Verwaltungsgericht Arnsberg Beschluss, 27. März 2014 - 2 L 240/14
Gericht
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den in ihrem Rechtsamt zum 1. März 2013 zur Besetzung (Stellenausschreibungs-Nr. 86/2013-30) ausgeschriebenen und nach der BesGr. A 11BBesO bzw. Vergütungsgruppe IVa BAT (entspr. Entgeltgruppe 10 TVöD) bewerteten Dienstposten einer Sachbearbeiterin/eines Sachbearbeiters zur Bearbeitung von Schadenfällen aus den Bereichen Haftpflicht (Buchstaben M – Z) und Autokasko etc. (StPlNr. 50000265) mit der Beigeladenen oder einem anderen Bewerber zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag der Antragstellerin, der sich sinngemäß aus der Beschlussformel zu 1. ergibt, ist zulässig und begründet.
3Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt nach Maßgabe des § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2 und 294 ZPO voraus, dass der jeweilige Antragsteller das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen sowohl eines Anordnungsanspruchs (1.) als auch eines Anordnungsgrundes (2.) glaubhaft macht.
4Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall vor.
51. Die Antragstellerin hat den erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Auswahlentscheidung der Antragstellerin erweist sich aus mehreren Gründen als rechtsfehlerhaft.
6Zwar hat ein Beamter grundsätzlich keinen Anspruch auf Übertragung eines bestimmten Dienstpostens. Auch der Anspruch eines Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung ist generell nur auf die Zuweisung eines Dienstpostens gerichtet, in dem Aufgaben solcher Qualität zusammengefasst sind, die hinsichtlich ihrer Wertigkeit dem statusrechtlichen Amt des Beamten entsprechen.
7Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. April 2012 - 6 A 538/11, juris.
8Die Antragstellerin (eine Stadtamtfrau, gehobener Dienst, BesGr. A 11) ist im vorliegenden Fall mit ihrem Einverständnis derzeit bei der Antragsgegnerin auf einem mit BesGr. A 7 (mittlerer Dienst) bewerteten Dienstposten und damit eindeutig „unterwertig“ eingesetzt. Ab 15. April 2014 soll sie zeitlich begrenzt auf einem nach BesGr. A 11 bewerteten Dienstposten im Wahlbüro der Antragsgegnerin eingesetzt werden.
9Ein Anspruch auf Zuweisung eines bestimmten Dienstpostens folgt aus dem Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung aber grundsätzlich nicht, da es im Wesentlichen der organisatorischen Dispositionsbefugnis des Dienstherrn obliegt, welcher konkrete Dienstposten dem Beamten zur amtsangemessenen Beschäftigung zugewiesen wird.
10Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 2. August 2011 - 6 B 304/11 -, und vom 21. März 2007 - 6 B 39/07 -, beide juris.
11In diesem Zusammenhang kommt dem Dienstherrn bei der Entscheidung, welchen Personenkreis er für eine konkrete Stellenbesetzung in Betracht zieht, grundsätzlich ein weit gefasster Entscheidungsspielraum zu. Insoweit ist es seinem - gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren - organisatorischen Ermessen überlassen, ob er eine frei gewordene Stelle im Wege der Versetzung, Umsetzung, der Beförderung oder auf sonstige Weise neu besetzt. Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass Bewerber für einen Dienstposten, auf den sie - wie die Antragstellerin - ohne Statusveränderung umgesetzt oder versetzt werden wollen, keinen Anspruch auf eine Auswahl nach den Grundsätzen der Bestenauslese unter Berücksichtigung der Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG (Eignung, Befähigung, fachliche Leistung) haben.
12Vgl. BVerwG., Urteil vom 25. November 2004 - 2 C 17.03 -, ZBR 2005, 244.
13Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich der Dienstherr - wie hier - dazu entschließt, die Übertragung eines bestimmten Dienstpostens im Rahmen eines Auswahlverfahrens nach Maßgabe der Bestenauslese vorzunehmen und neben Umsetzungs- auch Beförderungsbewerber (insbesondere auch solche, die sich auf dem konkreten Dienstposten aus laufbahnrechtlichen Gründen für eine nachfolgende Beförderung erst noch bewähren sollen) einbezieht. Mit dieser Entscheidung beschränkt er seine eigene Organisationsfreiheit und ist aufgrund der hierdurch eingetretenen Selbstbindung gehalten, die nachfolgende Auswahl auch dann an den Maßstäben des Leistungsgrundsatzes zu messen, wenn die konkrete Stellenbesetzung nicht mit einer Statusveränderung verbunden ist. Vor diesem Hintergrund hat der Dienstherr dann auch im Hinblick auf die Umsetzungsbewerber die Auswahlentscheidung im Wege der Bestenauslese nach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffen. Nach Maßgabe dieser Vorgaben steht dann auch den Bewerbern um einen bloßen Dienstposten ein Anspruch auf beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Bewerbung um den zu besetzenden Dienstposten zu.
14Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 -, ZBR 2013, 376, vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 -, IÖD 2012, 158, vom 25. November 2004 - 2 C 17.03 -, a. a. O.; OVG NRW, Beschlüsse vom 29. November 2013 - 6 B 1193/13 -, juris, vom 9. Januar 2013 - 6 B 1125/12 -, IÖD 2013, 50 und vom 13. Oktober 2009 - 6 B 1232/09 -, Schütz, BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 183.
15Im vorliegenden Fall hat sich die Antragsgegnerin mit der hausinternen Stellenaus-schreibung (Nr. 86/2013-30), in der die verschiedenen vom jeweiligen Stellenbewer-ber zu erfüllenden, leistungs- und eignungsbezogenen Anforderungen im Einzelnen benannt werden, für ein solches an dem Grundsatz der Bestenauslese zu orientie-rendes Auswahlverfahren entschieden. Die Antragsgegnerin hat nachfolgend auch eine Auswahl zwischen den Bewerbern getroffen, wobei sie sechs Bewerber zu ei-nem Vorstellungsgespräch eingeladen und sich im Anschluss daran (insoweit ist ein Vermerk über den Abschluss des Auswahlverfahrens gefertigt worden) für die Beige-ladene entschieden hat, weil diese das beste Vorstellungsgespräch absolviert habe.
16Grundsätzlich vermag jeder Fehler im Auswahlverfahren einschließlich etwaiger Feh-ler der dabei zugrunde gelegten Beurteilungen den Erlass einer einstweiligen Anord-nung zu rechtfertigen; vorausgesetzt werden dabei die Berücksichtigungsfähigkeit des Fehlers und dessen potentielle Kausalität für das Auswahlergebnis.
17Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Juni 2006 - 6 B 618/06 -, ZBR 2006, 360, und vom 6. August 2004 - 6 B 1226/04 -, juris.
18In Anwendung dieser Grundsätze bestehen gleich mehrere durchgreifende Beden-ken gegen die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin. Zum einen ist die streitbefangene Auswahlentscheidung im Hinblick auf die die Entschei-dung tragenden Auswahlerwägungen nicht hinreichend dokumentiert worden (a.). Zum anderen ist der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin durch die von der Antragsgegnerin fehlerhaft vorgenommene Aus- und Bewertung der vorlie-genden dienstlichen Beurteilungen verletzt worden (b.). Es erscheint (zumindest) auch möglich, dass der Dienstposten im Falle einer fehlerfreien Wiederholung des Auswahlverfahrens an die Antragstellerin vergeben wird (c.).
19a. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, den streitigen Dienstposten mit der Bei-geladenen zu besetzen, ist zum einen schon deshalb rechtswidrig, weil die tragenden Auswahlerwägungen nur unzureichend dokumentiert wurden.
20Vgl. zu den Anforderungen an die Dokumentationspflicht des Dienstherrn: BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 -, NVwZ 2007, 1178.
21Die Verpflichtung zur Dokumentation besteht auch für Entscheidungen, die Konkur-renzverhältnisse hinsichtlich der Übertragung bloßer Dienstposten betreffen, wenn sich der Dienstherr im Rahmen des ihm zustehenden Organisationsermessens - wie hier - verbindlich darauf festgelegt hat, den Dienstposten auf der Grundlage eines Auswahlverfahrens zu besetzen.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Oktober 2009 - 6 B 1232/09 -, a. a. O.
23Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen - deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber ggfs. durch Akteneinsicht verschaffen kann - wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollzie-hen. Schließlich stellt die schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind.
24Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22. März 2013 - 1 B 185/13 -, IÖD 2013, 125, vom 1. August 2011 - 1 B 186/11 -, juris, vom 18. August 2010 - 6 B 868/10 -, vom 13. Oktober 2009 - 6 B 1232/09 -, a. a. O., und vom 26. November 2008 - 6 B 1416/08 -, ZBR 2009, 274; Nds. OVG, Beschluss vom 7. Februar 2013 - 5 ME 256/12 -, juris
25Diesen Anforderungen an die Dokumentationspflicht hat die Antragsgegnerin - im Hinblick auf den hier im Rechtsamt zu besetzenden Dienstposten - nicht ansatzweise genügt. Dem vorgelegten Stellenbesetzungsvorgang ist in keiner Weise nachvoll-ziehbar zu entnehmen, weshalb die Antragsgegnerin im Verhältnis zwischen der An-tragstellerin und der Beigeladenen im Vorfeld des Vorstellungsgesprächs von im Wesentlichen gleich qualifizierten Bewerbern ausgegangen ist. Beide Bewerberinnen hatten in ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen zwar einen Gesamtwert von 4,7 (= ausgezeichnet) erreicht. Ein (Auswahl- oder Zwischen-)Vermerk, in dem nachfol-gend eine nachvollziehbare inhaltliche Ausschöpfung der aktuellen Beurteilungen der Konkurrentinnen durch die Antragsgegnerin vorgenommen wurde, fehlt indes voll-ständig. In dem Vermerk über den „Abschluss des Auswahlverfahrens Ausschrei-bung 86/2013-30“ vom 8. Januar 2014 ist ausgeführt: „(…) Von Frau L. existiert eine Beurteilung vom 23.04.2012, die den Gesamtwert 4,7 ergeben hat. Frau L. wurde daher einvernehmlich für die Besetzung der Stelle ausgewählt. (…)“. Diese Ausführungen genügen nicht ansatzweise dem Mindestmaß an schriftlicher Fixierung der maßgeblichen Auswahlerwägungen im Rahmen einer Auswahlentscheidung. Die Antragstellerin hatte in ihrer aktuellen Beurteilung ebenfalls den Gesamtwert 4,7 er-reicht. Es hätte insoweit einer Auseinandersetzung mit den Einzelfeststellungen in den aktuellen dienstlichen Beurteilungen - und im Falle eines Leistungsgleichstandes ggfs. einer Auswertung früherer Beurteilungen - sowie einer schriftlichen Fixierung dieser Einschätzungen bedurft, um die Auswahlerwägungen der Antragsgegnerin nachvollziehen zu können. Stattdessen hat die Antragsgegnerin maßgeblich auf das ca. 20-minütige Vorstellungsgespräch der Bewerberinnen abgestellt. Hierzu ist in dem Vermerk vom 8. Januar 2014 ausgeführt: „(…) Aus der beiliegenden Matrix geht hervor, dass Frau L. mit Abstand das beste Vorstellungsgespräch absol-viert hat.“ Die Ergebnisse eines Auswahlgesprächs können jedoch lediglich nur zur Abrundung des aus den dienstlichen Beurteilungen (sowohl der aktuellen als auch ggfs. der älteren Beurteilungen der Bewerber) herangezogen werden. An einer hin-reichend qualifizierten, schriftlich dokumentierten Auseinandersetzung mit den Ein-zelergebnissen der Beurteilungen und ggfs. mit den Ergebnissen älterer Beurteilun-gen fehlt es hier vollständig. Eine solche Auswertung lässt sich insbesondere weder dem in dem Stellenbesetzungsvorgang enthaltenen „Bewerberspiegel“ noch der sog. „Matrix“ zum Vorstellungsgespräch entnehmen. Soweit die Antragsgegnerin erst in der Antragserwiderung vom 11. März 2014 - also während des gerichtlichen Verfahrens - Ausführungen zur inhaltlichen Ausschöpfung der aktuellen Beurteilun-gen der Antragstellerin und der Beigeladenen sowie zu früheren Beurteilungen gemacht hat, genügt dies nicht den Anforderungen an die Dokumentationspflicht, denn die maßgeblichen Auswahlerwägungen müssen bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens erfolgen. Sie können nicht erstmalig oder in ausgewechselter Form im gerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. August 2011 - 6 B 600/11 -, IÖD 2011, 244.
27Denn mit Blick auf die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bestehende Darlegungslast für den jeweiligen Antragsteller ist dieser maßgeblich auf die Kennt-nis der wesentlichen Auswahlerwägungen angewiesen. Es ist ihm nicht zuzumuten, die Auswahlentscheidung gewissermaßen „ins Blaue hinein“ in einem gerichtlichen Eilverfahren anzugreifen, um dann erst in diesem Verfahren die tragenden Erwägun-gen der angefochtenen Auswahlentscheidung in Erfahrung zu bringen. Eine vollstän-dige Nachholung oder Auswechslung der Auswahlerwägungen während des gericht-lichen Verfahrens - wie hier - widerspricht im Übrigen auch den Grundsätzen, die die Rechtsprechung zu § 114 Satz 2 VwGO für das Nachschieben von Ermessenserwä-gungen aufgestellt hat.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2013 - 1 B 185/13 -, a. a. O., m. w. N.
29b.) Zum anderen ist der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin – unab-hängig von den Ausführungen zu a) - auch durch die von der Antragsgegnerin vor-genommene Aus- und Bewertung der vorliegenden dienstlichen Beurteilungen ver-letzt worden.
30Für Qualifikationsvergleiche im Rahmen von Auswahlentscheidungen sind in erster Linie aktuelle dienstliche Beurteilungen maßgebend, die den gegenwärtigen Leis-tungsstand der Konkurrenten abbilden.
31Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 2 BvR 311/03 -, DVBl. 2003, 1524; OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2001 - 1 B 704/01 -, NVwZ-RR 2002, 113.
32Bei gleichem Gesamturteil hat der Dienstherr in einem nächsten Schritt die aktuellen Beurteilungen zunächst umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen (sog. Binnendifferenzierung bzw. innere Ausschöpfung).
33Ergibt sich nach diesem Vergleich eine im Wesentlichen gleiche Beurteilungslage kann der Dienstherr auch auf ältere Beurteilungen abstellen. Es handelt sich auch insoweit um Erkenntnisse, die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss geben. Zwar verhalten sie sich nicht zu dessen nunmehr er-reichtem Leistungsstand in seinem derzeitigen statusrechtlichen Amt. Gleichwohl können sie insbesondere Rückschlüsse auf die Leistungsentwicklung, Charakterei-genschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten etc. ermöglichen.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 16.02 -, Schütz, BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 98.
35Erst wenn alle unmittelbar leistungsbezogenen Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind und die Bewerber "im Wesentlichen gleich" einzustufen sind, kann der Dienstherr in einem weiteren Schritt Hilfskriterien heranzuziehen. So kann der Dienstherr z.B. der dienstlichen Erfahrung oder der Verwendungsbreite besondere Bedeutung beimessen.
36Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. November 2012 – 2 VR 5.12 -, Schütz, BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 219.
37Eine Berücksichtigung der Ergebnisse von Vorstellungs- bzw. Auswahlgesprächen oder Assessment-Centern neben der dienstlichen Beurteilung kommt allenfalls er-gänzend in Betracht, wenn bei einem Beurteilungsgleichstand sonst eine „Pattsituati-on“ entstehen würde. Entscheidend ist insoweit, dass Vorstellungsgespräche, Assessment-Center etc. - jedenfalls bei internen Bewerbern - gegenüber dienstlichen Beurteilungen nur eine begrenzte Aussagekraft haben. Denn diese Verfahren stellen nur eine Momentaufnahme dar und können hinsichtlich der nach Art. 33 Abs. 2 GG erforderlichen Erkenntnisgewinnung nur einen Teil der Leistungsanforderungen ab-decken, während sich dienstliche Beurteilungen auf einen längeren Zeitraum erstre-cken, in dem der Beamte den konkreten und vielfältigen Anforderungen seines Am-tes gerecht werden musste, und bieten demgemäß eine profunde, gesicherte Grund-lage für die prognostische Feststellung der Eignung eines Bewerbers hinsichtlich des konkret zu besetzenden Dienstpostens.
38Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29. November 2013 - 6 B 1193/13 -, a. a. O., und vom 23. März 2010 - 6 B 133/10 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 17. Mai 2013 - 3 CE 12.2469 -, BayVBl. 2014, 84.
39In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin als rechtswidrig.
40Die Antragsgegnerin hat in ihrem Vermerk über den „Abschluss des Auswahlverfah-rens Ausschreibung 86/2013-30“ maßgeblich darauf abgestellt, dass die Beigeladene das „beste Vorstellungsgespräch“ absolviert und in ihrer Beurteilung vom 23. April 2012 den Gesamtwert 4,7 erhalten habe. Fehlerhaft ist insoweit, dass die Antrags-gegnerin lediglich das Gesamtergebnis der aktuellen dienstlichen Beurteilungen in den Blick genommen hat und sodann aufgrund des von ihr angenommenen Qualifi-kationsgleichstandes das Vorstellungsgespräch als ausschlaggebend angesehen hat. Die Antragsgegnerin wäre vielmehr gehalten gewesen, vorrangig die Einzelfest-stellungen der Beurteilungen der Antragstellerin und der Beigeladenen daraufhin zu würdigen, ob sich ihnen Anhaltspunkte für einen Qualifikationsvorsprung eines Be-werbers entnehmen lassen. Dies gilt zunächst für die aktuellen Beurteilungen und - wenn nicht bereits auf dieser Ebene ein Qualitätsvorsprung feststellbar ist - subsidiär für ältere Beurteilungen.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. März 2010 - 6 B 133/10 -, a. a. O.
42Eine derartige Ausschöpfung hat die Antragsgegnerin ausweislich des vorgelegten Stellenbesetzungsvorgangs nicht vorgenommen. Indem die Antragsgegnerin in dem Vermerk über den „Abschluss des Auswahlverfahrens Ausschreibung 86/2013-30“ lediglich ausgeführt hat, dass die Beigeladene in der aktuellen Beurteilung einen Ge-samtwert von 4,7 erreicht habe, zeigt sich, dass eine Binnendifferenzierung hinsicht-lich der Beurteilungen gerade nicht vorgenommen wurde. In diesem Zusammenhang hat die Antragsgegnerin auch verkannt, dass das mit der Antragstellerin und der Bei-geladenen geführte Vorstellungsgespräch für sich allein keine tragfähige Grundlage für die Auswahlentscheidung bietet. Ein Auswahlgespräch kann - wie bereits oben ausgeführt - lediglich zur Abrundung des sich aus den dienstlichen Beurteilungen ergebenden Leistungs- und Eignungsbildes herangezogen werden, wenn bei einem Beurteilungsgleichstand sonst eine „Pattsituation“ bestehen würde. Dass auch nach Ausschöpfung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen und im Weiteren der Hinzu-ziehung auch älterer Beurteilungen von einem Leistungsgleichstand der Antrag-stellerin und der Beigeladenen auszugehen war und ist, ist zum einen - wie bereits oben dargestellt - im Stellenbesetzungsvorgang nicht hinreichend dokumentiert wor-den und erschließt sich zum anderen auch auf der Basis der Einzelbewertungen in den aktuellen dienstlichen Beurteilungen nicht ohne Weiteres. Die aktuellen Beurtei-lungen der Antragstellerin und der Beigeladenen basieren auf einem 5-stufigen No-tensystem [5=übertrifft die Anforderungen weit (ausgezeichnet), 4=übertrifft die An-forderungen (sehr gut), 3=entspricht den Anforderungen voll (gut), 2=entspricht den Anforderungen weitgehend (weitgehend befriedigend), 1=entspricht den Anforderun-gen teilweise (teilweise ausreichend)], wobei noch eine Gewichtung der Merkmale im Hinblick auf den konkreten Arbeitsplatz vorgenommen wurde. Die Beigeladene er-reichte unter der Rubrik „1. Arbeitsweise/-ergebnisse“ nur in der Unterrubrik „Qualität“ eine Bewertung mit „5“, ansonsten im Hinblick auf „Quantität“ und „Wirtschaftlichkeit“ lediglich eine „4“, während die Antragstellerin im Hinblick auf diese Beurteilungsrubrik durchweg in allen drei Unterrubriken eine Bewertung mit „5“ - also der Bestnote – er-hielt. Während sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene in der Rubrik „2. Sozialverhalten“ durchweg die Bestnote „5“ erhielten, wurde die Antragstellerin mit entsprechendem Gewichtungsfaktor auch in der Rubrik „3. Führung“ beurteilt und erhielt in der Unterrubrik Steuerung eine Bewertung mit „5“ und im Hinblick auf „Mit-arbeiterinneneinschätzung“ und „Förderung“ je eine „4“. Die Beigeladene wurde demgegenüber in der Rubrik „3. Führung“ nicht beurteilt. In der Rubrik „4. Befähi-gung“ erhielt die Antragstellerin in fünf von sechs Unterrubriken („Auffassungsgabe“, „Zielstrebigkeit“, „Aufgeschlossenheit“, „Selbständigkeit“ und „Belastbarkeit“) je eine Bewertung mit der Bestnote „5“ und nur in der Unterrubrik „Kontaktfreude“ eine „4“. Die Beigeladene erhielt demgegenüber nur in vier Unterrubriken eine Bewertung mit „5“ und in den Bereichen „Zielstrebigkeit“ und „Belastbarkeit“ eine „4“. Die Antrag-stellerin ist damit in der Rubrik „1. Arbeitsweise/-ergebnisse“ im Gegensatz zu der Beigeladenen in zwei Unterrubriken und in der Rubrik „4. Befähigung“ in einer Unter-rubrik besser beurteilt worden, wobei gerade der Unterrubrik „Belastbarkeit (zeigt unter Beanspruchung Ausdauer, emotionale Beherrschung und Ruhe)“ - in der die Antragstellerin eine bessere Einzelbewertung als die Beigeladene erhielt - bei objek-tiver Betrachtung ein gewisses Gewicht für die ausgeschriebene Stelle zukommen wird. Inwiefern und aufgrund welcher Erwägungen die Antragsgegnerin bereits auf der Basis der aktuellen Beurteilungen von einem Leistungsgleichstand ausgegangen ist und ausgehen konnte, ist auf der Basis des beigezogenen Stellenbesetzungsvor-gangs nicht nachvollziehbar und nicht plausibel. Will der Dienstherr sich aufdrängen-den oder zumindest nahe liegenden Unterschieden in den dienstlichen Beurteilungen keine Bedeutung beimessen, so trifft ihn insoweit eine Begründungs- und Substantiieungspflicht.
43Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. August 2011 – 1 B 186/11 - , juris.
44Diesen Anforderungen ist die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall nicht nachgekommen.
45c. Insbesondere mit Blick auf das Erfordernis der inhaltlichen Ausschöpfung der ak-tuellen Beurteilungen und der inhaltlichen - schriftlich zu fixierenden – Auseinander-setzung mit der Bewertung der einzelnen Leistungskriterien erscheint es (zumindest) möglich, dass der Dienstposten im Falle einer fehlerfreien Wiederholung des Aus-wahlverfahrens an die Antragstellerin vergeben wird. Dass sie von vornherein in ei-nem erneuten Auswahlverfahren chancenlos wäre, lässt sich nicht feststellen.
462. Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Dieser scheitert nicht daran, dass es im Streitfall nur um die Konkurrenz um einen Dienst-posten geht, der (jedenfalls) für die Antragstellerin keinen Beförderungsdienstposten darstellt. Zwar kann die Übertragung des Dienstpostens wieder rückgängig gemacht werden, wenn sich in einem Hauptsacheverfahren die Rechtswidrigkeit der Auswahl-entscheidung herausstellen sollte. Der Antragstellerin droht jedoch ein wesentlicher Nachteil dadurch, dass auch bei Zugrundelegung einer Umsetzungsentscheidung, bei der sich der Dienstherr - wie hier - dem Leistungsgrundsatz unterworfen hat, die Übertragung des streitigen Dienstpostens für die ausgewählte Beigeladene (ggfs. bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens) einen Erfahrungs- und Eignungsvorsprung vermittelt, der im Falle einer erneuten Auswahlentscheidung zu berücksichtigen wäre. Ein solcher Eignungs- und Erfahrungsvorsprung kann bei ei-ner späteren, neuen Auswahlentscheidung nicht ausgeblendet werden.
47Vgl. auch: OVG NRW, Beschlüsse vom 26. November 2013 - 1 B 691/13, IÖD 2014, 50, und vom 13. Oktober 2009 - 6 B 1232/09 -, a. a. O.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12. Dezember 2013 - 4 S 2153/13 -, IÖD 2014, 62; SächsOVG, Beschluss vom 13. November 2013 - 2 B 347/13 -, juris; ThürOVG Beschluss vom 27. November 2012 - 2 EO 472/12 -, ThürVBl. 2013, 157, VG Düsseldorf, Beschluss vom 9. August 2013 - 13 L 724/13 -, juris; VG Weimar, Beschluss vom 15. März 2013 - 1 E 1151/12 -, juris.
48Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO, wo-bei berücksichtigt worden ist, dass die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat.
49Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. 52 Abs. 2 GKG. Der sich danach ergebende Auffangwert von 5.000,00 Euro ist im Hinblick auf den im Eilrechtsschutz lediglich angestrebten Sicherungszweck um die Hälfte - mithin auf 2.500,00 Euro - zu reduzieren. Die spezielle Vorschrift des § 52 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 GKG ist nicht einschlägig. Das Begehren der Antragstellerin ist im Kern nicht auf die Verleihung eines anderen Amtes im Sinne dieser Vorschrift gerichtet. Hiermit ist nur die Verleihung eines statusrechtlich anderen Amtes mit - wie im Falle der Beförderung - besoldungsmäßigen Auswirkungen gemeint.
50Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Juni 2013 - 6 E 505/13 - und vom 9. Januar 2013 - 6 B 1125/12 -, a. a. O.
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Annotations
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.