Die Kläger, Mutter mit zwei minderjährigen Kindern, sind syrische Staatsangehörige mit kurdischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten eigenen Angaben zufolge am 20.09.2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 22.01.2015 einen Asylantrag.
Die Klägerin zu 1) gab an, in Syrien einer bewaffneten Einheit angehört zu haben. Da die Kläger eigenen Angaben zufolge in Bulgarien Asylanträge gestellt hatten, hat das … mit Schreiben vom … Bulgarien um Übernahme der Kläger. Dies lehnte Bulgarien mit der Begründung ab, dass den Klägern bereits am 31.07.2014 der Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei und deshalb die Dublin-Ill-Regelungen nicht anwendbar seien. Es sei eine separate Anfrage nach dem Rückübernahmeabkommen zu stellen.
Mit Bescheid vom … lehnte das … die Asylanträge als unzulässig ab und forderte die Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen, widrigenfalls würden sie nach Bulgarien abgeschoben. Die Kläger dürften nicht nach Syrien abgeschoben werden. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Kläger wegen des in Bulgarien gewährten internationalen Schutzes keine weitere Schutzgewährung verlangen könnten. Die Unzulässigkeit ergebe sich aus dem Schutzstatus im sicheren Drittstaat gemäß § 26a AsylVfG). Anstelle der Abschiebungsanordnung gemäß § 34a AsylVfG werde als milderes Mittel eine Abschiebungsandrohung erlassen. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergebe sich aus § 38 Abs. 1 AsylVfG.
Der Bescheid wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde der Klägerin zu 1. persönlich angeblich bereits am 16.04.2015 übergeben.
Gegen diesen Bescheid erhoben die nicht anwaltlich vertretenen Kläger mit Schreiben, eingegangen beim Bayeräschen Verwaltungsgericht Bayreuth am 05.05.2015, Klage. Die Klägerin zu 1. beantragt in der mündlichen Verhandlung sinngemäß, den Bescheid des … vom …, insbesondere dessen Nr. 2 aufzuheben und Sie legte mit Schriftsatz vom 13.07.2015 verschiedene Unterlagen zu ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung vor:
– Attest des Klinikums … vom 29.11.2014: stationärer Aufenthalt vom 29.11.2014 bis 04.12.2014 wegen Spannungskopfschmerz bei posttraumatischer Belastungsstörung; keine morphologische fassbare Ursache, Kriterien einer PtBS seien nicht erfüllt, keine Notwendigkeit einer psychopharmakologischen Therapie
– Attest der Gemeinschaftspraxis Neurologie und Psychiatrie vom 15.06.2015: die Klägerin zu 1. befinde sich seit 19.12.2014 in regelmäßiger ambulanter Behandlung; es bestehe bei ihr eine posttraumatische Belastungsstörung mit situationsabhängigen Ängsten und häufigen Flash-Backs, Schlafstörungen, Alpträumen und ausgeprägten vegetativen Symptomen. Immer wieder träten auch dissoziative Anfälle mit Bewusstseinsstörungen auf. Ein Umzug in die Nähe der Verwandtschaft der Klägerin werde empfohlen.
– Attest des Dr. med. … vom 10.07.2015: Klägerin zu 1) sei am 18.06.2015 infolge einer akuten phlegmonösen Appendizititis operiert worden. Der Allgemeinzustand sei derzeit noch beeinträchtigt und es seien erneut Schmerzen im Mittel- und Oberbauch aufgetreten. Eine Mitbetreuung durch Angehörige sei derzeit auf jeden Fall notwendig.
– Attest des Klinikums … vom 22.08.2015: stationärer Aufenthalt vom 16.06.2015 bis 24.06.2015 wegen akuter Appendizitis
– Attest des Klinikums … vom 08.07.2015: Aufnahme am 08.07.2015 wegen Gefühl des Herzrasens und Kopfschmerzen, Diagnose: posttraumatische Belastungsstörung Ihr Ehemann sei in Kobane, in Syrien am 17.07.2013 ums Leben gekommen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
Mit Beschluss vom 03.07.2015 übertrug das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth den Rechtstreit der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
1. Die Klage ist zulässig. Die Zustellung des Bescheides kann schwerlich vor seinem Erlass erfolgt sein. Da der Bescheid zweifelsfrei das Datum … trägt, kann er nicht bereits am 16.04.2015 zugestellt worden sein. Die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde ist damit grundlegend zweifelhaft. Aus diesem Grund ist mangels eines beweiskräftigen Zustellungsnachweises von einer fristgerecht eingelegten Klageerhebung auszugehen.
2. Die Klage hat Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom … rechtswidrig. Bei den Klägern liegt ein vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteter, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangener Sonderfall vor. Aus diesem Grund verletzt der Bescheid trotz der ihnen in Bulgarien bereits zuerkannten Flüchtlingseigenschaft sie in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1); er ist deshalb aufzuheben. Durch die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides wird ein weiteres Prüfprogramm der Beklagten von Gesetzes wegen ausgelöst.
Den aus Syrien stammenden Klägern wurde in Bulgarien - einem sicheren Drittstaat im Sinn von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 2 AsylVfG - unstrittig der Flüchtlingsschutz zuerkannt. Zwar ist die Beklagte bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur (erneuten) Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland grundsätzlich weder verpflichtet noch berechtigt; ein gleichwohl gestellter Asylantrag betreffend das Heimatland des Asylbewerbers ist danach grundsätzlich unzulässig (BVerwG, Urteil vom 17.06.2014, Az. 10 C 7/13; BayVGH, Beschluss vom 12.01.2015, Az. 20 ZB 14.30091), da ihm nach § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG in diesen Fällen kein Asylrecht zusteht.
Aufgrund des vom Bundesverfassungsgericht zu eben dieser Drittstaatenregelung entwickelten Konzepts der normativen Vergewisserung ist deswegen zunächst grundsätzlich davon auszugehen, dass dort die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996, Az. 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93, in BVerfGE 94, 49-114). Das normative Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG umfasst auch Gefährdungen gemäß § 60 Abs. 5 i.V.m. Abs. 7 Satz 1 AufenthG; einer Prüfung bedarf es deshalb vor einer Aufenthaltsbeendigung in einen sicheren Drittstaat auch insoweit grundsätzlich nicht. Diese Grundsätze gelten entsprechend und erst recht, wenn der Asylantragsteller im sicheren Drittstaat bereits Schutz erhalten hat.
Dem kann nur damit entgegengetreten werden, dass es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass die Betroffenen von einem der vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen sind, wobei an diese Darlegung strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 14.05.1996, a.a.O. zum früheren § 53 Abs. 6 AusIG).
Maßgebend für die gerichtliche Verneinung des Status eines sicheren Drittstaates für international Schutzberechtigte ist nicht, ob deren Lebensverhältnisse in dem Staat den europarechtlichen oder deutschen Anforderungen entsprechen oder prekär sind, sondern ob ein Sonderfall im obengenannten Sinne vorliegt. Hier kommt die im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangene Sonderfallgruppe in Betracht, dass der Drittstaat subsidiär Schutzberechtigte unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) unterwirft.
Die Eingriffsschwelle von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCharta wird durch Missstände im sozialen Bereich nur unter strengen Voraussetzungen überschritten, z.B. hinsichtlich Gesundheitsversorgung und Unterbringung nur bei gänzlicher Versorgungsverweigerung mit existenzbedrohenden oder unmenschlicher Behandlung gleichkommenden Folgen. Unionsrecht schreibt in Art. 38 Abs. 1 Buchst, d der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (ABI. L 180/60 vom 29.06.2013) für das Konzept des sicheren Drittstaats insoweit keinen weitergehenden Rechtsschutz vor.
Wesentliche Kriterien für die zu entscheidende Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende (bzw. „entwürdigende“) Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (vgl. Urteile vom 21.01.2011, Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien in NVwZ 2011, 413, vom 04.11.2014- Nr. 29217/12, Tharakel/Schweiz in juris, und Entscheidung vom 05.02.2015, Nr. 51428/10, A.M.E./Niederlande in juris) der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt (vgl. zu den Anforderungen ausführlich Senatsurteil vom 10.11.2014, Az. A 11 S 1778/14 in AusIR 2015, 77, m.w.N.). Die Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh muss durch wesentliche Gründe (Art. 3 Abs. 2 UA. 2 VO Dublin III; vgl. auch EuGH, Urteil vom 21.12.2011, Az. 0411/10 u.a., N.S. u.a. in NVwZ 2012, 417: „ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe“) gestützt werden. Das bedeutet, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sein müssen; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Europäischen Gerichtshofs gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013, Az. 10 C 23.12 in NVwZ 2013, 936; Beschluss vom 19.03.2014, Az. 10 B 6.14 in juris).
Hinzukommen muss immer, dass der konkrete Schutzsuchende auch individuell betroffen wäre. Es genügt nicht, dass lediglich abstrakt bestimmte strukturelle Schwachstellen festgestellt werden, wenn sich diese nicht auf den konkreten Antragsteller auswirken können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass - eine systemische Schwachstelle unterstellt - einer drohenden Verletzung von Art. 4 GRCh im konkreten Einzelfall gegebenenfalls vorrangig dadurch „vorgebeugt“ werden kann, dass die Bundesrepublik Deutschland die Überstellung im Zusammenwirken mit dem anderen Mitgliedstaat so organisiert, dass eine solche nicht eintreten kann (vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014, Nr. 29217/12, Tharakel/Schweiz in juris; BVerfG, Kammer-beschluss vom 17.09.2014, Az. 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 in juris).
Unter Anlegung der genannten Maßstäbe ist davon auszugehen, dass die Lebensumstände in Bulgarien wegen der schwierigen Situation, in der sich hilflose und psychisch kranke Schutzberechtigte mit ebenso hilflosen minderjährigen Kindern ohne familiären Rückhalt in Bulgarien befinden (vgl. UNHCR, Bulgarien als Asylland, Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien, April 2014, S. 12/13), allgemein als unmenschlich oder erniedrigend einzustufen sind. Dabei wird sowohl berücksichtigt, dass hier das Unionsrecht den Betroffenen lediglich Inländergleichbehandlung (vgl. etwa Art. 26, 27, 28 Abs. 1 29, 30 RL 2011/95/EU -QRL -) oder Gleichbehandlung mit anderen sich rechtmäßig aufhaltenden Ausländern (vgl. Art. 32 und 33 QRL) verspricht und sie damit nur teilhaben an den schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen weiter Teile der bulgarischen Bevölkerung, als auch dass die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht ausreicht, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten (EGMR, Beschluss vom 02.04.2013, Az. 27725/10).
Ausgehend von den Erkenntnissen der mündlichen Verhandlung ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln ausreichende Anhaltspunkte bzw. wesentliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der zukünftige Aufenthalt der Kläger in Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit systemische Schwachstellen im Sinne der angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 21.12.2011, Az. C-411/10 u.a., N.S. u.a. in NVwZ 2012, 417) aufweist, welche gerade die Kläger der konkreten Gefahr aussetzen würden, im Falle einer Rücküberstellung nach Bulgarien ein menschenunwürdiges Dasein fristen zu müssen.
Diese Überzeugung beruht auf folgenden Überlegungen:
Die besonderen, individuellen Lebensumstände der Kläger werden nach den Erkenntnissen der mündlichen Verhandlung und Anhörung der ehrenamtlichen Begleiterin der Klägerin zu 1. durch folgende Faktoren bestimmt:
– Die Klägerin zu 1. und Mutter der beiden Kinder, leidet unter massiven psychischen Beeinträchtigungen. Diese stellen sich nach den glaubwürdigen Darstellungen in der mündlichen Verhandlung und anhand des ärztlichen psychiatrischen Attestes vom 15.06.2015 wie folgt dar: Posttraumatische Belastungsstörung mit situationsbedingten Ängsten, massive Schlafstörungen - Alpträume -mit lautem Schreien, was ihre Kinder sowie die Vermieter in Mitleidenschaft zieht, und ausgeprägten vegetativen Symptomen und dissoziativen Anfällen mit Bewusstseinsstörungen. So brach säe nach den glaubwürdigen Angaben der ehrenamtlichen Begleiterin bereits einmal auf der Straße aus Angst in sich zusammen und blieb auf dem Boden liegen, als sie sich von einem Mann verfolgt fühlte, der nur überraschend zu seinem Auto und in ihre Richtung zurückkehrte, um aus seinem Auto etwas zu holen. Aufgrund ihrer Ängste ist sie nicht in der Lage, allein das Haus zu verlassen und Angelegenheiten ihres täglichen Lebens, Behördengänge oder Angelegenheiten ihrer Kinder zu bewältigen. Sie benötigt für jeden der genannten Bereiche eine Begleitung, was derzeit durch ehrenamtliche Begleitung sowie die Vermieter geleistet wird. Auch zur mündlichen Verhandlung konnte sie nur in Begleitung erscheinen; gleiches gilt für die regelmäßigen Besuche derzeit einmal pro Monat beim Neurologen und Psychiater seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland.
– Behandelt wird sie derzeit mittels regelmäßiger Besuche beim Psychiater und medikamentös mit Amineurin 25 mg, wie den Angaben der ehrenamtlichen Begleiterin in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen ist.
Um weitere Verschlechterungen ihres Zustandes zu verhindern, schlug Dr. Durant den Umzug in die Nähe der Verwandtschaft der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland vor.
Die Blinddarmentzündung ist zwischenzeitlich ausgeheilt.
Unter Berücksichtigung dieser besonderen, individuellen Lebensumstände der Kläger und lassen sich unter Einbeziehung der aus den Unterlagen bekannten Lebensbedingungen für anerkannte Schutzberechtigte in Bulgarien folgende Schlussfolgerungen ziehen:
In einer Situation, in der auch bulgarische Bürger die Material- und Finanzdefizite des Gesundheitssystems in Bulgarien spüren und eine besondere Versorgung vom traumatisierten Personen (bzw. mit besonderen Bedürfnissen) nicht erfolgen kann (vgl. aida 3rd. update, 31.01 2015, S. 47, UNHCR vom April 2014, S. 8) steht nach Überzeugung des Gerichts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass die Klägerin zusammen mit zwei minderjährigen Kinder gerade aufgrund ihrer Erkrankung unversorgt bliebe. Insbesondere da die geplante Unterkunft Banya als Zentrum für vulnerable Asylsuchende weder eingerichtet ist noch entsprechende Pläne hierfür existieren (vgl. UNHCR, April 2014, S. 9), stünde die Klägerin mit ihren beiden Kindern voraussichtlich ohne medizinische Versorgung, ohne Medikamente und ohne Unterkunft auf der Straße. Da die Klägerin mit ihren Kindern jedoch bereits als Flüchtlinge anerkannt ist, wäre überdies fraglich, ob sie in einer derartigen Einrichtung überhaupt untergebracht werden könnten (vgl. UNHCR, April 2015, S. 10). Als Inhaber des Flüchtlingsstatus müssten sie ihre Gesundheitskosten (insbesondere Kosten für Medikamente aus der Apotheke) selbst tragen, und sich selbst um die Suche nach einem Allgemeinarzt zur Registrierung (Voraussetzung für eine grundsätzlich kostenlose Versorgung) kümmern (vgl. Bordermonitoring, Gefangen in Europas Morast, 2014, S. 22), was ihr wegen ihrer Erkrankung ohne Begleitung nahezu unmöglich sein würde. Darüber hinaus existiert seit dem Auslaufen des nationalen Programms für die Integration von Flüchtlingen (National Programme for Integration of Refugees, NPIR) kein Integrationsprogramm mehr (UNHCR v. April 2014, S. 12); der UNHCR berichtet, dass der Zugang zu einer stabilen Beschäftigung Flüchtlingen in Bulgarien schwer fällt und es an angemessenen und erschwinglichen Unterkünften mangelt (vgl. S.12/13). Diese genannten Probleme treffen zwar auf eine Vielzahl von Mitgliedsstaaten zu und sie sie treffen ebenso die einheimische Bevölkerung. Sie sind jedoch in Bulgarien ausgeprägter und treffen einen Flüchtling erst recht und umso stärker, wenn er - wie die Kläger - über keine realistischen Möglichkeiten verfügt, sei es aufgrund von Krankheit oder sonstigen Hinderungsgründen, seine ihm grundsätzlich zustehenden Rechte als anerkannter Flüchtling nachhaltig geltend zu machen.
Diese Umstände führen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht nur zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin zu 1., sondern auch zu einer fehlenden Deckung der notwendigen Bedürfnisse beider Kinder, die ohne eine weitere Bezugsbzw. Versorgungsperson dastünden, aber selbst (mit 9 bzw. 11 Jahren) bei weitem noch nicht genug entwickelt sind, um ihre Angelegenheiten selbstständig regeln zu können. Verstärkt würde dieser Zustand dadurch, dass es am Mitteln zu Sicherung einer angemessenen Unterkunft und einer Unterstützung beim Spracherwerb mangelt (UNHCR, April 2015, S. 12/13).
Die Kumulation all dieser besonderen Umstände führt dazu, dass eine Rückführung nach Bulgarien, in der weder die Klägerin zu 1. noch ihre Kinder die Sprache sprechen noch die Klägerin zu 1. die notwendige Begleitung erhält und eine Unterstützung durch Verwandtschaft in weite Ferne gerückt ist, den Zustand der Klägerin zu 1. nach Überzeugung des Gerichts dramatisch verschlechtern würde. Sie ist ohne direkte Unterstützung nicht in der Lage, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln, sich bei einem Arzt registrieren zu lassen, um eine kostenlose Behandlung zu ermöglichen, notwendige Medikamente zu besorgen und zu finanzieren, ihre Rechte einzufordern, sich um eine Wohnung oder geschweige denn um eine Arbeit zu kümmern oder die Angelegenheiten ihrer Kinder, wie z.B. die Ermöglichung des Schulbesuchs, Erlernen der fremden Sprache und vieles mehr vor allem unter den erschwerten Bedingungen im Zielstaat Bulgarien zu regeln. Dies führt nach Überzeugung des Gerichts zu Lebensumständen, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh darstellen würden.
Da damit ein Zustand vorliegt, in der aufgrund der fehlenden Behandlungs- und Begleitungsmöglichkeiten in Bulgarien von Personen mit psychischen Erkrankungen ohne Familienangehörige die allgemeine Schlussfolgerung zu rechtfertigen ist, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt, zumal wenn darüber hinaus zusätzlich hilflose Kinder betroffen sind, ist dieser Zustand als ein vom normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangener Sonderfall einzustufen.
Dem Eintreten dieses Sonderfalles kann auch nicht durch eine frühzeitige Information der bulgarischen Behörden zur Überstellung von vulnerablen Personen vorgebeugt werden, da den Unterlagen zu entnehmen ist, dass allein eine Information die ärztliche und medikamentöse Versorgung oder die Bereitstellung einer Begleitperson am bulgarischen Gesundheitssystem vorbei schwerlich sichergestellt werden kann.
Wegen der Aufhebung der Entscheidung in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids liegen die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Abschiebungsanordnung (§ 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG) nicht mehr vor. Sie ist damit ebenfalls rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Auch sie war deshalb aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenquotelung entspricht dem Anteil den jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.