Verwaltungsgericht Aachen Beschluss, 11. Aug. 2015 - 9 L 661/15
Gericht
Tenor
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller in die G. , Katholische Grundschule der Stadt F. , zum Schuljahr 2015/16 aufzunehmen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- € festgesetzt.
1
Gründe
2Der Antrag,
3den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller in die G. , Katholische Grundschule der Stadt F. , zum Schuljahr 2015/16 aufzunehmen,
4hat Erfolg.
5Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm der geltend gemachte Anspruch zusteht (Anordnungsanspruch) und es der sofortigen Durchsetzung seines Anspruchs mittels gerichtlicher Entscheidung bedarf, weil ihm ansonsten unzumutbare Nachteile entstehen (Anordnungsgrund), § 123 Abs. 1 und 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.
6Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, weil aufgrund der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Überprüfung von dem Bestehen eines Aufnahmeanspruchs an der G. auszugehen ist.
7Anspruchsgrundlage ist § 46 Abs. 3 Satz 1 SchulG NRW. Danach hat jedes Kind Anspruch auf Aufnahme in die seiner Wohnung nächstgelegene Grundschule der gewählten Schulart in seiner Gemeinde im Rahmen der vom Schulträger festgelegten Aufnahmekapazität, sofern der Schulträger keinen Schuleinzugsbereich gebildet hat. Letzteres liegt nicht vor. Für Bekenntnisschulen gilt dieser Anspruch indes mit Einschränkungen wegen des spezifischen Erziehungsauftrags dieser Schulen auf der Grundlage des Art. 12 Abs. 3 Satz 2 LV NRW sowie dementsprechend § 26 Abs. 3 Satz 1 SchulG NRW.
8Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 31. Mai 2013 - 19 B 1191/12 - und vom 4. September 2013 - 19 B 1042/13 -, beide juris.
9Nach Art. 12 Abs. 3 Satz 2 LV NRW werden in Bekenntnisschulen Kinder des katholischen oder des evangelischen Glaubens oder einer anderen Religionsgemeinschaft nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen. Aus dieser Zweckbestimmung folgt, dass Bekenntnisschulen für Kinder des jeweiligen Bekenntnisses eingerichtet werden. Bekenntnisfremden Schülerinnen und Schüler steht grundsätzlich nicht der Weg zur Aufnahme in eine katholische Bekenntnisschule offen, wenn - wie im vorliegenden Fall bei mehreren aufgenommenen Kindern eines anderen Bekenntnisses - eine Gemeinschaftsgrundschule in zumutbarer Entfernung erreicht werden kann. Abweichend davon haben auch bekenntnisfremde Eltern einen unmittelbar aus Art. 4 Abs. 1 GG folgenden kapazitätsabhängigen Anspruch auf Aufnahme in die Bekenntnisschule, wenn diese die Ausrichtung der Schule auf die Grundsätze des fremden Bekenntnisses voll und ganz bejahen, also insbesondere mit der Erteilung von Religionsunterricht im fremden Bekenntnis durch eine diesem Bekenntnis angehörende staatliche oder kirchliche Lehrkraft einverstanden sind.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Mai 2013, a.a.O., zur Einbeziehung der bekenntnisfremden Schüler bei der Ermittlung des Fortbestandsinteresses einer Bekenntnisschule.
11Ob die nach dem Vorbringen des Antragsgegners sämtlich vorliegenden Erklärungen der Eltern der aufgenommenen bekenntnisfremden Kinder diesen Anforderungen genügen, kann dahinstehen. Auch für diesen Fall ist der katholische Antragsteller vorrangig in eine der Eingangsklassen der katholischen Grundschule aufzunehmen. Sofern wie vorliegend ein Anmeldeüberhang besteht, können nämlich mit Blick auf den spezifischen Erziehungsauftrag und die Zweckbestimmung bekenntnisfremde Kinder keinen Vorrang vor den Kindern erhalten, für deren Bekenntnis die Schule errichtet worden ist.
12Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. Januar 1989 - 19 B 2262/88 -, juris; Beschluss vom 31. August 1978 - V B 1035/78 -, NJW 1979, 942 zu dem früheren § 20 SchOG NRW; VG Minden, Urteil vom 28. Februar 2014 - 8 K 1719/13 -; VG Köln, Beschluss vom 6. August 2014 - 10 L 1104/14 -, abgeändert durch OVG NRW, Beschluss vom 20. August 2014 - 19 B 961/14 - wegen abweichender Kapazitätsbestimmung - sämtlich juris -; Kühne in Gellert-Kleinrahm, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 3. Auflage, Bd. 4, Erl.1 zu Art. 13; a. A. in einem obiter dictum VG Münster, Beschluss vom 15. August 2013 - 1 L 286/13 -, juris.
13Aus Art. 13 LV NRW ergibt sich zudem, dass die Bekenntnisschulen solche mit Minderheitscharakter sind.
14Vgl. Ernst in Schulgesetz Nordrhein-Westfalen, Gesamtkommentar, Bd. 1, Stand: März 2015, § 26 Erl. 3.1
15Danach darf keinem Kind wegen seines religiösen Bekenntnisses die Aufnahme in eine öffentliche Schule verweigert werden, falls keine entsprechende Schule vorhanden ist. Ist eine entsprechende Schule beispielsweise in Form der Gemeinschaftsschule vorhanden, vermag ein bekenntnisfremder Schüler einen Schüler mit dem Bekenntnis der Bekenntnisschule nicht zu verdrängen.
16Hier sind unter den 29 aufgenommenen bekenntnisfremden Schülern mehrere, die eine Gemeinschaftsschule in zumutbarer Entfernung erreichen können, so dass dahinstehen kann, ob vor dem Hintergrund der Ausgestaltung der Schularten in Art. 12 Abs. 3 LV NRW nicht jedenfalls diejenigen bekenntnisfremden Schüler, die in zumutbarer Entfernung eine Grundschule des eigenen Bekenntnisses erreichen können, den Schülern des Bekenntnisses der Schule nachgehen.
17Im übrigen kann zumindest im Rahmen des Eilverfahrens offen bleiben, ob es sich bei einem Anteil bekenntnisfremder Schüler in den Eingangsklassen i.H.v. 50 % tatsächlich noch um eine Bekenntnisschule handelt. Eine bestehende Bekenntnisschule verliert diese rechtliche Eigenschaft nämlich nicht allein dadurch, dass die Zahl der Schüler des entsprechenden Bekenntnisses an dieser Schule deutlich absinkt, sondern nur durch eine Änderung der Schulart nach § 81 Abs. 2 SchulG NRW.
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. September 2013, a.a.O.
19Schließlich ist auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, weil ein Interesse des Antragstellers an einer vorläufigen Regelung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu bejahen ist. Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt einer (vorläufigen) Vorwegnahme der Hauptsache, die nur in Betracht kommt, wenn ein Abwarten dieser Entscheidung schlechthin unzumutbar ist. Davon ist zwar bei einer bekenntnisfremden Schülerin, die die Aufnahme in die 5. Klasse einer katholischen Hauptschule begehrt, nicht auszugehen.
20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. August 2003 - 19 B1554/03 -, juris.
21Im vorliegenden Verfahren ist jedoch zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller als Schulanfänger der vorübergehende Besuch einer anderen Schule nicht zuzumuten ist.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
23Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes. Wegen der Vorläufigkeit der begehrten Entscheidung hat das Gericht das Interesse des Antragstellers mit der Hälfte des Auffangstreitwertes bemessen.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.