Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 17. Feb. 2015 - AN 14 K 14.50221

published on 17/02/2015 00:00
Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 17. Feb. 2015 - AN 14 K 14.50221
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Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

Die Kläger, ukrainische Staatsangehörige, reisten nach ihren eigenen Angaben am 17. Juni 2014 im Besitze von polnischen Schengen-Visa aus der Ukraine aus, um über Polen am 21. Juni ins Bundesgebiet einzureisen. Am 5. August 2014 meldeten sich die Kläger als Asylbewerber. Im Rahmen der Erstanhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gaben die Kläger an, sie könnten nicht nach Polen zurück, da sie dort nicht sicher seien.

Das Bundesamt ersuchte die zuständigen Stellen in Polen sodann, die Kläger zu übernehmen. Mit Schreiben vom 18. September 2014 bzw. 6. November 2014 stimmte die Republik Polen der Übernahme der Kläger zu.

Mit Bescheiden vom 19. November 2014 wurden die Asylanträge der Kläger als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung der Kläger nach Polen angeordnet. Auf die Begründung dieser Bescheide wird im Einzelnen Bezug genommen.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 8. Dezember 2014 erhoben die Kläger Klage, die in der Folge im Wesentlichen damit begründet wurde, dass in Polen sehr wohl systemische Mängel des Asylverfahrens vorherrschten. Im Übrigen seien die Kläger, die nicht nur in der Ukraine verfolgt werden würden, in Polen denselben Gefahren ausgesetzt. In Polen herrsche eine Art „Ukraine-Phobie“, so dass ein Aufenthalt dort unmöglich sei. Des Weiteren leide die Klägerin zu 2) an einer insulinpflichtigen Diabetes-Erkrankung.

Die Kläger beantragten:

Die Bescheide des Bundesamts vom 19. November 2014 werden aufgehoben.

Die Beklagte beantragte,

die Klagen abzuweisen.

Im Termin der mündlichen Verhandlung trugen die Kläger noch vor, dass ihnen, als Ukrainer, in Polen viel Hass entgegengeschlagen sei. Sie hätten zwar nur eine Nacht in Polen verbracht, aber seien auf die Frage, wo man für die Klägerin zu 2) Insulin bekommen könne, lediglich weggeschickt worden. Sogar in ... seien sie schlecht behandelt worden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, auf die vorgelegten Behördenakten sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Klagen sind unbegründet.

Die Bescheide der Beklagten vom 19. November 2014 sind rechtmäßig, so dass sie die Kläger nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das Bundesamt hat die Asylanträge der Kläger gemäß § 27 a AsylVfG zu Recht als unzulässig abgelehnt, da die Kläger mit einem von der polnischen Auslandsvertretung in der Ukraine ausgestellten Schengen-Visum im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative der Verordnung 604/2013/EU (Dublin-III-VO) ins Bundesgebiet eingereist sind, weswegen die Republik Polen gemäß Art. 22 Abs. 1 Dublin-III-VO zugestimmt hat, das Asylverfahren der Kläger durchzuführen.

Formfehler sind weder erkennbar noch vorgetragen.

Damit treffen die Verpflichtungen aus Art. 18 ff. der Dublin-III-VO die Republik Polen.

Besondere Umstände, die zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland führen würden, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.

Hierbei ist auf Grund des vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung des § 26 a AsylVfG entwickelten Konzepts der normativen Vergewisserung davon auszugehen, dass dort die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist, da es sich bei Polen um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union und damit um einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 GG bzw. § 26 a AsylVfG handelt.

Damit ist Polen, wie dargelegt, nach Art. 14 Abs. 1 Dublin-III-VO bzw. nach Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.

Die Dublin-III-VO ist die grundlegende Vorschrift auf dem Weg zu einem gemeinsamen Europäischen Asylsystem (vgl. Erwägungsgründe Nr. 2, 4 ff der Dublin-III-VO), mit dem eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedsstaats bezweckt wird, um letztendlich einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zur gewährleisten (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 19.3.2014, Az.: 10 B 6/14 m.w.N., juris). Dieses gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens dahingehend, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U.v. 21.12.2011, Rechtssache: RS: C-411/10 und C-493/10, juris). Davon kann nur dann abgesehen werden, wenn dieser zuständige Mitgliedsstaat sogenannte „systemische Mängel“ des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufweist, so dass die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gefahr für Asylbewerber bestünde, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Asylbewerber der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat nur mit dem Einwand sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U.v. 10.12.2013, RS: 10-394/12, juris). Diese Rechtsprechung mündete nunmehr in Art. 3 Abs. 2 der Dublin-III-VO, der bestimmt, dass im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedsstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat der zuständige Mitgliedsstaat wird.

Solche systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO liegen aber erst dann vor, wenn die bereits angesprochenen Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Art. 3 EMRK nicht nur in Einzelfällen vorliegen, sondern strukturell bedingt sind. Deshalb setzen systemische Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO voraus, dass die Asylverfahren bzw. die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat so defizitär sind, dass einem Asylbewerber im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die konkrete Gefahr einer gegen die Grundrechte verstoßenden Behandlung im zuständigen Staat aus der grundsätzlichen Behandlung der Asylbewerber heraus ergeben muss, die eben systemisch angelegt sein muss, dass also eine Verletzung von Grundrechten in einem Einzelfall nicht zur Aktivierung des Selbsteintritts ausreicht (BVerwG, B.v. 6.6.2014, Az.: 10 B 25/14, juris). Diese Defizite müssen des Weiteren in der Art und Weise offensichtlich sein, dass sie im überstellenden Mitgliedsstaat allgemein bekannt sein müssen (EUGH, U.v. 21.12.2011, a.a.O.) und im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedsstaats angelegt sein oder die Vollzugspraxis dort strukturell prägen, so dass sie des Weiteren auf Grund ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit aus Sicht der zuständigen Behörden und Gerichte verlässlich zu prognostizieren sind (BVerwG v. 6.6.2014, a.a.O., m.w.N.).

Allerdings ist im vorliegenden Fall nicht von solchen systemischen Schwachstellen auszugehen. Hierzu wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die zutreffende Begründung der streitgegenständlichen Bescheide des Bundesamtes vom 19. November 2014 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen.

Ergänzend muss lediglich ausgeführt werden, dass auch nach der überwiegenden Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Polen nicht vorliegen (vgl. VG Gelsenkirchen, B. v. 26.8.2014, Az.: 6a L 1234/14 A, juris, VG Bremen, B. v. 4.3.2014, Az.: 1 V 220/14 m.w.N., juris). Das Gericht schließt sich dieser Rechtsauffassung an.

Insbesondere kann der Kläger zu 1) nicht mit dem Sachvortrag durchdringen, Polen sei für ihn kein sicherer Staat. Auch wenn die klägerische Familie, wie angegeben, aus dem Donbass stammt, ist nichts dafür ersichtlich, dass selbst für den Fall, dass die dort tätigen Bürgerkriegsparteien ihre Interessen auch in polnischen Asylbewerberunterkünften durchzusetzen versuchen, der polnische Staat seine ihm anvertrauten Asylbewerber nicht hinreichend schützen könnte. Dass sich die Situation in der Republik Polen nicht so dramatisch darstellt, wie es der Kläger zu 1) versucht glaubhaft zu machen, lässt sich bereits daraus schließen, dass er, wie er in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt hat und wie sich aus den diversen Ein- und Ausreisestempeln in seinem Reisepass ergibt, sich bereits vor seiner Flucht aus der Ukraine nach Polen mehrfach dort aufgehalten hat, um einer Geschäftstätigkeit nachzugehen, und dass er dann ausgerechnet, obwohl er die tatsächliche Situation in Polen dadurch gekannt haben musste, seine Schengen-Visa bei der polnischen Auslandsvertretung beantragt hatte.

Des Weiteren ist auch die Erkrankung der Klägerin zu 2) an einer insulinpflichtigen Diabetes kein Grund, von einem Ausreisehindernis auszugehen. In Polen gibt es, spätestens wenn die Klägerin zu 2) als Asylbewerberin registriert ist, Zugang zu entsprechender medizinischer Versorgung. Es ist anerkannt, dass in Polen Ausländer den gleichen Anspruch auf medizinische Hilfe haben, wie polnische Staatsbürger selbst, und dies auf gleicher Grundlage und in gleichem Umfang (VG Bremen, a.a.O., mit Verweis auf den Bericht „Migration is not a crime - Report on the Monitoring of Guarded Centres for Foreigners“ der Helsinki Foundation for Human Rights aus dem Jahr 2013). Es ist daher trotz der Erkrankung der Klägerin zu 2) kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, dass im konkreten Einzelfall eine Zurückführung der Klägerin zu 2) nach Polen nicht verantwortet werden könnte.

Da auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse nicht erkennbar sind, ist die Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylVfG ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die Klagen sind daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylVfG.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.