Verwaltungsgericht Aachen Beschluss, 22. Apr. 2015 - 5 L 15/15.A
Gericht
Tenor
1. Dem Antragsteller wird zur Durchführung des vorliegenden Eilverfahrens Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte Rechtsanwalt Simon aus Aachen beigeordnet.
2. Die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums 5 K 40/15.A gegen die unter Ziffer 2. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. Dezember 2014 verfügte Abschiebungsanordnung wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e:
2I.
3Der Antragsteller, nach eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens, wurde am 22. August 2014 zusammen mit zwei weiteren afghanischen Staatsangehörigen auf den Gleisen der Bahnlinie Osterhofen-Platting aufgegriffen. Keiner der Aufgegriffenen verfügte über Ausweispapiere. In einer ersten Befragung gaben sie an, aus Afghanistan zu stammen und sich in einem "Camp" in Ungarn getroffen zu haben. Von dort aus habe sie ein ungarischer Schleuser gegen Zahlung von 400,-- € pro Person nach Deutschland gebracht. Er habe sie auf freier Bahnstrecke aussteigen lassen und sie seien ca. vier Stunden unterwegs gewesen, bis sie vom ICE mitgenommen und zum nächstgelegenen Bahnhof gebracht worden seien. Der Antragsteller gab an, am 15. Februar 1997 geboren zu sein. Gegen 20.35 Uhr ordnete der zuständige Staatsanwalt an, eine Beschuldigtenvernehmung durchzuführen und die Jugendlichen anschließend über das Jugendamt unterzubringen. Eine Mitarbeiterin sowie ein Mitarbeiter des Jugendamtes E. führten vor Ort mit Hilfe eines Dolmetschers Einzelgespräche mit den Aufgegriffenen und zweifelten daraufhin die Altersangabe des Antragstellers an. Die Aufgegriffenen wurden gegen 0.30 Uhr in einer Sammelzelle der Polizei E. untergebracht und am nächsten Vormittag mit Fahrscheinen für eine Fahrt zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) in N. entlassen. Als Geburtsdatum für den Antragsteller wurde nunmehr der 31. Dezember 1995 registriert.
4Am 25. September 2014 stellte der Antragsteller beim Bundesamt in C. einen Asylantrag. Im Rahmen des Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens gab der Antragsteller am 25. September 2014 u.a. an, er habe Afghanistan vor 6 Monaten verlassen. Er wisse nicht, was die Reise gekostet habe. Seine Mutter habe sie organisiert. Er wisse auch nicht, durch welche EU-Länder er gereist sei; es seien ihm aber in einem anderen Staat Fingerabdrücke genommen worden.
5Auf entsprechende Anfrage des Bundesamtes zur Person des Antragstellers unter Angabe des Geburtsdatums 15. Februar 1997 wurde ein Eurodac-Treffer der Kategorie 2 für Griechenland sowie ein weiterer Eurodac-Treffer der Kategorie 1 für Ungarn gemeldet. Einem Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes vom 1. Dezember 2014 stimmte die ungarische "Dublin Coordination Unit" unter dem 9. Dezember 2014 zu und führte u.a. aus: Der Antragsteller habe am 10. August 2014 einen Asylantrag in Ungarn gestellt. In Ungarn sei er als volljährige Person behandelt worden, basierend auf einer im Zuge der Festnahme durchgeführten vorläufigen Altersbestimmung ("based on the result oft the preliminary age assessment carried out upon apprehension.").
6Mit Bescheid vom 15. Dezember 2014, nach Angaben des Antragstellers am 31. Dezember 2014 zugestellt, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1 des Bescheides) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Ziffer 2 des Bescheides). Systemische Mängel des Asylsystems in Ungarn bestünden nicht.
7Der Antragsteller hat am 7. Januar 2015 Klage erhoben und einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Er trägt vor: Sein Asylverfahren sei in Deutschland durchzuführen. Er sei wie in seiner Erstbefragung angegeben am 15. Februar 1997 geboren und damit (im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung) minderjährig. Es sei in keiner Weise nachvollziehbar, wie die Mitarbeiter des Jugendamtes E. zu einer anderen Einschätzung gelangt seien. Im Übrigen legt er ein Attest des Fachkrankenhauses für Psychiatrie/Psychotherapie/Psychosomatik/ Psychosoziale Integration, B. B1. H. vom 17. März 2015 vor, in dem unter der Diagnose F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung basierend auf zwei Behandlungsterminen (10. Februar 2015 und 3. März 2015) u.a. ausgeführt wird: Der Patient benötige ohne Zweifel eine weitere traumatherapeutische und psychiatrische Versorgung. Auch eine zwangsweise Rückführung in sein letztes Aufenthaltsland Ungarn würde den Patienten sicher hochgradig belasten, zumal eine dortige adäquate psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht stattfinden könne. Als Folgen einer zwangsweisen Abschiebung bei äußerst schwer belastender Vorgeschichte - zu der das Attest weitere Ausführungen enthält, auf die Bezug genommen wird - mit erneutem subjektiven Gefühl einer Bedrohung seien auch selbstschädigende Handlungen bis zu einer Selbsttötung nicht ausschließbar.
8Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
9die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums 5 K 40/15.A gegen die unter Ziffer 2. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 15. Dezember 2014 verfügte Abschiebungsanordnung anzuordnen,
10Die Antragsgegnerin beantragt,
11den Antrag abzulehnen.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin verwiesen.
13II.
141. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO - i.V.m. §§ 114, 115 der Zivilprozessordnung begründet, weil der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgenden Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
152. Der Antrag,
16die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums 5 K 40/15.A gegen die unter Ziffer 2. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 15. Dezember 2014 verfügte Abschiebungsanordnung anzuordnen,
17hat Erfolg.
18Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft, da gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG - Aussetzungsanträge gegen eine Abschiebungsanordnung zulässig sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
19Der Antrag ist zulässig. Er ist insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellt worden. Der angegriffene Bescheid ist dem Antragsteller nach eigenen Angaben am 31. Dezember 2014 zugestellt worden. Sein Antrag ist am 7. Januar 2015 und damit fristgerecht bei Gericht eingegangen.
20Der Antrag ist auch begründet, da sich die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens nach summarischer Prüfung als offen erweisen und die Interessenabwägung zu Gunsten des bei Antragstellung möglicherweise minderjährigen Antragstellers ausfällt.
21Im Rahmen eines Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse einerseits und dem privaten Interesse des Antragstellers andererseits, von einer Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorläufig verschont zu bleiben.
22Dabei darf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts erfolgen, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet in § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vorgeschrieben ist. Eine derartige Einschränkung des gerichtlichen Prüfungsmaßstabes hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Abs. 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem gesetzgeberischen Willen, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG fand im Bundesrat keine Mehrheit.
23Vgl. hierzu: Verwaltungsgericht (VG) Trier, Beschluss vom 18. September 2013 ‑ 5 L 1234/13.TR ‑; VG Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 - 2 B 844/13 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Februar 2014 - 13 148/14.A - und VG Aachen, Beschluss vom 27. April 2014 ‑ 4 L 559/14.A ‑; alle: juris.
24Die Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses mit dem privaten Aussetzungsinteresse hat sich vielmehr maßgeblich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, soweit diese sich bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung abschätzen lassen. An der Vollziehung einer offensichtlich rechtswidrigen Maßnahme kann kein öffentliches Interesse bestehen; ist die zu vollziehende Maßnahme rechtmäßig, kann das Interesse am Aufschub der Vollziehung regelmäßig als gering veranschlagt werden, so dass das öffentliche Interesse überwiegt. Lassen sich die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs nicht abschließend abschätzen, bedarf es einer Abwägung aller relevanten Umstände, insbesondere der Vollzugsfolgen, um zu ermitteln, wessen Interessen für die Dauer des Hauptsacheverfahrens der Vorrang gebührt.
25Nach § 34 a Abs. 1 AsylVfG hat das Bundesamt eine Abschiebungsanordnung u.a. dann zu erlassen, wenn der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a) abgeschoben werden soll (dazu unter a), sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann (dazu unter b).
26a) Die Antragsgegnerin ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass grundsätzlich Ungarn für die Prüfung des von dem Antragsteller gestellten Asylantrags zuständig wäre.
27Entscheidend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Überstellung nach Ungarn ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist ‑ sog. Dublin III‑VO ‑. Diese Verordnung ist auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt ‑ ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung ‑ für alle Gesuche auf Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern (vgl. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III‑VO). Vorliegend ist das Wiederaufnahmegesuch an Ungarn am 1. Dezember 2014 und damit nach dem vorgenannten Stichtag gestellt worden.
28Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates nach Maßgabe der Dublin III‑VO hat grundsätzlich auf der Grundlage der dort festgelegten Kriterien zu erfolgen, für die eine bestimmte Rangfolge (vgl. Art. 7 bis 15 Dublin III‑VO) gilt. Stimmt allerdings ein Mitgliedstaat der (Wieder‑)Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe eines der in der Dublin III‑VO genannten Kriterien zu ‑ wie hier Ungarn mit Schreiben vom 9. Dezember 2014 unter Hinweis auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III‑VO -, so ist dieser verpflichtet, den Asylbewerber aufzunehmen. Der Asylbewerber hat grundsätzlich kein subjektives Recht auf Einhaltung der primär den Interessen der Mitgliedstaaten dienenden Zuständigkeitsverfahrensvorschriften, insbesondere soweit diese Form- und Fristerfordernisse regeln. Der Asylbewerber kann eine Dublin-Zuständigkeitsregelung gerichtlich nur dann durchsetzen, wenn diese wie Art. 6 bis 8 der Dublin II-VO bzw. Art. 8 bis 11 und 16 der Dublin III-VO grundrechtlich "aufgeladen" sind oder wenn ein Fall des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO vorliegt. Nach dieser Vorschrift setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 14. Dezember 2007 (ABl. C 303/1, Europäische Grundrechtecharta - GR‑Charta) mit sich bringen und eine Überstellung in den Mitgliedstaat deshalb unmöglich ist. Die Aufnahme dieser in der Dublin II-VO nicht enthaltenen Vorschrift geht auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Dublin II-VO zurück,
29vgl. Urteil vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C‑411/10 und 493/10 u.a. ‑ "N.S.", NVwZ 2012, 417 ff.,
30wonach Artikel 4 der GR-Charta dahingehend auszulegen ist, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin II-VO zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der GR-Charta ausgesetzt zu werden. Der Antragsteller hat ein subjektives Recht auf die korrekte Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 der Dublin III-VO in dem Sinne, dass jedenfalls keine Überstellung in den Mitgliedstaat, in dem diese systemischen Schwachstellen vorliegen, erfolgen darf.
31Die Kammer geht zwar mit Blick auf die aktuelle Auskunftslage derzeit nicht vom Vorliegen systemischer Schwachstellen in diesem Sinne im ungarischen Asylverfahren aus
32vgl. z.B. VG Aachen, Beschluss vom 26. März 2015 - 5 L 188/15.A -.
33Vorliegend ist aber offen, ob der Antragsteller aus Art. 8 Abs. 4 der Dublin III-VO i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG (Schutz des Kindeswohls) einen Anspruch auf Durchführung seines Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland hat. Gemäß Art. 8 Abs. 4 der Dublin III-VO ist bei Abwesenheit eines Familienangehörigen, eines seiner Geschwister oder eines Verwandten im Sinne der Absätze 1 und 2 der Mitgliedstaat zuständig, in dem der unbegleitete Minderjährige seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient. Verfassungsrechtlich verankert ist der Schutz des Kindeswohls in Art. 6 Abs. 2 GG.
34Vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1998 - 2 BvR 1206/98 -, juris, Rn. 77.
35Anhaltspunkte dafür, dass sich ein Familienangehöriger, ein Geschwister oder ein Verwandter des Antragstellers in einem Mitgliedstaat aufhält, bestehen nicht, so dass der Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 4 der Dublin III-VO eröffnet ist. Aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
36Urteil vom 6. Juni 2013, M.A. u.a. vs. UK, - C-648/11 -, juris,
37zur inhaltlich identischen Vorgängerbestimmung des Art. 6 Satz 2 der Dublin II-VO ist Art. 8 Abs. 4 der Dublin III-VO mit Blick auf die besondere Schutzbedürftigkeit Minderjähriger dahingehend auszulegen, dass unbegleitete Minderjährige, die in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben, grundsätzlich nicht in einen anderen Mitgliedstaat zu überstellen sind, in dem sie den ersten Asylantrag gestellt haben. Unbegleitete Minderjährige sind damit von Wiederaufnahmeverfahren ausgenommen; die Prüfung des Schutzgesuchs ist vom Aufenthaltsstaat selbst - hier von der Bundesrepublik Deutschland - durchzuführen.
38Vorliegend ist im Eilverfahren nicht aufklärbar und damit offen, ob der Antragsteller minderjährig ist. "Unbegleiteter Minderjähriger" ist gemäß Art. 2 Buchstabe j) Dublin III-VO ein Minderjähriger, der ohne Begleitung eines für ihn nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreist, solange er sich nicht tatsächlich in der Obhut eines solchen Erwachsenen befindet; dies schließt einen Minderjährigen ein, der nach Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats dort ohne Begleitung zurückgelassen wird. "Minderjähriger" ist nach der Definition in Art. 2 Buchstabe i) Dublin III-VO ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser unter 18 Jahren. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Zuständigkeitskriterium der Minderjährigkeit ist nach der sogenannten Sachverhaltsversteinerungsregel des Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO der Sachverhalt zum Zeitpunkt der Stellung des ersten Antrages auf internationalen Schutz.
39Nach Aktenlage hat der Antragsteller nach seinem Aufgriff an der Bahnlinie P. -Q. und der sich anschließenden Vernehmung bei der Polizeiinspektion Q1. seine Personalien auf einen Zettel geschrieben und als Geburtsdatum den 15. Februar 1997 angegeben. Soweit die ungarischen Behörden in ihrer Antwort auf das Wiederaufnahmegesuch unter dem 9. Dezember 2014 angeben, der Antragsteller habe in Ungarn am 10. August 2014 unter Angabe des Geburtsdatums 15. Februar 1996 einen Asylantrag gestellt, sei aber aufgrund einer vorläufigen Altersbestimmung als volljährig behandelt worden, ist dies insoweit widersprüchlich als der Antragsteller unter Zugrundelegung des 15. Februar 1996 am 15. Februar 2014 und damit bei Antragstellung in Ungarn bereits 18 Jahre alt gewesen wäre. Für die von den ungarischen Behörden vorgenommene Altersschätzung hätte also damit kein Anlass bestanden, so dass davon auszugehen ist, dass der Antragsteller auch damals 1997 und nicht wie - offensichtlich irrtümlich - von den ungarischen Behörden mitgeteilt 1996 als Geburtsjahr angegeben hat. Die - insoweit einheitlichen - Angaben des Antragstellers zu seinem Geburtsdatum zugrundegelegt war er mithin im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung in Ungarn minderjährig.
40Vgl. zu dem - hier nicht vorliegenden - Fall widersprüchlicher Altersangaben des Antragstellers: EGMR, Entscheidung vom 5. Februar 2015 - Nr. 51428/10 -, juris, wonach der Mitgliedstaat sich grundsätzlich auf die zuerst gemachten persönlichen Angaben des Antragstellers berufen darf.
41Die dagegen vom Bundesamt vorgenommene - nicht näher begründete - Alterseinschätzung auf über 18 Jahre im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung am 10. August 2014 in Ungarn ist nicht ansatzweise nachvollziehbar. Dabei geht die Kammer davon aus, dass eine Alterseinschätzung jedenfalls dann, wenn sie nicht auf weitere, nachvollziehbar dargestellte Umstände (wie z.B. Urkunden) gestützt werden kann, im Regelfall einer Untersuchung und Beurteilung durch geeignete Sachverständige bedarf, um diese überprüfbar zu machen. Dabei sind im Wege eines Sachverständigengutachtens die Ergebnisse einer - nach entsprechender Aufklärung und Einwilligung des Betroffenen durchgeführten - körperlichen Untersuchung zur Beurteilung der körperlichen und geistigen Reifeentwicklung, einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine sowie einer zahnärztlichen und gegebenenfalls einer psychologischen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammenzuführen.
42Vgl. für Fälle der Inobhutnahme unbegleitet eingereister asylsuchender Minderjähriger: OVG NRW, Beschluss vom 13. November 2014 - 12 B 1280/14 - sowie BayVGH, Beschluss vom 23. September 2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 14.1865 -, beide juris, jeweils m.w.N.; Österreichisches Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur Altersfeststellung mit Blick auf Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO: Beschluss vom 21. Oktober 2014 - W161 2013051-1 - und Erkenntnis vom 7. Februar 2014 - W144 143528-2 -, jeweils abrufbar unter RIS.
43Weiter ist zu beachten, dass grundsätzlich eine Altersfeststellung nur im Rahmen einer gewissen Bandbreite möglich sein dürfte und mit Blick auf die besondere Schutzbedürftigkeit von Minderjährigen im Zweifel von der Minderjährigkeit auszugehen ist. Art. 25 Abs. 5 der sogenannten Asylverfahrensrichtlinie (Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes) regelt ausdrücklich, dass die Mitgliedstaaten bei fortbestehenden Zweifeln bezüglich des Alters des Antragstellers davon ausgehen, dass der Antragsteller minderjährig ist. Dies entspricht auch den Richtlinien über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger des UNHCR vom Februar 1997, die unter Ziffer 5.11 empfehlen, im Zweifelsfall zugunsten des Kindes zu entscheiden, wenn das genaue Alter ungewiss ist und im Übrigen für ausschlaggebend halten, ob der Betreffende eine "Unreife" und Hilflosigkeit zeigt, die eine sensiblere Behandlung erfordern könnten.
44Vgl. BayVGH, Beschluss vom 23. September 2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, juris, Rn. 23; VG München, Beschluss vom 18. Juli 2014 - M 24 S 14.50340 -, juris; Filzwieser, Dublin III-VO, Art. 8, K 18.
45Nach diesen Maßstäben kann vorliegend im Rahmen des nur eine summarische Prüfung zulassenden Eilverfahrens nicht von der Volljährigkeit des Antragstellers ausgegangen werden. Soweit das Bundesamt sich auf die Angaben der ungarischen Behörden verlassen haben sollte, wonach der Antragsteller aufgrund einer vorläufigen Altersbestimmung im Rahmen seiner Festnahme als Volljähriger behandelt wurde, ist nicht erkennbar, wie diese Altersbestimmung durchgeführt wurde. Das Bundesamt hat offensichtlich keine diesbezüglichen Unterlagen beigezogen. Es findet sich im Verwaltungsvorgang auch kein Hinweis darauf, dass zumindest Einsicht in etwaige Untersuchungsergebnisse genommen wurde. Erkenntnisse darüber, in welcher Weise Ungarn Altersfeststellungen vornimmt, liegen der Kammer nicht vor. Auch mit Blick auf die von den Jugendamtsmitarbeitern des Jugendamtes E. nach einem am späten Abend des Aufgriffstages am 20. August 2014 geführten Einzelgespräch mit dem Antragsteller geäußerten Zweifel an seinen Altersangaben, lässt sich nicht feststellen, dass der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung am 10. August 2014 in Ungarn volljährig war. Abgesehen davon, dass die Einschätzung der Jugendamtsmitarbeiter nicht näher begründet ist und auch nicht bekannt ist, inwieweit diese über hinreichende berufliche Erfahrung im Umgang mit jungen Ausländern, insbesondere aus dem Kulturkreis Afghanistans verfügen, stellt eine Altersschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale keine ausreichende Grundlage dar und zwar selbst dann nicht, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist.
46Vgl. hierzu: BayVGH, Beschluss vom 23. September 2014 - 12 CE 14.1833, 12 C 1412 C 14.1865 -, juris, Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 13. November 2014 - 12 B 1280/14 -, juris, Rn. 18.
47Nach allem muss die abschließende Klärung der zuständigkeitsentscheidenden Altersfrage dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
48Die mit Blick auf die offenen Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren vorzunehmende Interessenabwägung fällt vorliegend zugunsten des Antragstellers aus. Soweit der Antragsteller bei Antragstellung in Ungarn minderjährig war, ist er als besonders schutzbedürftig zu behandeln. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist dem raschen Zugang des - bei Antragstellung - minderjährigen Antragstellers zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz vorrangige Bedeutung beizumessen gegenüber dem - in erster Linie von finanziellen Erwägungen getragenen - Interesse der Mitgliedstaaten an einer Einhaltung der übrigen, nachrangigen Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO. Dieser Schutzgedanke wäre nicht mehr realisierbar, wenn der Antragsteller vor einer entsprechenden Altersfeststellung abgeschoben würde.
49Vgl. im Ergebnis ebenso: VG München, Beschluss vom 18. Juli 2014 - M 24 S 14.50340 -, juris, Rn. 42.
50b) Die Kammer lässt offen, ob die Abschiebungsanordnung auch mit Blick auf sog. inlandsbezogene Abschiebungshindernisse in der Person des Antragstellers rechtswidrig ist. Abschiebungshindernisse hat das Bundesamt im Rahmen des Erlasses einer Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylVfG zu prüfen und zwar unabhängig davon, ob diese vor oder nach Erlass der Abschiebungsanordnung entstanden sind.
51Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. September 2014 ‑ 2 BvR 1795/14 ‑, juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 ‑ 18 B 1060/11 -, juris, Rdnr. 4.
52Vorliegend spricht aufgrund des im gerichtlichen Verfahren vorgelegten fachärztlichen Attestes vom 17. März 2015 allerdings einiges dafür, dass auch der gesundheitliche Zustand des Antragstellers mit Blick auf eine möglicherweise vorliegende Reiseunfähigkeit bzw. hinsichtlich der in Ungarn für den Antragsteller erreichbaren Behandlungsmöglichkeiten gegebenenfalls einer weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren bedarf.
53Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
54Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
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Annotations
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:
- 1.
- a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge; - b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
- 2.
- a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist; - b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
- 3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen; - 4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; - 5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.
(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.
(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.