Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 04. Nov. 2014 - Au 2 K 14.519

published on 04/11/2014 00:00
Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 04. Nov. 2014 - Au 2 K 14.519
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Tenor

I.

Unter Aufhebung der Ziffer 2. des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 12. März 2014 wird der Beklagte verpflichtet, die Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass von den Kosten des Widerspruchsverfahrens die Klägerin 69,4% und die Beigeladene 30,6% zu tragen haben sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Klägerin für notwendig zu erklären.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wurde als Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... mit Bescheid der Beigeladenen vom 21. Januar 2013 zur Leistung eines Erschließungsbeitrags in Höhe von 29.918,59 EUR herangezogen. Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 28. Januar 2013 Widerspruch. Da das Landratsamt ... im Widerspruchsverfahren die Auffassung vertrat, dass der Widerspruch wegen einer zu Unrecht gewährten Eckgrundstücksvergünstigung teilweise begründet sei, wurde von der Beigeladenen unter dem 21. Januar 2014 ein mit Rechtsbehelfsbelehrung versehener „Änderungsbescheid“ erlassen, die Beitragsforderung neu auf 20.775,39 EUR festgesetzt und unter Anrechnung der bereits beglichenen Beitragsforderung ein überzahlter Erschließungsbeitrag von 9.143,20 EUR ermittelt.

Mit Schreiben der Klägerin vom 27. März 2014 wurde gegenüber der Widerspruchsbehörde erklärt, dass sich das Widerspruchsverfahren durch den Erschließungsbeitragsbescheid der Beigeladenen vom 21. Januar 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 21. Januar 2014 erledigt habe und beantragt, die Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen und die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren durch die Klägerin auszusprechen.

Mit Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 12. März 2014 wurde das Widerspruchsverfahren eingestellt (Ziffer 1.), der Klägerin als Widerspruchsführerin die Kosten des Verfahrens auferlegt (Ziffer 2.) und für den Bescheid eine Gebühr von 20,00 EUR festgesetzt (Ziffer 3.).

Zur Begründung führte das Landratsamt ... aus, dass sich der Widerspruch aufgrund der im Schreiben der Klägerin vom 27. Januar 2014 erklärten Rücknahme erledigt habe. Das Verfahren sei deshalb einzustellen. Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG sei über die Höhe der Gebühr nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Die nach Art. 1, 2 Abs. 1 Satz 1, Art. 6 und Art. 9 des Kostengesetzes zu erhebende Gebühr habe gemäß Art. 9 Abs. 2 KG bis auf ein Zehntel der normalerweise bei Durchführung des Verfahrens fälligen Gebühr ermäßigt werden können.

Am 1. April 2014 erhob die Klägerin Klage. Für sie ist unter Berücksichtigung des mit Schriftsatz vom 8. Mai 2014 korrigierten Schreibversehens beantragt,

I.

den Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 12. März 2014 isoliert in Bezug auf die Kostenentscheidung (Ziffer 2. des Widerspruchsbescheids) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, folgende Kostenentscheidung zu treffen: Die Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Erschließungsbeitragsbescheid der Stadt ... vom 21.Januar 2013 für das Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung ... haben die Stadt ... im Umfang von 30,6% und die Widerspruchsführerin im Umfang von 69,4% zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren war notwendig.

II.

Dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Zur Begründung führte die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. Mai 2014 aus, dass der Erschließungsbeitragsbescheid der Beigeladenen vom 21. Januar 2013 für das klägerische Grundstück Fl.Nr. ... durch Erlass des Änderungsbescheids vom 21. Januar 2014 (konkludent) aufgehoben worden sei. Dadurch habe sich der gegen den Bescheid vom 21. Januar 2013 eingelegte Widerspruch erledigt. Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG sei daher durch die Widerspruchsbehörde nur noch über die Kosten des Widerspruchsverfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden gewesen. Nach eigener Auffassung der Widerspruchsbehörde sei der Widerspruch im Umfang der nicht berücksichtigten Eckgrundstücksermäßigung begründet gewesen. Der Änderungsbescheid der Beigeladenen habe dies auch berücksichtigt, so dass dem Widerspruch in diesem Umfang faktisch abgeholfen worden sei. Im Übrigen sei der Erschließungsbeitragsbescheid vom 21. Januar 2013 aufgrund des Änderungsbescheids vom 21. Januar 2014 gegenstandslos. Unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands zum Zeitpunkt der Erledigung hätten die Kosten daher im Verhältnis der durch den Änderungsbescheid gegenüber dem Ausgangsbescheid eingetretenen Beitragsreduzierung der Beigeladenen auferlegt werden müssen. Der Anteil der Beitragsermäßigung betrage 30,6%. In diesem Umfang habe die Beigeladene die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen.

Der Beklagte wandte sich mit Schreiben des Landratsamts ... vom 2. Juni 2014 gegen das Klagebegehren.

Für ihn ist beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die im Schreiben der Klägerin vom 27. Januar 2014 erklärte Erledigung sei als Widerspruchsrücknahme zu betrachten gewesen. Der Widerspruch gegen den Erschließungsbeitragsbescheid vom 21. Januar 2013 habe sich nicht aufgrund des Änderungsbescheids vom 21. Januar 2014 erledigt. Erledigung im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG sei die rechtswirksame Beseitigung des Widerspruchs durch Handeln oder Geschehen, z. B. durch Aufhebung des Bescheids. Der Widerspruch sei dagegen nicht erledigt, wenn den Widerspruchspunkten nicht voll Rechnung getragen worden sei. Durch den Änderungsbescheid der Beigeladenen sei nur in einem Widerspruchspunkt Abhilfe geschaffen worden (Eckgrundstücksermäßigung). Dies führe nicht automatisch zur Erledigung des gesamten Widerspruchs gegen den ursprünglichen Bescheid. Dieser sei durch den Änderungsbescheid vom 21. Januar 2014 weder aufgehoben noch ersetzt worden. Dadurch, dass in dem Änderungsbescheid ein Erschließungsbeitrag in Abänderung des Erschließungsbeitragsbescheids vom 21. Januar 2013 festgesetzt worden sei, werde der Erschließungsbeitragsbescheid vom 21. Januar 2013 nicht gegenstandslos, sondern gelte in Gestalt des Änderungsbescheides fort und bilde mit diesem eine Einheit. Die von der Klägerin im Schreiben vom 27. Januar 2014 erklärte Erledigung des Widerspruchs sei daher als Rücknahme des Widerspruchs zu betrachten gewesen mit der Folge, dass das Widerspruchsverfahren durch Widerspruchsbescheid einzustellen (und nicht als erledigt festzustellen) gewesen sei. Kostenschuldner sei bei einer Rücknahme des Widerspruchs derjenige, der den Rechtsbehelf zurückgenommen habe. Dem Antrag, dass die Beigeladene die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen habe, habe daher in Bezug auf den Widerspruch vom 28. Januar 2013 nicht stattgegeben werden können. Die Kosten seien vielmehr der Widerspruchsführerin aufzuerlegen gewesen.

Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2014 führte die Klägerin aus, dass die von der Widerspruchsbehörde vorgenommene Auslegung des Schreibens vom 27. Januar 2014 nicht haltbar sei. Bereits der dort gewählte Wortlaut „Erledigung“ sei eindeutig. Angesichts der unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Bedeutung einer Erledigungserklärung einerseits und einer Rücknahmeerklärung andererseits scheide eine Auslegung gegen den Wortlaut an sich bereits aus. Dies jedenfalls dann, wenn die vorgenommene Auslegung darüber hinaus noch zur Folge habe, dass dies mit einer für den Erklärenden nachteiligen Folge verbunden sei. Angesichts der unterschiedlichen Kostenfolgen sei die durch die Widerspruchsbehörde vorgenommene Auslegung abwegig. Zu der vorliegenden Konstellation der Ersetzung eines Ausgangsbescheids durch einen Änderungsbescheid gelte die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass für den Widerspruchsführer ein Wahlrecht bestehe, entweder den zweiten Bescheid gesondert anzufechten und das erste Verfahren für erledigt zu erklären oder aber den zweiten Bescheid in das Widerspruchsverfahren einzuführen. Hier sei der erste Weg gewählt worden. Der Änderungsbescheid habe auch eine Beschwer enthalten, da mit ihm nicht lediglich der Ausgangsbescheid ermäßigt, sondern der Erschließungsbeitrag insgesamt unter Angabe aller Berechnungsgrundlagen neu berechnet und festgesetzt worden sei. Der Änderungsbescheid habe zudem ein eigenständiges Zahlungsgebot, welches durch entsprechende Aufrechnungserklärung mit den bereits früher geleisteten Zahlungen erledigt wurde, und eine vollständige Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Der Änderungsbescheid habe durch die darin enthaltene Neuberechnung und Neufestsetzung des Erschließungsbeitrags die konkludente Aufhebung des Ausgangsbescheids enthalten. Dies ergebe sich mittelbar auch durch die im Änderungsbescheid enthaltene Aufrechnung.

Von Beklagtenseite wurde mit Schreiben vom 11. August 2014 ergänzend darauf hingewiesen, dass die Erklärung der Klägerin im Schreiben vom 27. Januar 2014 als Rücknahme des Widerspruchs zu bewerten gewesen sei. Der Änderungsbescheid sei als Entscheidung in der Hauptsache von der Klägerin nicht angefochten worden und sei - ebenso wie der Ausgangsbescheid vom 21. Januar 2013 - bestandskräftig geworden. Gegen den von der Beigeladenen erlassenen Änderungsbescheid vom 21. Januar 2014 habe die Klägerin Widerspruch eingelegt, über den mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 entschieden worden sei. Der Widerspruch sei darin zurückgewiesen und in der Begründung ausführlich auf die Thematik der Ersetzung eines Ausgangsbescheids durch einen Änderungsbescheid eingegangen worden. Da der Widerspruchsbescheid nicht angegriffen worden sei, habe er Bestandskraft erlangt. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Anfechtung der Kosten des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2014 aufrechterhalten werde ohne gleichzeitig die Hauptsacheentscheidung oder den Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 anzufechten. Die isoliert angefochtene Kostenentscheidung könne nur im Hinblick auf die Gebührenfestsetzung überprüft werden.

Mit Beschluss vom 16. September 2014 wurde die Stadt ... zum Verfahren beigeladen.

Mit Schriftsatz vom 29. September 2014 legte die Klägerin abschließend dar, dass die Bestandskraft des Widerspruchsbescheids vom 3. Juni 2014 grundsätzlich nur die ausgesprochene Rechtsfolge erfasse. Die angegebene rechtliche Begründung nehme an der Bestandskraft nicht teil.

Mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2014 erklärte die Beigeladene, auf mündliche Verhandlung zu verzichten. Der Beklagte schloss sich mit Schreiben vom 22. Oktober 2014 der Verzichtserklärung an. Die Klägerin verzichtete mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2014 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und teilte mit, dass der Anteil der Beigeladenen an den Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 372,23 EUR zu veranschlagen sei.

Gründe

Über die Klage konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, da alle Beteiligten hierauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat Anspruch darauf, den Beklagten zu verpflichten, die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 12. März 2014 dahingehend abzuändern, dass von den Kosten des Widerspruchsverfahrens sie 69,4% und die Beigeladene 30,6% zu tragen haben und - in der Folge - festzustellen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig war. Die unter Nr. 2 des Widerspruchsbescheids ausschließlich zulasten der Klägerin getroffene Kostenentscheidung war daher aufzuheben (§ 115, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Kostenentscheidung in einem das Widerspruchsverfahren einstellenden Widerspruchsbescheid kann in entsprechender Anwendung von § 79 Abs. 1 Nr. 2, § 115 VwGO alleiniger Klagegegenstand sein (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 79 Rn. 9 u. Rn. 11). Die Klage ist auch in diesen Fällen gegen den Rechtsträger zu richten, dem die Widerspruchsbehörde angehört (BayVGH, U.v. 25.3.1988 - 23 B 87.2360 - BayVBl 1988, 628; U.v. 20.11.1984 - 23 B 84.A.1942 - BayVBl 1985, 350; Kopp/Schenke, a. a. O., Rn. 10 u. Rn. 15). Das Landratsamt ... wurde bei Erlass des Widerspruchsbescheids gemäß Art. 119 Nr. 1, Art. 110 Satz 1 GO i. V. m. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO aus Staatsbehörde tätig. Folglich ist der Freistaat Bayern passivlegitimiert (§ 78 Abs. 2 VwGO).

Da die Klägerin das gegen den Erschließungsbeitragsbescheid vom 21. Januar 2013 gerichtete Widerspruchsverfahren mit Schriftsatz vom 24. Januar 2014 ausdrücklich und zulässigerweise für erledigt erklärt hat, konnte die Widerspruchsbehörde nach Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG lediglich noch über die Kosten dieses Widerspruchsverfahrens entscheiden.

Die Erledigungserklärung der Klägerin war statthaft, da sich das Widerspruchsverfahren durch den von der Beigeladenen zum Zweck der Abhilfe (§ 72 VwGO) erlassenen „Änderungsbescheid“ vom 21. Januar 2014 „auf andere Weise“ im Sinn von Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG erledigt hatte. Da die Beigeladene mit diesem Bescheid den Erschließungsbeitrag rechnerisch (vollständig) neu festgesetzt und auch über das Leistungsgebot dadurch erneut entschieden hat, dass sie die von der Klägerin auf das im Bescheid vom 21. Januar 2013 enthaltene Leistungsgebot hin vorgenommene Zahlung verrechnet und einen Erstattungsbetrag von 9.143,20 EUR ermittelt hat, entfaltete der Erschließungsbeitragsbescheid vom 21. Januar 2013 mit Wirksamwerden des „Änderungsbescheids“ vom 21. Januar 2014 keine Rechtswirkungen mehr. Der „Änderungsbescheid“ löste den Erschließungsbeitragsbescheid vom 21. Januar 2013 - ohne dass es sich um eine außerhalb des Widerspruchsverfahrens erfolgte Rücknahme nach Art. 48 BayVwVfG gehandelt hat (s. hierzu BVerwG, U.v. 28.4.2009 - 2 A 8.08 - NJW 2009, 2968) - in seinen Rechtswirkungen in vollem Umfang ab mit der Folge, dass der ursprüngliche Bescheid die Klägerin nicht (mehr) in ihren Rechten verletzen konnte (vgl. hierzu z. B. BayVGH, U.v. 3.7.2006 - 6 B 03.2544 - BayVBl 2007, 533 zum Verhältnis des Vorausleistungsbescheids zum endgültigen Beitragsbescheid). Dies wird auch daran deutlich, dass dem Bescheid eine derjenigen des Erstbescheids entsprechende (vollständige) Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war. Auf die Frage, ob im Erlass des „Änderungsbescheids“ eine (konkludente) Rücknahme des Erschließungsbeitragsbescheids vom 21. Januar 2013 gesehen werden kann, wie dies die Klägerin vertritt, kam es deshalb nicht an.

Da diese Änderung des Anfechtungsgegenstands erfolgte, bevor über den Widerspruch durch Erlass eines Widerspruchsbescheids entschieden war, hat dies der Klägerin verfahrensrechtlich die Wahlmöglichkeit eröffnet, entweder das den ursprünglichen Bescheid betreffende Widerspruchsverfahren für erledigt zu erklären oder den „Änderungsbescheid“ vom 21. Januar 2014 durch eine gemäß § 91 VwGO analog mögliche Widerspruchsänderung in das anhängige Widerspruchsverfahren einzubeziehen und diesen damit zum nunmehrigen alleinigen Gegenstand des Widerspruchsverfahrens zu erklären (BayVGH, U.v. 10.7.1986 - 6 B 84.A.1426 - BayVBl 1987, 22; U.v. 24.11.2011 - 20 B 11.722 - juris Rn. 24; Kopp/Schenke, a. a. O., § 68 Rn. 23). Durch die Abgabe einer Erledigungserklärung in Bezug auf das den Bescheid vom 21. Januar 2013 betreffende Widerspruchsverfahren hat die Klägerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise von ersterer Option Gebrauch gemacht.

Die Auslegung der verfahrensbeendenden Erklärung des Bevollmächtigten der Klägerin als Widerspruchsrücknahme überschritt die Grenzen einer Wortlautauslegung und war deshalb rechtsfehlerhaft. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat das Widerspruchsverfahren ausdrücklich für „erledigt“ erklärt. Damit schied ohne entsprechende Anhaltspunkte für ein Versehen und bei der erforderlichen Berücksichtigung der Interessenlage auf Seiten der Widerspruchsführerin eine Auslegung der Erledigungserklärung als Rücknahme aus.

Da mithin nicht von einer Rücknahme des Widerspruchs, sondern von einer Erledigung des Widerspruchsverfahrens auszugehen war, oblag es der Widerspruchsbehörde gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG, unter Berücksichtigung des bisherigen Sachstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu entscheiden. Die dabei zu treffende Entscheidung hat sich hier mangels anderer berücksichtigungsfähiger Aspekte am Umfang des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens zu orientieren (vgl. Giehl, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand Oktober 2014, Art. 80 Anm. II. 6.). Aufgrund der als Abhilfe infolge des Widerspruchsvorbringens erfolgten Reduzierung des Erschließungsbeitrags im „Änderungsbescheid“ lag ein Obsiegen der Klägerin in Höhe von 30,6% und ein Unterliegen in Höhe von 69,4% vor. Dementsprechend war die Kostenentscheidung zu treffen.

Dass der Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 Bestandskraft erlangt hat, steht dieser Einschätzung nicht entgegen, da in diesem über den Widerspruch der Klägerin vom 24. Januar 2014 gegen den Änderungsbescheid vom 21. Januar 2014 entscheiden wurde und die Bestandskraftwirkung nicht über den dortigen Verfahrensgegenstand und den Entscheidungsausspruch in diesem Verfahren hinausgeht.

Die Klägerin hat schließlich auch Anspruch darauf, dass in der Kostenentscheidung die (förmliche) Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch sie für notwendig erklärt wird (Art. 80 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG). Im vorliegenden Fall des Vorgehens gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wegen der hier typischerweise auftretenden schwierigen Sach- und Rechtsfragen und des dadurch entstehenden Beratungsbedarfs durch eine mit dieser Materie vertraute rechtskundige Personen regelmäßig als notwendig anzusehen (BVerwG, U.v. 15.2.1991 - 8 C 83.88 - BayVBl 1991, 599).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124, § 124a VwGO).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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published on 19/03/2015 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig volls
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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

§§ 113 und 114 gelten entsprechend, wenn nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 der Widerspruchsbescheid Gegenstand der Anfechtungsklage ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

§§ 113 und 114 gelten entsprechend, wenn nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 der Widerspruchsbescheid Gegenstand der Anfechtungsklage ist.

(1) Die Klage ist zu richten

1.
gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde,
2.
sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat.

(2) Wenn ein Widerspruchsbescheid erlassen ist, der erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), ist Behörde im Sinne des Absatzes 1 die Widerspruchsbehörde.

Hält die Behörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie ihm ab und entscheidet über die Kosten.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.