanspruch für die vor dem Beschluss des Senates selbst beschaffte Hilfe nach § 36a Abs. 3 SGB VIII vorliegt, ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes daher nicht zu klären. Ungeachtet dessen deckt die rechtliche Prüfung in einem Eilverfahren nach § 123 VwGO, in dem eine Verpflichtung des zuständigen Jugendhilfeträgers zur vorläufigen Gewährung einer Hilfeleistung erstritten werden soll, der Sache nach auch Fragen ab, die sich in gleicher oder ähnlicher Weise bei der Prüfung eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII stellen würden. So liegt etwa auf der Hand, dass das Bestehen eines Anordnungsanspruchs davon abhängt, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Hilfe vorliegen; auf diese Voraussetzungen stellt auch § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII ab. Für den frühestmöglichen Beginn eines Anordnungsanspruchs kann wiederum von Bedeutung sein, wann der Leistungsberechtigte den Jugendhilfeträger über seinen Hilfebedarf informiert hat und welche Zeitspanne dem Jugendhilfeträger hiernach zur pflichtgemäßen Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen im Rahmen einer geordneten Hilfeplanung nach § 36 Abs. 2 SGB VIII einzuräumen war; diesen Aspekt erfasst auch § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII.
40Hier stand der Antragsgegnerin ausreichend Zeit zur Verfügung, um über den Antrag vom 23. April 2015 auf Übernahme der Kosten für den Unterricht durch die X. -J. schule auch unter Berücksichtigung des Bescheides über das Ruhen der Schulpflicht vom 19. Juni 2015 - eine den verfahrensrechtlichen Anforderungen aus § 36 Abs. 2 SGB VIII entsprechende Entscheidung noch vor Beginn des Schuljahres 2015/2016 treffen zu können. Der Hilfefall war dem Jugendamt bereits seit mehreren Jahren bekannt, insbesondere lag bereits im Jahr 2012 u.a. die Diagnose eines Asperger-Syndroms vor. Die Probleme des Antragstellers auf der B. -G. -Schule waren auch zuvor bereits Thema mehrerer Hilfeplangespräche in den Jahren 2014 und 2015 gewesen.
41Es liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Von einem unaufschiebbaren Bedarf ist regelmäßig gerade auch dann auszugehen, wenn der bei Kindern und Jugendlichen dauerhaft bestehende Bedarf an adäquater Bildungsvermittlung wegen drohenden Verlustes an Zeit, die nicht nachgeholt, sondern nur angehängt werden kann, nicht mehr oder nicht ausreichend gedeckt werden kann.
42Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. November 2014 - 12 B 1198/14 -, juris
43Allerdings fehlt es an der Notwendigkeit einer Entscheidung gerade im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, solange ein Abbruch der tatsächlich durchgeführten Maßnahme nicht aufgrund der ungeklärten Kostentragung droht. Ein Abbruch droht nicht, wenn der die Jugendhilfe tatsächlich "vorleistende" Dritte (z.B. der Träger der Einrichtung) nicht auf den Ersatz seiner Kosten drängt oder die Eltern des Kindes bzw. Jugendlichen in der Lage sind, die Kosten der Maßnahme einstweilen vorzuschießen.
44Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. August 2001
45- 12 B 582/01 -, juris.
46Vorliegend hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass seine Eltern nicht (mehr) in der Lage sind, die monatlichen Kosten in Höhe von 787 € zu tragen. Auf die Tragung der Kosten durch seine Großeltern muss sich der Antragsteller angesichts deren fehlender Unterhaltspflicht nicht verweisen lassen.
47Die Verpflichtung der Antragsgegnerin ist in zeitlicher Hinsicht bis längstens zum 31. Juli 2016, dem derzeit absehbaren Ende des Ruhens der Schulpflicht des Antragstellers, zu begrenzen. Im Fall eines erneuten Antrags des Antragstellers auf darüber hinausgehende Kostenübernahme bliebe es der Antragsgegnerin unbenommen zu prüfen, welche anderen, aus ihrer Sicht möglicherweise auch geeigneteren Beschulungsmöglichketen für den Antragsteller in Betracht kämen, und deren Eignung und Verfügbarkeit konkret darzulegen.
48Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
49Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird über die bereits im angegriffenen Urteil ausgesprochene Verpflichtung hinaus verpflichtet, die Kosten des Privatschulbesuchs des Klägers - bestehend aus Schulgeld, Fahrtkosten, Aufwendungen für Lernmittel sowie Klassenfahrten und -ausflüge - im Zeitraum vom 22. August 2012 bis zum Juli 2013 zu übernehmen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger zu 15 %, die Beklagte zu 85 %, die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 10 %, die Beklagte zu 90 %. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für die Beschulung des Klägers auf der G. Q. O. .
3Bei dem im Februar 2000 geborenen Kläger wurde im Jahr 2004 die Diagnose ADHS gestellt. Im Jahr 2006 wurden u.a. ein Aspergersyndrom (ICD-10: F84.5) mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung sowie eine umschriebene motorische Entwicklungsstörung (ICD-10: F82) diagnostiziert. Im Jahr 2010 wurden zusätzlich Zwangsgedanken und -handlungen (ICD-10: F42.2) und eine chronische motorische oder vokale Ticstörung (ICD-10: F95.1) festgestellt. Von 2007 bis 2009 wurde der Kläger heilpädagogisch gefördert. Aufgrund eines Antrags nach § 35a SGB VIII wurde in einem Hilfeplan vom 4. November 2010 dem Kläger, der zu diesem Zeitpunkt im fünften Schuljahr war und die L. -T. -Schule (Förderschule Sprache) besuchte, ein Integrationshelfer ab dem 25. Oktober 2010 gewährt. Diese Hilfe wurde nach kurzer Zeit - am 5. November 2010 - eingestellt, da an diesem Tag ein Wechsel in die 5. Klasse der F. -L1. -Schule, Kompetenzzentrum für sonderpädagogische Förderung mit den Förderschwerpunkten Sprache, Lernen und emotionale und soziale Entwicklung stattfand.
4Vom 25. Januar 2012 bis zum 29. März 2012 wurde der Kläger stationär in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der S. L2. W. behandelt.
5Mit Schreiben vom 10. April 2012, bei der Beklagten eingegangen am 11. April 2012, beantragte der Kläger, vertreten durch seine Eltern, die Übernahme der Kosten einer Privatschule. Beigefügt war ein Entlassungsbericht des Fachbereichs Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der S. L2. W. vom 26. März 2012, in dem als Diagnosen Asperger-Syndrom (ICD-10: F84.5), Hyperkinetische Störung Sozialverhalten (ICD-10: F90.1), Enuresis nichtorganisch (ICD-10: F98.0) sowie Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt (ICD-10: F42.2) genannt werden. Weiter heißt es:
6„Unseren Informationen und unserem klinischen Eindruck nach ist Q2. in seiner aktuellen Klasse kognitiv stark unterfordert. Er zeigte in unserer Klinikschule eine gute kognitive Leistungsfähigkeit und einen, in Anbetracht der restlichen Problematik erstaunlichen, Wissendurst und Wunsch nach mehr Anforderung. Die kognitive Unterforderung triggert Q1. generellen Drang andere Kinder zu drangsalieren und abzuwerten, zudem führt die Langeweile zu noch mehr Störverhalten. Wir empfehlen einen Schulrahmen mit möglichst kleinen Klassen, einer möglichst hohen Betreuungsdichte, einem geringen Stundenumfang, wenigen anderen auffälligen Schülern und einer stabilen Begleitung durch möglichst wenig Lehrerwechsel. Eine Betreuung durch ein gut geschultes, im Umgang mit stark auffälligen, sozialverhaltensgestörten und autistischen Kindern erfahrenes pädagogisches Team ist dringend anzuraten. Aktuell halten wir Q1. für nicht regelschulfähig.“
7Nach den Osterferien, d.h. ab dem 17. April 2012, hospitierte der Kläger in der 5. Klasse der G. Q. O. in L3. . Zum Mai 2012 erfolgte die Anmeldung des Klägers auf dieser Schule.
8Am 27. April 2012 überreichten die Eltern des Klägers persönlich eine Aufstellung des Schulgeldes der G. Q. O. , in der ein klassenstufenabhängiges Schulgeld von monatlich zwischen 700 und 875 € sowie eine einmalige Aufnahmegebühr in Höhe von 1.250 € aufgeführt waren.
9Mit Schreiben vom 30. April 2012 erinnerten die Eltern des Klägers an ihren Antrag vom 10. April 2012 und teilten - offenbar in Reaktion auf eine mündliche Anfrage während der Übergabe der Kostenaufstellung am 27. April 2012 - mit, dass sie sich nicht im Besitz der Unterlagen des AO-SF-Verfahrens befänden. Mit Schreiben vom 2. Mai 2012 wurden den Eltern des Klägers auszufüllende Formulare und Fragebögen übersandt. Ein ausgefüllter Formularantrag auf Leistungen nach § 35a SGB VIII ging am 9. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Der Schulbericht der F. -L1. -Schule vom 10. Mai 2012 ging am 15. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Hierin heißt es u.a.:
10„Q2. zeigt eine extrem hohe Ablenkbarkeit, Q1. ist in einer Lerngruppe von 11 Schülern, die sich aus ES und LE Schülern zusammensetzt, nur schwer zu fördern.
11(…)
12Q2. ist ein Einzelgänger, seine Kontaktaufnahme zu Mitschülern kommt selten an. Meist ist diese unangemessen, unangepasst. Sozialkontakte sind aufgrund Q2. Störung kaum möglich. Es entstehen regelmäßig Konflikte mit Mitschülern.
13(…)
14Q2. benötigt eine wirklich kleine Lerngruppe (4-5 Schüler) durchschnittlich intelligenter Schüler, um seiner Leistungsfähigkeit entsprechend gefördert zu werden. Größere Lerngruppen führen bei Q2. zu einer hohen Konflikt-Problematik, die der Entwicklung seiner schulischen Leistungen, aufgrund seines speziellen Störungsbildes, entgegen stehen. Sonderpädagogische Maßnahmen bei einem autistischen Störungsbild wie Asperger greifen am Kompetenzzentrum aufgrund der Gruppengröße und der Zusammensetzung der Lerngruppen nicht.“
15Unter dem 18. Mai 2012 bat die Sachbearbeiterin der zentralen Koordinierungsstelle § 35a SGB VIII (51/32) den zuständigen Sachbearbeiter im Bereich 51/30
16- Hilfen für junge Menschen und ihre Familien und Bezirkssozialarbeit - um Abgabe einer sozialpädagogischen Stellungnahme. Wohl kurz danach ging eine „Stellungnahme zur Einteilung nach dem multiaxialen Klassifikationsschema nach ICD“ der S. L2. W. , Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters vom 15. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Sie führte auf:
17„Achse I: klinisch psychiatrisches Syndrom
18Hyperkinetische Störung Sozialverhalten (ICD10: F90.1)
19Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt (ICD10: F42.2)
20Enuresis nichtorganisch (ICD10: F98.0)
21Achse II: Umschriebene Entwicklungsstörungen
22Asperger-Syndrom (ICD10: F84.5)
23Achse III: Intelligenzniveau
24Eine Testung mittels eines HAWIK ergab einen durchschnittlichen IQ von 102 IQ-Punkten. Die einzelnen Untertests ergaben
25- Sprachverständnis 107
26- Wahrnehmungsgebundenes logisches Denken 94
27- Verarbeitungsgeschwindigkeit 109
28- Arbeitsgedächtnis 99
29Achse IV: körperliche Symptomatik
30diverse Allergien (Frühblüher, Katzen, Hunde) und Asthma.
31Achse V: Assoziierte aktuelle abnorme psychosoziale Umstände
32- 6.3 Ereignisse, die zur Herabsetzung der Selbstachtung führen
33- 8. Chronische zwischenmenschliche Belastung im Zusammenhang mit Schule oder Arbeit
34- 35
8.0 Streitbeziehungen mit Schülern/Mitarbeitern
- 36
8.1 Sündenbockzuweisung durch Lehrer/Ausbilder
- 37
8.2 Allgemeine Unruhe in der Schule bzw. Arbeitssituation
Achse VI: Globalbeurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus
39Tiefgreifende und schwerwiegende soziale Beeinträchtigung“
40Anlässlich eines Telefongesprächs am 15. Juni 2012 teilte der zuständige Sachbearbeiter der Mutter des Klägers mit, dass alle Antragsunterlagen vorlägen und nunmehr ein Hausbesuch zur Prüfung der Teilhabebeeinträchtigung stattfinden müsse, dessen Termin noch mitgeteilt werde. Aufgrund des hohen Arbeitsanfalls sei mit einer längeren Bearbeitungsdauer zu rechnen.
41Bei einem weiteren Telefongespräch am 6. Juli 2012 teilte die Mutter des Klägers telefonisch mit, dass der sonderpädagogische Förderbedarf für den Kläger aufgehoben worden sei und sie den Bescheid übermitteln werde.
42Mit Schreiben vom 12. Juli 2012, Eingang am selben Tag, überreichten die Eltern des Klägers den Bescheid vom 19. Juni 2012 über die Aufhebung des Förderbedarfs für den Kläger sowie drei Absagen von zwei Realschulen und einer Gesamtschule.
43Unter dem 16. Juli 2012 wandte sich die Beklagte an die Eltern des Klägers und forderte sie auf, sich mit den Absagen der Schulen an das Schulamt der Stadt L3. zu wenden und angesichts des Nachrangs der Jugendhilfe die Suche nach einer entsprechenden Schule fortzuführen. Unabhängig davon werde das Prüfungsverfahren, ob beim Kläger eine Teilhabebeeinträchtigung vorliege, weiter betrieben. Es werde um Vorlage einer Kopie des Antrags auf Beendigung der sonderpädagogischen Förderung gebeten. Die Eltern des Klägers teilten telefonisch am 2. August 2012 mit, dass sie keine Kopie dieses Antrags besäßen. Auf ein weiteres Schreiben vom 15. August 2012, dass der Antrag auf Beendigung der sonderpädagogischen Förderung benötigt werde, baten die Eltern des Klägers die Beklagte mit Schreiben vom 23. August 2012, sich selbst an das Schulamt zu wenden, und übersandten dem Schulamt eine Einverständniserklärung vom 26. August 2012. Mit Schreiben vom 27. August 2012 forderte das Jugendamt die Antragsunterlagen beim Schulamt an. Sie gingen am 29. August 2012 dort ein. Das Jugendamt wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 10. September 2012 an das Schulamt und bat, die vorrangigen Leistungen der Schule zu realisieren. Die Eltern des Klägers wurden mit Schreiben vom selben Tag aufgefordert, die Suche nach einer Schule für den Kläger fortzusetzen.
44Mitte Juli bis Anfang August 2012 befand sich der Kläger mit seiner Familie im Urlaub. Am 13. August 2012 wurde ein Hausbesuch für den 23. August 2012 vereinbart.
45Unter dem 20. September 2012 erstellte der zuständige Sozialpädagoge eine Sozialpädagogische Stellungnahme, in der er eine Teilhabebeeinträchtigung des Klägers in den Bereichen Familienbeziehungen, Umfeld/soziale Kontakte, Schule, Alltagsbewältigung/Selbstversorgung und Erholung und Freizeit feststellte. Die Voraussetzungen für eine Hilfegewährung nach § 35a SGB VIII lägen vor. Als geeignete Maßnahmen wurden nach der Beratung im Team der Zentralen Fachstelle am 20. September 2012 ein Integrationshelfer für den Fall einer Regelbeschulung und eine begleitende Autismustherapie erachtet. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 hörte die Beklagte den Kläger daraufhin zu einer beabsichtigten Ablehnung der Übernahme der Kosten für die G. Q. O. an. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2012 bat der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers um Akteneinsicht und übersandte am 6. November 2012 eine Vollmacht. Nach im November 2012 gewährter Akteneinsicht erinnerte die Beklagte unter dem 9. Januar 2012 an das Anhörungsschreiben vom 1. Oktober 2012 und setzte eine Frist zur Stellungnahme bis zum 30. Januar 2013. Am 5. Februar 2013 ging die Stellungnahme bei der Beklagten sein. Hierin wurde u.a. aufgeführt: Das sowohl von der F. -L1. -Schule als auch den S. L2. W. für den Kläger geforderte Lernumfeld finde sich in der G. Q. O. . Dort werde der Kläger aktuell in einer Klasse mit fünf weiteren Kindern unterrichtet. Die Schule habe betreut und betreue mehrere Kinder mit der Diagnose Asperger, so dass die Pädagogen dieser Schule mit den damit einhergehenden Anforderungen vertraut seien. Beigefügt war ein Abschlussbericht der S. L2. W. vom 27. August 2012, in dem die Aussagen zum Lernumfeld, die bereits im Kurzbericht vom 26. März 2012 enthalten waren, wiederholt wurden.
46Mit Bescheid vom 19. März 2013 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Freie Q. O. ab. Die Vermittlung einer Schulausbildung sei in erster Linie Aufgabe der staatlichen Schulverwaltung, die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII sei demgegenüber nachrangig. Von der Eingliederungshilfe seien nur unterstützende Hilfsmaßnahmen zum Schulbesuch, nicht jedoch die Schulkosten selbst umfasst. Kinder mit Autismus seien nach der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorrangig in die Regelschule zu integrieren. Es kämen verschiedene unterstützende Hilfsmaßnahmen in Betracht. Eine Prüfung hinsichtlich eines anderen Förderbedarfs als des Förderbedarfs Sprache sei nicht durchgeführt oder angestrebt worden. Bereits bei der Antragstellung am 10. April 2012 sei die Hospitation des Klägers auf der G. Q. O. ab dem 17. April 2012 vereinbart gewesen. Andere Fördermöglichkeiten innerhalb des staatlichen Schulsystems seien überhaupt nicht mehr in Erwägung gezogen worden und hätten nicht mehr hinreichend geklärt werden können. Die ärztliche Stellungnahme der S. L2. W. zur fehlenden Regelbeschulbarkeit des Klägers mache das vom Schulamt und Jugendamt durchzuführende Verfahren nicht obsolet; zudem sei nicht erkennbar, ob und in welchem Umfang die Ärzte über die Fördermöglichkeiten des staatlichen Schulsystems unterrichtet seien. Zudem solle durch die Leistungen der Jugendhilfe nur eine angemessene, nicht die bestmögliche Schulbildung ermöglicht werden. Die G. Q. O. entspreche in ihrem Profil eher einer Regelschule. Sie unterscheide sich von einer solchen im Wesentlichen nur durch die geringere Anzahl von Schülern und andere pädagogische Konzepte. Über speziell ausgebildetes Personal zur Betreuung und Förderung von Kindern mit Autismusstörung verfüge die Schule nicht.
47Der Kläger hat am 23. April 2013 Klage erhoben, zu deren Begründung er ausgeführt hat: Die Beklagte habe ihm, dem Kläger, eine konkrete, individuell bedarfsgerechte Fördermöglichkeit nicht benennen können. Sie lasse völlig unberücksichtigt, dass er in einem Regelschulsetting nicht adäquat beschulbar sei. Es habe nicht zu seinen Pflichten gehört, den Nachweis zu führen, dass eine Beschulung im öffentlichen Schulsystem nicht möglich sei. Vielmehr sei die Prüfung dieser Voraussetzungen Aufgabe der Beklagten, die dieser aber nicht nachgekommen sei. Der Nachweis einer Beschulungsmöglichkeit im öffentlichen Schulwesen sei damit nicht geführt, so dass § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seinem Anspruch nicht entgegenstehe.
48An der F. -L1. -Schule sei er unterfordert gewesen, eine Hospitation an einer Gesamtschule habe aber wiederum bestätigt, dass er in großen Klassen nicht beschulbar sei. Die Beschulung auf der Q. sei ohne jede Einschränkung erfolgreich. Das Lehr- und Betreuungspersonal der G. Q. O. besuche regelmäßig Fortbildungen und habe reichhaltige Erfahrungen mit seelisch beeinträchtigten Kindern, insbesondere würden dort regelmäßig auch Kinder mit Asperger-Syndrom beschult. Zwar sei es richtig, dass der Antrag auf Leistungen nach § 35a SGB VIII seinerzeit kurzfristig gestellt worden sei. Allerdings seien er, der Kläger, sowie seine Problematik der Beklagten bekannt gewesen. Er habe unter seiner schulischen Situation und der Ausgrenzung gelitten, weshalb er zu Hause kaum noch zu führen gewesen sei. Eine Rückkehr in die schulische Situation, welche für seine psychische Dekompensation mitverantwortlich gewesen sei, sei ihm nach der Klinikentlassung nicht zumutbar gewesen.
49Seine Eltern hätten im Zeitraum von Mai 2012 bis Mai 2014 folgende Kosten aufgewandt:
50Aufnahmegebühr 1.250,00 €
51Schulgeld Mai 2012 bis Mai 2013 je 700 € 9.100,00 €
52Schulgeld Juni 2013 und Juli 2013 je 750 € 1.500,00 €
53Schulgeld August 2013 bis Mai 2014 je 825 € 8.250,00 €
54Schulbücher 483,90 €
55Deutsch-Lektüren 13,90 €
56Klassenausflüge/Klassenfahrten 635,00 €
57Schülerfahrtkosten (Differenz zu Schoko-Ticket) 305,85 €
58Gesamtaufwendungen = 21.538,65 €
59Zur Erstattung dieser Aufwendungen sei die Beklagte verpflichtet, weil er, der Kläger, sich diese Leistungen zulässigerweise selbst beschafft habe. Der Antrag auf Kostenübernahme sei bereits am 10. April 2012 gestellt worden. Überdies sei sein jugendhilferechtlicher Bedarf bereits seit dem nicht abgeschlossenen Verfahren auf Bewilligung eines Integrationshelfers, welches im Jahr 2010 beim Jugendamt anhängig gewesen sei, bekannt gewesen. Die Selbstbeschaffung habe auch keinen Aufschub geduldet, es habe eine dringliche Bedarfslage vorgelegen.
60Der Kläger hat beantragt,
61die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. März 2013 zu verpflichten, dem Kläger Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten der Beschulung in der G. Schule O. für die Zeit von Mai 2012 bis zum 31. Mai 2014 zu bewilligen.
62Die Beklagte hat beantragt,
63die Klage abzuweisen.
64Zur Begründung hat sie auf den Nachrang der Jugendhilfe verwiesen. Die Eltern des Klägers hätten sich lediglich bei drei Regelschulen um eine Aufnahme des Klägers bemüht; im Gebiet der Beklagten gebe es aber eine Vielzahl von Schulen, bei denen sich die Eltern des Klägers hätten erkundigen müssen. Die Eltern des Klägers hätten stattdessen im Wege der nicht akzeptablen Selbstbeschaffung für Tatsachen gesorgt, indem sie den Kläger bereits im April 2012 in der streitbefangenen Privatschule hätten hospitieren lassen, was in eine regel- und planmäßige Unterrichtsteilnahme übergegangen sei.
65Mit Urteil vom 27. Mai 2014 hat das Verwaltungsgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten (Schulkosten und Fahrtkosten) der Beschulung in der G. Schule O. für die Zeit von August 2013 bis Mai 2014 zu bewilligen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
66Zwar könnten Leistungen nach § 35a SGB VIII grundsätzlich nicht für alle Zukunft erstritten werden, sondern nur zeitabschnittsweise, hier grundsätzlich nur für ein Schuljahr. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 19. März 2013 enthalte daher auch keine über das Schuljahr 2012/2013 hinausgehende Regelung. Der Kläger habe nach seinem von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag aber für das Schuljahr 2013/2014 rechtzeitig einen neuen Antrag gestellt, so dass die Klage hinsichtlich dieses Schuljahres als Untätigkeitsklage zulässig sei.
67Die Klage sei allerdings nur teilweise begründet. Der Kläger habe für die Zeit von Mai 2012 bis Ende des Schuljahres 2012/2013 (Juli 2013), die in dem angegriffenen Bescheid geregelt sei, keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII. Dem geltend gemachten Anspruch stehe insoweit bereits die Vorschrift des § 36a SGB VIII entgegen. Für die Zeit von Mai 2012 bis Juli 2013 sei der Kläger nicht zur Selbstbeschaffung berechtigt gewesen. Den Eltern des Klägers sei es zuzumuten gewesen, die Deckung des Bedarfs über den Zeitpunkt der Antragstellung - 10. April 2012 - hinaus bis zum Abschluss der notwendigen Ermittlungen hinauszuschieben. Die Eltern des Klägers hätten die Hospitation und Aufnahme ihres Kindes auf der G. Q. O. nach den Osterferien 2012 bereits selbst durchgeführt, ohne dass die Beklagte Gelegenheit gehabt habe, über den Antrag vom 10. April 2012 in angemessener Zeit, wofür in der Regel drei bis vier Monate zuzubilligen seien, zu entscheiden. Daraus lasse sich schließen, dass die Eltern von vornherein auf eine Beschulung auf der G. Q. O. festgelegt gewesen seien und damit keine Grundlage für das erforderliche kooperative Zusammenwirken mit der Beklagten geschaffen hätten.
68Für die Zeit von Mai 2012 bis Juli 2012 sei die Beklagte bereits rechtlich an der begehrten Entscheidung gehindert gewesen. Denn ihr sei die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs durch Bescheid des Schulamtes vom 19. Juni 2012 erst am 12. Juli 2012 mitgeteilt worden. Während des Bestehens des sonderpädagogischen Förderbedarfs habe der Kläger eine allgemeine Schule, zu der auch die Freie Q. O. als Ganztagsschule gehöre, schulrechtlich nicht besuchen dürfen. Nachdem die Eltern die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs erst im Juli 2012 mitgeteilt hätten, hätten sie nicht damit rechnen können, dass es schon kurze Zeit später vor Beginn des neuen Schuljahres zu einer Entscheidung der Beklagten kommen würde. Dies habe zur Folge, dass aufgrund der abschnittsweisen Bewilligung für den gesamten Zeitraum des Schuljahres 2012/2013 der geltend gemachte Anspruch entfalle, denn die Prüffrist habe erst mit dem Monat August 2012 begonnen. Zu jenem Zeitpunkt sei die Hilfe schon beschafft gewesen. Es liege auch keine Ausnahme im Sinne von § 36a Abs. 3 SGB VIII vor. Die Deckung des Bedarfs sei vorliegend auch nach Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht unaufschiebbar gewesen. Den vorliegenden Stellungnahmen sei nicht zu entnehmen gewesen, dass ein Eilfall vorgelegen habe und der Schulwechsel sofort oder binnen weniger Tage habe erfolgen müssen.
69Soweit die Klage auch die Erstattung der Schulkosten betreffend das weitere Schuljahr 2013/2014 betreffe, lägen dagegen die Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 SGB VIII vor. Bezüglich dieses Schuljahres sei dem Kläger zuzubilligen, den Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Hilfebedarf rechtzeitig im Sinne von § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII in Kenntnis gesetzt zu haben. Auf eine unzulässige Selbstbeschaffung könne sich die Beklagte insoweit nicht mehr berufen. Trotz der aufgezeigten unzulässigen Selbstbeschaffung, die den geltend gemachten Anspruch für das Schuljahr 2012/2013 ausgeschlossen habe, komme ab dem sich anschließenden abtrennbaren Leistungsabschnitt, also mit Beginn des Schuljahres 2013/2014, eine Kostenübernahme in Betracht. In dem hier maßgeblichen Zeitraum hätten auch im Sinne des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe nach § 35a SGB VIII vorgelegen. Die Kammer sehe es als gegeben an, dass der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VIII i.V.m. §§ 53, 54 SGB XII, § 12 Nr. 2 EinglVO einen Anspruch im Schuljahr 2013/2014 auf Übernahme der Kosten für die Beschulung auf der G. Q. O. zur Erreichung einer angemessenen Bildung besessen habe.
70Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35a SGB VIII sei zwischen den Beteiligten nicht streitig und im Übrigen auch gegeben. Bei dem Kläger liege seit mehr als sechs Monaten eine Beeinträchtigung seiner seelischen Gesundheit vor. Aus den ärztlichen Stellungnahmen der S. L. W. , in der der Kläger mehrere Monate stationär behandelt worden sei, vom 26. März 2012 und 27. August 2012 ergebe sich, dass der Kläger im Sommer 2012 an einem Asperger-Syndrom (ICD-10: F84.5), an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens (ICD-10: F90.1), an einer nichtorganischen Enuresis (ICD-10: F98.0) und an Zwangsgedanken und gemischten Zwangshandlungen (ICD-10: F42.2) gelitten habe. Die ärztlichen Berichte seien auf der Grundlage der geforderten ICD-Klas-sifikation ergangen und von dem Chefarzt der Abt.1, Dr. T1. C. , der Ltd. Oberärztin der Abt. 1, S1. , sowie der fallführenden Therapeutin und Dipl.-Psychologin I. und der Stationsärztin X. erstellt worden. Aufgrund der eingehend beschriebenen, umfangreichen Diagnosen gehe die Kammer davon aus, dass auch im Schuljahr 2013/2014 eine seelische Störung im Sinne der ICD vorlag, die nach Auffassung der Gutachter auch durch die damalige schulische Unterforderung entstanden sei. Hierdurch sei die Teilnahme des Klägers am Leben in der Gesellschaft im maßgeblichen Zeitraum zumindest bedroht gewesen. Zu beurteilen sei in diesem Zusammenhang die selbstbestimmte und altersgemäße Ausübung sozialer Funktionen und Rollen in den zentralen Lebensbereichen Familie, Schule und sozialem Umfeld, wie etwa Freundeskreis und Sport. Die zuständige Fachkraft der Beklagten komme in der sozialpädagogischen Stellungnahme zur Teilhabebeeinträchtigung vom 20. September 2012 zu dem Ergebnis, dass die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gemeinschaft in den Bereichen Familienbeziehungen, Umfeld, Bildung/Ausbildung, Selbstversorgung/häusliches Leben, Erholung und Freizeit beeinträchtigt sei oder eine Beeinträchtigung zu erwarten sei. Die Kammer habe keinen Anlass, an diesen Feststellungen zu zweifeln. Der Besuch der G. Q. O. stelle sich auch für das Schuljahr 2013/2014 als erforderliche und geeignete Maßnahme der Jugendhilfe dar. Inwieweit eine selbstbeschaffte Maßnahme nicht nur geeignet, sondern auch alternativlos sein müsse, könne dahinstehen, weil die Beklagte trotz ihrer prüfenden, beratenden und steuernden Aufgabe im Rahmen des kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses dem Kläger keine hinreichend konkrete und geeignete Alternative nachgewiesen habe. Namentlich auf das öffentliche Schulsystem müsse sich der Kläger in Anwendung des Nachranggrundsatzes aus § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nur dann verweisen lassen, wenn nach den konkreten Umstanden des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zur Verfügung stehe. Die Beklagte habe nicht konkret dargelegt, dass und an welchen öffentlichen Schulen die besonderen Unterrichtsbedingungen geboten würden, mit denen man der seelischen Erkrankung des Klägers hatte begegnen können. Sie habe nur allgemein auf das öffentliche Schulsystem und den möglichen Einsatz eines Integrationshelfers hingewiesen. Damit stelle sich die Fortsetzung der derzeitigen Beschulung als alternativlos dar, so dass die Beklagte sich auch nicht darauf berufen könne, dass der Besuch der G. Q. O. keine geeignete Maßnahme darstelle.
71Von den geltend gemachten Aufwendungen für die Zeit von August 2013 bis Mai 2014 seien allerdings nur die Schulkosten und Fahrtkosten zu übernehmen. Der Erstattungsanspruch nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII sei am Aufwendungsersatz im zivilrechtlichen Auftragsverhältnis bzw. bei der Geschäftsführung ohne Auftrag orientiert, namentlich an § 683 BGB. Lege man dies zugrunde, umfasse der Erstattungsanspruch die Aufwendungen, die die Eltern nach ihrem subjektiv vernünftigen Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich hätten halten dürfen. Das treffe für die Aufwendungen für die Schulkosten und Fahrtkosten zu, nicht aber für die Aufwendungen für Schulbücher, die Klassenausflüge und Klassenfahrten, die zum maßgeblichen Zeitpunkt der Tätigung der Aufwendungen insbesondere im Hinblick auf die noch ungeklärte Kostenfrage und die grundsätzlich nachrangige Verpflichtung des Jugendhilfeträgers nicht übernommen werden brauchten, zumal die Kosten auch bei öffentlichen Schulen von den Eltern zu tragen seien.
72Mit Beschluss vom 30. Oktober 2014 hat der Senat auf den Zulassungsantrag des Klägers die Berufung insoweit zugelassen, als es um die Übernahme der Beschulungskosten vom 22. August 2012 bis Juli 2013 geht. Im Übrigen hat er den Zulassungsantrag abgelehnt.
73Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor: Die Beklagte sei jedenfalls noch vor Schulbeginn im August 2012 in der Lage gewesen, sowohl die Anspruchsvoraussetzungen als auch die infrage kommenden Hilfemaßnahmen pflichtgemäß zu prüfen, weshalb er, der Kläger, ab Schuljahresbeginn zur Selbstbeschaffung berechtigt gewesen sei. Das Jugendamt habe schon seit vielen Jahren Kenntnis von seiner Bedarfslage besessen und noch im Jahr 2010 in einem Hilfeplanverfahren die Notwendigkeit einer Integrationshilfe anerkannt. Das Jugendamt habe auf reichhaltige Vorbefunde zurückgreifen können, so dass Anlass zu der Annahme bestehe, dass es für den streitgegenständlichen Antrag nicht unbedingt der Ausschöpfung eines Zeitraumes von drei Monaten bedurft habe, um eine Entscheidungsreife herzustellen. Seine Bedarfslage sei dadurch geprägt gewesen, dass er kurz vor der Hospitation an der G. Q. O. langfristig in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der S. L2. W. untergebracht gewesen sei, die ausweislich der vorliegenden Berichte infolge seiner kognitiven Unterforderung dringend einen Schulwechsel in eine Schule mit möglichst kleinen Klassen nahegelegt habe, was im Übrigen auch durch den Schulbericht bestätigt werde. Zudem habe die Existenz einer schulrechtlichen Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderbedarf nicht einer Entscheidung der Beklagten, sondern allenfalls einer Bewilligung entgegengestanden. Nichts habe das Jugendamt davon abgehalten, die übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach Antragstellung soweit zu prüfen, dass im Fall der Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs eine zeitnahe Entscheidung möglich gewesen wäre. Gerade aufgrund der bestehenden Vorkenntnisse der Beklagten habe erwartet werden können, dass diese bereits ab Antragstellung am 10. April 2012 Aktivitäten zur Herbeiführung der Entscheidungsreife des Antrags entfalten würde. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte mit dem Schulbericht vom 10. Mai 2012 bereits darüber informiert worden sei, dass sonderpädagogische Maßnahmen nicht griffen, es also naheliegend gewesen sei, jugendhilfliche Lösungsansätze zu prüfen. Im Übrigen sei die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs Sprache nur pro forma erfolgt, weil man angenommen habe, dass die Förderschule für sprachliche Entwicklung, der man den Kläger dann zugewiesen habe, angesichts der dortigen Rahmenbedingungen - vergleichsweise kleine Klassen, Mitschüler mit uneingeschränkten kognitiven Fähigkeiten - auch zur Förderung des Klägers als Autisten geeignet gewesen seien. Dies erkläre auch die sofortige Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs auf Antrag der Eltern des Klägers.
74Die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs im Juli 2012 könne nicht zur Folge haben, dass für den gesamten Zeitraum des Schuljahres 2012/2013 der geltend gemachte Anspruch entfalle. Die Frist für die Prüfung des Antrags habe nicht erst im August 2012 begonnen. Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Eltern des Klägers hätten sich von vornherein auf eine Beschulung auf der G. Q. O. festgelegt und damit keine Grundlage für das erforderliche kooperative Zusammenwirken mit der Beklagten geschaffen, entbehre jeglicher Rechtfertigung. Dies zeige sich bereits darin, dass die Eltern des Klägers sogar mit Schreiben vom 1. Februar 2013 die ersatzweise durch die Beklagte angebotene Autismustherapie angenommen hätten. Nach den Erfahrungen im Jahr 2010 hätten die Eltern des Klägers zudem damit rechnen müssen, dass die Beklagte die Entscheidung zeitlich hinauszögern würde. Im Übrigen sei es ohne Belang, ob seine Eltern sich auf die Privatschule festgelegt hätten, denn jedenfalls habe das Jugendamt der beklagten keine Schule oder eine tragfähige Konzeption zur Deckung seiner, des Klägers, Bedarfslage vorgeschlagen.
75Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe ein Eilfall vorgelegen. In diesem Zusammenhang sei auf den Kurzbericht der S. L2. W. hinzuweisen, nach dem der Kläger zum damaligen Zeitpunkt nicht für regelschulfähig gehalten worden sei. Daher habe die dringende Notwendigkeit bestanden, eine Lösung außerhalb des Regelschulsystems zu suchen. Angesichts dessen habe die Beklagte nicht mehrere Monate Zeit gehabt, um ein Konzept zu entwickeln; auch wäre der Einsatz eines Integrationshelfers keine denkbare Alternative gewesen, da die festgestellte Regelschul-Unfähigkeit eine solche Maßnahme sinnlos erscheinen lasse. Aus den Verwaltungsakten ergebe sich zudem, dass für die Beklagte bereits im Oktober 2012 ein Bewilligungsbescheid nicht mehr denkbar gewesen sei. Auch lasse die Begründung des Ablehnungsbescheides, die ausschließlich auf den Vorrang von Leistungen des öffentlichen Schulsystems abstelle, erkennen, dass eine Kostenübernahme zu einem Privatschulbesuch nicht zum Instrumentarium möglicher Jugendhilfeleistungen der Beklagten gehöre; diese Feststellung hätte aber bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt getroffen werden können.
76Es sei hervorzuheben, dass seine Eltern unmittelbar vor seiner Aufnahme in die S. L2. W. unter einem erheblichen Belastungsdruck gestanden hätten, da er, der Kläger, aufgrund seiner permanenten schulischen Unterforderungssituation einerseits und wegen der behinderungsspezifisch eingeschränkten emotionalen Kontrolle ein massives Aggressionspotential habe erkennen lassen, welches ihn schließlich selbst veranlasst habe, um seine stationäre Aufnahme zu bitten. Von daher sei für seine Eltern vollkommen klar gewesen, dass sofort nach seiner Entlassung eine schulische Alternative mit dem Ziel einer stärkeren intellektuellen Herausforderung habe gefunden werden müssen.
77Die angefochtene Entscheidung sei auch insoweit zu ändern als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen den Umfang des geltend gemachten Anspruchs auf Schulgeld und Fahrtkosten reduziere und eine Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für Schulbücher, Klassenausflüge und Klassenfahrten hingegen verneine. Bezüglich der Aufwendungen für Schulbücher sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, diese Kosten müssten auch die Eltern von Kindern an staatlichen Schulen tragen, unzutreffend. Gemäß § 96 SchulG bestehe grundsätzlich Lernmittelfreiheit unter Anrechnung eines Eigenanteils. Klassenausflüge und Klassenfahrten seien an der G. Q. O. ein untrennbarer Bestandteil des pädagogischen Konzeptes. An der Schule befinde sich eine große Zahl von Schülerinnen und Schülern mit vergleichbaren Verhaltensstörungen und -auffälligkeiten. Die Schule habe eine erhebliche Integrationsaufgabe zu bewältigen, insbesondere wenn man berücksichtige, dass ein Schulwechsel an eine Privatschule häufig unterjährig erfolge. Angesichts dessen würden an der Privatschule die Klassenfahrten als wesentlicher Bestandteil der zu leistenden Integrationsaufgabe betrachtet und auch regelmäßig und häufiger durchgeführt als an öffentlichen Schulen. An einer Entscheidung hierüber sei der Senat nicht gehindert.
78Der Kläger beantragt,
79das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte auch zu verpflichten, die Kosten des Besuches der G. Q. O. - bestehend aus Schulgeld, Fahrtkosten, Aufwendungen für Lernmittel und Klassenausflüge und Klassenfahrten - im Schuljahr 2012/2013 zu übernehmen.
80Die Beklagte beantragt,
81die Berufung zurückzuweisen.
82Sie ist der Ansicht, dass die Berufung zu Unrecht zugelassen worden sei, weil das Zulassungsvorbringen unzureichend gewesen sei. Weiter trägt sie vor: Nachdem die Eltern des Klägers sich damit einverstanden erklärt hätten, dass die Beklagte die Unterlagen des AO-SF-Verfahrens direkt beim Schulamt anforderte, seien diese am 3. September 2012 bei der Beklagten eingegangen. Aus dem Kurzbericht der F. -L1. -Schule habe sich ergeben, dass der Kläger seit der Entlassung aus der Klinik in der G. Q. O. hospitierte. Es habe geheißen, dass er weiterhin eine kleine Lerngruppe und individuelle Förderung benötige. Ein Förderbedarf im Sinn des sonderpädagogischen Förderbedarfs „Sprache“ habe danach nicht mehr vorgelegen. Die Eltern des Klägers, so habe es geheißen, wünschten eine Aufhebung des Förderbedarfs, da sie einen Wechsel zur Privatschule beabsichtigten. Dies alles sei dem Jugendamt zuvor nicht bekannt gewesen. Aus den Unterlagen lasse sich schließen, dass die Eltern sich zugleich mit der Antragstellung auf die G. Q. O. unwiderruflich festgelegt hätten. Diesbezüglich hätten sie nicht mit offenen Karten gespielt. Entgegen der Auffassung des Senates sei es daher auf schulische Alternativvorschläge der Beklagten gar nicht angekommen. Im Übrigen habe der Kläger auf die Anhörung vom 1. Oktober 2012 erst mit anwaltlichem Schreiben vom 1. Februar 2013 reagiert. Eine Kostenübernahme für Schulbücher und Klassenfahrten komme nicht in Betracht. Dieses Begehren sei auch mit dem Zulassungsschriftsatz nicht geltend gemacht worden. Auch die Zulassung der Berufung verhalte sich hierzu nicht.
83Mit Bescheid vom 6. August 2014 hob die Beklagte den Ablehnungsbescheid vom 19. März 2013 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt: Gemäß dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf sei die Beklagte verpflichtet, für den Kläger unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19. März 2013 die Schul- und Fahrtkosten für die Beschulung an der G. Q. O. für den Zeitraum August 2013 bis Mai 2014 zu übernehmen. Nach Beratung in der Fachkonferenz vom 24. Juli 2014 würden die Schul- und Fahrtkosten bis zum 10. Juli 2016 übernommen. Die Kosten im Zeitraum August 2013 bis Juli 2014 würden erstattet.
84Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
85Entscheidungsgründe:
86Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Rüge der Beklagten, die Zulassung der Berufung sei zu Unrecht erfolgt, ist insoweit unerheblich, denn wegen der Bindung des Berufungsgerichts an die Berufungszulassung sind Zulässigkeit oder Begründetheit des Zulassungsantrags nicht Gegenstand der Prüfung im Berufungsverfahrens.
87Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juli 1999 - 1 C 15.98 -, juris.
88Im hier nach dem Zulassungsbeschluss allein verfahrensgegenständlichen Zeitraum des Schuljahrs 2012/2013 - d.h. vom 22. August 2012 bis Juli 2013 - ist die Verpflichtungsklage des Klägers zulässig und begründet.
89Der Zulässigkeit der Klage steht dabei nicht entgegen, dass die Beklagte den ablehnenden Bescheid vom 19. März 2013 mit Bescheid vom 6. August 2014 aufgehoben hat. Das Klagebegehren hat sich damit nicht erledigt, da die Beklagte in dem Bescheid vom 6. August 2014 eine Kostenübernahme - in Reaktion auf das verwaltungsgerichtliche Urteil - erst für den hier nicht verfahrensgegenständlichen Zeitraum ab August 2013 erklärt hat. Der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage steht auch nicht entgegen, dass nach der Aufhebung des Ablehnungsbescheides keine den Anspruch des Klägers für das Schuljahr 2012/2013 ablehnende Entscheidung der Beklagten vorliegt. Denn die Aufhebung des Ablehnungsbescheids ändert nichts am prozessualen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, der durch das Gericht zu prüfen ist.
90Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1985
91- 3 C 63.84 -, juris.
92Die Klage ist für den hier noch verfahrensgegenständlichen Zeitraum des Schul-jahres 2012/2013 auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der vom 22. August 2012 bis Juli 2013 entstandenen Kosten seiner Beschulung auf der G. Q. O. aus §§ 35a, 36a Abs. 3 SGB VIII.
93Haben Leistungsberechtigte sich - wie hier - eine Leistung, die grundsätzlich im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe gewährt werden kann, ohne Mitwirkung und Zustimmung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe bereits von Dritten selbst beschafft, so führt eine solche Selbstbeschaffung schon nach der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats nicht zum ersatzlosen Wegfall des Primäranspruchs auf Hilfe durch das Jugendamt. Vielmehr ist anerkannt, dass der Träger der Jugendhilfe (sekundär) zur Erstattung von Kosten bzw. Aufwendungen für bereits anderweitig durchgeführte Maßnahmen verpflichtet sein kann.
94Vgl. auch zu Folgendem: OVG O. , Urteile vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 548, juris, und vom 20. Juni 2008 - 12 A 739/06 -, jeweils m.w.N.
95Der (sekundäre) Anspruch auf Erstattung der Kosten bzw. Aufwendungen ist in derselben Weise vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Hilfetatbestands abhängig wie die primäre Verpflichtung des Jugendhilfeträgers zur Hilfegewährung.
96Vgl. OVG O. , Urteil vom 14. März 2003 - 12 A 1193/01 -, FEVS 55, 86, juris, m.w.N. insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, und Beschluss vom 18. August 2004 - 12 A 1174/01 -, juris; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 11. August 2005
97- 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
98Allerdings ist der Hilfesuchende nur dann zur Selbstbeschaffung einer Jugendhilfeleistung berechtigt, wenn er hierauf zur effektiven Durchsetzung eines bestehenden Jugendhilfeanspruchs angewiesen ist, weil der öffentliche Jugendhilfeträger sie nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt hat, das für die Leistungsgewährung vorgesehene System also versagt hat. Ein solches "Systemversagen" liegt vor, wenn die Leistung vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht erbracht wird, obwohl der Hilfesuchende die Leistungserbringung durch eine rechtzeitige Antragstellung und seine hinreichende Mitwirkung ermöglicht hat und auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung vorliegen. In einer solchen Situation darf sich der Leistungsberechtigte die Leistung selbst beschaffen, wenn es ihm wegen der Dringlichkeit seines Bedarfs nicht zuzumuten ist, die Bedarfsdeckung aufzuschieben.
99Vgl. OVG O. , Beschluss vom 18. August 2004
100- 12 A 1174/01 – juris, m.w.N.
101Diese Grundsätze sind als § 36a Abs. 3 SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz - KICK - vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) zum 1. Oktober 2005 ausdrücklich normiert worden,
102so schon OVG O. , Urteil vom 4. Februar 2009
103- 12 A 255/08 -, m.w.N.
104Nach § 36a Abs. 3 SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für Hilfen, die abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft wurden, nur verpflichtet, 1. wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1), 2. die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und 3. die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3).
105Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
106Zum einen hat der Kläger die Beklagte auch im Hinblick auf das Schuljahr 2012/2013 rechtzeitig von seinem Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt, § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII.
107Das „Inkenntnissetzen" umfasst grundsätzlich auch eine Beantragung der begehrten Jugendhilfeleistungen, wobei für einen solchen Antrag keine besondere Form vorgeschrieben ist und er auch in der Form schlüssigen Verhaltens gestellt werden kann.
108Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2011 - 5 B 43.10 -, JAmt 2011, 274, juris, mit Hinweis auf Beschluss vom 22. Mai 2008 - 5 B 130.07 -, JAmt 2008, 600, juris.
109Der Antrag muss dabei so rechtzeitig gestellt werden, dass der Jugendhilfeträger zur pflichtgemäßen Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen in der Lage ist.
110Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2005
111- 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
112Das Jugendhilferecht ist nämlich kein Recht der reinen Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen, sondern verpflichtet den Träger der Jugendhilfe zur partnerschaftlichen Hilfe. Nur so kann der Jugendhilfeträger seiner Gesamtverantwortung i.S.d. § 79 Abs. 1 SGB VIII und seiner Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2, 3 SGB VIII gerecht werden.
113Vgl. OVG O. , Urteil vom 22. August 2014
114- 12 A 3019/11 -, juris.
115In diesem Sinne ist der am 11. April 2012 bei der Beklagten eingegangene Antrag, der ausdrücklich auf die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form der Kostenübernahme für den Besuch einer Privatschule gerichtet war, rechtzeitig angebracht worden. Der Antrag verhielt sich bereits zur Ungeeignetheit der Förderschule; ihm war mit dem „Kurzbericht“ der S. L2. W. vom 26. März 2012 ein fachärztlicher Bericht i.S.v. § 35a Abs. 1a SGB VIII beigefügt, der die seelische Erkrankung des Klägers i.S.v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII beschrieb sowie Hinweise auf die Teilhabebeeinträchtigung des Klägers und Empfehlungen für seine adäquate Beschulung enthielt. Der Beklagten verblieb damit ausreichend Zeit, bis zum Beginn des neuen Schuljahres, gut vier Monate nach Antragseingang, die notwendigen eigenen Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII zu treffen und dem Kläger auf der Grundlage des sich ergebenden Gesamtbildes eine seinem Förderungsbedarf entsprechende Schule vorzuschlagen. Zwar musste das Jugendamt der Beklagten im Hinblick auf eine alternative Schule frühestens ab dem 6. Juli 2012 in den Entscheidungsprozess eintreten, als ihm von den Eltern die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs telefonisch mitgeteilt wurde. Dennoch ist nicht erkennbar, dass erst nach Kenntnis von der Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs Veranlassung zur Prüfung der Voraussetzungen des § 35 SGB VII und zur Erarbeitung eines Hilfekonzepts bestanden hätte. Dass die bisherige Beschulung des Klägers keine angemessene Schulbildung darstellte, war der Beklagten spätestens nach Vorlage des Schulberichts vom 10. Mai 2012 am 15. Mai 2012 bekannt; angesichts dessen hätte bereits ab diesem Zeitpunkt Veranlassung bestanden, den konkreten Hilfebedarf und die konkreten Hilfsmöglichkeiten - etwa auch durch Nachfragen beim Schulamt - zu ermitteln. Nachdem den Eltern des Klägers bereits am 15. Juni 2012 mitgeteilt worden war, die Unterlagen seien vollständig und nunmehr sei ein Hausbesuch durchzuführen, wäre wohl auch angesichts des Familienurlaubs von Mitte Juli bis Anfang August noch ausreichend Zeit für einen Hausbesuch und die Prüfung der Teilhabebeeinträchtigung des Klägers bis zu Beginn des neuen Schuljahres gewesen. Dass bei derart zeitnaher Klärung - zumal der Hilfefall der Beklagten bekannt und die Problematik weitgehend geklärt war - dann nach Vorlage des Bescheides über die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs bei der gebotenen straffen Verfahrensführung keine Entscheidung innerhalb der noch verbleibenden sechs Wochen bis zum Beginn des Schuljahres hätte erfolgen können, ist nicht ersichtlich. Die Notwendigkeit zu zügiger Entscheidung musste sich der Beklagten auch bereits deshalb aufdrängen, weil nach der Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs die bisherige Beschulung des Klägers auf der F. -L1. -Schule nicht mehr in Betracht kam und der sowohl im Bericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 als auch im Schulbericht vom 10. Mai 2012 aufgeführte Hilfebedarf des Klägers eine Beschulung im Regelschulsystem jedenfalls als äußerst problematisch erscheinen lassen musste.
116Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren vorträgt, ihr Jugendamt habe erst mit dem Eingang der Unterlagen aus dem AO-SF-Verfahren am 3. September 2012 erfahren, dass der Kläger seit der Entlassung aus der Klinik in der G. Q. O. hospitierte, er weiterhin eine kleine Lerngruppe und individuelle Förderung benötige und ein sonderpädagogischer Förderbedarf „Sprache“ nicht mehr vorgelegen habe, ist dies – ungeachtet des Umstandes, dass die Unterlagen des Schulamtes am 29. August 2012 bei der Beklagten eingingen - angesichts der zuvor durch den Kläger überreichten Informationen - des Berichts der S. L2. W. , des Berichts der F. -L1. -Schule und des Bescheides über die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs - sowie der Mitteilung vom 30. April 2012 über die Hospitation des Klägers an der G. Q. O. nicht nachvollziehbar; sollte es aufgrund der Bearbeitung durch verschiedene Stellen innerhalb des Jugendamtes zu Informationsverlusten gekommen sein, wäre dies jedenfalls der Beklagten anzulasten.
117Dass der Kläger sich - wie von der Beklagten angeführt - bereits mit der Hospitation ab dem 17. April 2012 und dem ab Mai 2012 stattfindenden regulären Schulbesuch auf die G. Q. O. festgelegt habe, steht der Annahme einer rechtzeitigen Antragstellung im Hinblick auf das am 22. August 2012 beginnende Schuljahr 2012/2013 nicht entgegen, da bei Jugendhilfemaßnahmen, die - wie im vorliegenden Fall - in zeitliche Abschnitte unterteilt werden können, auch im Falle einer ursprünglich unzulässigen Selbstbeschaffung ein Anspruch für einen nachfolgenden Zeitabschnitt in Betracht kommt, wenn die Selbstbeschaffung nachträglich zulässig geworden ist.
118Vgl. OVG O. , Urteile vom 25. April 2012
119- 12 A 659/11 -, juris, und vom 22. März 2006
120- 12 A 806/03 -, juris, m.w.N.; Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris.
121Auf eine unzulässige Selbstbeschaffung kann sich das Jugendamt für derartige Zeiträume nicht mehr berufen,
122vgl. OVG O. , Beschluss vom 21. Juni 2012
123- 12 A 2229/11 -, juris,
124denn diese führt lediglich dazu, dass für den davon betroffenen Zeitraum keine Kostenerstattung in Betracht kommt; sie hat indes nicht zur Konsequenz, dass der Anspruch auch für zukünftige Zeitabschnitte ausgeschlossen ist. Insoweit enthob auch eine etwaige Festlegung des Klägers auf die G. Q. O. die Beklagte nicht von der ihr nach dem SGB VIII obliegenden Verpflichtung zur zeitgerechten Überprüfung des Anspruchs des Klägers.
125Auch die weiteren Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII liegen vor. Zum einen ist die Anforderung des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII erfüllt. Der Senat sieht es mit der im Nachhinein noch erreichbaren Sicherheit für das hier streitgegenständliche Schuljahr 2012/2013 als gegeben an, dass der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VIII i.V.m. §§ 53, 54 SGB XII, § 12 Nr. 2 EinglVO einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschulung an der G. Q. O. zur Erreichung einer angemessenen Bildung besessen hat.
126Zunächst gehört auch die Übernahme der Kosten einer Privatbeschulung zu den grundsätzlich nach § 35a SGB VIII möglichen Hilfemaßnahmen. Die von der Beklagten im ablehnenden Bescheid vom 19. März 2013 vertretene Ansicht, dass die Übernahme von Schulgeld für eine private Ersatzschule als eine vom Kernbereich der pädagogischen Arbeit umfasste Leistung keine im Rahmen der Eingliederungshilfe vom Sozialhilfeträger zu erbringende Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII ist,
127so BSG, Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 10/11 R -, BSGE 112, 196, juris,
128steht dem Kostenübernahmeanspruch des Klägers nicht entgegen, auch wenn § 35a Abs. 3 SGB VIII u.a. auf § 54 SGB XII verweist. Eine Übertragung dieser sozialgerichtlichen Rechtsprechung auf den Bereich der jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfe, die zu dem - nach Auffassung des Senats unhaltbaren - Ergebnis führen würde, dass Privatschulkosten durch den Träger der Jugendhilfe in keinem Fall zu übernehmen sind, also auch dann nicht, wenn im Einzelfall davon auszugehen ist, dass eine bedarfsdeckende Hilfe im öffentlichen Schulwesen nicht zu erhalten ist, kommt aufgrund der folgenden Erwägungen nicht in Betracht:
129Zunächst ist aus dem Wortlaut von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, § 12 EinglVO nicht abzuleiten, dass „Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung“ nur die Schulbildung begleitende bzw. unterstützende Leistungen sind, wie vom Bundessozialgericht angenommen.
130Vgl. hierzu neben der vorstehend zitierten Entscheidung auch BSG, Urteil vom 22. März 2012
131- B 8 SO 30/10 R -, BSGE 110, 301, juris.
132Der Begriff der „Hilfen“ ist zielorientiert und daher umfassend zu verstehen. Er ist nicht auf Maßnahmen limitiert, die an eine anderweitig gewährleistete Schulbildung angelehnt sind. Dabei ergibt sich aus § 12 EinglVO nichts anderes. Dementsprechend hatte das Bundesverwaltungsgericht schon zum seinerzeit noch geltenden § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG festgestellt, dass die hiernach möglichen Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung „nicht auf solche untergeordneter oder flankierender Art beschränkt“ sind und auch solche Hilfen umfassen, die dem behinderten Menschen „Zugang zu einer angemessenen Schulbildung“ ermöglichen.
133Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 5 C 20.04 -, BVerwGE 123, 316, juris.
134Die auf der Annahme eines Verhältnisses der Spezialität beruhende Argumentation des Bundessozialgerichts lässt sich aber vor allem deshalb nicht fruchtbar machen, weil bei der hier in Rede stehenden jugendhilferechtlichen Fallgestaltung das Verständnis des § 10 Abs. 1 SGB VIII im Vordergrund steht, wonach die „Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, … durch dieses Buch nicht berührt“ werden. Diese Regelung beschreibt aber nach allgemeiner Auffassung ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis.
135Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010 - 5 C 7.09 -, BVerwGE 137, 85, juris; OVG O. , Beschluss vom 18. Oktober 2012 - 12 B 1018/12 -, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1874/08 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 23. April 2009 - 12 CE 09.686 -, juris; NdsOVG, Urteil vom 27. April 2005 - 4 LC 343/04 -, JAmt 2005, 360, juris; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 10 Rn. 20 ff.; Schellhorn, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 10 Rn. 6 ff., Meysen, in: Münder/Mey-sen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 10 Rn. 2 ff.
136Von diesem Verständnis geht auch die Begründung zum Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) aus, mit dem die „Schulen“ erstmals ausdrückliche Erwähnung in § 10 Abs. 1 SGB VIII gefunden haben, indem sie darauf abstellt, dass die „Leistungen der Schulträger vorrangig gegenüber Leistungen der Sozialhilfe zu erbringen sind“.
137Vgl. BT-Drs. 15/5616, S. 25.
138Dass die Übernahme der Kosten für den Besuch einer Privatschule als Leistung der Eingliederungshilfe in der Form der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung i.S.d. § 35a Abs. 3 des SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII in Betracht kommen kann, hat das Bundesverwaltungsgericht jüngst als grundsätzlich geklärt angesehen. Es hat dazu ausgeführt, dass die Bereitstellung der räumlichen, sächlichen, personellen und finanziellen Mittel für die Erlangung einer angemessenen, den Besuch weiterführender Schulen einschließenden Schulbildung auch solcher Kinder und Jugendlicher, deren seelische Behinderung festgestellt ist oder die von einer solchen bedroht sind, grundsätzlich nicht dem Träger der Kinder- und Jugendhilfe, sondern dem Träger der Schulverwaltung obliege. Da die Schulgeldfreiheit in Verbindung mit der Schulpflicht eine Leistung der staatlichen Daseinsvorsorge darstelle und aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialgesetzbuches gefunden habe, sei grundsätzlich für einen gegen den Träger der Kinder- und Jugendhilfe gerichteten Rechtsanspruch auf Übernahme der für den Besuch einer Privatschule anfallenden Aufwendungen (Aufnahmebeitrag, Schulgeld etc.) kein Raum. Ausnahmen von diesem durch das Verhältnis der Spezialität geprägten Grundsatz seien nur für den Fall in Betracht zu nehmen, dass auch unter Einsatz unterstützender Maßnahmen keine Möglichkeit bestehe, den Hilfebedarf des jungen Menschen im Rahmen des öffentlichen Schulsystems zu decken, mithin diesem der Besuch einer öffentlichen Schule aus objektiven oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen unmöglich bzw. unzumutbar sei.
139Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2015
140- 5 B 61.14 -, juris.
141Eine derartige Ausnahmekonstellation lag im Fall des Klägers im Schuljahr 2012/2013 vor. Dabei ist unstreitig, dass auch in diesem Zeitraum die Voraus-setzungen des § 35a SGB VIII vorlagen. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur seelischen Beeinträchtigung des Klägers und der hieraus resultierenden Teilhabebeeinträchtigung Bezug genommen werden; es erscheint ausgeschlossen, dass sich die Situation insoweit im Schuljar 2012/2013 wesentlich anders dargestellt hat als im Schuljahr 2013/2014, zu dem das Verwaltungsgericht seine Ausführungen gemacht hat.
142Der Besuch der G. Q. O. stellt sich im Schuljahr 2012/2013 auch als erforderliche und geeignete Maßnahme der Jugendhilfe dar. Dabei folgt aus den Grundsätzen zum Systemversagen, dass die Erforderlichkeit und Eignung der selbstbeschafften Maßnahme hier aus der damaligen Perspektive des leistungsberechtigten Klägers zu beurteilen ist.
143Denn auch bei der Selbstbeschaffung einer aus fachlichen Gründen abgelehnten bzw. vom Hilfeplan ausgeschlossenen Leistung ist im Hinblick auf § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zunächst zu prüfen, ob der vom Jugendamt aufgestellte Hilfeplan (bzw. das Hilfekonzept) verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, nicht von sachfremden Erwägungen beeinflusst und fachlich vertretbar ist. Diese Prüfung erstreckt sich dabei nicht auf eine reine Ergebniskontrolle, sondern erfasst auch die von der Behörde - maßgeblich ist die letzte Behördenentscheidung - gegebene Begründung. Denn diese muss für den Betroffenen nachvollziehbar sein, um ihn in die Lage zu versetzen, mittels einer Prognose selbst darüber zu entscheiden, ob eine Selbstbeschaffung (dennoch) gerechtfertigt ist. Hat das Jugendamt die begehrte Hilfe aus im vorgenannten Sinne vertretbaren Erwägungen abgelehnt, besteht weder ein Anspruch des Betroffenen auf die begehrte Eingliederungshilfeleistung noch auf den Ersatz von Aufwendungen für eine selbst beschaffte Hilfe. Der Regelung des § 36a Abs. 3 SGB VIII liegt in dem Sinne der Gedanke des Systemversagens zugrunde, dass die selbst beschaffte Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt worden sein muss. Hat demgegenüber das Jugendamt nicht rechtzeitig oder nicht in einer den vorgenannten Anforderungen entsprechenden Weise über die begehrte Hilfeleistung entschieden, können an dessen Stelle die Betroffenen den sonst der Behörde zustehenden nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Denn in dieser Situation sind sie - obgleich ihnen der Sachverstand des Jugendamtes fehlt - dazu gezwungen, im Rahmen der Selbstbeschaffung des § 36a Abs. 3 SGB VIII eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme zu treffen. Weil nun ihnen die Entscheidung aufgebürdet ist, eine angemessene Lösung für eine Belastungssituation zu treffen, hat dies zur Folge, dass die Verwaltungsgerichte nur das Vorhandensein des jugendhilferechtlichen Bedarfs uneingeschränkt zu prüfen, sich hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe aber auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten zu beschränken haben. Ist die Entscheidung der Berechtigten in diesem Sinne fachlich vertretbar, kann ihr etwa im Nachhinein nicht mit Erfolg entgegnet werden, das Jugendamt hätte eine andere Hilfe für geeignet gehalten.
144Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
145- 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris; zum Systemversagen vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 -, JAmt 2014, 41, juris.
146Ausgehend von diesen Maßstäben ist zunächst festzustellen, dass es bis zum Erlass des ablehnenden Bescheides der Beklagten vom 19. März 2013 schon deshalb den Eltern des Klägers oblag, über die Eignung und Erforderlichkeit der selbstbeschafften Hilfe zu befinden, weil es an einer auf ihre Vertretbarkeit hin zu prüfenden Entscheidung des Jugendamtes von vornherein fehlte. Durch den Erlass des Bescheides vom 19. März 2013 ist keine erhebliche Änderung der Sachlage eingetreten. Die der Antragsablehnung zugrundeliegenden Erwägungen offenbaren eine Überschreitung der Grenzen fachlicher Vertretbarkeit, die das Jugendamt bei seiner Entscheidungsfindung zu beachten gehabt hätte.
147Das Jugendamt der Beklagten hat im Bescheid vom 19. März 2013 darauf verwiesen, dass die Vermittlung einer Schulbildung in erster Linie Aufgabe der staatlichen Schulverwaltung sei. Nach der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen seien Kinder mit Autismus vorrangig in die Regelschule zu integrieren. Der Förderbedarf behinderter Kinder könne auch in integrativen Lerngruppen im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts gedeckt werden. Es kämen verschiedene unterstützende Hilfemaßnahmen in Betracht, um einen durch die Behinderung bestehenden Nachteil auszugleichen. Durch ein AO-SF-Verfah-ren sei ein bestehender sonderpädagogischer Bedarf zu ermitteln und durch eine Schule mit geeignetem Förderschwerpunkt sei der bestehende Nachteil auszugleichen.
148Der damit erfolgte Verweis des Klägers auf das öffentliche Schulsystem war fachlich nicht vertretbar. Ein seelisch behindertes oder von einer solchen Behinderung bedrohtes Kind muss sich in Anwendung des Nachranggrundsatzes aus § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nur dann auf das öffentliche Schulsystem verweisen lassen, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auch zur Verfügung steht, d. h. präsent ist,
149vgl. OVG O. , Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, juris; Beschluss vom 19. September 2011 - 12 B 1040/11 -, juris; siehe auch HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1874/08 -, juris,
150beziehungsweise eine Verpflichtung des Schulsystems rechtzeitig realisierbar und nach den Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe zu erhalten ist.
151Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
152- 5 C 21.11 -, juris.
153Der gegebenenfalls unter Beteiligung der Schulaufsichtsbehörden zu führende Nachweis einer solchen bedarfsdeckenden Hilfe im öffentlichen Schulsystem durch Aufzeigen einer konkreten Alternative zum Privatschulbesuch obliegt dem Jugendamt.
154Vgl. OVG O. , Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris; Urteil vom 25. April 2012
155- 12 A 659/11 -, juris.
156Ein Eingriff in die Rechte der Eltern des hilfebedürftigen Kindes ist im Nachweis einer Schule, durch deren Besuch der jeweilige Hilfebedarf gedeckt werden kann, keinesfalls zu sehen.
157Den Nachweis einer solchen konkreten Alternative zum Privatschulbesuch hat die Beklagte allein durch den bloßen Verweis darauf, es kämen „verschiedene unterstützende Hilfemaßnahmen“ in Betracht, indes nicht erbracht. Sie hat dem Kläger im gesamten Verfahren keine öffentliche Schule nachgewiesen, auf der sein sowohl im Kurzbericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 als auch im Schulbericht vom 10. Mai 2012 beschriebener Bedarf an einem Unterricht in einer kleinen Klasse (5-6 Schüler) und hoher Betreuungsdichte hätte gedeckt werden können. Die Annahme, dieser Bedarf an einer Beschulung in einer kleinen Klasse könne bei Unterstützung durch einen Integrationshelfer auch durch den Besuch einer Regelschule mit normaler Klassenstärke gedeckt werden, ist angesichts des Fehlens jeden objektiven Anhaltspunktes für ihre Trag-fähigkeit fachlich nicht vertretbar.
158Auf den Besuch einer Förderschule konnte die Beklagte den Kläger bereits deshalb nicht verweisen, weil der Verweis auf eine Beschulung an einer öffentlichen Förderschule anstelle einer privaten Bildungseinrichtung nur in Betracht kommt, wenn eine diesbezügliche wirksame schulrechtliche Entscheidung über einen sonderpädagogischen Förderbedarf und den Förderort vorliegt, was hier nicht der Fall war.
159Vgl. OVG O. , Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris, m.w.N.
160Davon abgesehen hat die F. -L1. -Schule einen Wechsel des Förderschwerpunktes im Mai 2012 offenbar nicht für notwendig erachtet. Anderenfalls wäre die Schulaufsichtsbehörde darüber zu unterrichten gewesen (vgl. § 18 Abs. 3 AO-SF).
161Kommt es für die Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe mithin auf die ex-ante-Betrachtung des leistungsberechtigten Klägers an, hier bezogen auf den Zeitpunkt vor Beginn des Schuljahres 2012/2013, erschien es aus dessen Perspektive - bzw. letztlich aus dem Blickwinkel der ihn gesetzlich vertretenden Eltern - ohne Weiteres fachlich vertretbar, sich für eine (weitere) Beschulung auf der G. Q. O. zu entscheiden. Dass diese Bildungseinrichtung geeignet ist, dem Kläger auch in Ansehung seines spezifischen Beeinträchtigungsprofils eine adäquate Schulbildung zu vermitteln, begegnet auch nicht deshalb Zweifeln, weil die G. Schule O. kein ausgewiesenes Konzept für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Erkrankungen aus dem Autismus-Spektrum besitzt, denn nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers haben die Lehrkräfte der Privatschule Erfahrungen mit Schülern mit Störungen aus dem Autismus-Spektrum und besuchen entsprechende Fortbildungen. Auch der Kurzbericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 riet lediglich zur Betreuung durch ein gut geschultes, im Umgang mit stark auffälligen, sozialverhaltensgestörten und autistischen Kindern erfahrenes pädagogisches Team, ohne ein auf autistische Störungen spezialisiertes Konzept für angeraten zu halten.
162Die seinerzeit getroffene Entscheidung erwies sich auch nicht unter dem Erfor-derlichkeitsaspekt als unvertretbar. Nach den fachlichen Erkenntnissen und vorliegenden Erfahrungen - insbesondere mit Blick auf die Schulwechsel des Klägers in der Vergangenheit - mussten die Eltern mit der konkreten Gefahr rechnen, dass ihr Sohn auf einer staatlichen Schule nicht angemessen beschult werden könne und die ohnehin bestehende Teilhabebeeinträchtigung sich erheblich verschlimmern würde. In dieser Situation war ihnen nicht zuzumuten, den Kläger erneut auf einer Regelschule anzumelden, zumal es der Beklagten, wie dargelegt, im Verwaltungsverfahren nicht gelungen war, eine tragfähig begründete Entscheidung zu treffen, und sich überdies abzeichnete, dass der im Mai 2012 aufgenommene Besuch der Q. erfolgreich verlief.
163Auch die Bestimmungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl. II 2008 S. 1420) stehen der Kostenübernahme der Privatschulkosten durch die Beklagte nicht entgegen. Gemäß Art. 24 Abs. 1 der Konvention erkennen die Vertragsstaaten das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung an. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen. Dabei stellen die Vertragsstaaten nach Art. 24 Abs. 2 der Konvention sicher, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden (a)), Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben (b)), angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden (c)), Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern (d)) und in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden (e)).
164Dieser Bestimmung lässt sich - unabhängig von der Frage ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit - keinesfalls ein Verbot entnehmen, einen behinderten Schüler auf einer Privatschule, an der behinderte und nichtbehinderte Kinder und Jugendliche gemeinsam unterrichtet werden, zu fördern, wenn und soweit das staatliche Schulsystem (noch) keine adäquate Förderung zur Verfügung stellt.
165Vgl. hierzu auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 18. März 2014 - J 1.460 Sch -, JAmt 2004, 253, wonach Art. 24 UN-Behindertenkonvention dazu führt, dass der Hilfebedürftige gegenüber dem Privatschulbesuch nicht auf den möglichen Besuch einer Förderschule verwiesen werden darf.
166Schließlich ist auch davon auszugehen, dass die Deckung des Bedarfs i.S.v. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII keinen zeitlichen Aufschub mehr geduldet hat. Mit Blick darauf, dass der sonderpädagogische Förderbedarf aufgehoben war, eine Beschulung des Klägers auf einer Förderschule damit nicht in Betracht kam, und angesichts der sowohl im Schulbericht vom 10. Mai 2012 als auch im Bericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 zum Ausdruck kommenden Bedarfslage des Klägers war es diesem nicht zuzumuten, sich zunächst auf eine weitere Beschulung an einer Regelschule einzulassen, nachdem die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfeplanung nicht aufzuzeigen vermochte hatte, dass dieser Weg zu einer adäquaten Bedarfsdeckung führte. Von einem unaufschiebbaren Bedarf ist nämlich regelmäßig gerade auch dann auszugehen, wenn der bei Kindern und Jugendlichen dauerhaft bestehende Bedarf an adäquater Bildungsvermittlung wegen drohenden Verlustes an Zeit, die nicht nachgeholt, sondern nur angehängt werden kann, nicht mehr oder nicht ausreichend gedeckt werden kann.
167Vgl. bereits Zulassungsbeschluss des Senates vom 30. Oktober 2014 - 12 A 1639/14 -, juris.
168Als „erforderliche Aufwendungen", welche die Beklagte nach alldem gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII für die selbst beschaffte Hilfe im hier allein streitgegenständlichen Schuljahr 2012/2013 zu übernehmen verpflichtet ist, sind in Anwendung des Rechtsgedankens des § 683 Satz 1 i. V. m. § 670 BGB diejenigen Aufwendungen anzusehen, welche die Eltern des Klägers nach ihrem subjektiv vernünftigen Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich halten durften.
169Vgl. OVG O. , Urteile vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 48, juris, und vom 22. August 2014 - 12 A 3019/11 -, juris, sowie Beschluss vom 28. Juni 2012 - 12 A 2374/11 -, juris.
170Darunter fallen zunächst das monatlich an die Privatschule zu zahlende Schulgeld sowie die Fahrtkosten. Zudem zählen hierzu auch die Kosten für Schulbücher und Klassenfahrten und -ausflüge.
171Der Senat ist nicht deshalb daran gehindert, über den Umfang der für das Schuljahr 2012/2013 zu erstattenden Kosten zu entscheiden, weil das Verwaltungsgericht für das Schuljahr 2013/2014, das auch in dieser Hinsicht nicht mehr streitgegenständlich ist, entschieden hat, dass die Kosten für Schulbücher, Klassenfahrten und -ausflüge nicht von der Beklagten zu erstatten sind. Weder aus dem Zulassungsbeschluss noch aus dem Berufungsantrag des Klägers ist eine derartige Beschränkung zu entnehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger, soweit es den hier noch im Streit stehenden Zeitraum betrifft, am erstinstanzlich geltend gemachten Umfang des Kostenerstattungsanspruchs festhält, der sich nach der im Schriftsatz vom 20. Mai 2014 aufgeführten Kostenaufstellung ersichtlich auch auf die Aufwendungen für Lernmittel und Klassenfahrten und ‑ausflüge erstreckte.
172Die Kosten für Bücher und Klassenfahrten und -ausflüge sind auch von der Beklagten zu übernehmen. Es handelt sich insoweit um Aufwendungen die durch den Besuch einer bestimmten, aufgrund der Behinderung des Klägers für notwendig erachteten Einrichtung bedingt sind.
173Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation auch BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1975 - V C 19.74 -, BVerwGE 48, 228, juris; VG München, Urteil vom 28. Januar 2004 - M 18 K 03.6555 -, juris.
174Diese Kosten entstehen nicht wie bei nichtbehinderten Schülern als notwendige Bedürfnisse des täglichen Lebens, sondern notwendigerweise durch die besonderen Verhältnisse der Behinderung. Dies gilt in besonderem Maße für die Kosten für Klassenfahrten und -ausflüge, die nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers wichtiger Bestandteil des pädagogischen Konzepts der Privatschule sind. Insoweit kommt es auf die hypothetische Kontrollüberlegung, ob derartige Kosten bei Besuch einer Regelschule ebenso entstehen würden, nicht an.
175Vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1975
176- V C 19.74 -, BVerwGE 48, 228, juris.
177Der Kläger durfte diese Aufwendungen auch für erforderlich halten; es ist nicht ersichtlich, wie er eine angemessene Schulbildung an der Privatschule ohne Schulbücher und Deutschlektüren hätte erhalten sollen. Dasselbe gilt angesichts der Verankerung der Veranstaltungen im pädagogischen Konzept der G. Schule O. auch für die schulischen Veranstaltungen in Form von Klassenfahrten und -ausflügen.
178Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenverteilung im zweitinstanzlichen Verfahren berücksichtigt dabei die unterschiedlichen Erfolgsquoten des Klägers im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
179Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
180Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, nicht in Frage.
3Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass es an der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des mit dem Eilantrag verfolgten Anspruchs fehlt. Dabei ist das Verwaltungsgericht von dem zutreffenden Ansatz ausgegangen, dass dem Träger der Jugendhilfe bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit einer Maßnahme ein Beurteilungsspielraum zusteht, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Diese Entscheidung stellt das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses dar, das nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation zu enthalten hat, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Die gerichtliche Kontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet worden sind, ob sachfremde Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt wurden.
4Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Januar 2015
5- 12 B 1483/14 -, juris, m. w. N. auch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
6Die Entscheidung der Antragsgegnerin, der Antragstellerin Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Gestalt einer Schulbegleitung im Umfang von derzeit 20,5 Fachleistungsstunden pro Woche zu gewähren, dürfte diesen Anforderungen genügen. Namentlich spricht auch unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren gewonnenen Erkenntnisse nichts Durchgreifendes dafür, dass die Beschränkung der Schulbegleitung auf diesen Stundenumfang allgemein gültigen fachlichen Maßstäben nicht (mehr) standhielte.
7Geht es - wie im Fall der Antragstellerin - um die Würdigung der aus dem Schulbesuch erwachsenden Belastungssituation eines Kindes oder Jugendlichen, sind Stellungnahmen der beteiligten Lehrkräfte regelmäßig ein gewichtiges Entscheidungskriterium, weil sie einen pädagogisch reflektierten Einblick „aus erster Hand“ vermitteln. Ist bereits eine Schulbegleitung installiert, die - wie hier - von erzieherisch oder pädagogisch qualifizierten Integrationshelfern wahrgenommen wird, gilt Entsprechendes grundsätzlich auch für deren fachliche Äußerungen. Konträre Einschätzungen zur Belastungssituation unterliegen im Streitverfahren der freien Beweiswürdigung des Gerichts.
8Vgl. zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung nur BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 -, NVwZ 2015, 669, juris, m. w. N.
9Dies zugrunde gelegt, besteht gegenwärtig keine überwiegende, geschweige denn hochgradige Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin eine Erhöhung des Stundenumfangs der Schulbegleitung beanspruchen kann.
10Die vorliegenden Äußerungen der Schule zur Notwendigkeit einer vollumfänglichen, auch die Unterrichtsstunden mit pädagogischer „Doppelbesetzung“ erfassenden Schulbegleitung werden in ihrer Aussagekraft durch die vorliegende Stellungnahme des die Integrationshilfe durchführenden D. für den S. -C. Kreis e.V. vom 11. August 2015 jedenfalls insoweit relativiert, dass keine Grundlage für die Annahme besteht, eine Beschränkung der Schulbegleitung auf einen Umfang von 20,5 Wochenstunden, wie derzeit praktiziert, stelle sich bei einer Zahl von 28 Unterrichtswochenstunden aller Voraussicht nach als fachlich unvertretbar dar.
11In ihrer Stellungnahme hat Frau G. -P. für den D. „in Rücksprache mit den Fachkräften Frau X. und Frau I. “ ausgeführt:
12„Aus den Erfahrungen des letzten Schulhalbjahres könnte eine Begleitung in den Fächern Englisch (doppelt besetzt mit Sonderpädagogen), Mathe und Deutsch sinnvoll und nötig sein, da E. an diesen Fächern weniger interessiert ist und die Unterrichtsinhalte für E. schwerer erfassbar waren, als in anderen Fächern. In diesen Unterrichtsstunden musste E. immer wieder zur Ruhe und Mitarbeit aufgefordert und motiviert werden. Auch in der sogenannten „Lernzeit“ (doppelt besetzt), in der die SchülerInnen selbstständig den Wochenplan bearbeiten, war eine intensive Einzelbetreuung notwendig, da E. nicht selbstständig die Arbeiten erledigte und durch auffälliges Verhalten diese Lernzeit störte.
13In den naturwissenschaftlichen Fächern, die E. besonders interessieren, konnte sie dem Unterricht gut folgen und benötigte kaum Schulbegleitung. Auch in Musik, Kunst und Geschichte kam E. laut Aussagen der Fachlehrer ganz gut zurecht.
14Für das nächste Schuljahr könnte das so aussehen, dass E. auch in einigen „doppelt“ besetzten Fächern und in der Lernzeit begleitet werden sollte, aber in einigen Fächern - auch ohne Schulbegleitung - dem Unterricht folgen kann. Die Entwicklung wird sich in den nächsten Wochen zeigen und auch die notwendig werdenden Stunden der Schulbegleitung.
15Der im Juni 2015 mit der Klassenlehrerin, der Mutter und Frau I. aufgestellte „Regelplan“ für E. zeigte in den letzten zwei Wochen bereits Wirkung. E. s auffälliges und störendes Verhalten wurde weniger.
16Eine Vernetzung des Hilfesystems Lehrer, Familie und Schulbegleitung ist wichtig, damit E. ihr „soziales Verständnis“ trainieren kann und eine gleichbleibende Behandlung bei Fehlverhalten erfährt.“
17Die Antragstellerin vermag diesen - grundsätzlich plausibel erscheinenden - Ausführungen nicht entgegenzuhalten, sie beruhten „offensichtlich … nicht auf eigenen Wahrnehmungen“. Dass die Wahrnehmungen der eingesetzten Fachkräfte in die Stellungnahme eingeflossen sind, ergibt sich schon daraus, dass sie ausdrücklich „nach Rücksprache“ mit diesen gefertigt worden ist. Gründe dafür, dass die wiedergegebenen Erfahrungen und Einschätzungen nicht von den beiden beteiligten Fachkräften autorisiert sein sollten, sind nicht erkennbar und werden auch von der Antragstellerin nicht benannt.
18Da von einem regelmäßigen und intensiven fachlichen Austausch mit den beteiligten Lehrkräften der Schule auszugehen ist, können belastbare Aussagen zum Verhalten der Antragstellerin in unbegleiteten Unterrichtsstunden auch von Seiten der Schulbegleitung erwartet werden. Wenn in diesem Zusammenhang in der Stellungnahme des D. vom 11. August 2015 ausgeführt wird, die Antragstellerin habe „in den naturwissenschaftlichen Fächern … dem Unterricht gut folgen“ können und habe „kaum Schulbegleitung“ benötigt, „auch in Musik, Kunst und Geschichte“ (mit dem letztgenannten Fach ist offenbar Gesellschaftslehre gemeint) sei sie „laut Aussagen der Fachlehrer ganz gut zurecht“ gekommen, führt der Einwand der Antragstellerin, ihre Mutter habe „von der Schule bisher völlig gegensätzliche Informationen“ zu ihrem - der Antragstellerin - Verhalten im Unterricht bekommen, jedenfalls nicht dazu, dass die entsprechenden Aussagen in der Stellungnahme der D. als haltlos zu würdigen wären.
19Immerhin spricht nach allen vorliegenden Erkenntnissen durchaus viel dafür, dass das problematische Verhalten der Antragstellerin im Schulunterricht nicht in allen Fächern gleichermaßen ausgeprägt ist. So wurde schon in dem Bericht der vormals eingesetzten Schulbegleiterin A. vom 23. September 2014 darauf hingewiesen, dass die „Anstrengungsbereitschaft“ der Antragstellerin von ihrem Interesse an den Unterrichtsinhalten abhänge. Im Hilfeplangespräch am 29. September 2014 äußerte sich die Klassenlehrerin, Frau I1. , u. a. dahingehend, dass das Verhalten der Antragstellerin bei Fächern, die nicht ihrer „Neigung entsprechen, … besonders schwierig“ sei. Aus dem Protokoll über das weitere Hilfeplangespräch am 10. November 2014 geht die Aussage der Klassenlehrerin hervor, die Antragstellerin arbeite „nach dem Lustprinzip“; auch wenn sie ein grundsätzliches Interesse an einem Fach habe, arbeite sie nur mit, wenn ihr auch die Inhalte zusagten. Ähnliches ergibt sich aus der Stellungnahme des D. (Fr. S1. ) vom 11. Dezember 2014.
20Die im Beschwerdeverfahren eingeholte Stellungnahme der K. -M. -Gesamtschule vom 23. Juni 2015 gibt indes kaum zu erkennen, dass das Problemverhalten der Antragstellerin auch von den jeweiligen Fächern bzw. Unterrichtsinhalten abhängt. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Situation generell verschärft habe und die Antragstellerin nunmehr in sämtlichen Fächern gleichermaßen „schwierig“ agiere, liegen aber nicht vor. Im Gegenteil deutet das letzte Hilfeplangespräch am 20. April 2015 auf eine Entspannung der Problematik hin („Frau I1. schildert, dass bei E. eine sehr starke Veränderung zu beobachten sei. Sie habe sich in den Schulfächern verbessert, bearbeite die ihr gestellten Aufgaben, melde sich im Unterricht und beiße sich weniger in den Arm.“). Diese, bereits vom Verwaltungsgericht angesprochene Entwicklung ignoriert die Beschwerde, wenn sie - offenbar unter inhaltlicher Bezugnahme auf das am 10. November 2014 geführte Hilfeplangespräch - weiterhin geltend macht, es werde „aus den Hilfeplangesprächen sehr deutlich, dass die Antragstellerin mittlerweile sogar Rückschritte in ihrer schulischen Entwicklung macht“.
21In eine positive Richtung weist im Übrigen auch die Aussage des D. in seiner Stellungnahme vom 11. August 2015, wonach der im Juni 2015 mit der Klassenlehrerin, der Mutter der Antragstellerin und der Schulbegleiterin aufgestellte Regelplan in den letzten zwei Wochen bereits Wirkung gezeigt habe und das „auffällige und störende Verhalten“ der Antragstellerin abgenommen habe. Der hiergegen gerichtete Einwand der Beschwerde, es halte einer „fachlichen Einschätzung“ wohl nicht stand, „dass ein einfaches erzieherisches Konzept bei dem komplexen Behinderungsbild der Antragstellerin tatsächlich zu derart schnellen Verbesserungen führen könnte, dass eine Schulbegleitung in dem beantragten Umfang nicht mehr erforderlich wäre“, vernachlässigt, dass der Regelplan nicht isoliert zu betrachten ist, sondern als Bestandteil eines weiterreichenden pädagogischen Konzepts gesehen werden muss, in das Schule, Elternhaus und die Integrationshilfe als Ganzes ineinandergreifend eingebunden sind. Konkrete fachliche Grundsätze, die dagegen sprechen, dass ein Instrument wie das des Regelplans bei einer Behinderung aus dem Autismusspektrum unter diesen Vorzeichen schon kurzfristig Erfolge zeitigen kann, führt die Beschwerde nicht an. Soweit die Antragstellerin in diesem Kontext ferner geltend macht, die „bereits vorgetragenen Verhaltensweisen“ zeigten „sich auch im neuen Schuljahr deutlich“, bliebe bei etwaigen Rückschritten zunächst abzuwarten, ob diese nicht lediglich der Umstellung nach Ende der Schulferien geschuldet sind und alsbald wieder wettgemacht werden; offenbar hat die Antragstellerin auch in der Vergangenheit zu Beginn der Schulzeit - für ihr Behinderungsbild nicht untypische - temporäre Eingewöhnungsschwierigkeiten gezeigt (vgl. etwa aus dem Protokoll über das Hilfeplangespräch am 20. April 2015: „Frau X. schildert, dass die erste Woche nach den Osterferien sehr schwierig verlief.“).
22Der Umstand, dass sich der D. vormals für eine Schulbegleitung, die alle Unterrichtsstunden abdeckt, ausgesprochen hat (vgl. sein Schreiben vom 11. De-zember 2014), vermag die Validität der jüngsten, die weitere Entwicklung berück-sichtigenden Stellungnahme vom 11. August 2015 nicht in Frage zu stellen, zumal jene frühere Empfehlung noch mit anderer personeller Besetzung und - vor allem - vor dem Hintergrund eines wesentlich geringeren Stundenumfangs der Schulbegleitung, die seinerzeit nur 11 Wochenstunden umfasste, ausgesprochen worden war.
23Soweit die Schule unter dem 16. Dezember 2014 noch vermerkt hatte, es träten „vermehrt Situationen auf, die für eine einzelne Lehrperson in der Klasse in Bezug zur Aufsichtspflicht nicht tragbar sind“, ist der Stellungnahme vom 23. Juni 2015 zu entnehmen, dass die Antragstellerin nach der deutlichen Aufstockung des Umfangs der Schulbegleitung von 11 auf 20 Wochenstunden, die auf eine am 19. Januar 2015 getroffene Entscheidung zurückgeht, nur noch einmal aus dem Unterricht weggelaufen ist. Insofern ist ebenfalls von einer signifikanten Entspannung der Problematik auszugehen.
24Die Antragstellerin missversteht das Verwaltungsgericht, wenn sie ihm zuschreibt, es habe „eine Beschulung für zumindest 2 Stunden ohne Begleitung“ für möglich gehalten. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf eine Aussage der Klassenlehrerin, die Antragstellerin könne nach zwei Stunden ohne Begleitung nicht mehr zur Mitarbeit motiviert werden, lediglich ausgeführt, dass es der bewilligte Umfang der Schulbegleitung ohne Weiteres ermögliche, die Antragstellerin nicht in zwei aufeinanderfolgenden Stunden unbegleitet zu unterrichten (vgl. S. 17 des Beschluss-abdrucks). Dieser Argumentation ist allenfalls zu entnehmen, dass das Verwal-tungsgericht es für voraussichtlich gangbar angesehen hat, die Antragstellerin in einzelnen Stunden unbegleitet zu lassen. Diese Einschätzung wird - vorbehaltlich einer Festlegung der insoweit geeigneten Fächer und Stunden - offenbar nunmehr auch vom D. geteilt, wie sich aus der bereits zitierten Stellungnahme vom 11. August 2015 erschließt.
25Soweit sich die Beschwerde auf die fachärztlichen Berichte der Dres. F. und S2. vom 13. August 2014 und 13. Mai 2015 beruft, ist zunächst darauf zu verweisen, dass die Einschätzung, ob die Teilhabe des jungen Menschen am Leben in der Gesellschaft im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 SGB VIII beeinträchtigt ist bzw. eine solche Beeinträchtigung droht, in die Kompetenz sozialpädagogischer Fachlichkeit und somit in den Aufgabenbereich des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe fällt.
26Vgl. zur Kompetenzverteilung im Bereich von § 35a Abs. 1 SGB VIIII nur OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2011- 12 A 1168/11 -, juris.
27Gleiches gilt, wie bereits dargelegt, auch für die Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Jugendhilfemaßnahme. Das schließt eine Berücksichtigung ärztlicher Stellungnahmen bei den vom Jugendamt in eigener Verantwortung vorzunehmenden Wertungen nicht aus. Jedoch ergibt sich auch aus dem jüngeren Bericht der Dres. F. und S2. vom 13. Mai 2015 nichts Stichhaltiges dafür, dass eine Beschränkung des Umfangs der Schulbegleitung auf 20,5 Wochenstunden nach gegenwärtigem Sachstand gegen allgemeingültige fachliche Maßstäbe jugendamtlicher Praxis verstößt.
28Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
29Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem unter dem Aktenzeichen 19 K 6935/15 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf anhängigen Hauptsacheverfahren, längstens bis zum 31. Juli 2016, Eingliederungshilfe gem. § 35a SGB VIII durch Übernahme der Kosten für den Unterricht durch die X. -J. schule zu gewähren.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
1
G r ü n d e:
2Der Antragsteller hat mit seiner Beschwerde Erfolg.
3Die zulässige Beschwerde ist auch begründet. Der Antragsteller hat mit seinem nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO der Prüfung zugrundezulegenden Beschwerdevorbringen glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Übernahme der Kosten seines Unterrichts durch die X. -J. schule vorliegen.
4Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung von wesentlichen Nachteilen oder drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund), dass dem Hilfesuchenden mit Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf die begehrte Regelung zusteht (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m.§ 920 Abs. 2 ZPO.
5Wird mit der begehrten Regelung die Hauptsache vorweggenommen, gelten gesteigerte Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, indem ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür sprechen muss, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist.
6Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9.12 -, NVwZ 2013, 1344, juris; Beschlüsse vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 -, BVerwGE 109, 258, juris, und vom 14. Dezember 1989 - 2 ER 301.89 -, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15, juris; OVG NRW, Beschlüs-se vom 27. Januar 2014 - 12 B 1422/13 -, juris, vom 15. Januar 2014 - 12 B 1478/13 -, juris, Beschlüsse vom 14. Februar 2013 - 12 B 107/13 -, juris, vom 27. Juni 2012 - 12 B 426/12 -, juris, vom 21. Februar 2011 - 13 B 1722/10 -, juris, vom 8. Januar 2010
7- 19 B 1004/09 -, NWVBl 2010, 328, juris, und vom 16. März 2007 - 7 B 134/07 -, NVwZ-RR 2007, 661, juris.
8Überdies kommt eine Vorwegnahme der Hauptsache nur in Betracht, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gut zu machende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.
9Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Januar 2014
10- 12 B 1422/13 -, juris, vom 15. Januar 2014 - 12 B 1478/13 -, juris, vom 14. Juni 2012 - 12 B 433/12 -, juris, vom 29. September 2011 - 12 B 983/11 -, juris, und vom 20. Januar 2010 - 12 B 1655/09 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -, BVerfGE 79, 69, juris, m. w. N.
11Diese Voraussetzungen für eine zeitweilige Vorwegnahme der Hauptsache liegen in beiderlei Hinsicht vor.
12Der Senat sieht es zunächst als hochgradig wahrscheinlich an, dass der Antragsteller die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form der Übernahme der Kosten für den Unterricht durch die X. -J. schule C. beanspruchen kann.
13Die Gewährung von Eingliederungshilfe setzt nach § 35a Abs. 1 SGB VIII voraus, dass,
141. die seelische Gesundheit des Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für seinen Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
152. daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
16Bei kumulativem Vorliegen beider Voraussetzungen geht das Gesetz von einer "seelischen Behinderung" aus (vgl. § 35a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII), wobei es ausreicht, wenn der Betreffende von einer solchen Behinderung bedroht ist.
17Dass der Antragsteller nach den vorliegenden fachärztlichen Diagnosen - insbesondere dem diagnostizierten Asperger Syndrom (F84.5) - an einer seelischen Störung i. S. v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII leidet, die zu einer fortwährenden Teilhabebeeinträchtigung i. S. d. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII führt, drängt sich nach dem in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten Werdegang des Antragstellers auf. Das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 35a SGB VIII ist auch weder von der Antragsgegnerin noch dem Verwaltungsgericht in Frage gestellt worden.
18Bei dieser Ausgangslage stellt sich der Unterricht des Antragstellers an der X. -J. schule auch als erforderliche und geeignete Maßnahme der Eingliederungshilfe dar.
19Nach § 35a Abs. 3 SGB VIII richten sich Aufgabe und Ziel der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie die Art der Leistungen nach § 53 Abs. 3 und 4 Satz 1 sowie den §§ 54, 56 und 57 SGB XII, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden. Dementsprechend erhalten nach § 35a Abs. 3 SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII seelisch behinderte Kinder Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung.
20Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Maßnahme der Jugendhilfe handelt es sich um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses. Dieses Ergebnis erhebt nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit, muss jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Dem Träger der Jugendhilfe steht ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Diese Kontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet worden sind, ob sachfremde Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt wurden.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1999 - 5 C 4.98 -, BVerwGE 109, 155, juris; OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 12 A 2470/13 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 28. Oktober 2014 - 12 ZB 13.2025 -, juris.
22Dies zugrundegelegt führt die notwendige Beachtung des Kindeswohls im vorliegenden Fall zu einer Reduzierung des Beurteilungsspielraums auf die Übernahme der Kosten des Unterrichts durch die X. -J. schule als einzig geeignete und erforderliche Hilfemaßnahme. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Übernahme der Kosten für die X. -J. schule abzulehnen, entspricht den Anforderungen an Sachangemessenheit und Nachvollziehbarkeit nicht.
23Dabei ist zunächst unstreitig, dass der Unterricht durch die X. -J. schule eine angemessene Wissensvermittlung darstellt; so ist im Protokoll des Hilfeplangesprächs vom 23. November 2015 festgehalten, dass der Antragsteller im Unterricht mitarbeite und große Rückstände aufgearbeitet habe. Die Übernahme der Kosten stellt sich auch als erforderlich dar, da nicht ersichtlich ist, wie eine angemessene Schulbildung des Antragstellers im Schuljahr 2015/2016, in dem er durch Bescheid der Schulbehörde vom 19. Juni 2015 von der Schulpflicht befreit ist - womit das Ruhen der Schulpflicht nach § 40 Abs. 2 SchulG NRW gemeint sein dürfte - anderenfalls sichergestellt werden sollte. Die Antragsgegnerin hat demgegenüber im Bescheid vom 7. Juli 2015 eine Übernahme der Kosten für den Unterricht durch die X. -J. schule unter Verweis auf den Hilfeplan vom 18. März 2015, in dem als Hauptziel die Heranführung des Antragstellers an den Unterricht auf der B. -G. -Schule formuliert worden war, abgelehnt. Diese Begründung ist bereits deshalb nicht nachvollziehbar, weil - wovon die Antragsgegnerin bei der Erteilung ihres Ablehnungsbescheides auch Kenntnis hatte - seit der letzten Hilfeplankonferenz durch den bereits erwähnten Bescheid vom 19. Juni 2015 das Ruhen der Schulpflicht bis zum 31. Juli 2016 angeordnet worden war. Ist Voraussetzung für ein derartiges Ruhen der Schulpflicht gemäß § 40 Abs. 2 SchulG NRW aber, dass das betreffende Kind bzw. der betreffende Jugendliche selbst nach Ausschöpfen aller Möglichkeiten sonderpädagogischer Förderung nicht gefördert werden kann, so konnte die Antragsgegnerin jedenfalls nicht ohne weitere Erwägungen davon ausgehen, dass der Hilfebedarf des Antragstellers durch den Besuch der B. -G. -Schule gedeckt werden konnte. Hiergegen spricht auch der Kurzbericht des B1. -U. -A. L. /C1. vom 8. Mai 2015, in dem ausgeführt ist, dass aus therapeutischer Sicht alle Beteiligten ihre Möglichkeiten bis an die Grenze ausgelotet hätten, aber dennoch das Ziel einer Integration des Antragstellers in die B. -G. -Schule nicht habe erreicht werden können und eine Beschulung im üblichen schulischen Rahmen nicht möglich erscheine. Nachvollziehbare Erwägungen dazu, wie nunmehr der Anspruch des Antragstellers auf Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung nach § 35a Abs. 3 SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII befriedigt werden sollte, enthält der Bescheid vom 7. Juli 2015 nicht. Der Widerspruchsbescheid vom 29. September 2015 empfiehlt eine stationäre Diagnostik und enthält die Formulierung, der Wechsel auf eine Internatsschule mit einem speziellen Angebot für Asperger dürfe kein Tabuthema sein. Konkrete Ausführungen dazu, ob mit einer derartigen Schule der Hilfebedarf des Antragstellers gedeckt werden könnte, die der Antragsgegnerin oblegen hätten,
24vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 12 B 1360/12 -, juris,
25ergeben sich hieraus nicht. Auch ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass eine stationäre Diagnostik in absehbarer Zeit zu einer angemessenen Schulbildung beitragen würde. Soweit die Antragsgegnerin im Verfahren vorgetragen hat, dass es „im Rahmen der Hilfe für den Antragsteller nicht um die Beschulung“ gehe, verkennt sie, dass § 35a Abs. 3 SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII gerade einen Anspruch auf Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung gewährt.
26Die Antragsgegnerin konnte ihre Entscheidung auch nicht nachvollziehbar darauf stützen, dass die Maßnahme ungeeignet sei, weil die soziale Isolation des Antragstellers hierdurch verschärft werde, und ein Schulwechsel kein Mittel sei, einen lebensbedrohlichen Gewichtsverlust, Depression und suizidale Gedanken mit dem Wechsel der Schule zu therapieren.
27Zum einen ist nicht nachvollziehbar, dass infolge des Unterrichts durch die X. -J. schule die soziale Isolation des Antragstellers verschärft würde. Dass der Antragsteller im Schuljahr 2015/16 keine Schule besucht, ist nicht dadurch bedingt, dass er durch die X. -J. schule unterrichtet wird, sondern beruht darauf, dass mit Bescheid vom 19. Juni 2015 das Ruhen seiner Schulpflicht bis zum 31. Juli 2016 festgestellt wurde. Inwieweit in dieser Situation der Unterricht durch die X. -J. schule, der immerhin den - internetgestützten - Kontakt zu den dortigen Lehrpersonen erfordert, die soziale Isolation des Antragstellers verschärfen soll, ist nicht erkennbar.
28Dabei wird nicht verkannt, dass der Unterricht durch die X. -J. schule in erster Linie den Hilfebedarf des Antragstellers im Bereich Schulbildung abdeckt und in den übrigen Bereichen, in denen der Antragsteller an der Teilhabe beeinträchtigt ist - insbesondere soweit seine Freizeitgestaltung und Kontakte zu Gleichaltrigen betroffen sind - seinen Hilfebedarf nicht abdecken dürfte. Aus der Regelung des § 35a SGB VIII kann aber der Rechtssatz, dass eine Hilfemaßnahme den gesamten Eingliederungshilfebedarf abdecken muss, nicht abgeleitet werden. Dieser Satz findet weder im Wortlaut des § 35a SGB VIII oder den von dieser Norm in Bezug genommenen Vorschriften eine Verankerung, noch lässt er sich aus der Systematik oder aus dem Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe folgern.
29Während der Wortlaut des § 35a SGB VIII noch offen ist, spricht die Systematik des Gesetzes in gewichtiger Weise dafür, dass Eingliederungshilfeleistungen auch darauf ausgerichtet sein dürfen, einen Teilbedarf zu decken. So greift § 35a Abs. 3 SGB VIII mit der Inbezugnahme auf § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII und damit die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung selbst einen Teilleistungsbereich heraus und geht davon aus, dass es Hilfen gibt, die gerade auf die Deckung dieses (Teil-) Bedarfs zugeschnitten sind. Die systematische Gesamtschau mit den weiteren von § 35a Abs. 3 SGB VIII in Bezug genommenen Leistungstatbeständen unterstützt dieses Ergebnis. Diese enthalten ebenfalls in der Regel - wie sich aus der jeweiligen Verwendung des Wortes "insbesondere" ergibt - beispielhafte Aufzählungen (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, § 26 Abs. 2 und 3 SGB IX, § 33 Abs. 2, 3 und 6 SGB IX), die ein offenes Leistungssystem normieren und jeweils darauf ausgerichtet sind, den Bedarf in bestimmten Bereichen zu decken.
30Dieses Auslegungsergebnis wird durch den Sinn und Zweck der Regelungen über die Eingliederungshilfe bestätigt. Aufgabe und Ziel der Eingliederungshilfe werden durch die über § 35a Abs. 3 SGB VIII entsprechend anwendbare Regelung des § 53 Abs. 3 SGB XII näher bestimmt. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es danach, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern.
31Zwar hat der Jugendhilfeträger möglichst den gesamten Hilfebedarf abzudecken, der durch die seelische Behinderung hervorgerufen wird, und deshalb alle von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereiche in den Blick zu nehmen. Hilfebedarfe in unterschiedlichen Lebensbereichen sollen dabei nach Möglichkeit einheitlich abgedeckt werden und etwa die Eingliederungshilfe mit der Erziehungshilfe kombiniert werden (vgl. § 35a Abs. 4 Satz 1 SGB VIII). Hilfeleistungen sind demnach so auszuwählen und aufeinander abzustimmen, dass sie den gesamten Bedarf so weit wie möglich erfassen. Denn aus dem (sozialhilferechtlichen) Bedarfsdeckungsgrundsatz, der im Bereich der jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfe in § 35a Abs. 2 SGB VIII (vgl. "Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall ... geleistet") verankert ist, folgt, dass grundsätzlich der gesamte im konkreten Einzelfall anzuerkennende Hilfebedarf seelisch behinderter oder von einer solchen Behinderung bedrohter Kinder oder Jugendlicher abzudecken ist. Das erfordert, dass sich der Träger der öffentlichen Jugendhilfe - bzw. im Fall der zulässigerweise selbstbeschafften Hilfe der Leistungsberechtigte - der Art und Form nach aller Leistungen und Hilfen bedienen kann, die zur Deckung des konkreten und individuellen eingliederungsrechtlichen Bedarfs geeignet und erforderlich sind. Dies kann es jedoch gerade bedingen, dass der durch Teilhabebeeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen erzeugte Hilfebedarf nur durch verschiedene, auf den jeweiligen Bereich zugeschnittene Leistungen abgedeckt werden kann und muss, um die Aufgabe der Eingliederungshilfe zu erfüllen. Hilfebedarf in unterschiedlichen Bereichen kann es geboten erscheinen lassen, verschiedene Hilfeleistungen zu kombinieren oder durch mehrere Einzelleistungen den Gesamtbedarf des Hilfebedürftigen abzudecken. Um dem Ziel der Eingliederungshilfe nach möglichst umfassender Bedarfsdeckung in allen von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Bereichen gerecht zu werden, kann es, wenn nicht sogleich der Gesamtbedarf gedeckt werden kann, erforderlich sein, Hilfeleistungen zumindest und zunächst für diejenigen Teilbereiche zu erbringen, in denen dies möglich ist. Steht etwa eine bestimmte Hilfeleistung tatsächlich zeitweilig nicht zur Verfügung oder wird eine bestimmte Hilfe vom Hilfeempfänger oder dessen Erziehungsberechtigten (zeitweise) nicht angenommen, kann es gleichwohl geboten sein, die Hilfen zu gewähren, die den in anderen Teilbereichen bestehenden (akuten) Bedarf abdecken.
32Etwas anderes kann - mit Blick auf den dargelegten Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe - dann anzunehmen sein, wenn die Gewährung der Hilfe für einen Teilbereich die Erreichung des Eingliederungszieles in anderen von der Teilhabebeeinträchtigung betroffenen Lebensbereichen erschweren oder vereiteln würde, es also zu Friktionen zwischen Hilfsmaßnahmen käme. Nachteilige Wechselwirkungen mit anderen Hilfeleistungen können die fachliche Geeignetheit einer (begehrten) Leistung für einen Teilleistungsbereich in Frage stellen. Dies ist eine Frage der fachlich sinnvollen Abstimmung verschiedener Hilfeleistungen aufeinander.
33Dass der Gesamtbedarf durch eine bestimmte Hilfemaßnahme nicht gedeckt wird, schließt es mithin - entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts - nicht aus, dass sie geeignet und erforderlich sein kann, einen Teilbedarf zu decken und insoweit ein Anspruch auf Eingliederungshilfe besteht; es sei denn, die Gewährung der Hilfe für diesen Teilbedarf würde Hilfemaßnahmen für andere von einer Teilhabebeeinträchtigung betroffene Lebensbereiche vereiteln oder konterkarieren.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris, m.w.N.
35Dass durch den Besuch der X. -J. schule die von der Antragsgegnerin gewährte Autismustherapie vereitelt oder konterkariert würde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr sind ausweislich des Protokolls des Hilfeplangesprächs vom 23. November 2015 in der letzten Zeit Fortschritte in der Zusammenarbeit des Antragstellers mit dem Therapeuten festzustellen. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragstellers hat sich zudem seit der Beschulung durch die X. -J. schule seine Fähigkeit zu sozialen Kontakten eher verbessert; so geht er etwa regelmäßig einer ehrenamtlichen Tätigkeit nach, macht Einkäufe, und der Kontakt zu seinem Vater hat sich verbessert.
36Auch die Erwägung, die psychischen Beeinträchtigungen des Antragsgegners könnten nicht mit einem Schulwechsel therapiert werden, trägt die Ablehnung der Übernahme der Kosten der X. -J. schule nicht. Die etwaige Erforderlichkeit einer Therapie des Antragstellers, die über die bisherige Inanspruchnahme psychiatrischer Hilfe hinausgeht, steht der Gewährung der begehrten Kostenübernahme nicht entgegen. Ein Bedarf an Eingliederungshilfe entsteht vielmehr nicht selten erst auch dadurch, dass zu einem früheren Zeitpunkt keine ausreichenden pädagogischen, diagnostischen und therapeutischen Hilfestellungen erfolgten bzw. zunächst ausreichend erscheinende Hilfestellungen nicht griffen. Defizite dieser Art sind typischerweise Auslöser eines Bedarfs an Jugendhilfe und stehen der Geltendmachung eines aktuellen - gegebenenfalls durch unzureichende bisherige Therapien geprägten - Bedarfs nicht etwa anspruchsvernichtend gegenüber.
37Vgl. VG Bayreuth, Urteil vom 11. September 2007
38- B 3 K 05.23 -, juris.
39Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 SGB VIII für den geltend gemachten Anspruch kommt es unmittelbar nicht an, weil der Antragsteller in der Sache einen Anspruch auf Gewährung einer Jugendhilfeleistung verfolgt. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zur Erlangung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII kann regelmäßig lediglich eine Anordnung für die Zukunft erfolgen, da es für die Vergangenheit an einem Anordnungsgrund fehlen dürfte; ob ein Kostenerstattungsanspruch für die vor dem Beschluss des Senates selbst beschaffte Hilfe nach § 36a Abs. 3 SGB VIII vorliegt, ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes daher nicht zu klären. Ungeachtet dessen deckt die rechtliche Prüfung in einem Eilverfahren nach § 123 VwGO, in dem eine Verpflichtung des zuständigen Jugendhilfeträgers zur vorläufigen Gewährung einer Hilfeleistung erstritten werden soll, der Sache nach auch Fragen ab, die sich in gleicher oder ähnlicher Weise bei der Prüfung eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII stellen würden. So liegt etwa auf der Hand, dass das Bestehen eines Anordnungsanspruchs davon abhängt, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Hilfe vorliegen; auf diese Voraussetzungen stellt auch § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII ab. Für den frühestmöglichen Beginn eines Anordnungsanspruchs kann wiederum von Bedeutung sein, wann der Leistungsberechtigte den Jugendhilfeträger über seinen Hilfebedarf informiert hat und welche Zeitspanne dem Jugendhilfeträger hiernach zur pflichtgemäßen Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen im Rahmen einer geordneten Hilfeplanung nach § 36 Abs. 2 SGB VIII einzuräumen war; diesen Aspekt erfasst auch § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII.
40Hier stand der Antragsgegnerin ausreichend Zeit zur Verfügung, um über den Antrag vom 23. April 2015 auf Übernahme der Kosten für den Unterricht durch die X. -J. schule auch unter Berücksichtigung des Bescheides über das Ruhen der Schulpflicht vom 19. Juni 2015 - eine den verfahrensrechtlichen Anforderungen aus § 36 Abs. 2 SGB VIII entsprechende Entscheidung noch vor Beginn des Schuljahres 2015/2016 treffen zu können. Der Hilfefall war dem Jugendamt bereits seit mehreren Jahren bekannt, insbesondere lag bereits im Jahr 2012 u.a. die Diagnose eines Asperger-Syndroms vor. Die Probleme des Antragstellers auf der B. -G. -Schule waren auch zuvor bereits Thema mehrerer Hilfeplangespräche in den Jahren 2014 und 2015 gewesen.
41Es liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Von einem unaufschiebbaren Bedarf ist regelmäßig gerade auch dann auszugehen, wenn der bei Kindern und Jugendlichen dauerhaft bestehende Bedarf an adäquater Bildungsvermittlung wegen drohenden Verlustes an Zeit, die nicht nachgeholt, sondern nur angehängt werden kann, nicht mehr oder nicht ausreichend gedeckt werden kann.
42Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. November 2014 - 12 B 1198/14 -, juris
43Allerdings fehlt es an der Notwendigkeit einer Entscheidung gerade im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, solange ein Abbruch der tatsächlich durchgeführten Maßnahme nicht aufgrund der ungeklärten Kostentragung droht. Ein Abbruch droht nicht, wenn der die Jugendhilfe tatsächlich "vorleistende" Dritte (z.B. der Träger der Einrichtung) nicht auf den Ersatz seiner Kosten drängt oder die Eltern des Kindes bzw. Jugendlichen in der Lage sind, die Kosten der Maßnahme einstweilen vorzuschießen.
44Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. August 2001
45- 12 B 582/01 -, juris.
46Vorliegend hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass seine Eltern nicht (mehr) in der Lage sind, die monatlichen Kosten in Höhe von 787 € zu tragen. Auf die Tragung der Kosten durch seine Großeltern muss sich der Antragsteller angesichts deren fehlender Unterhaltspflicht nicht verweisen lassen.
47Die Verpflichtung der Antragsgegnerin ist in zeitlicher Hinsicht bis längstens zum 31. Juli 2016, dem derzeit absehbaren Ende des Ruhens der Schulpflicht des Antragstellers, zu begrenzen. Im Fall eines erneuten Antrags des Antragstellers auf darüber hinausgehende Kostenübernahme bliebe es der Antragsgegnerin unbenommen zu prüfen, welche anderen, aus ihrer Sicht möglicherweise auch geeigneteren Beschulungsmöglichketen für den Antragsteller in Betracht kämen, und deren Eignung und Verfügbarkeit konkret darzulegen.
48Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
49Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird über die bereits im angegriffenen Urteil ausgesprochene Verpflichtung hinaus verpflichtet, die Kosten des Privatschulbesuchs des Klägers - bestehend aus Schulgeld, Fahrtkosten, Aufwendungen für Lernmittel sowie Klassenfahrten und -ausflüge - im Zeitraum vom 22. August 2012 bis zum Juli 2013 zu übernehmen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger zu 15 %, die Beklagte zu 85 %, die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 10 %, die Beklagte zu 90 %. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für die Beschulung des Klägers auf der G. Q. O. .
3Bei dem im Februar 2000 geborenen Kläger wurde im Jahr 2004 die Diagnose ADHS gestellt. Im Jahr 2006 wurden u.a. ein Aspergersyndrom (ICD-10: F84.5) mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung sowie eine umschriebene motorische Entwicklungsstörung (ICD-10: F82) diagnostiziert. Im Jahr 2010 wurden zusätzlich Zwangsgedanken und -handlungen (ICD-10: F42.2) und eine chronische motorische oder vokale Ticstörung (ICD-10: F95.1) festgestellt. Von 2007 bis 2009 wurde der Kläger heilpädagogisch gefördert. Aufgrund eines Antrags nach § 35a SGB VIII wurde in einem Hilfeplan vom 4. November 2010 dem Kläger, der zu diesem Zeitpunkt im fünften Schuljahr war und die L. -T. -Schule (Förderschule Sprache) besuchte, ein Integrationshelfer ab dem 25. Oktober 2010 gewährt. Diese Hilfe wurde nach kurzer Zeit - am 5. November 2010 - eingestellt, da an diesem Tag ein Wechsel in die 5. Klasse der F. -L1. -Schule, Kompetenzzentrum für sonderpädagogische Förderung mit den Förderschwerpunkten Sprache, Lernen und emotionale und soziale Entwicklung stattfand.
4Vom 25. Januar 2012 bis zum 29. März 2012 wurde der Kläger stationär in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der S. L2. W. behandelt.
5Mit Schreiben vom 10. April 2012, bei der Beklagten eingegangen am 11. April 2012, beantragte der Kläger, vertreten durch seine Eltern, die Übernahme der Kosten einer Privatschule. Beigefügt war ein Entlassungsbericht des Fachbereichs Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der S. L2. W. vom 26. März 2012, in dem als Diagnosen Asperger-Syndrom (ICD-10: F84.5), Hyperkinetische Störung Sozialverhalten (ICD-10: F90.1), Enuresis nichtorganisch (ICD-10: F98.0) sowie Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt (ICD-10: F42.2) genannt werden. Weiter heißt es:
6„Unseren Informationen und unserem klinischen Eindruck nach ist Q2. in seiner aktuellen Klasse kognitiv stark unterfordert. Er zeigte in unserer Klinikschule eine gute kognitive Leistungsfähigkeit und einen, in Anbetracht der restlichen Problematik erstaunlichen, Wissendurst und Wunsch nach mehr Anforderung. Die kognitive Unterforderung triggert Q1. generellen Drang andere Kinder zu drangsalieren und abzuwerten, zudem führt die Langeweile zu noch mehr Störverhalten. Wir empfehlen einen Schulrahmen mit möglichst kleinen Klassen, einer möglichst hohen Betreuungsdichte, einem geringen Stundenumfang, wenigen anderen auffälligen Schülern und einer stabilen Begleitung durch möglichst wenig Lehrerwechsel. Eine Betreuung durch ein gut geschultes, im Umgang mit stark auffälligen, sozialverhaltensgestörten und autistischen Kindern erfahrenes pädagogisches Team ist dringend anzuraten. Aktuell halten wir Q1. für nicht regelschulfähig.“
7Nach den Osterferien, d.h. ab dem 17. April 2012, hospitierte der Kläger in der 5. Klasse der G. Q. O. in L3. . Zum Mai 2012 erfolgte die Anmeldung des Klägers auf dieser Schule.
8Am 27. April 2012 überreichten die Eltern des Klägers persönlich eine Aufstellung des Schulgeldes der G. Q. O. , in der ein klassenstufenabhängiges Schulgeld von monatlich zwischen 700 und 875 € sowie eine einmalige Aufnahmegebühr in Höhe von 1.250 € aufgeführt waren.
9Mit Schreiben vom 30. April 2012 erinnerten die Eltern des Klägers an ihren Antrag vom 10. April 2012 und teilten - offenbar in Reaktion auf eine mündliche Anfrage während der Übergabe der Kostenaufstellung am 27. April 2012 - mit, dass sie sich nicht im Besitz der Unterlagen des AO-SF-Verfahrens befänden. Mit Schreiben vom 2. Mai 2012 wurden den Eltern des Klägers auszufüllende Formulare und Fragebögen übersandt. Ein ausgefüllter Formularantrag auf Leistungen nach § 35a SGB VIII ging am 9. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Der Schulbericht der F. -L1. -Schule vom 10. Mai 2012 ging am 15. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Hierin heißt es u.a.:
10„Q2. zeigt eine extrem hohe Ablenkbarkeit, Q1. ist in einer Lerngruppe von 11 Schülern, die sich aus ES und LE Schülern zusammensetzt, nur schwer zu fördern.
11(…)
12Q2. ist ein Einzelgänger, seine Kontaktaufnahme zu Mitschülern kommt selten an. Meist ist diese unangemessen, unangepasst. Sozialkontakte sind aufgrund Q2. Störung kaum möglich. Es entstehen regelmäßig Konflikte mit Mitschülern.
13(…)
14Q2. benötigt eine wirklich kleine Lerngruppe (4-5 Schüler) durchschnittlich intelligenter Schüler, um seiner Leistungsfähigkeit entsprechend gefördert zu werden. Größere Lerngruppen führen bei Q2. zu einer hohen Konflikt-Problematik, die der Entwicklung seiner schulischen Leistungen, aufgrund seines speziellen Störungsbildes, entgegen stehen. Sonderpädagogische Maßnahmen bei einem autistischen Störungsbild wie Asperger greifen am Kompetenzzentrum aufgrund der Gruppengröße und der Zusammensetzung der Lerngruppen nicht.“
15Unter dem 18. Mai 2012 bat die Sachbearbeiterin der zentralen Koordinierungsstelle § 35a SGB VIII (51/32) den zuständigen Sachbearbeiter im Bereich 51/30
16- Hilfen für junge Menschen und ihre Familien und Bezirkssozialarbeit - um Abgabe einer sozialpädagogischen Stellungnahme. Wohl kurz danach ging eine „Stellungnahme zur Einteilung nach dem multiaxialen Klassifikationsschema nach ICD“ der S. L2. W. , Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters vom 15. Mai 2012 bei der Beklagten ein. Sie führte auf:
17„Achse I: klinisch psychiatrisches Syndrom
18Hyperkinetische Störung Sozialverhalten (ICD10: F90.1)
19Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt (ICD10: F42.2)
20Enuresis nichtorganisch (ICD10: F98.0)
21Achse II: Umschriebene Entwicklungsstörungen
22Asperger-Syndrom (ICD10: F84.5)
23Achse III: Intelligenzniveau
24Eine Testung mittels eines HAWIK ergab einen durchschnittlichen IQ von 102 IQ-Punkten. Die einzelnen Untertests ergaben
25- Sprachverständnis 107
26- Wahrnehmungsgebundenes logisches Denken 94
27- Verarbeitungsgeschwindigkeit 109
28- Arbeitsgedächtnis 99
29Achse IV: körperliche Symptomatik
30diverse Allergien (Frühblüher, Katzen, Hunde) und Asthma.
31Achse V: Assoziierte aktuelle abnorme psychosoziale Umstände
32- 6.3 Ereignisse, die zur Herabsetzung der Selbstachtung führen
33- 8. Chronische zwischenmenschliche Belastung im Zusammenhang mit Schule oder Arbeit
34- 35
8.0 Streitbeziehungen mit Schülern/Mitarbeitern
- 36
8.1 Sündenbockzuweisung durch Lehrer/Ausbilder
- 37
8.2 Allgemeine Unruhe in der Schule bzw. Arbeitssituation
Achse VI: Globalbeurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus
39Tiefgreifende und schwerwiegende soziale Beeinträchtigung“
40Anlässlich eines Telefongesprächs am 15. Juni 2012 teilte der zuständige Sachbearbeiter der Mutter des Klägers mit, dass alle Antragsunterlagen vorlägen und nunmehr ein Hausbesuch zur Prüfung der Teilhabebeeinträchtigung stattfinden müsse, dessen Termin noch mitgeteilt werde. Aufgrund des hohen Arbeitsanfalls sei mit einer längeren Bearbeitungsdauer zu rechnen.
41Bei einem weiteren Telefongespräch am 6. Juli 2012 teilte die Mutter des Klägers telefonisch mit, dass der sonderpädagogische Förderbedarf für den Kläger aufgehoben worden sei und sie den Bescheid übermitteln werde.
42Mit Schreiben vom 12. Juli 2012, Eingang am selben Tag, überreichten die Eltern des Klägers den Bescheid vom 19. Juni 2012 über die Aufhebung des Förderbedarfs für den Kläger sowie drei Absagen von zwei Realschulen und einer Gesamtschule.
43Unter dem 16. Juli 2012 wandte sich die Beklagte an die Eltern des Klägers und forderte sie auf, sich mit den Absagen der Schulen an das Schulamt der Stadt L3. zu wenden und angesichts des Nachrangs der Jugendhilfe die Suche nach einer entsprechenden Schule fortzuführen. Unabhängig davon werde das Prüfungsverfahren, ob beim Kläger eine Teilhabebeeinträchtigung vorliege, weiter betrieben. Es werde um Vorlage einer Kopie des Antrags auf Beendigung der sonderpädagogischen Förderung gebeten. Die Eltern des Klägers teilten telefonisch am 2. August 2012 mit, dass sie keine Kopie dieses Antrags besäßen. Auf ein weiteres Schreiben vom 15. August 2012, dass der Antrag auf Beendigung der sonderpädagogischen Förderung benötigt werde, baten die Eltern des Klägers die Beklagte mit Schreiben vom 23. August 2012, sich selbst an das Schulamt zu wenden, und übersandten dem Schulamt eine Einverständniserklärung vom 26. August 2012. Mit Schreiben vom 27. August 2012 forderte das Jugendamt die Antragsunterlagen beim Schulamt an. Sie gingen am 29. August 2012 dort ein. Das Jugendamt wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 10. September 2012 an das Schulamt und bat, die vorrangigen Leistungen der Schule zu realisieren. Die Eltern des Klägers wurden mit Schreiben vom selben Tag aufgefordert, die Suche nach einer Schule für den Kläger fortzusetzen.
44Mitte Juli bis Anfang August 2012 befand sich der Kläger mit seiner Familie im Urlaub. Am 13. August 2012 wurde ein Hausbesuch für den 23. August 2012 vereinbart.
45Unter dem 20. September 2012 erstellte der zuständige Sozialpädagoge eine Sozialpädagogische Stellungnahme, in der er eine Teilhabebeeinträchtigung des Klägers in den Bereichen Familienbeziehungen, Umfeld/soziale Kontakte, Schule, Alltagsbewältigung/Selbstversorgung und Erholung und Freizeit feststellte. Die Voraussetzungen für eine Hilfegewährung nach § 35a SGB VIII lägen vor. Als geeignete Maßnahmen wurden nach der Beratung im Team der Zentralen Fachstelle am 20. September 2012 ein Integrationshelfer für den Fall einer Regelbeschulung und eine begleitende Autismustherapie erachtet. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 hörte die Beklagte den Kläger daraufhin zu einer beabsichtigten Ablehnung der Übernahme der Kosten für die G. Q. O. an. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2012 bat der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers um Akteneinsicht und übersandte am 6. November 2012 eine Vollmacht. Nach im November 2012 gewährter Akteneinsicht erinnerte die Beklagte unter dem 9. Januar 2012 an das Anhörungsschreiben vom 1. Oktober 2012 und setzte eine Frist zur Stellungnahme bis zum 30. Januar 2013. Am 5. Februar 2013 ging die Stellungnahme bei der Beklagten sein. Hierin wurde u.a. aufgeführt: Das sowohl von der F. -L1. -Schule als auch den S. L2. W. für den Kläger geforderte Lernumfeld finde sich in der G. Q. O. . Dort werde der Kläger aktuell in einer Klasse mit fünf weiteren Kindern unterrichtet. Die Schule habe betreut und betreue mehrere Kinder mit der Diagnose Asperger, so dass die Pädagogen dieser Schule mit den damit einhergehenden Anforderungen vertraut seien. Beigefügt war ein Abschlussbericht der S. L2. W. vom 27. August 2012, in dem die Aussagen zum Lernumfeld, die bereits im Kurzbericht vom 26. März 2012 enthalten waren, wiederholt wurden.
46Mit Bescheid vom 19. März 2013 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Freie Q. O. ab. Die Vermittlung einer Schulausbildung sei in erster Linie Aufgabe der staatlichen Schulverwaltung, die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII sei demgegenüber nachrangig. Von der Eingliederungshilfe seien nur unterstützende Hilfsmaßnahmen zum Schulbesuch, nicht jedoch die Schulkosten selbst umfasst. Kinder mit Autismus seien nach der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorrangig in die Regelschule zu integrieren. Es kämen verschiedene unterstützende Hilfsmaßnahmen in Betracht. Eine Prüfung hinsichtlich eines anderen Förderbedarfs als des Förderbedarfs Sprache sei nicht durchgeführt oder angestrebt worden. Bereits bei der Antragstellung am 10. April 2012 sei die Hospitation des Klägers auf der G. Q. O. ab dem 17. April 2012 vereinbart gewesen. Andere Fördermöglichkeiten innerhalb des staatlichen Schulsystems seien überhaupt nicht mehr in Erwägung gezogen worden und hätten nicht mehr hinreichend geklärt werden können. Die ärztliche Stellungnahme der S. L2. W. zur fehlenden Regelbeschulbarkeit des Klägers mache das vom Schulamt und Jugendamt durchzuführende Verfahren nicht obsolet; zudem sei nicht erkennbar, ob und in welchem Umfang die Ärzte über die Fördermöglichkeiten des staatlichen Schulsystems unterrichtet seien. Zudem solle durch die Leistungen der Jugendhilfe nur eine angemessene, nicht die bestmögliche Schulbildung ermöglicht werden. Die G. Q. O. entspreche in ihrem Profil eher einer Regelschule. Sie unterscheide sich von einer solchen im Wesentlichen nur durch die geringere Anzahl von Schülern und andere pädagogische Konzepte. Über speziell ausgebildetes Personal zur Betreuung und Förderung von Kindern mit Autismusstörung verfüge die Schule nicht.
47Der Kläger hat am 23. April 2013 Klage erhoben, zu deren Begründung er ausgeführt hat: Die Beklagte habe ihm, dem Kläger, eine konkrete, individuell bedarfsgerechte Fördermöglichkeit nicht benennen können. Sie lasse völlig unberücksichtigt, dass er in einem Regelschulsetting nicht adäquat beschulbar sei. Es habe nicht zu seinen Pflichten gehört, den Nachweis zu führen, dass eine Beschulung im öffentlichen Schulsystem nicht möglich sei. Vielmehr sei die Prüfung dieser Voraussetzungen Aufgabe der Beklagten, die dieser aber nicht nachgekommen sei. Der Nachweis einer Beschulungsmöglichkeit im öffentlichen Schulwesen sei damit nicht geführt, so dass § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seinem Anspruch nicht entgegenstehe.
48An der F. -L1. -Schule sei er unterfordert gewesen, eine Hospitation an einer Gesamtschule habe aber wiederum bestätigt, dass er in großen Klassen nicht beschulbar sei. Die Beschulung auf der Q. sei ohne jede Einschränkung erfolgreich. Das Lehr- und Betreuungspersonal der G. Q. O. besuche regelmäßig Fortbildungen und habe reichhaltige Erfahrungen mit seelisch beeinträchtigten Kindern, insbesondere würden dort regelmäßig auch Kinder mit Asperger-Syndrom beschult. Zwar sei es richtig, dass der Antrag auf Leistungen nach § 35a SGB VIII seinerzeit kurzfristig gestellt worden sei. Allerdings seien er, der Kläger, sowie seine Problematik der Beklagten bekannt gewesen. Er habe unter seiner schulischen Situation und der Ausgrenzung gelitten, weshalb er zu Hause kaum noch zu führen gewesen sei. Eine Rückkehr in die schulische Situation, welche für seine psychische Dekompensation mitverantwortlich gewesen sei, sei ihm nach der Klinikentlassung nicht zumutbar gewesen.
49Seine Eltern hätten im Zeitraum von Mai 2012 bis Mai 2014 folgende Kosten aufgewandt:
50Aufnahmegebühr 1.250,00 €
51Schulgeld Mai 2012 bis Mai 2013 je 700 € 9.100,00 €
52Schulgeld Juni 2013 und Juli 2013 je 750 € 1.500,00 €
53Schulgeld August 2013 bis Mai 2014 je 825 € 8.250,00 €
54Schulbücher 483,90 €
55Deutsch-Lektüren 13,90 €
56Klassenausflüge/Klassenfahrten 635,00 €
57Schülerfahrtkosten (Differenz zu Schoko-Ticket) 305,85 €
58Gesamtaufwendungen = 21.538,65 €
59Zur Erstattung dieser Aufwendungen sei die Beklagte verpflichtet, weil er, der Kläger, sich diese Leistungen zulässigerweise selbst beschafft habe. Der Antrag auf Kostenübernahme sei bereits am 10. April 2012 gestellt worden. Überdies sei sein jugendhilferechtlicher Bedarf bereits seit dem nicht abgeschlossenen Verfahren auf Bewilligung eines Integrationshelfers, welches im Jahr 2010 beim Jugendamt anhängig gewesen sei, bekannt gewesen. Die Selbstbeschaffung habe auch keinen Aufschub geduldet, es habe eine dringliche Bedarfslage vorgelegen.
60Der Kläger hat beantragt,
61die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. März 2013 zu verpflichten, dem Kläger Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten der Beschulung in der G. Schule O. für die Zeit von Mai 2012 bis zum 31. Mai 2014 zu bewilligen.
62Die Beklagte hat beantragt,
63die Klage abzuweisen.
64Zur Begründung hat sie auf den Nachrang der Jugendhilfe verwiesen. Die Eltern des Klägers hätten sich lediglich bei drei Regelschulen um eine Aufnahme des Klägers bemüht; im Gebiet der Beklagten gebe es aber eine Vielzahl von Schulen, bei denen sich die Eltern des Klägers hätten erkundigen müssen. Die Eltern des Klägers hätten stattdessen im Wege der nicht akzeptablen Selbstbeschaffung für Tatsachen gesorgt, indem sie den Kläger bereits im April 2012 in der streitbefangenen Privatschule hätten hospitieren lassen, was in eine regel- und planmäßige Unterrichtsteilnahme übergegangen sei.
65Mit Urteil vom 27. Mai 2014 hat das Verwaltungsgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten (Schulkosten und Fahrtkosten) der Beschulung in der G. Schule O. für die Zeit von August 2013 bis Mai 2014 zu bewilligen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
66Zwar könnten Leistungen nach § 35a SGB VIII grundsätzlich nicht für alle Zukunft erstritten werden, sondern nur zeitabschnittsweise, hier grundsätzlich nur für ein Schuljahr. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 19. März 2013 enthalte daher auch keine über das Schuljahr 2012/2013 hinausgehende Regelung. Der Kläger habe nach seinem von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag aber für das Schuljahr 2013/2014 rechtzeitig einen neuen Antrag gestellt, so dass die Klage hinsichtlich dieses Schuljahres als Untätigkeitsklage zulässig sei.
67Die Klage sei allerdings nur teilweise begründet. Der Kläger habe für die Zeit von Mai 2012 bis Ende des Schuljahres 2012/2013 (Juli 2013), die in dem angegriffenen Bescheid geregelt sei, keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII. Dem geltend gemachten Anspruch stehe insoweit bereits die Vorschrift des § 36a SGB VIII entgegen. Für die Zeit von Mai 2012 bis Juli 2013 sei der Kläger nicht zur Selbstbeschaffung berechtigt gewesen. Den Eltern des Klägers sei es zuzumuten gewesen, die Deckung des Bedarfs über den Zeitpunkt der Antragstellung - 10. April 2012 - hinaus bis zum Abschluss der notwendigen Ermittlungen hinauszuschieben. Die Eltern des Klägers hätten die Hospitation und Aufnahme ihres Kindes auf der G. Q. O. nach den Osterferien 2012 bereits selbst durchgeführt, ohne dass die Beklagte Gelegenheit gehabt habe, über den Antrag vom 10. April 2012 in angemessener Zeit, wofür in der Regel drei bis vier Monate zuzubilligen seien, zu entscheiden. Daraus lasse sich schließen, dass die Eltern von vornherein auf eine Beschulung auf der G. Q. O. festgelegt gewesen seien und damit keine Grundlage für das erforderliche kooperative Zusammenwirken mit der Beklagten geschaffen hätten.
68Für die Zeit von Mai 2012 bis Juli 2012 sei die Beklagte bereits rechtlich an der begehrten Entscheidung gehindert gewesen. Denn ihr sei die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs durch Bescheid des Schulamtes vom 19. Juni 2012 erst am 12. Juli 2012 mitgeteilt worden. Während des Bestehens des sonderpädagogischen Förderbedarfs habe der Kläger eine allgemeine Schule, zu der auch die Freie Q. O. als Ganztagsschule gehöre, schulrechtlich nicht besuchen dürfen. Nachdem die Eltern die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs erst im Juli 2012 mitgeteilt hätten, hätten sie nicht damit rechnen können, dass es schon kurze Zeit später vor Beginn des neuen Schuljahres zu einer Entscheidung der Beklagten kommen würde. Dies habe zur Folge, dass aufgrund der abschnittsweisen Bewilligung für den gesamten Zeitraum des Schuljahres 2012/2013 der geltend gemachte Anspruch entfalle, denn die Prüffrist habe erst mit dem Monat August 2012 begonnen. Zu jenem Zeitpunkt sei die Hilfe schon beschafft gewesen. Es liege auch keine Ausnahme im Sinne von § 36a Abs. 3 SGB VIII vor. Die Deckung des Bedarfs sei vorliegend auch nach Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht unaufschiebbar gewesen. Den vorliegenden Stellungnahmen sei nicht zu entnehmen gewesen, dass ein Eilfall vorgelegen habe und der Schulwechsel sofort oder binnen weniger Tage habe erfolgen müssen.
69Soweit die Klage auch die Erstattung der Schulkosten betreffend das weitere Schuljahr 2013/2014 betreffe, lägen dagegen die Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 SGB VIII vor. Bezüglich dieses Schuljahres sei dem Kläger zuzubilligen, den Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Hilfebedarf rechtzeitig im Sinne von § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII in Kenntnis gesetzt zu haben. Auf eine unzulässige Selbstbeschaffung könne sich die Beklagte insoweit nicht mehr berufen. Trotz der aufgezeigten unzulässigen Selbstbeschaffung, die den geltend gemachten Anspruch für das Schuljahr 2012/2013 ausgeschlossen habe, komme ab dem sich anschließenden abtrennbaren Leistungsabschnitt, also mit Beginn des Schuljahres 2013/2014, eine Kostenübernahme in Betracht. In dem hier maßgeblichen Zeitraum hätten auch im Sinne des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe nach § 35a SGB VIII vorgelegen. Die Kammer sehe es als gegeben an, dass der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VIII i.V.m. §§ 53, 54 SGB XII, § 12 Nr. 2 EinglVO einen Anspruch im Schuljahr 2013/2014 auf Übernahme der Kosten für die Beschulung auf der G. Q. O. zur Erreichung einer angemessenen Bildung besessen habe.
70Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35a SGB VIII sei zwischen den Beteiligten nicht streitig und im Übrigen auch gegeben. Bei dem Kläger liege seit mehr als sechs Monaten eine Beeinträchtigung seiner seelischen Gesundheit vor. Aus den ärztlichen Stellungnahmen der S. L. W. , in der der Kläger mehrere Monate stationär behandelt worden sei, vom 26. März 2012 und 27. August 2012 ergebe sich, dass der Kläger im Sommer 2012 an einem Asperger-Syndrom (ICD-10: F84.5), an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens (ICD-10: F90.1), an einer nichtorganischen Enuresis (ICD-10: F98.0) und an Zwangsgedanken und gemischten Zwangshandlungen (ICD-10: F42.2) gelitten habe. Die ärztlichen Berichte seien auf der Grundlage der geforderten ICD-Klas-sifikation ergangen und von dem Chefarzt der Abt.1, Dr. T1. C. , der Ltd. Oberärztin der Abt. 1, S1. , sowie der fallführenden Therapeutin und Dipl.-Psychologin I. und der Stationsärztin X. erstellt worden. Aufgrund der eingehend beschriebenen, umfangreichen Diagnosen gehe die Kammer davon aus, dass auch im Schuljahr 2013/2014 eine seelische Störung im Sinne der ICD vorlag, die nach Auffassung der Gutachter auch durch die damalige schulische Unterforderung entstanden sei. Hierdurch sei die Teilnahme des Klägers am Leben in der Gesellschaft im maßgeblichen Zeitraum zumindest bedroht gewesen. Zu beurteilen sei in diesem Zusammenhang die selbstbestimmte und altersgemäße Ausübung sozialer Funktionen und Rollen in den zentralen Lebensbereichen Familie, Schule und sozialem Umfeld, wie etwa Freundeskreis und Sport. Die zuständige Fachkraft der Beklagten komme in der sozialpädagogischen Stellungnahme zur Teilhabebeeinträchtigung vom 20. September 2012 zu dem Ergebnis, dass die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gemeinschaft in den Bereichen Familienbeziehungen, Umfeld, Bildung/Ausbildung, Selbstversorgung/häusliches Leben, Erholung und Freizeit beeinträchtigt sei oder eine Beeinträchtigung zu erwarten sei. Die Kammer habe keinen Anlass, an diesen Feststellungen zu zweifeln. Der Besuch der G. Q. O. stelle sich auch für das Schuljahr 2013/2014 als erforderliche und geeignete Maßnahme der Jugendhilfe dar. Inwieweit eine selbstbeschaffte Maßnahme nicht nur geeignet, sondern auch alternativlos sein müsse, könne dahinstehen, weil die Beklagte trotz ihrer prüfenden, beratenden und steuernden Aufgabe im Rahmen des kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses dem Kläger keine hinreichend konkrete und geeignete Alternative nachgewiesen habe. Namentlich auf das öffentliche Schulsystem müsse sich der Kläger in Anwendung des Nachranggrundsatzes aus § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nur dann verweisen lassen, wenn nach den konkreten Umstanden des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zur Verfügung stehe. Die Beklagte habe nicht konkret dargelegt, dass und an welchen öffentlichen Schulen die besonderen Unterrichtsbedingungen geboten würden, mit denen man der seelischen Erkrankung des Klägers hatte begegnen können. Sie habe nur allgemein auf das öffentliche Schulsystem und den möglichen Einsatz eines Integrationshelfers hingewiesen. Damit stelle sich die Fortsetzung der derzeitigen Beschulung als alternativlos dar, so dass die Beklagte sich auch nicht darauf berufen könne, dass der Besuch der G. Q. O. keine geeignete Maßnahme darstelle.
71Von den geltend gemachten Aufwendungen für die Zeit von August 2013 bis Mai 2014 seien allerdings nur die Schulkosten und Fahrtkosten zu übernehmen. Der Erstattungsanspruch nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII sei am Aufwendungsersatz im zivilrechtlichen Auftragsverhältnis bzw. bei der Geschäftsführung ohne Auftrag orientiert, namentlich an § 683 BGB. Lege man dies zugrunde, umfasse der Erstattungsanspruch die Aufwendungen, die die Eltern nach ihrem subjektiv vernünftigen Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich hätten halten dürfen. Das treffe für die Aufwendungen für die Schulkosten und Fahrtkosten zu, nicht aber für die Aufwendungen für Schulbücher, die Klassenausflüge und Klassenfahrten, die zum maßgeblichen Zeitpunkt der Tätigung der Aufwendungen insbesondere im Hinblick auf die noch ungeklärte Kostenfrage und die grundsätzlich nachrangige Verpflichtung des Jugendhilfeträgers nicht übernommen werden brauchten, zumal die Kosten auch bei öffentlichen Schulen von den Eltern zu tragen seien.
72Mit Beschluss vom 30. Oktober 2014 hat der Senat auf den Zulassungsantrag des Klägers die Berufung insoweit zugelassen, als es um die Übernahme der Beschulungskosten vom 22. August 2012 bis Juli 2013 geht. Im Übrigen hat er den Zulassungsantrag abgelehnt.
73Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor: Die Beklagte sei jedenfalls noch vor Schulbeginn im August 2012 in der Lage gewesen, sowohl die Anspruchsvoraussetzungen als auch die infrage kommenden Hilfemaßnahmen pflichtgemäß zu prüfen, weshalb er, der Kläger, ab Schuljahresbeginn zur Selbstbeschaffung berechtigt gewesen sei. Das Jugendamt habe schon seit vielen Jahren Kenntnis von seiner Bedarfslage besessen und noch im Jahr 2010 in einem Hilfeplanverfahren die Notwendigkeit einer Integrationshilfe anerkannt. Das Jugendamt habe auf reichhaltige Vorbefunde zurückgreifen können, so dass Anlass zu der Annahme bestehe, dass es für den streitgegenständlichen Antrag nicht unbedingt der Ausschöpfung eines Zeitraumes von drei Monaten bedurft habe, um eine Entscheidungsreife herzustellen. Seine Bedarfslage sei dadurch geprägt gewesen, dass er kurz vor der Hospitation an der G. Q. O. langfristig in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der S. L2. W. untergebracht gewesen sei, die ausweislich der vorliegenden Berichte infolge seiner kognitiven Unterforderung dringend einen Schulwechsel in eine Schule mit möglichst kleinen Klassen nahegelegt habe, was im Übrigen auch durch den Schulbericht bestätigt werde. Zudem habe die Existenz einer schulrechtlichen Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderbedarf nicht einer Entscheidung der Beklagten, sondern allenfalls einer Bewilligung entgegengestanden. Nichts habe das Jugendamt davon abgehalten, die übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach Antragstellung soweit zu prüfen, dass im Fall der Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs eine zeitnahe Entscheidung möglich gewesen wäre. Gerade aufgrund der bestehenden Vorkenntnisse der Beklagten habe erwartet werden können, dass diese bereits ab Antragstellung am 10. April 2012 Aktivitäten zur Herbeiführung der Entscheidungsreife des Antrags entfalten würde. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte mit dem Schulbericht vom 10. Mai 2012 bereits darüber informiert worden sei, dass sonderpädagogische Maßnahmen nicht griffen, es also naheliegend gewesen sei, jugendhilfliche Lösungsansätze zu prüfen. Im Übrigen sei die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs Sprache nur pro forma erfolgt, weil man angenommen habe, dass die Förderschule für sprachliche Entwicklung, der man den Kläger dann zugewiesen habe, angesichts der dortigen Rahmenbedingungen - vergleichsweise kleine Klassen, Mitschüler mit uneingeschränkten kognitiven Fähigkeiten - auch zur Förderung des Klägers als Autisten geeignet gewesen seien. Dies erkläre auch die sofortige Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs auf Antrag der Eltern des Klägers.
74Die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs im Juli 2012 könne nicht zur Folge haben, dass für den gesamten Zeitraum des Schuljahres 2012/2013 der geltend gemachte Anspruch entfalle. Die Frist für die Prüfung des Antrags habe nicht erst im August 2012 begonnen. Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Eltern des Klägers hätten sich von vornherein auf eine Beschulung auf der G. Q. O. festgelegt und damit keine Grundlage für das erforderliche kooperative Zusammenwirken mit der Beklagten geschaffen, entbehre jeglicher Rechtfertigung. Dies zeige sich bereits darin, dass die Eltern des Klägers sogar mit Schreiben vom 1. Februar 2013 die ersatzweise durch die Beklagte angebotene Autismustherapie angenommen hätten. Nach den Erfahrungen im Jahr 2010 hätten die Eltern des Klägers zudem damit rechnen müssen, dass die Beklagte die Entscheidung zeitlich hinauszögern würde. Im Übrigen sei es ohne Belang, ob seine Eltern sich auf die Privatschule festgelegt hätten, denn jedenfalls habe das Jugendamt der beklagten keine Schule oder eine tragfähige Konzeption zur Deckung seiner, des Klägers, Bedarfslage vorgeschlagen.
75Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe ein Eilfall vorgelegen. In diesem Zusammenhang sei auf den Kurzbericht der S. L2. W. hinzuweisen, nach dem der Kläger zum damaligen Zeitpunkt nicht für regelschulfähig gehalten worden sei. Daher habe die dringende Notwendigkeit bestanden, eine Lösung außerhalb des Regelschulsystems zu suchen. Angesichts dessen habe die Beklagte nicht mehrere Monate Zeit gehabt, um ein Konzept zu entwickeln; auch wäre der Einsatz eines Integrationshelfers keine denkbare Alternative gewesen, da die festgestellte Regelschul-Unfähigkeit eine solche Maßnahme sinnlos erscheinen lasse. Aus den Verwaltungsakten ergebe sich zudem, dass für die Beklagte bereits im Oktober 2012 ein Bewilligungsbescheid nicht mehr denkbar gewesen sei. Auch lasse die Begründung des Ablehnungsbescheides, die ausschließlich auf den Vorrang von Leistungen des öffentlichen Schulsystems abstelle, erkennen, dass eine Kostenübernahme zu einem Privatschulbesuch nicht zum Instrumentarium möglicher Jugendhilfeleistungen der Beklagten gehöre; diese Feststellung hätte aber bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt getroffen werden können.
76Es sei hervorzuheben, dass seine Eltern unmittelbar vor seiner Aufnahme in die S. L2. W. unter einem erheblichen Belastungsdruck gestanden hätten, da er, der Kläger, aufgrund seiner permanenten schulischen Unterforderungssituation einerseits und wegen der behinderungsspezifisch eingeschränkten emotionalen Kontrolle ein massives Aggressionspotential habe erkennen lassen, welches ihn schließlich selbst veranlasst habe, um seine stationäre Aufnahme zu bitten. Von daher sei für seine Eltern vollkommen klar gewesen, dass sofort nach seiner Entlassung eine schulische Alternative mit dem Ziel einer stärkeren intellektuellen Herausforderung habe gefunden werden müssen.
77Die angefochtene Entscheidung sei auch insoweit zu ändern als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen den Umfang des geltend gemachten Anspruchs auf Schulgeld und Fahrtkosten reduziere und eine Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für Schulbücher, Klassenausflüge und Klassenfahrten hingegen verneine. Bezüglich der Aufwendungen für Schulbücher sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, diese Kosten müssten auch die Eltern von Kindern an staatlichen Schulen tragen, unzutreffend. Gemäß § 96 SchulG bestehe grundsätzlich Lernmittelfreiheit unter Anrechnung eines Eigenanteils. Klassenausflüge und Klassenfahrten seien an der G. Q. O. ein untrennbarer Bestandteil des pädagogischen Konzeptes. An der Schule befinde sich eine große Zahl von Schülerinnen und Schülern mit vergleichbaren Verhaltensstörungen und -auffälligkeiten. Die Schule habe eine erhebliche Integrationsaufgabe zu bewältigen, insbesondere wenn man berücksichtige, dass ein Schulwechsel an eine Privatschule häufig unterjährig erfolge. Angesichts dessen würden an der Privatschule die Klassenfahrten als wesentlicher Bestandteil der zu leistenden Integrationsaufgabe betrachtet und auch regelmäßig und häufiger durchgeführt als an öffentlichen Schulen. An einer Entscheidung hierüber sei der Senat nicht gehindert.
78Der Kläger beantragt,
79das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte auch zu verpflichten, die Kosten des Besuches der G. Q. O. - bestehend aus Schulgeld, Fahrtkosten, Aufwendungen für Lernmittel und Klassenausflüge und Klassenfahrten - im Schuljahr 2012/2013 zu übernehmen.
80Die Beklagte beantragt,
81die Berufung zurückzuweisen.
82Sie ist der Ansicht, dass die Berufung zu Unrecht zugelassen worden sei, weil das Zulassungsvorbringen unzureichend gewesen sei. Weiter trägt sie vor: Nachdem die Eltern des Klägers sich damit einverstanden erklärt hätten, dass die Beklagte die Unterlagen des AO-SF-Verfahrens direkt beim Schulamt anforderte, seien diese am 3. September 2012 bei der Beklagten eingegangen. Aus dem Kurzbericht der F. -L1. -Schule habe sich ergeben, dass der Kläger seit der Entlassung aus der Klinik in der G. Q. O. hospitierte. Es habe geheißen, dass er weiterhin eine kleine Lerngruppe und individuelle Förderung benötige. Ein Förderbedarf im Sinn des sonderpädagogischen Förderbedarfs „Sprache“ habe danach nicht mehr vorgelegen. Die Eltern des Klägers, so habe es geheißen, wünschten eine Aufhebung des Förderbedarfs, da sie einen Wechsel zur Privatschule beabsichtigten. Dies alles sei dem Jugendamt zuvor nicht bekannt gewesen. Aus den Unterlagen lasse sich schließen, dass die Eltern sich zugleich mit der Antragstellung auf die G. Q. O. unwiderruflich festgelegt hätten. Diesbezüglich hätten sie nicht mit offenen Karten gespielt. Entgegen der Auffassung des Senates sei es daher auf schulische Alternativvorschläge der Beklagten gar nicht angekommen. Im Übrigen habe der Kläger auf die Anhörung vom 1. Oktober 2012 erst mit anwaltlichem Schreiben vom 1. Februar 2013 reagiert. Eine Kostenübernahme für Schulbücher und Klassenfahrten komme nicht in Betracht. Dieses Begehren sei auch mit dem Zulassungsschriftsatz nicht geltend gemacht worden. Auch die Zulassung der Berufung verhalte sich hierzu nicht.
83Mit Bescheid vom 6. August 2014 hob die Beklagte den Ablehnungsbescheid vom 19. März 2013 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt: Gemäß dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf sei die Beklagte verpflichtet, für den Kläger unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19. März 2013 die Schul- und Fahrtkosten für die Beschulung an der G. Q. O. für den Zeitraum August 2013 bis Mai 2014 zu übernehmen. Nach Beratung in der Fachkonferenz vom 24. Juli 2014 würden die Schul- und Fahrtkosten bis zum 10. Juli 2016 übernommen. Die Kosten im Zeitraum August 2013 bis Juli 2014 würden erstattet.
84Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
85Entscheidungsgründe:
86Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Rüge der Beklagten, die Zulassung der Berufung sei zu Unrecht erfolgt, ist insoweit unerheblich, denn wegen der Bindung des Berufungsgerichts an die Berufungszulassung sind Zulässigkeit oder Begründetheit des Zulassungsantrags nicht Gegenstand der Prüfung im Berufungsverfahrens.
87Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juli 1999 - 1 C 15.98 -, juris.
88Im hier nach dem Zulassungsbeschluss allein verfahrensgegenständlichen Zeitraum des Schuljahrs 2012/2013 - d.h. vom 22. August 2012 bis Juli 2013 - ist die Verpflichtungsklage des Klägers zulässig und begründet.
89Der Zulässigkeit der Klage steht dabei nicht entgegen, dass die Beklagte den ablehnenden Bescheid vom 19. März 2013 mit Bescheid vom 6. August 2014 aufgehoben hat. Das Klagebegehren hat sich damit nicht erledigt, da die Beklagte in dem Bescheid vom 6. August 2014 eine Kostenübernahme - in Reaktion auf das verwaltungsgerichtliche Urteil - erst für den hier nicht verfahrensgegenständlichen Zeitraum ab August 2013 erklärt hat. Der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage steht auch nicht entgegen, dass nach der Aufhebung des Ablehnungsbescheides keine den Anspruch des Klägers für das Schuljahr 2012/2013 ablehnende Entscheidung der Beklagten vorliegt. Denn die Aufhebung des Ablehnungsbescheids ändert nichts am prozessualen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, der durch das Gericht zu prüfen ist.
90Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1985
91- 3 C 63.84 -, juris.
92Die Klage ist für den hier noch verfahrensgegenständlichen Zeitraum des Schul-jahres 2012/2013 auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der vom 22. August 2012 bis Juli 2013 entstandenen Kosten seiner Beschulung auf der G. Q. O. aus §§ 35a, 36a Abs. 3 SGB VIII.
93Haben Leistungsberechtigte sich - wie hier - eine Leistung, die grundsätzlich im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe gewährt werden kann, ohne Mitwirkung und Zustimmung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe bereits von Dritten selbst beschafft, so führt eine solche Selbstbeschaffung schon nach der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats nicht zum ersatzlosen Wegfall des Primäranspruchs auf Hilfe durch das Jugendamt. Vielmehr ist anerkannt, dass der Träger der Jugendhilfe (sekundär) zur Erstattung von Kosten bzw. Aufwendungen für bereits anderweitig durchgeführte Maßnahmen verpflichtet sein kann.
94Vgl. auch zu Folgendem: OVG O. , Urteile vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 548, juris, und vom 20. Juni 2008 - 12 A 739/06 -, jeweils m.w.N.
95Der (sekundäre) Anspruch auf Erstattung der Kosten bzw. Aufwendungen ist in derselben Weise vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Hilfetatbestands abhängig wie die primäre Verpflichtung des Jugendhilfeträgers zur Hilfegewährung.
96Vgl. OVG O. , Urteil vom 14. März 2003 - 12 A 1193/01 -, FEVS 55, 86, juris, m.w.N. insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, und Beschluss vom 18. August 2004 - 12 A 1174/01 -, juris; vgl. ferner BVerwG, Urteil vom 11. August 2005
97- 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
98Allerdings ist der Hilfesuchende nur dann zur Selbstbeschaffung einer Jugendhilfeleistung berechtigt, wenn er hierauf zur effektiven Durchsetzung eines bestehenden Jugendhilfeanspruchs angewiesen ist, weil der öffentliche Jugendhilfeträger sie nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt hat, das für die Leistungsgewährung vorgesehene System also versagt hat. Ein solches "Systemversagen" liegt vor, wenn die Leistung vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht erbracht wird, obwohl der Hilfesuchende die Leistungserbringung durch eine rechtzeitige Antragstellung und seine hinreichende Mitwirkung ermöglicht hat und auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung vorliegen. In einer solchen Situation darf sich der Leistungsberechtigte die Leistung selbst beschaffen, wenn es ihm wegen der Dringlichkeit seines Bedarfs nicht zuzumuten ist, die Bedarfsdeckung aufzuschieben.
99Vgl. OVG O. , Beschluss vom 18. August 2004
100- 12 A 1174/01 – juris, m.w.N.
101Diese Grundsätze sind als § 36a Abs. 3 SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz - KICK - vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) zum 1. Oktober 2005 ausdrücklich normiert worden,
102so schon OVG O. , Urteil vom 4. Februar 2009
103- 12 A 255/08 -, m.w.N.
104Nach § 36a Abs. 3 SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für Hilfen, die abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft wurden, nur verpflichtet, 1. wenn der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat (Nr. 1), 2. die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und 3. die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3).
105Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
106Zum einen hat der Kläger die Beklagte auch im Hinblick auf das Schuljahr 2012/2013 rechtzeitig von seinem Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt, § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII.
107Das „Inkenntnissetzen" umfasst grundsätzlich auch eine Beantragung der begehrten Jugendhilfeleistungen, wobei für einen solchen Antrag keine besondere Form vorgeschrieben ist und er auch in der Form schlüssigen Verhaltens gestellt werden kann.
108Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2011 - 5 B 43.10 -, JAmt 2011, 274, juris, mit Hinweis auf Beschluss vom 22. Mai 2008 - 5 B 130.07 -, JAmt 2008, 600, juris.
109Der Antrag muss dabei so rechtzeitig gestellt werden, dass der Jugendhilfeträger zur pflichtgemäßen Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen in der Lage ist.
110Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2005
111- 5 C 18.04 -, BVerwGE 124, 83, juris.
112Das Jugendhilferecht ist nämlich kein Recht der reinen Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen, sondern verpflichtet den Träger der Jugendhilfe zur partnerschaftlichen Hilfe. Nur so kann der Jugendhilfeträger seiner Gesamtverantwortung i.S.d. § 79 Abs. 1 SGB VIII und seiner Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2, 3 SGB VIII gerecht werden.
113Vgl. OVG O. , Urteil vom 22. August 2014
114- 12 A 3019/11 -, juris.
115In diesem Sinne ist der am 11. April 2012 bei der Beklagten eingegangene Antrag, der ausdrücklich auf die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form der Kostenübernahme für den Besuch einer Privatschule gerichtet war, rechtzeitig angebracht worden. Der Antrag verhielt sich bereits zur Ungeeignetheit der Förderschule; ihm war mit dem „Kurzbericht“ der S. L2. W. vom 26. März 2012 ein fachärztlicher Bericht i.S.v. § 35a Abs. 1a SGB VIII beigefügt, der die seelische Erkrankung des Klägers i.S.v. § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII beschrieb sowie Hinweise auf die Teilhabebeeinträchtigung des Klägers und Empfehlungen für seine adäquate Beschulung enthielt. Der Beklagten verblieb damit ausreichend Zeit, bis zum Beginn des neuen Schuljahres, gut vier Monate nach Antragseingang, die notwendigen eigenen Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII zu treffen und dem Kläger auf der Grundlage des sich ergebenden Gesamtbildes eine seinem Förderungsbedarf entsprechende Schule vorzuschlagen. Zwar musste das Jugendamt der Beklagten im Hinblick auf eine alternative Schule frühestens ab dem 6. Juli 2012 in den Entscheidungsprozess eintreten, als ihm von den Eltern die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs telefonisch mitgeteilt wurde. Dennoch ist nicht erkennbar, dass erst nach Kenntnis von der Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs Veranlassung zur Prüfung der Voraussetzungen des § 35 SGB VII und zur Erarbeitung eines Hilfekonzepts bestanden hätte. Dass die bisherige Beschulung des Klägers keine angemessene Schulbildung darstellte, war der Beklagten spätestens nach Vorlage des Schulberichts vom 10. Mai 2012 am 15. Mai 2012 bekannt; angesichts dessen hätte bereits ab diesem Zeitpunkt Veranlassung bestanden, den konkreten Hilfebedarf und die konkreten Hilfsmöglichkeiten - etwa auch durch Nachfragen beim Schulamt - zu ermitteln. Nachdem den Eltern des Klägers bereits am 15. Juni 2012 mitgeteilt worden war, die Unterlagen seien vollständig und nunmehr sei ein Hausbesuch durchzuführen, wäre wohl auch angesichts des Familienurlaubs von Mitte Juli bis Anfang August noch ausreichend Zeit für einen Hausbesuch und die Prüfung der Teilhabebeeinträchtigung des Klägers bis zu Beginn des neuen Schuljahres gewesen. Dass bei derart zeitnaher Klärung - zumal der Hilfefall der Beklagten bekannt und die Problematik weitgehend geklärt war - dann nach Vorlage des Bescheides über die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs bei der gebotenen straffen Verfahrensführung keine Entscheidung innerhalb der noch verbleibenden sechs Wochen bis zum Beginn des Schuljahres hätte erfolgen können, ist nicht ersichtlich. Die Notwendigkeit zu zügiger Entscheidung musste sich der Beklagten auch bereits deshalb aufdrängen, weil nach der Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs die bisherige Beschulung des Klägers auf der F. -L1. -Schule nicht mehr in Betracht kam und der sowohl im Bericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 als auch im Schulbericht vom 10. Mai 2012 aufgeführte Hilfebedarf des Klägers eine Beschulung im Regelschulsystem jedenfalls als äußerst problematisch erscheinen lassen musste.
116Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren vorträgt, ihr Jugendamt habe erst mit dem Eingang der Unterlagen aus dem AO-SF-Verfahren am 3. September 2012 erfahren, dass der Kläger seit der Entlassung aus der Klinik in der G. Q. O. hospitierte, er weiterhin eine kleine Lerngruppe und individuelle Förderung benötige und ein sonderpädagogischer Förderbedarf „Sprache“ nicht mehr vorgelegen habe, ist dies – ungeachtet des Umstandes, dass die Unterlagen des Schulamtes am 29. August 2012 bei der Beklagten eingingen - angesichts der zuvor durch den Kläger überreichten Informationen - des Berichts der S. L2. W. , des Berichts der F. -L1. -Schule und des Bescheides über die Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs - sowie der Mitteilung vom 30. April 2012 über die Hospitation des Klägers an der G. Q. O. nicht nachvollziehbar; sollte es aufgrund der Bearbeitung durch verschiedene Stellen innerhalb des Jugendamtes zu Informationsverlusten gekommen sein, wäre dies jedenfalls der Beklagten anzulasten.
117Dass der Kläger sich - wie von der Beklagten angeführt - bereits mit der Hospitation ab dem 17. April 2012 und dem ab Mai 2012 stattfindenden regulären Schulbesuch auf die G. Q. O. festgelegt habe, steht der Annahme einer rechtzeitigen Antragstellung im Hinblick auf das am 22. August 2012 beginnende Schuljahr 2012/2013 nicht entgegen, da bei Jugendhilfemaßnahmen, die - wie im vorliegenden Fall - in zeitliche Abschnitte unterteilt werden können, auch im Falle einer ursprünglich unzulässigen Selbstbeschaffung ein Anspruch für einen nachfolgenden Zeitabschnitt in Betracht kommt, wenn die Selbstbeschaffung nachträglich zulässig geworden ist.
118Vgl. OVG O. , Urteile vom 25. April 2012
119- 12 A 659/11 -, juris, und vom 22. März 2006
120- 12 A 806/03 -, juris, m.w.N.; Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris.
121Auf eine unzulässige Selbstbeschaffung kann sich das Jugendamt für derartige Zeiträume nicht mehr berufen,
122vgl. OVG O. , Beschluss vom 21. Juni 2012
123- 12 A 2229/11 -, juris,
124denn diese führt lediglich dazu, dass für den davon betroffenen Zeitraum keine Kostenerstattung in Betracht kommt; sie hat indes nicht zur Konsequenz, dass der Anspruch auch für zukünftige Zeitabschnitte ausgeschlossen ist. Insoweit enthob auch eine etwaige Festlegung des Klägers auf die G. Q. O. die Beklagte nicht von der ihr nach dem SGB VIII obliegenden Verpflichtung zur zeitgerechten Überprüfung des Anspruchs des Klägers.
125Auch die weiteren Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII liegen vor. Zum einen ist die Anforderung des § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII erfüllt. Der Senat sieht es mit der im Nachhinein noch erreichbaren Sicherheit für das hier streitgegenständliche Schuljahr 2012/2013 als gegeben an, dass der Kläger gegen die Beklagte gemäß § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 SGB VIII i.V.m. §§ 53, 54 SGB XII, § 12 Nr. 2 EinglVO einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschulung an der G. Q. O. zur Erreichung einer angemessenen Bildung besessen hat.
126Zunächst gehört auch die Übernahme der Kosten einer Privatbeschulung zu den grundsätzlich nach § 35a SGB VIII möglichen Hilfemaßnahmen. Die von der Beklagten im ablehnenden Bescheid vom 19. März 2013 vertretene Ansicht, dass die Übernahme von Schulgeld für eine private Ersatzschule als eine vom Kernbereich der pädagogischen Arbeit umfasste Leistung keine im Rahmen der Eingliederungshilfe vom Sozialhilfeträger zu erbringende Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII ist,
127so BSG, Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 10/11 R -, BSGE 112, 196, juris,
128steht dem Kostenübernahmeanspruch des Klägers nicht entgegen, auch wenn § 35a Abs. 3 SGB VIII u.a. auf § 54 SGB XII verweist. Eine Übertragung dieser sozialgerichtlichen Rechtsprechung auf den Bereich der jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfe, die zu dem - nach Auffassung des Senats unhaltbaren - Ergebnis führen würde, dass Privatschulkosten durch den Träger der Jugendhilfe in keinem Fall zu übernehmen sind, also auch dann nicht, wenn im Einzelfall davon auszugehen ist, dass eine bedarfsdeckende Hilfe im öffentlichen Schulwesen nicht zu erhalten ist, kommt aufgrund der folgenden Erwägungen nicht in Betracht:
129Zunächst ist aus dem Wortlaut von § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, § 12 EinglVO nicht abzuleiten, dass „Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung“ nur die Schulbildung begleitende bzw. unterstützende Leistungen sind, wie vom Bundessozialgericht angenommen.
130Vgl. hierzu neben der vorstehend zitierten Entscheidung auch BSG, Urteil vom 22. März 2012
131- B 8 SO 30/10 R -, BSGE 110, 301, juris.
132Der Begriff der „Hilfen“ ist zielorientiert und daher umfassend zu verstehen. Er ist nicht auf Maßnahmen limitiert, die an eine anderweitig gewährleistete Schulbildung angelehnt sind. Dabei ergibt sich aus § 12 EinglVO nichts anderes. Dementsprechend hatte das Bundesverwaltungsgericht schon zum seinerzeit noch geltenden § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG festgestellt, dass die hiernach möglichen Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung „nicht auf solche untergeordneter oder flankierender Art beschränkt“ sind und auch solche Hilfen umfassen, die dem behinderten Menschen „Zugang zu einer angemessenen Schulbildung“ ermöglichen.
133Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 5 C 20.04 -, BVerwGE 123, 316, juris.
134Die auf der Annahme eines Verhältnisses der Spezialität beruhende Argumentation des Bundessozialgerichts lässt sich aber vor allem deshalb nicht fruchtbar machen, weil bei der hier in Rede stehenden jugendhilferechtlichen Fallgestaltung das Verständnis des § 10 Abs. 1 SGB VIII im Vordergrund steht, wonach die „Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, … durch dieses Buch nicht berührt“ werden. Diese Regelung beschreibt aber nach allgemeiner Auffassung ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis.
135Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010 - 5 C 7.09 -, BVerwGE 137, 85, juris; OVG O. , Beschluss vom 18. Oktober 2012 - 12 B 1018/12 -, juris; HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1874/08 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 23. April 2009 - 12 CE 09.686 -, juris; NdsOVG, Urteil vom 27. April 2005 - 4 LC 343/04 -, JAmt 2005, 360, juris; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 10 Rn. 20 ff.; Schellhorn, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 4. Auflage 2012, § 10 Rn. 6 ff., Meysen, in: Münder/Mey-sen/Trenczek, FK-SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 10 Rn. 2 ff.
136Von diesem Verständnis geht auch die Begründung zum Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) aus, mit dem die „Schulen“ erstmals ausdrückliche Erwähnung in § 10 Abs. 1 SGB VIII gefunden haben, indem sie darauf abstellt, dass die „Leistungen der Schulträger vorrangig gegenüber Leistungen der Sozialhilfe zu erbringen sind“.
137Vgl. BT-Drs. 15/5616, S. 25.
138Dass die Übernahme der Kosten für den Besuch einer Privatschule als Leistung der Eingliederungshilfe in der Form der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung i.S.d. § 35a Abs. 3 des SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII in Betracht kommen kann, hat das Bundesverwaltungsgericht jüngst als grundsätzlich geklärt angesehen. Es hat dazu ausgeführt, dass die Bereitstellung der räumlichen, sächlichen, personellen und finanziellen Mittel für die Erlangung einer angemessenen, den Besuch weiterführender Schulen einschließenden Schulbildung auch solcher Kinder und Jugendlicher, deren seelische Behinderung festgestellt ist oder die von einer solchen bedroht sind, grundsätzlich nicht dem Träger der Kinder- und Jugendhilfe, sondern dem Träger der Schulverwaltung obliege. Da die Schulgeldfreiheit in Verbindung mit der Schulpflicht eine Leistung der staatlichen Daseinsvorsorge darstelle und aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialgesetzbuches gefunden habe, sei grundsätzlich für einen gegen den Träger der Kinder- und Jugendhilfe gerichteten Rechtsanspruch auf Übernahme der für den Besuch einer Privatschule anfallenden Aufwendungen (Aufnahmebeitrag, Schulgeld etc.) kein Raum. Ausnahmen von diesem durch das Verhältnis der Spezialität geprägten Grundsatz seien nur für den Fall in Betracht zu nehmen, dass auch unter Einsatz unterstützender Maßnahmen keine Möglichkeit bestehe, den Hilfebedarf des jungen Menschen im Rahmen des öffentlichen Schulsystems zu decken, mithin diesem der Besuch einer öffentlichen Schule aus objektiven oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen unmöglich bzw. unzumutbar sei.
139Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 2015
140- 5 B 61.14 -, juris.
141Eine derartige Ausnahmekonstellation lag im Fall des Klägers im Schuljahr 2012/2013 vor. Dabei ist unstreitig, dass auch in diesem Zeitraum die Voraus-setzungen des § 35a SGB VIII vorlagen. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur seelischen Beeinträchtigung des Klägers und der hieraus resultierenden Teilhabebeeinträchtigung Bezug genommen werden; es erscheint ausgeschlossen, dass sich die Situation insoweit im Schuljar 2012/2013 wesentlich anders dargestellt hat als im Schuljahr 2013/2014, zu dem das Verwaltungsgericht seine Ausführungen gemacht hat.
142Der Besuch der G. Q. O. stellt sich im Schuljahr 2012/2013 auch als erforderliche und geeignete Maßnahme der Jugendhilfe dar. Dabei folgt aus den Grundsätzen zum Systemversagen, dass die Erforderlichkeit und Eignung der selbstbeschafften Maßnahme hier aus der damaligen Perspektive des leistungsberechtigten Klägers zu beurteilen ist.
143Denn auch bei der Selbstbeschaffung einer aus fachlichen Gründen abgelehnten bzw. vom Hilfeplan ausgeschlossenen Leistung ist im Hinblick auf § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zunächst zu prüfen, ob der vom Jugendamt aufgestellte Hilfeplan (bzw. das Hilfekonzept) verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, nicht von sachfremden Erwägungen beeinflusst und fachlich vertretbar ist. Diese Prüfung erstreckt sich dabei nicht auf eine reine Ergebniskontrolle, sondern erfasst auch die von der Behörde - maßgeblich ist die letzte Behördenentscheidung - gegebene Begründung. Denn diese muss für den Betroffenen nachvollziehbar sein, um ihn in die Lage zu versetzen, mittels einer Prognose selbst darüber zu entscheiden, ob eine Selbstbeschaffung (dennoch) gerechtfertigt ist. Hat das Jugendamt die begehrte Hilfe aus im vorgenannten Sinne vertretbaren Erwägungen abgelehnt, besteht weder ein Anspruch des Betroffenen auf die begehrte Eingliederungshilfeleistung noch auf den Ersatz von Aufwendungen für eine selbst beschaffte Hilfe. Der Regelung des § 36a Abs. 3 SGB VIII liegt in dem Sinne der Gedanke des Systemversagens zugrunde, dass die selbst beschaffte Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt worden sein muss. Hat demgegenüber das Jugendamt nicht rechtzeitig oder nicht in einer den vorgenannten Anforderungen entsprechenden Weise über die begehrte Hilfeleistung entschieden, können an dessen Stelle die Betroffenen den sonst der Behörde zustehenden nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Denn in dieser Situation sind sie - obgleich ihnen der Sachverstand des Jugendamtes fehlt - dazu gezwungen, im Rahmen der Selbstbeschaffung des § 36a Abs. 3 SGB VIII eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme zu treffen. Weil nun ihnen die Entscheidung aufgebürdet ist, eine angemessene Lösung für eine Belastungssituation zu treffen, hat dies zur Folge, dass die Verwaltungsgerichte nur das Vorhandensein des jugendhilferechtlichen Bedarfs uneingeschränkt zu prüfen, sich hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe aber auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten zu beschränken haben. Ist die Entscheidung der Berechtigten in diesem Sinne fachlich vertretbar, kann ihr etwa im Nachhinein nicht mit Erfolg entgegnet werden, das Jugendamt hätte eine andere Hilfe für geeignet gehalten.
144Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
145- 5 C 21.11 -, BVerwGE 145, 1, juris; zum Systemversagen vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 -, JAmt 2014, 41, juris.
146Ausgehend von diesen Maßstäben ist zunächst festzustellen, dass es bis zum Erlass des ablehnenden Bescheides der Beklagten vom 19. März 2013 schon deshalb den Eltern des Klägers oblag, über die Eignung und Erforderlichkeit der selbstbeschafften Hilfe zu befinden, weil es an einer auf ihre Vertretbarkeit hin zu prüfenden Entscheidung des Jugendamtes von vornherein fehlte. Durch den Erlass des Bescheides vom 19. März 2013 ist keine erhebliche Änderung der Sachlage eingetreten. Die der Antragsablehnung zugrundeliegenden Erwägungen offenbaren eine Überschreitung der Grenzen fachlicher Vertretbarkeit, die das Jugendamt bei seiner Entscheidungsfindung zu beachten gehabt hätte.
147Das Jugendamt der Beklagten hat im Bescheid vom 19. März 2013 darauf verwiesen, dass die Vermittlung einer Schulbildung in erster Linie Aufgabe der staatlichen Schulverwaltung sei. Nach der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen seien Kinder mit Autismus vorrangig in die Regelschule zu integrieren. Der Förderbedarf behinderter Kinder könne auch in integrativen Lerngruppen im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts gedeckt werden. Es kämen verschiedene unterstützende Hilfemaßnahmen in Betracht, um einen durch die Behinderung bestehenden Nachteil auszugleichen. Durch ein AO-SF-Verfah-ren sei ein bestehender sonderpädagogischer Bedarf zu ermitteln und durch eine Schule mit geeignetem Förderschwerpunkt sei der bestehende Nachteil auszugleichen.
148Der damit erfolgte Verweis des Klägers auf das öffentliche Schulsystem war fachlich nicht vertretbar. Ein seelisch behindertes oder von einer solchen Behinderung bedrohtes Kind muss sich in Anwendung des Nachranggrundsatzes aus § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nur dann auf das öffentliche Schulsystem verweisen lassen, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auch zur Verfügung steht, d. h. präsent ist,
149vgl. OVG O. , Urteil vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, juris; Beschluss vom 19. September 2011 - 12 B 1040/11 -, juris; siehe auch HessVGH, Urteil vom 20. August 2009 - 10 A 1874/08 -, juris,
150beziehungsweise eine Verpflichtung des Schulsystems rechtzeitig realisierbar und nach den Umständen des Einzelfalles im öffentlichen Schulwesen eine bedarfsdeckende Hilfe zu erhalten ist.
151Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012
152- 5 C 21.11 -, juris.
153Der gegebenenfalls unter Beteiligung der Schulaufsichtsbehörden zu führende Nachweis einer solchen bedarfsdeckenden Hilfe im öffentlichen Schulsystem durch Aufzeigen einer konkreten Alternative zum Privatschulbesuch obliegt dem Jugendamt.
154Vgl. OVG O. , Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris; Urteil vom 25. April 2012
155- 12 A 659/11 -, juris.
156Ein Eingriff in die Rechte der Eltern des hilfebedürftigen Kindes ist im Nachweis einer Schule, durch deren Besuch der jeweilige Hilfebedarf gedeckt werden kann, keinesfalls zu sehen.
157Den Nachweis einer solchen konkreten Alternative zum Privatschulbesuch hat die Beklagte allein durch den bloßen Verweis darauf, es kämen „verschiedene unterstützende Hilfemaßnahmen“ in Betracht, indes nicht erbracht. Sie hat dem Kläger im gesamten Verfahren keine öffentliche Schule nachgewiesen, auf der sein sowohl im Kurzbericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 als auch im Schulbericht vom 10. Mai 2012 beschriebener Bedarf an einem Unterricht in einer kleinen Klasse (5-6 Schüler) und hoher Betreuungsdichte hätte gedeckt werden können. Die Annahme, dieser Bedarf an einer Beschulung in einer kleinen Klasse könne bei Unterstützung durch einen Integrationshelfer auch durch den Besuch einer Regelschule mit normaler Klassenstärke gedeckt werden, ist angesichts des Fehlens jeden objektiven Anhaltspunktes für ihre Trag-fähigkeit fachlich nicht vertretbar.
158Auf den Besuch einer Förderschule konnte die Beklagte den Kläger bereits deshalb nicht verweisen, weil der Verweis auf eine Beschulung an einer öffentlichen Förderschule anstelle einer privaten Bildungseinrichtung nur in Betracht kommt, wenn eine diesbezügliche wirksame schulrechtliche Entscheidung über einen sonderpädagogischen Förderbedarf und den Förderort vorliegt, was hier nicht der Fall war.
159Vgl. OVG O. , Beschluss vom 18. Dezember 2013 - 12 B 1190/13 -, juris, m.w.N.
160Davon abgesehen hat die F. -L1. -Schule einen Wechsel des Förderschwerpunktes im Mai 2012 offenbar nicht für notwendig erachtet. Anderenfalls wäre die Schulaufsichtsbehörde darüber zu unterrichten gewesen (vgl. § 18 Abs. 3 AO-SF).
161Kommt es für die Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe mithin auf die ex-ante-Betrachtung des leistungsberechtigten Klägers an, hier bezogen auf den Zeitpunkt vor Beginn des Schuljahres 2012/2013, erschien es aus dessen Perspektive - bzw. letztlich aus dem Blickwinkel der ihn gesetzlich vertretenden Eltern - ohne Weiteres fachlich vertretbar, sich für eine (weitere) Beschulung auf der G. Q. O. zu entscheiden. Dass diese Bildungseinrichtung geeignet ist, dem Kläger auch in Ansehung seines spezifischen Beeinträchtigungsprofils eine adäquate Schulbildung zu vermitteln, begegnet auch nicht deshalb Zweifeln, weil die G. Schule O. kein ausgewiesenes Konzept für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Erkrankungen aus dem Autismus-Spektrum besitzt, denn nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers haben die Lehrkräfte der Privatschule Erfahrungen mit Schülern mit Störungen aus dem Autismus-Spektrum und besuchen entsprechende Fortbildungen. Auch der Kurzbericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 riet lediglich zur Betreuung durch ein gut geschultes, im Umgang mit stark auffälligen, sozialverhaltensgestörten und autistischen Kindern erfahrenes pädagogisches Team, ohne ein auf autistische Störungen spezialisiertes Konzept für angeraten zu halten.
162Die seinerzeit getroffene Entscheidung erwies sich auch nicht unter dem Erfor-derlichkeitsaspekt als unvertretbar. Nach den fachlichen Erkenntnissen und vorliegenden Erfahrungen - insbesondere mit Blick auf die Schulwechsel des Klägers in der Vergangenheit - mussten die Eltern mit der konkreten Gefahr rechnen, dass ihr Sohn auf einer staatlichen Schule nicht angemessen beschult werden könne und die ohnehin bestehende Teilhabebeeinträchtigung sich erheblich verschlimmern würde. In dieser Situation war ihnen nicht zuzumuten, den Kläger erneut auf einer Regelschule anzumelden, zumal es der Beklagten, wie dargelegt, im Verwaltungsverfahren nicht gelungen war, eine tragfähig begründete Entscheidung zu treffen, und sich überdies abzeichnete, dass der im Mai 2012 aufgenommene Besuch der Q. erfolgreich verlief.
163Auch die Bestimmungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl. II 2008 S. 1420) stehen der Kostenübernahme der Privatschulkosten durch die Beklagte nicht entgegen. Gemäß Art. 24 Abs. 1 der Konvention erkennen die Vertragsstaaten das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung an. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen. Dabei stellen die Vertragsstaaten nach Art. 24 Abs. 2 der Konvention sicher, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden (a)), Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben (b)), angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden (c)), Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern (d)) und in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden (e)).
164Dieser Bestimmung lässt sich - unabhängig von der Frage ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit - keinesfalls ein Verbot entnehmen, einen behinderten Schüler auf einer Privatschule, an der behinderte und nichtbehinderte Kinder und Jugendliche gemeinsam unterrichtet werden, zu fördern, wenn und soweit das staatliche Schulsystem (noch) keine adäquate Förderung zur Verfügung stellt.
165Vgl. hierzu auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 18. März 2014 - J 1.460 Sch -, JAmt 2004, 253, wonach Art. 24 UN-Behindertenkonvention dazu führt, dass der Hilfebedürftige gegenüber dem Privatschulbesuch nicht auf den möglichen Besuch einer Förderschule verwiesen werden darf.
166Schließlich ist auch davon auszugehen, dass die Deckung des Bedarfs i.S.v. § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII keinen zeitlichen Aufschub mehr geduldet hat. Mit Blick darauf, dass der sonderpädagogische Förderbedarf aufgehoben war, eine Beschulung des Klägers auf einer Förderschule damit nicht in Betracht kam, und angesichts der sowohl im Schulbericht vom 10. Mai 2012 als auch im Bericht der S. L2. W. vom 26. März 2012 zum Ausdruck kommenden Bedarfslage des Klägers war es diesem nicht zuzumuten, sich zunächst auf eine weitere Beschulung an einer Regelschule einzulassen, nachdem die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfeplanung nicht aufzuzeigen vermochte hatte, dass dieser Weg zu einer adäquaten Bedarfsdeckung führte. Von einem unaufschiebbaren Bedarf ist nämlich regelmäßig gerade auch dann auszugehen, wenn der bei Kindern und Jugendlichen dauerhaft bestehende Bedarf an adäquater Bildungsvermittlung wegen drohenden Verlustes an Zeit, die nicht nachgeholt, sondern nur angehängt werden kann, nicht mehr oder nicht ausreichend gedeckt werden kann.
167Vgl. bereits Zulassungsbeschluss des Senates vom 30. Oktober 2014 - 12 A 1639/14 -, juris.
168Als „erforderliche Aufwendungen", welche die Beklagte nach alldem gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII für die selbst beschaffte Hilfe im hier allein streitgegenständlichen Schuljahr 2012/2013 zu übernehmen verpflichtet ist, sind in Anwendung des Rechtsgedankens des § 683 Satz 1 i. V. m. § 670 BGB diejenigen Aufwendungen anzusehen, welche die Eltern des Klägers nach ihrem subjektiv vernünftigen Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Jugendhilfeträgers für erforderlich halten durften.
169Vgl. OVG O. , Urteile vom 25. April 2012 - 12 A 659/11 -, JAmt 2012, 48, juris, und vom 22. August 2014 - 12 A 3019/11 -, juris, sowie Beschluss vom 28. Juni 2012 - 12 A 2374/11 -, juris.
170Darunter fallen zunächst das monatlich an die Privatschule zu zahlende Schulgeld sowie die Fahrtkosten. Zudem zählen hierzu auch die Kosten für Schulbücher und Klassenfahrten und -ausflüge.
171Der Senat ist nicht deshalb daran gehindert, über den Umfang der für das Schuljahr 2012/2013 zu erstattenden Kosten zu entscheiden, weil das Verwaltungsgericht für das Schuljahr 2013/2014, das auch in dieser Hinsicht nicht mehr streitgegenständlich ist, entschieden hat, dass die Kosten für Schulbücher, Klassenfahrten und -ausflüge nicht von der Beklagten zu erstatten sind. Weder aus dem Zulassungsbeschluss noch aus dem Berufungsantrag des Klägers ist eine derartige Beschränkung zu entnehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger, soweit es den hier noch im Streit stehenden Zeitraum betrifft, am erstinstanzlich geltend gemachten Umfang des Kostenerstattungsanspruchs festhält, der sich nach der im Schriftsatz vom 20. Mai 2014 aufgeführten Kostenaufstellung ersichtlich auch auf die Aufwendungen für Lernmittel und Klassenfahrten und ‑ausflüge erstreckte.
172Die Kosten für Bücher und Klassenfahrten und -ausflüge sind auch von der Beklagten zu übernehmen. Es handelt sich insoweit um Aufwendungen die durch den Besuch einer bestimmten, aufgrund der Behinderung des Klägers für notwendig erachteten Einrichtung bedingt sind.
173Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation auch BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1975 - V C 19.74 -, BVerwGE 48, 228, juris; VG München, Urteil vom 28. Januar 2004 - M 18 K 03.6555 -, juris.
174Diese Kosten entstehen nicht wie bei nichtbehinderten Schülern als notwendige Bedürfnisse des täglichen Lebens, sondern notwendigerweise durch die besonderen Verhältnisse der Behinderung. Dies gilt in besonderem Maße für die Kosten für Klassenfahrten und -ausflüge, die nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers wichtiger Bestandteil des pädagogischen Konzepts der Privatschule sind. Insoweit kommt es auf die hypothetische Kontrollüberlegung, ob derartige Kosten bei Besuch einer Regelschule ebenso entstehen würden, nicht an.
175Vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1975
176- V C 19.74 -, BVerwGE 48, 228, juris.
177Der Kläger durfte diese Aufwendungen auch für erforderlich halten; es ist nicht ersichtlich, wie er eine angemessene Schulbildung an der Privatschule ohne Schulbücher und Deutschlektüren hätte erhalten sollen. Dasselbe gilt angesichts der Verankerung der Veranstaltungen im pädagogischen Konzept der G. Schule O. auch für die schulischen Veranstaltungen in Form von Klassenfahrten und -ausflügen.
178Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenverteilung im zweitinstanzlichen Verfahren berücksichtigt dabei die unterschiedlichen Erfolgsquoten des Klägers im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
179Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
180Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.
(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur
- 1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen, - 2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, - 3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten, - 3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen, - 4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, - 5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, - 6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, - 7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.
(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.
(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.
(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Soweit sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert richten, bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. In Verfahren, in denen Kosten nach dem Gerichtskostengesetz oder dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen erhoben werden, sind die Wertvorschriften des jeweiligen Kostengesetzes entsprechend anzuwenden, wenn für das Verfahren keine Gerichtsgebühr oder eine Festgebühr bestimmt ist. Diese Wertvorschriften gelten auch entsprechend für die Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand der Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte. § 22 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) In Beschwerdeverfahren, in denen Gerichtsgebühren unabhängig vom Ausgang des Verfahrens nicht erhoben werden oder sich nicht nach dem Wert richten, ist der Wert unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach Absatz 3 Satz 2 zu bestimmen, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt. Der Gegenstandswert ist durch den Wert des zugrunde liegenden Verfahrens begrenzt. In Verfahren über eine Erinnerung oder eine Rüge wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs richtet sich der Wert nach den für Beschwerdeverfahren geltenden Vorschriften.
(3) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gelten in anderen Angelegenheiten für den Gegenstandswert die Bewertungsvorschriften des Gerichts- und Notarkostengesetzes und die §§ 37, 38, 42 bis 45 sowie 99 bis 102 des Gerichts- und Notarkostengesetzes entsprechend. Soweit sich der Gegenstandswert aus diesen Vorschriften nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 5 000 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500 000 Euro anzunehmen.
(1) Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest.
(2) Der Antrag ist erst zulässig, wenn die Vergütung fällig ist. Antragsberechtigt sind der Rechtsanwalt, der Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und in den Fällen des § 45 die Staatskasse.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 1 können die Antragsberechtigten Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird.
(4) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht, in Zivilsachen der in § 119 Absatz 1 Nummer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art jedoch das Oberlandesgericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(5) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. Absatz 4 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend.
(6) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 Satz 1 und 4 und Absatz 5 gelten entsprechend.
(7) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.
(8) Das Gericht entscheidet über den Antrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(9) Das Verfahren über den Antrag ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet; dies gilt auch im Verfahren über die Beschwerde.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.