Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 09. Juli 2018 - AN 2 K 17.01673

published on 09/07/2018 00:00
Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 09. Juli 2018 - AN 2 K 17.01673
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Gericht

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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen den Ausschluss von der Abiturprüfung wegen Unterschleifs.

Die Klägerin besuchte von 2013 bis 2017 das Private Abendgymnasium … mit dem Ziel, die allgemeine Hochschulreife zu erreichen. Im Schuljahr 2015/2016 bestand sie die Abiturprüfung zum ersten Mal nicht. 2017 nahm sie erneut an der Abiturprüfung teil.

Im Laufe der Korrektur der Abiturprüfung im Fach Deutsch stellte sich heraus, dass einige Passagen der Klausur mit Internetquellen übereinstimmen. Die Klägerin leugnete einen Unterschleif in einem Gespräch mit dem Schulleiter und dessen Stellvertreter zunächst. In einem weiteren Gespräch mit dem Schulleiter räumte sie ein, dass sie ihr eigenes Smartphone abgegeben und während der Prüfung das ihrer Schwester benutzt habe. Die Klägerin erklärte, dass sie die beanstandeten Passagen auswendig gelernt habe. Auf die Bitte, diese Passagen erneut niederzuschreiben, erwiderte sie gegenüber dem Schulleiter, dass sie dies wegen des Abiturstresses nicht mehr könne.

Mit Bescheid vom 1. Juni 2017 wurde die Klägerin wegen Unterschleifs nach § 57 GSO von der weiteren Abiturprüfung ausgeschlossen. Die Klägerin habe einen schweren Unterschleif nach § 57 Abs. 2 GSO unternommen. Das Mitführen des Smartphones der Schwester bei gleichzeitiger Abgabe des eigenen setze ein gehöriges Maß an krimineller Energie voraus. Im Fach Deutsch habe die Klägerin über 1 ½ Seiten aus vier verschiedenen URL Adressen inklusive der Satzzeichen abgeschrieben. Die Klägerin sei vor der Abiturprüfung mehrfach darauf hingewiesen worden, dass das Mitführen beziehungsweise Benutzen eines Smartphones zum Abbruch der Prüfung führen könne. Die Klägerin habe zudem bereits während der Oberstufenphase Unterschleif durch Benutzen eines Smartphones begangen. Sie sei wenig kooperativ gewesen und habe immer nur so viel zugegeben, wie ihr durch Zeugen und Indizien nachgewiesen werden konnte. Dadurch habe sie auch zugelassen, dass andere Schüler belastet worden seien. Das geschilderte Verhalten zeige, dass die Klägerin nicht die Reife besitze, die man von einer Schülerin erwarte, der man die gymnasiale Reife bescheinige.

Mit Schriftsatz vom 16. August 2017, eingegangen bei Gericht per Fax am 18. August 2017, ließ die Klägerin über ihre Bevollmächtigten Klage erheben und beantragen,

  • 1.Der Bescheid der Beklagten vom 1.6.2017 wird aufgehoben.

  • 2.Es wird festgestellt, dass die Klägerin sich erneut der Reifeprüfung unterziehen kann.

Es sei zutreffend, dass die Klägerin in einem Gespräch mit dem Schulleiter und dann auch in einem weiteren Gespräch mit dem Schulleiter und dessen Vertreter erklärt habe, dass sie im Fach Deutsch das Smartphone ihrer Schwester benutzt habe. Diese Erklärung werde aber widerrufen, da sie nur abgegeben worden sei, weil sich die Klägerin vom Schulleiter unter Druck gesetzt gefühlt habe. Dieser habe immer wieder damit gedroht, dass die Klägerin das Abitur gar nicht mehr machen könne, wenn sie jetzt nicht geständig wäre. Die Klägerin bestreite, dass sie ein Smartphone benutzt habe. Die diesbezüglichen Ermittlungen der Schule litten in rechtsstaatlicher Hinsicht unter teils gravierenden Mängeln. Ob die Teilnehmer an der Abiturprüfung tatsächlich aufgeklärt worden seien, dass sie grundsätzlich keine Smartphones bei den Prüfungen mit sich führen dürften, ergebe sich nicht aus der Akte. Es sei fraglich, ob das „Geständnis“ der Klägerin regelkonform zustande gekommen sei, da es unter psychischem Druck entstanden sei. Daher gebe es keinen Beweis für einen Unterschleif. Es seien im Fach Deutsch lediglich 35 Zeilen aus dem Internet übernommen worden. Es sei durchaus möglich, dass die Klägerin diese 35 Zeilen vor der Prüfung auswendig gelernt habe. Die Klägerin sei rechtlich nicht verpflichtet gewesen, bei der Befragung durch den Schulleiter diese Zeilen erneut niederzuschreiben. Es sei auch nicht von der Hand zu weisen, dass sie auf Grund des Abistresses hierzu nicht in der Lage gewesen sei. Das angebliche Smartphone der Schwester sei nicht identifiziert worden, insbesondere nicht hinsichtlich der Handynummer, des Providers oder einer Verbindung ins Internet während der Zeit der jeweiligen Prüfungen. Über den Ausschluss von der Abiturprüfung habe zudem nicht, wie in § 45 GSO vorgesehen, der Prüfungsausschuss, sondern ausweislich der Unterschrift des Bescheids der Schulleiter entschieden. Im Bescheid werde auch an keiner Stelle der Prüfungsausschuss erwähnt. Die Akten enthielten ebenfalls keine Entscheidung des Prüfungsausschusses. Dieser formelle Fehler sei auch nicht heilbar, da der für die Abiturprüfung 2017 gebildete Prüfungsausschuss nicht mehr existiere. Zudem sei auf Grund des widerrufenen Geständnisses von einer völlig anderen Sachlage auszugehen. Soweit die Beklagte nun im Klageverfahren unter Vorlage eines Protokolls behaupte, der Prüfungsausschuss habe am 30. Mai 2017 den Ausschluss der Klägerin beschlossen, sei dies überraschend, da dieses Protokoll im Rahmen der am 26. Juni 2017 vorgenommenen Akteneinsicht nicht in der Akte zu finden gewesen sei. Jedenfalls wäre eine Umsetzung dieses Beschlusses nur ordnungsgemäß erfolgt, wenn der Schulleiter in dem Bescheid kenntlich gemacht hätte, dass er nicht als Schulleiter sondern als Vorsitzender des Prüfungsausschusses handelt. Der Träger des Abendgymnasiums … führe die Abiturprüfung in eigener Verantwortung als beliehener Unternehmer durch und sei daher passivlegitimiert.

Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten und beantragt,

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte sei nicht passivlegitimiert, da für die Durchführung der Abiturprüfung ein Prüfungsausschuss gebildet werde und Entscheidungen dieses Prüfungsausschusses seien staatliche Entscheidungen. Der Staat habe die Durchführung der Abiturprüfung nicht den jeweiligen Gymnasien überlassen, sondern in Ausübung der ihm nach Art. 7 Abs. 1 GG obliegenden Schulaufsicht den Schulaufsichtsbehörden vorbehalten. Der Prüfungsausschuss sei somit ein unselbständiger Ausschuss der staatlichen Schulaufsichtsbehörde. Richtiger Beklagter sei daher der Freistaat Bayern. Es habe auch der Prüfungsausschuss über den Ausschluss der Klägerin von der Abiturprüfung entschieden. Richtigerweise habe der Schulleiter als Vorsitzender des Prüfungsausschusses die Mitteilung der Entscheidung alleine unterschrieben.

Im Eilverfahren (AN 2 E 18.00418) trug die Beklagte ergänzend zur Sache vor. Der Bescheid sei nicht formell rechtswidrig. Der Schulleiter bleibe Schulleiter, auch wenn er in der Funktion als Vorsitzender des Prüfungsausschusses einen Brief schreibe. Im Übrigen wäre ein solcher Fehler unbeachtlich gemäß Art. 46 VwVfG, da die behauptete Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Es sei im Rahmen der Befragung der Klägerin kein Druck ausgeübt worden. Auf den Vorhalt, dass entsprechende Textpassagen wörtlich aus Internetseiten übernommen worden seien und dies nahelege, dass die Arbeit durch Zuhilfenahme eines internetfähigen elektronischen Gerätes erstellt worden sei, habe die Klägerin von sich aus eingeräumt, dass sie während der Prüfung das Handy ihrer Schwester benutzt habe. Im Hinblick auf die umfangreichen wörtlich wiedergegebenen Textpassagen aus den jeweiligen Internetseiten sei der Vorwurf des Unterschleifs berechtigt erhoben worden und werde auch aufrechterhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten und auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die mit Antrag zu 1. erhobene Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist zulässig, insbesondere ist die am 18. August 2017 eingegangene Klage nicht verfristet. Der Bescheid wurde der Klägerin zwar bereits am 2. Juni 2017 bekanntgegeben. Mangels Rechtsbehelfsbelehrung:gilt jedoch die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO.

Die Beklagte ist als eingetragener, rechtsfähiger Verein und Schulträger des Privaten Abendgymnasiums … der passivlegitimierte Rechtsträger nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.

Das Private Abendgymnasium ist eine staatlich anerkannte Ersatzschule, die bei der Wahrnehmung von staatlichen Aufgaben, zu denen auch die Durchführung der Abiturprüfung zählt, als Beliehene auftritt. Sie nimmt die Durchführung der Abiturprüfung eigenständig war und ist nicht lediglich Verwaltungshelfer für die Schulverwaltung beziehungsweise den Freistaat Bayern. Klagen, die sich gegen hoheitliches Handeln eines Beliehenen richten, sind gegen den Beliehenen selbst und nicht gegen den Verwaltungsträger zu richten, der dem Beliehenen die hoheitlichen Aufgaben übertragen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 78 Rn. 3; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 78 Rn. 32). Somit ist die Klage gegen den Ausschluss von der Abiturprüfung gegen die staatlich anerkannte Privatschule zu richten (vgl. Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, 4. Aufl. 2006, Rn. 1207; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 810). Der Prüfungsausschuss des Privaten Abendgymnasiums ist kein unselbständiger Ausschuss der staatlichen Schulverwaltung, sondern allein ein Ausschuss der insoweit selbständig in eigener Verantwortung handelnden Privatschule. Insoweit verbleibt es bei der Passivlegitimation des Trägers der Privatschule (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 810). Die seitens der Beklagten zitierte baden-württembergische Rechtsprechung ist auf die für bayerische Privatschulen geltende Rechtslage nicht übertragbar. Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Verordnung des Kultusministeriums über die Jahrgangsstufen sowie über die Abiturprüfung an Gymnasien der Normalform und Gymnasien in Aufbauform mit Internat (NGVO) vom 24. Juli 2001 übernimmt in Baden-Württemberg stets ein Vertreter oder Beauftragter des Oberschulamtes den Vorsitz im Prüfungsausschuss. Vor dem Hintergrund dieser Regelung scheint es denkbar, den Prüfungsausschuss einer anerkannten Privatschule als unselbständigen Ausschuss des Oberschulamtes anzusehen und dementsprechend den staatlichen Rechtsträger als richtigen Beklagten anzusehen (vgl. VGH BW, U.v. 26.3.2015 – 9 S 516/14 – juris Rn. 69; U.v. 31.1.1989 – 9 S 961/88 – juris; VG Freiburg, U.v. 29.1.2014 – 2 K 1132/13 – juris Rn. 24 f.). § 45 Abs. 2 Satz 1 GSO, der nach § 1 GSO auch für staatlich anerkannte Ersatzschulen gilt, bestimmt jedoch, dass den Vorsitz im Prüfungsausschuss grundsätzlich der Schulleiter innehat. Nur ausnahmsweise übernimmt auf Bestellung des Staatsministeriums ein Ministerialkommissär den Vorsitz. Von dieser Möglichkeit machte das Staatsministerium für das Private Abendgymnasium … keinen Gebrauch. Neben dem Schulleiter war der Prüfungsausschuss für die Durchführung der Abiturprüfung an dem Privaten Abendgymnasium gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 GSO allein mit Lehrkräften des Privaten Abendgymnasiums besetzt. Daher sind Entscheidungen des Prüfungsausschusses dem Privaten Abendgymnasium beziehungsweise seinem Träger und nicht der staatlichen Schulverwaltung zuzurechnen.

Die Anfechtungsklage ist aber im Übrigen unbegründet, da der Bescheid der Beklagten vom 1. Juni 2017 rechtmäßig ist und die Klägerin dementsprechend nicht in ihren Rechten verletzt, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für den Ausschluss von der Abiturprüfung ist § 57 Abs. 2, Abs. 1 GSO, der gemäß § 1 GSO auch für das Private Abendgymnasium als staatlich anerkannte Ersatzschule gilt. Gemäß § 57 Abs. 2, Abs. 1 GSO wird ein Schüler bei einem schweren Fall des Unterschleifs von der Prüfung ausgeschlossen. Die Prüfung gilt in diesem Fall als nicht bestanden.

Der Bescheid des Privaten Abendgymnasiums vom 1. Juni 2017 ist formell rechtmäßig. Insbesondere hat der Prüfungsausschuss als nach § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GSO zuständiges Organ in seiner Sitzung am 30. Mai 2017 einstimmig beschlossen, dass die Klägerin einen schweren Fall des Unterschleifs begangen hat und von der Abiturprüfung ausgeschlossen wird. Das bloße unsubstantiierte Bestreiten der Klägerseite, einen solchen Beschluss habe es nicht gegeben, ist angesichts der von der Beklagten vorgelegten Kopie der Sitzungsniederschrift keinesfalls ausreichend, um Zweifel des Gerichts zu begründen. Es mag sein, dass die Niederschrift über die Ausschusssitzung nicht in der Akte der Klägerin war, welche der Klägerbevollmächtigte am 26. Juni 2017 eingesehen hat. Dies heißt aber nicht, dass eine Sitzung tatsächlich nicht stattgefunden hat, sondern allenfalls, dass die Niederschrift nicht dem Aktenvorgang der Klägerin zugeordnet war. Der Beschluss des Prüfungsausschusses wurde seitens des Schulleiters mit Bescheid vom 1. Juni 2017 ordnungsgemäß umgesetzt. Entgegen der Klägerseite erfolgt die Umsetzung von Beschlüssen des Prüfungsausschusses nicht durch den Prüfungsausschussvorsitzenden, sondern durch den Schulleiter, da dieser das Private Abendgymnasium gemäß Art. 100 Abs. 2, 57 Abs. 3 BayEUG nach außen vertritt.

Der Ausschluss der Klägerin von der Abiturprüfung war zudem materiell rechtmäßig, da die Klägerin bei ihrer Klausur im Fach Deutsch einen schweren Unterschleif im Sinne von § 57 Abs. 1, Abs. 2 BayEUG begangen hat.

Das Gericht ist aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin bei ihrer schriftlichen Abiturprüfung im Fach Deutsch ein Smartphone mitgeführt und auch benutzt hat. Dieser Sachverhalt ist seitens der Beklagten ausreichend erwiesen.

Die Unterschleifhandlung muss seitens der Schule nachgewiesen werden. Sie trägt insoweit die materielle Beweislast (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 236). Die Schule kann einen Unterschleif jedoch nach den Regeln des Anscheinsbeweises nachweisen, wenn die nachzuweisende Tatsache auf einem typischen Sachverhalt beruht, der aufgrund allgemeinen Erfahrungswissens zu dem Schluss berechtigt, dass die Tatsache vorliegt und keine tatsächlichen Umstände gegeben sind, die ein atypisches Geschehen im Einzelfall ernsthaft möglich erscheinen lassen (BVerwG, B.v. 23.1.2018 – 6 B 67/17 – juris Rn. 6 f.; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 237). Dabei liegt es in der Mitwirkungspflicht des Prüflings, ein solches atypisches Geschehen darzulegen (BVerwG, B.v. 23.1.2018 – 6 B 67/17 – juris Rn. 7).

Die Voraussetzungen des Anscheinsbeweises sind vorliegend gegeben. Die schriftliche Arbeit der Klägerin im Fach Deutsch enthält über ca. 1 ½ von 7 ½ Seiten Ausführungen, die teilweise wortwörtlich mit Passagen aus dem Internet übereinstimmen. Dieser typische Sachverhalt berechtigt aufgrund allgemeinen Erfahrungswissens zu dem Schluss, dass die Klägerin bei der Klausur ein internetfähiges Endgerät, wie beispielsweise ein Smartphone, benutzt hat. Teile der Klausur sind nicht nur inhaltlich mit den Informationsquellen aus dem Internet identisch, sondern überwiegend auch im Hinblick auf die genaue sprachlichen Formulierungen. Einzelne Passagen der Klausur stimmen zwar sprachlich nicht hundertprozentig mit den genannten Internetquellen überein, weisen aber so viel Ähnlichkeit auf, dass auch hier nach allgemeiner Erfahrung von einer Nutzung des Smartphones auszugehen ist. Bei einer typischen Betrachtungsweise kommt eine andere Erklärung als die Benutzung eines Smartphone daher nicht in Betracht.

Tatsächlich Umstände, die ein atypisches Geschehen im Einzelfall ernsthaft möglich erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich und seitens der Klägerin, die insofern eine Mitwirkungs- und Aufklärungspflicht innehat, auch nicht vorgetragen. Dass die Klägerin tatsächlich Passagen aus vier verschiedenen Internetquellen vor der Klausur im Fach Deutsch auswendig gelernt hat, ist zur Überzeugung des Gerichts unglaubhaft und eine bloße Schutzbehauptung. Da die Klägerin vor ihrer Abiturprüfung nicht wissen konnte, welches konkrete Gedicht in der Klausur behandelt wird, ist es mehr als unwahrscheinlich, dass sie im Rahmen ihrer Prüfungsvorbereitung ausgerechnet zu dem einen Gedicht im Internet recherchiert und entsprechende Passagen auswendig lernt. Zudem konnte die Klägerin bereits eine Woche nach der Abiturprüfung im Fach Deutsch die auffälligen Textpassagen auf Aufforderung des Schulleiters nicht mehr wiedergeben. Zwar mag es sein, dass die Klägerin keine Pflicht traf, dieser Aufforderung nachzukommen. Sie hat aber diese Möglichkeit, einen atypischen Geschehensablauf nachzuweisen, jedenfalls nicht wahrgenommen, was zu ihren Lasten geht. Schließlich hat die Klägerin gegenüber dem Schulleiter gestanden, dass sie das Smartphone ihrer Schwester während der schriftlichen Prüfung im Fach Deutsch mitgeführt und auch benutzt hat. Der Widerruf dieses Geständnisses, nachdem die Schule die Klägerin von der Abiturprüfung ausgeschlossen hat, ist nicht nachvollziehbar. Der Schulleiter konnte im Rahmen der mündlichen Verhandlung nochmals plausibel und glaubhaft darlegen, dass er keinen unzulässigen Druck auf die Klägerin ausgeübt hat, sondern sie lediglich auf ihre Nachfrage hin sachlich über die möglichen Folgen eines Unterschleifs aufgeklärt hat.

Das Mitführen beziehungsweise das Benutzen eines Smartphones stellt einen schweren Fall des Unterschleifs im Sinne von § 57 Abs. 2, Abs. 1 GSO dar. Ein Smartphone stellt ein unerlaubtes Hilfsmittel dar, dessen Benutzung nach der Legaldefinition in § 57 Abs. 1 Satz 1 GSO einen Unterschleif darstellt. Nach der Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien für Unterricht und Kultus und Wissenschaft, Forschung und Kunst über die Hilfsmittel bei Leistungsnachweisen an bayerischen Gymnasien, Abendgymnasien und Kollegs vom 7. Juni 2011, KWMBl. 2011, S. 129 f., die gemäß Art. 100 Abs. 2 Satz 1 BayEUG auch für staatlich anerkannte Ersatzschulen verbindlich ist, ist im Fach Deutsch für die Abiturprüfung lediglich ein Rechtschreibwörterbuch als Hilfsmittel zugelassen.

Es liegt ein schwerer Fall des Unterschleifs vor. Die Schwere eines Unterschleifs richtet sich nach dem Grad der Verletzung des Wettbewerbs und der Chancengleichheit zwischen den Prüflingen (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2007 – 7 CE 07.1886 – juris Rn. 14; B.v. 19.8.2004 – 7 CE 04.2058 – juris Rn. 24). Angesichts der Menge an Informationen, die ein internetfähiges Smartphone zur Verfügung stellt, ist die Chancengleichheit zwischen den Prüflingen in hohem Maße beeinträchtigt, wenn ein Prüfling sich während der Prüfung der Hilfe eines Smartphones bedient. Die Klägerin hat das Smartphone nicht nur bei sich geführt, sondern nachweislich der übernommenen Textpassagen auch benutzt. Bereits der bloße Besitz eines unerlaubten Hilfsmittels während der Prüfung stellt einen Unterschleif dar (vgl. BayVGH, B.v. 11.3.2008 – 7 ZB 07.612 – juris Rn. 10; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 229). Dass die Klägerin das Smartphone sogar benutzt hat, steigert die Schwere der Täuschung über die Eigenständigkeit der Prüfungsleistung, so dass von einem schweren Fall des Unterschleifs auszugehen ist.

Die Klägerin handelte vorsätzlich. Insbesondere wusste sie, dass das Mitführen beziehungsweise Benutzen eines Smartphones während der Prüfung nicht erlaubt war. Bereits mit Schreiben vom 23. Februar 2017 wurde die Klägerin darüber informiert, dass Mobiltelefone am Prüfungsplatz nicht zugelassen sind. Im Rahmen der Informationsveranstaltung am 28. März 2017 wurde die Klägerin erneut darüber belehrt, dass Mobiltelefone nicht erlaubt sind und im Fach Deutsch lediglich ein Rechtschreibregelwerk als Hilfsmittel zugelassen ist. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin an dieser Veranstaltung teilgenommen hat, da sonst eine Zulassung zum Abitur nachweislich des Schreibens vom 23. Februar 2017 nicht erfolgt wäre.

Die Feststellungsklage der Klägerin (Antrag zu 2) ist unzulässig, da sie gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO subsidiär ist. Die Klägerin kann vorliegend bereits mit der erhobenen Anfechtungsklage (Antrag zu 1) ihre Rechte verfolgen. Wenn der Bescheid der Beklagten vom 1. Juni 2017 aufgehoben werden würde, käme der Klägerin ein weiterer Prüfungsversuch nach § 58 Abs. 2 Satz 1 GSO zu. Dass die Beklagte der Klägerin bei Erfolg der Anfechtungsklage eine erneute Ablegung der Abiturprüfung verweigern würde, ist nicht ersichtlich, so dass das Recht der Klägerin in diesem Fall nicht streitig ist.

Jedenfalls ist der Antrag zu 2 unbegründet. Die Klägerin hat kein Recht, die Abiturprüfung erneut abzulegen, da sie die gemäß Art. 54 Abs. 5 Satz 1 BayEUG i.V.m. § 58 Abs. 2 Satz 1 GSO möglichen zwei Versuche bereits erfolglos wahrgenommen hat. Im Schuljahr 2015/2016 bestand die Klägerin die Abiturprüfung erstmalig nicht. Die Abiturprüfung im Jahr 2017 gilt wegen des rechtmäßigen Ausschlusses von der Abiturprüfung aufgrund des schweren Unterschleifs nach § 57 Abs. 2 Halbsatz 2 GSO ebenfalls als nicht bestanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 154 Abs. 1 VwGO.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist
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Annotations

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Die Klage ist zu richten

1.
gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde,
2.
sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat.

(2) Wenn ein Widerspruchsbescheid erlassen ist, der erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), ist Behörde im Sinne des Absatzes 1 die Widerspruchsbehörde.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.