Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 06. Juni 2017 - Au 1 S 17.645

bei uns veröffentlicht am06.06.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 5. Mai 2017 gegen den Bescheid der Stadt ... vom 3. April 2017 wird hinsichtlich der Ziffer B. 2. wiederhergestellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen tierschutzrechtliche Anordnungen.

Bereits in der vorherigen Wohnung der Antragsteller hatte es mehrere Anzeigen von Nachbarn aufgrund der hohen Anzahl an gehaltenen Katzen, deren tierschutzwidriger Unterbringung in Transportboxen sowie der damit verbundenen extremen Geruchsbelästigung gegeben. Nachdem sich diese Zustände für das Veterinäramt der Stadt ... im Rahmen einer angekündigten Kontrolle im August 2015 bestätigt hatten, wurden die Antragsteller mit formlosem Schreiben vom 28. August 2015 (Bl. 13 ff. der Behördenakte) auf die festgestellten Mängel hingewiesen und ihnen eine Frist zur Reduzierung ihrer Katzenzahl gesetzt. Zudem wurden sie ausführlich über eine artgerechte Katzenhaltung informiert. Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die stundenweise Unterbringung der Tiere in Transportboxen gegen das Tierschutzgesetz verstoße. Schließlich wurde dringend empfohlen, die geschlechtsreifen Katzen kastrieren zu lassen.

Ausweislich der von der behandelnden Tierärztin vorlegten Patientenakten (Bl. 40 ff. der Gerichtsakte) wies auch diese die Antragsteller mehrfach darauf hin, dass die Katzen Stresssymptome aufweisen, die Tierzahl dringend reduziert und alle Tiere kastriert werden müssten.

Seit Februar 2016 wohnen die Antragsteller in einer neuen Wohnung. Auch dort gab es nach kurzer Zeit mehrere Anwohnerbeschwerden aufgrund hygienischer Missstände. Deswegen beantragte die Antragsgegnerin bei der Staatsanwaltschaft ... im Februar 2017 einen Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachts auf Vorliegen eines Vergehens nach dem Tierschutzgesetz. Der Durchsuchungsbeschluss wurde am 3. März 2017 vom Amtsgericht ... erlassen.

Daraufhin wurde die Wohnung der Antragsteller am 22. März 2017 durchsucht. Dabei stellten die Vertreter des Veterinäramts unter anderem fest, dass die Antragsteller aktuell 16 Katzen in der Wohnung halten, von welchen vier nicht kastriert waren. Nach Auffassung der Veterinäre gebe es viel zu wenig Rückzugsmöglichkeiten, Futterplätze sowie Katzentoiletten in der Wohnung. Der Gestank nach Urin und Ausscheidungen sowie das Klima in der Wohnung seien unerträglich gewesen. Zum Zeitpunkt der Kontrolle hätten sich acht Tiere in Transportboxen befunden.

Um die Katzen tierärztlich untersuchen zu können, wurden am Ende der Kontrolle alle Tiere von den Vertretern des Veterinäramtes mitgenommen. Die tierärztliche Untersuchung ergab bei mehreren Tieren das Vorliegen sogenannter „Leckalopezien“, was darauf zurückzuführen sei, dass sich die Katzen zu intensiv putzen. Die Erkrankung werde als angstbedingte Neurose oder Störung beschrieben, die mit Stress in der Umgebung und nicht artgerechten Haltungsbedingungen erklärbar sei. Einzelne Katzen hätten zudem aufgrund mangelnder Bewegung eine sehr schwach ausgeprägte Muskulatur an den Hintergliedmaßen. Schließlich hätten die Tiere teilweise auffallend kurze Krallen an den Hinterbeinen.

Mit Bescheid vom 3. April 2017  bestätigte die Antragsgegnerin gegenüber den Antragstellern die am 22. März 2017 durchgeführte amtliche Fortnahme der 16 Katzen und deren anderweitige Unterbringung in einem Tierheim (Ziffer A. des Bescheids). Zudem wurde den Antragstellern ab Bekanntgabe des Bescheids das Halten und Betreuen von Tieren jeder Art untersagt (Ziffer B. 1.). Schließlich wurde ihnen auferlegt, die freihändige Veräußerung der ihnen weggenommenen Tiere zu dulden (Ziffer B. 2.). Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Haltungs- und Betreuungsverbot wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- EUR angedroht (Ziffer B. 3.). Die sofortige Vollziehung der Ziffern B. 1. und B. 2. wurde angeordnet (Ziffer B. 4.).

Zur Begründung der Fortnahme und anderweitigen Unterbringung wurde ausgeführt, die Antragsteller hätten über einen längeren Zeitraum hinweg gegen die tierschutzrechtlichen Anforderungen aus § 2 TierSchG verstoßen und den Katzen damit länger anhaltende und erhebliche Leiden zugefügt. Die Leiden entstünden durch die Haltung der extrem geruchsempfindlichen und sauberkeitsliebenden Katzen in der stark nach Urin und Kot riechenden und schimmligen Wohnung, der Unterbringung in abgedunkelten Räumlichkeiten, der stundenweisen Unterbringung in Transportboxen sowie der gemeinsamen Haltung deutlich zu vieler Tiere auf zu engem Raum. Die Zustände in der Wohnung, die gutachterliche Stellungnahme der Amtstierärztin sowie die angefertigten Lichtbilder ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Tiere nicht artgemäß gehalten und erheblich vernachlässigt würden. Trotz der vorhergehenden Aufforderungen hätten die Antragsteller nichts an ihrer Katzenhaltung geändert, sodass die Fortnahme und anderweitige Unterbringung nach Sachlage dringend erforderlich gewesen sei. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig. Das Interesse der Antragsteller müsse hinter dem Schutz der Tiere vor weiteren Leiden und Schäden zurücktreten.

Das Tierhaltungsverbot könne auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG gestützt werden. Nach gutachterlicher Einschätzung der Amtstierärztin handele es sich bei den Verstößen gegen das Tierschutzgesetz um eine vollendete quälerische Tiermisshandlung. Die Antragsteller kämen selbst den elementarsten Bedürfnissen der Katzen nicht nach und hätten somit den Vorschriften des § 2 TierSchG wiederholt und grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihnen gehaltenen Tieren erhebliche und länger anhaltende Leiden zugefügt. Zur Verhütung künftiger Verstöße sei daher ein unbefristetes Haltungsverbot für Tiere aller Art erforderlich. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich.

Schließlich müssten die Antragsteller die Veräußerung der Tiere dulden, da bei den Katzen eine erhebliche Vernachlässigung gutachterlich festgestellt wurde. Von einer vorherigen Anhörung sei im öffentlichen Interesse des Tierschutzes abgesehen worden. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei ebenfalls im öffentlichen Interesse und zum Schutz der Tiere geboten. Bei weiterer Fortdauer der Unterbringung im Tierheim würden die Kosten einen etwaig zu erzielenden Erlös zunehmend übersteigen.

Gegen diesen Bescheid ließen die Antragsteller am 5. Mai 2017 Klage erheben (Au 1 K 17.643), über welche noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig begehren sie einstweiligen Rechtsschutz. Die Antragsteller würden die Katzen nicht dauerhaft in Transportboxen einsperren, sondern nur zeitweise, während der Antragsteller zu 1 unterwegs sei. Die massiven Anwohnerbeschwerden würden bestritten. Die Antragsgegnerin habe ihre Beweise zum Teil durch unerlaubte Bildaufnahmen der Nachbarn rechtswidrig erlangt. Ein allgemeines Tierhalteverbot sei nicht verhältnismäßig. Als milderes Mittel könne den Antragstellern aufgegeben werden, unter welchen Umständen und wie viele Katzen gehalten werden dürfen. Der angebliche Schimmelbefall in der Wohnung sei mittlerweile entfernt worden und die Wohnung würde nun regelmäßig gelüftet und noch besser gereinigt werden. Die tierärztlichen Befunde würden ebenfalls bestritten, da sie sich nicht mit den Befunden der Haustierärztin der Antragsteller decken würden. Diese habe den Antragstellern nie mitgeteilt, dass die Tiere leiden würden. Ein Wiederholungsrisiko sei nicht nachvollziehbar. Es liege keine erhebliche Vernachlässigung der Tiere vor. Zudem sei es rechtswidrig gewesen, von einer Anhörung abzusehen. Die Antragsteller seien so vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Die Anordnung des Sofortvollzugs der Veräußerung bringe den Antragstellern einen nicht mehr zu beseitigenden Nachteil.

Die Antragsteller beantragen,

Der Antrag auf Vollziehung des Bescheids vom 3. April 2017 des Veterinärwesens der Stadt ... ist bis zur Entscheidung des Verfahrens ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Eilantrag abzulehnen.

Zur Begründung wird ergänzend zu den Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid vorgebracht, die Maßnahmen seien verhältnismäßig, da selbst wenn die Antragsteller nur eine geringere Anzahl an Katzen halten dürften, deren Schutz nicht gewährleistet werden könne. Im Rahmen der Interessenabwägung seien auf Seiten der Antragsteller im Unterschied zu einer Nutztierhaltung auch keine weiteren Einschränkungen in ihrer Lebensführung zu berücksichtigen.

Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte (auch im Verfahren Au 1 K 17.643) und der vorgelegte Behördenakte.

II.

Der zulässige Antrag hat teilweise Erfolg.

1. Der Antrag, die Vollziehung des Bescheids bis zur Entscheidung des Verfahrens ohne Sicherheitsleistung auszusetzen, war gemäß § 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass mit ihm die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der am gleichen Tag erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. April 2017 begehrt wird.

Gegenstand des Antrags sind somit einerseits die gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärten Verpflichtungen in Ziffern B. 1. und B. 2. des Bescheids vom 3. April 2017. Daneben richtet sich der Antrag gegen die Zwangsgeldandrohung in Ziffer B. 3. des Bescheids, die als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung kraft Gesetzes nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG sofort vollziehbar ist.

Die schriftliche Bestätigung der Fortnahme und anderweitige Unterbringung der Katzen in Ziffer A. ist dagegen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Dabei kann hier offen bleiben, ob mit der Klage gegen den „Bescheid der Beklagten vom 03.04.2017“ (siehe Klageantrag zu 1.) diese Ziffer mit angegriffen wurde. Dagegen spricht die Tatsache, dass es sich bei der Ziffer A. des Bescheids vom 3. April 2017 lediglich um eine schriftliche Bestätigung im Sinne von Art. 37 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG handelt, während der eigentliche Verwaltungsakt bereits am 22. März 2017 ergangen ist. Jedenfalls wurde die Ziffer A. nämlich nicht im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt. Nach dieser Vorschrift ist die sofortige Vollziehung von der jeweiligen Behörde besonders anzuordnen, was hier nicht geschehen ist. Die Antragsgegnerin führt hier lediglich auf Seite 8 des Bescheids aus, dass die sofortige Vollziehung der durchgeführten Maßnahmen im öffentlichen Interesse geboten sei, ohne dass sie diese jedoch vorher ausdrücklich - im Tenor des Bescheids - angeordnet hätte. Auch für eine mündliche Anordnung im Rahmen der Durchführung der Fortnahme am 22. März 2017 mit anschließender schriftlicher Bestätigung ergeben sich keine Anhaltspunkte aus dem Durchsuchungsprotokoll. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann wegen ihres Ausnahmecharakters auch nicht konkludent, sondern nur ausdrücklich getroffen werden (vgl. VGH BW, B.v. 30.4.1994 - 1 S 1144/94 - juris Rn. 10). Mangels sofortiger Vollziehbarkeit bezieht sich der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung somit nicht auf die Ziffer A. des Bescheids.

2. Der Antrag ist teilweise begründet.

a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wurde den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechend schriftlich begründet.

Die Vollziehbarkeitsanordnung muss mit einer auf den konkreten Fall abgestellten und nicht lediglich formelhaften schriftlichen Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts versehen werden. Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm bekämpften Verwaltungsakt nicht betroffen zu werden (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 80 Rn. 84 und 85).

Diesen Anforderungen werden die Ausführungen im angegriffenen Bescheid sowohl hinsichtlich der Ziffer B. 1. als auch hinsichtlich der Ziffer B. 2. noch gerecht. Auf der Seite 12 wird - zwar sehr knapp - nachvollziehbar dargelegt, warum ein weiteres Zuwarten im öffentlichen Interesse nicht mehr vertretbar ist. Die Maßnahmen dienten dem Zweck, Leben, Gesundheit und Wohlbefinden der von den Antragstellern gehaltenen Tiere zu schützen sowie zukünftige Verstöße zu unterbinden bzw. zu verhindern. Die sofortige Vollziehung sei daher im öffentlichen Interesse geboten. Bei einer weiteren Fortdauer der Unterbringung der Katzen im Tierheim bis zur Bestandskraft des Bescheids, würden die Kosten einen etwaig zu erzielenden Erlös zunehmend übersteigen, sodass auch ein Interesse an der sofortigen Veräußerung der Katzen bestehe (vgl. dazu Hirt/ Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Auflage 2016, § 16a Rn. 35; BayVGH, B.v. 26.11.2009 - 9 C 09.2570 - juris Rn. 3).

b) Das Gericht trifft weiter im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung aufgrund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei die Interessen der Antragsteller und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung gegeneinander abzuwägen. Besondere Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu, soweit sie im Rahmen der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung bereits beurteilt werden können.

Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessenabwägung vorliegend hinsichtlich der Ziffer B. 1. zu Ungunsten der Antragsteller aus. Es ist zwar offen, ob ein allgemeines Haltungsverbot für Tiere jeglicher Art verhältnismäßig ist, das öffentliche Interesse am Tierschutz überwiegt hier jedoch das Interesse der Antragsteller, bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin Tiere halten zu dürfen.

Hinsichtlich der Duldungsanordnung in Ziffer B. 2. sind die Erfolgsaussichten für das Klageverfahren zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls noch offen. Hier ist jedoch den Interessen der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage Vorrang einzuräumen.

c) Formelle Bedenken gegen die streitgegenständlichen Anordnungen bestehen nicht. Ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG für ein Absehen einer Anhörung vorlagen, also durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt worden wäre, bedarf keiner abschließenden Klärung. Ein eventueller Verstoß gegen die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Anhörung kann gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG geheilt werden, wenn die Anhörung bis zum Schluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt wird. Dies ist hier geschehen. Die Antragsteller haben in ihrer Antragsschrift vom 5. Mai 2017 umfassend zum angefochtenen Bescheid Stellung genommen und die Antragsgegnerin hat sich in ihrer Antragserwiderung vom 22. Mai 2017 mit den entsprechenden Argumenten der Gegenseite auseinandergesetzt, sodass ein etwaiger Verstoß gegen Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG jedenfalls geheilt wurde.

d) Rechtsgrundlage des Haltungs- und Betreuungsverbots ist die Vorschrift des § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG. Danach kann die zuständige Behörde demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG (…) wiederholt oder grob zuwiderhandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmen oder jeden Art untersagen (…), wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird.

(1) Die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür sind erfüllt. Die Antragsteller haben wiederholt gegen tierschutzrechtliche Vorgaben verstoßen und dadurch ihren Katzen Schmerzen bzw. Leiden zugefügt. Es ist auch davon auszugehen, dass sie weitere Zuwiderhandlungen begehen werden.

Die Antragsteller haben bei ihrer Tierhaltung wesentliche tierschutzrechtliche Anforderungen (vgl. § 2 TierSchG) nicht beachtet. Nach § 2 TierSchG muss derjenige, der ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen (Nr. 1), darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden (Nr. 2) und muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen (Nr. 3). All dies ist bei den Antragstellern nicht der Fall.

Bereits im August 2015 wurde die Antragsgegnerin aufgrund mehrerer Nachbarbeschwerden auf die gesetzeswidrige Tierhaltung der Antragsteller aufmerksam. Bereits damals wurde im Rahmen einer Kontrolle festgestellt, dass die Antragsteller eine zu hohe Anzahl an Katzen halten und dass zu wenig Rückzugsmöglichkeiten, Futterplätze und Katzentoiletten für die Anzahl an Tieren vorhanden sind. Zudem wurde bekannt, dass die Antragsteller ihre Katzen teilweise stundenweise in Transportboxen halten. Obwohl die Antragsteller damals von der Antragsgegnerin auf die Missstände hingewiesen wurden und sie aufgefordert wurden, ihre Tieranzahl zu reduzieren und sämtliche Tiere kastrieren zu lassen, trat keine Besserung ein. Bei der Kontrolle am 22. März 2017 wurden erneut die oben genannten Zustände vorgefunden. Der Bestand wurde lediglich von 18 auf 16 Tiere reduziert, von denen vier Tiere nicht kastriert waren. Zum Zeitpunkt der Kontrolle befanden sich außerdem acht Katzen in Transportboxen. Die gesamte Wohnung roch zudem stark nach Urin und Ausscheidungen. Die anschließend durchgeführte tierärztliche Untersuchung der Katzen ergab, dass bei mehreren Tieren sogenannte „Leckalopezien“, d.h. Haarverlust an mehreren Stellen aufgrund zu intensivem Putzen, vorliegen. Dieses neurotische und gestörte Verhalten der Tiere ist auf Stress in ihrer Umgebung und eine nicht artgerechte Haltung zurückzuführen. Einzelne Katzen hatten zudem aufgrund mangelnder Bewegung eine zu schwach ausgeprägte Muskulatur an den Hintergliedmaßen sowie teilweise auffallend kurze Krallen an den Hinterbeinen.

An den von der Antragsgegnerin geschilderten Feststellungen hat das Gericht keine Zweifel. Sowohl die Zustände in der Wohnung (Bl. 140 der Behördenakte sowie Anlagen 1 - 6 zum Schreiben an die Staatsanwaltschaft ... vom 24. April 2017) als auch die tierärztlichen Befunde (Bl. 107ff. der Behördenakte) sind schriftlich und mit zahlreichen Lichtbildern für das Gericht nachvollziehbar dokumentiert. Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots geht hier fehl. Dabei kann dahinstehen, ob durch die Lichtbildaufnahmen der Nachbarn Grundrechte der Antragsteller verletzt wurden, da die Antragsgegnerin ihre Maßnahmen jedenfalls rein auf ihre eigenen aktenkundigen Feststellungen und gerade nicht auf die Lichtbilder der Nachbarn stützt. Der Aussage der Antragstellerin zu 2, die Katzen würden lediglich von 15:00 bis 18:00, während ihr Bruder, der Antragsteller zu 1, unterwegs sei, in den Transportboxen gehalten, vermag das Gericht ebenfalls nicht zu folgen. Unabhängig von der Frage, ob nicht auch bereits eine nur stundenweise Haltung in den Boxen tierschutzwidrig ist, erscheint diese Aussage im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Umstände wenig glaubhaft.

Nach fachärztlicher Einschätzung hat ein erhebliches Leiden der Katzen vorgelegen. „Leiden“ sind anzunehmen, wenn Tiere über einen nicht nur ganz geringfügigen Zeitraum hinweg in ihrem natürlichen Wohlbefinden beeinträchtigt werden. Es ist zudem ausreichend, wenn sich die Beeinträchtigungen nur bei einem Teil der Tiere des betroffenen Bestands feststellen lassen (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Auflage 2016, § 16a Rn. 46). Bei der Frage, ob den Tieren Leiden zugefügt wurden, ist die vorrangige Beurteilungskompetenz der Amtstierärzte zu beachten, deren fachliche Beurteilungen jedenfalls nicht durch schlichtes Bestreiten und auch nicht durch unsubstantiierte, pauschale Behauptungen entkräftet werden können (a.a.O.). Somit führt hier die Tatsache, dass die Antragsteller die tierärztlichen Befunde bestreiten, zu keinem anderen Ergebnis. Darüber hinaus entspricht die Behauptung, die Befunde würden sich nicht mit den Darstellungen ihrer eigenen Tierärztin decken und diese habe den Antragstellern gegenüber nie erwähnt, dass es den Tieren schlecht ginge, offensichtlich nicht der Wahrheit. Aus den vorgelegten Patientenakten ergibt sich eindeutig, dass auch die behandelnde Tierärztin der Antragsteller bei mehreren Katzen in der Vergangenheit unter anderem Stresssymptome festgestellt sowie auf die zu hohe Anzahl hingewiesen hat (vgl. z.B. Bl. 39, 40 und 43 der Gerichtsakte).

Das Gericht teilt auch die Prognose der Antragsgegnerin, dass eine Besserung bei den Antragstellern nicht zu erwarten, sondern vielmehr mit weiteren Zuwiderhandlungen zu rechnen ist. Dies ergibt sich bereits aus der Vielzahl der zumindest über einen Zeitraum von circa 2 Jahren hinweg begangenen Verstöße. Die Antragsteller haben sich weder von den Hinweisen der Antragsgegnerin im August 2015 noch von den Aussagen ihrer Tierärztin in irgendeiner Hinsicht beeindrucken lassen. Bei der Durchsuchung im März 2017 zeigte sich zudem insbesondere die Antragstellerin zu 2 enorm uneinsichtig. So gab sie zum Beispiel auf die Frage, warum die Katzen unter den festgestellten Zuständen gehalten werden, lediglich an, die Katzen seien daran gewöhnt und würden es mögen, in den Transportboxen eingesperrt zu sein. Es gehe den Katzen gut bei ihnen. Ein Fehlverhalten ihrerseits wurde dagegen nicht zugegeben.

Wegen des in der Behördenakte dokumentierten Verhaltens der Antragsteller ist in diesem Zusammenhang auch der Vortrag unerheblich, die Wohnung sei mittlerweile gestrichen und der Schimmel entfernt worden. Zum einen wurden dafür keine Nachweise erbracht und zum anderen geht das Gericht nicht davon aus, dass diese - lediglich marginalen -Verbesserungen auch langfristig zu einer ordnungsgemäßen Tierhaltung führen werden.

(2) Nach Auffassung des Gerichts ist es aber offen, ob das Verbot, Tiere jeder Art zu halten und zu betreuen, rechtmäßig ist. Dies wird im Rahmen des Hauptsacheverfahrens abschließend zu klären sein, auch wenn aktuell viel dafür spricht, dass die Antragsteller auch nicht in der Lage sein werden, andere Tiere als Katzen artgerecht zu halten.

(3) Lassen sich die Erfolgsaussichten ohne weitere Sachaufklärung auch nicht vorläufig beurteilen und ist der Verfahrensausgang deshalb offen, ist eine reine Interessenabwägung erforderlich (Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 77). Hier rechtfertigen die überwiegenden öffentlichen Interessen des Tierschutzes die sofortige Vollziehung des Haltungsverbots. Angesichts der massiven und dauerhaften Verstöße sind die Belange des Tierschutzes hier sehr hoch zu gewichten. Auf der anderen Seite sind überwiegende Interessen der Antragsteller, mit der Befolgung des Verbots bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zuwarten zu dürfen, nicht erkennbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass aktuell überhaupt der Wunsch besteht, andere Tiere als Katzen zu halten.

e) Aufgrund der obigen Ausführungen hat der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auch bezüglich des in Ziffer B. 3. angedrohten Zwangsgeldes keinen Erfolg. Die Vollziehbarkeit der Zwangsgeldandrohung richtet sich nach der Vollziehbarkeit der Primäranordnung in Ziffer B. 1. des Bescheids, so dass sich die rechtlichen Bedenken auch auf die Zwangsgeldandrohung auswirken. Jedoch überwiegt auch hier das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung.

f) Rechtsgrundlage der Duldungsanordnung in Ziffer B. 2. ist § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 TierSchG. Nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 1 TierSchG kann die zuständige Behörde ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 (TierSchG) erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist. Ist eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich oder ist nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen, kann die Behörde das Tier veräußern.

(1) Vorliegend ist offen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Veräußerungsanordnung erfüllt sind. Zwar entfällt hier das Erfordernis einer Fristsetzung, da gegen die Antragsteller gleichzeitig ein Haltungsverbot nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Vorschrift verhängt und dieses für sofort vollziehbar erklärt wurde (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Auflage 2016, § 16a Rn. 33 m.w.N.). Weitere Voraussetzung für die Veräußerung ist aber, dass die Fortnahme rechtmäßig erfolgt ist. Die Veräußerung baut nämlich gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 TierSchG auf der Fortnahme nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 1 TierSchG auf. Ein Fehler in der Fortnahme setzt sich somit in der Veräußerung fort und kann jedenfalls bis zur Bestandskraft der Fortnahmeverfügung geltend gemacht werden. Dies schließt jedoch nicht aus, dass Fortnahmeverfügung und Veräußerungsverfügung in einem Bescheid zusammengefasst und beide Verwaltungsakte für sofort vollziehbar erklärt sowie gleichzeitig vollstreckt werden (BVerwG, U.v. 12.1.2012 - 7 C 5/11 - juris Rn. 31).

Wie oben unter Randnummer 21 ausgeführt, lässt sich dem Klageantrag nicht eindeutig entnehmen, ob mit der Klage gegen den „Bescheid der Beklagten vom 03.04.2017“ auch die Fortnahmeverfügung angegriffen wurde. Diese Frage muss im Hauptsacheverfahren abschließend geklärt werden. Im hiesigen Verfahren ist folglich offen, ob die Fortnahmeverfügung bereits durch Ablauf der Klagefrist bestandskräftig geworden ist oder rechtzeitig mittels einer Anfechtungsklage angegriffen wurde.

Außerdem hat die Antragsgegnerin die Fortnahmeverfügung auch nicht ausdrücklich für sofort vollziehbar erklärt (s. ebenfalls Rn. 21), sodass eine Veräußerung auch nicht aus diesem Grund bereits jetzt zulässig wäre.

(2) Auch hier ist somit eine Interessenabwägung erforderlich. Hier kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass das Interesse der Antragsteller, dass die Katzen zumindest bis zur Entscheidung über ihre Klage nicht verkauft werden, das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Der Rechsschutzanspruch eines Betroffenen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je gewichtiger die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen Unabänderliches bewirken (BVerwG, B.v. 14.4.2005 - 4 VR 1005/04 - juris Rn. 12). Bei der Gewichtung der Interessen des Bürgers spielt eine bedeutsame Rolle, dass regelmäßig keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden sollen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 77). Dies wäre hier jedoch der Fall. Sind die Katzen einmal verkauft, können sie nicht wieder zurückgeholt werden.

Überwiegende öffentliche Interessen, die Anordnung - trotz der offenen Erfolgsaussichten - sofort vollziehen zu dürfen, sind auf der anderen Seite nicht ersichtlich. Das öffentliche Interesse des Tierschutzes greift hier nicht, da sich die Tiere aktuell im Tierheim befinden und ihnen somit von den Antragstellern zumindest vorübergehend kein Schaden mehr zugefügt werden kann. Die Tatsache, dass die Kosten der Unterbringung eventuell einen zu erzielenden Erlös übersteigen werden, vermag ebenfalls nicht das private Interesse der Antragsteller zu entkräften.

3. Die Kostenentscheidung für das vorliegende Verfahren beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Bei einem Teilobsiegen können die Kosten der Parteien gegeneinander aufgehoben werden.

4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.1.3, 1.5, 35.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 06. Juni 2017 - Au 1 S 17.645

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
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(1) Die zuständige Behörde trifft die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere 1. im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 erforderlichen Maßnahme

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im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 erforderlichen Maßnahmen anordnen,
2.
ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist; ist eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich oder ist nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen, kann die Behörde das Tier veräußern; die Behörde kann das Tier auf Kosten des Halters unter Vermeidung von Schmerzen töten lassen, wenn die Veräußerung des Tieres aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist oder das Tier nach dem Urteil des beamteten Tierarztes nur unter nicht behebbaren erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden weiterleben kann,
3.
demjenigen, der den Vorschriften des § 2, einer Anordnung nach Nummer 1 oder einer Rechtsverordnung nach § 2a wiederholt oder grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagen oder es von der Erlangung eines entsprechenden Sachkundenachweises abhängig machen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird; auf Antrag ist ihm das Halten oder Betreuen von Tieren wieder zu gestatten, wenn der Grund für die Annahme weiterer Zuwiderhandlungen entfallen ist,
4.
die Einstellung von Tierversuchen anordnen, die ohne die erforderliche Genehmigung oder entgegen einem tierschutzrechtlichen Verbot durchgeführt werden.

(2) Die zuständige Behörde untersagt die Durchführung eines nach § 8a Absatz 3 oder eines auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 8a Absatz 4 anzuzeigenden Versuchsvorhabens oder die Vornahme einer auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 8 Absatz 3 Nummer 4 oder § 8a Absatz 5 Nummer 4 anzuzeigenden Änderung eines Versuchsvorhabens, soweit die Einhaltung der für die Durchführung von Tierversuchen geltenden Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen nicht sichergestellt ist und diesem Mangel nicht innerhalb einer von der zuständigen Behörde gesetzten Frist abgeholfen worden ist.

(3) Die zuständige Behörde trifft die erforderlichen Anordnungen um sicherzustellen, dass

1.
die Anordnung der Einstellung von Tierversuchen, die Untersagung der Durchführung von Versuchsvorhaben oder der Widerruf oder die Rücknahme der Genehmigung eines Versuchsvorhabens keine nachteiligen Auswirkungen auf das Wohlergehen der Tiere hat, die in den Tierversuchen oder Versuchsvorhaben verwendet werden oder verwendet werden sollen, und
2.
die Untersagung der Ausübung einer Tätigkeit nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder die Rücknahme oder der Widerruf einer Erlaubnis nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 keine negativen Auswirkungen auf das Wohlergehen der Tiere hat, die in den der jeweiligen Tätigkeit dienenden Betrieben oder Einrichtungen gehalten werden.

Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,

1.
muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen,
2.
darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,
3.
muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,

1.
muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen,
2.
darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,
3.
muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Veräußerung ihrer Pferde. Sie betrieb bis 2006 eine Pferdezucht. Auf ihrem Anwesen hielt sie 15 Pferde sowie ein Fohlen. Nachdem sie am 14. Februar 2006 zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe in Haft genommen worden war, stellte der R. e.V. im Auftrag des Landratsamtes R. die Versorgung der nicht anderweitig betreuten Pferde sicher. Diese verblieben dabei auf dem Hof der Klägerin. Die Kosten beglich das beklagte Land. Die Klägerin war dazu finanziell nicht im Stande.

2

In der Folgezeit forderte das Landratsamt die Klägerin erfolglos - unter Hinweis auf eine andernfalls notwendige Veräußerung - auf, die Versorgung der Pferde sicher zu stellen. Eine Verfügung über die Veräußerung der Pferde unterblieb jedoch. Das Amt entschied sich vielmehr für einen Verkauf im Wege der "unmittelbaren Ausführung". In einer E-Mail des Leiters des Rechts- und Ordnungsamtes an den zuständigen Sachbearbeiter heißt es: "Aus meiner Sicht sollte der einfache Weg beschritten werden (unmittelbare Ausführung). Wenn Sie eine Anordnung erlassen, könnte ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt werden und wir müssten nach bisheriger Praxis abwarten bis über diesen entschieden ist. Ich meine, dass wir solche Verzögerungen nicht hinnehmen können."

3

Am 10. Juni 2006 veräußerte das Landratsamt sämtliche Pferde. Eines wurde freihändig verkauft. Die übrigen Pferde wurden durch einen vom Landratsamt hinzugezogenen Auktionator versteigert. Aufgrund des Zuschlags des Auktionators wurden Kaufverträge mit den Erwerbern unterzeichnet.

4

Vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin sinngemäß beantragt festzustellen, dass die vom Beklagten durchgeführte Veräußerung von 15 Pferden und einem Fohlen rechtswidrig war. Weiter hat sie die Verurteilung des Beklagten zur Rückgängigmachung der Folgen der Versteigerung begehrt. Die Klage auf Rückgängigmachung der Folgen der Versteigerung hat das Verwaltungsgericht abgetrennt und ausgesetzt. Der Feststellungsklage hat es mit Urteil vom 10. Dezember 2008 stattgegeben. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Veräußerung nach § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG hätten zwar vorgelegen. Diese setze jedoch - ebenso wie die anderen in § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG genannten Maßnahmen - grundsätzlich einen Verwaltungsakt voraus. Daran fehle es hier. Solche Maßnahmen könnten zwar auch im Wege der unmittelbaren Ausführung erfolgen, wenn die Voraussetzungen des entsprechend anzuwendenden § 8 Polizeigesetzes des Landes vorlägen. Dies sei hier aber nicht der Fall. Nach § 8 PolG BW sei eine unmittelbare Ausführung nur zulässig, wenn der polizeiliche Zweck durch Maßnahmen gegen die in den §§ 6 und 7 PolG BW bezeichneten Personen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden könne. Die Regelung gehe von dem Grundsatz aus, dass die Behörde in der Regel eine Anordnung gegen den Störer zu treffen habe. Hier sei die Halterin der Pferde bekannt gewesen. Zwischen Inhaftierung und Versteigerung hätten fast vier Monate gelegen. Eine unmittelbare Ausführung gerade zum Zwecke der Vermeidung eines Rechtsschutzverfahrens sei rechtswidrig und verkenne die dem Bürger von Verfassungs wegen eingeräumten Rechtsschutzmöglichkeiten. Ob auch die übrigen Voraussetzungen einer öffentlichen Versteigerung vorgelegen hätten, könne deshalb offen bleiben.

5

Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage mit Urteil vom 20. April 2010 als unzulässig abgewiesen. Es fehle ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 43 VwGO an der Feststellung.

6

Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 - BVerwG 7 B 49.10 - (NVwZ 2011, 509) hat der Senat für beide Beteiligte die Revision zugelassen.

7

Die Klägerin begehrt mit ihrer Revision die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückweisung der Berufung des Beklagten. Das Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Dies habe der Senat bereits in seinem Zulassungsbeschluss festgestellt. Die Veräußerung der Pferde sei rechtswidrig. Eine solche setze bereits nach dem Wortlaut von § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG eine Grundverfügung gegenüber dem Halter voraus, an der es hier fehle. Auch sei die Versteigerung selbst in rechtswidriger Weise durchgeführt worden.

8

Der Beklagte erstrebt mit seiner Revision die Abweisung der Klage als unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beruhe - wie der Senat in seinem Zulassungsbeschluss ausgeführt habe - auf einem Verfahrensmangel. Die Veräußerung der Pferde sei rechtmäßig gewesen. Sie hätte keiner vorherigen Verfügung bedurft. Der aus Art. 20a GG ableitbare Auftrag des Staates zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Tieren gebiete es, möglichst rasch tierschutzgerechte Zustände herbeizuführen. § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG ermächtige zum Handeln im Wege der unmittelbaren Ausführung. Der Wortlaut der Vorschrift stehe dem nicht entgegen. Die Veräußerung der Tiere selbst sei fehlerfrei erfolgt.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Eine Veräußerung nach § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG setze den vorherigen Erlass eines Verwaltungsakts voraus. § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG konkretisiere die Anordnungsbefugnis in Satz 1 der Norm. Gegebenenfalls sei eine unmittelbare Ausführung nach Maßgabe des jeweiligen Landesrechts möglich.

Entscheidungsgründe

10

1. Die Revision der Klägerin ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, vgl. a). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO). Zu Unrecht hat der Verwaltungsgerichtshof auf die Berufung des Beklagten das der Klage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben (vgl. b).

11

a) Unter Verletzung von Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen. Dies hat der Senat bereits mit Beschluss vom 14. Februar 2011 a.a.O. im Einzelnen wie folgt dargelegt:

Die Klage ist zulässig. Dabei kann dahinstehen, ob dies bereits deshalb der Fall ist, weil die Klägerin ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO an der baldigen Feststellung hat. Die Zulässigkeit der Klage ergibt sich jedenfalls aus Folgendem:

Die Klägerin hat vor dem Verwaltungsgericht beantragt, festzustellen, der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, ihre Pferde zu veräußern, und ihn zur Rückgängigmachung der Folgen der Veräußerung zu verurteilen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Rückgängigmachung der Folgen der Versteigerung abgetrennt und - bis zu einer Entscheidung über die Feststellungsklage - ausgesetzt. Angesichts dessen durfte die Feststellungsklage nicht mit der Begründung als unzulässig abgewiesen werden, es fehle an einem Feststellungsinteresse, weil die Klägerin die behauptete Eigentumsverletzung im Wege der vor dem Verwaltungsgericht anhängigen - und gerade bis zu einer Sachentscheidung über die Feststellungsklage ausgesetzten - Klage auf Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen geltend machen könne. Denn bei dieser Feststellungsklage handelt es sich um eine Zwischenfeststellungsklage (§ 173 VwGO i.V.m. § 256 Abs. 2 ZPO), die hier zulässig ist.

12

Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde. Zweck der Zwischenfeststellungsklage ist die Ausdehnung der Rechtskraft auf das dem Anspruch zugrunde liegende Rechtsverhältnis, das sonst von der Rechtskraftwirkung nicht erfasst würde (Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 256 Rn. 344; vgl. auch Urteil vom 9. Dezember 1971 - BVerwG 8 C 6.69 - BVerwGE 39, 135 <138>). Sie ist ein Ersatz dafür, dass die Elemente der Entscheidung zum Grund der Klage nicht in Rechtskraft erwachsen. Voraussetzung ist daher, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von dem Bestehen des Rechtsverhältnisses abhängt. Ein weiteres (rechtliches) Interesse an der alsbaldigen Feststellung ist dagegen nicht erforderlich. Das Feststellungsinteresse wird durch die Vorgreiflichkeit ersetzt (BGH, Urteil vom 17. Mai 1977 - VI ZR 174/74 - BGHZ 69, 37 <41>; BAG, Urteil vom 26. August 2009 - 4 AZR 300/08 - juris Rn. 19). Voraussetzung der Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO ist damit, dass ein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten streitig ist, und dass von der Feststellung dieses Rechtsverhältnisses die Entscheidung in der Hauptsache abhängt; dabei ist unerheblich, dass die Hauptklage erst im Laufe des Verfahrens "nachgeschoben" wird (BGH, Urteil vom 6. Juli 1989 - IX ZR 280/88 - NJW-RR 1990, 318 <320>).

13

Durch die Trennung hat sich daran nichts geändert. Ein Zwischenfeststellungsantrag, über den vorab entschieden wird, verliert durch die Trennung nicht seinen unselbstständigen Charakter. Vielmehr kann über den Feststellungsantrag durch Teilurteil vor endgültiger Klärung des Hauptantrags entschieden werden (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 1954 - I ZR 13/54 - LNR 1954, 13380, vom 27. Oktober 1960 - III ZR 80/58 - NJW 1961, 75 und vom 17. November 2005 - IX ZR 162/04 - NJW 2006, 915).

14

Auch das allgemeine Rechtsschutzinteresse für die Klage liegt vor. Dieses setzt voraus, dass sich die begehrte Feststellung auf einen Gegenstand bezieht, der über den der Rechtskraft fähigen Gegenstand des Rechtsstreits hinausgeht. Für eine Zwischenfeststellungsklage ist daher kein Raum, wenn mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien erschöpfend geregelt sind (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2006 - VII ZR 247/05 - NJW 2007, 82 <83>). Insoweit genügt die hier bestehende bloße Möglichkeit, dass das inzident ohnehin zu klärende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien noch über den gegenwärtigen Streitgegenstand hinaus Bedeutung gewinnen kann.

15

b) Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO). Das angefochtene Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Vielmehr ist die vom Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht als unzulässig abgewiesene Klage begründet; denn der Beklagte war nicht berechtigt, die Pferde der Klägerin - wie geschehen - ohne vorherigen Erlass eines entsprechenden Grundverwaltungsakts zu veräußern.

16

aa) Zwar lagen die materiellen Voraussetzungen für eine Veräußerung der Tiere vor:

Nach § 16a Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Nach § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG kann sie insbesondere ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufweist, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist. Ist eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich oder ist nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen, kann die Behörde das Tier veräußern. Nach § 2 Nr. 1 TierSchG muss, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen.

17

Diese Voraussetzungen für die Wegnahme und für die Veräußerung der Pferde lagen vor. Dabei kann dahinstehen, ob der bei den Verwaltungsakten befindliche Vermerk des beamteten Tierarztes ein Gutachten im Sinne des § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG ist. Denn die Klägerin hat für die Zeit ihrer Abwesenheit die Versorgung der Pferde - insbesondere deren Ernährung und Pflege - in keiner Weise sichergestellt. Sinn des Gutachtens ist es, Klarheit darüber zu erhalten, ob die Haltung artgerecht ist. Ein solches Gutachten ist deshalb nach Sinn und Zweck der Vorschrift entbehrlich, wenn Tiere bei Abwesenheit des Halters überhaupt nicht versorgt - insbesondere überhaupt nicht ernährt - werden.

18

bb) Die Veräußerung der Tiere ist aber rechtswidrig, weil deren Fortnahme und Veräußerung nicht durch einen Verwaltungsakt gegenüber der Halterin angeordnet worden war. § 16a Satz 2 Nr. 2 Halbs. 1 TierSchG ermächtigt grundsätzlich nur zum Erlass einer Fortnahme- und einer Veräußerungsverfügung, die nach Landesrecht zu vollstrecken sind (vgl. aaa). Ohne vorausgehenden Verwaltungsakt kann ein Tier deshalb nur fortgenommen und veräußert werden, wenn und soweit die Voraussetzungen der unmittelbaren Ausführung oder des Sofortvollzugs nach Landesrecht vorliegen. Daran fehlt es hier (vgl. bbb). Ist die Fortnahme von Tieren mangels Verwaltungsakts rechtswidrig, ist schon aus diesem Grund auch deren nachfolgende - im Übrigen hier ebenfalls ohne vorherige Grundverfügung vollzogene - Veräußerung rechtswidrig (vgl. ccc).

19

aaa) Nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Vorschrift ermächtigt § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG die zuständige Behörde grundsätzlich nur zum Erlass einer Fortnahme- und Veräußerungsverfügung, die nach Landesrecht zu vollstrecken ist. Auch die verfassungsrechtlichen Schranken behördlichen Eingreifens sprechen für dieses Ergebnis.

20

Nach Wortlaut und Gesetzessystematik konkretisiert § 16a Satz 2 TierSchG, wie die Formulierung "insbesondere" zeigt, für die dort genannten Fallgruppen - ohne erkennbare Differenzierung - die aus der Generalklausel des § 16a Satz 1 folgende Befugnis, Anordnungen zu treffen. Der Begriff der Anordnung deckt sich nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers regelmäßig mit dem der Regelung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 VwVfG und verweist damit auf die Handlungsform des Verwaltungsakts. Für Anordnungen nach § 16a Satz 2 Nr. 1, 3 und 4 TierSchG folgt diese Gleichsetzung zudem zwingend aus § 18 Abs. 1 Nr. 2 TierSchG. Danach handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer "vollziehbaren" Anordnung nach § 16a Satz 2 Nr. 1, 3 oder 4 zuwiderhandelt. Vollziehbar sind nur Verwaltungsakte. Es spricht unter systematischen Gesichtspunkten nichts dafür, dass aus dem Maßnahmenkatalog des Satzes 2 nur die Nummer 2 nicht als Befugnisnorm ausgestaltet sein soll. Noch weniger leuchtet ein, dass besonders grundrechtsintensive Maßnahmen wie die Veräußerung und die Tötung eines Tieres generell ohne vorherige behördliche Anordnung gestattet werden sollten.

21

Für eine einheitliche Auslegung des Satzes 2 als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Verwaltungsakten spricht - worauf der Vertreter des Bundesinteresses zu Recht hinweist - auch die Entstehungsgeschichte des § 16a TierSchG. Die Norm ist § 69 Arzneimittelgesetz (AMG) nachgebildet (vgl. BRDrucks 195/86 S. 6). Danach treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie können insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln oder Wirkstoffen untersagen, deren Rückruf anordnen und diese unter bestimmten Voraussetzungen sicherstellen. Für diese Vorschrift ist anerkannt, dass sie zum Erlass von Verwaltungsakten ermächtigt (vgl. Urteil vom 19. Oktober 1989 - BVerwG 3 C 35.87 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 20 S. 2). Jenes Verständnis des § 69 AMG stand dem Gesetzgeber des § 16a TierSchG vor Augen.

22

Auch bestand bereits bei Erlass des Gesetzes ein differenziertes System des Verwaltungsvollstreckungsrechts in den Bundesländern, nach dem grundsätzlich vor einem Eingriff in Rechte von Bürgern ein Verwaltungsakt notwendig ist und ein solcher nur ausnahmsweise entbehrlich ist (vgl. unten). Wenn der Bundesgesetzgeber von diesem System eine Ausnahme durch Bundesrecht hätte schaffen wollen, hätte dies deutlich zum Ausdruck kommen müssen.

23

Dass die zuständigen Behörden grundsätzlich nur in Vollziehung eines Verwaltungsakts Zwang anwenden dürfen, folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie aus dem Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG):

Der aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) abgeleitete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist (vgl. u.a. BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. - BVerfGE 109, 279 <335 ff.>; Beschlüsse vom 4. April 2006 - 1 BvR 218/02 - BVerfGE 115, 320 <345 und vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. - NJW 2007, 2464 <2468>; stRspr). Ein Eingriff ist nur dann erforderlich, wenn er zur Erreichung des mit der Maßnahme angestrebten Erfolges das mildeste Mittel gleicher Wirksamkeit ist. Die zwangsweise Durchsetzung verwaltungsrechtlicher Pflichten im Wege der Verwaltungsvollstreckung setzt deshalb grundsätzlich den vorherigen Erlass eines Verwaltungsakts voraus. Der Verwaltungszwang schließt sich an ein Verwaltungsverfahren an, das mit dem Erlass eines Verwaltungsakts endet. Diesem kommt zunächst die Aufgabe zu, die abstrakt-generelle Verpflichtung des Gesetzes für den Einzelfall zu konkretisieren. Zugleich soll der Verwaltungsakt dem Bürger Rechtssicherheit gewähren und als Vollstreckungstitel eine materiell- und verfahrensrechtliche Grundlage für die Zwangsanwendung bilden (vgl. Pietzner, in: Verwaltungsarchiv 84 <1993>, S. 261; Waldhoff, in: Hoffmann-Riem, Schmidt-Aßmann, Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, S. 359, 369 ff.). Dieses gestufte Verfahren belastet den Adressaten der Maßnahme weniger als die unvermittelte Zwangsanwendung, die den Pflichtigen ungleich härter trifft als die auf einer Grundverfügung aufbauende Verwaltungsvollstreckung. Sie nimmt ihm die Möglichkeit, den Vollstreckungszwang abzuwenden (vgl. Urteil vom 21. November 1980 - BVerwG 4 C 60.77 - Buchholz 445.5 § 28 WaStrG Nr. 1 = NJW 1981, 1571). Bevor die Behörde zur Tat schreitet, muss sie zunächst versuchen, den Betroffenen zur Erfüllung seiner Verpflichtung anzuhalten. Vor die Tat setzt der Rechtsstaat das Wort (Pietzner, a.a.O., S. 262). Die unmittelbare Zwangsanwendung ist daher auf Fälle begrenzt, in denen der Zweck der Maßnahme nicht durch den Erlass eines Verwaltungsakts und die Anordnung von dessen sofortiger Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erreicht werden kann.

24

Dies trägt auch dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) Rechnung. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes; der Bürger hat einen substantiellen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle (BVerfG, Beschlüsse vom 29. Oktober 1975 - 2 BvR 630/73 - BVerfGE 40, 272 <275> und vom 2. Dezember 1987 - 1 BvR 1291/85 - BVerfGE 77, 275 <284>). Das vorgenannte Regel-Ausnahme-Verhältnis zwingt die Behörde grundsätzlich, sich eine Vollstreckungsgrundlage in Form eines vollziehbaren Verwaltungsakts zu verschaffen. Wehrt sich der Bürger mit Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, kann dieser aufgrund des durch Art. 19 Abs. 4 GG abgesicherten Suspensiveffekts (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) grundsätzlich erst vollzogen werden, nachdem die Gerichte seine Rechtmäßigkeit geprüft haben (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. Juni 1973 - 1 BvL 39/69, 14/72 - BVerfGE 35, 263 <274> und vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73, 155/73 - BVerfGE 35, 382 <401 f.>). Ordnet die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO aus einem besonderen öffentlichen oder privaten Interesse den Sofortvollzug an, bedarf dies der Rechtfertigung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 a.a.O. S. 402) und unterliegt gerichtlicher Prüfung (vgl. § 80 Abs. 5 VwGO). Greift die Verwaltung hingegen ohne Grundverfügung zum Zwang, kann der Bürger zwar nach § 123 VwGO um vorbeugenden Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Anordnung nachsuchen. Die Lastenverteilung zwischen Behörde und Bürger kehrt sich dabei aber um.

25

Diese Erwägungen gelten - wie der Vertreter des Bundesinteresses zutreffend ausführt - uneingeschränkt auch für die Fortnahme und Veräußerung nach § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG. Weshalb die Inanspruchnahme des Verpflichteten durch Verwaltungsakt - wie der Beklagte meint - generell unzweckmäßig sein sollte, ist nicht erkennbar. Inhalt der Fortnahmeverfügung ist allein die Anordnung an den Halter, das Tier herauszugeben. Belange des Tierschutzes (Art. 20a GG) stehen dem nicht entgegen. Unter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen kann die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Fortnahmeverfügung anordnen oder - falls auch das keine zeitnahe effektive Gefahrenbeseitigung ermöglicht - zu dem im Landesvollstreckungsrecht geregelten Instrument der unmittelbaren Ausführung oder des Sofortvollzugs greifen. In diesem Rahmen kann und muss die Behörde dann ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht, die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung nach Maßgabe von Gesetz und Recht zu schützen (Art. 20a GG), nachkommen. Ist ein Tier erheblich vernachlässigt oder zeigt es schwerwiegende Verhaltensstörungen auf, wird die Behörde deshalb ein Tier so schnell wie es Recht und Gesetz erlauben dem Halter fortnehmen dürfen und müssen.

26

Von dem dargestellten Verständnis von § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG geht auch das Urteil vom 7. August 2008 - BVerwG 7 C 7.08 - (BVerwGE 131, 346 Rn. 24 = Buchholz 418.9 TierSchG Nr. 16) aus. In dem dort entschiedenen Fall war die Fortnahme von Tieren durch Verwaltungsakt angeordnet worden. Darauf hat der Senat abgestellt und in der nach Erlass des Verwaltungsakts erfolgten tatsächlichen Fortnahme eine Vollstreckung dieses Verwaltungsakts gesehen.

27

bbb) Ob und unter welchen Voraussetzungen die zuständige Behörde ausnahmsweise ein Tier ohne vorhergehenden Verwaltungsakt dem Halter fortnehmen und es veräußern kann, richtet sich nach Landesrecht.

28

Somit kommt es darauf an, ob die Fortnahme und Veräußerung der Pferde durch den Beklagten von § 8 des Polizeigesetzes für Baden-Württemberg (PolG BW) gedeckt sind. Danach ist die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme durch die Polizei (der Begriff umfasst nach baden-württembergischem Recht auch die Verwaltungsbehörden als Sicherheitsbehörden, vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl. 2009, § 59 Rn. 1 ff.) nur zulässig, wenn der polizeiliche Zweck durch Maßnahmen gegen die in den §§ 6 und 7 PolG BW genannten Personen, also den Verhaltens- und den Zustandsstörer, nicht rechtzeitig erreicht werden kann.

29

Diese Voraussetzungen liegen hier - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - nicht vor; zu dieser Feststellung ist der Senat berechtigt (zur Prüfung von Landesrecht durch das Revisionsgericht, vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 563 Abs. 4 ZPO; Urteil vom 26. August 1964 - BVerwG 5 C 128.63, 5 C 129.63 - BVerwGE 19, 204 <212 f.> = Buchholz 412 § 2 KgfEG Nr. 27; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 144 Rn. 12 f., 19).

30

Fortgenommen wurden die Pferde am 10. Juni 2006. Dies und ihre Veräußerung zeichneten sich jedenfalls ab April 2006 ab. In dem dazwischen liegenden Zeitraum hätte ohne Weiteres eine Fortnahme- und Veräußerungsverfügung erlassen und deren sofortige Vollziehung angeordnet werden können. Der Zweck der Maßnahme hätte somit auch bei Inanspruchnahme der Klägerin erreicht werden können. Wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zutreffend ausgeführt hat, ist eine unmittelbare Ausführung gerade zum Zwecke der Vermeidung eines Rechtsschutzverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO rechtswidrig und verkennt die dem Bürger von Verfassungs wegen (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) eingeräumten Rechtsschutzmöglichkeiten.

31

ccc) Die Rechtswidrigkeit der Fortnahme führt ohne Weiteres auch zur Rechtswidrigkeit der - überdies ebenfalls ohne die erforderliche vorherige Grundverfügung vollzogenen - Veräußerung. Letztere baut gemäß § 16a Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 TierSchG auf der Fortnahme nach § 16a Satz 2 Nr. 2 Halbs. 1 TierSchG auf. Ein Fehler der Fortnahme setzt sich damit in der Veräußerung fort und kann jedenfalls so lange geltend gemacht werden, wie eine erlassene Fortnahmeverfügung nicht bestandskräftig ist. Dies schließt nicht aus, dass Fortnahmeverfügung und Veräußerungsverfügung in einem Bescheid zusammengefasst und beide Verwaltungsakte für sofort vollziehbar erklärt sowie gleichzeitig vollstreckt werden.

32

cc) Dahinstehen kann deshalb, ob - wie die Klägerin geltend macht - auch die Art und Weise der Versteigerung rechtswidrig war. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wäre diese Frage - in Ermangelung bundesrechtlicher Vorgaben - gegebenenfalls nach dem einschlägigen Landesrecht (hier § 34 PolG BW) zu beantworten.

33

2. Die Revision des Beklagten ist zulässig (vgl. a), aber unbegründet (vgl. b).

34

a) Die Revision des Beklagten ist zulässig. Auch er ist durch das klageabweisende Prozessurteil des Verwaltungsgerichtshofs beschwert. Das hat der Senat ebenfalls in dem Zulassungsbeschluss vom 14. Februar 2011 (a.a.O.) im Einzelnen folgendermaßen begründet:

Für das zivilgerichtliche Verfahren ist anerkannt, dass der Beklagte beschwert sein kann, wenn die Klage durch Prozessurteil statt durch Sachurteil abgewiesen wird. Denn die Rechtskraft des Sachurteils geht weiter als die des Prozessurteils (BGH, Urteil vom 18. November 1958 - VIII ZR 131/57 - BGHZ 28, 349; BAG, Beschluss vom 19. November 1985 - 1 ABR 37/83 - NJW 1987, 514). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dem für das verwaltungsgerichtliche Verfahren angeschlossen (vgl. Urteil vom 10. Februar 1960 - BVerwG 5 C 14.58 - BVerwGE 10, 148 <149> = Buchholz 436.4 § 9 MuSchG Nr. 2; Beschluss vom 15. März 1968 - BVerwG 7 C 183.65 - BVerwGE 29, 210 <211> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 28; Urteil vom 10. April 1968 - BVerwG 4 C 160.65 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 29 = NJW 1968, 1795).

35

An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat fest. § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO bringt zum Ausdruck, dass auch der Beklagte ab dem dort genannten Zeitpunkt einen Anspruch auf gerichtliche Entscheidung hat (vgl. Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 92 Rn. 25). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Beklagte zu seiner Verteidigung bereits Anstalten gemacht und finanziellen Aufwand gehabt hat (vgl. Becker-Eberhard, in: Münchner Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2007, § 269 Rn. 1). Dieselbe Wertung liegt der Rechtsprechung zugrunde, wonach der Beklagte bei berechtigtem Interesse trotz Erledigterklärung durch den Kläger einen Anspruch auf Nachprüfung hat, ob die Klage gegen ihn zu Recht erhoben worden ist (vgl. Urteil vom 14. Januar 1965 - BVerwG 1 C 68.61 - BVerwGE 20, 146 <154> = Buchholz 310 § 161 Abs. 2 VwGO Nr. 12).

36

Eine Beschwer ist danach zu bejahen, wenn das Prozessurteil nicht in demselben Umfang in Rechtskraft erwächst wie ein Sachurteil. Dies ist hier der Fall. Der Beklagte hat zu gewärtigen, dass die Frage, die Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist, in einem Folgeprozess - etwa in dem angekündigten Amtshaftungsprozess sowie in dem Rechtsstreit um die Rückgängigmachung der Folgen der Veräußerung - erneut aufgeworfen wird, ohne dass er die materielle Rechtskraft einwenden kann.

37

b) Die Revision des Beklagten ist jedoch unbegründet. Zwar beruht das Prozessurteil des Verwaltungsgerichtshofs - wie bereits dargelegt - auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Revision des Beklagten hat aber gleichwohl keinen Erfolg (§ 144 Abs. 2 VwGO). Denn entgegen seinem Revisionsantrag ist die Klage nicht als unbegründet abzuweisen.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.