Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2015 - 21 ZB 15.30172

published on 09/10/2015 00:00
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2015 - 21 ZB 15.30172
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Tenor

I.

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO). Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

Gründe

1. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor.

1.1 Eine Divergenz im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG setzt voraus, dass ein Rechts- oder Tatsachensatz des Verwaltungsgerichts von einem tragenden Rechts- oder Tatsachensatz des Divergenzgerichts abweicht und die Entscheidung darauf beruht. Der fragliche Rechts- oder Tatsachensatz des Verwaltungsgerichts muss sich auf dieselbe Rechtsnorm beziehen wie die Entscheidung, von der die Abweichung behauptet wird; die bloße Vergleichbarkeit der Regelungsinhalte genügt nicht (vgl. BayVGH, B. v. 22.6.2015 - 11 ZB 15.50077 - juris m. w. N.).

Gemessen daran weicht das Urteil des Verwaltungsgerichts entgegen der Auffassung der Beklagten nicht von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014, Az. 10 C 7.13 (NVwZ 2014, 1460), ab. Das Bundesverwaltungsgericht entschied in diesem Verfahren über einen Anspruch auf Zuerkennung von unionsrechtlichem, subsidiärem Schutz (§ 4 Abs. 1 AsylVfG), nachdem der Ausländer bereits in einem anderen Dublin-Staat als Flüchtling anerkannt worden war. Es hat insoweit unter Verweis auf § 60 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG ausgeführt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland nicht berechtigt ist. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil festgestellt, dass das Bundesamt einen Antrag der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte deshalb zu Unrecht nach § 26a AsylVfG abgelehnt hat, weil die Kläger von einem im Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangenen Sonderfall betroffen sind.

1.2. Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) zuzulassen. Der Rechtsmittelführer hat insoweit eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage zu formulieren und darzulegen, weshalb die Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, weshalb sie klärungsbedürftig ist und inwiefern der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Dem genügt der Zulassungsantrag nicht.

1.2.1 Die Beklagte hält zunächst für klärungsbedürftig, „ob das Konzept des § 60 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG - ähnlich der Verpflichtung zum ´Selbsteintritt` wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Drittstaat - Raum für eine Ausnahmekonstellation zulässt, in der das Bundesamt trotz der eindeutigen gesetzlichen Regelung berechtigt und verpflichtet sein kann, ein Asylverfahren durchzuführen und die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig zu unterbleiben hätte.“ Die Klärungsfähigkeit dieser Grundsatzfrage ist nicht hinreichend dargelegt. Die Beklagte verweist dazu im Wesentlichen nur auf die „Ausführungen im Rahmen der Divergenzrüge“. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die aufgeworfene Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, wie auch in diesem Zusammenhang aus dem zu 1.1 Ausgeführten folgt.

1.3 Die Beklagte misst des Weiteren der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, „ob das Bundesamt in Fällen bereits vor Einreise und Antragstellung im Bundesgebiet erfolgter Zuerkennung internationalen Schutzes überhaupt für ein weiteres Prüfverfahren und dabei insbesondere die Feststellung zum Vorliegen von Abschiebungsschutz nach den Anspruchsgrundlagen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG zuständig ist oder ob in diesen Fällen die Zuständigkeit bei der jeweiligen Ausländerbehörde liegt …“. Die Beklagte formuliert damit eine Frage, die sich aufgrund des angegriffenen Urteils lediglich für das weitere Verwaltungsverfahren stellt. Für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts war sie nicht erheblich, sie würde sich so auch in einem Berufungsverfahren nicht stellen. Davon geht letztlich auch die Beklagte aus, wenn sie zur Begründung ihrer Grundsatzfrage unter anderem ausführt, das Verwaltungsgericht meine, durch die Aufhebung von Nr. 1 des Bescheids werde von Gesetzes wegen ein weiteres (inhaltliches) Prüfprogramm der Beklagten ausgelöst.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

3. Eine Entscheidung über den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erübrigt sich angesichts der Kostenentscheidung.

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 29. Juli 2015 rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Annotations

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.