Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 04. Juli 2016 - 12 K 6462/14
Gericht
Tenor
Der Bescheid über die Festsetzung und Erhebung eines Erschließungsbeitrages vom 29. August 2014 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung F. , Flur 000, Flurstück 000, in X1. (postalisch: Am X. 29).
3Die Straße Am X. verläuft in X1. -F. als Sackgasse in südwestlicher Richtung von B. S. Straße bis zu einem Wendehammer.
4Die Beklagte ließ dort Ende 1983 erstmals eine Straßenbeleuchtungsanlage errichten. Die Fahrbahn wurde im Jahr 1984 mit einer Decke aus Asphaltbeton und Randeinfassungen ausgebaut. Eine Straßenentwässerung wurde in Form eines Regenwasserkanals mit angeschlossenen Sinkkästen hergestellt. Ebenso wurden die beidseitigen Gehwege in Asphaltbetonbauweise ausgebaut und mit Randeinfassungen zu den anliegenden Privatgrundstücken versehen. Allerdings sind diese Randeinfassungen (heute) nicht durchgehend vorhanden. Solche fehlen auf einer Gesamtlänge von ca. 25 m u.a. vor den Grundstücken Am X. Hausnummern 6, 15, 16/18, und 20. Der südöstliche Gehweg wurde um ca. 26 m² über die im Bebauungsplan Nr. 000 festgesetzte Straßenbegrenzungslinie hinaus ausgebaut.
5Die letzte Baumaßnahme wurde am 16. Mai 1984 abgenommen.
6Der Rat der Beklagten beschloss am 28. Februar 2011 den Erlass einer Abweichungssatzung. Diese sah vor, dass die Erschließungsanlage Am X. zwischen B. S. Straße und Wendehammer abweichend von der Herstellungsmerkmalen des § 9 der Satzung über die Erhebung des Erschließungsbeitrages in der Stadt X1. vom 27. Dezember 1994 (im Folgenden: „EBS“) als endgültig hergestellt gelten sollte, obwohl sich die in § 1 Abs. 2 der Abweichungssatzung bezeichneten Gehwegsflächen nicht im Eigentum der Stadtgemeinde X1. befänden und in den in § 1 Abs. 3 der Abweichungssatzung bezeichneten Bereichen die erforderlichen Randeinfassungen zwischen Gehweg und Anliegergrundstücken fehlten.
7Die Bezirksvertretung F. erklärte am 11. Juni 2012 den Verzicht auf die Geltendmachung von Mehrkosten des planüberschreitenden Ausbaus.
8Der Oberbürgermeister der Beklagten erhob mit Bescheid über die Festsetzung und Erhebung eines Erschließungsbeitrages vom 29. August 2014 für die erstmalige endgültige Herstellung der Anlage Am X. von der Klägerin einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 3.631,37 Euro.
9Die Klägerin hat am 1. Oktober 2014 Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Eine Ermächtigungsgrundlage für den Bescheid sei nicht ersichtlich. Die Mehrkostenverzichtserklärung stelle keine Grundlage für die erfolgte Berechnung von Erschließungskosten dar. Die von der Beklagten beschlossene Abweichungssatzung sei zudem nichtig.
10Die Klägerin hält die Beitragsfestsetzung für verjährt. Die Straße Am X. sei bereits im Jahr 1984 vollständig erschlossen gewesen. Die Anlage sei faktisch seit 30 Jahren unverändert.
11Die vor dem klägerischen Grundstück angeblich fehlenden 0,90 m² Randeinfassungen seien tatsächlich vorhanden. Vor dem Grundstück Am X. 30 könnten angesichts der Hanglage und der vorhandenen Stützmauer keine Randeinfassungen eingebaut werden. Im gesamten Straßenbereich seien vollumfänglich Randeinfassungen vorhanden, soweit technisch möglich.
12Die Klägerin beantragt,
13den Bescheid über die Festsetzung und Erhebung eines Erschließungsbeitrages vom 29. August 2014 aufzuheben.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie trägt im Wesentlichen vor: Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides seien §§ 127 ff. BauGB i.V.m. der EBS.
17Neben der technischen Herstellung der Anlage müssten auch weitere rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein, um eine Erschließungsbeitragspflicht entstehen zu lassen.
18Die Straßenbeleuchtungsanlage der Anlage Am X. sei seit Ende 1983, die Fahrbahn und die Straßenentwässerungsanlage seien seit 1984 programmgemäß hergestellt. Bei den hergestellten Gehwegen hätten indes noch die erforderlichen Randeinfassungen gefehlt. Diese Teileinrichtung sei damit noch nicht endgültig hergestellt gewesen. Zudem hätten sich die ausgebauten Flächen nicht vollständig im Eigentum der Beklagten befunden. Diese Abweichungen von den Herstellungsmerkmalen der maßgeblichen Erschließungsbeitragssatzung seien Anlass für den Erlass der Abweichungssatzung gewesen.
19Mit Blick auf den planüberschreitenden Mehrausbau des südöstlichen Gehwegs sei die sachliche Beitragspflicht erst mit Abgabe der Mehrkostenverzichtserklärung am 11. Juni 2012 entstanden.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Die zulässige Klage ist begründet.
23Der angefochtene Bescheid über die Festsetzung und Erhebung eines Erschließungsbeitrags vom 29. August 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24Er verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.
25Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schützt das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können.
26Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 3. September 2013 – 1 BvR 1282/13 –, juris, Rn. 7, und vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris, Rn. 41; Driehaus, Zeitliche Grenzen für die Erhebung kommunaler Abgaben, KStZ 2014, 181.
27Diese Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts gelten nicht nur für die dort entschiedene Konstellation, in der die Gemeinde auf Grundlage des dortigen Landesrechts eine unwirksame Beitragssatzung zeitlich unbegrenzt mit Wirkung für die Vergangenheit heilen konnte. Gleiches gilt vielmehr für alle Fallgestaltungen, in denen die abzugeltende Vorteilslage in der Sache eintritt, die daran anknüpfenden Beitragsansprüche aber wegen des Fehlens einer sonstigen Voraussetzung nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können. Denn auch in solchen Fällen wird der Beitragsschuldner hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden tatsächlichen Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss.
28Vgl. Bayerischer VGH (BayVGH), Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12/704 –, juris, Rn. 21f.; VG Dresden, Urteil vom 14. Mai 2013 – 2 K 742/11 –, juris, Rn. 42; Driehaus, Zeitliche Grenzen für die Erhebung kommunaler Abgaben, KStZ 2014, 181, 182f.
29Eine solche Fallgestaltung, in der der Beitragsschuldner dauerhaft über künftige Belastungen im Unklaren gelassen wird, liegt hier vor. Denn weder das Baugesetzbuch noch die Abgabenordnung enthalten eine ausdrückliche Regelung zu einer abschließenden Zeitgrenze, bis zu der Erschließungsbeiträge erhoben werden können; insbesondere ist der erhebungsberechtigten Gemeinde nicht vorgegeben, innerhalb welcher Zeitspanne sie die regelmäßig in ihrer Verantwortung liegenden Entstehensvoraussetzungen herbeizuführen hat, um den Beitrag anschließend festsetzen zu können.
30Vgl. BayVGH, Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12/704 –, juris, Rn. 21f.; VG Dresden, Urteil vom 14. Mai 2013 – 2 K 742/11 –, juris, Rn. 42; Driehaus, Zeitliche Grenzen für die Erhebung kommunaler Abgaben, KStZ 2014, 181, 184f.
31Das erkennende Gericht hält die Festsetzung von Erschließungsbeiträgen vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund – ohne Rücksicht auf das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht und unbeschadet der Verjährungsregelungen – für ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen einer abzugeltenden Vorteilslage durch die endgültige technische Herstellung der Erschließungsanlage mehr als 30 Jahre vergangen sind.
32Vgl. BayVGH, Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12/704 –, juris, Rn. 21f.; Driehaus, Zeitliche Grenzen für die Erhebung kommunaler Abgaben, KStZ 2014, 181, 184.
33Diese Ausschlussfrist ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW. Nach dieser Vorschrift beginnt eine Ausschlussfrist von 30 Jahren, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift findet auf den vorliegenden Fall analoge Anwendung. Die in § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW zum Ausdruck kommende Wertung des Landesgesetzgebers, die Durchsetzbarkeit eines durch Verwaltungsakt festsetzbaren Anspruchs der öffentlichen Hand zeitlich zu beschränken und dazu die längste im Zivilrecht vorgesehene Frist von 30 Jahren festzulegen (vgl. § 197 BGB), gilt im Erschließungsbeitragsrecht gleichermaßen. Denn in dieser Vorschrift hat der Landesgesetzgeber eine ihrer Zielrichtung nach vergleichbare und damit auf das Kommunalabgabenrecht übertragbare allgemeine Höchstfrist für die Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Ansprüche normiert.
34Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 26. Mai 2014 – 15 A 2789/13 –, juris, Rn. 8; BayVGH, Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12/704 –, juris, Rn. 21f.; VG Dresden, Urteil vom 14. Mai 2013 – 2 K 742/11 –, juris, Rn. 42; Driehaus, Zeitliche Grenzen für die Erhebung kommunaler Abgaben, KStZ 2014, 181, 184f.
35Die Frist beginnt mit dem Entstehen einer erschließungsbeitragsrechtlich abzugeltenden Vorteilslage. Eine solche Vorteilslage entsteht durch die endgültige technische Herstellung der Erschließungsanlage.
36Vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof (HessVGH), Beschluss vom 4. Februar 2016 – 5 A 1104/15.Z –, Seite 3f. des amtlichen Umdrucks; BayVGH, Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12/704 –, juris, Rn. 21f.; Driehaus, Zeitliche Grenzen für die Erhebung kommunaler Abgaben, KStZ 2014, 181, 183f.
37Die Anlage ist endgültig technisch hergestellt, wenn die technischen Herstellungsmerkmale im Sinne von § 132 Nr. 4 BauGB i.V.m. der maßgeblichen Satzung erfüllt sind, d.h. wenn sie erstmals die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm (für die nicht flächenmäßigen Teileinrichtungen) und dem (dieses Teileinrichtungsprogramm bezüglich der flächenmäßigen Teileinrichtungen ergänzenden) Bauprogramm erforderlichen Teileinrichtungen aufweist und diese dem jeweils für sie aufgestellten technischen Ausbauprogramm entsprechen.
38Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 10. Oktober 1995 – 8 C 13/94 –, juris, Rn. 19; OVG NRW, Beschluss vom 29. September 2015 – 15 A 1163/14 –, Seite 4 des amtlichen Umdrucks.
39Hiervon ausgehend ist die Festsetzung von Erschließungsbeiträgen für die Anlage Am X. ausgeschlossen. Denn seit dem Entstehen der Vorteilslage durch die endgültige technische Herstellung der Erschließungsanlage sind mehr als 30 Jahre vergangen.
40Die Vorteilslage durch die endgültige technische Herstellung entstand am 16. Mai 1984. Denn zu diesem Zeitpunkt wurde die letzte Baumaßnahme abgenommen. Die Anlage verfügte zu diesem Zeitpunkt über die programmgemäß hergestellten Teileinrichtungen Straßenentwässerung und Straßenbeleuchtung (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EBS). Auch die Fahrbahn und die Gehwege entsprachen zu diesem Zeitpunkt dem das Teileinrichtungsprogramm bezüglich der flächenmäßigen Teileinrichtungen ergänzenden Bauprogramm (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 EBS), das formlos aufgestellt werden und sich sogar (mittelbar) aus Beschlüssen des Rates oder seiner Ausschüsse sowie den solchen Beschlüssen zugrundeliegenden Unterlagen und selbst aus der Auftragsvergabe ergeben kann.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1995 – 8 C 13/94 –, juris, Rn. 19; OVG NRW, Beschluss vom 29. September 2015 – 15 A 1163/14 –, Seite 5 des amtlichen Umdrucks.
42Nach dem Bauprogramm ist die Straße Am X. in einer Breite von etwa 10,00 m auszubauen, wobei die Fahrbahn ca. 5,50 m und die Gehwege ca. 2,00 m bzw. 2,50 m einnehmen. Diese Planung der flächenmäßigen Bestandteile lässt sich anhand der beigezogenen Verwaltungsvorgänge bis ins Jahr 1969 zurückverfolgen und ergibt sich schließlich aus der Beschlussvorlage zum Mehrkostenverzichtsbeschluss der Bezirksvertretung F. vom 6. April 2009.
43Das technische Ausbauprogramm für die flächenmäßigen Teileinrichtungen gemäß § 9 Abs. 2 EBS war am 16. Mai 1984 ebenfalls erfüllt. Die Vorschrift lautet in ihrem hier relevanten Teil:
44„[…] Fahrbahnen, Gehwege […] sind mit einer Decke aus Asphaltbeton […] mit den dazugehörigen Einfassungen (z.B. Bordsteine) zu versehen.“
45Diese Voraussetzungen waren hinsichtlich der Teileinrichtungen Fahrbahn und Gehwege erfüllt. Denn diese verfügten über eine Decke aus Asphaltbeton.
46Es steht der Annahme einer programmgemäßen Fertigstellung der Gehwege auch – anders als die Beklagte meint – nicht entgegen, dass stellenweise noch Randeinfassungen zwischen den Gehwegen und den angrenzenden Grundstücken fehlten.
47Denn diese fehlenden Randeinfassungen stellen sich jedenfalls nicht als „zugehörige Einfassungen“ im Sinne von § 9 Abs. 2 EBS dar. Dies ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag der Beklagten. Sie hat insofern in der mündlichen Verhandlung ihr Begriffsverständnis dahingehend erläutert, dass eine Einfassung u.a. dann als dazugehörig anzusehen sei, wenn sie technisch erforderlich ist, um den Gehwegbelag gegen Verschiebungen oder ein Abrutschen zu schützen.
48Vorliegend bestand indes keine Gefahr derartiger Verschiebungen oder eines Abrutschens des Gehwegbelags. Denn die Gehwege waren mit Asphaltbeton und nicht etwa mit einem Plattenbelag oder anderen beweglichen Materialien versehen.
49Unabhängig davon stellt das Merkmal „dazugehörige[n] Einfassungen“ kein wirksames Herstellungsmerkmal des technischen Ausbauprogramms im Sinne von § 132 Nr. 4 BauGB i.V.m. § 9 Abs. 2 EBS dar. Denn die technischen Herstellungsmerkmale des Ausbauprogramms sollen es nach dem Gesetzeszweck den Beitragspflichtigen ermöglichen, durch einen Vergleich des technischen Ausbauprogramms mit dem tatsächlichen Zustand, in dem sich die gebaute Anlage befindet, ein Bild darüber zu verschaffen, ob die Anlage endgültig hergestellt ist oder nicht.
50Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Mai 2013 – 9 C 3/12 – juris, Rn. 16 m.w.N., und vom 21. Januar 1977 – IV C 84-92/74 –, juris, Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 22. August 1979 – III A 264/77 –, juris, Rn. 45ff. m.w.N.; BayVGH, Beschluss vom 13. Juni 2016 – 6 ZB 14/2404 –, juris, Rn. 7.
51Dem genügt die Regelung in § 9 Abs. 2 EBS nicht.
52Die Kammer legt die (sprachlich misslungene) Regelung zunächst nach Sinn und Zweck dahingehend aus, dass der Satzteil „mit den dazugehörigen Einfassungen“ sich nicht auf die im Erdreich befindliche Frostschutzschicht, sondern auf den Gehwegoberbau bezieht. Andernfalls hätte die Regelung schon keinen sinnvollen Inhalt. Selbst bei der Auslegung
53„Gehwege sind mit den dazugehörigen Einfassungen (z.B. Bordsteine) zu versehen“.
54kann sich der Beitragspflichtige durch einen Vergleich der Satzungsregelung mit dem tatsächlichen Ausbauzustand kein Bild darüber verschaffen, ob die Anlage endgültig hergestellt ist. Denn wann eine Einfassung „zugehörig“ ist, ist eine Wertungsfrage mit Blick auf die technische Erforderlichkeit der Einfassung.
55Während der Beitragspflichtige bei den übrigen Anforderungen des technischen Ausbauprogramms, etwa der Ausführung der Decke in einer bestimmten Bauweise allein unter Zuhilfenahme der Satzung erkennen oder zumindest objektiv prüfen lassen kann, ob es sich um eine satzungsgemäße Ausführung – etwa in Form von Asphaltbeton – handelt, ist dies bei der Frage, ob eine Einfassung „zugehörig“ ist, nicht möglich.
56Es kann dahinstehen, ob das Merkmal „zugehörig“ durch ein auf die Satzungsregelung des § 9 Abs. 2 EBS bezogenes technisches Bauprogramm wirksam konkretisiert werden könnte. Denn ein solches technisches Bauprogramm für die Anlage Am X. existiert nach Angaben der Beklagten nicht.
57Nach diesen Erwägungen kommt es nicht mehr darauf an, dass der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nach der endgültigen technischen Herstellung am 16. Mai 1984 noch der fehlende Grunderwerb bzw. das Fehlen einer entsprechenden Abweichungssatzung und der Mehrkostenverzichtserklärung im Wege standen.
58Vgl. BayVGH, Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12/704 –, juris, Rn. 22; Driehaus, Zeitliche Grenzen für die Erhebung kommunaler Abgaben, KStZ 2014, 181, 184.
59Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
60Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit und der Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Satz 1 ZPO.
61Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
62Das OVG NRW hat sich bislang – soweit ersichtlich – noch nicht näher dazu geäußert, ob und mit welchen Maßgaben die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur zeitlichen Beschränkung einer Abgabenerhebung durch das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit umzusetzen ist.
63Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Mai 2014 – 15 A 2789/13 –, juris, Rn. 6ff.; HessVGH, Beschluss vom 4. Februar 2016 – 5 A 1104/15.Z -; BayVGH, Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12/704 –, juris.
64Diese Frage hat für eine Vielzahl von Fällen Bedeutung. Denn gerade im Erschließungsbeitragsrecht liegen zwischen der endgültigen technischen Herstellung einer Erschließungsanlage und dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht durch die Erfüllung weiterer rechtlicher Voraussetzungen oftmals erhebliche Zeiträume.
moreResultsText
Annotations
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, hemmt die Verjährung dieses Anspruchs. Die Hemmung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung.
(2) Ist ein Verwaltungsakt im Sinne des Absatzes 1 unanfechtbar geworden, beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre. Soweit der Verwaltungsakt einen Anspruch auf künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt hat, bleibt es bei der für diesen Anspruch geltenden Verjährungsfrist.
(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
- 1.
Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen, - 2.
Herausgabeansprüche aus Eigentum, anderen dinglichen Rechten, den §§ 2018, 2130 und 2362 sowie die Ansprüche, die der Geltendmachung der Herausgabeansprüche dienen, - 3.
rechtskräftig festgestellte Ansprüche, - 4.
Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden, - 5.
Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind, und - 6.
Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung.
(2) Soweit Ansprüche nach Absatz 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist.
Die Gemeinden regeln durch Satzung
- 1.
die Art und den Umfang der Erschließungsanlagen im Sinne des § 129, - 2.
die Art der Ermittlung und der Verteilung des Aufwands sowie die Höhe des Einheitssatzes, - 3.
die Kostenspaltung (§ 127 Absatz 3) und - 4.
die Merkmale der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.