Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 19. März 2015 - Au 2 K 14.1729

published on 19/03/2015 00:00
Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 19. März 2015 - Au 2 K 14.1729
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Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Beigeladene ist Eigentümer des 44.881 qm großen mit einem Schulgebäudekomplex (Berufsschule/Berufsoberschule/Fachoberschule) bebauten Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... (...straße ...), das mit seiner Ostseite an der Erschließungsanlage „...straße“ anliegt. Das Abrechnungsgebiet liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, sondern ist dem Innenbereich (§ 34 BauGB) zuzurechnen.

Bei der ...straße handelt es sich um eine als Ortsstraße gewidmete Straße, die im Norden in die ... Straße mündet und die im Süden an die ... Straße bzw. an die ...gasse angebunden ist.

Auf die mit Schreiben der Bauverwaltung der Klägerin vom 21. Januar 2014 an die Stadtplanung/Herrn ... erbetene Prüfung und Mitteilung, ob die ...straße den Kriterien des § 125 Abs. 2 BauGB entsprechend hergestellt sei, wurde ein undatierter, den Ersteller nicht erkennen lassender Vermerk gefertigt, der im Ergebnis feststellt, dass die Errichtung der Erschließungsanlagen in der...straße den in § 1 Abs. 4 bis Abs. 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entspricht.

Die Klägerin veranlagte den Beigeladenen als Eigentümer des genannten Grundstücks mit Bescheid vom 24. März 2014 zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage „...straße“ in Höhe von 160.300,23 EUR.

Hiergegen hat der Beigeladene mit Schreiben vom 22. April 2014 Widerspruch erhoben.

Der vom Beigeladenen mit Schreiben vom 27. April 2014 gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheids wurde von der Klägerin mit Schreiben vom 16. Mai 2014 abgelehnt.

Ein daraufhin vom Beigeladenen beim Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen Au 2 S 14.894 geführtes Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatte Erfolg. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 4. August 2014 wurde die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Beigeladenen vom 22. April 2014 gegen den Erschließungsbeitragsbescheid der Klägerin vom 24. März 2014 angeordnet.

Auf den Widerspruch des Beigeladenen hat das Landratsamt ... mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2014 den Erschließungsbeitragsbescheid der Klägerin vom 24. März 2014 für das Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung ... aufgehoben.

Die Klägerin erhob am 3. Dezember 2014 hiergegen Klage. Für sie ist beantragt,

den Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 26. November 2014, Az. ..., aufzuheben.

Zur Begründung wurde zunächst auf die Ausführungen im Verfahren Au 2 S 14.894 Bezug genommen. Der Erschließungsbeitragsbescheid vom 24. März 2014 sei rechtmäßig. Die Abrechnung der Erschließungsanlage „...straße“ sei bis 2013 aus Rechtsgründen nicht möglich gewesen. Die Ausschlussfrist des Art. 19 Abs. 2 KAG komme hier nicht zum Tragen. Die Rechtsprechung stelle im Erschließungsbeitragsrecht bei den Verjährungsfristen auf die endgültige technische Fertigstellung der Erschließungsanlage entsprechend den in der Erschließungsbeitragssatzung zu erfüllenden erforderlichen Merkmalen ab. Für die Ermittlung der Vorteilslage, die durch die qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit der Straße entstehe, komme es auf die endgültige technische Fertigstellung an. Gleiches gehe auch aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes hervor. In der Literatur werde überwiegend die Meinung vertreten, dass die Vorteilslage erst dann eintrete, wenn die technische Herstellung der Straße gemäß dem einschlägigen Bauprogramm vollständig abgeschlossen sei. Entsprechend der vorgelegten Fotodokumentation habe das frühere Haus ...straße ... massiv in die Gehwegfluchtlinie hineingeragt und dadurch eine optische Sperrwirkung im seinerzeitigen Gehwegverlauf bewirkt. Auf Höhe dieses Gebäudes sei der Gehweg so schmal gewesen, dass ein Begegnungsverkehr von Fußgängern und Kinderwagen nicht ohne weiteres möglich gewesen sei. Der Durchgang sei auch dadurch erschwert worden, dass die beiden an der Straßenseite des Hauses verlaufenden Fallrohre aus den Dachrinnen in den Gehwegbereich hinein geragt hätten. Bei einer angenommenen Gehwegbreite von dort 0,70 m hätten an diesen Stellen noch etwa 10 bis 15 cm für die Breite der Fallrohre und deren Abstand zur Hauswand abgezogen werden müssen. Hieraus habe sich dann eine nutzbare Gehwegbreite von nur noch 0,55 m bis 0,60 m ergeben. Diese Breite habe nicht als ausreichend erachtet werden können. Ein Fußgänger benutze den Gehweg nicht ohne Abstand zur Hauswand bzw. zum Fallrohr und zum Schramboard, so dass sich die effektiv zur Verfügung stehende Gehwegbreite weiter reduziert habe. Bei anzunehmenden Breiten von Kinderwagen oder Buggys von meist um 50 bis 65 cm sei ein solcher Gehweg mit diesen Fahrzeugen nicht befahrbar und ein Ausweichen auf die andere Straßenseite oder kurzfristig auf die Fahrbahn erforderlich gewesen. Zudem sei die Frage, ob ein Gehweg seine Funktion erfüllen könne, von vielen Faktoren abhängig, z. B. von der Erschließungsfunktion (Wohn- oder Hauptverkehrsstraße), Kraftfahrzeug- bzw. Fußgängerfrequenz, Zielverkehr (Wohnen, Gewerbe, öffentliche Einrichtungen). Die ...straße weise einen erhöhten Ziel- und Quellverkehr auf. Als Durchfahrtstraße zur ... Insel und Erschließungsstraße im Sinne einer Zubringerstraße zum Schulzentrum müsse sie in der Lage sein, auch den dadurch hervorgerufenen Fußgängerverkehr abzuwickeln. Sie sei bereits Mitte der 1970er Jahre als Ausweichstrecke zur Insel genutzt worden und stelle auch heute noch eine Durchfahrtsstraße und wichtige Verkehrsverbindung im ... Straßennetz dar. Darüber hinaus liege die Berufs-, die Berufsober- und die Fachoberschule an der ...straße, welche nicht nur durch Autos, sondern auch durch Schüler als Fußgänger einen erhöhten Ziel- und Quellverkehr auslösten. Gerade bei Gruppen von Schülern könne nicht davon ausgegangen werden, dass die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt stets beachtet werde und bei einem sich verengenden Gehweg nur noch hintereinander gelaufen werde. Vielmehr werde bei solchen Gelegenheiten auf die Fahrbahn ausgewichen. Dies zeige, dass die Gehwegbreite von letztlich nur knapp 0,55 m bis 0,60 m nicht ausreichend gewesen sei, um einen verkehrssicheren Schulweg einschließlich Gegenverkehr zu gewährleisten.

Die im Widerspruchsbescheid vom Beklagten vertretende Auffassung, die Klägerin habe kein entsprechendes Bauprogramm zur Herstellung der ...straße mit einer Fahrbahnbreite von 6,00 m und beidseitigen Gehwegen mit je 1,50 m besessen, treffe nicht zu. Die Lagepläne von 1972 würden im südlichen und nördlichen Bereich jeweils eine Straßenbreite von 6,00 m zuzüglich Gehwegen von je 1,50 m, also insgesamt 9,00 m Breite, aufweisen. Für den südlichen Bauabschnitt liege eine noch genauere Planung aus dem Jahr 1980 vor, die auf den Vorgängerplänen aufbaue und ebenfalls eine Straßenbreite von 9,00 m einschließlich zwei Gehwegen mit je 1,50 m Breite vorsehe. Durch diese Unterlagen werde dokumentiert, dass für die Straße auf ihrer gesamten Länge, also auch auf Höhe des früheren Anwesens ...straße ..., diese Breiten vorgesehen gewesen seien. Dies gelte vor allem im Hinblick auf die im südlichen Bereich noch nicht vorhandene Bebauung und das 1980 erst geplante Schulzentrum, für dessen Bereich es 1976 auch einen Aufstellungsbeschluss zu einem Bebauungsplan gegeben habe. Wie aus mehreren Protokollen hervorgehe, sei die ...straße bereits zum damaligen Zeitpunkt eine weitere Zufahrt zur Insel und nicht nur Wohn- sondern auch Durchgangsstraße gewesen. Möglicherweise mag es kein Bauprogramm nach heutigem Standard für die ...straße gegeben haben. Für jeden objektiven Beobachter sei jedoch erkennbar gewesen, dass eine klare Bauabsicht und der Wille bestanden haben, die ...straße ursprünglich sogar auf ganzer Länge mit 9,00 m Breite auszubauen. Aufgrund der Angaben des Lageplans von 1972 könne festgestellt werden, dass begründet durch die Lage der ...straße, d. h. ihrem geradlinigen Verlauf ohne Kreuzungen zwischen der ... Straße und der ...gasse, kein anderer Ausbauzustand zu erwarten gewesen sei als auch in der Planung von 1980 für den südlichen Bauabschnitt dargestellt. Die vorliegenden Planunterlagen seien ausreichend, um den angestrebten Ausbaustandard für die endgültige Straßenherstellung nachzuweisen. Die Tatsache, dass die ...straße bisher nicht abgerechnet worden sei, lasse zudem durchaus den Rückschluss zu, dass man bereits in den früheren Jahren der Ansicht gewesen sei, die endgültige Fertigstellung sei erst erreicht, wenn auch die gesamten Gehwege entlang der Bebauung mit der vorgesehenen und bis dahin lediglich mit der Ausnahme beim Anwesen ...straße ... umgesetzten 1,5 m Breite hergestellt seien.

Das Anwesen ...straße ... sei zwar mehrmals verkauft worden, ohne dass die Klägerin ein Ankaufsrecht geltend gemacht habe. Hierfür habe jedoch keine Rechtsgrundlage bestanden. Der Kauf des gesamten Grundstücks und der anschließende Abriss des Hauses, um die Vervollständigung des Gehwegs erreichen zu können, hätte als unverhältnismäßig angesehen werden müssen und wäre mit dem Grundsatz der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung nicht vereinbar gewesen. Für einen objektiven Betrachter habe sich der Zustand des Gehwegs beim Anwesen ...straße ... gerade nicht als auf ewige Zeit zementiert dargestellt. Bauliche Entwicklungen im Ort hätten sich meist so dargestellt, dass Grundstücke mit einem alten Gebäudebestand aufgekauft, die Gebäude abgebrochen und die Grundstücke nachfolgend verdichtet bebaut worden seien. Dieses Vorgehen sei vor allem bei Grundstücken festzustellen gewesen, wo die Gebäude nicht mehr unterhalten worden seien. Dies habe auch für das Haus in der ...straße ... gegolten. Es sei daher absehbar gewesen, dass das dortige Gebäude nicht auf Dauer Bestand haben werde, sondern dass das Grundstück einer Neubebauung zugeführt werden würde. Mit dem Abbruch des Hauses sei die Klägerin tätig geworden, habe die fehlende Fläche für den Gehwegausbau in ihr Eigentum überführt und die Fertigstellung des Gehweges veranlasst. Dies zeige, dass die Klägerin ebenso wie jedem objektiven Betrachter auch noch im Jahr 2012 bewusst gewesen sei, dass es einem Teilstück des Gehwegs an der ausreichenden Breite mangelte und die bis auf diesen Abschnitt realisierte Straßenbreite inklusive Gehweg nun auch in diesem Bereich umgesetzt werden könne. Nach den Festsetzungen der Erschließungsbeitragssatzung sei das Vorhandensein eines Gehwegs nicht als Merkmal für die erstmalige endgültige technische Herstellung aufgeführt, da dies bedeutet hätte, dass jede Straße für ihre erstmalige endgültige Herstellung einen oder mehrere Gehwege, Grünstreifen oder Parkbuchten benötigen würde. Es komme jedoch darauf an, ob die Planungen für die ...straße bereits im Jahr 1980 und davor die Anlegung eines Gehweges vorgesehen hätten, da Gehwege nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz schon immer Bestandteil der Straße gewesen seien. Wie oben bereits ausgeführt, habe bereits in den 1970er Jahren die Absicht bestanden, die ...straße mit beidseitigen Gehwegen von je 1,50 m Breite anzulegen. Vor der endgültigen Herstellung des Gehwegs habe deshalb die Beitragspflicht nicht entstehen können. Erst mit der durchgängigen Gehwegbreite von 1,50 m habe es sich bei der ...straße um eine insgesamt „betriebsfertige Einrichtung“ gehandelt. Dem objektiven Beobachter sei klar gewesen, dass eine Straße, deren Gehweg sich auf einer zehn Meter langen Teilstrecke bis auf etwas mehr als einen halben Meter verenge und sonst durchgehend eine Breite von 1,50 m aufweise, nicht endgültig technisch hergestellt sein könne. Die Rechtsauffassung der Klägerin sei im Übrigen hinsichtlich der endgültigen technischen Herstellung und dem damit verbundenen Eintritt der Vorteilslage durch Stellungnahmen des Bayerischen Städtetags, des Bayerischen Gemeindetags und des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands bestätigt worden.

Der Erlass des Widerspruchsbescheids durch das Landratsamt ... sei rechtswidrig. Der gesetzliche Vertreter der beitragspflichtigen Körperschaft sei zugleich der Leiter des Landratsamts als Staatsbehörde. Da sich dieser jedoch nicht selbst kontrollieren dürfe, fehle es an der Zuständigkeit des staatlichen Landratsamts für die Entscheidung über den Widerspruch.

Das Abstellen auf die Vorteilslage erscheine fragwürdig, da kein Betrachter feststellen könne, wann eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung vorliege. Nur Fachleuten sei es (nach Entnahme von Proben) beispielsweise möglich, festzustellen, ob der Unterbau der Fahrbahn den technischen Anforderungen entspreche. Die Widerspruchsbehörde habe das in den Unterlagen der 1970er und 1980er Jahre zum Ausdruck kommende Bauprogramm der Stadt weitgehend ignoriert. Jeder Notar weise in einem Grundstückskaufvertrag ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, dass noch Abgaben entstehen können, so dass „Überraschungen“ ausgeschlossen seien.

Mit Beschluss vom 3. Dezember 2014 wurde der Landkreis ... zum Verfahren beigeladen.

Der Beigeladene wandte sich mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2014 gegen das Klagebegehren. Für ihn ist beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte stellte mit Schreiben des Landratsamts ... vom 30. Dezember 2014 den Antrag,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 4. August 2014 verwiesen. Was die Funktionsfähigkeit des Gehwegs an der ...straße angehe, werde auf die Darlegungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Dabei sei von der Widerspruchsbehörde durchaus berücksichtigt worden, dass Gehwege eine Mindestbreite aufweisen müssten, um Fußgängern ein sicheres Begehen zu ermöglichen. Nicht funktionsfähig sei eine Teileinrichtung aber erst dann, wenn sie im Ganzen absolut ungeeignet sei, die ihr in verkehrstechnischer Hinsicht zugedachte Funktion in der konkreten örtlichen Situation tatsächlich zu erfüllen. Dabei komme es weder auf punktuelle Engpässe, in denen selbst der oben beschriebene Verkehrsraum nicht mehr zur Verfügung stehe, noch auf besondere Nutzungsansprüche von Verkehrsteilnehmern oder eine Begegnungsverkehrsbreite an. Eine derartige Einschränkung der Funktion des Gehwegs sei hier nicht gegeben gewesen, auch wenn der Gehwegbereich an zwei Stellen wegen Fallrohren weiter verengt worden sei. Die Verschmälerung des Gehwegs habe nur eine Länge von zehn Metern betroffen. Insgesamt betrachtet sei der Gehweg als funktionsfähig einzustufen gewesen.

Zur Erschließungsfunktion der ...straße sowie zu der Qualität als Durchfahrtsstraße zur ... Insel und Zubringerstraße zum Schulkomplex sei Stellung genommen worden. Im Bereich der ...straße sei kaum mit Schülern zu rechnen, die die Gehwege benützten, da Fußgänger zur Schule hier die absolute Ausnahme darstellten.

Das Landratsamt ... sei zur Entscheidung über den Widerspruch zuständig gewesen. Es sei im Rahmen des Widerspruchsverfahrens als Staatsbehörde tätig geworden. Der Beigeladene habe als kommunale Gebietskörperschaft, an die der Erschließungsbeitragsbescheid gerichtet sei, mit dem Widerspruchsverfahren nichts zu tun, die Kreisorgane hätten dabei keine Zuständigkeiten. Eine andere Zuständigkeitsregelung für Widersprüche von Landkreisen sei nicht vorhanden. Im Übrigen sei die Bearbeitung des Widerspruchs durch die Rechtsaufsichtsbehörde getrennt von der Einlegung des Widerspruchs und des Verfahrens zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erfolgt. In diesem Zusammenhang sei auch die Entscheidung über die Hinzuziehung des Rechtsanwalts durch den Beigeladenen im Widerspruchsverfahren zu verstehen. Die staatliche Rechtsaufsichtsbehörde sei bei der Anfechtung des streitgegenständlichen Erschließungsbeitragsbescheids nicht tätig geworden.

Der Beigeladene führte mit Schriftsatz vom 27. Januar 2015 aus, er verweise zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Vorbringen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Die Klägerin habe den Entscheidungsgründen im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. August 2014 keine neuen entscheidungserheblichen Argumente entgegengesetzt. Die bislang für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. November 2013 sowie die Reaktion des Bayerischen Landesgesetzgebers in Form des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 11. März 2014 würden in bedeutsamer Weise ergänzt durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2014 (Az. 4 C 11.13). Dieser Entscheidung komme nicht nur deshalb besondere Bedeutung zu, weil sie ausdrücklich die zum Erschließungsbeitragsrecht ergangene Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. November 2013 bestätige, sondern wegen ihres Anspruchs auf Allgemeingültigkeit für alle Fallkonstellationen, in denen eine Vorteilslage durch öffentliche Abgaben abgegolten werde. Die Entscheidung betreffe also gerade nicht nur die dort streitgegenständlichen sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeiträge. Soweit die Klägerin unablässig wiederhole, sie habe die ...straße stets für unfertig gehalten und stets - vom Bürger unbemerkt - vorgehabt, die Straße nach Maßgabe eines (nicht vorhandenen) Bauprogramms auszubauen und zu gegebener Zeit Erschließungsbeiträge zu erheben, greife dies zu kurz. Sie trage dies vor, obwohl sie nichts dafür getan habe, um den angeblich gewünschten Straßenzustand zu erreichen. Es sei nie der Versuch unternommen worden, die angeblich unbefriedigende Verkehrssituation zu lösen und eine Neubebauung zu initiieren. Die Klägerin habe die für die Verbreiterung des Gehwegs notwendigen acht Quadratmeter Fläche nicht einmal dem Bauträger abgekauft, der sie für sein Neubauvorhaben gar nicht gebraucht habe, sondern einen Vertragsschluss mit dessen Käuferin abgewartet.

Es sei im Übrigen auch denkbar, den Fall - wie vom Bundesverwaltungsgericht entschieden - unter Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung zu lösen. Ein derartiger Fall in der Sphäre der Klägerin angesiedelter Versäumnisse liegt hier vor, wenn man - allerdings wohl zu Unrecht - zu dem Ergebnis gelangen würde, dass die Vorteilslage im Sinn des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG nicht bereits im Jahr 1980 entstanden sei.

Der Beklagte verzichtete mit Schreiben vom 3. Februar 2015 auf mündliche Verhandlung. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 20. Februar 2015 ebenfalls den Verzicht auf mündliche Verhandlung. Im Übrigen vertiefte sie ihr bisheriges Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten, insbesondere die gerichtlichen Verfahrensakten Au 2 S 14.894, Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da alle Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 26. November 2014, mit dem aufgrund des Widerspruchs des Beigeladenen der Erschließungsbeitragsbescheid der Klägerin vom 24. März 2014 aufgehoben wurde, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 115, § 79 Abs. 1 Nr. 2, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Da der Widerspruch des Beigeladenen zulässig und begründet war, durfte das für den Beklagten als zuständige staatliche Rechtsaufsichtsbehörde handelnde Landratsamt ... den Erschließungsbeitragsbescheid der Klägerin vom 24. März 2014 aufheben (§ 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO, Art. 119 Nr. 1, 110 Satz 1 GO; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 42 Rn. 140).

Der Widerspruch war begründet, weil der Erschließungsbeitragsbescheid der Klägerin vom 24. März 2014 rechtswidrig ist und den Beigeladenen in eigenen Rechten verletzt (§ 68 Abs. 1 Satz 1, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erschließungsbeitrag sind Art. 5a KAG, §§ 127 ff. BauGB i. V. m. der Erschließungsbeitragssatzung der Klägerin vom 29. Oktober 1981 i. d. F. der Änderungssatzung vom 31. Juli 1991 (EBS).

Durch diese Bestimmungen wird die Klägerin grundsätzlich zur Erhebung eines Erschließungsbeitrags zur Deckung ihres nicht anderweitig refinanzierbaren Aufwands für Erschließungsanlagen ermächtigt. Die Geltendmachung eines Erschließungsbeitrags ist jedoch nicht zeitlich unbegrenzt möglich.

Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gesetzliche Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können (BVerfG, B.v. 5.3.2013 - 1 BvR 2457/08 - BayVBl 2013, 465; B.v. 3.9.2013 - 1 BvR 1282/13 - juris; BVerwG, U.v. 20.3.2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 = NVwZ 2014, 1671; Driehaus, KStZ 2014, 181/183).

Dem Gesetzgeber obliege es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann (BVerfG, B.v. 5.3.2013, a. a. O.).

Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 KAG für unvereinbar mit Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG erklärt; denn durch diese Bestimmung werde im Fall der Ungültigkeit einer Abgabensatzung der Verjährungsbeginn ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festgelegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei, was den Interessenkonflikt einseitig zulasten der Beitragsschuldner löse. Diesen Erwägungen hat der Bayerische Landesgesetzgeber durch die Schaffung von Ausschlussfristen in Art. 19 Abs. 2 KAG Rechnung getragen.

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 11. März 2014 (GVBl. 70) ist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG § 169 AO in der jeweils geltenden Fassung nunmehr mit der Maßgabe anwendbar, dass über Abs. 1 Satz 1 hinaus die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist; liegt ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a KAG vor, und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre. Für Beiträge, die - wie hier - vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, gilt Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG mit der Maßgabe, dass die Frist einheitlich 30 Jahre beträgt (Art. 19 Abs. 2 KAG).

Der für den Lauf der Ausschlussfristen maßgebliche Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage muss für den Bürger erkennbar sein (s. hierzu Rottenwallner, KStZ 2014, 145/191 ff.), so dass er auch selbst feststellen kann, bis zu welchem Zeitpunkt er damit rechnen muss, noch zu einem Beitrag herangezogen zu werden (s. auch Driehaus a. a. O.). Der Begriff der Vorteilslage knüpft damit an für den Bürger ohne weiteres bestimmbare, rein tatsächliche Gegebenheiten an und lässt rechtliche Entstehensvoraussetzungen für die Beitragsschuld, wie etwa den vollständigen Grunderwerb, die formelle Widmung oder auch die Wirksamkeit der Beitragssatzung, außen vor (BVerfG, B.v. 5.3.2013 - 1 BvR 2457/08 - NVwZ 2013, 1004).

(Auch) im Bereich der Abrechnungen von Straßen kann vom Entstehen der Vorteilslage ausgegangen werden, wenn ein Grundstück durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung, die Erschließungsfunktion besitzt, erschlossen ist. Abzustellen ist dabei darauf, ob dem Grundstück eine qualifizierte Möglichkeit der Inanspruchnahme vermittelt wird, für die bereits jede sinnvolle und zulässige Nutzungsmöglichkeit ausreicht (BayVGH, B.v. 8.3.2013 - 6 B 12.2220 - juris Rn. 12; Driehaus, KStZ 2014, 181/184). Die Vorteilslage tritt nach diesen Maßgaben ein, wenn die Einrichtung bzw. Straße insgesamt betriebsfertig ist, d. h. technisch endgültig fertiggestellt wurde (BayVGH, U.v. 14.11.2013 - 6 B 12.704 - BayVBl 2014, 241; B.v. 23.7.2013 - 6 BV 13.1273 - juris Rn. 10).

Im Erschließungsbeitragsrecht kommt es damit auf die technische Herstellung derjenigen beitragsfähigen Erschließungsanlage an, die der bekundeten Planung der Gemeinde entspricht und von dieser erkennbar dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung gestellt wurde. Die formellen Anforderungen an eine Widmung nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz sollen jedoch mangels Erkennbarkeit für den Bürger bei der Bestimmung des Eintritts der Vorteilslage irrelevant sein (vgl. Kolbe, KommP BY 2014, 166/168). Für das Vorliegen einer insgesamt betriebsfertigen Einrichtung im Bereich des Erschließungs- und Ausbaubeitragsrechts könne nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bayerischen Staatsregierung zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes von der endgültigen technischen Fertigstellung ausgegangen werden. Dieser Zeitpunkt sei deutlich später anzusetzen, als der etwa in § 133 Abs. 3 Satz 3 BauGB als maßgeblich bezeichnete Zeitpunkt der Benutzbarkeit. Die Anlage müsse vielmehr unter Berücksichtigung der Vorgaben des konkreten Bauprogramms, der in einer (gültigen oder nichtigen) Satzung benannten baulichen Merkmale der endgültigen Herstellung sowie der Erwartungen eines objektiven Beobachters den Eindruck der Abrechenbarkeit erwecken (LT-Drs. 17/370 S. 14).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist im vorliegenden Fall die Festsetzung und Erhebung eines Erschließungsbeitrags - ohne Rücksicht auf das Entstehen der Beitragsschuld und unbeschadet der abgabenrechtlichen Verjährungsregelungen - ausgeschlossen, da seit dem Entstehen der Vorteilslage durch die endgültige technische Fertigstellung der Erschließungsanlage mehr als 30 Jahre vergangen sind (siehe auch BayVGH, U.v. 14.11.2013 a. a. O.).

Die 30-jährige Ausschlussfrist war hier bei Erlass des streitgegenständlichen Erschließungsbeitragsbescheids vom 24. März 2014 bereits abgelaufen, da die bis 2013 baulich unverändert gebliebene Erschließungsanlage „...straße“ bereits 1980 endgültig technisch hergestellt und damit die als Anknüpfungspunkt für die Ausschlussfrist maßgebliche Vorteilslage eingetreten war. Die Festsetzung und Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage „...straße“ war nach Maßgabe von Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1, Art. 19 Abs. 2 KAG folglich mit Ablauf des Jahres 2010 ausgeschlossen.

Das Entstehen der Vorteilslage und der rechtlich zur Unzulässigkeit der Erhebung eines Erschließungsbeitrags führende Ablauf der Ausschlussfrist waren nicht dadurch ausgeschlossen, dass der westliche Gehweg der ...straße im Gegensatz zu den übrigen Gehwegen der Erschließungsanlage, die durchgängig eine Breite von 1,50 m aufweisen, bis zum Jahr 2013 auf einer Länge von ca. zehn Metern lediglich mit einer durchschnittlichen Breite von 0,70 m bis 0,80 m hergestellt war, da die Erschließungsanlage insgesamt auch ohne einen durchgängig in 1,50 m Breite ausgebauten Gehweg als technisch endgültig fertiggestellt anzusehen war.

Der Herstellung der ...straße liegt weder ein Bebauungsplan, noch örtliche Richtlinien oder ein förmliches Teileinrichtungs- und Ausbauprogramm zugrunde, aus denen sich eine verbindliche Festlegung der Gehwegbreite auf durchgängig 1,50 m ableiten lässt und die es einem Abgabenschuldner ermöglicht hätten, zu erkennen, dass die ...straße bis zur 2013 erfolgten Verbreiterung des Gehwegs vor dem jetzigen Anwesen ...straße ... noch nicht endgültig hergestellt war (s. hierzu Rottenwallner, KStZ 2014, 145/192 ff. mit Zweifeln in Bezug auf die Erkennbarkeit der Vorgaben eines formlosen gemeindeinternen Bauprogramms für den Bürger).

Der tatsächliche Umstand, dass die restlichen Gehsteige der ...straße eine Breite von 1,50 m aufweisen, lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass auch im Bereich vor dem früheren Grundstück ...straße ... noch über 30 Jahre nach der Herstellung der Straße in ihren übrigen Teilen eine Verbreiterung des Gehwegs erfolgen werde. Das Vorhandensein von Ausbauplanungen für andere Bereiche der ...straße, die dort Gehwegbreiten von 1,50 m vorsehen, ist im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der in der ...straße gegebenen Verkehrsbedürfnisse nicht in der Lage, ein Bauprogramm zu ersetzen, da nicht erkennbar ist, dass und in welcher Weise ein diesbezüglicher Planungswille des entscheidungszuständigen Organs der Klägerin besteht.

Ein bloßer Rückschluss vom Inhalt bestehender Ausbauplanungen auf einen voraussichtlich in gleicher Weise ausgeübten Planungswillen vermag - auch wenn aus heutiger Sicht viel für ein Beibehalten des bereits für wesentliche Teile der ...straße festgelegten Ausbaustandards spricht und an das Vorhandensein eines Bauprogramms keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind - insoweit ebenfalls keine planungssubstituierende Bedeutung zu entfalten (s. hierzu z. B. BVerwG, U.v. 25.2.1981 - 8 C 7.81 - BauR 1982, 480; Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 132 Rn. 20).

Auch den in der EBS einschließlich der Vorgängerregelungen festgelegten Merkmalen der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen kann keine Vorgabe für eine Mindestbreite bei Gehwegen entnommen werden. Nach § 7 Abs. 2 EBS sind Bürgersteige endgültig hergestellt, wenn sie eine Abgrenzung gegen die Fahrbahn sowie eine Befestigung mit Platten, Pflaster, Asphaltbelag oder eine ähnliche Decke in neuzeitlicher Bauweise mit dem technisch notwendigen Unterbau aufweisen. Diesen Anforderungen hat selbst der bautechnisch nur verschmälert ausgeführte Gehweg im Bereich vor dem Anwesen ...straße ... (alt) genügt.

Aufgrund der straßenbautechnischen Herstellung der Erschließungsanlage „...straße“ im Jahr 1980 und angesichts der Tatsache, dass der Grund für die auf eine Stelle beschränkte verschmälerte Errichtung des Gehwegs das Hineinragen eines als Wohnhaus genutzten Gebäudes in den Straßenbereich war, das sich nicht im Eigentum der Klägerin befand und bei dem - auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin geschilderten üblichen Verfahrensweise bei altem Baubestand - keine Anhaltspunkte für einen in absehbarer Zeit erfolgenden - von der Klägerin selbst als unverhältnismäßig angesehenen - Erwerb zum Abbruch vorlagen, konnte und durfte ein objektiver Beobachter in der Lage eines potentiellen Beitragspflichtigen anhand der zugänglichen Quellen den Eindruck gewinnen, dass die Erschließungsanlage „...straße“ in diesem Zustand verbleiben werde und deshalb endgültig technisch hergestellt ist und die Gemeinde nicht mehr beabsichtigt, den Gehsteig in dem Bereich vor dem Anwesen ...straße ... (alt) auf 1,50 m zu verbreitern, um dann Erschließungsbeiträge zu erheben.

Dieses Ergebnis wird auch nicht durch die nur flächenmäßig eingeschränkte Benutzbarkeit des Gehsteigs für den Fußgängerverkehr in diesem Teilstück in Frage gestellt, da die Teileinrichtung „Gehweg“ einschließlich des ca. zehn Meter langen Gehwegbereichs vor dem Anwesen ...straße ... (alt) trotz dessen reduzierter Breite von lediglich 0,70 m bis 0,80 m und den die nutzbare Gehwegfläche punktuell zusätzlich beengenden beiden Fallrohren der Dachrinne im Herstellungszeitpunkt noch den Mindestanforderungen genügte, die an die Funktionsfähigkeit einer Verkehrseinrichtung „Gehweg“ - auch an einer Straße mit erhöhter Verkehrsbedeutung - zu stellen sind.

Für die Beurteilung der Funktionsfähigkeit eines Gehwegs ist die gesamte Teileinrichtung und nicht nur einzelne Abschnitte der Verkehrsanlage in den Blick zu nehmen. Bei dieser Betrachtungsweise stellen etwaige einzelne Engstellen die Funktionsfähigkeit der Teileinrichtung „Gehweg“ nicht durchgreifend in Frage, sondern können ausgeblendet werden (BayVGH, B.v. 14.7.2006 - 6 ZB 04.222 - juris Rn. 6; OVG NW, B.v. 1.9.2009 - 15 A 1102/09 - NVwZ-RR 2009, 939; U.v. 1.6.1992 - 2 A 660/91 - juris Rn. 24).

Gehwege dienen nach ihrer Zweckbestimmung primär der Sicherheit von Fußgängern, weil sie den langsamsten und schutzbedürftigsten Verkehrsteilnehmern einen eigenen, von den übrigen Verkehrsarten abgegrenzten Verkehrsraum überlassen. In welcher Breite Gehwege hergestellt werden, kann die Gemeinde als Trägerin der Straßenbaulast bei Festlegung eines individuellen Ausbauprogramms für die jeweilige Straße selbst entscheiden. Innerhalb des ihr dabei eingeräumten Planungsspielraums (BVerwG, U.v. 23.6.1972 - IV C 15.71 - BVerwGE 40, 177/181) hat sie die Aufgabe der einzelnen (Teil)Anlage und die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 18.1.1991 - 8 C 14.89 - BVerwGE 87, 288/298 f.). Die Grenzen dieses Spielraums werden nach unten hin - zur Wahrung von Mindeststandards - dadurch bestimmt, dass die jeweilige Teileinrichtung in verkehrstechnischer Hinsicht funktionsfähig sein muss. Bei Gehwegen bedeutet das, dass sie eine Mindestbreite aufweisen müssen, die ein sicheres Begehen - getrennt vom Autoverkehr auf der Fahrbahn - ermöglicht (BayVGH, U.v. 11.6.2002 - 6 B 97.2355 - juris Rn. 21).

Konkrete Aussagen zur Bemessung der Breite von Gehwegen sind den „Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen“ - EAE 85/95 -, die das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau in Zusammenarbeit mit der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen erstellt hat bzw. den diese ersetzenden „Richtlinien für die Anlegung von Stadtstraßen“ - RASt 06 -, die das Bayerische Staatsministerium des Innern mit Schreiben vom 11. Februar 2009 zur Anwendung empfiehlt, zu entnehmen (vgl. BayVGH, U.v. 31.5.2011 - 8 B 10.1653 - juris Rn. 29). Es handelt sich bei diesem Regelwerk um die sachverständige Konkretisierung moderner Grundsätze des Straßenbaus (BVerwGE, U.v. 26.5.1989 - 8 C 6.88 - BVerwGE 82, 102/111). Die Sachverständigenaussagen enthalten auf der Grundlage standardisierter Vorgaben Maßstäbe dafür, wie Verkehrsanlagen im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs entsprechend ihrer Funktion auszuführen und zu gestalten sind. Den in den Richtlinien enthaltenen Maßangaben kommt keine verbindliche Wirkung im Sinne einer Norm zu. Die darin empfohlenen Breiten für die einzelnen Entwurfselemente stellen im Kern Orientierungswerte dar, die als Hilfe bei Planung und Entwurf nicht starr angewandt zu werden brauchen. Die Gemeinden können bei der Entwurfsplanung anhand der konkreten örtlichen Situation im notwendigen Umfang hiervon abweichen (BayVGH, U.v. 11.6.2002 - 6 B 97.2355 - juris Rn. 22 f.).

Bei Ermittlung der funktionsgerechten Breite eines Gehwegs ist zu beachten, dass Gehwege, die unmittelbar an Fahrbahnen angrenzen, eine Fläche benötigen, die sich aus dem Verkehrs- oder Bewegungsraum für Fußgänger (sog. Gehraum) und dem zugehörigen Sicherheitsraum zum angrenzenden Verkehrsraum zusammensetzt. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, die auf der Grundlage der EAE 85/95 basiert, soll die (idealtypische) Mindestbreite des Gehraums 1,50 m betragen, wobei zusätzlich der seitliche Sicherheitsraum Berücksichtigung finden müsse, für den 50 cm zur Fahrbahn zu veranschlagen seien. Daraus folge, dass fahrbahnbegleitende Gehwege nach Möglichkeit nicht schmäler als 2,00 m sein sollten (BayVGH, U.v. 11.6.2002 a. a. O.).

Allerdings erscheint auch nach den Richtlinienvorgaben das Unterschreiten der Gehwegbreite von 2,00 m im Einzelfall vertretbar, wenn bei beengten Verhältnissen andernfalls auf Gehwegflächen verzichtet werden müsste. Die Verschmälerung darf jedoch zur Wahrung der Funktionsfähigkeit nicht so weit gehen, dass bei einer Gesamtbetrachtung der Teilanlage (siehe hierzu BayVGH, U.v. 26.3.2002 - 6 B 96.3901 - juris Rn. 37), also - wie oben ausgeführt - trotz Ausblendens etwaiger einzelner Engstellen, ein sicheres Begehen der Fußgänger nicht mehr gewährleistet ist (BayVGH, U.v. 11.6.2002 a. a. O. Rn. 22 ff.).

Bei der im vorliegenden Fall gegebenen Konstellation, die durch eine Verschmälerung des Gehwegs von 1,50 m auf 0,70 m bis 0,80 m auf einer Länge von ca. zehn Meter und durch das Hineinragen von Regenrinnenfallrohren in den Gehwegbereich an zwei Stellen gekennzeichnet ist, lag jedenfalls gemessen an den Verhältnissen zum Herstellungszeitpunkt der Erschließungsanlage „...straße“ (noch) eine funktionsfähige Teilanlage vor. Die vorhandene Breite von 0,70 m bis 0,80 m entsprach dem für einen Fußgänger erforderlichen 0,75 m breiten „Gehraum“. Da es sich lediglich um eine Strecke von etwa zehn Meter handelte, die eine geringere Gehwegbreite aufwies, stellte dies die Funktionsfähigkeit der gesamten Teilanlage auch unter Berücksichtigung einer erhöhten Verkehrsbedeutung der ...straße nicht in Frage und war auch aus heutiger retrospektiver Sicht als noch hinnehmbar anzusehen (siehe auch BayVGH, U.v. 11.6.2002 a. a. O.; OVG NW, B.v. 1.9.2009 - 15 A 1102/09 - NVwZ-RR 2009, 939; U.v. 1.6.1992 - 2 A 660/91 - juris Rn. 16 ff.).

Dabei kann dahinstehen, ob dieses Ergebnis auch unter dem Aspekt einer gemäß § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB zulässigen Planunterschreitung tragfähig erscheint und inwieweit der von der Klägerin hervorgehobene Aspekt der besonderen Bedeutung der...straße für das städtische Verkehrswegenetz mit hohem Ziel- und Quellverkehr angesichts der langen Zeit von über 30 Jahren, in der trotzdem von einer baulichen oder sonstigen Verbesserung der Engstellensituation für den Fußgängerverkehr abgesehen wurde, aus der Sicht eines objektiven Beobachters in seiner Bedeutung für den Eintritt der Vorteilslage relativiert wird.

Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin in der Zeit zwischen der Herstellung der ...straße im Jahr 1980 und dem Erwerb der Grundstücksteilfläche von acht Quadratmetern im Bereich des Anwesens ...straße ... im Jahr 2012 in einer für die Beitragsschuldner transparenten Weise zu erkennen gegeben hat, dass sie die Herstellung der ...straße als noch nicht bautechnisch abgeschlossen und die Erhebung von Beiträgen in der Zukunft für möglich erachte.

Dem Umstand, dass für die ...straße bislang keine Erschließungsbeiträge erhoben wurden und auch kein Stadtrats- oder Ausschussbeschluss bzw. eine sonstige Entscheidung der Klägerin vorliegt, die klar zum Ausdruck bringt, dass die Herstellung der ...straße als endgültig abgeschlossen und die Anlage als abrechenbar betrachtet wird, kann hingegen angesichts des vom Beigeladenen unter Hinweis auf entsprechende Presseveröffentlichungen vorgetragenen offenbar jahrzehntelang üblichen Verzichts auf die Erhebung von Erschließungs- und Straßenausbaubeiträgen kein besonderes Gewicht zukommen.

Da bereits der Ablauf der in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1, Art. 19 Abs. 2 KAG geregelten Ausschlussfrist der Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die...straße entgegensteht, kam es auf die Frage, ob die (vermutlich) von der Verwaltung der Klägerin festgestellte Beachtung der Vorgaben von § 125 Abs. 2 BauGB den gesetzlichen Anforderungen genügt, nicht mehr an (s. hierzu z. B. BayVGH, B.v. 27.3.2007 - 6 ZB 05.2456 - juris Rn. 8; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 7 Rn. 22).

Die auf Art. 80 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG beruhende und von der Klägerin gerügte Entscheidung des Beklagten in Ziff. 4. des Widerspruchsbescheids, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch den Beigeladenen für notwendig anzusehen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Im vorliegenden Fall des Vorgehens gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wegen der hier typischerweise auftretenden schwierigen Sach- und Rechtsfragen und des dadurch entstehenden Beratungsbedarfs durch eine mit dieser Materie vertraute rechtskundige Personen regelmäßig als notwendig anzusehen (vgl. BVerwG, U.v. 15.2.1991 - 8 C 83.88 - BayVBl 1991, 599; VG Augsburg, U.v. 4.11.2014 - Au 2 K 14.519 - juris Rn. 28). Der Anwendung dieses Grundsatzes steht nicht entgegen, dass es sich bei dem Beitragspflichtigen um einen Landkreis, also um eine kommunale Gebietskörperschaft handelt, da auch Verwaltungspersonal beschäftigenden Landkreisen nicht das Recht abgesprochen werden kann, sich in einem Fall, wie dem vorliegenden, sachkundigen Rat einzuholen. Ob dies aufgrund des Umstands, dass der Beigeladene die Möglichkeit hat, sich eines dem Landratsamt zugeteilten juristischen Staatsbeamten (Art. 37 Abs. 3 Satz 1 und 2 LKrO) zu bedienen, anders zu sehen wäre, kann dahinstehen, da hierfür keine Anhaltspunkte vorliegen und es hier letztlich im (weiten) Ermessen des Beigeladenen steht, ob er (zusätzlich) Rechtsrat für erforderlich hält.

Da der angegriffene Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 26. November 2014 damit insgesamt rechtlich nicht zu beanstanden ist, war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen der Klägerin aufzuerlegen, da sich dieser durch die Stellung des Antrags auf Klageabweisung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 162 Rn. 17).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Berufung war zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür vorliegen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Sache besitzt grundsätzliche Bedeutung, da sie mit den für die vorliegende Entscheidung relevanten Aspekten der tatsächlichen und rechtlichen Anforderungen an den Eintritt der Vorteilslage im Erschließungsbeitragsrecht in verallgemeinerungsfähiger Form rechtliche Fragen aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich sind, über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzen und zur Wahrung der Rechtseinheit sowie zur Rechtsfortbildung der Klärung bedürfen (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 124 Rn. 10).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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published on 04/11/2014 00:00

Tenor I. Unter Aufhebung der Ziffer 2. des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 12. März 2014 wird der Beklagte verpflichtet, die Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass von den Kosten des Widerspruchsverfahrens die
published on 03/09/2013 00:00

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published on 24/02/2017 00:00

Tenor I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 19. März 2015 - Au 2 K 14.1729 - wird zurückgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerich
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Annotations

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 setzt einen Bebauungsplan voraus.

(2) Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Absatz 4 bis 7 bezeichneten Anforderungen entsprechen.

(3) Die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen wird durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und

1.
die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückbleiben oder
2.
die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet werden und die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigen.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

§§ 113 und 114 gelten entsprechend, wenn nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 der Widerspruchsbescheid Gegenstand der Anfechtungsklage ist.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Hilft die Behörde dem Widerspruch nicht ab, so ergeht ein Widerspruchsbescheid. Diesen erläßt

1.
die nächsthöhere Behörde, soweit nicht durch Gesetz eine andere höhere Behörde bestimmt wird,
2.
wenn die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- oder oberste Landesbehörde ist, die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat,
3.
in Selbstverwaltungsangelegenheiten die Selbstverwaltungsbehörde, soweit nicht durch Gesetz anderes bestimmt wird.
Abweichend von Satz 2 Nr. 1 kann durch Gesetz bestimmt werden, dass die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, auch für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig ist.

(2) Vorschriften, nach denen im Vorverfahren des Absatzes 1 Ausschüsse oder Beiräte an die Stelle einer Behörde treten, bleiben unberührt. Die Ausschüsse oder Beiräte können abweichend von Absatz 1 Nr. 1 auch bei der Behörde gebildet werden, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

(3) Der Widerspruchsbescheid ist zu begründen, mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und zuzustellen. Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Der Widerspruchsbescheid bestimmt auch, wer die Kosten trägt.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen. Erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, unterliegen der Beitragspflicht, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstehen. Die Gemeinde gibt bekannt, welche Grundstücke nach Satz 2 der Beitragspflicht unterliegen; die Bekanntmachung hat keine rechtsbegründende Wirkung.

(2) Die Beitragspflicht entsteht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen, für Teilbeträge, sobald die Maßnahmen, deren Aufwand durch die Teilbeträge gedeckt werden soll, abgeschlossen sind. Im Falle des § 128 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 entsteht die Beitragspflicht mit der Übernahme durch die Gemeinde.

(3) Für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, können Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags verlangt werden, wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird oder wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlagen begonnen worden ist und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist. Die Vorausleistung ist mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorausleistende nicht beitragspflichtig ist. Ist die Beitragspflicht sechs Jahre nach Erlass des Vorausleistungsbescheids noch nicht entstanden, kann die Vorausleistung zurückverlangt werden, wenn die Erschließungsanlage bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benutzbar ist. Der Rückzahlungsanspruch ist ab Erhebung der Vorausleistung mit 2 vom Hundert über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs jährlich zu verzinsen. Die Gemeinde kann Bestimmungen über die Ablösung des Erschließungsbeitrags im Ganzen vor Entstehung der Beitragspflicht treffen.

(1) Die Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 setzt einen Bebauungsplan voraus.

(2) Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Absatz 4 bis 7 bezeichneten Anforderungen entsprechen.

(3) Die Rechtmäßigkeit der Herstellung von Erschließungsanlagen wird durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind und

1.
die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückbleiben oder
2.
die Erschließungsbeitragspflichtigen nicht mehr als bei einer plangemäßen Herstellung belastet werden und die Abweichungen die Nutzung der betroffenen Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.